Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
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Streitig ist die Festsetzung von Hinterziehungszinsen in Höhe von 9.782,00 €.
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Der Kläger betreibt seit dem Jahr 1995 in Speyer einen Handel mit gebrauchten Fahrzeugen. Das Unternehmen war Gegenstand einer Steuerfahndungsprüfung, deren Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht vom 12. April 2013 festgehalten worden sind. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2009 Steuern hinterzogen hat.
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Am 25. Oktober 2013 kam es zwischen den Beteiligten zu folgender „tatsächlicher Verständigung“:
Zwischen
Herrn T (der Kläger)
wohnhaft in …
steuerlich geführt beim Finanzamt Germersheim-Speyer unter der Steuernummer ….
vertreten durch
Herrn Rechtsanwalt M
und dem
Finanzamt …, vertreten durch Herrn ORR S (Sachgebietsleiter Veranlagung) als entscheidungsbefugten Beamten
wird unter Beteiligung der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ... - Steuerfahndungsprüfer RR M –
auf der Grundlage der BFH-Urteile vom 11.12.84 VIII R 131/76 (BStBl. 1985 II S. 354), vom 05.10.90 III R 19/88 (BStBl. 1991 II S. 45), vom 06.02.91 IR 13/86 (BStBl.. 1991 II S. 673) und vom 31.07.1996, XI R 78/95 (BStBl. 1996 II S. 625) eine Verständigung über die Besteuerungsgrundlagen getroffen, die trotz Bemühens um Aufklärung nicht sicher festgestellt werden können (Hinweis auf § 162 der Abgabenordnung – AO -).
Diese Verständigung führt nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis und stellt kein Geständnis im strafrechtlichen Sinn dar.
Für das weitere Verfahren gehen die Beteiligten von folgendem Sachverhalt aus:
Herr T betreibt in PLZ S, S-Str. einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen; im Rahmen dieses Betriebes vermittelt er auch Fahrzeugtransporte.
Bereits bei einer für die Jahre 2005 – 2007 begonnenen Betriebsprüfung wurden sowohl Differenzen beim privaten Geldverkehr als auch ungeklärte Geldeinlagen in dem Betrieb festgestellt.
Durch die Steuerfahndungsprüfung wurden bisher unverbuchte Geschäftsvorfälle sowie Geldzugänge und Geldbestände ermittelt, bei denen Inhaberschaft und Mittelherkunft nicht endgültig aufgeklärt werden können; insbesondere ist eine abschließende Klärung der nur fragmentarisch bekannten, im Ausland (Libanon) verwirklichten Sachverhalte nicht möglich. Die Besteuerungsgrundlagen müssen daher durch Vornahme ergänzender Schätzungen ermittelt werden.
- 4
Dazu besteht Einvernehmen über den Ansatz der folgenden Besteuerungsgrundlagen:
2004
2005
2006
€
€
€
Gewinn aus Gewerbebetrieb lt
Erklärung/ursprünglicher Veranlagung
68.105
66.138
70.506
Zuschätzungsbetrag
105.000
105.000
105.000
Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung
173.105
171.138
175.506
2007
2008
2009
€
€
€
Gewinn aus Gewerbebetrieb lt
Erklärung/ursprünglicher Veranlagung
72.296
66.237
63.379
Zuschätzungsbetrag
105.000
105.000
100.000
Anzusetzender Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Verständigung
177.296
171.237
163.379
Speyer, 25.08.2013
gez.: T – Steuerpflichtiger –
gez.: S – Sachgebietsleiter Vlg. –
gez.: M – Rechtsanwalt
gez.: M –Steuerfahndungsbeamter –
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Im Anschluss an die vorgenannte tatsächliche Verständigung ergingen entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide, die in der Folge bestandskräftig wurden.
- 6
Säumniszuschläge wegen verspäteter Zahlung der Einkommensteuer wurden nach Tilgung der Hauptschuld erlassen. Dies war dem Kläger am Rande der Besprechung vom 23.10.2013 für den Fall in Aussicht gestellt worden, dass die Hauptschulden getilgt werden.
- 7
Mit Bescheid vom 02.04.2015 setzte der Beklagte Hinterziehungszinsen unter Hinweis auf §§ 235, 238 und 239 der Abgabenordnung (AO für die Einkommensteuer 2004 – 2009 und den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 2004 – 2009 in Höhe von insgesamt 9.782 € fest. Hierbei waren die festgesetzten Nachzahlungszinsen nach § 233 a AO zutreffend angerechnet worden. Über das rechnerische Ergebnis besteht Einvernehmen.
- 8
Mit Schreiben vom 04.05.2016 legte der Kläger gegen den Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen Einspruch ein. Nach seiner Auffassung war im Rahmen der tatsächlichen Verständigung ein Zahlungsbetrag festgelegt worden, der alle Nebenleistungen – incl. Hinterziehungszinsen – beinhalten sollte.
- 9
Die Bediensteten der Finanzverwaltung, die an der Besprechung über die beabsichtigte Verständigung teilgenommen hatten, erklärten übereinstimmend, dass ein Verzicht auf eine Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht ausgesprochen wurde und dass ein solcher Verzicht seitens der Finanzverwaltung auch nicht beabsichtigt war. Die Finanzverwaltung habe auch nicht den Eindruck erwecken wollen, dass sie von Hinterziehungszinsen absehen wolle.
- 10
Mit der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2016 wies der Beklagte den Einspruch gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen zurück. Hiergegen ist eine Klage beim Finanzgericht anhängig.
- 11
Am 01.12.2016 stellte der Rechtsanwalt des Klägers einen Antrag auf Erlass der Hinterziehungszinsen. Er trug erneut vor, dass die Festsetzung der Zinsen gegen die im Verlauf der tatsächlichen Verständigung getroffenen Absprachen verstoße. Darüber hinaus seien die finanziellen Mittel nach Zahlung des „ausgehandelten Vergleichsbetrags“ und der Geldstrafe erschöpft. Der Vergleich sei nur abgeschlossen worden, weil der Kläger nicht mit mehr als 400.000 € Steuerforderungen belastet werden wollte.
- 12
Mit Bescheid vom 03.01.2017 wies der Beklagte den Erlassantrag ab. Er wies darauf hin, dass die Hinterziehungszinsen zu Recht festgesetzt wurden. Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen sei nicht möglich, da dadurch gesetzwidrig die Festsetzung umgangen würde. Persönliche Billigkeitsgründe seien nicht erkennbar. Eine Einigung war nicht möglich. Über den Einspruch ist zu entscheiden.
- 13
Mit Einspruchsentscheidung vom 21. August 2017 wies der Beklagte den Einspruch gegen den Bescheid vom 03. Januar 2017 über die Ablehnung des Erlassantrages nach § 227 AO als unbegründet zurück.
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Das vorliegende Klageverfahren, mit dem sich der Kläger gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen wendet, ist – nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens – im Anschluss an die Ablehnung des Erlassantrages wieder aufgenommen worden.
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Der Kläger trägt zur Begründung seiner Klage vor:
„Bei sämtlichen Gesprächen, die auf einen „Vergleich“ abzielten, wurde zunächst nicht die Besteuerungsgrundlag ermittelt, sondern über den Betrag verhandelt, den der Kläger an Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Solizuschlag und sonstigen steuerlichen Nebenforderungen, wie Zinsen und Säumniszuschlägen nachzahlen sollte. Die Rede war daher immer von einem „Gesamtbetrag“.
Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Am 14.08.2016 wurde von dem Unterzeichner anlässlich einer gemeinsamen Besprechung in den Räumen der Beklagten, nachdem zunächst über die Höhe einer Sicherheitsleistung verhandelt worden ist, der Beklagten ein Betrag von pauschal 400.000,00 € angeboten, wobei auch bei diesem Angebot – wie auch bei früheren Angeboten – klar zum Ausdruck gebracht worden ist, dass es sich bei diesem Betrag um einen Pauschalbetrag zur Abgeltung sämtlicher nachzuzahlender Steuern und Nebenforderungen, einschließlich Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Solizuschlag, Säumniszuschlägen, und Zinsen aller Art für den betreffenden Zeitraum handelte.
Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Der Zeuge B, der bei der Besprechung am 14.08.2013 anwesend war, hat sich eine Notiz über den Gesprächsinhalt gemacht. Danach wurde über Zinsen gesprochen und auch darüber, dass in dem Betrag von 400.000,00 €, den der Kläger als „Vergleichsbetrag“ angeboten hatte, die nachzuzahlende Gewerbesteuer und Zinsen enthalten sind.
Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Die Beklagte hatte am 14.08.2016 höhere Vorstellungen, was den „Pauschalbetrag“ zur Grundlage eines Vergleichs mit dem Kläger anbelangt, erklärte aber gleichzeitig, das Angebot des Klägers überdenken zu wollen.
Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Am 19.08.2016 rief sodann der Fahndungsprüfer M bei dem Unterzeichner an, der bei der Besprechung am 14.08.2013 ebenfalls zugegen war und erklärte gegenüber dem Unterzeichner u.a., dass eine hausinterne Besprechung bei der Beklagten ergeben habe, dass die Beklagte bereit sei, das Angebot des Klägers vom 14.08.2013 anzunehmen. Die Gewerbesteuer, wie auch Zinsen sollten in dem Betrag enthalten sein.
Beweis:
Zeugnis des RA M
- 16
Ergänzend erklärte der Fahndungsprüfer M, dass noch eine „tatsächliche Verständigung“ unterzeichnet werden müsse. Bei dieser werde er die Zuschätzbeträge zu den Gewinnen aus Gewerbebetrieb für das Geschäftsjahr 2004 – 2009 nunmehr so errechnen, dass sich aus den anzusetzenden Gewinnen für die Geschäftsjahre 2004 – 2009 ein Betrag ergibt, auf deren Grundlage sich wiederum der ausgehandelte Betrag von 400.000,00 € plus minus 100,00 € 300,00 € errechnet.
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Unter diesem Hintergrund kam es dann zur Unterzeichnung der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2016, in der die Zuschätzbeträge für das
Jahr 2004 von ursprünglich 150.000,00 € auf 105.000,00 €
Jahr 2005 von ursprünglich 150.000,00 € auf 105.000,00 €
Jahr 2006 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €
Jahr 2007 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €
Jahr 2008 von ursprünglich 155.000,00 € auf 105.000,00 €
Jahr 2009 von ursprünglich 155.000,00 € auf 100.000,00 €
reduziert worden sind. Die tatsächliche Verständigung bezog sich mithin auf die die Verständigung über die Besteuerungsgrundlage.
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Beweis:
Vorlage des Entwurfs der tatsächlichen Verständigung vom August 2013 im Bestreitensfalle
Vorlage der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2013 im Bestreitensfalle
- 19
Im Vertrauen auf die Angaben des Fahndungsprüfers M hat der Kläger darauf verzichtet, in der von der Beklagten vorformulierten „tatsächlichen Verständigung“ vom 25.08.2013 auch aufzunehmen, dass vereinbart worden ist, dass der Nachzahlungsbetrag, auf den die Parteien sich verständigt haben, 400.000,00 € beträgt und alle steuerlichen Nebenleistungen, incl. Zinsen beinhaltet.
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Eine entsprechende Vereinbarung ist aufgrund des Inhalts der Vorgespräche und der vorgenannten Angaben gleichwohl mündlich zustande gekommen.
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Beweis: Zeugnis des Steuerberaters B
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Zwischen den Parteien ist auch unstreitig, dass der Kläger den vereinbarten Nachzahlungsbetrag aufgrund danach ergangener Bescheide seitens der Beklagten und der Stadt Speyer in voller Höhe bezahlt hat.
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Unstreitig ist ferner, dass die Beklagte nach Zustandekommen der tatsächlichen Verständigung vom 25.08.2013 Säumniszuschläge gegen den Kläger erhoben hat und der Beklagte auf entsprechenden Vortrag des Steuerberaters des Klägers, dass sich die Parteien im August 2013 auf einen nachzuzahlenden „Vergleichsbetrag“ verständigt haben, der die Steuern sowie alle steuerlichen Nebenleistungen, wie auch die Zinsen und die Säumniszuschläge beinhaltet, dem Kläger die festgesetzten Säumniszuschläge zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag im Gesamtbetrag von 11.238,57 € erlassen hat.
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Der Erlass datiert auf den 21.01.2014.
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Nachdem die Beklagte dem Kläger mit der Begründung des Steuerberaters des Klägers die Säumniszuschläge erlassen hat, ist nicht nachvollziehbar, warum mit der gleichen Begründung die Beklagte dem Kläger nicht auch die Hinterziehungszinsen erlässt.
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Dem Kläger – wie auch dem Unterzeichner – ist bekannt, dass es im Steuerrecht einen „Vergleich“ im rechtlichen Sinne nicht gibt.
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Dem Kläger – wie auch dem Unterzeichner – ist ferner bekannt, dass die Höhe der Zinsen nach §§ 223, 235 AO nicht Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung sein kann.
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Im Erlassverfahren hat die Beklagte vorgetragen, dass der Fahndungsprüfer während der Prüfung einen „Vergleichsbetrag von 400.000,00 € nur in den Raum gestellt habe.
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Fakt ist indes, dass der Betrag von 400.000,00 € nicht nur in den Raum gestellt worden ist, sondern dass dieser Betrag als Nachzahlungsbetrag einschließlich aller steuerlichen Nebenleistungen, wie Zinsen aller Art und Säumniszuschläge ausgehandelt worden ist und die Beklagte sich mit diesem Betrag zufrieden erklärt hat.
