Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2018:0412.6K2254.17.00
12.04.2018

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Höhe von 9.782,00 €.

2

Der Kläger betreibt seit dem Jahr 1995 in Speyer einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Das Unternehmen war Gegenstand einer Steuerfahndungsprüfung, deren Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht vom 12. April 2013 festgehalten worden sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hat.

3

Am 25. Oktober 2013 kam es zwischen den Beteiligten zu folgender „tatsächlicher Verständigung“:

        

Zwischen

        

Herrn T (der Kläger)

        

wohnhaft in …

        

steuerlich geführt beim Finanzamt Germersheim-Speyer unter der Steuernummer ….

        

vertreten durch

        

Herrn Rechtsanwalt M

        

und dem

        

Finanzamt …, vertreten durch Herrn ORR S (Sachgebietsleiter Veranlagung) als entscheidungsbefugten Beamten

        

wird unter Beteiligung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ... - Steuerfahndungsprüfer RR M –

        

auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 11.12.84 VIII R 131/76 (BStBl. 1985 II S. 354), vom 05.10.90 III R 19/88 (BStBl. 1991 II S. 45), vom 06.02.91 IR 13/86 (BStBl.. 1991 II S. 673) und vom 31.07.1996, XI R 78/95 (BStBl. 1996 II S. 625) eine Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen getroffen, die trotz Bemühens um Aufklärung nicht sicher festgestellt werden können (Hinweis auf § 162 der AbgabenordnungAO -).

        

Diese Verständigung führt nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis und stellt kein Geständnis im strafrechtlichen Sinn dar.

                 
        

Für das weitere Verfahren gehen die Beteiligten von folgendem Sachverhalt aus:

        

Herr T betreibt in PLZ S, S-Str. einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen; im Rahmen dieses Betriebes vermittelt er auch Fahrzeugtransporte.

        

Bereits bei einer für die Jahre 2005 – 2007 begonnenen Betriebsprüfung wurden sowohl Differenzen beim privaten Geldverkehr als auch ungeklärte Geldeinlagen in dem Betrieb festgestellt.

        

Durch die Steuerfahndungsprüfung wurden bisher unverbuchte Geschäftsvorfälle sowie Geldzugänge und Geldbestände ermittelt, bei denen Inhaberschaft und Mittelherkunft nicht endgültig aufgeklärt werden können; insbesondere ist eine abschließende Klärung der nur fragmentarisch bekannten, im Ausland (Libanon) verwirklichten Sachverhalte nicht möglich. Die Besteuerungsgrundlagen müssen daher durch Vornahme ergänzender Schätzungen ermittelt werden.

4
        

Dazu besteht Einvernehmen über den Ansatz der folgenden Besteuerungsgrundlagen:

                 

2004   

2005   

2006   

                 

€       

€       

€       

        

Gewinn aus Gewerbebetrieb lt

                          
        

Erklärung/ursprünglicher Veranlagung

68.105

66.138

70.506

        

Zuschätzungsbetrag

105.000

105.000

105.000

        

Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung

173.105

171.138

175.506

                 

2007   

2008   

2009   

                 

€       

€       

€       

        

Gewinn aus Gewerbebetrieb lt

                          
        

Erklärung/ursprünglicher Veranlagung

72.296

66.237

63.379

        

Zuschätzungsbetrag

105.000

105.000

100.000

        

Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung

177.296

171.237

 163.379

                 
        

Speyer, 25.08.2013

        

gez.: T – Steuerpflichtiger –

        

gez.: S – Sachgebietsleiter Vlg. –

        

gez.: M – Rechtsanwalt

        

gez.: M –Steuerfahndungsbeamter –

5

Im Anschluss an die vorgenannte tatsächliche Verständigung ergingen entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, die in der Folge bestandskräftig wurden.

6

Säumniszuschläge wegen verspäteter Zahlung der Einkommensteuer wurden nach Tilgung der Hauptschuld erlassen. Dies war dem Kläger am Rande der Besprechung vom 23.10.2013 für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass die Hauptschulden getilgt werden.

7

Mit Bescheid vom 02.04.2015 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen unter Hinweis auf §§ 235, 238 und 239 der Abgabenordnung (AO für die Einkommensteuer 2004 – 2009 und den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2004 – 2009 in Höhe von insgesamt 9.782 € fest. Hierbei waren die festgesetzten Nachzahlungszinsen nach § 233 a AO zutreffend angerechnet worden. Über das rechnerische Ergebnis besteht Einvernehmen.

8

Mit Schreiben vom 04.05.2016 legte der Kläger gegen den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen Einspruch ein. Nach seiner Auffassung war im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden, der alle Nebenleistungen – incl. Hinterziehungszinsen – beinhalten sollte.

9

Die Bediensteten der Finanzverwaltung, die an der Besprechung über die beabsichtigte Verständigung teilgenommen hatten, erklärten übereinstimmend, dass ein Verzicht auf eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht ausgesprochen wurde und dass ein solcher Verzicht seitens der Finanzverwaltung auch nicht beabsichtigt war. Die Finanzverwaltung habe auch nicht den Eindruck erwecken wollen, dass sie von Hinterziehungszinsen absehen wolle.

10

Mit der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2016 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen zurück. Hiergegen ist eine Klage beim Finanzgericht anhängig.

11

Am 01.12.2016 stellte der Rechtsanwalt des Klägers einen Antrag auf Erlass der Hinterziehungszinsen. Er trug erneut vor, dass die Festsetzung der Zinsen gegen die im Verlauf der tatsächlichen Verständigung getroffenen Absprachen verstoße. Darüber hinaus seien die finanziellen Mittel nach Zahlung des „ausgehandelten Vergleichsbetrags“ und der Geldstrafe erschöpft. Der Vergleich sei nur abgeschlossen worden, weil der Kläger nicht mit mehr als 400.000 € Steuerforderungen belastet werden wollte.

12

Mit Bescheid vom 03.01.2017 wies der Beklagte den Erlassantrag ab. Er wies darauf hin, dass die Hinterziehungszinsen zu Recht festgesetzt wurden. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen sei nicht möglich, da dadurch gesetzwidrig die Festsetzung umgangen würde. Persönliche Billigkeitsgründe seien nicht erkennbar. Eine Einigung war nicht möglich. Über den Einspruch ist zu entscheiden.

13

Mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2017 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 03. Januar 2017 über die Ablehnung des Erlassantrages nach § 227 AO als unbegründet zurück.

14

Das vorliegende Klageverfahren, mit dem sich der Kläger gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wendet, ist – nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens – im Anschluss an die Ablehnung des Erlassantrages wieder aufgenommen worden.

15

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor:

„Bei sämtlichen Gesprächen, die auf einen „Vergleich“ abzielten, wurde zunächst nicht die Besteuerungsgrundlag ermittelt, sondern über den Betrag verhandelt, den der Kläger an Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Solizuschlag und sonstigen steuerlichen Nebenforderungen, wie Zinsen und Säumniszuschlägen nachzahlen sollte. Die Rede war daher immer von einem „Gesamtbetrag“.

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

Am 14.08.2016 wurde von dem Unterzeichner anlässlich einer gemeinsamen Besprechung in den Räumen der Beklagten, nachdem zunächst über die Höhe einer Sicherheitsleistung verhandelt worden ist, der Beklagten ein Betrag von pauschal 400.000,00 € angeboten, wobei auch bei diesem Angebot – wie auch bei früheren Angeboten – klar zum Ausdruck gebracht worden ist, dass es sich bei diesem Betrag um einen Pauschalbetrag zur Abgeltung sämtlicher nachzuzahlender Steuern und Nebenforderungen, einschließlich Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Solizuschlag, Säumniszuschlägen, und Zinsen aller Art für den betreffenden Zeitraum handelte.

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

Der Zeuge B, der bei der Besprechung am 14.08.2013 anwesend war, hat sich eine Notiz über den Gesprächsinhalt gemacht. Danach wurde über Zinsen gesprochen und auch darüber, dass in dem Betrag von 400.000,00 €, den der Kläger als „Vergleichsbetrag“ angeboten hatte, die nachzuzahlende Gewerbesteuer und Zinsen enthalten sind.

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

Die Beklagte hatte am 14.08.2016 höhere Vorstellungen, was den „Pauschalbetrag“ zur Grundlage eines Vergleichs mit dem Kläger anbelangt, erklärte aber gleichzeitig, das Angebot des Klägers überdenken zu wollen.

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

Am 19.08.2016 rief sodann der Fahndungsprüfer M bei dem Unterzeichner an, der bei der Besprechung am 14.08.2013 ebenfalls zugegen war und erklärte gegenüber dem Unterzeichner u.a., dass eine hausinterne Besprechung bei der Beklagten ergeben habe, dass die Beklagte bereit sei, das Angebot des Klägers vom 14.08.2013 anzunehmen. Die Gewerbesteuer, wie auch Zinsen sollten in dem Betrag enthalten sein.

Beweis:

Zeugnis des RA M

16

Ergänzend erklärte der Fahndungsprüfer M, dass noch eine „tatsächliche Verständigung“ unterzeichnet werden müsse. Bei dieser werde er die Zuschätzbeträge zu den Gewinnen aus Gewerbebetrieb für das Geschäftsjahr 2004 – 2009 nunmehr so errechnen, dass sich aus den anzusetzenden Gewinnen für die Geschäftsjahre 2004 – 2009 ein Betrag ergibt, auf deren Grundlage sich wiederum der ausgehandelte Betrag von 400.000,00 € plus minus 100,00 € 300,00 € errechnet.

17

Unter diesem Hintergrund kam es dann zur Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2016, in der die Zuschätzbeträge für das

Jahr 2004 von ursprünglich 150.000,00 € auf 105.000,00 €

Jahr 2005 von ursprünglich 150.000,00 € auf 105.000,00 €

Jahr 2006 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €

Jahr 2007 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €

Jahr 2008 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €

Jahr 2009 von ursprünglich 155.000,00 € auf 100.000,00 €

reduziert worden sind. Die tatsächliche Verständigung bezog sich mithin auf die die Verständigung über die Besteuerungsgrundlage.

18

Beweis:

Vorlage des Entwurfs der tatsächlichen Verständigung vom August 2013 im Bestreitensfalle

        

Vorlage der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2013 im Bestreitensfalle

19

Im Vertrauen auf die Angaben des Fahndungsprüfers M hat der Kläger darauf verzichtet, in der von der Beklagten vorformulierten „tatsächlichen Verständigung“ vom 25.08.2013 auch aufzunehmen, dass vereinbart worden ist, dass der Nachzahlungsbetrag, auf den die Parteien sich verständigt haben, 400.000,00 € beträgt und alle steuerlichen Nebenleistungen, incl. Zinsen beinhaltet.

20

Eine entsprechende Vereinbarung ist aufgrund des Inhalts der Vorgespräche und der vorgenannten Angaben gleichwohl mündlich zustande gekommen.

21

Beweis: Zeugnis des Steuerberaters B

22

Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass der Kläger den vereinbarten Nachzahlungsbetrag aufgrund danach ergangener Bescheide seitens der Beklagten und der Stadt Speyer in voller Höhe bezahlt hat.

23

Unstreitig ist ferner, dass die Beklagte nach Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2013 Säumniszuschläge gegen den Kläger erhoben hat und der Beklagte auf entsprechenden Vortrag des Steuerberaters des Klägers, dass sich die Parteien im August 2013 auf einen nachzuzahlenden „Vergleichsbetrag“ verständigt haben, der die Steuern sowie alle steuerlichen Nebenleistungen, wie auch die Zinsen und die Säumniszuschläge beinhaltet, dem Kläger die festgesetzten Säumniszuschläge zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag im Gesamtbetrag von 11.238,57 € erlassen hat.

24

Der Erlass datiert auf den 21.01.2014.

25

Nachdem die Beklagte dem Kläger mit der Begründung des Steuerberaters des Klägers die Säumniszuschläge erlassen hat, ist nicht nachvollziehbar, warum mit der gleichen Begründung die Beklagte dem Kläger nicht auch die Hinterziehungszinsen erlässt.

26

Dem Kläger – wie auch dem Unterzeichner – ist bekannt, dass es im Steuerrecht einen „Vergleich“ im rechtlichen Sinne nicht gibt.

27

Dem Kläger – wie auch dem Unterzeichner – ist ferner bekannt, dass die Höhe der Zinsen nach §§ 223, 235 AO nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein kann.

28

Im Erlassverfahren hat die Beklagte vorgetragen, dass der Fahndungsprüfer während der Prüfung einen „Vergleichsbetrag von 400.000,00 € nur in den Raum gestellt habe.

29

Fakt ist indes, dass der Betrag von 400.000,00 € nicht nur in den Raum gestellt worden ist, sondern dass dieser Betrag als Nachzahlungsbetrag einschließlich aller steuerlichen Nebenleistungen, wie Zinsen aller Art und Säumniszuschläge ausgehandelt worden ist und die Beklagte sich mit diesem Betrag zufrieden erklärt hat.

30

Bei dem „Aushandeln“ des Nachzahlungsbetrages war der Steuerberater des Klägers anwesend.

31

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

Über Zinsen ist ausdrücklich gesprochen worden.

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

32

Insoweit wird ergänzend auch auf den bereits durch den Zeugen B mit Schreiben vom 04.05.2015 gestellten Erlassantrag verwiesen, in dem dieser zur Begründung ausgeführt hat, dass sich auf ein nachzuzahlender Betrag verständigt wurde, der die Steuern sowie alle steuerlichen Nebenleistungen beinhaltet.

33

Beweis:

Zeugnis des Steuerberaters B

        

Schreiben des Zeugen B vom 04.05-2015 in Kopie anbei

34

Fraglich ist, welchen Rechtscharakter das Ergebnis des „ausgehandelten Vergleichs“ hat, nachdem es im Steuerrecht einen Vergleich bekanntlich nicht gibt.

35

Die Aussage des Fahndungsprüfers wurde nach einer Außenprüfung – also einem geprüften Sachverhalt – vorgenommen. Eine Qualifizierung der Aussage des Fahndungsprüfers mit dem o.g. Inhalt als verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO ist damit ausgeschlossen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ist nur eine verbindliche Zusage möglich. Die verbindliche Zusage stellt einen Verwaltungsakt dar, was durch § 207 Abs. 3 AO bestätigt wird.

36

Das „Aushandeln“ eines Nachzahlungsbetrages mit dem Hinweis, dass in dem Nachzahlungsbetrag von 400.000,00 € sämtliche Steuern und steuerliche Nebenleistungen enthalten sind, ist daher als eine verbindliche Zusage und damit als Verwaltungsakt anzusehen.

37

Der Verwaltungsakt des Fahndungsprüfers ist auch wirksam. Zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes bedarf es nicht der Schriftform, da nach § 119 Abs. 1 AO ein Verwaltungsakt schriftlich, mündliche oder in anderer Weise erlassen werden kann. Auch sonst unterliegt der Verwaltungsakt mit seiner Bekanntgabe wirksam und bleibt solange wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt wird.

38

Der Verwaltungsakt ist auch nicht nichtig. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor.

39

Soweit sich der Fahndungsprüfer der Tragweite seiner Aussage nicht bewusst gewesen ist, geht dieser Umstand mit der Beklagten, nicht aber mit dem Kläger anheim.

40

Soweit der Inhalt des Verwaltungsaktes zwischen den Parteien streitig ist, wird an dieser Stelle noch einmal auf die Ausführungen des Zeugen B im Schreiben vom 04.05.2015 verwiesen.

41

Beweis:

Schreiben des Steuerberaters des Klägers, Herrn B vom 04.05.2015 in Kopie anbei

42

Schließlich wird ergänzend darauf hingewiesen, dass aus den gleichen Gründen, wie aus den Gründen im Erlassantrag des Zeugen B gem. Schreiben vom 04.05.2015 dem Kläger festgesetzte Säumniszuschläge erlassen worden sind.

43

Darüber hinaus ergeht der Hinweis, dass der Zeuge B bereits mit Schreiben vom 04.05.2015 darauf hingewiesen hat, dass mit Festsetzung der Hinterziehungszinsen, die bereits erlassenen Säumniszuschläge in anderer Form wieder eingefordert werden, obgleich nach Aussage des Fahndungsprüfers M ein Nachzahlungsbetrag von 400.000,00 € incl. Aller steuerlicher Nebenleistungen vereinbart worden ist.

44

Beweis:

Schreiben des Steuerberaters des Klägers, Herrn B vom 04.05.2015 in Kopie anbei.“

45

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10. April 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 28. September 2016 ersatzlos aufzuheben.

46

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

47

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und führt klageerwidernd aus, dass die Meinung des Klägers, der Fahndungsprüfer habe eine verbindliche Zusage i.S.d. § 204 erteilt, unzutreffend sei. Ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO, in dem der Verzicht auf die Hinterziehungszinsen geregelt worden sei, liege nicht vor. Die tatsächliche Verständigung sei von der verbindlichen Zusage zu unterscheiden. Nach § 204 AO habe die Finanzbehörde die Zusage zu erteilen; dies sei nicht der Fahndungsprüfer, sondern die für die Auswertung der Prüfungsfeststellung zuständige Behörde. Die verbindliche Zusage müsse - vollumfänglich – schriftlich erteilt, d.h. schriftlich niedergelegt und dem Steuerpflichtigen nach § 122 AO bekannt gegeben werden. § 205 Abs. 1 AO sei lex specialis zu § 119 Abs. 2 AO. Eine verbindliche Zusage werde auf Antrag erteilt und regle, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt werde. Das Absehen einer Festsetzung von Hinterziehungszinsen sei kein Gegenstand einer verbindlichen Zusage.

48

Ein Verhalten des Finanzamtes, aus dem der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach Treu und Glauben hergeleitet werden könne, sei nicht erkennbar. Auch wenn die Vertreter des Klägers davon ausgegangen sein sollten, dass keine Hinterziehungszinsen festgesetzt würden, so hätten sie aber keinen entsprechenden Antrag gestellt.

49

Der Erlass von Säumniszuschlägen verhindere nicht die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, da die Vorschriften des § 235 AO und des § 240 AO unterschiedliche Zwecke verfolgten.

50

Gegen den Kläger ist ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung erlassen worden; die verhängte Geldstrafe wurde von ihm entrichtet.

Entscheidungsgründe

51

I. Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht Hinterziehungszinsen festgesetzt.

52

1. Ein Steuerbescheid entfaltet keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Weder § 235 AO noch eine andere Vorschrift sieht insoweit eine Bindungswirkung vor. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag (BFH, Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712). Wie bei Festsetzung der Steuer § 255 I) besteht auch bei Festsetzung der Zinsen kein Ermessensspielraum (vgl. nur Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 150. Lieferung 20.2017, § 235 AO, Rn. 22 m.w.N. zur Rspr.).

53

Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass in den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2009 vom Kläger Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer hinterzogen worden ist. Unstreitig ist ebenfalls die rechnerische Ermittlung der Hinterziehungszinsen im angefochtenen Bescheid vom 10. April 2015.

54

Die Beteiligten streiten allein darüber, ob der Beklagte befugt war, Hinterziehungszinsen festzusetzen.

55

2. Nach § 204 AO soll die Finanzbehörde im Anschluss an eine Außenprüfung dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird. Eine solche Zusage kann sodann im Zusammenhang mit der Besteuerung eines später verwirklichten Sachverhalts Bindungswirkung entfalten (§ 206 AO). Sie erfordert aber u.a. eine als verbindlich gekennzeichnete schriftliche Erklärung (§ 205 Abs. 1 AO) sowie eine Angabe dazu, für welche (zukünftigen) Zeiträume die Zusage gelten soll (§ 205 Abs. 2 Nr. 3 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734; FG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2014, 5 K 463/12, EFG 2015, 1524, bestätigt durch BFH, Urteil vom 20. Oktober 2016 VI R 27/15, BFH/NV 2017, 223).

56

Diese Merkmale erfüllt das im Streitfall allein in Betracht kommende Schriftstück vom 25. Oktober 2013 erkennbar nicht, weshalb sich die Kläger nicht unmittelbar auf § 206 AO berufen können. Zusagen nach § 204 AO können nur für die künftige Behandlung eines steuerlichen Sachverhalts erteilt werden; wie ein in der Vergangenheit verwirklichter Sachverhalt zu beurteilen ist, kann nicht Gegenstand einer Zusage sein (vgl. nur Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 204 Rn. 11 m.w.N. zur Rspr.).