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Bei dem „Aushandeln“ des Nachzahlungsbetrages war der Steuerberater des Klägers anwesend.
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Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Über Zinsen ist ausdrücklich gesprochen worden.
Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
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Insoweit wird ergänzend auch auf den bereits durch den Zeugen B mit Schreiben vom 04.05.2015 gestellten Erlassantrag verwiesen, in dem dieser zur Begründung ausgeführt hat, dass sich auf ein nachzuzahlender Betrag verständigt wurde, der die Steuern sowie alle steuerlichen Nebenleistungen beinhaltet.
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Beweis:
Zeugnis des Steuerberaters B
Schreiben des Zeugen B vom 04.05-2015 in Kopie anbei
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Fraglich ist, welchen Rechtscharakter das Ergebnis des „ausgehandelten Vergleichs“ hat, nachdem es im Steuerrecht einen Vergleich bekanntlich nicht gibt.
- 35
Die Aussage des Fahndungsprüfers wurde nach einer Außenprüfung – also einem geprüften Sachverhalt – vorgenommen. Eine Qualifizierung der Aussage des Fahndungsprüfers mit dem o.g. Inhalt als verbindliche Auskunft gem. § 89 Abs. 2 AO ist damit ausgeschlossen. Im Anschluss an eine Außenprüfung ist nur eine verbindliche Zusage möglich. Die verbindliche Zusage stellt einen Verwaltungsakt dar, was durch § 207 Abs. 3 AO bestätigt wird.
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Das „Aushandeln“ eines Nachzahlungsbetrages mit dem Hinweis, dass in dem Nachzahlungsbetrag von 400.000,00 € sämtliche Steuern und steuerliche Nebenleistungen enthalten sind, ist daher als eine verbindliche Zusage und damit als Verwaltungsakt anzusehen.
- 37
Der Verwaltungsakt des Fahndungsprüfers ist auch wirksam. Zur Wirksamkeit des Verwaltungsaktes bedarf es nicht der Schriftform, da nach § 119 Abs. 1 AO ein Verwaltungsakt schriftlich, mündliche oder in anderer Weise erlassen werden kann. Auch sonst unterliegt der Verwaltungsakt mit seiner Bekanntgabe wirksam und bleibt solange wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt wird.
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Der Verwaltungsakt ist auch nicht nichtig. Nichtigkeitsgründe liegen nicht vor.
- 39
Soweit sich der Fahndungsprüfer der Tragweite seiner Aussage nicht bewusst gewesen ist, geht dieser Umstand mit der Beklagten, nicht aber mit dem Kläger anheim.
- 40
Soweit der Inhalt des Verwaltungsaktes zwischen den Parteien streitig ist, wird an dieser Stelle noch einmal auf die Ausführungen des Zeugen B im Schreiben vom 04.05.2015 verwiesen.
- 41
Beweis:
Schreiben des Steuerberaters des Klägers, Herrn B vom 04.05.2015 in Kopie anbei
- 42
Schließlich wird ergänzend darauf hingewiesen, dass aus den gleichen Gründen, wie aus den Gründen im Erlassantrag des Zeugen B gem. Schreiben vom 04.05.2015 dem Kläger festgesetzte Säumniszuschläge erlassen worden sind.
- 43
Darüber hinaus ergeht der Hinweis, dass der Zeuge B bereits mit Schreiben vom 04.05.2015 darauf hingewiesen hat, dass mit Festsetzung der Hinterziehungszinsen, die bereits erlassenen Säumniszuschläge in anderer Form wieder eingefordert werden, obgleich nach Aussage des Fahndungsprüfers M ein Nachzahlungsbetrag von 400.000,00 € incl. Aller steuerlicher Nebenleistungen vereinbart worden ist.
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Beweis:
Schreiben des Steuerberaters des Klägers, Herrn B vom 04.05.2015 in Kopie anbei.“
- 45
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 10. April 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 28. September 2016 ersatzlos aufzuheben.
- 46
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
- 47
Der Beklagte tritt der Klage entgegen und führt klageerwidernd aus, dass die Meinung des Klägers, der Fahndungsprüfer habe eine verbindliche Zusage i.S.d. § 204 erteilt, unzutreffend sei. Ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO, in dem der Verzicht auf die Hinterziehungszinsen geregelt worden sei, liege nicht vor. Die tatsächliche Verständigung sei von der verbindlichen Zusage zu unterscheiden. Nach § 204 AO habe die Finanzbehörde die Zusage zu erteilen; dies sei nicht der Fahndungsprüfer, sondern die für die Auswertung der Prüfungsfeststellung zuständige Behörde. Die verbindliche Zusage müsse - vollumfänglich – schriftlich erteilt, d.h. schriftlich niedergelegt und dem Steuerpflichtigen nach § 122 AO bekannt gegeben werden. § 205 Abs. 1 AO sei lex specialis zu § 119 Abs. 2 AO. Eine verbindliche Zusage werde auf Antrag erteilt und regle, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt werde. Das Absehen einer Festsetzung von Hinterziehungszinsen sei kein Gegenstand einer verbindlichen Zusage.
- 48
Ein Verhalten des Finanzamtes, aus dem der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach Treu und Glauben hergeleitet werden könne, sei nicht erkennbar. Auch wenn die Vertreter des Klägers davon ausgegangen sein sollten, dass keine Hinterziehungszinsen festgesetzt würden, so hätten sie aber keinen entsprechenden Antrag gestellt.
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Der Erlass von Säumniszuschlägen verhindere nicht die Festsetzung von Hinterziehungszinsen, da die Vorschriften des § 235 AO und des § 240 AO unterschiedliche Zwecke verfolgten.
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Gegen den Kläger ist ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung erlassen worden; die verhängte Geldstrafe wurde von ihm entrichtet.
Entscheidungsgründe
- 51
I. Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat zu Recht Hinterziehungszinsen festgesetzt.
- 52
1. Ein Steuerbescheid entfaltet keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Weder § 235 AO noch eine andere Vorschrift sieht insoweit eine Bindungswirkung vor. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag (BFH, Urteil vom 28. März 2012 II R 39/10, BFHE 238, 208, BStBl II 2012, 712). Wie bei Festsetzung der Steuer § 255 I) besteht auch bei Festsetzung der Zinsen kein Ermessensspielraum (vgl. nur Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 150. Lieferung 20.2017, § 235 AO, Rn. 22 m.w.N. zur Rspr.).
- 53
Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass in den Veranlagungszeiträumen 2004 bis 2009 vom Kläger Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer hinterzogen worden ist. Unstreitig ist ebenfalls die rechnerische Ermittlung der Hinterziehungszinsen im angefochtenen Bescheid vom 10. April 2015.
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Die Beteiligten streiten allein darüber, ob der Beklagte befugt war, Hinterziehungszinsen festzusetzen.
- 55
2. Nach § 204 AO soll die Finanzbehörde im Anschluss an eine Außenprüfung dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird. Eine solche Zusage kann sodann im Zusammenhang mit der Besteuerung eines später verwirklichten Sachverhalts Bindungswirkung entfalten (§ 206 AO). Sie erfordert aber u.a. eine als verbindlich gekennzeichnete schriftliche Erklärung (§ 205 Abs. 1 AO) sowie eine Angabe dazu, für welche (zukünftigen) Zeiträume die Zusage gelten soll (§ 205 Abs. 2 Nr. 3 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734; FG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2014, 5 K 463/12, EFG 2015, 1524, bestätigt durch BFH, Urteil vom 20. Oktober 2016 VI R 27/15, BFH/NV 2017, 223).
- 56
Diese Merkmale erfüllt das im Streitfall allein in Betracht kommende Schriftstück vom 25. Oktober 2013 erkennbar nicht, weshalb sich die Kläger nicht unmittelbar auf § 206 AO berufen können. Zusagen nach § 204 AO können nur für die künftige Behandlung eines steuerlichen Sachverhalts erteilt werden; wie ein in der Vergangenheit verwirklichter Sachverhalt zu beurteilen ist, kann nicht Gegenstand einer Zusage sein (vgl. nur Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 204 Rn. 11 m.w.N. zur Rspr.).
- 57
Unabhängig davon enthält die schriftliche tatsächliche Verständigung vom 25. Oktober 2013 keine Vereinbarung in Bezug auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen. Nach dem klaren Wortlaut des § 205 Abs. 1 AO erlangen (ggfs. getroffene) mündliche Nebenabreden insoweit keine Bindungswirkung.
- 58
3. Die Klage führt auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zum Erfolg.
- 59
a. Die Finanzbehörden können auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274; vom 17. September 1992 IV R 39/90, BStBl II 1993, 218, BFH-Beschluss vom 21. Mai 2010 V B 91/09, BFH/NV 2010, 1619; FG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2014, - 5 K 463/12, EFG 2015, 1524). Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung folgt aus dem Grundsatz von Treu und Glauben, dass sich die Beteiligten an einer zulässigen und wirksamen tatsächlichen Verständigung festhalten lassen müssen (BFH-Urteile vom 6. Februar 1991 I R 13/86, BStBl II 1991, 673, vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537 und vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975).
- 60
b. Die Bindungswirkung einer derartigen Vereinbarung setzt nach diesen Rechtsprechungsgrundsätzen voraus, dass
- sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht aber auf Rechtsfragen bezieht,
- der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft,
- die Sachverhaltsermittlung erschwert ist,
- auf Seiten der Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625; FG München, Urteil vom 3. November 2014 7 K 2169/13, juris),
- der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652 und BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1619) und
- der Steuerpflichtige auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteile vom 22. Juli 2008 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124; vom 31. März 2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742 und vom 16. Juli 2002 IX R 28/98, BStBl II 2002, 714; BFH-Beschluss vom 26. Februar 2003 V B 116/02, BFH/NV 2003, 883).
- 61
c. Der Kläger hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine bestimmte Form (etwa Schriftform) für die tatsächliche Verständigung nach der Rechtsprechung nicht erforderlich ist. Wenn auch – vor allem bei schwierig aufzuklärenden und zu beurteilenden Fallgestaltungen – eine schriftliche Niederlegung und die Unterzeichnung durch die Beteiligten sinnvoll erscheinen (vgl. auch von Wedelstädt, Der Betrieb 1991, 515), ist nicht ausgeschlossen, den Nachweis des Abschlusses einer tatsächlichen Verständigung auch durch andere Beweismittel (z.B. Zeugenvernehmung) zu führen (BFH, Urteil vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BStBl II 1996, 625; FG Nürnberg, Urteil vom 13. Januar 2017 - 4 K 1172/16, EFG 2017, 357).
- 62
Der Kläger hat Beweisanträge gestellt zu seinem Vortrag, es sei ein „Gesamtbetrag“ mit dem Beklagten vereinbart worden, der auch Hinterziehungszinsen eingeschlossen habe. Der Senat hatte diesen Beweisanträgen nicht nachzugehen.
- 63
aa. Die vorliegende schriftliche Vereinbarung vom 25. Oktober 2013 stützt den vorgenannten Klägervortrag nicht einmal ansatzweise. Allerdings würde dies das Vorhandensein mündlicher Nebenabreden – ggfs. auch zur Auslegung der schriftlichen Vereinbarung – nicht ausschließen. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass das Vorhandensein einer schriftlichen Fixierung den für die Annahme einer tatsächlichen Verständigung erforderlichen Rechtsbindungswillen unmissverständlich zum Ausdruck bringt (Rüsken in Klein, AO, 13. Auflage 2016, § 162 Rn. 32a). Das bedeutet: Fehlende Schriftlichkeit ist ein Indiz für mangelnden Rechtsbindungswillen, spricht also gegen das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung (BFH, Urteil vom 16. Februar 2006 X B 176/05, BFH/NV 2006, 1052). Dies gilt erst recht für den Fall, dass eine tatsächliche Verständigung in Schriftform vorliegt, der Steuerpflichtige aber – wie vorliegend – darüber hinaus das Vorliegen einer mündlichen Nebenabrede geltend macht.
- 64
Allerdings beinhalten die vorgenannten Erwägungen „lediglich Indizien“ (BFH, Urteil vom 16. Februar 2006, a.a.O.) mit der Folge, dass eine Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung notwendig wäre.
- 65
bb. Gleichwohl war eine derartige Beweisaufnahme im Streitfall nicht angezeigt. Das Finanzgericht als Tatsacheninstanz kann auf eine beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn etwa das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, es mithin auf das Beweismittel nicht ankommt (BFH, Beschluss vom 16. Dezember 2016 X B 41/16, BFH/NV 2017, 310).
- 66
Das war vorliegend gegeben, da Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung – sei es in Schriftform oder mündlich – nicht der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist bei (hier unstreitigem) Vorliegen einer Steuerhinterziehung nicht in das – irgendwie geartete – Ermessen der Finanzbehörde gestellt; nach dem eindeutigen Wortlaut des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO „sind“ hinterzogene Steuern zu verzinsen. Der Behörde steht insoweit keinerlei Ermessen zu (FG Nürnberg, Urteil vom 25. Juni 2014 – 3 K 153/13, PStR 2015, 27) mit der Folge, dass die Anwendung des § 235 Abs. 1 Satz 1 AO nicht zur Disposition der Beteiligten steht. Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung, bei Vorliegen einer Steuerhinterziehung auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu verzichten, ist daher unwirksam.
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Im Übrigen können Inhalt einer tatsächlichen Verständigung nur Sachverhaltsfragen, nicht Rechtsfragen sein (vgl. nur BFH, Urteil vom 11. April 2017 IX R 24/15, BFHE 258, 199). Eine Rechtsfrage ist z. B. gegeben, wenn darüber zu entscheiden ist, ob das Verhalten eines Steuerpflichtigen eine Steuerhinterziehung darstellt und welche Schlussfolgerungen daraus in strafrechtlicher und steuerlicher Hinsicht – etwa die zwingende Festsetzung von Hinterziehungszinsen – zu ziehen sind.
- 68
4. Nicht zum Erfolg führt auch der Hinweis des Klägers auf das Urteil des BFH vom 11. April 2017 im Verfahren IX R 24/15 (BStBl II 2017, 1155). Nach dieser Entscheidung kann die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren nach den Grundsätzen vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ausnahmsweise entfallen, wenn ihr eine (irrtümlich) von beiden Parteien angenommene Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht zuzumuten ist.
- 69
Das Gericht hatte vorliegend nicht über die Wirksamkeit der am 25. Oktober 2013 geschlossenen tatsächlichen Verständigung zu entscheiden. Die auf der Grundlage dieser tatsächlichen Verständigung über Besteuerungsgrundlagen ergangenen Änderungsbescheide sind bestandskräftig geworden. Und unter II.3.c.bb. der Urteilsgründe hat der Senat auch dargelegt, dass Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung – sei es in Schriftform oder mündlich – nicht der Verzicht auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sein kann.
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Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen weist der Senat darauf hin, dass im BFH-Fall IX R 24/15 ein beiderseitiger Motivirrtum (also der Kläger und des Finanzamtes) über die verfahrensrechtliche Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung vorgelegen hatte (vgl. dazu auch die Urteilsbesprechung von Billau, NWB 5/2018, S. 261 ff.). Eine solcher Motivirrtum hat im vorliegenden Fall jedenfalls auf Seiten des beklagten Finanzamtes nicht vorgelegen. Der Beklagte hat das Vorliegen einer tatsächlichen Verständigung in Bezug auf die Festsetzung von Hinterziehungszinsen bestritten und der Wortlaut der tatsächlichen Verständigung gibt keinen Hinweis auf die Einbeziehung von Hinterziehungszinsen; auch der sonstige gesamte Akteninhalt gibt keinerlei Hinweis auf einen Motivirrtum auf Seiten des Beklagten.
- 71
5. Es ist keine Festsetzungsverjährung eingetreten; der Beklagte konnte daher die Hinterziehungszinsen mit dem angefochtenen Bescheid festsetzen.
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Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist ein Jahr, § 239 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Festsetzungsfrist beginnt in den Fällen des § 235 AO (Verzinsung hinterzogener Steuern) mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, § 239 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO.
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Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, dass bereits im Jahr 2010 eingeleitet worden war, ist mit Verfügung der zuständigen Staatsanwaltschaft vom 24. März 2015 nach § 153a StPO eingestellt worden, nachdem der Kläger eine Auflage von 10.000 € fristgerecht am 19. März 2015 gezahlt hatte. Die Einstellung ist dem Kläger mit Schreiben vom 1. März 2015 mitgeteilt worden.
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Die Festsetzungsfrist begann mithin mit Ablauf des Jahres 2015 und endete am 31. Dezember 2016. Der angefochtene Bescheid vom 10. April 2015 erging mithin innerhalb dieser Frist.
II.
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Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 FGO abzuweisen. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17
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Urteil einreichenFinanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Apr. 2018 - 6 K 2254/17 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb
- 1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder - 2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.
(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.
(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.
(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.
(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent. Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz. Erlischt der zu verzinsende Anspruch durch Aufrechnung, gilt der Tag, an dem die Schuld des Aufrechnenden fällig wird, als Tag der Zahlung.
(1a) In den Fällen des § 233a betragen die Zinsen abweichend von Absatz 1 Satz 1 ab dem 1. Januar 2019 0,15 Prozent für jeden Monat, das heißt 1,8 Prozent für jedes Jahr.
(1b) Sind für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich, ist der Zinslauf in Teilverzinsungszeiträume aufzuteilen. Die Zinsen für die Teilverzinsungszeiträume sind jeweils tageweise zu berechnen. Hierbei wird jeder Kalendermonat unabhängig von der tatsächlichen Anzahl der Kalendertage mit 30 Zinstagen und jedes Kalenderjahr mit 360 Tagen gerechnet.
(1c) Die Angemessenheit des Zinssatzes nach Absatz 1a ist unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuchs wenigstens alle zwei Jahre zu evaluieren. Die erste Evaluierung erfolgt spätestens zum 1. Januar 2024.
(2) Für die Berechnung der Zinsen wird der zu verzinsende Betrag jeder Steuerart auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag abgerundet.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.
(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.
(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.
(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.
(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.
(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.
(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.
(1) Die verbindliche Zusage tritt außer Kraft, wenn die Rechtsvorschriften, auf denen die Entscheidung beruht, geändert werden.
(2) Die Finanzbehörde kann die verbindliche Zusage mit Wirkung für die Zukunft aufheben oder ändern.
(3) Eine rückwirkende Aufhebung oder Änderung der verbindlichen Zusage ist nur zulässig, falls der Steuerpflichtige zustimmt oder wenn die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 vorliegen.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. § 34 Abs. 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Verwaltungsakt kann auch gegenüber einem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden. Er soll dem Bevollmächtigten bekannt gegeben werden, wenn der Finanzbehörde eine schriftliche oder eine nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz elektronisch übermittelte Empfangsvollmacht vorliegt, solange dem Bevollmächtigten nicht eine Zurückweisung nach § 80 Absatz 7 bekannt gegeben worden ist.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, gilt als bekannt gegeben
- 1.
bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, - 2.
bei einer Übermittlung im Ausland einen Monat nach der Aufgabe zur Post,
(2a) Ein elektronisch übermittelter Verwaltungsakt gilt am dritten Tage nach der Absendung als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsakts wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Ein Verwaltungsakt wird zugestellt, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder behördlich angeordnet wird. Die Zustellung richtet sich vorbehaltlich der Sätze 3 und 4 nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes. Für die Zustellung an einen Bevollmächtigten gilt abweichend von § 7 Absatz 1 Satz 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes Absatz 1 Satz 4 entsprechend. Erfolgt die öffentliche Zustellung durch Bekanntmachung einer Benachrichtigung auf der Internetseite oder in einem elektronischen Portal der Finanzbehörden, können die Anordnung und die Dokumentation nach § 10 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 5 des Verwaltungszustellungsgesetzes elektronisch erfolgen.
(6) Die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten zugleich mit Wirkung für und gegen andere Beteiligte ist zulässig, soweit die Beteiligten einverstanden sind; diese Beteiligten können nachträglich eine Abschrift des Verwaltungsakts verlangen.
(7) Betreffen Verwaltungsakte
so reicht es für die Bekanntgabe an alle Beteiligten aus, wenn ihnen eine Ausfertigung unter ihrer gemeinsamen Anschrift übermittelt wird. Die Verwaltungsakte sind den Beteiligten einzeln bekannt zu geben, soweit sie dies beantragt haben oder soweit der Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen ihnen ernstliche Meinungsverschiedenheiten bestehen.(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.
(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.
(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.
(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
Tatbestand
- 1
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I. Der Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war zu 75 % am Stammkapital der ... GmbH (GmbH) beteiligt. Die übrigen Anteile hielt seine Mutter (M). E war darüber hinaus Eigentümer des von der GmbH langfristig gepachteten Betriebsgrundstücks. Steuerberater P war der Aufsichtsratsvorsitzende der GmbH.
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Ab Ende des Jahres 1988 kam es zu umfangreichen Verhandlungen zwischen Vertretern der GmbH (E, P und ein weiterer Steuerberater) und der Firma V über einen Verkauf von Anteilen an der GmbH an V. V war an dem Anteilserwerb interessiert, weil sie ihre Produktpalette um die von der GmbH hergestellten Maschinen ergänzen wollte. Die Verhandlungsergebnisse wurden in einer schriftlichen Absichtserklärung ("LETTER OF INTENT") niedergelegt, die von E, M und P am 8. Dezember 1989 sowie von V am 13. Dezember 1989 unterzeichnet wurde. In dieser Absichtserklärung waren insbesondere ein Zeitplan für den Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an der GmbH an V, die jeweiligen Kaufpreise und zwei Kapitalerhöhungen vorgesehen. Der Absichtserklärung entsprechend wurde das Stammkapital der GmbH am 14. Dezember 1989 von 15 Mio. auf 30 Mio. DM erhöht.
- 3
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Im Hinblick auf die ab 1. Januar 1990 vorgesehene Änderung des § 34 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes vom 30. Juni 1989, BGBl I 1989, 1267, § 52 Abs. 23a EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 25 Buchst. c des Gesetzes vom 30. Juni 1989) beabsichtigte E, die zwischen seinem Verpachtungsunternehmen und der GmbH bestehende Betriebsaufspaltung zu beenden. Er verkaufte deshalb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 28. Dezember 1989 Beteiligungen von insgesamt 26 % am Stammkapital der GmbH an die Klägerin, seine Schwägerin Sn und P. Die Klägerin erwarb dabei 24 % der Anteile am Stammkapital für einen Kaufpreis von 11.160.000 DM. Dieser Kaufpreis ergab sich aus dem von P nach dem Stuttgarter Verfahren errechneten Wert von 155 DM je Anteil im Nominalwert von 100 DM. Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis zunächst durch ein Darlehen einer weiteren GmbH, an der E mit 75 % und M mit 25 % beteiligt waren. Dieses Darlehen löste sie im Februar 1990 durch ein Bankdarlehen ab, für das E eine unbeschränkte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft übernahm.
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Am 16. März 1990 traf E, der zugleich für die Klägerin, M, Sn und P handelte, mit V in privatschriftlicher Form eine weitgehend, insbesondere hinsichtlich der Kaufpreise mit der Absichtserklärung vom 8./13. Dezember 1989 übereinstimmende Vereinbarung über den Verkauf von Anteilen an der GmbH. Danach sollte die aus diesen Personen bestehende E-Gruppe in drei Schritten zu näher bestimmten Zeitpunkten 25,1 %, 24,9 % und 20 % des Stammkapitals der GmbH an die V verkaufen. Der Kaufpreis sollte für die 25,1 % und 24,9 % jeweils 37,5 Mio. DM und für die 20 % 33 Mio. DM betragen. Für die danach der E-Gruppe verbleibenden 30 % am Stammkapital der GmbH wurden der E-Gruppe eine Verkaufsoption und der V eine Kaufoption für jeweils 60 Mio. DM eingeräumt.
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Der Vertrag vom 16. März 1990 wurde am 26. April 1990 notariell beurkundet. Zugleich traten E und M insgesamt 25,1 % der Anteile am Stammkapital der GmbH zu einem Gesamtpreis von 37,5 Mio. DM an V ab. Das entspricht einem Kurs von 498 DM je Anteil am Stammkapital im Nominalwert von 100 DM. Die Klägerin, M, Sn und P wurden beim Vertragsabschluss durch E als Bevollmächtigten vertreten. Durch die u.a. von der Klägerin unterzeichnete Vollmacht vom 25. April 1990 wurde E ermächtigt, den bereits privatschriftlich abgeschlossenen schuldrechtlichen Kaufvertrag zu notarieller Urkunde zu bestätigen und ggf. ergänzende Vereinbarungen hierzu zu treffen, über die Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter zu verfügen, sie insbesondere abzutreten und die anderen Gesellschafter auch zu späteren Abtretungen zu verpflichten sowie das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung auszuüben, insbesondere die Satzung zu ändern, auch das Kapital zu erhöhen und für die anderen Gesellschafter neue Gesellschaftsanteile zu übernehmen, Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Januar 1991 verkauften die Klägerin, M, Sn und P insgesamt 24,9 % der Anteile am Stammkapital der GmbH an V zu einem Gesamtpreis von 37,5 Mio. DM. 14 % der Anteile am Stammkapital mit einem Nominalwert von 4,2 Mio. DM stammten von der Klägerin. Der anteilige Kaufpreis dafür betrug 21.084.332,40 DM.
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Nachdem das Stammkapital der GmbH zum 15. Januar 1991 von 30 Mio. DM auf 45 Mio. DM erhöht worden war, verkauften E und die Klägerin durch notariell beurkundeten Vertrag vom 31. Juli 1991 20 % ihrer Anteile am Stammkapital der GmbH an V zu einem Gesamtpreis von 33 Mio. DM. Die Klägerin erhielt dabei für den Verkauf von 5 % am Stammkapital (Nominalwert 2.250.000 DM) 8.250.000 DM. Die nach diesen Anteilsübertragungen noch bei der E-Gruppe verbliebenen 30 % am Stammkapital der GmbH wurden später für 60 Mio. DM an V verkauft.
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Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Februar 1993 überließ E der Klägerin Grundbesitz mit einem Verkehrswert von 4.250.000 DM gegen Übernahme dinglich gesicherter Darlehensschulden von 1.485.000 DM.
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In der am 20. Januar 1991 beim damals zuständigen Finanzamt ... (FA M) eingegangenen, von P erstellten und auf die Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Klägerin im Dezember 1989 bezogenen Schenkungsteuererklärung wurde ausgeführt, es handle sich um eine Anteilsübertragung mit angemessener Gegenleistung. Eine Schenkung könne somit nicht vorliegen. Das FA M setzte demgemäß zunächst keine Schenkungsteuer gegen die Klägerin fest.