57

Unabhängig davon enthält die schriftliche tatsächliche Verständigung vom 25. Oktober 2013 keine Vereinbarung in Bezug auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Nach dem klaren Wortlaut des § 205 Abs. 1 AO erlangen (ggfs. getroffene) mündliche Nebenabreden insoweit keine Bindungswirkung.

58

3. Die Klage führt auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zum Erfolg.

59

a. Die Finanzbehörden können auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274; vom 17. September 1992 IV R 39/90, BStBl II 1993, 218, BFH-Beschluss vom 21. Mai 2010 V B 91/09, BFH/NV 2010, 1619; FG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2014, - 5 K 463/12, EFG 2015, 1524). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975).

60

b. Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen voraus, dass

        

- sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen bezieht,

        

- der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft,

        

- die Sachverhaltsermittlung erschwert ist,

        

- auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625; FG München, Urteil vom 3. November 2014 7 K 2169/13, juris),

        

- der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652 und BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1619) und

        

- der Steuerpflichtige auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteile vom 22. Juli 2008 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124; vom 31. März 2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742 und vom 16. Juli 2002 IX R 28/98, BStBl II 2002, 714; BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 V B 116/02, BFH/NV 2003, 883).

61

c. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine bestimmte Form (etwa Schriftform) für die tatsächliche Verständigung nach der Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Wenn auch – vor allem bei schwierig aufzuklärenden und zu beurteilenden Fallgestaltungen – eine schriftliche Niederlegung und die Unterzeichnung durch die Beteiligten sinnvoll erscheinen (vgl. auch von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 515), ist nicht ausgeschlossen, den Nachweis des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung auch durch andere Beweismittel (z.B. Zeugenvernehmung) zu führen (BFH, Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625; FG Nürnberg, Urteil vom 13. Januar 2017 - 4 K 1172/16, EFG 2017, 357).

62

Der Kläger hat Beweisanträge gestellt zu seinem Vortrag, es sei ein „Gesamtbetrag“ mit dem Beklagten vereinbart worden, der auch Hinterziehungszinsen eingeschlossen habe. Der Senat hatte diesen Beweisanträgen nicht nachzugehen.

63

aa. Die vorliegende schriftliche Vereinbarung vom 25. Oktober 2013 stützt den vorgenannten Klägervortrag nicht einmal ansatzweise. Allerdings würde dies das Vorhandensein mündlicher Nebenabreden – ggfs. auch zur Auslegung der schriftlichen Vereinbarung – nicht ausschließen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Vorhandensein einer schriftlichen Fixierung den für die Annahme einer tatsächlichen Verständigung erforderlichen Rechtsbindungswillen unmissverständlich zum Ausdruck bringt (Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 162 Rn. 32a). Das bedeutet: Fehlende Schriftlichkeit ist ein Indiz für mangelnden Rechtsbindungswillen, spricht also gegen das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung (BFH, Urteil vom 16. Februar 2006 X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052). Dies gilt erst recht für den Fall, dass eine tatsächliche Verständigung in Schriftform vorliegt, der Steuerpflichtige aber – wie vorliegend – darüber hinaus das Vorliegen einer mündlichen Nebenabrede geltend macht.

64

Allerdings beinhalten die vorgenannten Erwägungen „lediglich Indizien“ (BFH, Urteil vom 16. Februar 2006, a.a.O.) mit der Folge, dass eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung notwendig wäre.

65

bb. Gleichwohl war eine derartige Beweisaufnahme im Streitfall nicht angezeigt. Das Finanzgericht als Tatsacheninstanz kann auf eine beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn etwa das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, es mithin auf das Beweismittel nicht ankommt (BFH, Beschluss vom 16. Dezember 2016 X B 41/16, BFH/NV 2017, 310).

66

Das war vorliegend gegeben, da Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung – sei es in Schriftform oder mündlich – nicht der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist bei (hier unstreitigem) Vorliegen einer Steuerhinterziehung nicht in das – irgendwie geartete – Ermessen der Finanzbehörde gestellt; nach dem eindeutigen Wortlaut des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO „sind“ hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Behörde steht insoweit keinerlei Ermessen zu (FG Nürnberg, Urteil vom 25. Juni 2014 – 3 K 153/13, PStR 2015, 27) mit der Folge, dass die Anwendung des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO nicht zur Disposition der Beteiligten steht. Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung, bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu verzichten, ist daher unwirksam.

67

Im Übrigen können Inhalt einer tatsächlichen Verständigung nur Sachverhaltsfragen, nicht Rechtsfragen sein (vgl. nur BFH, Urteil vom 11. April 2017 IX R 24/15, BFHE 258, 199). Eine Rechtsfrage ist z. B. gegeben, wenn darüber zu entscheiden ist, ob das Verhalten eines Steuerpflichtigen eine Steuerhinterziehung darstellt und welche Schlussfolgerungen daraus in strafrechtlicher und steuerlicher Hinsicht – etwa die zwingende Festsetzung von Hinterziehungszinsen – zu ziehen sind.

68

4. Nicht zum Erfolg führt auch der Hinweis des Klägers auf das Urteil des BFH vom 11. April 2017 im Verfahren IX R 24/15 (BStBl II 2017, 1155). Nach dieser Entscheidung kann die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren nach den Grundsätzen vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise entfallen, wenn ihr eine (irrtümlich) von beiden Parteien angenommene Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht zuzumuten ist.

69

Das Gericht hatte vorliegend nicht über die Wirksamkeit der am 25. Oktober 2013 geschlossenen tatsächlichen Verständigung zu entscheiden. Die auf der Grundlage dieser tatsächlichen Verständigung über Besteuerungsgrundlagen ergangenen Änderungsbescheide sind bestandskräftig geworden. Und unter II.3.c.bb. der Urteilsgründe hat der Senat auch dargelegt, dass Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung – sei es in Schriftform oder mündlich – nicht der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann.

70

Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen weist der Senat darauf hin, dass im BFH-Fall IX R 24/15 ein beiderseitiger Motivirrtum (also der Kläger und des Finanzamtes) über die verfahrensrechtliche Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung vorgelegen hatte (vgl. dazu auch die Urteilsbesprechung von Billau, NWB 5/2018, S. 261 ff.). Eine solcher Motivirrtum hat im vorliegenden Fall jedenfalls auf Seiten des beklagten Finanzamtes nicht vorgelegen. Der Beklagte hat das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung in Bezug auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen bestritten und der Wortlaut der tatsächlichen Verständigung gibt keinen Hinweis auf die Einbeziehung von Hinterziehungszinsen; auch der sonstige gesamte Akteninhalt gibt keinerlei Hinweis auf einen Motivirrtum auf Seiten des Beklagten.

71

5. Es ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten; der Beklagte konnte daher die Hinterziehungszinsen mit dem angefochtenen Bescheid festsetzen.

72

Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr, § 239 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Festsetzungsfrist beginnt in den Fällen des § 235 AO (Verzinsung hinterzogener Steuern) mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO.

73

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, dass bereits im Jahr 2010 eingeleitet worden war, ist mit Verfügung der zuständigen Staatsanwaltschaft vom 24. März 2015 nach § 153a StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger eine Auflage von 10.000 € fristgerecht am 19. März 2015 gezahlt hatte. Die Einstellung ist dem Kläger mit Schreiben vom 1. März 2015 mitgeteilt worden.

74

Die Festsetzungsfrist begann mithin mit Ablauf des Jahres 2015 und endete am 31. Dezember 2016. Der angefochtene Bescheid vom 10. April 2015 erging mithin innerhalb dieser Frist.

II.

75

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17 zitiert 18 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 162 Schätzung von Besteuerungsgrundlagen


(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. (2) Zu schätzen ist insbesondere dann, we

Abgabenordnung - AO 1977 | § 227 Erlass


Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder an

Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen u

Abgabenordnung - AO 1977 | § 122 Bekanntgabe des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden

Abgabenordnung - AO 1977 | § 119 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsakts


(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein. (2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 89 Beratung, Auskunft


(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder g

Abgabenordnung - AO 1977 | § 240 Säumniszuschläge


(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 238 Höhe und Berechnung der Zinsen


(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der T

Abgabenordnung - AO 1977 | § 118 Begriff des Verwaltungsakts


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

Abgabenordnung - AO 1977 | § 235 Verzinsung von hinterzogenen Steuern


(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene

Abgabenordnung - AO 1977 | § 239 Festsetzung der Zinsen


(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:1.in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer fest

Abgabenordnung - AO 1977 | § 204 Voraussetzung der verbindlichen Zusage


(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 205 Form der verbindlichen Zusage


(1) Die verbindliche Zusage wird schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet. (2) Die verbindliche Zusage muss enthalten:1.den ihr zugrunde gelegten Sachverhalt; dabei kann auf den im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt Bezug gen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 207 Außerkrafttreten, Aufhebung und Änderung der verbindlichen Zusage


(1) Die verbindliche Zusage tritt außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruht, geändert werden. (2) Die Finanzbehörde kann die verbindliche Zusage mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern. (3) Eine rück

Abgabenordnung - AO 1977 | § 206 Bindungswirkung


(1) Die verbindliche Zusage ist für die Besteuerung bindend, wenn sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem der verbindlichen Zusage zugrunde gelegten Sachverhalt deckt. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die verbindliche Zusage zuungunsten de

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht Nürnberg Urteil, 13. Jan. 2017 - 4 K 1172/16

bei uns veröffentlicht am 13.01.2017

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Tatbestand Streitig ist die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung. Der (geschiedene) Kläger wurde

Finanzgericht München Urteil, 03. Nov. 2014 - 7 K 2169/13

bei uns veröffentlicht am 03.11.2014

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand I. Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2002 bis 2004 und zur Umsatzsteuer 200

Finanzgericht Nürnberg Urteil, 25. Juni 2014 - 3 K 153/13

bei uns veröffentlicht am 25.06.2014

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Tatbestand Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für die Rückforderung von Kindergeld. Die Kläge

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Apr. 2017 - IX R 24/15

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

Tenor Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 2014  5 K 1931/10 aufgehoben.

Bundesfinanzhof Beschluss, 16. Dez. 2016 - X B 41/16

bei uns veröffentlicht am 16.12.2016

Tenor Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 11. November 2015  12 K 791/11 aufgehoben.

Finanzgericht Köln Urteil, 29. Okt. 2014 - 5 K 463/12

bei uns veröffentlicht am 29.10.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. 1Tatbestand: 2Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärten Aufwendungen als Werbungskosten abzugsf

Bundesfinanzhof Urteil, 28. März 2012 - II R 39/10

bei uns veröffentlicht am 28.03.2012

Tatbestand 1 I. Der Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zu 75 % am Stammkapital der ... GmbH (GmbH) beteiligt. Die übrigen Anteile hielt seine

Bundesfinanzhof Beschluss, 21. Mai 2010 - V B 91/09

bei uns veröffentlicht am 21.05.2010

Gründe 1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. 2

Referenzen

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.

(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.

(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.

(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.

(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.

(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:

1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist,
2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat,
3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist,
4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist,
5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und
6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
Die Festsetzungsfrist läuft in den Fällen des § 233a nicht ab, solange die Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung, ihre Änderung oder ihre Berichtigung nach § 129 noch zulässig ist.

(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.

(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen

1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder
2.
nach § 235
gesondert festzustellen, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind.

(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

(1) Die verbindliche Zusage tritt außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruht, geändert werden.

(2) Die Finanzbehörde kann die verbindliche Zusage mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern.

(3) Eine rückwirkende Aufhebung oder Änderung der verbindlichen Zusage ist nur zulässig, falls der Steuerpflichtige zustimmt oder wenn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegen.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn

1.
die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist und
2.
ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen an einer Erteilung vor dem Abschluss der Außenprüfung besteht und dies glaubhaft gemacht wird.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben

1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post,
2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.

(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.

(7) Betreffen Verwaltungsakte

1.
Ehegatten oder Lebenspartner oder
2.
Ehegatten mit ihren Kindern, Lebenspartner mit ihren Kindern oder Alleinstehende mit ihren Kindern,
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.

(1) Die verbindliche Zusage wird schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet.

(2) Die verbindliche Zusage muss enthalten:

1.
den ihr zugrunde gelegten Sachverhalt; dabei kann auf den im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt Bezug genommen werden,
2.
die Entscheidung über den Antrag und die dafür maßgebenden Gründe,
3.
eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Zusage gilt.

(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.

(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

Tatbestand

1

I. Der Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zu 75 % am Stammkapital der ... GmbH (GmbH) beteiligt. Die übrigen Anteile hielt seine Mutter (M). E war darüber hinaus Eigentümer des von der GmbH langfristig gepachteten Betriebsgrundstücks. Steuerberater P war der Aufsichtsratsvorsitzende der GmbH.

2

Ab Ende des Jahres 1988 kam es zu umfangreichen Verhandlungen zwischen Vertretern der GmbH (E, P und ein weiterer Steuerberater) und der Firma V über einen Verkauf von Anteilen an der GmbH an V. V war an dem Anteilserwerb interessiert, weil sie ihre Produktpalette um die von der GmbH hergestellten Maschinen ergänzen wollte. Die Verhandlungsergebnisse wurden in einer schriftlichen Absichtserklärung ("LETTER OF INTENT") niedergelegt, die von E, M und P am 8. Dezember 1989 sowie von V am 13. Dezember 1989 unterzeichnet wurde. In dieser Absichtserklärung waren insbesondere ein Zeitplan für den Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an der GmbH an V, die jeweiligen Kaufpreise und zwei Kapitalerhöhungen vorgesehen. Der Absichtserklärung entsprechend wurde das Stammkapital der GmbH am 14. Dezember 1989 von 15 Mio. auf 30 Mio. DM erhöht.

3

Im Hinblick auf die ab 1. Januar 1990 vorgesehene Änderung des § 34 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes vom 30. Juni 1989, BGBl I 1989, 1267, § 52 Abs. 23a EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 25 Buchst. c des Gesetzes vom 30. Juni 1989) beabsichtigte E, die zwischen seinem Verpachtungsunternehmen und der GmbH bestehende Betriebsaufspaltung zu beenden. Er verkaufte deshalb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. Dezember 1989 Beteiligungen von insgesamt 26 % am Stammkapital der GmbH an die Klägerin, seine Schwägerin Sn und P. Die Klägerin erwarb dabei 24 % der Anteile am Stammkapital für einen Kaufpreis von 11.160.000 DM. Dieser Kaufpreis ergab sich aus dem von P nach dem Stuttgarter Verfahren errechneten Wert von 155 DM je Anteil im Nominalwert von 100 DM. Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis zunächst durch ein Darlehen einer weiteren GmbH, an der E mit 75 % und M mit 25 % beteiligt waren. Dieses Darlehen löste sie im Februar 1990 durch ein Bankdarlehen ab, für das E eine unbeschränkte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm.

4

Am 16. März 1990 traf E, der zugleich für die Klägerin, M, Sn und P handelte, mit V in privatschriftlicher Form eine weitgehend, insbesondere hinsichtlich der Kaufpreise mit der Absichtserklärung vom 8./13. Dezember 1989 übereinstimmende Vereinbarung über den Verkauf von Anteilen an der GmbH. Danach sollte die aus diesen Personen bestehende E-Gruppe in drei Schritten zu näher bestimmten Zeitpunkten 25,1 %, 24,9 % und 20 % des Stammkapitals der GmbH an die V verkaufen. Der Kaufpreis sollte für die 25,1 % und 24,9 % jeweils 37,5 Mio. DM und für die 20 % 33 Mio. DM betragen. Für die danach der E-Gruppe verbleibenden 30 % am Stammkapital der GmbH wurden der E-Gruppe eine Verkaufsoption und der V eine Kaufoption für jeweils 60 Mio. DM eingeräumt.

5

Der Vertrag vom 16. März 1990 wurde am 26. April 1990 notariell beurkundet. Zugleich traten E und M insgesamt 25,1 % der Anteile am Stammkapital der GmbH zu einem Gesamtpreis von 37,5 Mio. DM an V ab. Das entspricht einem Kurs von 498 DM je Anteil am Stammkapital im Nominalwert von 100 DM. Die Klägerin, M, Sn und P wurden beim Vertragsabschluss durch E als Bevollmächtigten vertreten. Durch die u.a. von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht vom 25. April 1990 wurde E ermächtigt, den bereits privatschriftlich abgeschlossenen schuldrechtlichen Kaufvertrag zu notarieller Urkunde zu bestätigen und ggf. ergänzende Vereinbarungen hierzu zu treffen, über die Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter zu verfügen, sie insbesondere abzutreten und die anderen Gesellschafter auch zu späteren Abtretungen zu verpflichten sowie das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung auszuüben, insbesondere die Satzung zu ändern, auch das Kapital zu erhöhen und für die anderen Gesellschafter neue Gesellschaftsanteile zu übernehmen, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.

6

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Januar 1991 verkauften die Klägerin, M, Sn und P insgesamt 24,9 % der Anteile am Stammkapital der GmbH an V zu einem Gesamtpreis von 37,5 Mio. DM. 14 % der Anteile am Stammkapital mit einem Nominalwert von 4,2 Mio. DM stammten von der Klägerin. Der anteilige Kaufpreis dafür betrug 21.084.332,40 DM.

7

Nachdem das Stammkapital der GmbH zum 15. Januar 1991 von 30 Mio. DM auf 45 Mio. DM erhöht worden war, verkauften E und die Klägerin durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31. Juli 1991  20 % ihrer Anteile am Stammkapital der GmbH an V zu einem Gesamtpreis von 33 Mio. DM. Die Klägerin erhielt dabei für den Verkauf von 5 % am Stammkapital (Nominalwert 2.250.000 DM) 8.250.000 DM. Die nach diesen Anteilsübertragungen noch bei der E-Gruppe verbliebenen 30 % am Stammkapital der GmbH wurden später für 60 Mio. DM an V verkauft.

8

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Februar 1993 überließ E der Klägerin Grundbesitz mit einem Verkehrswert von 4.250.000 DM gegen Übernahme dinglich gesicherter Darlehensschulden von 1.485.000 DM.

9

In der am 20. Januar 1991 beim damals zuständigen Finanzamt ... (FA M) eingegangenen, von P erstellten und auf die Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Klägerin im Dezember 1989 bezogenen Schenkungsteuererklärung wurde ausgeführt, es handle sich um eine Anteilsübertragung mit angemessener Gegenleistung. Eine Schenkung könne somit nicht vorliegen. Das FA M setzte demgemäß zunächst keine Schenkungsteuer gegen die Klägerin fest.

10

In der im Oktober 1993 für die Grundstücksschenkung vom 25. Februar 1993 eingereichten Schenkungsteuererklärung gab die Klägerin an, von E keine Vorschenkungen erhalten zu haben. Die Schenkungsteuer wurde zunächst erklärungsgemäß festgesetzt.

11

Aufgrund von Ermittlungen der zuständigen Steuerfahndungsstelle setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Anteilsübertragung vom 28. Dezember 1989 durch Bescheid vom 27. Mai 1997 gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 5.154.597 DM fest. Das FA ging dabei von einem Wert der auf die Klägerin übertragenen Anteile von 36 Mio. DM aus (24 % des sich bei einem Wert von 500 DM je Anteil im Nominalwert von 100 DM ergebenden Gesamtwerts aller Anteile am Stammkapital der GmbH von 150 Mio. DM) und zog hiervon den Kaufpreis von 11.160.000 DM sowie Kosten von 44.287 DM ab. Darüber hinaus setzte das FA die Schenkungsteuer für die Grundstücksübertragung vom 25. Februar 1993 nunmehr unter Berücksichtigung der Zuwendung der Anteile an der GmbH an die Klägerin als Vorerwerb fest. Die Einsprüche gegen die Schenkungsteuerbescheide blieben erfolglos.

12

Nachdem das Landgericht ... das gegen die Klägerin eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Verkürzung von Schenkungsteuer im April 2001 gemäß § 153a der Strafprozessordnung gegen eine Zahlungsauflage eingestellt hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 19. November 2002 gegen die Klägerin Hinterziehungszinsen in Höhe von 1.001.490 € für die mit Bescheid vom 27. Mai 1997 festgesetzte Schenkungsteuer fest. Es ging dabei von einem Zinslauf vom 24. Februar 1991 bis zum 30. Juni 1997 und somit von einem Zinszeitraum von 76 Monaten aus. Zugleich setzte das FA gegen die Klägerin auch Hinterziehungszinsen auf die Schenkungsteuer für die Zuwendung des Grundvermögens fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.

13

Das Finanzgericht (FG) hob den Zinsbescheid hinsichtlich der Zuwendung des Grundvermögens auf und änderte den auf die Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Klägerin bezogenen Bescheid vom 19. November 2002 dahin, dass es den steuerpflichtigen Erwerb, der der Berechnung der Schenkungsteuer zum Zweck der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zugrunde zu legen ist, von 24.545.700 DM auf 17.345.700 DM herabsetzte, und übertrug die Berechnung der Hinterziehungszinsen dem FA.

14

Zur Begründung führte das FG aus, das FA habe gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO) dem Grunde nach zu Recht Hinterziehungszinsen auf die den Erwerb der Klägerin aus der Zuwendung des E vom 28. Dezember 1989 betreffende Schenkungsteuer festgesetzt. Der objektive und der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) seien insoweit erfüllt. Die als Hausfrau steuerrechtlich unerfahrene und in die Transaktionen mit V kaum eingebundene Klägerin habe sich zwar keine Steuerhinterziehung zu Schulden kommen lassen. Aufgrund der unvollständigen und irreführenden Angaben in der am 20. Januar 1991 beim FA M eingereichten Schenkungsteuererklärung liege aber eine Steuerhinterziehung durch P zugunsten der Klägerin vor. Die vom FA der Berechnung der Hinterziehungszinsen zugrunde gelegte Schenkungsteuer sei dem Grunde nach entstanden. Der Erwerb eines Anteils von 24 % am Stammkapital der GmbH zum Preis von 155 DM je 100 DM Nominalwert durch die Klägerin am 28. Dezember 1989 stelle eine gemischt-freigebige Zuwendung des E an die Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) dar. Der Anteilswert sei nicht nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermitteln, sondern aus dem bei der Anteilsveräußerung am 26. April 1990 erzielten Kaufpreis abzuleiten, da bereits vor dem 28. Dezember 1989 eine Einigung über den von V zu entrichtenden Kaufpreis erzielt worden sei. Da V eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH habe erwerben wollen, sei dieser Kaufpreis um einen Paketabschlag von 20 % zu vermindern. Der Wert der am 28. Dezember 1989 auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH sei daher bei der Zinsberechnung lediglich mit 80 % von 36 Mio. DM, also mit 28,8 Mio. DM anzusetzen. Die vom FA festgesetzten Hinterziehungszinsen seien in entsprechendem Umfang herabzusetzen. Die von V im eigenen Unternehmen erwarteten Synergieeffekte rechtfertigten keine weitere Herabsetzung des Anteilswerts. P habe den Tatbestand der Steuerhinterziehung auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Er habe die zum Vorliegen einer gemischt-freigebigen Zuwendung führenden Umstände gekannt und bedingt vorsätzlich gehandelt. Dass lediglich P, nicht aber der Klägerin selbst Steuerhinterziehung zur Last gelegt werden könne, stehe der Festsetzung der Hinterziehungszinsen gegen die Klägerin als Steuerschuldnerin nicht entgegen.

15

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 9 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes, § 235 AO und § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Wert der von ihr erworbenen Anteile an der GmbH müsse nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt werden. Er könne nicht aus dem beim Anteilsverkauf vom 26. April 1990 erzielten Kaufpreis abgeleitet werden. Sähe man dies anders, müsste jedenfalls der von V für die erwarteten Synergie-Effekte gezahlte Aufpreis wertmindernd berücksichtigt werden.

16

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Bescheid des FA vom 19. November 2002 über Hinterziehungszinsen wegen ihres Erwerbs aus der Zuwendung des E vom 28. Dezember 1989 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 ebenfalls aufzuheben.

17

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

18

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie den Bescheid des FA vom 19. November 2002 über Hinterziehungszinsen wegen des Erwerbs aus der Zuwendung des E an die Klägerin vom 28. Dezember 1989 betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

19

1. Das FG hat zutreffend angenommen, dass es über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheids zu entscheiden habe, ohne an die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Bescheid vom 27. Mai 1997 gebunden zu sein (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. November 1973 I R 92/72, BFHE 111, 7, BStBl II 1974, 125, zu § 4a des Steuersäumnisgesetzes). Schenkungsteuerbescheide sind keine Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.

20

a) Grundlagenbescheide sind gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte. Für die Annahme einer Bindungswirkung ist grundsätzlich eine gesetzliche Regelung erforderlich (BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; vom 20. August 2009 V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, unter II.3.c aa, und vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543, unter II.2.b). Ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung hat der BFH einen Grundlagenbescheid nur dort für möglich gehalten, wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag (BFH-Urteil in BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, unter II.3.c aa, m.w.N.; dazu kritisch BFH-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.4.a). Eine Rechtsgrundlage für die Bindungswirkung kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare sinnvolle Überlegungen ersetzt werden (BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.4.a).

21

b) Ein Schenkungsteuerbescheid entfaltet danach keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Weder § 235 AO noch eine andere Vorschrift sieht insoweit eine Bindungswirkung vor. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 235 AO Rz 40; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 235 Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz 11). Dies wird durch § 235 Abs. 3 Satz 3 AO verdeutlicht. Danach lässt eine nach Ende des Zinslaufs erfolgende Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt. Um Fälle mangelnder Sachkunde des FA geht es bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht.

22

2. Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des FG, dass es der Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegen den Schuldner der hinterzogenen Steuer nicht entgegensteht, wenn er an der Steuerhinterziehung nicht mitgewirkt hat (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9).

23

3. Das FG hat aber zu Unrecht die Ansicht vertreten, die aufgrund des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH seien Gegenstand einer gemischt-freigebigen Zuwendung des E an die Klägerin gewesen.

24

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Besteuerung richtet sich danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten darstellt (BFH-Urteile vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83, und vom 22. Juni 2010 II R 40/08, BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG) über § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 ErbStG an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843, m.w.N.).

25

Es ist nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteile vom 13. März 1996 II R 51/95, BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548, und in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Danach kann in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843).

26

In der Hingabe von Gesellschaftsanteilen kann somit die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem späteren Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile liegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber der Anteile im Verhältnis zum Schenker nur über den Verkaufserlös, nicht aber über die Anteile frei verfügen durfte, sondern sich insoweit den Verfügungen des Schenkers unterzuordnen hatte (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843).

27

Liegt eine mittelbare Schenkung vor, ist sie erst dann i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist, also der Beschenkte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über den Gegenstand der freigebigen Zuwendung erhält und insoweit die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers eintritt (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273; vom 23. August 2006 II R 16/06, BFHE 213, 399, BStBl II 2006, 786, und vom 27. August 2008 II R 19/07, BFH/NV 2009, 29, unter II.B.3.). Erst im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entsteht nach dieser Vorschrift die Schenkungsteuer.

28

b) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen war die Klägerin gegenüber E nicht berechtigt, über die auf sie übertragenen Anteile an der GmbH frei zu verfügen, sie etwa gegen den Willen des E langfristig zu behalten oder an einen Dritten zu verkaufen, sondern musste sich hinsichtlich der Anteile den Verfügungen des E unterordnen. Der Verkauf der Anteile an die Klägerin durch Vertrag vom 28. Dezember 1989 diente der Beendigung der bestehenden Betriebsaufspaltung aus steuerlichen Gründen. Dass es auch darum gegangen sei, die Klägerin persönlich in das Unternehmen der GmbH einzubinden und sie an den insoweit anfallenden Entscheidungen zu beteiligen, hat weder das FG festgestellt noch trägt dies die Klägerin vor.

29

Dass die Klägerin gegenüber E nicht berechtigt war, über die auf sie übertragenen Anteile an der GmbH frei zu verfügen, ergibt sich insbesondere aus dem Zeitablauf und den Umständen beim Verkauf der Anteile an die V (vgl. BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Die von E mit V geführten Verhandlungen über einen Verkauf von Anteilen an der GmbH waren beim Abschluss des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 bereits weit fortgeschritten und hatten zur Unterzeichnung der Absichtserklärung vom 8./13. Dezember 1989 sowohl durch E als auch durch V geführt. Die Klägerin war geschäftsunerfahren und in die Transaktion mit V kaum eingebunden. Der Kaufvertrag mit V wurde bereits am 16. März 1990 und somit kurze Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 privatschriftlich abgeschlossen und am 26. April 1990 notariell beurkundet. Die Klägerin wurde dabei jeweils von E vertreten.

30

E war zudem aufgrund der von der Klägerin unterzeichneten Vollmacht vom 25. April 1990 umfassend zu Verfügungen über die auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH ermächtigt. Er war nicht nur berechtigt, den bereits privatschriftlich abgeschlossenen schuldrechtlichen Kaufvertrag zu notarieller Urkunde zu bestätigen und ggf. ergänzende Vereinbarungen hierzu zu treffen und über die Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter einschließlich der Klägerin zu verfügen, sie insbesondere abzutreten und die anderen Gesellschafter auch zu späteren Abtretungen zu verpflichten, sondern auch dazu, das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung auszuüben, insbesondere die Satzung zu ändern, das Kapital zu erhöhen und für die anderen Gesellschafter neue Gesellschaftsanteile zu übernehmen sowie Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.

31

Die Klägerin konnte darüber hinaus den im Vertrag vom 28. Dezember 1989 vereinbarten Kaufpreis für die Anteile nicht aus eigenem Vermögen aufbringen. Sie nahm vielmehr zunächst ein Darlehen bei einer GmbH auf, an der E zu 75 % und M zu 25 % beteiligt waren, und löste dieses Darlehen im Februar 1990 durch ein Bankdarlehen ab, für das E eine unbeschränkte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft leistete.

32

Diese Umstände ermöglichten es dem E, das Geschehen bezüglich der auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH zu beherrschen. Die Klägerin musste sich den Verfügungen des E über die Anteile unterordnen und hat dies auch getan.

33

c) Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.

34

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Es bedarf einer erneuten Prüfung durch das FG, inwieweit im Hinblick auf die vorliegende gemischt-freigebige mittelbare Zuwendung der Erlöse aus den Verkäufen der auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH an die V eine zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen berechtigende Steuerhinterziehung gegeben ist und ab welchem Zeitpunkt oder ab welchen Zeitpunkten der Zinslauf begonnen hat. Diese Prüfung ist deshalb erforderlich, weil die Schenkungsteuer nicht bereits mit der Übertragung der Anteile an der GmbH entstanden ist, sondern jeweils erst in dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin über die ihr zugewendeten Verkaufserlöse im Verhältnis zu E frei verfügen konnte (vgl. oben II.3.a). Zur Berechnung der Schenkungsteuer sind dabei vom Verkaufserlös jeweils der Kaufpreis und die sonstigen der Klägerin entstandenen Kosten abzuziehen, die auf die im Einzelfall verkauften Anteile der Klägerin an der GmbH entfallen sind. Bei den nach der Erhöhung des Stammkapitals am 15. Januar 1991 erfolgten Anteilsveräußerungen durch die Klägerin ist zudem der der Klägerin in diesem Zusammenhang entstandene Aufwand bereicherungsmindernd zu berücksichtigen.

35

Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, mit welchem Wert die auf die Klägerin übertragenen Gesellschaftsanteile zum 28. Dezember 1989 anzusetzen sind, kommt es danach nicht an.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn

1.
die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist und
2.
ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen an einer Erteilung vor dem Abschluss der Außenprüfung besteht und dies glaubhaft gemacht wird.

(1) Die verbindliche Zusage ist für die Besteuerung bindend, wenn sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem der verbindlichen Zusage zugrunde gelegten Sachverhalt deckt.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die verbindliche Zusage zuungunsten des Antragstellers dem geltenden Recht widerspricht.

(1) Die verbindliche Zusage wird schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet.

(2) Die verbindliche Zusage muss enthalten:

1.
den ihr zugrunde gelegten Sachverhalt; dabei kann auf den im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt Bezug genommen werden,
2.
die Entscheidung über den Antrag und die dafür maßgebenden Gründe,
3.
eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Zusage gilt.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

(1) Die verbindliche Zusage ist für die Besteuerung bindend, wenn sich der später verwirklichte Sachverhalt mit dem der verbindlichen Zusage zugrunde gelegten Sachverhalt deckt.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die verbindliche Zusage zuungunsten des Antragstellers dem geltenden Recht widerspricht.

(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn

1.
die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist und
2.
ein besonderes Interesse des Steuerpflichtigen an einer Erteilung vor dem Abschluss der Außenprüfung besteht und dies glaubhaft gemacht wird.

(1) Die verbindliche Zusage wird schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet.

(2) Die verbindliche Zusage muss enthalten:

1.
den ihr zugrunde gelegten Sachverhalt; dabei kann auf den im Prüfungsbericht dargestellten Sachverhalt Bezug genommen werden,
2.
die Entscheidung über den Antrag und die dafür maßgebenden Gründe,
3.
eine Angabe darüber, für welche Steuern und für welchen Zeitraum die verbindliche Zusage gilt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.

2

1. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen, um die sinngemäß von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezeichnete Rechtsfrage zu klären, ob Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) zu erlassen sind, wenn ein Zinsvorteil auf Grund eines irrtümlich vorgenommenen Vorsteuerabzugs aus Herstellungskosten eines Gebäudes in wirtschaftlichem Zusammenhang mit irrtümlich dem Erwerber in Rechnung gestellter, erst nach Rechnungsberichtigung in einem anderen Veranlagungszeitraum erstatteter Umsatzsteuer steht und ob der Zinsvorteil dadurch entfällt, dass die Klägerin den Erwerbern ihrerseits die Nachzahlungszinsen erstattet hat. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage bedarf keiner Klärung im Revisionsverfahren, weil die Grundsätze für den Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO bereits hinreichend geklärt sind (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 2007 V B 222/06, BFHE 217, 310, BStBl II 2008, 163).

3

Insbesondere ist geklärt, dass ein Anspruch auf einen Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen nicht besteht, wenn diese darauf beruhen, dass der Unternehmer seine Ausgangsumsätze irrtümlich als steuerpflichtig angesehen hat und ihm deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen ist und die daraus resultierenden Nachzahlungszinsen nicht durch Guthabenzinsen ausgeglichen werden, weil die Berichtigung der Umsatzsteuerschuld der Ausgangsumsätze nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG erst nach Rechnungsberichtigung in späteren Veranlagungszeiträumen erfolgt (BFH-Urteile vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92; vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545, 92; BFH-Beschluss vom 6. April 2005 V B 60/04, BFH/NV 2005, 1976). Ebenfalls geklärt ist, dass es für die Frage eines Zinsvorteils, der der Klägerin wegen ihres unberechtigten Vorsteuerabzugs entstanden ist, nur auf das zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bestehende konkrete Steuerschuldverhältnis ankommt (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753) und somit im Streitfall unerheblich ist, dass die Klägerin auch die Nachzahlungszinsen, die zum Ausgleich der Zinsvorteile ihrer Vertragspartner bei diesen festgesetzt wurden, zivilrechtlich übernommen hat. Im Übrigen wendet sie sich mit dem Einwand, das Finanzgericht (FG) habe die allgemeinen Rechtsgrundsätze nur "schematisch" auf den Einzelfall angewandt gegen die Richtigkeit des FG-Urteils. Dies ist nicht geeignet, einen Zulassungsgrund für die Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO darzulegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 753).

4

2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen, weil das FG --nach Auffassung der Klägerin-- die Voraussetzungen für eine nach Treu und Glauben das FA bindende Zusage zum Erlass der Nachzahlungszinsen nicht verfahrensfehlerfrei abgelehnt habe.

5

a) Die Klägerin trägt hierzu im Wesentlichen vor, der Verfahrensfehler bestehe darin, dass das FG Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Betriebsprüfers verwertet habe, ohne diesen über seine Wahrheitspflicht zu belehren. Außerdem habe das FG verfahrensfehlerhaft den Antrag auf Beweiserhebung darüber, "dass einer der Teilnehmer seitens der Finanzverwaltung an der Besprechung vom 16. März 2005 die Zusicherung gegeben habe, dass die Abwicklung zinsneutral erfolgen solle" zu Unrecht als Ausforschungsbeweis abgelehnt. Schließlich habe das FG "elementare Grundsätze der Beweiswürdigung" verletzt, weil es den Inhalt einer schriftlichen Aktennotiz der Klägerin wegen der Aussage des Betriebsprüfers in Zweifel gezogen habe, sowie den Amtsermittlungsgrundsatz, weil es "wegen offensichtlicher Widersprüche" bei den Aussagen der Zeugen keine "weiteren Ermittlungen" durchgeführt habe.

6

b) Damit hat die Klägerin keine Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schlüssig dargetan. Fehler der Beweiswürdigung des FG sind keine Fehler in der Handhabung des Verfahrensrechts, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb dem BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

7

c) Verfahrensfehler durch Übergehen eines Beweisantrags, durch Verletzung der Amtsermittlungspflicht oder durch Nichtbelehrung eines Zeugen sind im Übrigen nur dann schlüssig gerügt, wenn es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die zu beweisende Tatsache ankommen kann. Ansonsten "beruht" das Urteil nicht auf dem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; z.B. BFH-Beschluss vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974, m.w.N.).

8

Das FG geht bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH aus, wonach die Finanzbehörden auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben können, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218). Voraussetzung für eine Bindung ist u.a. allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen und dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652).

9

Insoweit fehlt es schon am Vortrag, welche Dispositionen die Klägerin im Hinblick auf die behauptete Zusage im Rahmen des Verfahrens wegen des Zinserlasses getroffen haben soll, da erfolgversprechende materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Zinsfestsetzung, auf die die Klägerin im Vertrauen auf einen Zinserlass verzichtet haben könnte, nicht ersichtlich sind. Im Übrigen erfüllt ein Bestätigungsschreiben der Klägerin, auf das das FA --nach der Behauptung der Klägerin-- untätig geblieben wäre und nicht in der Form des § 205 AO geantwortet hat, diese Voraussetzungen nicht (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734). Denn das Schweigen des FA auf eine diesem übersandte Aktennotiz stellt keine schriftlich erteilte verbindliche Zusage eines Zinserlasses dar, der in den Rechtswirkungen mit dem Erlass oder der Aufhebung eines Steuerbescheides vergleichbar wäre.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer 2002 bis 2004 und zur Umsatzsteuer 2002 bis 2006.

Die Klägerin betrieb in den Jahren 2002 bis 2006 einen Gewerbebetrieb (Kurierdienste) und war insoweit auch unternehmerisch i.S. des § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) tätig.

Im Rahmen einer betriebsnahen Veranlagung und einer Steuerfahndungsprüfung im Zeitraum 5. Dezember 2006 bis 10. Mai 2007, die die Einkommensteuer 2002 bis 2004 und die Umsatzsteuer 2002 bis September 2006 umfasste, stellte das Finanzamt fest, dass die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs bezogen und seit dem Jahr 2000 einen Kurierdienst unter mindestens fünf verschiedenen Firmen ausländischer Rechtsformen betrieben hatte (Bericht der betriebsnahen Veranlagung vom 10. Mai 2007 und der Steuerfahndungsprüfung vom 8. Oktober 2007). Die jeweiligen Zahlungseingänge erfolgten auch auf ein von der Klägerin für ihre damals zwölfjährige Tochter eingerichtetes Konto bei der Sparkasse. Im Zeitraum vom 28. Juli 2005 bis zum 23. Februar 2006 handelte es sich um Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt 90.000 € von der Firma A GmbH & Co. KG. Die Klägerin, die über das Bankkonto ihrer Tochter verfügungsberechtigt war, brachte einen Teil der auf dem Konto aufgelaufenen Guthaben (44.000 €) aufgrund wiederholter Barabhebungen in ihren Verfügungsbereich.

In ihren für die Jahre 2002 und 2003 abgegebenen Einkommensteuererklärungen hatte die Klägerin keine Angaben zu einer gewerblichen Tätigkeit gemacht. Für die Jahre ab 2004 waren weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen abgegeben worden. Das Finanzamt ging daher davon aus, dass die Klägerin vorsätzlich Steuern hinterzogen hatte.