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In der im Oktober 1993 für die Grundstücksschenkung vom 25. Februar 1993 eingereichten Schenkungsteuererklärung gab die Klägerin an, von E keine Vorschenkungen erhalten zu haben. Die Schenkungsteuer wurde zunächst erklärungsgemäß festgesetzt.
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Aufgrund von Ermittlungen der zuständigen Steuerfahndungsstelle setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) für die Anteilsübertragung vom 28. Dezember 1989 durch Bescheid vom 27. Mai 1997 gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 5.154.597 DM fest. Das FA ging dabei von einem Wert der auf die Klägerin übertragenen Anteile von 36 Mio. DM aus (24 % des sich bei einem Wert von 500 DM je Anteil im Nominalwert von 100 DM ergebenden Gesamtwerts aller Anteile am Stammkapital der GmbH von 150 Mio. DM) und zog hiervon den Kaufpreis von 11.160.000 DM sowie Kosten von 44.287 DM ab. Darüber hinaus setzte das FA die Schenkungsteuer für die Grundstücksübertragung vom 25. Februar 1993 nunmehr unter Berücksichtigung der Zuwendung der Anteile an der GmbH an die Klägerin als Vorerwerb fest. Die Einsprüche gegen die Schenkungsteuerbescheide blieben erfolglos.
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Nachdem das Landgericht ... das gegen die Klägerin eingeleitete Strafverfahren wegen des Verdachts der vorsätzlichen Verkürzung von Schenkungsteuer im April 2001 gemäß § 153a der Strafprozessordnung gegen eine Zahlungsauflage eingestellt hatte, setzte das FA mit Bescheid vom 19. November 2002 gegen die Klägerin Hinterziehungszinsen in Höhe von 1.001.490 € für die mit Bescheid vom 27. Mai 1997 festgesetzte Schenkungsteuer fest. Es ging dabei von einem Zinslauf vom 24. Februar 1991 bis zum 30. Juni 1997 und somit von einem Zinszeitraum von 76 Monaten aus. Zugleich setzte das FA gegen die Klägerin auch Hinterziehungszinsen auf die Schenkungsteuer für die Zuwendung des Grundvermögens fest. Die Einsprüche blieben erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) hob den Zinsbescheid hinsichtlich der Zuwendung des Grundvermögens auf und änderte den auf die Übertragung der Anteile an der GmbH auf die Klägerin bezogenen Bescheid vom 19. November 2002 dahin, dass es den steuerpflichtigen Erwerb, der der Berechnung der Schenkungsteuer zum Zweck der Festsetzung von Hinterziehungszinsen zugrunde zu legen ist, von 24.545.700 DM auf 17.345.700 DM herabsetzte, und übertrug die Berechnung der Hinterziehungszinsen dem FA.
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Zur Begründung führte das FG aus, das FA habe gemäß § 235 der Abgabenordnung (AO) dem Grunde nach zu Recht Hinterziehungszinsen auf die den Erwerb der Klägerin aus der Zuwendung des E vom 28. Dezember 1989 betreffende Schenkungsteuer festgesetzt. Der objektive und der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) seien insoweit erfüllt. Die als Hausfrau steuerrechtlich unerfahrene und in die Transaktionen mit V kaum eingebundene Klägerin habe sich zwar keine Steuerhinterziehung zu Schulden kommen lassen. Aufgrund der unvollständigen und irreführenden Angaben in der am 20. Januar 1991 beim FA M eingereichten Schenkungsteuererklärung liege aber eine Steuerhinterziehung durch P zugunsten der Klägerin vor. Die vom FA der Berechnung der Hinterziehungszinsen zugrunde gelegte Schenkungsteuer sei dem Grunde nach entstanden. Der Erwerb eines Anteils von 24 % am Stammkapital der GmbH zum Preis von 155 DM je 100 DM Nominalwert durch die Klägerin am 28. Dezember 1989 stelle eine gemischt-freigebige Zuwendung des E an die Klägerin gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) dar. Der Anteilswert sei nicht nach dem Stuttgarter Verfahren zu ermitteln, sondern aus dem bei der Anteilsveräußerung am 26. April 1990 erzielten Kaufpreis abzuleiten, da bereits vor dem 28. Dezember 1989 eine Einigung über den von V zu entrichtenden Kaufpreis erzielt worden sei. Da V eine Mehrheitsbeteiligung an der GmbH habe erwerben wollen, sei dieser Kaufpreis um einen Paketabschlag von 20 % zu vermindern. Der Wert der am 28. Dezember 1989 auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH sei daher bei der Zinsberechnung lediglich mit 80 % von 36 Mio. DM, also mit 28,8 Mio. DM anzusetzen. Die vom FA festgesetzten Hinterziehungszinsen seien in entsprechendem Umfang herabzusetzen. Die von V im eigenen Unternehmen erwarteten Synergieeffekte rechtfertigten keine weitere Herabsetzung des Anteilswerts. P habe den Tatbestand der Steuerhinterziehung auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht. Er habe die zum Vorliegen einer gemischt-freigebigen Zuwendung führenden Umstände gekannt und bedingt vorsätzlich gehandelt. Dass lediglich P, nicht aber der Klägerin selbst Steuerhinterziehung zur Last gelegt werden könne, stehe der Festsetzung der Hinterziehungszinsen gegen die Klägerin als Steuerschuldnerin nicht entgegen.
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Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 9 Abs. 2 und § 11 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes, § 235 AO und § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Wert der von ihr erworbenen Anteile an der GmbH müsse nach dem Stuttgarter Verfahren ermittelt werden. Er könne nicht aus dem beim Anteilsverkauf vom 26. April 1990 erzielten Kaufpreis abgeleitet werden. Sähe man dies anders, müsste jedenfalls der von V für die erwarteten Synergie-Effekte gezahlte Aufpreis wertmindernd berücksichtigt werden.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und den Bescheid des FA vom 19. November 2002 über Hinterziehungszinsen wegen ihres Erwerbs aus der Zuwendung des E vom 28. Dezember 1989 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 16. Dezember 2005 ebenfalls aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, soweit sie den Bescheid des FA vom 19. November 2002 über Hinterziehungszinsen wegen des Erwerbs aus der Zuwendung des E an die Klägerin vom 28. Dezember 1989 betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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1. Das FG hat zutreffend angenommen, dass es über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheids zu entscheiden habe, ohne an die Festsetzung von Schenkungsteuer durch den Bescheid vom 27. Mai 1997 gebunden zu sein (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 7. November 1973 I R 92/72, BFHE 111, 7, BStBl II 1974, 125, zu § 4a des Steuersäumnisgesetzes). Schenkungsteuerbescheide sind keine Grundlagenbescheide i.S. des § 171 Abs. 10 AO für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.
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a) Grundlagenbescheide sind gemäß § 171 Abs. 10 Satz 1 AO Feststellungsbescheide, Steuermessbescheide oder sonstige für eine Steuerfestsetzung bindende Verwaltungsakte. Für die Annahme einer Bindungswirkung ist grundsätzlich eine gesetzliche Regelung erforderlich (BFH-Urteile vom 10. Juni 1988 III R 232/84, BFHE 154, 68, BStBl II 1988, 981; vom 20. August 2009 V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, unter II.3.c aa, und vom 27. Januar 2011 III R 90/07, BFHE 232, 485, BStBl II 2011, 543, unter II.2.b). Ohne gesetzlich angeordnete Bindungswirkung hat der BFH einen Grundlagenbescheid nur dort für möglich gehalten, wo Sachverhalte zu beurteilen sind, die die Finanzbehörde mangels eigener Sachkunde nicht selbst nachzuprüfen vermag (BFH-Urteil in BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15, unter II.3.c aa, m.w.N.; dazu kritisch BFH-Beschluss vom 11. April 2005 GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.4.a). Eine Rechtsgrundlage für die Bindungswirkung kann nicht durch allgemeine Zweckmäßigkeitserwägungen oder vergleichbare sinnvolle Überlegungen ersetzt werden (BFH-Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679, unter C.4.a).
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b) Ein Schenkungsteuerbescheid entfaltet danach keine Bindungswirkung für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen nach § 235 AO. Weder § 235 AO noch eine andere Vorschrift sieht insoweit eine Bindungswirkung vor. Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen richtet sich nicht akzessorisch nach dem festgesetzten, sondern nach dem tatsächlich hinterzogenen Steuerbetrag (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 235 AO Rz 40; Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 235 Rz 27; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 235 AO Rz 11). Dies wird durch § 235 Abs. 3 Satz 3 AO verdeutlicht. Danach lässt eine nach Ende des Zinslaufs erfolgende Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Steuerbescheids die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt. Um Fälle mangelnder Sachkunde des FA geht es bei der Festsetzung von Hinterziehungszinsen nicht.
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2. Ebenfalls zutreffend ist die Auffassung des FG, dass es der Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegen den Schuldner der hinterzogenen Steuer nicht entgegensteht, wenn er an der Steuerhinterziehung nicht mitgewirkt hat (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9).
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3. Das FG hat aber zu Unrecht die Ansicht vertreten, die aufgrund des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH seien Gegenstand einer gemischt-freigebigen Zuwendung des E an die Klägerin gewesen.
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a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Besteuerung richtet sich danach, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Zuwendung beim Beschenkten darstellt (BFH-Urteile vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83, und vom 22. Juni 2010 II R 40/08, BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Dementsprechend bestimmt sich der steuerpflichtige Erwerb gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nach der Bereicherung des Erwerbers und knüpft die Wertermittlung (§ 11 ErbStG) über § 9 Abs. 1 Nr. 2 und § 12 ErbStG an den Gegenstand an, über den der Beschenkte endgültig verfügen kann (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843, m.w.N.).
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Es ist nicht erforderlich, dass der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, sich vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden hat und wesensgleich übergeht. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteile vom 13. März 1996 II R 51/95, BFHE 180, 174, BStBl II 1996, 548, und in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Danach kann in der Hingabe von Vermögensgegenständen mittelbar die Schenkung eines anderen Vermögensgegenstandes gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm unmittelbar Zugewendete, sondern (erst) über das Surrogat desselben, z.B. über den Verkaufserlös, verfügen kann; denn in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um das unmittelbar Hingegebene, sondern erst um den Verkaufserlös bereichert. Dies gilt nicht nur für die Fälle der mittelbaren Grundstücksschenkung, sondern generell bei mittelbarer Schenkung aller als Zuwendungsobjekt in Betracht kommenden Gegenstände oder Rechte (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843).
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In der Hingabe von Gesellschaftsanteilen kann somit die mittelbare Schenkung des Erlöses aus einem späteren Weiterverkauf der Gesellschaftsanteile liegen. Dies ist dann der Fall, wenn der Erwerber der Anteile im Verhältnis zum Schenker nur über den Verkaufserlös, nicht aber über die Anteile frei verfügen durfte, sondern sich insoweit den Verfügungen des Schenkers unterzuordnen hatte (BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843).
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Liegt eine mittelbare Schenkung vor, ist sie erst dann i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausgeführt, wenn die Vermögensverschiebung endgültig ist, also der Beschenkte gegenüber dem Schenker die freie Verfügung über den Gegenstand der freigebigen Zuwendung erhält und insoweit die endgültige Vermögensmehrung des Beschenkten auf Kosten des Schenkers eintritt (BFH-Urteile vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273; vom 23. August 2006 II R 16/06, BFHE 213, 399, BStBl II 2006, 786, und vom 27. August 2008 II R 19/07, BFH/NV 2009, 29, unter II.B.3.). Erst im Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung entsteht nach dieser Vorschrift die Schenkungsteuer.
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b) Nach den vom FG getroffenen Feststellungen war die Klägerin gegenüber E nicht berechtigt, über die auf sie übertragenen Anteile an der GmbH frei zu verfügen, sie etwa gegen den Willen des E langfristig zu behalten oder an einen Dritten zu verkaufen, sondern musste sich hinsichtlich der Anteile den Verfügungen des E unterordnen. Der Verkauf der Anteile an die Klägerin durch Vertrag vom 28. Dezember 1989 diente der Beendigung der bestehenden Betriebsaufspaltung aus steuerlichen Gründen. Dass es auch darum gegangen sei, die Klägerin persönlich in das Unternehmen der GmbH einzubinden und sie an den insoweit anfallenden Entscheidungen zu beteiligen, hat weder das FG festgestellt noch trägt dies die Klägerin vor.
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Dass die Klägerin gegenüber E nicht berechtigt war, über die auf sie übertragenen Anteile an der GmbH frei zu verfügen, ergibt sich insbesondere aus dem Zeitablauf und den Umständen beim Verkauf der Anteile an die V (vgl. BFH-Urteil in BFHE 230, 182, BStBl II 2010, 843). Die von E mit V geführten Verhandlungen über einen Verkauf von Anteilen an der GmbH waren beim Abschluss des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 bereits weit fortgeschritten und hatten zur Unterzeichnung der Absichtserklärung vom 8./13. Dezember 1989 sowohl durch E als auch durch V geführt. Die Klägerin war geschäftsunerfahren und in die Transaktion mit V kaum eingebunden. Der Kaufvertrag mit V wurde bereits am 16. März 1990 und somit kurze Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags vom 28. Dezember 1989 privatschriftlich abgeschlossen und am 26. April 1990 notariell beurkundet. Die Klägerin wurde dabei jeweils von E vertreten.