Die Klägerin hatte am 8. März 2007 Rechtsanwalt E und Rechtsanwältin R mit ihrer rechtlichen Vertretung gegenüber Finanzämtern und Finanzgerichten bevollmächtigt. Am 2. Juli 2007 beschränkte sie die Vollmacht ausschließlich auf Rechtsanwalt E. Nachdem die Sachverhalte im Zusammenhang mit den Einkünften nicht oder nur unter verhältnismäßig hohem Aufwand feststellbar gewesen wären, einigten sich das Finanzamt und die damalige steuerliche Vertreterin der Klägerin, Rechtsanwältin R, am 10. Mai 2007 im Rahmen einer so genannten tatsächlichen Verständigung auf die Höhe der im Rahmen der Veranlagung der Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 2002 bis 2006 anzusetzenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb (vgl. BNV-Bericht vom 10. Mai 2007, Anlage 1 zum Fahndungsbericht vom 8. Oktober 2007).

Mit Steuerbescheid jeweils vom 30. Mai 2007 setzte das Finanzamt die Einkommen- und Umsatzsteuern für die Jahre 2002 bis 2006 entsprechend der Vereinbarung fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche wurden nicht begründet und mit Einspruchsentscheidung vom 18. Oktober 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der gegen den Antrag vom 27. Dezember 2011 auf Änderung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2006 gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 3. September 2012 abgelehnt. Die Klägerin hat keine Klagen gegen die Einspruchsentscheidungen vom 18. Oktober 2007 und 3. September 2012 erhoben. Mit Urteil vom 10. Dezember 2010 des Landgerichts wurde die Klägerin unter anderem wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 setzte das Finanzamt Hinterziehungszinsen nach § 235 Abgabenordnung (AO) für die in den Jahren 2002 bis 2004 hinterzogenen Einkommensteuern und für die in den Jahren 2002 bis 2005 sowie in den Monaten Januar bis September 2006 hinterzogenen Umsatzsteuern anhand der von der Buß- und Strafsachenstelle des Finanzamts übermittelten Beträge fest. Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren trug die Klägerin unter anderem vor, dass ihr aufgrund der tatsächlichen Verständigung zu Unrecht Einkünfte anderer Firmen und angebliche Gelder in der Schweiz zugerechnet worden seien. Außerdem habe ihre damalige Rechtsanwältin R im Zeitpunkt der tatsächlichen Verständigung keine Zulassung mehr als Rechtsanwältin gehabt und sei bereits in mehreren Fällen strafrechtlich verurteilt worden.

Das Finanzamt nahm im Einspruchsverfahren eine inhaltliche Überprüfung der Bemessungsgrundlage für die Hinterziehungszinsen vor. Nach vorheriger Ankündigung (Schreiben vom 2. Mai 2013) erhöhte das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 die Hinterziehungszinsen zur Einkommensteuer für 2002 auf 12 €, für 2003 auf 288 € und für 2004 auf 48 € bzw. setzte die Hinterziehungszinsen zur Umsatzsteuer 2002 auf 176 €, für 2003 auf 704 €, für 2004 auf 891 €, für 2005 auf 1.130 € und für 2006 auf 112 € herab. Im Übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass die Festsetzung von Hinterziehungszinsen voraussetze, dass tatsächlich eine Steuerschuld besteht. Dies sei im Streitfall zweifelhaft, da die Steuerfestsetzungen auf einer unwirksamen tatsächlichen Verständigung beruhten. Sie habe die ihrem damaligen steuerlichen Vertreter erteilte Vollmacht mit Schreiben vom 8. März 2013 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Zwischenzeitlich habe sie die Erstellung von Gewinn- und Verlustrechnungen für den Zeitraum 2002 bis 2006 in Auftrag gegeben. Aus den bereits vorliegenden Buchungen ergäben sich keine Steuerschulden, so dass Hinterziehungszinsen keinesfalls erhoben werden könnten. Das Finanzamt müsse die aufgrund der unwirksamen tatsächlichen Verständigung ergangenen Steuerbescheide und Zinsbescheide aufheben und die Steuerlast neu festsetzen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 22. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf die Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist unbegründet. Es bestehen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zinsbescheids vom 22. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013.

Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Ein Steuerpflichtiger begeht eine Steuerhinterziehung insbesondere dann, wenn er die Finanzbehörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO). Die Steuerhinterziehung muss vorsätzlich begangen werden. Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen der Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale. Der Steuerpflichtige muss das Bewusstsein haben, dass sein Verhalten steuerunehrlich ist und zu einer Beeinträchtigung des staatlichen Steueranspruchs führt. Er muss eine steuerliche Verpflichtung und den konkreten Steueranspruch des Staates kennen. Zum Inhalt des Vorsatzes gehört, dass der Steuerpflichtige den nach Grund und Höhe bestimmten Steueranspruch kennt oder wenigstens für möglich hält und ihn auch verkürzen will. Der Steuerpflichtige muss insbesondere wissen, dass die Angaben, die er gemacht hat, unrichtig oder unvollständig sind und dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten kann. Vorsätzlich handelt auch, wer es für möglich hält, dass er den Tatbestand verwirklicht und das billigt oder doch in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz).

Hängt die Rechtmäßigkeit eines Zinsbescheids davon ab, dass Steuern hinterzogen worden sind, so müssen zur Bejahung der Rechtmäßigkeit des Bescheids die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Steuerhinterziehung vorliegen. Das Finanzamt trägt insoweit die Feststellungslast.

Obwohl auch im finanzgerichtlichen Verfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten ist, ist das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der Abgabenordnung und der Finanzgerichtsordnung zu prüfen. Für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, ist kein höherer Grad von Gewissheit notwendig als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die Feststellungslast trägt. Eine strafrechtliche Verurteilung des Täters ist nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 19.03.1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466). Das Gericht muss über die Steuerhinterziehung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 14.08.1991 X R 86/88, BStBl II 1992, 128).

Im Streitfall liegt die für die Erhebung von Hinterziehungszinsen (§ 235 Abs. 1 Satz 1 AO) erforderliche Voraussetzung einer vollendeten Steuerhinterziehung (§ 370 AO) durch die Klägerin vor.

Der objektive Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist dadurch erfüllt, dass die Klägerin entgegen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach den §§ 149, 150 AO, 25 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG), 56, 60 Einkommensteuerdurchführungsverordnung (EStDV) bzw. § 18 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) - in den Einkommen- und Umsatzsteuersteuererklärungen für die Jahre 2002 bis 2003 ihre jeweiligen Einkünfte und Umsätze nicht vollständig, d.h. einschließlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (Kurierdienst), bzw. für die Jahre ab 2004 überhaupt nicht erklärt hat. Hierdurch hat sie die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen und bewirkt, dass die ihr im Hinblick auf diese Einkünfte festzusetzende Einkommen- und Umsatzsteuer nicht rechtzeitig festgesetzt wurde (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AO).

Der Senat ist außerdem davon überzeugt, dass die Klägerin die fraglichen Hinterziehungstatbestände auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht hat. Ihr war bewusst, dass die Angaben, die sie in ihren Steuererklärungen gemacht hat, unrichtig oder unvollständig sind und dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten kann. Insbesondere der Umstand, dass die Klägerin den Zahlungseingang ihrer Auftraggeber auf das Konto ihrer Tochter angewiesen hat, zeigt, dass sie die erwirtschafteten Umsätze verschleiern wollte.

Im Streitfall sind keine Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe, welche die Entstehung des Hinterziehungszinsanspruches hindern könnten (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BStBl II 1992, 9) ersichtlich.

Die Klägerin kann nicht zu ihren Gunsten einwenden, dass die den Hinterziehungszinsen zugrunde liegenden Steuerbescheide rechtswidrig seien, da die tatsächliche Verständigung vom 10. Mai 2007 unwirksam sei, weil ihre damalige Rechtsanwältin R zum damaligen Zeitpunkt keine Zulassung mehr als Rechtsanwältin gehabt habe.

Die Voraussetzungen für die Festsetzung der hinterzogenen Steuer sind zwar dem Grunde und der Höhe nach unabhängig von einem bereits ergangenen Steuerbescheid zu prüfen. Die - im Streitfall bestandskräftigen -  Festsetzungsbescheide entfalten keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Weder diese noch eine andere Vorschrift sieht insoweit eine Bindungswirkung vor. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag (BFH-Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, BStBl II 2012, 712, Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz 22). Dies ergibt sich aus § 235 Abs. 3 Satz 3 AO, da nach dieser Vorschrift eine nach Ende des Zinslaufs erfolgende Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt lässt.

Es bestehen jedoch im Streitfall keine Bedenken daran, dass die Verständigung wirksam, die Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an sie gebunden ist und die Steuerfestsetzungsbescheide daher rechtmäßig sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975). Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen - nicht aber auf Rechtsfragen - bezieht, der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625).

Die am 10. Mai 2007 zwischen der Klägerin und dem Finanzamt getroffene tatsächliche Verständigung betrifft allein die Höhe der von der Klägerin in den Streitjahren erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Hierbei handelt es sich um Besteuerungsgrundlagen und damit um Sachverhaltsfragen. Es geht in der Verständigung dagegen nicht um die Klärung von  Rechtsfragen, wie es etwa der Fall wäre bei Klärung der Frage, ob bestimmte Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Sonderausgaben zu berücksichtigen wären. Dadurch, dass die vereinbarten Gewinne abgeschlossene Veranlagungszeiträume betreffen, liegt der durch die Verständigung geklärte Sachverhalt in der Vergangenheit. Dem Prüfer war die Sachverhaltsermittlung, nämlich die Ermittlung der tatsächlichen Gewinne der Klägerin deshalb erschwert, weil diese ihren steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen war und für die Jahre 2002 und 2004 unrichtige bzw. für die Jahre ab 2004 überhaupt keine Einkommensteuer- bzw. Umsatzsteuererklärung abgegeben hat.

Die tatsächliche Verständigung führt im Streitfall auch nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die getroffene Verständigung gegen die Regelungen des Grundgesetzes (GG) über die Finanzverfassung oder systemprägende Grundsätze des materiellen Steuerrechts verstoßen würde (BFH-Urteil in BStBl II 2004, 975).

Nach diesen Maßstäben führen die Gewinne, auf die sich die Beteiligten am 10. Mai 2007 verständigt haben, nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Anhaltspunkte für einen Verfassungsverstoß liegen ebenso wenig vor wie eine gravierende Verletzung des materiellen Steuerrechts. Es liegt in der Natur einer tatsächlichen Verständigung, dass deren Gegenstand nicht bis ins Einzelne als richtig bestätigte Besteuerungsgrundlagen sind. Denn Voraussetzung für eine tatsächliche Verständigung ist gerade, dass eine Ermittlung des genauen Sachverhalts erschwert und damit kaum möglich ist. Damit dient die tatsächliche Verständigung der Behebung eines Beweisnotstandes des Steuerpflichtigen anstelle einer andernfalls nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO regelmäßig gebotenen Schätzung der Besteuerungsgrundlagen (BFH-Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593).

Anders als die Klägerin meint, war sie bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung auch wirksam durch Frau R vertreten (§ 80 AO); die Vollmachtserteilung vom 8. März 2007 gegenüber Rechtsanwalt E und Rechtsanwältin R war zu diesem Zeitpunkt nicht widerrufen worden. Die von Frau R abgegebene und unterzeichnete Erklärung wirkt für und gegen die Klägerin (§ 164 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - ). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die von der Klägerin Bevollmächtigte den Inhalt und die Folgen der Verständigung mit der Klägerin erörtert oder ob die Klägerin dem Abschluss der Verständigung gegenüber dem Bevollmächtigten ausdrücklich zugestimmt hat (vgl. BFH-Urteil in BStBl II 1991, 673).

Die tatsächliche Verständigung ist auch nicht infolge einer Anfechtung der Klägerin als von Anfang an als nichtig anzusehen (vgl. § 142 Abs. 1 BGB). Nach der Rechtsprechung des BFH sind die Anfechtungsvorschriften der §§ 119, 123 BGB auf tatsächliche Verständigungen im Steuerverfahren zwar grundsätzlich anwendbar (BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 593, m. w. N.). Soweit die Klägerin vorträgt, dass Frau R über keine Zulassung als Rechtsanwältin verfügt und sie die ihr erteilte Vollmacht deswegen wegen eines Irrtums über eine wesentliche Eigenschaft einer Person angefochten habe (§ 119 Abs. 2 BGB), ist ihr entgegenzuhalten, dass die Anfechtung einer nach außen kundgegebenen Innenvollmacht nach Abschluss des Vertretergeschäfts grundsätzlich keine Rückwirkung entfaltet (Münchner Kommentar zum BGB/Schramm BGB § 167 Rn. 112).

Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen für eine Anfechtbarkeit der Vollmacht wegen arglistiger Täuschung i.S.d. § 123 BGB nicht vor. Diese ist nach der Vornahme des Vertretergeschäfts davon abhängig, ob der Geschäftsgegner – vorliegend das Finanzamt -  die Täuschung verübt oder gekannt hat oder sie hätte kennen müssen (MüKoBGB/Schramm BGB § 167 Rn. 113). Im Streitfall kann davon keine Rede sein.

Selbst wenn die tatsächliche Verständigung - entgegen der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung - unwirksam wäre, hätte die Klage in der Sache keinen Erfolg. Denn die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit, die das Finanzamt der Einkommensteuer- und Umsatzsteuerfestsetzung für die Streitjahre zugrunde gelegt hat, wären auch dann nicht zu beanstanden, wenn sie nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung wären.

Da die Klägerin ihre steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hatte, hätten die Besteuerungsgrundlagen - sofern hierüber keine Verständigung erfolgt wäre - nach § 162 AO im Schätzungswege ermittelt werden müssen. Wäre die Verständigung unwirksam, müsste das Finanzgericht nach § 96 Abs. 1 FGO eine eigene Schätzung vornehmen (vgl. Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 162 Rz 58b, m. w. N.). Es bestehen keine Bedenken, die im Rahmen der tatsächlichen Verständigung festgelegte Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. die Höhe der Umsätze zu übernehmen. Die dabei zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen ergeben sich aus dem Prüfungsbericht vom 10. Mai 2007, auf den die tatsächliche Verständigung Bezug nimmt. Die Prüfungsfeststellungen sind in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Nach Ansicht des Senats hat das Finanzamt alle entscheidenden Umstände berücksichtigt (vgl. § 162 Abs. 1 Satz 2 AO) und aufgrund der inhaltlichen Überprüfung der Bemessungsgrundlage im Einspruchsverfahren für die Hinterziehungszinsen eine zutreffende Korrektur vorgenommen. Im Ergebnis hätte die Schätzung des Finanzgerichts daher zu keinen anderen Ergebnissen als den vom Finanzamt für die Streitjahre ermittelten Einkünften geführt.

Im Übrigen hat auch die steuerliche Vertreterin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung keine substantiierten Einwendungen gegen die Höhe der Schätzung vorgetragen. Die Bezugnahme auf die telefonische Mitteilung der Klägerin, dass sie aufgrund der nunmehr erstellten Steuererklärungen Steuern in Höhe von 120.000 € zahlen müsse, ist insoweit nicht geeignet, zumal in der Klageschrift noch angegeben wurde, dass sich aus den bereits vorliegenden Buchungen überhaupt keine Steuerschulden ergäben.

Soweit der im Einspruchsverfahren vorgetragene Einwand, der Klägerin seien bei der Steuerfestsetzung zu Unrecht Einkünfte anderer Firmen und angebliche Gelder in der Schweiz zugerechnet worden, noch aufrecht erhalten wird, ist der Klägerin entgegenzuhalten, dass bei der Festsetzung der Einkommen- und Umsatzsteuern, auf denen der Zinsbescheid beruht, ausschließlich die Einkünfte berücksichtigt worden sind, die Gegenstand der tatsächlichen Verständigung gewesen sind. Dies ergibt sich insbesondere auch aus dem Bericht der betriebsnahen Veranlagung vom 10. Mai 2007 sowie den unzähligen Schreiben des Finanzamts in dieser Angelegenheit.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung.

Der (geschiedene) Kläger wurde im Streitjahr 2013 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er betreibt seit Ende August 2010 in der Str. 1 in 1 ein Asia-Restaurant. Das Restaurant ist täglich von 17:00 Uhr bis 23:00 Uhr und sonn- und feiertags zusätzlich von 11:30 Uhr bis 14:00 Uhr geöffnet. Den Gewinn ermittelte er durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG).

In der Einkommensteuererklärung 2013 gab er den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 67.354 € an. Mit Einkommensteuerbescheid für 2013 vom 14.07.2014 wurde der Kläger erklärungsgemäß veranlagt.

Im Rahmen der mit Prüfungsanordnungen vom 01.08.2014 und 21.08.2014 verfügten Außenprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Tageseinnahmen durch Tagesendsummenbons ermittelte und die hierzu verwendete elektronische Registrierkasse des Typs Quorion die Durchführung von Stornierungen ermöglichte, die auf den Tagesendsummenbons nicht ersichtlich waren. Eine Registrierkassenauswertung anhand eines sog. Zeitzonenberichts ergab in den Jahren 2010 bis 2014 Stornierungen von insgesamt 647.373 €, die alle außerhalb der üblichen Öffnungszeiten von 23:00 Uhr bis 17:00 Uhr vorgenommen worden waren. Da damit der Verdacht bestand, dass der Kläger seine Umsätze nicht vollständig erklärt hatte, übernahm die Steuerfahndungsstelle des Finanzamts 2 die weitere Prüfung. Der Kläger räumte ein, dass er die Registrierkasse manipuliert hat, indem er mit glatten Minusbeträgen Stornierungen vorgenommen und die stornierten Beträge in bar entnommen hat. Seinen Angaben zufolge machte er die Storno-Bons mit Wasser nass, zerriss sie und warf sie in wechselnde Mülleimer. Die Storno-Höhe war von den tatsächlich erzielten Umsätzen abhängig. Im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 30.09.2014 zeigte der Kläger körperlich an der Kasse exemplarisch einen Manipulationsvorgang: er wählte den Manager-Modus (MGR), drückte dann die Taste „Berichtigung“, wählte einen Tisch aus (nach eigenen Angaben in der Regel Tisch 1 oder 2), gab den zu stornierenden Betrag ein, anschließend den Bereich „Getränke div.“ oder „Wok div.“. Zum Abschluss bestätigte er den Vorgang nochmals mit dem gewählten Tisch, gab dann den Ausdruck einer Rechnung und zuletzt die Barauszahlung an. Die Höhe der stornierten Beträge wusste der Kläger nicht mehr. Er gab an, die anhand des Zeitzonenberichts vorgehaltene Größenordnung treffe nicht zu, gleichwohl strebe er eine tatsächliche Verständigung an. Zum Verbleib des Schwarzgeldes gab der Kläger an, dass er sich zur Geschäftseröffnung von einem Bekannten aus Vietnam Geld geliehen habe, das er dann nach und nach in bar im Urlaub zurückgegeben habe. Eine von der Steuerfahndung durchgeführte Kalkulation der Umsätze ergab einen geringeren Jahresfehlbetrag von ca. 100.000 €, den der Prüfer u.a. mangels konkreter und vollständiger Aufzeichnungen mit getätigten schwarzen Wareneinkäufen erklärte. Abschließend einigten sich die Parteien am 29.10.2014 im Wege einer tatsächlichen Verständigung auf eine Zuschätzung von Betriebseinnahmen von insgesamt 620.000 € (brutto), die sich auf die einzelnen Veranlagungszeiträume mit 50.000 € (2011), 200.000 € (2012 und 2013) und 170.000 € (2014) verteilten. Bei Abschluss der tatsächlichen Verständigung war neben dem Kläger auch dessen Steuerberater Z1 aus der Kanzlei Z anwesend. In der tatsächlichen Verständigung wurde von den Parteien folgender Passus aufgenommen:

„Im Bereich der Betriebsausgaben sind keine Zuschätzungen veranlasst. Der Umstand, dass sowohl im Bereich der Betriebseinnahmen als auch im Bereich der Betriebsausgaben Buchführungsmängel vorliegen, wurde summarisch bei der Findung der Zuschätzungsgrößenordnung im Bereich der Betriebseinnahmen berücksichtigt.“

Auf dieser Grundlage erließ das Finanzamt am 16.04.2015 einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2013, in dem der Gewinn aus Gewerbetrieb auf 267.354 € erhöht wurde.

Dagegen legte der Kläger am 19.05.2015, vertreten durch seinen Steuerberater Y, Einspruch ein und beantragte die Aufhebung der Steuerbescheide wegen einer Übermaßbesteuerung. Der festgesetzte Gewinn aus Gewerbebetrieb stünde in einem unmittelbaren Verhältnis zu den umsatzsteuerpflichtigen Entgelten, die in den Umsatzsteuerbescheiden enthalten seien. Es handele sich um eine unzulässige Strafschätzung, die aufgrund der begrenzten Kapazität bei seinem Mandanten (ca. 45 Plätze) nicht erzielbar sei.

Das Einspruchsverfahren verlief erfolglos; mit Einspruchsentscheidung vom 11.08.2016 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Der Prozessbevollmächtigte hat für den Kläger Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Die Zuschätzung von Betriebseinnahmen in Höhe von 50.000 € für 2011 und je 200.000 € für 2012 und 2013 stelle eine unzulässige Übermaßbesteuerung dar, die jeder wirtschaftlichen Realität widerspreche. Das gewonnene Schätzungsergebnis müsse schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Davon könne im Streitfall nicht ausgegangen werden. Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen seien dem Finanzamt schwerwiegende materiell-rechtliche Fehler unterlaufen. Das Finanzamt habe für das Jahr 2013 einen Rohgewinnaufschlagsatz von 680,43% bei einem Personalkostenanteil von 11,84% ermittelt. Dies widerspreche jeglicher Realität. Bei Restaurants mit asiatischem Speiseangebot liege der Aufschlagsatz nach der amtlichen Richtsatzsammlung im Mittel bei 257%, der Höchstwert liege bei 400%. Außerdem habe das Finanzamt lediglich die Betriebseinnahmen um 50.000 € bzw. je 200.000 € erhöht, ohne zugleich weitere Betriebsausgaben anzusetzen. Bei einem durchschnittlichen Verkaufspreis von 10 € pro Gericht und einer durchschnittlichen Zubereitungszeit von 16 Minuten hätte der Kläger zur Erzielung eines zusätzlichen Umsatzes von 200.000 € rund 26,67 Monate benötigt. Dass dieses Ergebnis unzutreffend sei, sei offensichtlich. Vielmehr sei für das Streitjahr 2013 eine Nachkalkulation anzustellen, die zu einem Rohgewinnaufschlagsatz von 342,39% führe. Hierzu werde auf die Anlage K1 des Schriftsatzes vom 21.08.2016 verwiesen (Blatt 18 f. FG-Akte). Demzufolge ergebe sich eine Gewinnhinzuschätzung von 70.400 €; der korrigierte Gewinn betrage somit 137.754 €.

Schließlich sei völlig unklar, wie der Ausleseprozess der Kassendaten tatsächlich abgelaufen sei und welche Dokumentation darüber vorliege. Das Finanzamt müsse im Einzelnen den Nachweis führen, wie sich die hinzugeschätzten Beträge zusammensetzten; die Bestimmtheit der Kassenauslesung werde bestritten. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden deshalb, weil es kein präsentes Beweismittel über eine Kassenprüfung gebe. Nicht jede Stornierung sei ein Steuerdelikt.

Die Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen im Rahmen eines Steuerstrafverfahrens sei in der Abgabenordnung nicht eindeutig geregelt. Sowohl der Betriebsprüfer als auch der Steuerfahnder könnten diesbezüglich Ermittlungen anstellen. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle 2 habe folgende verkürzte Gewinne ermittelt:

für 2011  für 2012    für 2013

15.000 €  60.000 €    60.000 €

Im Rahmen der Steuerfahndung sei jedoch ein Betrag von 200.000 € für 2013 angesetzt worden. Im Strafbefehlswege seien um 70% geringere Werte angesetzt worden. Diese Abschläge könnten nicht ausschließlich durch strafrechtliche Erwägungen begründet sein. Es handele sich folglich um eine unzulässige Strafschätzung bzw. außerhalb der Rechtsordnung stehende Übermaßbesteuerung.

Zudem seien von der Schätzung des Finanzamtes die Kartenzahlungen abzuziehen, da sonst eine unzulässige Mehrfachbesteuerung der Kartenumsätze vorliege. Für 2013 betrage der abzuziehende Betrag 81.259,72 €.

Der Klägervertreter beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2013 vom 14.07.2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.04.2015 und der Einspruchsentscheidung vom 11.08.2016 dahin zu ändern, dass der Gewinn aus Gewerbebetrieb mit 137.754 € angesetzt wird.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen, und trägt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor: Zur Behauptung des steuerlichen Vertreters des Klägers, die Umsätze von 50.000 € bzw. 200.000 € seien aus dem Nichts entstanden, werde auf den Ermittlungsbericht der Steuerfahndung hingewiesen. Der Kläger habe den zuständigen Fahndungsprüfern vor Ort gezeigt, wie man die Kasse manipulieren könne. Er habe zudem ein Geständnis abgelegt, die Kasse auch tatsächlich manipuliert zu haben. Es seien keine Umstände erkennbar, die zur Unwirksamkeit der tatsächlichen Verständigung führten. An einer zulässigen und wirksamen „tatsächlichen Verständigung“ müssten sich beide Beteiligte festhalten lassen. Dies entspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, der im Steuerrecht als allgemeine Rechtsgrundlage uneingeschränkt anerkannt sei. Die Erhöhung der Betriebseinnahmen um 50.000 € bzw. je 200.000 € führe nicht zu einer unzulässigen Übermaßbesteuerung und folglich nicht zu einem unzutreffenden Ergebnis, welches die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung vom 29.10.2014 entfallen lassen könnte. Die Steuerfahndung habe stornierte Beträge in Höhe von 647.373 € festgestellt. Diese Stornierungen seien im Zeitraum 2011 bis September 2014 durchgeführt worden. Die Einigung auf eine Gesamtzuschätzung für den Zeitraum 2011 bis Juni 2014 in Höhe von 620.000 € und die Verteilung auf die Streitjahre sei in Übereinstimmung mit dem damaligen Steuerberater und dem Rechtsanwalt des Klägers vorgenommen worden.

Bei den Betriebsausgaben seien keine Zuschätzungen veranlasst gewesen. Die Buchführungsmängel seien bei den Betriebseinnahmen und -ausgaben summarisch berücksichtigt worden. Es sei davon auszugehen, dass die Löhne vollständig im Rahmen der Gewinnermittlung erfasst wurden und sich somit bereits gewinnmindernd ausgewirkt hätten. Wie der Klägervertreter auf eine durchschnittliche Zubereitungszeit von 16 Minuten pro Gericht komme, sei nicht näher ausgeführt. Es bestünden Zweifel an der Dauer der veranschlagten Zubereitungszeit.

Gehe man für das Streitjahr 2013 bei der Berechnung von Rohgewinnaufschlagsatz und Rohgewinnsatz von Umsätzen in Höhe von 407.408 €, einem Wareneinsatz in Höhe von 61.438 € und einem Rohgewinn in Höhe von 345.970 € aus, betrage der Rohgewinnaufschlagsatz rund 563% und der Rohgewinnsatz rund 85%. Im Bereich der Gast-/ Speisewirtschaften liege der Rohgewinnsatz zwischen 65% und 80%. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine absolute Größe („Richtsatz“); Abweichungen seien möglich.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, den Inhalt der Akten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13.01.2017 verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Das Finanzamt hat die Einkommensteuer 2013 im angefochtenen Änderungsbescheid vom 16.04.2015 und der Einspruchsentscheidung vom 11.08.2016 zu Recht unter Ansatz der Einkünfte aus Gewerbebetrieb laut der tatsächlichen Verständigung vom 29.10.2014 festgesetzt. Die Beteiligten sind nach Treu und Glauben an die tatsächliche Verständigung vom 29.10.2014 gebunden. Die Verständigung führt auch nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis.

1. Die von den Beteiligten in der Besprechung vom 29.10.2014 einvernehmlich vereinbarten Regelungen für den Bereich der Sachverhaltsermittlung sind steuerrechtlich zulässig.

a) In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt (vgl. BFH-Urteile vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl. II 1985, 354; vom 05.10.1990 III R 19/88, BFHE 162, 211, BStBl. II 1991, 45; vom 06.02.1991 I R 13/86, BFHE 164, 168, BStBl. II 1991, 673 und vom 28.07.1993 XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290). Zwar sind Vergleiche über Steueransprüche wegen der Gesetzmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht möglich. Dagegen dient es in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung der Förderung und Beschleunigung des Besteuerungsverfahrens und allgemein dem Rechtsfrieden, besondere Vereinbarungen über eine bestimmte (steuerliche) Behandlung von Sachverhalten (nicht aber über das anzuwendende Recht) zuzulassen. Dies gilt insbesondere in Schätzungsfällen. Derartige „tatsächliche“ Verständigungen betreffen in der Regel (nur) einen - von beiden Beteiligten zu konkretisierenden - Ausschnitt aus dem gesamten jeweils zu beurteilenden Besteuerungssachverhalt und dienen dem Ziel, insoweit Unsicherheiten und Ungenauigkeiten zu beseitigen. Sie sind wirksam, sofern sie nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.1984 VIII R 131/76, BFHE 142, 549, BStBl. II 1985, 354). Zudem ist erforderlich, dass auf Seiten der Finanzbehörde ein Amtsträger beteiligt ist, der zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugt ist (vgl. BFH-Urteile vom 05.10.1990 III R 19/88, BFHE 162, 211, BStBl. II 1991, 45 und vom 28.07.1993 XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290). Einer besonderen Form bedürfen tatsächliche Verständigungen nicht. Wenn auch - vor allem bei schwierig aufzuklärenden und zu beurteilenden Fallgestaltungen - eine schriftliche Niederlegung und die Unterzeichnung durch die Beteiligten sinnvoll erscheinen (vgl. auch v. Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 515), ist nicht ausgeschlossen, den Nachweis des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung auch durch andere Beweismittel (z.B. Zeugenvernehmung) zu führen.

b) Tatsächliche Verständigungen haben ihre Grundlage in dem bestehenden, konkreten Steuerrechtsverhältnis zwischen dem Finanzamt und dem Steuerpflichtigen. Aus ihm ergeben sich die gesetzlich festgelegten Pflichten des Finanzamtes zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§§ 88 ff. AO) und die entsprechenden Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§§ 90 ff. AO).

An einer zulässigen und wirksamen „tatsächlichen Verständigung“ müssen sich die Beteiligten festhalten lassen. Dies entspricht dem Grundsatz von Treu und Glauben, der im Steuerrecht als allgemeine Rechtsgrundlage uneingeschränkt anerkannt ist (vgl. BFH-Urteil vom 09.08.1989 I R 181/85, BFHE 158, 31, BStBl. II 1989, 990). Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teils angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch setzt (vgl. BFH-Urteil vom 04.11.1975 VII R 28/72, BFHE 117, 317), auf das der andere Teil vertraut und im Hinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.1994 I R 38/93, BFHE 175, 496, BStBl. II 1995, 37). Daraus ergibt sich für die Verwaltung eine Bindungswirkung aber nicht erst, wenn diese ihrerseits durch „Erlass entsprechender Bescheide disponiert“ hat. Denn dies würde bedeuten, dass einer im Rahmen einer Außenprüfung getroffenen tatsächlichen Verständigung vor dem Erlass entsprechender Bescheide Bindungswirkung nicht zukommen könnte. Der Sinn des Instituts der tatsächlichen Verständigung liegt hingegen gerade darin, eine entsprechende Vereinbarung (mit Bindungswirkung) zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens zu ermöglichen, wenn bestimmte Sachbehandlungen in Frage stehen und deren (endgültige) Klärung notwendig ist, um die Festsetzung der Steuer zu fördern. Dies betrifft insbesondere die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen. Eine abschließende und damit beide Beteiligte bindende Verständigung muss daher - unter der Voraussetzung der Beteiligung eines zur Entscheidung über die Steuerfestsetzung befugten Amtsträgers - auch im Rahmen einer Außenprüfung „von vornherein“ erzielbar sein (vgl. BFH-Urteile vom 06.02.1991 I R 13/86, BFHE 164, 168, BStBl. II 1991, 673). Dem entspricht es, die Dispositionen der Beteiligten darin zu sehen, dass sie unter Aufgabe ihrer unterschiedlichen Ausgangspositionen einvernehmlich auf weitere Ermittlungen in Bezug auf den durch die tatsächliche Verständigung festgelegten Sachverhalt verzichten. Die gegenseitige Bindung beider Beteiligter ist einer tatsächlichen Verständigung daher immanent, ohne dass es einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung bedarf. Bei anderer Beurteilung wäre auch das Erfordernis der Anwesenheit eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers nicht verständlich; denn durch sie soll eine Bindung gerade im Hinblick auf die zu erlassenden Bescheide gesetzt werden (vgl. BFH-Urteil vom 31.07.1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl. II 1996, 625).

2. Im Streitfall lagen die Voraussetzungen für den wirksamen Abschluss einer tatsächlichen Verständigung vor. Insbesondere war die Sachverhaltsermittlung erheblich erschwert. Das Finanzamt konnte die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln, weil der Kläger wesentliche Aufzeichnungen wie Kassen-Bons und StornoBons vernichtet hatte. Eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 und 2 Satz 2 AO war dem Grunde nach geboten, weil die erstellten Aufzeichnungen über die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben nicht vollständig und richtig waren (§ 146 Abs. 1 Satz 1 und 2 AO). Wie die Auswertung der Registrierkasse ergeben hat, wurde in den Jahren 2011 bis 2014 regelmäßig in der Zeit von 23:00 Uhr bis 17:00 Uhr des Folgetages (grundsätzlich außerhalb der Öffnungszeiten) die Registrierkasse manipuliert. Dadurch wurden die Kasseneinnahmen um insgesamt 647.373 € zu niedrig ausgewiesen. Der Kläger hat diese Manipulationen dem Grunde nach eingeräumt. Die Aufzeichnungen des Klägers konnten daher nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden (§ 158 AO). Das Finanzamt hatte deshalb die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

3. Die aufgrund dessen am 29.10.2014 von den Beteiligten getroffene Vereinbarung über eine tatsächliche Verständigung hinsichtlich der Zuschätzung von Betriebseinnahmen ist wirksam zustande gekommen und deshalb für die Beteiligten bindend. Sie führt nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Eine gravierende Verletzung des materiellen Steuerrechts kann der Senat nicht feststellen. Es liegt in der Natur einer tatsächlichen Verständigung, dass ihr Gegenstand nicht bis ins Einzelne als richtig bestätigte Besteuerungsgrundlagen sind. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten desjenigen, der die Schätzung veranlasst hat.

a) Soweit der Kläger rügt, die Zuschätzung von Betriebseinnahmen in Höhe von 200.000 € (brutto) stelle eine unzulässige Übermaßbesteuerung dar, weil sie jeder wirtschaftlichen Realität widerspreche, kann dem der Senat nicht folgen.

Wie der tatsächlichen Verständigung vom 29.10.2014 zu entnehmen ist, wurden in den Veranlagungszeiträumen 2011 Betriebseinnahmen in Höhe von 50.000 € (brutto) und in den Veranlagungszeiträumen 2012 und 2013 Betriebseinnahmen in Höhe von je 200.000 € (brutto) zugeschätzt. Im Bereich der Betriebsausgaben sind die Beteiligten der tatsächlichen Verständigung übereinstimmend davon ausgegangen, dass hier keine Zuschätzungen veranlasst sind; es blieb damit bei dem erklärten Wareneinsatz von 61.394 € für 2013. Ausgehend von den zugeschätzten Betriebseinnahmen von 172.770 € netto für 2013 sowie einem bisherigen wirtschaftlichen Umsatz von 222.537 € netto für 2013 errechnet sich unter Ansatz des in der Gewinnermittlung ausgewiesenen Eigenverbrauchs von 3.993 € ein Rohgewinnaufschlagsatz von 588,68% für 2013. Der Kläger geht bei seiner Berechnung hingegen von einem Eigenverbrauch von zwei Personen und einem monatlichen Pauschbetrag von 250 € für Personalverpflegung aus, ohne die Gründe für die im Vergleich zur Gewinnermittlung abweichende Handhabung darzulegen oder nachzuweisen.

Der Hinweis des Klägers auf den - nach seiner Darstellung - branchenunüblichen Rohgewinnaufschlagsatz ist nicht geeignet, die Zuschätzung von Betriebseinnahmen zu erschüttern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach Aktenlage im betreffenden Zeitraum in der Registrierkasse Betriebseinnahmen von insgesamt 647.373 € storniert und damit nicht als solche erfasst wurden. Von diesen hat das Finanzamt im Einvernehmen mit dem beratenen Kläger im Wege der Schätzung 200.000 € dem Streitjahr zugeordnet. Von einer Korrektur der Ausgaben für den Wareneinkauf im Rahmen der Schätzung wurde nach Aktenlage u.a. unter Hinweis auf die getätigten „Schwarzeinkäufe“ abgesehen. Laut der Vereinbarung über die tatsächliche Verständigung vom 29.10.2014 sahen die Beteiligten auch im Hinblick auf die Feststellungslast keine Veranlassung, bei den Betriebsausgaben eine entsprechende Zuschätzung vorzunehmen. Entsprechende Hinweise auf ein Auslesen des Trainingsspeichers sind nicht sichtlich. b) Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die der tatsächlichen Verständigung zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen, sind nicht erkennbar.

aa) Dagegen, dass die vereinbarten Einnahmeerhöhungen offensichtlich unzutreffend sind, spricht bereits, dass der steuerliche Berater des Klägers, Herr Z1, die tatsächliche Verständigung ebenfalls unterschrieben hat. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Berater einem evident unmöglichen Ergebnis zugestimmt hätte (so auch der Bundesfinanzhof im Urteil vom 01.09.2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593).

bb) Zwar liegt der Rohgewinnaufschlagsatz mit 588% außerhalb des von der Richtsatzsammlung ausgewiesenen Rahmens von 186% - 400%. Ein Abweichen der erklärten Gewinne oder Umsätze von den Richtsätzen führt nach der Rechtsprechung jedoch nicht allein dazu, dass eine formell ordnungsgemäße Buchführung zu verwerfen wäre (vgl. BFH-Urteile vom 26.10.1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373 und vom 24.11.1993 X R 12/89, BFH/NV 1994, 766). Dieser Rechtsgedanke gilt sinngemäß auch für das Institut der tatsächlichen Verständigung. In Einzelfällen können die Rohgewinnaufschlagsätze auch außerhalb des von der Richtsatzsammlung ausgewiesenen Rahmens liegen, da es sich sowohl beim oberen als auch unteren Satz nicht um einen absoluten, sondern um einen gewogenen Wert handelt. Im Einzelfall können die Werte auch außerhalb des Rahmens liegen. Die Kennzahlen werden regelmäßig aus den Betriebsergebnissen von Unternehmen bis mittlerer Größe gewonnen und stellen auf die Verhältnisse eines „normalen“ Richtsatzbetriebs ab. Sie sind nicht verbindlich, sondern dienen dem Finanzamt lediglich als Anhaltspunkte (vgl. Cöster, in Koenig, AO-Kommentar, 3. Aufl., § 162 Rz. 109). Mit der im Streitfall geschlossenen tatsächlichen Verständigung wurde gerade ein (einvernehmlicher) Ansatz der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben für den Einzelfall getroffen, der auch außerhalb der Richtsatzsammlung liegen kann. Die Erhöhung der Umsätze erfolgte nach dem Wortlaut der tatsächlichen Verständigung bewusst ohne Erhöhung der Betriebsausgaben. Die Beteiligten haben einvernehmlich auf weitere Ermittlungen in Bezug auf den durch die tatsächliche Verständigung festgelegten Sachverhalt verzichtet, um das Besteuerungsverfahren zu beschleunigen und Rechtsfrieden herzustellen. Der Kläger hat dabei in dem Bewusstsein gehandelt, dass die anhand des Zeitzonenberichts ermittelte Größenordnung an stornierten Umsätzen seiner Einschätzung nach zu hoch war. Mit dem Verweis auf andere Erfahrungssätze in der Richtsatzsammlung setzt sich der Kläger zu seinem eigenen früheren Verhalten daher in Widerspruch, die Unsicherheiten des Streitfalls durch die tatsächliche Verständigung abzugelten und einen verbindlichen Ansatz für den Einzelfall zu vereinbaren. Dies verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dass sich im Ergebnis unter Ansatz der in der tatsächlichen Verständigung vereinbarten Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben ein Rohgewinnaufschlagsatz von 588% und einen Rohgewinnsatz von 85% errechnet, führt nach Ansicht des Senats nicht allein zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis. Zwar dürfte ein Rohgewinn- bzw. Rohgewinnaufschlagsatz in dieser Höhe eher selten sein, sie sind im Bereich asiatischer Restaurants aber durchaus noch erzielbar. Davon ist auch der durch einen Rechtsanwalt und Steuerberater vertretene Kläger im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ausgegangen. Schließlich haben sich die Beteiligten auch nicht auf einen bestimmten Rohgewinn- bzw. Rohgewinnaufschlagsatz verständigt, sondern auf den Ansatz bestimmter Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben.