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E war zudem aufgrund der von der Klägerin unterzeichneten Vollmacht vom 25. April 1990 umfassend zu Verfügungen über die auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH ermächtigt. Er war nicht nur berechtigt, den bereits privatschriftlich abgeschlossenen schuldrechtlichen Kaufvertrag zu notarieller Urkunde zu bestätigen und ggf. ergänzende Vereinbarungen hierzu zu treffen und über die Geschäftsanteile der übrigen Gesellschafter einschließlich der Klägerin zu verfügen, sie insbesondere abzutreten und die anderen Gesellschafter auch zu späteren Abtretungen zu verpflichten, sondern auch dazu, das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung auszuüben, insbesondere die Satzung zu ändern, das Kapital zu erhöhen und für die anderen Gesellschafter neue Gesellschaftsanteile zu übernehmen sowie Geschäftsführer zu bestellen und abzuberufen.
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Die Klägerin konnte darüber hinaus den im Vertrag vom 28. Dezember 1989 vereinbarten Kaufpreis für die Anteile nicht aus eigenem Vermögen aufbringen. Sie nahm vielmehr zunächst ein Darlehen bei einer GmbH auf, an der E zu 75 % und M zu 25 % beteiligt waren, und löste dieses Darlehen im Februar 1990 durch ein Bankdarlehen ab, für das E eine unbeschränkte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft leistete.
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Diese Umstände ermöglichten es dem E, das Geschehen bezüglich der auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH zu beherrschen. Die Klägerin musste sich den Verfügungen des E über die Anteile unterordnen und hat dies auch getan.
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c) Da das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben.
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Es bedarf einer erneuten Prüfung durch das FG, inwieweit im Hinblick auf die vorliegende gemischt-freigebige mittelbare Zuwendung der Erlöse aus den Verkäufen der auf die Klägerin übertragenen Anteile an der GmbH an die V eine zur Festsetzung von Hinterziehungszinsen berechtigende Steuerhinterziehung gegeben ist und ab welchem Zeitpunkt oder ab welchen Zeitpunkten der Zinslauf begonnen hat. Diese Prüfung ist deshalb erforderlich, weil die Schenkungsteuer nicht bereits mit der Übertragung der Anteile an der GmbH entstanden ist, sondern jeweils erst in dem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin über die ihr zugewendeten Verkaufserlöse im Verhältnis zu E frei verfügen konnte (vgl. oben II.3.a). Zur Berechnung der Schenkungsteuer sind dabei vom Verkaufserlös jeweils der Kaufpreis und die sonstigen der Klägerin entstandenen Kosten abzuziehen, die auf die im Einzelfall verkauften Anteile der Klägerin an der GmbH entfallen sind. Bei den nach der Erhöhung des Stammkapitals am 15. Januar 1991 erfolgten Anteilsveräußerungen durch die Klägerin ist zudem der der Klägerin in diesem Zusammenhang entstandene Aufwand bereicherungsmindernd zu berücksichtigen.
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Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, mit welchem Wert die auf die Klägerin übertragenen Gesellschaftsanteile zum 28. Dezember 1989 anzusetzen sind, kommt es danach nicht an.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärten Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind.
3Der Kläger erzielte im Streitjahr als Geschäftsführer der A lnvest. und Beteiligungs mbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die von ihm erklärten Werbungskosten stehen allerdings im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Vorstand der B AG.
4Der Kläger war vom ....1995 bis zum ....1998 Vorstandsmitglied der B AG. Über die ... gegründete B AG sollte die ... finanziert werden. Der Kläger hatte zunächst am ....1995 50 % der Aktien der B AG zu einem Preis von 189.266,67 DM erworben. An einer Kapitalerhöhung der B AG auf ... DM nahm der Kläger nicht teil. Der Kläger besaß zunächst 1.000.000 Aktien der B AG. Im Jahre 1998 war der Kläger lediglich noch im Besitz von 200.000 Aktien, die er am ....1998 zum Preis von 30 DM je Aktie verkaufte, wobei die Dividende vereinbarungsgemäß noch dem Kläger zustehen sollte. Aus dieser Aktienbeteiligung floss dem Kläger eine Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr 1997 in Höhe von 120.000 DM (60 Pfennig je Aktie) zu. Mit Ablauf des ....1998 schied der Kläger aus dem Vorstand der B AG aus. Der Kläger war für die B AG aber noch vom ....1998 bis zum ....1998 aufgrund eines Beratervertrages tätig. Der neue Vorstand erstattete am ....1999 Strafanzeige gegen Mitglieder des alten Vorstands. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts (LG) H vom ....2003, Az. 1, wegen ... verurteilt.
5Am ....2001 hatte der damalige Vorstandsvorsitzende der B AG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag gestellt. Der Insolvenzverwalter der B AG klagte gegen den Kläger, zwei weitere frühere Vorstandsmitglieder (Herr D. und Herr N.) sowie gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen des vierten früheren Vorstandsmitglieds K. auf Schadensersatz. Zur Begründung verwies der Insolvenzverwalter darauf, dass die Beklagten zum 31.12.1997 eine falsche Bilanz für die B AG erstellt hätten und als Folge auch zum 31.12.1998 eine falsche Bilanz erstellt worden sei. Die unzutreffenden Bilanzen hätten zu einer Dividendenausschüttung der B AG für die Jahre 1997 und 1998 geführt, obwohl in diesen Jahren tatsächlich kein Gewinn erzielt worden sei. Mit Urteil vom ....2007, Az. 2, entschied das LG H, dass der Rechtsstreit vergleichsweise durch Einigung mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des vierten Vorstandsmitglieds erledigt sei und die drei anderen ehemaligen Vorstandsmitglieder, u.a. auch der Kläger, als Gesamtschuldner einen Schadensersatz von 5.766.401 € an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der B AG zu zahlen hätten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der von der B AG für 1997 ausgeschütteten Dividende in Höhe von 4.200.000 DM, der für 1998 ausgeschütteten Dividende von 7.000.000 DM und den Kosten für die Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 sowie die Nachtragsprüfung dieser Jahresabschlüsse. Im Strafurteil 1 war hierzu ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger bei der Erstellung des unzutreffenden Jahresabschlusses 1997 vorsätzlich gehandelt habe.
6Gegen das Urteil des LG H 2 legten der Kläger und das weitere frühere Vorstandsmitglied Herr N. Berufung vor dem Oberlandesgericht E ein. Der Kläger strebte einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der B AG an. Dieser kam aber nur gemeinsam mit Herrn N. in Betracht. Herr N. erklärte sich mit dem Abschluss des Vergleiches nur einverstanden, wenn der Kläger alle aus dem Vergleich zu leistenden Zahlungen auch mit befreiender Wirkung für ihn übernahm. Herr N. war der Auffassung, dass der Kläger die primäre Verantwortung für den entstandenen Schaden trüge. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht E wurde gemäß Beschluss vom ....2009 durch Vergleich beendet. Danach verpflichteten sich der Kläger und Herr N. auf Grundlage des § 93 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) zur Zahlung von 1.555.000 € an den lnsolvenzverwalter, wobei auf jeden die Hälfte des Betrages entfiel. 1.155.000 € waren bis zum ....2009 zu leisten, während der Restbetrag von 400.000 € in jährlichen Raten von je 80.000 € beglichen werden musste. Der Gesamtbetrag sollte vom Kläger bezahlt werden, da Herr N. über eigene Mittel in Höhe der Verpflichtung nicht verfügte.
7Bereits vor Abschluss des gerichtlichen Vergleichs verpflichtete sich der Kläger in einer am ....2009 von Herrn N. und am ....2009 vom Kläger unterschriebenen Vereinbarung, die am ....2009 ergänzt wurde, die aus dem Vergleich zu leistenden Zahlungen auch mit befreiender Wirkung für Herrn N. vorzunehmen. Herr N. verpflichtete sich im Gegenzug, auf etwaige im Innenverhältnis bestehende Ausgleichsansprüche aus der gesamtschuldnerischen Haftung wegen primärer Verantwortung des Klägers zu verzichten, entsprechend den Anweisungen des Klägers seine möglichen Ansprüche aus der T ‑ Versicherung bei der P auf Kosten des Klägers zu verfolgen und mögliche Zahlungen der P an den Kläger weiterzuleiten.
8In der Einkommensteuererklärung 2009 erklärte der Kläger aus diesen Vorgängen Werbungskosten in Höhe von 1.227.818,90 € bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, sie sich wie folgt zusammensetzen:
9
Zahlung aus der Vergleichsvereinbarung: |
423.000,00 € |
Zahlung gemäß Beschluss des OLG vom ....2009: |
732.000,00 € |
Rechtsanwaltskosten: |
48.525,48 € |
Zinsen zur Finanzierung: |
24.293,42 €. |
Der Beklagte lehnte den Abzug der Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid vom 01.04.2011 ab, da es sich bei den Zahlungen an den Insolvenzverwalter um Schadensersatzleistungen handele, die nicht abzugsfähig seien. Der Kläger sei zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, weil er durch sein Verhalten die Schädigung der B AG zumindest billigend in Kauf genommen habe.
11Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde - nach Ergehen von Änderungsbescheiden am 28.04.2011 und 31.10.2011- mit Entscheidung vom 11.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
12Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage tragen die Kläger wie folgt vor:
13Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Schadenersatzleistungen dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn der objektive Zusammenhang (Berufsbezogenheit) und auch die subjektive Förderungsabsicht (Erfüllung normaler arbeitsrechtlicher Verpflichtungen) gegeben sei, auch wenn hieraus strafrechtliche Relevanz entstünde. Als Vorstandsmitglied sei der Kläger aber verpflichtet gewesen, gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Bilanz der B AG aufzustellen. Hierbei seien in der Bewertung einzelner Bilanzposten Fehler gemacht worden, die zu einem überhöhten Gewinnausweis geführt hätten. Eine Schädigungsabsicht und Bereicherungsabsicht zu Lasten der B AG habe der Kläger nicht gehabt und sei auch nicht durch das Strafgericht festgestellt worden. Der Kläger habe ausschließlich berufliche Ziele verfolgt und gerade versucht, Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, auch wenn er sich strafbar gemacht habe. Der Kläger habe auf Basis der sogenannten Wertaufhellungstheorie gehandelt. Durch die angespannte Liquiditätssituation der B AG habe die Ertragslage durch gewinnerhöhende Buchungen positiv dargestellt werden sollen, um so die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung zu schaffen. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges oder eine Überlagerung der beruflichen Veranlassung durch private Motive sei insoweit nicht zu erkennen. Die subjektive Förderungsabsicht sei gegeben, da die Tätigkeit der Bilanzaufstellung im Rahmen der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen liegen würde. Hierbei seien wesentliche Buchungsvorgänge, die sich nachträglich als rechtswidrig herausgestellt hätten, zeitlich vorgezogen worden.
14Zudem sei zu berücksichtigen, dass die strafrechtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue durch das LG H aus heutiger Sicht unzutreffend gewesen sei. Denn das Bundesverfassungsgericht habe in seinen Entscheidungen vom 23.06.2010 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09 und 2 BvR 492/09 den Untreuetatbestand verfassungskonform, insbesondere bezüglich des Schadensbegriffs, deutlich eingeschränkt. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hätte im vorliegenden Fall schon tatbestandlich keine Verurteilung wegen Untreue erfolgen dürfen. Das LG H habe den Schaden der B AG ausschließlich in der infolge der falschen Bilanzierung erfolgten Ausschüttung an die Aktionäre gesehen. Diese Sichtweise sei jedoch zu kurz. Entscheidend sei in der damaligen Situation gewesen, dass im Rahmen des Börsengangs ... eine erhöhte Dividende prognostiziert worden war, bei deren fehlender Realisierung die Anleger Schadensersatzansprüche hätten geltend machen können. Diese Schadensersatzansprüche hätten sich jedoch nicht gegen den Kläger, sondern gegen die B AG als Emittentin gerichtet. Solche Schadensersatzansprüche wären zudem auf die Rückzahlung der gesamten Einlagen gerichtet und damit weitaus höher gewesen als die geplante Dividende. Insofern habe ein zwingendes Unternehmensinteresse bestanden, die prospektierte Dividende auch darstellen zu können, um die an der Börse gehegten Erwartungen in die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zu erfüllen. Dies bestätige, dass der Vorstand mit der Bilanzerstellung, wenn auch falsch, habe annehmen können und müssen, dass er im Unternehmensinteresse handele. Der Vorwurf an den Kläger beschränke sich somit darauf, dass er sich in Beurkundungsfragen auf die Rechtskenntnis eines Notars und in Bilanzierungsfragen auf die Kompetenz eines Wirtschaftsprüfers verlassen habe. Bezeichnenderweise habe auch das LG H in seinem Strafurteil ausdrücklich keinen Vorsatz des Klägers in Bezug auf die Beurkundungsfehler angenommen. Der zivilrechtliche Anspruch gegen den Kläger habe vielmehr auf dem Vorwurf beruht, das Vermögen der B AG durch die fahrlässige Unkenntnis von der anderweitigen Vertretungspflicht nach § 112 AktG geschädigt zu haben. Die Anspruchsgrundlage der B AG beruhe somit lediglich auf dem Vorwurf einer fahrlässigen Schädigung des Unternehmensvermögens.
15Hinzu komme, dass es sich bei der Verurteilung um einen Deal gehandelt habe. Der Kläger habe sich in einer existenziellen Notlage befunden, die umgehend habe beendet werden müssen, um noch größere Schäden zu vermeiden. Dem zivilrechtlichen Vergleich habe der Kläger nur zugestimmt, da der von ihm zu zahlende Gesamtbetrag von 1.555.000 € geringer als sein Anteil aus dem erstinstanzlichen Urteil (1/3 von 5.766.401 € = 1.922.137 €) und nicht auszuschließen gewesen sei, dass er auch ohne entsprechende Vereinbarung aufgrund der Gesamtschuldnerschaft für den Anteil des Herrn N. hätte aufkommen müssen, da dieser nicht annähernd über ein entsprechendes Vermögen verfügt habe und sich auch wegen seiner geringeren Schuld widersetzt hätte, Zahlungen zu leisten.
16Auch die vom Beklagten behauptete Haftung §§ 45, 46 Börsengesetz (BörsG) a.F. sei nicht geeignet, eine andere rechtliche Würdigung zu begründen. Nach diesen Normen hafte der Emittent, die B AG, und nicht der ehemalige Vorstand persönlich.
17Unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen könne der Werbungskostenabzug schon aufgrund einer verbindlichen Zusage durch den Beklagten begehrt werden. Gegenstand der Erörterung im Rahmen der unstreitig beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung sei seinerzeit auch die Abzugsfähigkeit der Vergleichszahlungen und Verfahrenskosten gewesen. Das Schreiben vom 25.01.2006 sei in Verbindung mit dem ausdrücklichen Hinweis im Betriebsprüfungsbericht vom 10.12.2005 unter Ziffer 2.3.2 als eine verbindliche Zusage im Sinne von § 205 Abgabenordnung (AO) zu beurteilen. Allen Beteiligten sei insbesondere bewusst gewesen, dass die Behandlung der Kosten als Werbungskosten für die weiteren Verhandlungen des Klägers mit dem Insolvenzverwalter von maßgeblicher Bedeutung gewesen sei. Dementsprechend hätte auch der Steuerberater telefonisch am 04.01.2006 einen Antrag gestellt, die zukünftige Behandlung der Kosten auch auf den Zeitpunkt der Abzugsfähigkeit verbindlich zu klären. Dazu habe das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung H im Schreiben vom 25.01.2006 an den Steuerberater des Klägers mitgeteilt: “In der Schlussbesprechung vom ....2005 bestand Einvernehmen, dass der Werbungskostenabzug erst im Jahr der Auszahlung an die B AG in Betracht kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der o.g. Betrag weiterhin Herrn F zuzurechnen. Dieses Schreiben übersende ich in Erledigung ihrer telefonischen Rücksprache vom 04.01.2006“. Eine verbindliche Zusage müsse entgegen der Ansicht des Beklagten nicht notwendig als solche bezeichnet werden. Insoweit müsse lediglich ein Antrag in Verbindung mit einer Betriebsprüfung vorliegen und sich die Verbindlichkeit der Zusage aus dem Kontext ergeben. Diese Voraussetzungen erfülle das Schreiben des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung. Zudem würden unter Ziffer 2.3.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 10.12.2005 die Rechtsanwaltskosten, die den Zivilprozess betrafen, ausdrücklich anerkannt. Dem Kläger habe sich aufgrund dieses Verhaltens des Beklagten nicht mehr die Frage nach dem „Ob“ der Abzugsfähigkeit der Schadenersatzzahlung gestellt, sondern nur die Frage nach dem „Wann“ des Abzugs. Dies sei im Auskunftsbegehren auch deutlich zum Ausdruck gekommen.
18Es handele sich vorliegend um eine Auftragsprüfung im Sinne des § 195 Abs. 2 AO. Deshalb sei das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung auch zusage-berechtigt im Sinne von § 195 Satz 3 AO gewesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei gemäß §§ 19 und 21 AO originär zuständig für eine Person mit bedeutenden Einkünften das Wohnsitzfinanzamt bzw. das Betriebsstättenfinanzamt, hier sicherlich in beiden Fällen der Beklagte. Aufgrund des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG), §§ 4 und 17 Abs. 2 Sätze 3 und 4, sei die oberste Landesbehörde ermächtigt worden, durch Verordnung Zuständigkeitsbestimmungen vorzunehmen und somit zu beauftragen. Hiervon habe die Landesregierung Gebrauch gemacht in Form der Finanzämterzuständigkeitsverordnung (FAZuVO NRW). In der dortigen Anlage 3 werde unter Ziffer 2.2 der hier auch nach Ansicht des Beklagten vorliegende Fall mit bedeutenden Einkünften aufgeführt. Aus der Anlage 3 sei aber zu entnehmen, dass es sich in diesem Fall um eine übertragene Zuständigkeit handele. Somit sei das Finanzamt für Groß - und Konzernbetriebsprüfung zur Zusage berechtigt gewesen. Zwar sei die beauftragte Behörde gemäß § 204 des Anwendungserlasses zur AO (AEAO) Nr. 2 Satz 2 angewiesen, eine verbindliche Zusage nur im Einvernehmen mit der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde (hier der Beklagte) zu erteilen. Geschähe dies nicht, sei die Zusage entgegen der Rechtsansicht des Beklagten gleichwohl wirksam. Da es sich unstreitig um eine Prüfung wegen bedeutender Einkünfte gehandelt habe, seien insbesondere die Einkünfte des Klägers Gegenstand der Prüfung gewesen. Diese Einkünfte ermittelten sich als Differenz zwischen den Einnahmen und den Werbungskosten. Da der strittige Punkt im Prüfungsbericht unter Werbungskosten dargestellt worden sei, sei die Frage der Werbungskosten hinsichtlich der Ermittlung der Einkünfte offensichtlich unstreitig gewesen. Auch nach Ansicht der damals Beteiligten sei es nur noch um das „Wann“ gegangen. Dies erkläre auch den Hinweis im Schreiben des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung zu § 11 Einkommensteuergesetz (EStG). § 11 EStG behandele den Zeitpunkt des Abzugs von Werbungskosten.
19Wenn man eine verbindliche Zusage verneine, sei der Werbungskostenabzug jedoch nach Treu und Glauben entsprechend § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuerkennen. Schon aus der Zusage selbst sei erkennbar und dem Beklagten auch bekannt gewesen, dass der Kläger im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Zusage erhebliche Dispositionen finanzieller Art getroffen hatte (Hinterlegung des angesprochenen Betrages) und auch noch weitere Dispositionen im Vertrauen hierauf treffen würde (Vergleichszahlungen). So sei auch in Absprache mit der Rechtsbehelfsstelle auf die Erhebung einer Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 bezüglich der steuerlichen Einordnung einer erhaltenen Schadensersatzforderung zum Erhalt des Rechtsfriedens verzichtet worden, da der Kläger von der Abzugsfähigkeit der dieser Klage zu Grunde liegende Vergleichszahlung im Jahr 2009 ausgegangen sei und mit einer etwaigen Einkommensteuererstattung zur Verrechnung mit der Einkommensteuerschuld für 2005 gerechnet habe. Zwar sei der Abschluss des Vergleiches vor Gericht nicht nur vom Werbungskostenabzug abhängig gewesen. Angesichts der absoluten Höhe des Betrages dürfe aber schon jede Lebenserfahrung dagegen sprechen, dass solche Beträge keinen Einfluss gehabt hätten.
20Der Beklagte erließ am 28.01.2013 und 18.09.2013 aufgrund der Auswertung von Mitteilungen Änderungsbescheide. Mit dem Bescheid vom 18.09.2013 wurde der nach § 164 Abs. 1 AO bestehende Vorbehalt der Nachprüfung zunächst aufgehoben. Dem Antrag der Kläger folgend, nahm der Beklagte in den erneuten Änderungsbescheid vom 19.12.2013 den Vorbehalt der Nachprüfung wieder auf.
21Die Kläger beantragen,
22die Einkommensteuer 2009 in Gestalt des letzten Einkommensteueränderungsbescheides vom 19.12.2013 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus § 19 EStG Werbungskosten in Höhe von 1.227.818,90 € berücksichtigt werden,
23bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Falle des Obsiegens die Besteuerung nach § 32d Abs. 6 EStG vorzunehmen,
24hilfsweise die Revision zuzulassen.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung wie folgt vor:
28Die geltend gemachten Aufwendungen des Klägers seien nicht durch seinen Beruf veranlasst. Den beruflichen Zusammenhang aufhebende Gründe lägen nach der Rechtsprechung stets vor, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten die Schädigung des Arbeitgebers bezwecke oder billigend in Kauf nehme. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit seiner Handlung einen weitergehenden nichtberuflichen Zweck, etwa die eigene Bereicherung verfolge, da die bewusste Schädigung des Arbeitgebers das Gegenteil dessen sei, wozu sich der Arbeitnehmer im Dienstvertrag verpflichtet habe.
29Nach den Feststellungen des Strafgerichts habe der Kläger u.a. bei der Erstellung einer unzutreffenden Bilanz zum 31.12.2007 für die B AG mitgewirkt und dabei vorsätzlich gehandelt und damit die Schaffung der Voraussetzungen für die Dividendenausschüttung ermöglicht, um vorangegangene Gesetzesverstöße zu verschleiern. Weiterhin habe das Strafgericht festgestellt, dass der Kläger sich der Untreue zum Nachteil der B AG in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht habe, da aufgrund des falsch festgestellten Bilanzgewinns eine Dividendenausschüttung beschlossen worden sei, die bei zutreffender Bilanzierung nicht zulässig gewesen wäre. Ebenso habe das Zivilgericht unter Bezugnahme auf die nicht widerlegte Beweiswirkung des Strafurteils geurteilt. Das Zivilgericht habe zudem festgestellt, dass der Kläger gemäß § 93 Abs. 2 AktG zum Schadensersatz verpflichtet sei. Das Zivilgericht begründe den Schadensersatzanspruch mit einem Verstoß nach § 331 Nr. 1 Handelsgesetzbuch (HGB), der dazu geführt habe, dass der B AG ein Schaden in Form der Dividendenauszahlung entstanden sei. Nach der Rechtsprechung sei der berufliche Zusammenhang damit aufgehoben.
30Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Miturheber des Börsenprospektes der B AG gemäß §§ 45, 46 BörsG a.F. der börsengesetzlichen Prospekthaftung unterlegen habe. Er habe deshalb ein eigenes Interesse an der Falschbilanzierung und der darauf beruhenden Dividendenausschüttung gehabt, um einer möglichen Inanspruchnahme durch die Anleger zu entgehen.
31Das Schreiben der Konzernbetriebsprüfung H vom 25.01.2006 sei schon deshalb keine verbindliche Zusage, weil es nicht als solche gekennzeichnet sei. Gemäß § 205 Abs. 1 AO werde die verbindliche Zusage jedoch schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet. Die Verbindlichkeit müsse sich eindeutig ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei. Ungeachtet der formellen Voraussetzungen stehe der Annahme einer verbindlichen Zusage bereits die dem Beklagten als Festsetzungsfinanzamt zustehende Entscheidungskompetenz gemäß § 204 AO entgegen. Für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage und für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen sei gemäß Nr. 2 AEAO zu § 204 das für die Veranlagung örtlich zuständige Festsetzungsfinanzamt zuständig. Dies gelte auch für den Fall, dass nach § 17 Abs. 2 Sätze 3 und 4 FVG i.V.m. Landesrecht speziellen Prüfungsfinanzämtern die Durchführung von Betriebsprüfungen zugewiesen werde. Eine Bindung an die Prüfungsfeststellungen des Prüfungsfinanzamtes sei nicht gegeben. Eine Bindungswirkung könne daher eine vom Prüfungsfinanzamt erteilte Zusage verbindlich für das Festsetzungsfinanzamt nur entfalten, wenn ein Fall der Auftragsprüfung nach § 195 Satz 2 AO vorliege und ferner das Prüfungsfinanzamt zur Erteilung einer entsprechenden bindenden Entscheidung ausdrücklich vom Festsetzungsfinanzamt ermächtigt worden sei (§ 195 Absatz 3 AO), was hier nicht der Fall sei. Der Kläger sei im Rahmen der maßgeblichen Betriebsgrößenklasseneinteilung als Fall mit bedeutenden Einkünften eingestuft worden. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung sei damit nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG i.V.m. der FAZuVO NRW originär für die Durchführung der Betriebsprüfung beim Kläger zuständig und ein Fall der Auftragsprüfung liege nicht vor.
32Auch eine Berücksichtigung der streitigen Beträge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei nicht möglich. Dies könne nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig sei, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssten. Dies sei nur der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerliche Behandlung zugesagt worden sei oder die Finanzbehörde durch früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Voraussetzung für eine Bindung sei jedoch, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher der Finanzbehörde die Auskunft erteile. An eine von einem Betriebsprüfer vertretene Rechtsauffassung sei das Finanzamt daher nicht gebunden, wenn der für die spätere Entscheidung zuständige Beamte oder der Vorsteher nicht beteiligt worden seien. Zudem ergebe sich bereits aus den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung, dass sich allein aus einer früheren, aufgrund einer Außenprüfung vorgenommenen, steuerlichen Beurteilung eines Sachverhaltes keine Bindung für die Zukunft ergebe.
33Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 25.01.2006 sei der letztlich zu zahlende Betrag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach noch Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens gewesen, welches erst mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts E vom ....2009 abgeschlossen worden sei. Da der Sachverhalt als solcher noch nicht abschließend geklärt gewesen sei, habe auch keine verbindliche rechtliche Würdigung erfolgen können.