Für eine Nachkalkulation, wie vom Klägervertreter im Schriftsatz vom 21.08.2016 vorgenommen, ist aufgrund der bindenden tatsächlichen Verständigung kein Raum.

cc) Ebenso wenig vermag der Verweis auf die Kartenzahlungen die tatsächliche Verständigung erschüttern, da der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt hat, dass die Kartenzahlungen vermutlich nicht storniert wurden und in der vom damaligen Steuerberater des Klägers erstellten § 4 Abs. 3 EStG-Rechnung korrekt enthalten sind. Der Senat hat hierzu auch keine anderen Erkenntnisse gewinnen können.

dd) Schließlich vermag die Behandlung im Strafbefehlswege (Zuschätzung von lediglich 60.000 € für 2013) nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis im Rahmen des Besteuerungsverfahrens führen, da beide Verfahren rechtlich selbstständig sind und gleichwertig nebeneinander stehen, § 393 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Vorschrift stellt insoweit den Grundsatz der Unabhängigkeit und Gleichrangigkeit beider Verfahren klar. Die Strafverfolgungsorgane und die Finanzbehörden haben über alle tatsächlichen und rechtlichen Vorfragen in eigener Verantwortung selbstständig zu entscheiden. Die Finanzgerichte sind auch nicht an die Beurteilung der Strafverfolgungsorgane oder Strafgerichte gebunden, sondern haben nach ihrer freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Wie bereits ausgeführt, konnte der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür finden, dass die der tatsächlichen Verständigung zugrunde gelegten Besteuerungsgrundlagen zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 11. November 2015  12 K 791/11 aufgehoben.  

Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.  

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist in den Streitjahren 1996 bis 2006 mit ihrem Ehemann (E), der bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) ebenfalls als Kläger aufgetreten ist, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt worden. Sie erzielte als Inhaberin eines "Sexshops" Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. E war bei der Klägerin angestellt; er hatte die Funktion eines Geschäftsleiters.

2

Der Betrieb gliederte sich in die folgenden Bereiche:

-       

Vorführung von Bildträgern (Videokassetten, ab 2000 auch DVDs) in Videokabinen mit Geldeinwurf sowie einem Kinosaal,

-       

Vermietung (von der Klägerin als "Verleih" bezeichnet) von Bildträgern,

-       

Verkauf von Bildträgern, Erotik-Zeitschriften und anderen Erotik-Artikeln,

-       

Verkauf von Getränken.

3

Im Anschluss an eine Außen- und Fahndungsprüfung für die Streitjahre nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die drei erstgenannten Bereiche erhebliche Hinzuschätzungen vor, die er mit einer nicht ordnungsgemäßen Kassenführung, insbesondere dem weitestgehenden Fehlen von Grundaufzeichnungen sowie der fehlenden Aufzeichnung von Kassenbeständen, begründete. Das FA ging von einer Steuerhinterziehung aus und wandte auf dieser Grundlage die zehnjährige Festsetzungsfrist an.

4

Der bei Weitem größte Teil der Hinzuschätzungen betraf den Bereich "Verkauf". Die Klägerin hatte hierzu u.a. vorgetragen, soweit Bildträger verkauft worden seien, habe es sich im Wesentlichen um solche gehandelt, die zuvor bereits zur Vorführung in den Videokabinen bzw. dem Kino genutzt worden seien. Derartige Bildträger hätten sich nur mit erheblichen Preisabschlägen überhaupt noch verkaufen lassen; ein großer Teil habe vernichtet werden müssen.

5

Das FA legte seiner Schätzung für den Bereich "Verkauf" zunächst einen einheitlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 240 % zugrunde. Dieser Prozentsatz wurde auf den gesamten Wareneinsatz angewendet, unabhängig davon, ob die Waren verkauft oder im Betrieb verbraucht worden waren. Noch während des Einspruchsverfahrens gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide gewährte das FG insoweit Aussetzung der Vollziehung, als das FA einen höheren Rohgewinnaufschlagsatz als 180 % angesetzt hatte. In der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 übernahm das FA diese Beurteilung und minderte die Hinzuschätzungen für den Bereich "Verkauf" auf der Grundlage eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 180 %.

6

Das FG holte ein Gutachten der gerichtseigenen Prüferin ein. In der mündlichen Verhandlung vernahm das FG fünf Zeugen. E, der bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ebenfalls als Kläger aufgetreten war, nahm die Klage --soweit sie von ihm erhoben worden war-- in der mündlichen Verhandlung zurück und wurde anschließend von der Klägerin als Zeuge benannt, vom FG allerdings nicht gehört.

7

Das FG setzte die Hinzuschätzungen weiter herab und wies die Klage im Übrigen ab. Es führte aus, wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen bestehe eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach. Der Höhe nach sei die Schätzung für die Bereiche "Vorführung" und "Vermietung von Bildträgern" nicht zu beanstanden. Für den Bereich "Verkauf" nahm das FG eine eigene Schätzung vor, die auf den folgenden Grundlagen beruhte:

-       

44 % des gesamten Wareneinkaufs seien auf Bildträger entfallen, von denen aber nur 50 % in den Verkauf gelangt und die übrigen 50 % vernichtet worden seien. Für diejenigen Bildträger, die in den Verkauf gelangt seien, sei ein Rohgewinnaufschlagsatz von 100 % anzusetzen;

-       

die restlichen 56 % des Wareneinkaufs seien mit einem Rohgewinnaufschlagsatz von 240 % verkauft worden;

-       

für das Jahr 1996 sei der Wareneinkauf aufgrund eines Brandschadens für Zwecke der Kalkulation um 42.950 DM zu mindern;

-       

die sich so ergebenden Mehrerlöse seien um einen Sicherheitsabschlag von 10 % zu mindern.

8

Ferner hat das FG sich davon überzeugt gezeigt, dass E den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht habe, so dass --auch in Bezug auf die Klägerin-- die verlängerten Festsetzungsfristen anwendbar seien.

9

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängeln.

10

Das FA ist der Beschwerde entgegen getreten.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

12

1. Das FG hat gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, indem es den als Zeugen benannten E nicht gehört hat.

13

a) Die vom FG hierfür gegebene Begründung ist nicht geeignet, um von einer Zeugenvernehmung abzusehen.

14

Die Klägerin hatte E zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Einnahmen vollständig auf den Tageseinnahmeblättern erfasst und dem Steuerberater vollständig gemeldet worden waren. Das FG hatte das Unterbleiben der Beweisaufnahme damit begründet, es sei gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 (gemeint wohl: Satz 5) FGO nicht an Beweisanträge gebunden. Die Vernehmung des E erscheine dem FG nicht notwendig. Die Überprüfung der Buchführungsunterlagen habe eindeutig ergeben, dass gerade nicht sämtliche Einnahmen erklärt worden seien.

15

Indes bedeutet die in § 76 Abs. 1 Satz 5 FGO erwähnte fehlende Bindung des FG an Beweisanträge der Beteiligten nicht etwa, dass das Gericht frei entscheiden könnte, ob es beantragte Beweise erhebt oder nicht. Gerade im Gegenteil will diese Vorschrift es dem FG --in ausdrücklicher Abweichung von zivilprozessualen Grundsätzen-- ermöglichen, auch von sich aus solche Beweise zu erheben, die von den Beteiligten nicht angeboten worden sind (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 X B 34/07, BFH/NV 2008, 597, unter 2.).

16

Demgegenüber kann das FG auf eine beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann oder das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder untauglich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, Rz 11, m.w.N.).

17

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere hat das FG keine --zulässige-- Wahrunterstellung der Tatsache vorgenommen, zu deren Beweis E benannt worden war. Es hat sich vielmehr bereits vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt gezeigt. Dies stellt jedoch eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, Rz 22, und vom 8. Januar 2014 X B 68/13, BFH/NV 2014, 566, Rz 14, beide m.w.N.).

18

b) Der beschließende Senat hat erwogen, ob die Entscheidung des FG, den E nicht zu vernehmen, sich im Ergebnis aus anderen Gründen als verfahrensfehlerfrei darstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn das Beweismittel als untauglich anzusehen wäre. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.

19

Zwar hat der BFH entschieden, dass die Benennung von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nicht geeignet ist, um einen Beweis zur Höhe des von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinns zu führen. Die Höhe des Gewinns sei vielmehr durch eine geordnete Buchführung, nicht aber durch Aussagen der Gesellschafter nachzuweisen (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2006 I B 41/05, BFH/NV 2006, 1687, unter 4.b).

20

Vorliegend ist E jedoch nicht lediglich zur Bezeugung der "Höhe des Gewinns" benannt worden. Vielmehr richtete sich der Beweisantrag auf konkrete Tatsachen, wie die vollständige Erfassung der Einnahmen auf den Tageseinnahmeblättern und die vollständige Meldung an den Steuerberater um damit die materielle Richtigkeit der Buchführung zu belegen. Solche Tatsachen sind einem Zeugenbeweis jedenfalls nicht von vornherein unzugänglich.

21

Ob das FG den Aussagen des E --der sowohl Gesamtschuldner der u.a. streitigen Einkommensteuer als auch von dem eingeleiteten Steuerstrafverfahren betroffen ist-- letztlich Glauben schenken wird, ist eine Sache der Beweiswürdigung. Es ist aber nicht zulässig, in derartigen Fällen von vornherein von einer Beweiserhebung abzusehen.

22

2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

23

Für das Verfahren im zweiten Rechtsgang weist der Senat --ohne Bindungswirkung für das FG-- auf die folgenden Punkte hin:

24

a) Der Senat hat --auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin-- keine Bedenken dagegen, dass das FG dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis wegen der formellen Fehlerhaftigkeit der Buchführung bejaht hat.

25

Die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung erfordert bei Bareinnahmen, die ähnlich einer offenen Ladenkasse erfasst werden, einen täglichen Kassenbericht (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO-- und Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902, Rz 9), der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. An derartigen Unterlagen fehlte es im Betrieb der Klägerin nach den Feststellungen des FG offensichtlich.

26

Soweit die vom erkennenden Senat in Rz 27 seines Urteils vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) gewählte Formulierung in der Praxis teilweise dahingehend missverstanden wird, dass über den Kassenbericht hinaus ein "Zählprotokoll" gefordert werde, in dem die genaue Stückzahl der vorhandenen Geldscheine und -münzen aufgelistet werde, stellt der Senat klar, dass die dortige Formulierung --die im Übrigen den Begriff "Zählprotokoll" nicht enthält-- nicht als Neuorientierung der Rechtsprechung angesehen werden kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist.

27

b) Demgegenüber konnte die vom FG vorgenommene eigene Schätzung der Höhe nach (Bl. 25 des FG-Urteils) vom Senat zahlenmäßig nicht nachvollzogen werden.

28

c) Entscheidend für die Höhe der Hinzuschätzung im Bereich "Verkauf" --auf den zugleich der weitaus größte Teil der Gesamt-Hinzuschätzung entfällt-- dürfte der Anteil der Zeitschriften an den Erlösen dieses Geschäftsbereichs sein.

29

Die Klägerin hatte vorgetragen, sie habe einen hohen Anteil an Zeitschriften verkauft; hier seien die Rohgewinnaufschlagsätze aber deutlich geringer als bei anderen Warengruppen. Sie hat während des finanzgerichtlichen Verfahrens im Schriftsatz vom 5. Mai 2015 die Problematik dargestellt, den Zeitschrifteneinkauf des Jahres 1996 detailliert dargelegt und ins Verhältnis zu den sonstigen Wareneinkäufen gesetzt. Diese Datengrundlage könnte dem FG eventuell die Möglichkeit eröffnen, den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz genauer zu ermitteln als bisher. Jedenfalls nach den von der Klägerin vorgelegten Zahlen über ihre Zeitschrifteneinkäufe --die so substantiiert sind, dass das FG sie überprüfen kann-- war der Anteil dieser Einkäufe am Gesamteinkauf so hoch, dass er auch bei der Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes eine entsprechend hohe Gewichtung erhalten könnte.

30

d) Es spricht Vieles dafür, dass das FG die zahlenmäßigen Schlussfolgerungen, die der Sachverständige (S), der von der Versicherungsgesellschaft mit der Ermittlung der Höhe eines Brandschadens beauftragt worden war, nochmals einer eigenen Prüfung unterziehen sollte.

31

In der entscheidenden --und auch von der Klägerin aufgeworfenen-- Frage, ob S die Videokassetten in die Ermittlung des Aufschlagsatzes und des Wareneinsatzes einbezogen hat, ist das Gutachten nicht ganz eindeutig. Es könnte zur Absicherung dieser Schätzungsgrundlage sinnvoll sein, S um Erläuterung der von ihm gezogenen Schlussfolgerungen zu bitten.

32

Außerdem sind die Aussagen des S zur Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes widersprüchlich. Auf Bl. 4 seines Gutachtens legt er zunächst einen "Aufschlag zwischen 300 und 400 % auf den Einkaufspreis" zugrunde. Daraus zieht er die Schlussfolgerung, es könne "eine durchschnittliche Handelsspanne von 2/3 des Umsatzwertes angenommen werden, sodass der Wareneinsatz etwa 1/3 des Umsatzerlöses ausmacht". Bei einem Wareneinsatz von 1/3 der Erlöse betrüge der Rohgewinnaufschlagsatz aber lediglich 200 % und nicht --wie von S zuvor angenommen-- 300 bis 400 %.

33

Das FA hatte zudem in der Einspruchsentscheidung angenommen, aus dem Gutachten des S ergebe sich, dass ein Anteil von 56 % des Wareneinsatzes direkt dem Warenverkauf diene und ein Anteil von 44 % für die Filmvorführungen verwendet werde. Das FG scheint diese Annahme für seine eigene Schätzung übernommen zu haben. Der Senat weist darauf hin, dass er dem Gutachten des S keine derartige Aussage entnehmen kann. Zwischen den Beteiligten ist die Verteilung des Wareneinsatzes höchst streitig.

34

e) Die vom FG beauftragte Prüferin hat zur weiteren Plausibilisierung der Schätzung ergänzend Belege herangezogen, die für den Zeitraum vor der Durchsuchung sichergestellt worden sind, auch wenn diese nicht unmittelbar den Klagezeitraum betreffen (Tz. 26.1.3 ihres Berichts). Sie hat aus diesen Belegen eine Tagesdurchschnittseinnahme aus dem Kinobetrieb in Höhe von 432 € ermittelt. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Zahlenangabe offensichtlich einen Bruttobetrag darstellen soll. Um die Vergleichbarkeit zu den vom FA genannten Zahlen herzustellen, müsste daher möglicherweise die Umsatzsteuer herausgerechnet werden.

35

f) Dem FG steht es zudem frei, im zweiten Rechtsgang Überlegungen dazu anzustellen, ob die Klägerin tatsächlich als alleinige Betriebsinhaberin anzusehen ist. Nach Aktenlage deutet Vieles darauf hin, dass das betriebliche Geschehen nicht durch die Klägerin, sondern durch E beherrscht und gestaltet worden ist. Eventuell könnte auch eine Mitunternehmerschaft zwischen den Eheleuten in Betracht kommen.

36

3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

37

4. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen für die Rückforderung von Kindergeld.

Die Klägerin beantragte mit einem von ihr unterschriebenen Antrag auf Kindergeld vom 05.09.2000 beim Arbeitsamt die Festsetzung von Kindergeld für die Kinder M (geb. xx.xx.1993) und R (geb. xx.xx.1997). Sie kreuzte auf der Rückseite des Antragsformulars unter Ziff. 9 bei der Frage, „Sind oder waren Sie, ihr Ehegatte oder eine andere Person, zu der die eingetragenen Kinder in einem Kindschaftsverhältnis stehen, in den letzten 5 Jahren vor der Antragstellung im öffentlichen Dienst tätig?“ mit „Nein“ an. Das Arbeitsamt gewährte gemäß dem Antrag der Klägerin Kindergeld und überwies dieses auf das von der Klägerin angegebene Konto mit der Nr. 11111111 bei der Q.

Die Klägerin war vom 01.05.1992 bis 29.02.2012 bei der T angestellt. Sie stand jedoch ab der Geburt von M bis April 2011 nicht in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis, sondern war entweder in Elternzeit oder ohne Bezüge beurlaubt. Die T zahlte Kindergeld für M ab Juni 1993 und für R ab März 1997 aufgrund der Anträge der Klägerin vom 20.06.1993 und 03.06.1997.

Aufgrund einer Überprüfung durch den Bundesrechnungshof wurde im April 2011 festgestellt, dass die Klägerin für die beiden Kinder im Zeitraum von April 2000 bis April 2011 sowohl von der Familienkasse als auch von der T Kindergeld erhielt.

Die Familienkasse hob mit Bescheid vom 02.08.2011 die Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder M und R ab Januar 2001 auf. Mit Bescheid vom 12.08.2011 forderte die Familienkasse das für den Zeitraum von Januar 2001 bis Juli 2011 zuviel gezahlte Kindergeld in Höhe von 39.209,20 € zurück.

Das Amtsgericht verurteilte die Klägerin mit Urteil vom 27.09.2011 wg. Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 25 €.

Mit Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen vom 31.07.2012 setzte die Familienkasse Hinterziehungszinsen in Höhe von 11.978 € fest. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich rechtlich um eine Steuerhinterziehung handele und nach Abschluss des Strafverfahrens der zu Unrecht ausgezahlte Kindergeldbetrag in Höhe von 40.313,56 € zu verzinsen sei. Hinsichtlich der Berechnung der Zinsen wurde auf die beigefügte Anlage verwiesen.

Gegen den Bescheid über die Festsetzung der Hinterziehungszinsen erhob der Prozessbevollmächtigte Einspruch und gab an, die Klägerin in dieser Angelegenheit zu vertreten.

Mit Einspruchsentscheidung vom 03.01.2013 verwarf die Familienkasse den Einspruch des Prozessbevollmächtigten gegen den Zinsbescheid vom 31.07.2012 als unzulässig, da der Einspruch ohne Vorlage einer Vollmacht erhoben und diese auch auf Anforderung nicht vorgelegt worden sei.

Der Prozessbevollmächtigte erhob für die Klägerin Klage gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen.

Zur Begründung der Klage führte er aus, dass die Voraussetzungen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung bei der Klägerin nicht vorliegen würden. Der Bescheid verweise allein auf den Abschluss des Strafverfahrens, ohne dass sich die Beklagte jedoch die dortigen tatsächlichen Feststellungen zu Eigen gemacht hätte. Es werde zur Begründung lediglich ausgeführt, dass es sich rechtlich gesehen um eine Steuerhinterziehung handle. Dies sei nicht ausreichend. Ob bzw. dass eine Steuerhinterziehung vorliege, habe die Behörde selbst festzustellen.