34Ferner setze die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben noch Dispositionen des Vertrauenden voraus, für die das Verhalten der Finanzbehörde ursächlich gewesen sei. Der Kläger habe aber keine Dispositionen getroffen. Die Hinterlegung des Betrages von 750.000 DM sei bereits vor Durchführung der Betriebsprüfung erfolgt und nicht durch das Handeln der Finanzbehörde ausgelöst worden. Die Zahlung der weiteren Beträge sei nicht im Vertrauen auf einen vermeintlich zugesagten Werbungskostenabzug erfolgt. Vielmehr habe der Kläger dem gerichtlichen Vergleich unter Abwägung des Prozessrisikos vor dem Hintergrund zugestimmt, dass der zu zahlende Gesamtbetrag geringer war als der Anteil des Klägers aus dem erstinstanzlichen Urteil. Die Zahlungen und insbesondere die Zustimmung zum Vergleich seien damit vorrangig aus außersteuerlichen wirtschaftlichen Motiven erfolgt. Auch der Vortrag des Klägers, dass wegen der Erwartung einer Einkommensteuererstattung für 2009 auf eine Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 verzichtet worden sei, begründe keine Dispositionen des Klägers, da der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens 2005 in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem hier streitigen Sachverhalt gestanden habe und hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung Einvernehmen erzielt worden sei. Zudem sei der Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Bedingung zugestimmt worden. Eine Absprache mit der Rechtsbehelfsstelle hinsichtlich der Einspruchserledigung in Abhängigkeit von der Behandlung der Zahlungen im Jahr 2009 sei ausweislich der Akten und nach Rücksprache mit der für das Rechtsmittelverfahren zuständigen Sachbearbeiterin nicht erfolgt.
35Entscheidungsgründe:
361. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
37Für das Vorliegen von Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Werbungskosten sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen, die durch das Dienstverhältnis veranlasst sind. Berufliche Veranlassung in diesem Sinn liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.1981 VI R 30/77, BStBl II 1981, 362). Ob ein solcher besteht, richtet sich nach der – wertenden – Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und der Zuweisung dieses Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Urteil vom 09.12.2003 VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). Nicht steuerlich relevant ist ein dem Geldabfluss zugrunde liegendes Ereignis, wenn es in nicht nur unbedeutendem Maße auf einer privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Veranlassung beruht (vgl. BFH-Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105). Werbungskosten müssen von den privaten Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig sind, abgegrenzt werden. Schadensersatzleistungen aufgrund einer strafbaren Handlung sind Folgen kriminellen Verhaltens und deshalb, wie die Strafe selbst, grundsätzlich der privat zu verantwortenden Unrechtssphäre zuzuordnen (BFH-Urteil vom 13.12.1994 VIII R 34/93, BStBl II 1995, 457). In der Rechtsprechung des BFH ist jedoch anerkannt, dass auch Schadensersatzleistungen - im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG) - unter Umständen auch bei schuldhaften, vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise Erwerbsaufwendungen sein können und damit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind (vgl. Beschluss des großen Senats des BFH vom 28.11.1997 GrS 2 bis 3/77, BStBl II 1978, 105). Dies ist der Fall, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das betriebliche oder berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst gewesen ist (vgl. zur Parallele bei Strafverteidigungskosten BFH-Urteile vom 19.02.1982 VI R 31/78, BStBl II 1982, 467; vom 18.10.2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223). Dies ist zu bejahen, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen/unternehmerischen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteil vom 13.12.1994 VIII R 34/93, a.a.O.) und die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat damit ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist (BFH-Urteil vom 12.06.2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m.w.N.).
38Andererseits greifen nach der Rechtsprechung private Gründe durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit in Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.1987 IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577, sowie BFH-Urteil in BStBl II 2004, 641). Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch dann aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat (vgl. BFH-Urteile vom 03.05.1985 VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392, vom 18.09.1987 VI R 121/84, BFH/NV 1988, 353, vom 09.12.2003, VI R 35/96, a.a.O., sowie vom 18.10.2007 VI R 42/04, a.a.O.).
39Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist die Klage abzuweisen. Der Kläger hat die ihm zur Last gelegte Tat, insbesondere die Erstellung einer falschen Bilanz, die zur Schadensersatzpflicht des Klägers geführt hat, in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Vorstand der B AG begangen. Denn der Kläger war als Vorstandsmitglied verpflichtet, gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Bilanz der B AG aufzustellen. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger die Absicht hatte, die B AG durch den überhöhten Gewinnausweis zu schädigen. Vielmehr sollten die gewinnerhöhenden Buchungen für eine positivere Bilanz sorgen, um die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung zu schaffen. Daher geht das Gericht davon aus, dass zwar ein beruflicher Bezug gegeben war. Dieser Umstand allein führt jedoch nach der zuvor angeführten Rechtsprechung nicht zu einer Abzugsfähigkeit der geltend gemachten streitigen Schadensersatzzahlungen und Prozesskosten als Werbungskosten. Denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich auch persönlich bereichert hat. Dem Handeln des Klägers lagen damit auch erhebliche private Gründe zu Grunde. Der Kläger hat wie die anderen Aktionäre für das Geschäftsjahr 1997 eine Dividende auf seine frühere Aktienbeteiligung in nicht unerheblicher Höhe von 120.000 DM erhalten. Der Kläger hatte sich die Dividendenauszahlung bei Veräußerung der ihm verbliebenen Anteile am 25.02.1998 ausdrücklich vorbehalten. Diese Ausschüttung wäre jedoch ohne den überhöhten Gewinnausweis nicht möglich gewesen. Insofern bestand neben dem Interesse der B AG, die prognostizierte Dividende darstellen zu können, auch ein erhebliches eigenes Interesse des Klägers an der geschönten Gewinndarstellung. Diese Umstände lassen nur den Schluss zu, dass auch die Möglichkeit der Dividendenauszahlung an den Kläger und deren Höhe bei Erstellen der falschen Bilanz eine Rolle gespielt hat. Selbst wenn diese Auszahlung nicht der Hauptgrund für die Erstellung der falschen Bilanz und nicht unmittelbar bezweckt war, so hat der Kläger dies doch zumindest in Kauf genommen. Somit hat der Kläger auch pflichtwidrig für eigene Zwecke gehandelt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die persönliche Bereicherung nicht der Hauptgrund für das Handeln des Klägers war, fehlt es damit an der ausschließlichen beruflichen Veranlassung, die zur Berücksichtigung von Aufwendungen zur Tilgung von Schadensersatzforderungen erforderlich ist.
40Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, die zuvor dargelegte einschränkende Rechtsprechung könne nicht angewandt werden, weil der Kläger in Bezug auf die Untreue zu Unrecht verurteilt worden sei. Denn der Kläger ist nicht nur wegen Untreue, sondern auch wegen ... und ... verurteilt worden. Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf eine, erst nach Ergehen des Strafurteils ergangene, geänderte Rechtsprechung zum Straftatbestand der Untreue.
41Im Ergebnis reicht der zweifellos vorhandene berufliche Zusammenhang nicht aus, um die streitigen Zahlungen als Werbungskosten bei den nichtselbständigen Einkünften des Klägers zu berücksichtigen.
422. Die streitigen Aufwendungen sind auch nicht wegen Vorliegens einer verbindlichen Zusage bzw. nach Treu und Glauben zu berücksichtigen.
43Nach § 204 AO soll die Finanzbehörde im Anschluss an eine Außenprüfung dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird. Eine solche Zusage kann sodann im Zusammenhang mit der Besteuerung eines später verwirklichten Sachverhalts Bindungswirkung entfalten (§ 206 AO). Sie erfordert aber u.a. eine als verbindlich gekennzeichnete schriftliche Erklärung (§ 205 Abs. 1 AO) sowie eine Angabe dazu, für welche (zukünftigen) Zeiträume die Zusage gelten soll (§ 205 Abs. 2 Nr. 3 AO, vgl. auch BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734). Diese Merkmale erfüllt das im Streitfall allein in Betracht kommende Schreiben vom 25.01.2006 erkennbar nicht, weshalb sich die Kläger nicht unmittelbar auf § 206 AO berufen können.
44Die Finanzbehörden können jedoch auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274; vom 17.09.1992 IV R 39/90, BStBl II 1993, 218, BFH-Beschluss vom 21.05.2010 V B 91/09, BFH/NV 2010, 1619). Eine verbindliche Zusage, eine tatsächliche Verständigung oder eine sonstige Bindung des Beklagten nach Treu und Glauben kann aber nur dann angenommen werden, wenn auf Seiten des Finanzamtes ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger (Vorsteher oder Sachgebietsleiter) beteiligt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 02.08.2006 I B 156/04, BFH/NV 2006, 2031; vom 09.12.2004 VII B 129/04, BFH/NV 2005, 663; BFH-Urteile vom 07.07.2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975 und vom 31.03.2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742). Äußerungen des Betriebsprüfers, Berichte oder Mitteilungen der Außenprüfung reichen für eine solche Bindung grundsätzlich nicht aus (BFH-Urteile vom 21.06.2001 V R 33/99, BFH/NV 2001, 1619; vom 23.05.1991 V R 1/88, BFH/NV 1991, 846; BFH-Beschlüsse vom 19.01.2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089 und in BFH/NV 2006, 2031; Sauer in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO § 201 Rdnr. 25 f.). Zudem muss der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.11.2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652 und BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1619).
45Darüber hinaus setzt die Bindungswirkung einer Zusage voraus, dass der Steuerpflich-tige auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteile vom 22.07.2008 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124; vom 31.03.2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742, und vom 16.07.2002 IX R 28/98, BStBl II 2002, 714; BFH-Beschluss vom 26.02.2003 V B 116/02, BFH/NV 2003, 883).
46Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt im Falle der Kläger eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nicht in Betracht.
47Das Schreiben vom 25.01.2006 kann weder für sich gesehen noch in Verbindung mit den Ausführungen im BP-Bericht vom 10.12.2005 unter Ziffer 2.3.2 als verbindliche Zusage beurteilt werden. Aus der Formulierung im Schreiben vom 25.01.2006, „dass der Werbungskostenabzug erst im Jahr der Auszahlung an die B AG in Betracht kommt (§ 11 EStG)“, ergibt sich nicht die Zusage, dass in jedem Fall und unbedingt Schadensersatzzahlungen als Werbungskosten berücksichtigt werden sollten. Die Formulierung „kommt in Betracht“ lässt vielmehr die abschließende Beurteilung offen. Dies gilt umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand, ob und in welcher Höhe der Kläger Zahlungen zu leisten haben würde, da das Klageverfahren noch nicht abgeschlossen war. Auch der Umstand, dass die BP gemäß Ziffer 2.3.2. des BP-Berichts Prozesskosten im Zusammenhang mit den Verfahren wegen Bilanzmanipulation in den Jahren 2002 und 2003 anerkannt hat, ändert nichts an dieser Beurteilung. Auch in Verbindung mit diesen Ausführungen liegt eine verbindliche Zusage nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Finanzbehörde bei der Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an die Sachbehandlung im Rahmen vorhergehender Veranlagungen gebunden (BFH-Beschlüsse vom 14.02.2006 III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058; vom 12.07.2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn jene Handhabung auf einer Betriebsprüfung beruht (BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 25/85, BStBl II 1986, 520, m.w.N.). Insoweit gilt daher der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Unabhängig davon lässt sich aus dem Prüfungsergebnis schon deshalb keine im Streitfall beachtliche Bindungswirkung ableiten, weil es sich in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Streitjahr, sondern nur auf den damals zu beurteilenden Prüfungszeitraum bezieht.
48Selbst wenn man dies anders beurteilte würde, scheiterte die Annahme einer verbindlichen Zusage vorliegend daran, dass keiner der zuständigen Beamten des Beklagten beteiligt war. Das Schreiben vom 25.01.2006 sowie der BP-Bericht wurden ohne Beteiligung des Beklagten vom Finanzamt für Konzern- und Großbetriebsprüfung erstellt. Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, das Finanzamt für Konzern- und Großbetriebsprüfung habe gemäß § 195 Satz 3 AO i.V.m. der FAZuVO NRW wirksam eine Zusage erteilen können. Denn § 195 Satz 3 AO betrifft nur die Beauftragung im Einzelfall, nicht die generelle Übertragung von Zuständigkeiten (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 195 Rdnr. 11; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 195 Rdnr. 23).
49Zudem ist nicht erkennbar, dass der Kläger wirtschaftliche Dispositionen im Hinblick auf die vermeintliche Zusage getroffen hat. Der Betrag von 750.000 DM war bereits vor Durchführung der BP hinterlegt worden und damit nicht durch eine etwaige Zusage veranlasst. Die Zahlung der weiteren Beträge ist ebenfalls nicht im Vertrauen auf eine etwaige Zusage über den Werbungskostenabzug erfolgt. Vielmehr hat der Kläger nach eigenem Vortrag dem gerichtlichen Vergleich unter Abwägung des Prozessrisikos vor dem Hintergrund zugestimmt, dass der zu zahlende Gesamtbetrag geringer war als der Anteil des Klägers aus dem erstinstanzlichen Urteil. Die Zahlungen und insbesondere die Zustimmung zum Vergleich sind damit vorrangig aus außersteuerlichen wirtschaftlichen Motiven erfolgt.
50Das Vorliegen der Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage bzw. einer Bindung nach Treu und Glauben lässt sich somit nicht feststellen. Dies geht zu Lasten der Kläger (vgl. BFH-Urteil vom 22.04.1998 X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221).