Tatsächlich lägen die Voraussetzungen der Festsetzung von Hinterziehungszinsen auch nicht vor. Die Klägerin habe im Rahmen des Steuerstrafverfahrens ausgeführt, dass sie erst im Mai 2011 durch einen Brief der T davon erfahren habe, dass sie zu Unrecht Kindergeld der erhalten habe. Die rechtlich und geschäftlich unerfahrene Klägerin sei davon ausgegangen, dass der Zuwendung ihres Arbeitgebers, der T, ein Familienzuschlag im öffentlichen Dienst zugrunde gelegen habe. Sie legt hierzu einen Kontoauszug der Q vom 14.04.2011 (Konto Nr.: 111111; Kontoauszug Nr. 16) vor, in dem die Zahlung von 368 € durch die T als „Gehalt“ bezeichnet wird. Sie habe nicht gewusst, dass es sich um eine fehlerhafte Doppelzahlung gehandelt habe. Im Übrigen habe sie die Frage, ob sie, ihr Ehegatte oder eine andere Person in den letzten Jahren vor der Antragstellung im öffentlichen Dienst beschäftigt war, richtigerweise mit „nein“ beantwortet, da sie damals nicht aktiv beschäftigt, sondern beurlaubt war. Weiter könne ihr als Mitarbeiterin in der Telefonzentrale der T auch nicht vorgehalten werden, nicht zu wissen, dass sie dem öffentlichen Dienst angehöre. Bis zum Jahre 2006 sei die Klägerin auch verheiratet gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich ihr Ehemann um die finanziellen Dinge gekümmert. Die mit der früheren Handhabung identische Praxis sei der Klägerin daher nicht aufgefallen. Es fehle damit zumindest an den subjektiven Voraussetzungen des § 370 AO und damit zugleich an den Voraussetzungen des § 235 AO für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen.

Im Klageverfahren erkannte die Familienkasse, dass ein wirksamer Einspruch der Klägerin erhoben wurde, über den die Behörde noch nicht entschieden hatte.

Mit Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013 wies die Familienkasse den Einspruch der Klägerin, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, gegen den Bescheid über Hinterziehungszinsen vom 31.07.2012 als unbegründet zurück. Der Einspruchsentscheidung wurde eine Berechnung der Hinterziehungszinsen beigefügt.

Der Prozessbevollmächtigte beantragt zuletzt, den Bescheid der Familienkasse vom 31.07.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013 aufzuheben.

Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen:

Die Klägerin habe dadurch einen Steuervorteil erhalten, dass das Kindergeld zusätzlich zu dem durch die T bereits gezahlten Kindergeld auch von der Familienkasse angewiesen wurde. Das Kindergeld sei in Form einer Steuervergütung gemäß § 31 ff EStG gezahlt worden. Die Klägerin habe im Kindergeldantrag vom 01.09.2000 angegeben, dass sie nicht im öffentlichen Dienst tätig sei. Tatsächlich sei sie zu diesem Zeitpunkt bei der T angestellt gewesen und damit im öffentlichen Dienst tätig gewesen. Hätte die Klägerin angegeben, dass sie im öffentlichen Dienst tätig sei, wäre der Kindergeldantrag abgelehnt worden. Denn in diesem Fall sei der Arbeitgeber für die Zahlung des Kindergeldes zuständig. Die Klägerin habe auch vorsätzlich gehandelt. Sie habe wissentlich und willentlich einen weiteren Kindergeldantrag bei der gestellt, obwohl schon von einer anderen Stelle Kindergeld bezogen wurde. Es erscheine unglaubwürdig, wenn sie nun angebe, dass sie nicht wusste, dass sie bereits Kindergeld von ihrem Arbeitgeber bezog.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Akteninhalt verwiesen. Dem Gericht liegen 2 Bände der Kindergeldakte der Klägerin mit der Nr. 999999999 vor.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von A zum Thema: „Sind die Klägerin bzw. der Zeuge davon ausgegangen, Kindergeld nur von der Familienkasse, von der T jedoch einen Kinderzuschuss zu erhalten“. Wegen der Aussage wird auf den Inhalt der Niederschrift vom 25.06.2014 verwiesen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Die C ist Beklagte dieses Verfahrens. Zum 01.05.2013 erfolgte eine Neuorganisation der Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit. Für Verfahren der bisherigen Familienkasse ist nunmehr die C zuständig. Es handelt sich dabei um einen Fall des gesetzlichen Parteiwechsels, das heißt einen Zuständigkeitswechsel durch Organisationsakt. Ein gesetzlicher Beklagtenwechsel stellt weder eine Änderung des Streitgegenstandes noch eine Klageänderung dar. Dieser neue Beklagte rückt in das Verfahren ein, ohne dass entsprechende Erklärungen der Beteiligten erforderlich sind und ohne dass eine Klageänderung vorliegt (BFH-Urteil vom 11.04.2013 III R 35/11, BFHE 241, 499, BStBl. II 2013, 1037; BFH-Beschluss vom 20.12.2004 VI S 7/03, BStBl II 2005, 573; Gräber/Koch, FGO, 7. Auflage, Anh § 33 Rz. 10 und § 63 Rz. 6; Brandis bei Tipke/Kruse, AO/FGO, 63 FGO Rz. 9).

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das nach § 44 Abs. 1 FGO vorgesehene außergerichtliche Vorverfahren durchgeführt worden. Dies war zwar für die Klägerin bei Klageerhebung am 06.02.2013 noch nicht durchgeführt, die beklagte erließ jedoch im Klageverfahren die Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist eine Sachurteilsvoraussetzung, keine Zugangsvoraussetzung (BFH-Urteil vom 16.11.1984 VI R 176/82, BStBl. II 1985, 266; Gräber/von Groll, FGO, 7. Auflage, § 44 Rz. 27; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 44 FGO Rz. 18). Die Klage kann also in die Zulässigkeit hineinwachsen.

Nach § 235 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind hinterzogene Steuern zu verzinsen. Die Zinspflicht nach dieser Vorschrift setzt folglich voraus, dass ein entsprechender Steueranspruch besteht und insoweit eine Steuerhinterziehung vorliegt. Der Zinssatz beträgt einhalb vom Hundert für jeden Monat (§ 238 Abs. 1 AO 1977), der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Steuerverkürzung (§ 235 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) und endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern (§ 235 Abs. 3 Satz 1 AO 1977).

1. Steuer im Sinne des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO ist auch die Steuervergütung. Nach § 31 Satz 3 EStG wird das Kindergeld im laufenden Kalenderjahr als Steuervergütung monatlich gezahlt. Damit erfasst die Verzinsungsvorschrift für hinterzogene Steuern des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO auch das Kindergeld (vgl. Pahlke/Koenig, AO, 2. Auflage, § 235 AO Rz. 9; Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 235 Rz. 5; Lindwurm in Leopold/Madle/Rader, AO, § 235 Rz. 9). Voraussetzung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist darüber hinaus, dass eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt. Dies setzt die Erfüllung des objektiven und des subjektiven Straftatbestandes des § 370 Abs. 1 AO voraus (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.2000 VIII B 77/00, BFHE 193, 63, BStBl. II 2001, 16; Pahlke/Koenig, AO § 235 AO Rz. 5; Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 235 Rz. 5; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 235 AO Rz. 13). Eine strafrechtliche Verurteilung ist nicht erforderlich, die Behörde ist auch nicht an die Feststellungen des Strafgerichts gebunden. Hat das Strafgericht jedoch über die Frage der Steuerhinterziehung entschieden, können sich die Steuerbehörden und Steuergerichte die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafgerichts zu eigen machen, wenn substantiierte Einwendungen gegen diese Feststellungen nicht erhoben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 24.08.1993 VII B 203/92, BFH/NV 1994, 294; BFH-Urteil vom 12.01.1988 VII R 74/84, BFH/NV 1988, 692; Klein/Rüsken, AO, § 235 Rz. 8). Steuerhinterziehung begeht, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO). Für das Vorliegen einer Hinterziehung in subjektiver Hinsicht reicht dabei das Vorliegen bedingten Vorsatzes aus, das heißt der Kläger nimmt billigend in Kauf, einen Steuervorteil zu erlangen, auf den er keinen Anspruch hat (Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 370 Rz. 171 ff; Zanzinger in Leopold/Madle/Rader, AO, § 370 Rz. 220). Bedingter Vorsatz ist gegeben, wenn es der Beteiligte zumindest für möglich hält, dass er steuerlich erhebliche Tatsachen falsch angibt, dadurch eine Steuerverkürzung eintritt und er dies billigt oder doch in Kauf nimmt. Die Beweislast liegt bei der Behörde (BFH-Beschluss vom 24.08.1993 VII B 203/92, BFH/NV 1994, 294; Klein/Rüsken, AO, 12. Auflage, § 235 Rz. 8).

2. Im Streitfall hat die Behörde spätestens mit der Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013 deutlich gemacht, dass die Klägerin die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung erfüllt hat. Die Klägerin erfüllt nach der Überzeugung des Gerichts den objektiven Tatbestand, denn sie hat im Kindergeldantrag vom 05.09.2000 angegeben, dass sie nicht im öffentlichen Dienst tätig sei. Die Klägerin hat dadurch einen Steuervorteil erhalten, dass das Kindergeld zusätzlich zu dem durch die T bereits gezahlten Kindergeld auch von der Familienkasse angewiesen wurde. Tatsächlich war sie zu diesem Zeitpunkt bei der T angestellt und damit im öffentlichen Dienst tätig. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie sich in Elternzeit befand oder ohne Bezüge beurlaubt war. Hätte die Klägerin angegeben, dass sie im öffentlichen Dienst tätig ist, wäre der Kindergeldantrag abgelehnt worden. Denn in diesem Fall ist der Arbeitgeber für die Zahlung des Kindergeldes zuständig. Die Steuerverkürzung ist auch der Klägerin zuzurechnen. Die Klägerin war innerhalb der Familie die Person, die sich um finanzielle Dinge, die Verwaltung des Geldes und insbesondere um die Kindergeldangelegenheiten kümmerte. Dies steht für das Gericht aufgrund der in diesem Punkt eindeutigen und glaubwürdigen Aussage des Zeugen fest. Zudem hat den Antrag auf Kindergeld vom 05.09.2000 beim Arbeitsamt nur die Klägerin gestellt und nur sie hat unterschrieben. Wer in der Zeit vor dem Jahr 2000 die Kindergeldanträge bei der bzw. dem Arbeitsamt gestellt hat, ließ sich in der mündlichen Verhandlung nicht klären, zumal die Kindergeldakte des Zeugen nach Angabe der Vertreterin der Familienkasse bereits vernichtet ist. Hierauf kommt es für die Entscheidungsfindung aber auch nicht an, da jedenfalls der Antrag auf Kindergeld vom 05.09.2000 ausschließlich von der Klägerin gestellt wurde.

Die Klägerin erfüllt auch den subjektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung. Sie hat nach Auffassung des Gerichts wissentlich und willentlich einen weiteren Kindergeldantrag bei der Familienkasse gestellt, obwohl schon von einer anderen Stelle Kindergeld bezogen wurde und damit zumindest billigend in Kauf genommen, dass sie doppeltes Kindergeld erhält. Die Klägerin hat bei der T für jedes ihrer Kinder einen förmlichen Antrag auf Kindergeld gestellt und auf diese Anträge ist Kindergeld gewährt worden. Im Antragsformular an die T wird auf ein Merkblatt verwiesen und unter Ziffer 6 (später: 7 oder 8) abgefragt: „Haben Sie oder Ihr Ehegatte oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten?“ Zudem stellte sie beim Arbeitsamt Antrag auf Kindergeld für die Kinder M und R und kreuzte auf der Rückseite des unterschriebenen Antragsformulars vom 05.09.2000 unter Ziff. 9 bei der Frage, „Sind oder waren Sie, ihr Ehegatte oder eine andere Person, zu der die eingetragenen Kinder in einem Kindschaftsverhältnis stehen, in den letzten 5 Jahren vor der Antragstellung im öffentlichen Dienst tätig?“ mit „Nein“ an. Somit hat sie bei zwei verschiedenen Stellen Kindergeld beantragt, ohne die jeweilige Frage zu beantworten, ob bei einer anderen Stelle Kindergeld bezahlt oder beantragt wurde. Die Klägerin hat auch erkannt, dass für die beiden Kinder zweimal Zahlungen eingingen. Der Zeuge hat in seiner Aussage hierzu vorgetragen, dass er und die Klägerin sich keine Gedanken gemacht haben, ob die doppelte Zahlung von der T und dem Arbeitsamt nicht rechtmäßig war, allerdings hätten sie sich über diese doppelte Zahlung gefreut. Diese Aussage hat der Zeuge auf Frage des Gerichts gemacht und auf Frage des Klägervertreters wiederholt. Diese ohne Zögern und widerspruchsfrei abgegebene Aussage des Zeugen wurde von der Klägerseite nicht bestritten und ist für das Gericht glaubwürdig. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass sie als rechtlich und geschäftlich unerfahrene Person davon ausgegangen sei, dass der Zuwendung ihres Arbeitgebers, der T, ein Familienzuschlag im öffentlichen Dienst und kein Kindergeld zugrunde gelegen habe. Sie hat auch exemplarisch auf einen Kontoauszug der Q vom 14.04.2011 (Konto Nr.: 1111111; Kontoauszug 16) verwiesen, in dem die Zahlung von 368 € durch die T als „Gehalt“ bezeichnet wird. Jedoch musste der Klägerin durch die von ihr vorgenommene jährliche Einreichung der Lohnsteuerkarte und deren Rücksendung durch die T klar gewesen sein, dass sie bei der T beschäftigt oder tätig war, unabhängig, davon, dass sie dort im Zeitraum der Zinsberechnung nicht aktiv tätig war. Auch musste der Klägerin bekannt gewesen sein, dass es sich bei der monatlichen Zahlung der T um Kindergeld für die beiden Kinder handelt. Die vom Prozessbevollmächtigten vorgelegten Kopien der Lohnsteuerbescheinigungen der T für die Klägerin für die Jahre 2004 bis 2010 weisen in allen Spalten insbesondere beim bescheinigten Arbeitslohn die Zahl 0,00 € aus (nur 2007: 300 € Bruttolohn). Andererseits werden in der Spalte „ausgezahltes Kindergeld“ in jedem Jahr Beträge in Höhe von 3.996 € bzw. 4.136 € oder 4.416 € ausgewiesen. Auch auf den monatlichen Bezügeabrechnungen für Januar bis April 2011 wird ein monatlicher Betrag von 368 € als Kindergeld sowie das bislang aufgelaufene Kindergeld des Jahres angegeben. Da die Zahlungen der T und der für die Kinder auch in der Höhe übereinstimmen und dem damals geltenden gesetzlichen Kindergeld entsprechen, hat die Klägerin zumindest billigend in Kauf genommen, dass beide Zahlungen Kindergeld sind und sie damit doppeltes Kindergeld von zwei verschiedenen Stellen erhält. Sie musste wissen, dass sie durch die Anträge einen Steuervorteil erlangt, auf den sie keinen Anspruch hat. Zumindest nahm sie das billigend in Kauf.

3. Das Vorliegen der objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung wird durch das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts vom 00.00.2011 unter dem 888888888 unterstrichen. Das Amtsgericht verurteilte die Klägerin wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen und stellte hierbei eine vollendete Steuerhinterziehung fest.

4. Die Verzinsung von hinterzogenen Steuern nach § 235 Abs. 1 FGO ergibt sich aus dem Gesetz. Der Behörde steht hier kein Ermessen zu. Nach der dem Bescheid vom 31.07.2012 und der Einspruchsentscheidung vom 21.08.2013 beigefügten Anlage werden Zinsen für die Zeit von Januar 2001 bis April 2011 ausbezahlten Kindergeldbeträge erhoben. Die Zinsen wurden für jedes Monat bis September 2011 berechnet. Fehler bei der Berechnung sind für das Gericht nicht ersichtlich, zudem wurden Einwände gegen die Zinsberechnung im Übrigen auch nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 FGO.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 2014  5 K 1931/10 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2007) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war seit dem ... November 1990 zunächst zu 75 %, seit dem ... August 2002 zu 94 % an einer GmbH beteiligt. An dieser GmbH war die Klägerin seit dem ... April 1995 zunächst zu 1 % und seit dem ... August 2002 zu 6 % beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war der An- und Verkauf, die Verwaltung und die Vermittlung von Immobilien sowie die Bauträgertätigkeit.

3

Nach Anordnung eines dinglichen Arrests u.a. in das Vermögen der GmbH im Oktober 2002 durch das zuständige Amtsgericht stellte die GmbH im November 2002 ihren laufenden Geschäftsbetrieb ein. Im Februar 2003 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und nach der Schlussverteilung im Jahr 2007 mit Beschluss vom ... Mai 2008 eingestellt.

4

Einen entsprechenden Verlust aus der Auflösung der GmbH machten die Kläger zunächst in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dessen Berücksichtigung mit Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2009 mit der Begründung ab, es fehle im Veranlagungszeitraum 2002 an der erforderlichen Auflösung i.S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG). Die Kläger legten zunächst auch gegen die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2008, in denen das FA den geltend gemachten Auflösungsverlust ebenfalls unberücksichtigt gelassen hatte, Einspruch ein. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 nahm der vormalige Steuerberater der Kläger die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2006 zurück.

5

Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 erhoben die Prozessbevollmächtigten für die Kläger Untätigkeitsklage betreffend die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2004 und hilfsweise betreffend die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2007. Sie begehrten hiermit die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts in Höhe von insgesamt 1.001.177,02 €. Der Betrag setzte sich im Wesentlichen aus dem Verlust der Stammeinlagen sowie nachträglichen Anschaffungskosten aus Bürgschaftsinanspruchnahmen und Darlehensverlusten zusammen. In ihrem Schriftsatz begründeten die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Erhebung einer Untätigkeitsklage damit, dass gegen die Steuerbescheide 2004 und 2007 Einspruch eingelegt worden sei, das FA hierüber aber nicht entschieden habe. Weiter führten sie aus, dass "auch hinsichtlich der Jahre 2003, 2005-2006 und 2008 (...) wegen der Anerkennung von Verlusten nach § 17 EStG rein vorsorglich Einspruch eingelegt" worden sei und auch insoweit keine Einspruchsentscheidungen vorlägen.

6

Während des Klageverfahrens erging am 28. Juni 2010 ein Änderungsbescheid für den Veranlagungszeitraum 2007, mit dem das FA erstmalig einen Auflösungsverlust anerkannte und die Einkommensteuer auf 0 € herabsetzte. Zugleich stellte es den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007 mit 47.518 € fest. Dabei berücksichtigte es im Rahmen der Ermittlung des Auflösungsverlusts ausschließlich den Verlust des eingezahlten Stammkapitals unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein.

7

In ihrem Schriftsatz vom 22. Juli 2010 führten die Prozessbevollmächtigten der Kläger hierzu u.a. weiter aus, dass der am 28. Juni 2010 erlassene Verlustfeststellungsbescheid mehrfach fehlerhaft sei und insoweit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werde. Der Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2007 könne daher nicht, wie vom FA angeregt, zurückgenommen werden. Auch einer Erledigung des Einspruchs gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004 könne nicht zugestimmt werden. Am 3. November 2010 erließ das FA einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid, in dem es die von den Klägern erbrachten Stammeinlagen vollständig berücksichtigte und dementsprechend den festgestellten Verlust auf 215.967 € erhöhte. Im Übrigen wies das FA den Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid mit seiner Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 mit der Begründung zurück, dass eine Berücksichtigung der geltend gemachten Bürgschafts- und Darlehensverluste ausscheide.

8

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens haben die Kläger und das FA auf Vorschlag des Finanzgerichts (FG) am 16. Oktober 2013 eine tatsächliche Verständigung getroffen, wonach "unter Berücksichtigung der Aktenlage, insbesondere auch des Vergleichs des Insolvenzverwalters mit dem Kläger, vorliegend von Tatsachen auszugehen ist, die zur Verlustentstehung im Jahr 2005 führen". In dem gerichtlichen Termin lagen die Akten für den Veranlagungszeitraum 2005 nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 16. Oktober 2013 wies der Berichterstatter des FG die Beteiligten darauf hin, dass hinsichtlich des im Wege der tatsächlichen Verständigung festgelegten Verlustentstehungsjahres 2005 keine Klage anhängig sei. Unter Berücksichtigung des festgelegten Sachverhalts kamen die Beteiligten weiter darin überein, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger dem FA die in der Niederschrift aufgegebenen Darlegungen und Unterlagen übermitteln und nach Prüfung der Unterlegung ein Besprechungstermin zur Einkommensteuerveranlagung 2005 im FA stattfinden würde. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 haben die Beteiligten sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Kläger ihre Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 zurückgenommen.

9

Anlässlich der Umsetzung der tatsächlichen Verständigung stellte das FA fest, dass der Vorberater der Kläger den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 bereits am 11. Februar 2009 zurückgenommen hatte und die Einkommensteuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums 2005 daher nicht mehr änderbar war. Vor diesem Hintergrund brachten die Kläger im Klageverfahren schließlich vor, dass die tatsächliche Verständigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben und der Auflösungsverlust --ohne Bindung an die tatsächliche Verständigung-- im Veranlagungszeitraum 2007 anzusetzen sei. Der tatsächlichen Verständigung habe die von allen Beteiligten getragene Annahme zugrunde gelegen, dass die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 noch änderbar sei.

10

Dieser Argumentation ist das FG nicht gefolgt und hat die --auf Verlustberücksichtigung im Veranlagungszeitraum 2007-- gerichtete Klage mit seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1073 veröffentlichten Urteil vom 13. Mai 2014 als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der das FG bindenden tatsächlichen Verständigung stehe fest, dass der Auflösungsverlust im Veranlagungszeitraum 2005 und nicht im Streitjahr entstanden sei. Die Bindungswirkung sei vorliegend nicht dadurch entfallen, dass die Beteiligten bei Abschluss der Verständigung irrig von einer Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2005 ausgegangen sind. Die Frage der möglichen verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit sei nicht rechtserhebliche Geschäftsgrundlage der tatsächlichen Verständigung geworden. Diese Verfahrensfrage sei vielmehr der alleinigen Risikosphäre der Kläger zuzuordnen und rechtfertige nicht, die tatsächliche Verständigung aufzuheben.

11

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sowie fehlerhafte Anwendung des § 313 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Zur Begründung führen die Kläger an, die im Klageverfahren getroffene tatsächliche Verständigung könne keine Bindungswirkung entfalten. Sie sei bereits unwirksam, weil sie von vornherein verfahrensrechtlich nicht habe umgesetzt werden können und überdies zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe. Jedenfalls aber seien sie nach den Grundsätzen des § 313 BGB wirksam von der Vereinbarung zurückgetreten. Die Verständigung über die Zurechnung der Verluste zum Veranlagungszeitraum 2005 sei beiderseitig unter der Prämisse getroffen worden, dass die Steuerfestsetzung für 2005 noch änderbar sei. Andernfalls hätte die tatsächliche Verständigung keinen Sinn gehabt, zumal das Jahr 2005 nicht streitgegenständlich gewesen sei. Jedenfalls hätten sie die Verständigung offensichtlich nicht getroffen, wenn den Beteiligten die fehlende Änderungsmöglichkeit bewusst gewesen wäre. Die Unkenntnis über diesen Umstand könne aber nicht allein ihnen angelastet werden.

12

Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG vom 13. Mai 2014  5 K 1931/10 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des FG Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

13

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG ist nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage mit der Rücktrittserklärung der Kläger die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung vom 16. Oktober 2013 entfallen. Ob der Auflösungsverlust --wie von den Klägern vorgetragen-- im Streitjahr entstanden ist, wird das FG ungeachtet der Ergebnisse der getroffenen Verständigung erneut zu beurteilen haben.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung eine tatsächliche Verständigung über die tatsächlichen Merkmale, die der Besteuerung zugrunde zu legen sind, grundsätzlich zulässig (BFH-Urteile vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, und vom 8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Voraussetzung einer solchen tatsächlichen Verständigung ist u.a., dass sie sich auf Sachverhaltsfragen und nicht auf Rechtsfragen bezieht, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, und in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121; zur Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führenden Verständigung BFH-Beschluss vom 21. September 2015 X B 58/15, BFH/NV 2016, 48). Dass die tatsächliche Verständigung mittelbar auch den Tatbestandsbereich einer Norm betrifft, ist indes unschädlich (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121, m.w.N., sowie BFH-Beschluss vom 22. August 2012 I B 86/11, I B 87/11, BFH/NV 2013, 6). Ob eine tatsächliche Verständigung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2005 X B 41/05, BFH/NV 2006, 243).

16

2. An eine zulässige und wirksam zustande gekommene tatsächliche Verständigung sind die Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich gebunden, auch wenn die Verständigung nicht sämtliche schwer aufklärbaren Umstände des Besteuerungssachverhalts umfasst (dazu unter a). Die gegenseitige Bindung ist dabei jeder tatsächlichen Verständigung immanent, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung der Beteiligten bedarf (BFH-Urteile vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, und in BFH/NV 2000, 537). Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung kann jedoch ausnahmsweise (nachträglich) entfallen, wenn einem der Beteiligten nach den Grundsätzen von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht (mehr) zuzumuten ist (dazu unter b).

17

a) Zweck des Instituts der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung einvernehmlich festzulegen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen (einseitig) wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 537). Eine tatsächliche Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren ist daher nicht schon deshalb unwirksam, weil sie zu einer von einem Beteiligten nicht vorhergesehenen Besteuerungsfolge führt (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn dadurch die vor der Verständigung offengelegten Beweggründe des Beteiligten zum Abschluss der Verständigung entwertet werden.

18

b) Die Bindung der Beteiligten an die Vereinbarungen einer tatsächlichen Verständigung kann nach den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage jedoch ausnahmsweise (nachträglich) entfallen, wenn ihr eine (irrtümlich) angenommene gemeinsame Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht (mehr) zuzumuten ist.

19

aa) Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf die tatsächliche Verständigung hat der BFH zuletzt grundsätzlich anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593; offengelassen noch im BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Auch die Finanzverwaltung bejaht dies ausdrücklich (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juli 2008, BStBl I 2008, 831, unter Tz. 8.2.), ebenso ein Teil des Schrifttums (Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 162 Rz 202; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 88 Rz 55; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, vor § 118 AO Rz 33; Mösbauer, Betriebs-Berater 2003, 1037, 1041; Bruschke, Deutsches Steuerecht --DStR-- 2010, 2611, 2614; Krüger, Deutsche Steuerzeitung 2015, 478, 484; Hartmann, Neue Wirtschafts-Briefe 2016, 1014, 1019).

20

Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob auf die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren die zivilrechtlichen Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anwendbar sind oder ob stattdessen § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) entsprechende Anwendung findet (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 593), da beide Vorschriften in den hier zu entscheidenden Fragen inhaltsgleich auszulegen sind. Über ihren Wortlaut hinaus findet die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht nur Anwendung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach Abschluss des Vertrages, sondern auch dann, wenn sich wesentliche Vorstellungen der Vertragsparteien vom Vorhandensein oder Fehlen bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände, die zur erkennbaren Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausstellen (Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 60 Rz 13 f.; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl., § 60 Rz 7, 22; Ziekow, Kommentar zum VwVfG, § 60 Rz 4). Der Grundsatz vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ungeschriebener Bestandteil des Bundesverfassungsrechts (vgl. auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1973  2 BvH 1/72, BVerfGE 34, 216) und gilt grundsätzlich auch für die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren. Soweit nicht die Besonderheiten der tatsächlichen Verständigung eine Abweichung erfordern, kann die im Zivilrecht zu den vormals ungeschriebenen und nunmehr in § 313 BGB kodifizierten Grundsätzen entwickelte Rechtsprechung herangezogen werden.

21

bb) Eine Berufung auf die Grundsätze von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage durch einen der Beteiligten setzt voraus, dass wesentliche tatsächliche oder rechtliche Umstände, deren Bestand die Parteien als gemeinsame Grundlage der Verständigung angenommen und vorausgesetzt haben, von vornherein gefehlt haben oder nach Abschluss der Verständigung weggefallen sind. Wesentlich sind die Umstände nur, wenn die Beteiligten bei objektiver Betrachtung und bei Kenntnis ihres Fehlens oder ihrer Änderung die Verständigung nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt getroffen hätten (vgl. auch MünchKommBGB/Finkenauer, 7. Aufl., § 313 Rz 58). Einseitige Erwartungen eines Beteiligten, die für dessen Willensbildung maßgeblich waren, gehören nur dann zur Grundlage der Verständigung, wenn sie zumindest stillschweigend in den der Verständigung zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen aufgenommen worden sind (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 593). Dass die eine Partei ihre Erwartungen der anderen Partei mitgeteilt hat, genügt hierfür allein noch nicht (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten der anderen Partei nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in die gemeinsame Grundlage der Verständigung zu werten ist (Palandt/ Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 313 Rz 9). Maßgebend hierfür sind die gesamten Umstände des Einzelfalls.

22

cc) Die Anwendung der Grundsätze von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt weiter voraus, dass unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, jedenfalls für eine Partei ein Festhalten an den getroffenen Inhalt der tatsächlichen Verständigung unzumutbar ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Juli 2016 IV ZR 44/15, Monatsschrift für Deutsches Recht 2016, 1334). Hierfür genügt nicht, dass sich das mit der Verständigung verbundene Vertragsrisiko realisiert hat oder die betroffene Partei nach der gegenwärtigen Interessenlage vernünftigerweise nicht mehr in die Verständigung einwilligen würde. Die sich aus dem Fehlen oder der nachträglichen Änderung der bei Abschluss der Verständigung gemeinsam vorausgesetzten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ergebenden Folgen müssen vielmehr so schwerwiegend sein, dass sie den von der benachteiligten Partei billigerweise zu tragenden Risikorahmen überschreiten (ähnlich auch Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Urteil vom 18. Juli 2012  8 C 4/11, BVerwGE 143, 335, m.w.N., zur Zumutbarkeit des Festhaltens an den Regelungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags). Dabei ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Das von den Parteien nach Treu und Glauben jeweils zu tragende Risiko ergibt sich aus den getroffenen Regelungen und dem Zweck der tatsächlichen Verständigung sowie aus dem im Streitfall anzuwendenden Recht (für das Zivilrecht Palandt/ Grüneberg, a.a.O., § 313 Rz 19; Erman/L. Böttcher, BGB, 14. Aufl., § 313 Rz 19; MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 61 ff., 77, m.w.N.).

23

dd) Liegen die vorstehenden Voraussetzungen vor und ist die Durchführung der tatsächlichen Verständigung unter Anpassung ihres Inhalts an die Verhältnisse tatsächlich oder rechtlich nicht möglich, zur Wiederherstellung der Geschäftsgrundlage ungeeignet oder einer der Parteien nicht zumutbar, kann die benachteiligte Partei ausnahmsweise von der Verständigung zurücktreten (vgl. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB; zum Rücktrittsrecht im Zivilrecht BGH-Urteile vom 30. September 2011 V ZR 17/11, BGHZ 191, 139, und vom 3. November 2015 II ZR 13/14, DStR 2015, 2857; Erman/L. Böttcher, BGB, a.a.O., § 313 Rz 44, 44b; MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 115, 117; Palandt/ Grüneberg, a.a.O., § 313 Rz 42; zum Rücktritt nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. zur Kündigung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bei öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen BVerwG-Urteil vom 21. Januar 2015  9 C 1/14, BVerwGE 151, 171, m.w.N.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 60 Rz 25, 30; Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 60 Rz 25b ff.). Ein Rücktrittsrecht kommt dabei vor allem in Betracht, wenn die Parteien gemeinschaftlich von einer irrigen Geschäftsgrundlage ausgegangen sind und anzunehmen ist, dass sie bei Kenntnis der Unrichtigkeit und bei verständiger Würdigung die Vereinbarung nicht getroffen hätten (vgl. für das Zivilrecht Erman/L. Böttcher, a.a.O., § 313 Rz 44b). In diesem Fall entfällt mit der Abgabe der Rücktrittserklärung die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung und der zwischen den Beteiligten streitige Sachverhalt ist so zu beurteilen, als wäre die Verständigung nicht getroffen worden.

24

c) Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen und die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung entfallen ist, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Dabei hat es alle Indizien zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Diese Feststellung ist als Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (§ 118 Abs. 2 FGO, z.B. BFH-Urteil vom 16. Februar 2016 IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006).

25

3. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht; es ist daher aufzuheben. Unabhängig davon, ob zwischen den Beteiligten eine wirksame und mit zulässigem Inhalt abgeschlossene tatsächliche Verständigung vorgelegen hat, ist jedenfalls ihre Bindungswirkung mit der Rücktrittserklärung der Kläger nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage entfallen.

26

Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, dass die Frage der möglichen verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit der getroffenen Festlegungen als unbeachtlicher einseitiger Motivirrtum der Kläger zu bewerten sei, der den Wegfall der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung nicht rechtfertigen könne. Das FG hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass diese Verfahrensfrage ausschließlich der Risikosphäre der Kläger zuzuordnen sei, da das FA anders als die Kläger keinerlei Anlass gehabt habe, sich mit der Frage der Bestandskraft des Veranlagungszeitraums 2005 zu befassen. Diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

27

a) Das FG geht zwar zutreffend davon aus, dass in der Regel die nur von einer Partei gehegten Erwartungen hinsichtlich der künftigen Steuerlast nicht in den gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen werden sollen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn --wie im Streitfall-- nach den Gesamtumständen das Verhalten der anderen Partei nicht nur als Kenntnisnahme, sondern als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in den gemeinschaftlichen Geschäftswillen zu werten ist (vgl. auch BFH-Vorlagebeschluss vom 6. November 2002 XI R 42/01, BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257). Kann der in der Verständigung von den Beteiligten gemeinschaftlich vorausgesetzte Zweck wegen der fehlenden Änderungsmöglichkeit der betroffenen Bescheide von vornherein nicht erreicht werden, ist bei verständiger Würdigung anzunehmen, dass die Beteiligten ohne den Irrtum die Festlegungen so nicht getroffen hätten.

28

Maßgebend für die Beurteilung, ob die Änderbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung 2005 eine gemeinschaftliche Grundlage der Verständigung war, ist, dass der gemeinsame Geschäftswille beider Parteien --zumindest stillschweigend-- auf diesen Umstand gerichtet war. Insoweit hat das FG nicht hinreichend gewürdigt, dass nach dem Inhalt der Akten sowohl die Kläger als auch das FA beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung von deren verfahrensrechtlicher Umsetzbarkeit ausgegangen sind und ihren gemeinsamen Willen darauf gerichtet haben. Dies folgt bereits daraus, dass die Beteiligten ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 16. Oktober 2013 unter Berücksichtigung des festgelegten Sachverhalts weiter darin übereingekommen waren, dass die Kläger dem FA die in der Niederschrift aufgegebenen Darlegungen und Unterlagen übermitteln sollten und dass nach Prüfung dieser Unterlagen ein Besprechungstermin zur Einkommensteuerveranlagung 2005 im FA stattfinden sollte. Eine inhaltliche Überprüfung der Unterlagen im Hinblick auf eine Verlustberücksichtigung im Veranlagungszeitraum 2005 macht jedoch nur Sinn, wenn auch das FA davon ausgegangen ist, dass die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 grundsätzlich verfahrensrechtlich noch geändert werden konnte.

29

b) Entgegen der Auffassung des FG hat sich im Streitfall weder lediglich das mit der Verständigung grundsätzlich verbundene Vertragsrisiko realisiert noch ist die Fehleinschätzung hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit der Verständigung alleine dem Risikobereich der Kläger zuzuweisen. Dem steht nicht entgegen, dass den Klägern die von ihrem vormaligen Steuerberater erklärte Einspruchsrücknahme nach einer entsprechenden Akteneinsichtnahme hätte bekannt sein können. Zum einen besteht die Obliegenheit, sich vor Abschluss einer Verständigung über die mögliche Änderbarkeit eines betroffenen Einkommensteuerbescheids zu informieren, nicht nur für den Steuerpflichtigen, sondern gleichermaßen auch für das FA. Unterliegen zum anderen beide Parteien einer Fehleinschätzung hinsichtlich der rechtlichen Umsetzungsmöglichkeit der getroffenen Regelungen, ist diese nicht allein dem Verantwortungsbereich der hierdurch benachteiligten Partei zuzuweisen. Anders als das FG und das FA meinen, setzen die Ansprüche wegen beiderseitigen Irrtums auch nicht grundsätzlich voraus, dass die Fehlvorstellung auf Seiten des Anspruchstellers unverschuldet ist (vgl. zum Verschulden beim beiderseitigen Irrtum auch BGH-Urteil in BGHZ 191, 139 Rz 18). In diesem Zusammenhang hätte das FG zudem in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass die Beteiligten die tatsächliche Verständigung im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins getroffen haben, ohne dass im Vorfeld ein Anlass bestand, sich mit der Frage der Bestandskraft der nicht streitgegenständlichen Einkommensteuerfestsetzung 2005 zu befassen.

30

c) Nach alledem liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze vom Fehlen einer für beide Parteien rechtserheblichen Geschäftsgrundlage vor. Die erforderliche Würdigung kann der Senat auf der Grundlage der vom FG hinreichend getroffenen Feststellungen selbst vornehmen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Oktober 2016 IX R 8/16, BFHE 255, 259, BStBl II 2017, 273). Eine Anpassung des Inhalts der Verständigung scheidet bereits deshalb aus, weil es hier um die zeitliche Zuordnung der den Auflösungsverlust begründenden Umstände geht. Es ist daher davon auszugehen, dass mit der Rücktrittserklärung die Bindungswirkung der Verständigung entfallen ist. Dass der Rücktritt zunächst hilfsweise erklärt worden ist, steht seiner Wirksamkeit nicht entgegen (vgl. auch MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 121).

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen, ob der Auflösungsverlust wie von den Klägern vorgetragen im Streitjahr zu berücksichtigen ist. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang ungeachtet der Ergebnisse der tatsächlichen Verständigung erneut zu beurteilen haben. In Bezug auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung verweist der Senat auf seine Ausführungen im BFH-Urteil vom 10. Mai 2016 IX R 16/15 (BFH/NV 2016, 1681), wonach es insoweit maßgeblich darauf ankommt, dass der gemeine Wert des dem Gesellschafter zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits und die Liquidations- und (nachträglichen) Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits im Wesentlichen feststehen. Davon ist bei einer Auflösung der Gesellschaft infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig erst bei dessen Beendigung auszugehen (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385), mithin wenn --in der Regel mit vollzogener Schlussverteilung-- eine weitere Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden kann. Auf die Einstellung des Verfahrens kommt es dagegen nicht an. Nur ausnahmsweise kann dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden; so beispielsweise, wenn sich aus einer Zwischenrechnungslegung des Insolvenzverwalters die endgültige Bewertung des Schuldnervermögens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergibt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 385).

32

5. Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht an.

33

6. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache --wie von den Klägern beantragt-- an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen (§ 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung). Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus, um eine willkürfreie Ermessensausübung zu gewährleisten. So kommt die Zurückverweisung an einen anderen Senat in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des FG bestehen, der das angefochtene Urteil gesprochen hat (BFH-Urteile vom 28. Oktober 2015 X R 47/13, BFH/NV 2016, 171, und vom 10. Mai 2016 IX R 13/15, BFH/NV 2016, 1556). Von einer Zurückverweisung an einen anderen Senat ist insbesondere dann Gebrauch zu machen, wenn das Revisionsgericht aufgrund der besonderen Umstände befürchten muss, dass es dem Vordergericht schwerfallen wird, sich die rechtliche Beurteilung, die zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils führte, voll zu eigen zu machen (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 68/93, BFH/NV 1994, 798).

34

Hierfür liegen im Streitfall aber keine Anhaltspunkte vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht mit der Unrichtigkeit des Urteils ("greifbare Rechtswidrigkeiten") begründet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 171). Auch die von den Klägern angeführten Urteilspassagen reichen nicht aus, um auf eine unsachliche, unfaire oder voreingenommene Einstellung des FG den Klägern gegenüber schließen zu können.

35

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:

1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist,
2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat,
3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist,
4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist,
5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und
6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
Die Festsetzungsfrist läuft in den Fällen des § 233a nicht ab, solange die Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung, ihre Änderung oder ihre Berichtigung nach § 129 noch zulässig ist.

(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.

(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen

1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder
2.
nach § 235
gesondert festzustellen, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind.

(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.

(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.

(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.

(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:

1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist,
2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat,
3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist,
4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist,
5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und
6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
Die Festsetzungsfrist läuft in den Fällen des § 233a nicht ab, solange die Steuerfestsetzung, ihre Aufhebung, ihre Änderung oder ihre Berichtigung nach § 129 noch zulässig ist.

(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.

(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen

1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder
2.
nach § 235
gesondert festzustellen, soweit diese an Sachverhalte anknüpfen, die Gegenstand des Grundlagenbescheids sind.

(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.