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
(1) Im Anschluss an eine Außenprüfung soll die Finanzbehörde dem Steuerpflichtigen auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird, wenn die Kenntnis der künftigen steuerrechtlichen Behandlung für die geschäftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 kann die Finanzverwaltung dem Steuerpflichtigen bereits nach Erlass eines Teilabschlussbescheids nach § 180 Absatz 1a auf Antrag verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Teilabschlussbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerlich behandelt wird, wenn
Gründe
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Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet.
- 2
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1. Die Revision ist nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zuzulassen, um die sinngemäß von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezeichnete Rechtsfrage zu klären, ob Nachzahlungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung (AO) zu erlassen sind, wenn ein Zinsvorteil auf Grund eines irrtümlich vorgenommenen Vorsteuerabzugs aus Herstellungskosten eines Gebäudes in wirtschaftlichem Zusammenhang mit irrtümlich dem Erwerber in Rechnung gestellter, erst nach Rechnungsberichtigung in einem anderen Veranlagungszeitraum erstatteter Umsatzsteuer steht und ob der Zinsvorteil dadurch entfällt, dass die Klägerin den Erwerbern ihrerseits die Nachzahlungszinsen erstattet hat. Die Beantwortung dieser Rechtsfrage bedarf keiner Klärung im Revisionsverfahren, weil die Grundsätze für den Erlass von Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO bereits hinreichend geklärt sind (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juli 2007 V B 222/06, BFHE 217, 310, BStBl II 2008, 163).
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Insbesondere ist geklärt, dass ein Anspruch auf einen Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen nicht besteht, wenn diese darauf beruhen, dass der Unternehmer seine Ausgangsumsätze irrtümlich als steuerpflichtig angesehen hat und ihm deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen ist und die daraus resultierenden Nachzahlungszinsen nicht durch Guthabenzinsen ausgeglichen werden, weil die Berichtigung der Umsatzsteuerschuld der Ausgangsumsätze nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG erst nach Rechnungsberichtigung in späteren Veranlagungszeiträumen erfolgt (BFH-Urteile vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92; vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545, 92; BFH-Beschluss vom 6. April 2005 V B 60/04, BFH/NV 2005, 1976). Ebenfalls geklärt ist, dass es für die Frage eines Zinsvorteils, der der Klägerin wegen ihres unberechtigten Vorsteuerabzugs entstanden ist, nur auf das zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bestehende konkrete Steuerschuldverhältnis ankommt (BFH-Beschluss vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753) und somit im Streitfall unerheblich ist, dass die Klägerin auch die Nachzahlungszinsen, die zum Ausgleich der Zinsvorteile ihrer Vertragspartner bei diesen festgesetzt wurden, zivilrechtlich übernommen hat. Im Übrigen wendet sie sich mit dem Einwand, das Finanzgericht (FG) habe die allgemeinen Rechtsgrundsätze nur "schematisch" auf den Einzelfall angewandt gegen die Richtigkeit des FG-Urteils. Dies ist nicht geeignet, einen Zulassungsgrund für die Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO darzulegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 753).
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2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen, weil das FG --nach Auffassung der Klägerin-- die Voraussetzungen für eine nach Treu und Glauben das FA bindende Zusage zum Erlass der Nachzahlungszinsen nicht verfahrensfehlerfrei abgelehnt habe.
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a) Die Klägerin trägt hierzu im Wesentlichen vor, der Verfahrensfehler bestehe darin, dass das FG Angaben des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Betriebsprüfers verwertet habe, ohne diesen über seine Wahrheitspflicht zu belehren. Außerdem habe das FG verfahrensfehlerhaft den Antrag auf Beweiserhebung darüber, "dass einer der Teilnehmer seitens der Finanzverwaltung an der Besprechung vom 16. März 2005 die Zusicherung gegeben habe, dass die Abwicklung zinsneutral erfolgen solle" zu Unrecht als Ausforschungsbeweis abgelehnt. Schließlich habe das FG "elementare Grundsätze der Beweiswürdigung" verletzt, weil es den Inhalt einer schriftlichen Aktennotiz der Klägerin wegen der Aussage des Betriebsprüfers in Zweifel gezogen habe, sowie den Amtsermittlungsgrundsatz, weil es "wegen offensichtlicher Widersprüche" bei den Aussagen der Zeugen keine "weiteren Ermittlungen" durchgeführt habe.
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b) Damit hat die Klägerin keine Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO schlüssig dargetan. Fehler der Beweiswürdigung des FG sind keine Fehler in der Handhabung des Verfahrensrechts, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb dem BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (z.B. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
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c) Verfahrensfehler durch Übergehen eines Beweisantrags, durch Verletzung der Amtsermittlungspflicht oder durch Nichtbelehrung eines Zeugen sind im Übrigen nur dann schlüssig gerügt, wenn es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf die zu beweisende Tatsache ankommen kann. Ansonsten "beruht" das Urteil nicht auf dem Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO; z.B. BFH-Beschluss vom 29. Februar 2008 IV B 21/07, BFH/NV 2008, 974, m.w.N.).
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Das FG geht bei seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BFH aus, wonach die Finanzbehörden auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben können, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 17. September 1992 IV R 39/90, BFHE 169, 290, BStBl II 1993, 218). Voraussetzung für eine Bindung ist u.a. allerdings, dass der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt wurde, von der Auskunft gewichtige wirtschaftliche Entscheidungen des Steuerpflichtigen abhängen und dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 5. November 2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652).
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Insoweit fehlt es schon am Vortrag, welche Dispositionen die Klägerin im Hinblick auf die behauptete Zusage im Rahmen des Verfahrens wegen des Zinserlasses getroffen haben soll, da erfolgversprechende materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Zinsfestsetzung, auf die die Klägerin im Vertrauen auf einen Zinserlass verzichtet haben könnte, nicht ersichtlich sind. Im Übrigen erfüllt ein Bestätigungsschreiben der Klägerin, auf das das FA --nach der Behauptung der Klägerin-- untätig geblieben wäre und nicht in der Form des § 205 AO geantwortet hat, diese Voraussetzungen nicht (BFH-Urteil vom 30. April 2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734). Denn das Schweigen des FA auf eine diesem übersandte Aktennotiz stellt keine schriftlich erteilte verbindliche Zusage eines Zinserlasses dar, der in den Rechtswirkungen mit dem Erlass oder der Aufhebung eines Steuerbescheides vergleichbar wäre.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die vom Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärten Aufwendungen als Werbungskosten abzugsfähig sind.
3Der Kläger erzielte im Streitjahr als Geschäftsführer der A lnvest. und Beteiligungs mbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die von ihm erklärten Werbungskosten stehen allerdings im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Vorstand der B AG.
4Der Kläger war vom ....1995 bis zum ....1998 Vorstandsmitglied der B AG. Über die ... gegründete B AG sollte die ... finanziert werden. Der Kläger hatte zunächst am ....1995 50 % der Aktien der B AG zu einem Preis von 189.266,67 DM erworben. An einer Kapitalerhöhung der B AG auf ... DM nahm der Kläger nicht teil. Der Kläger besaß zunächst 1.000.000 Aktien der B AG. Im Jahre 1998 war der Kläger lediglich noch im Besitz von 200.000 Aktien, die er am ....1998 zum Preis von 30 DM je Aktie verkaufte, wobei die Dividende vereinbarungsgemäß noch dem Kläger zustehen sollte. Aus dieser Aktienbeteiligung floss dem Kläger eine Dividendenzahlung für das Geschäftsjahr 1997 in Höhe von 120.000 DM (60 Pfennig je Aktie) zu. Mit Ablauf des ....1998 schied der Kläger aus dem Vorstand der B AG aus. Der Kläger war für die B AG aber noch vom ....1998 bis zum ....1998 aufgrund eines Beratervertrages tätig. Der neue Vorstand erstattete am ....1999 Strafanzeige gegen Mitglieder des alten Vorstands. Der Kläger wurde mit Urteil des Landgerichts (LG) H vom ....2003, Az. 1, wegen ... verurteilt.
5Am ....2001 hatte der damalige Vorstandsvorsitzende der B AG wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag gestellt. Der Insolvenzverwalter der B AG klagte gegen den Kläger, zwei weitere frühere Vorstandsmitglieder (Herr D. und Herr N.) sowie gegen den Insolvenzverwalter über das Vermögen des vierten früheren Vorstandsmitglieds K. auf Schadensersatz. Zur Begründung verwies der Insolvenzverwalter darauf, dass die Beklagten zum 31.12.1997 eine falsche Bilanz für die B AG erstellt hätten und als Folge auch zum 31.12.1998 eine falsche Bilanz erstellt worden sei. Die unzutreffenden Bilanzen hätten zu einer Dividendenausschüttung der B AG für die Jahre 1997 und 1998 geführt, obwohl in diesen Jahren tatsächlich kein Gewinn erzielt worden sei. Mit Urteil vom ....2007, Az. 2, entschied das LG H, dass der Rechtsstreit vergleichsweise durch Einigung mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des vierten Vorstandsmitglieds erledigt sei und die drei anderen ehemaligen Vorstandsmitglieder, u.a. auch der Kläger, als Gesamtschuldner einen Schadensersatz von 5.766.401 € an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der B AG zu zahlen hätten. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der von der B AG für 1997 ausgeschütteten Dividende in Höhe von 4.200.000 DM, der für 1998 ausgeschütteten Dividende von 7.000.000 DM und den Kosten für die Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse 1997 und 1998 sowie die Nachtragsprüfung dieser Jahresabschlüsse. Im Strafurteil 1 war hierzu ausgeführt, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger bei der Erstellung des unzutreffenden Jahresabschlusses 1997 vorsätzlich gehandelt habe.
6Gegen das Urteil des LG H 2 legten der Kläger und das weitere frühere Vorstandsmitglied Herr N. Berufung vor dem Oberlandesgericht E ein. Der Kläger strebte einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der B AG an. Dieser kam aber nur gemeinsam mit Herrn N. in Betracht. Herr N. erklärte sich mit dem Abschluss des Vergleiches nur einverstanden, wenn der Kläger alle aus dem Vergleich zu leistenden Zahlungen auch mit befreiender Wirkung für ihn übernahm. Herr N. war der Auffassung, dass der Kläger die primäre Verantwortung für den entstandenen Schaden trüge. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht E wurde gemäß Beschluss vom ....2009 durch Vergleich beendet. Danach verpflichteten sich der Kläger und Herr N. auf Grundlage des § 93 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) zur Zahlung von 1.555.000 € an den lnsolvenzverwalter, wobei auf jeden die Hälfte des Betrages entfiel. 1.155.000 € waren bis zum ....2009 zu leisten, während der Restbetrag von 400.000 € in jährlichen Raten von je 80.000 € beglichen werden musste. Der Gesamtbetrag sollte vom Kläger bezahlt werden, da Herr N. über eigene Mittel in Höhe der Verpflichtung nicht verfügte.
7Bereits vor Abschluss des gerichtlichen Vergleichs verpflichtete sich der Kläger in einer am ....2009 von Herrn N. und am ....2009 vom Kläger unterschriebenen Vereinbarung, die am ....2009 ergänzt wurde, die aus dem Vergleich zu leistenden Zahlungen auch mit befreiender Wirkung für Herrn N. vorzunehmen. Herr N. verpflichtete sich im Gegenzug, auf etwaige im Innenverhältnis bestehende Ausgleichsansprüche aus der gesamtschuldnerischen Haftung wegen primärer Verantwortung des Klägers zu verzichten, entsprechend den Anweisungen des Klägers seine möglichen Ansprüche aus der T ‑ Versicherung bei der P auf Kosten des Klägers zu verfolgen und mögliche Zahlungen der P an den Kläger weiterzuleiten.
8In der Einkommensteuererklärung 2009 erklärte der Kläger aus diesen Vorgängen Werbungskosten in Höhe von 1.227.818,90 € bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit, sie sich wie folgt zusammensetzen:
9
Zahlung aus der Vergleichsvereinbarung: |
423.000,00 € |
Zahlung gemäß Beschluss des OLG vom ....2009: |
732.000,00 € |
Rechtsanwaltskosten: |
48.525,48 € |
Zinsen zur Finanzierung: |
24.293,42 €. |
Der Beklagte lehnte den Abzug der Werbungskosten im Einkommensteuerbescheid vom 01.04.2011 ab, da es sich bei den Zahlungen an den Insolvenzverwalter um Schadensersatzleistungen handele, die nicht abzugsfähig seien. Der Kläger sei zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet, weil er durch sein Verhalten die Schädigung der B AG zumindest billigend in Kauf genommen habe.
11Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde - nach Ergehen von Änderungsbescheiden am 28.04.2011 und 31.10.2011- mit Entscheidung vom 11.01.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
12Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage tragen die Kläger wie folgt vor:
13Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Schadenersatzleistungen dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn der objektive Zusammenhang (Berufsbezogenheit) und auch die subjektive Förderungsabsicht (Erfüllung normaler arbeitsrechtlicher Verpflichtungen) gegeben sei, auch wenn hieraus strafrechtliche Relevanz entstünde. Als Vorstandsmitglied sei der Kläger aber verpflichtet gewesen, gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Bilanz der B AG aufzustellen. Hierbei seien in der Bewertung einzelner Bilanzposten Fehler gemacht worden, die zu einem überhöhten Gewinnausweis geführt hätten. Eine Schädigungsabsicht und Bereicherungsabsicht zu Lasten der B AG habe der Kläger nicht gehabt und sei auch nicht durch das Strafgericht festgestellt worden. Der Kläger habe ausschließlich berufliche Ziele verfolgt und gerade versucht, Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden, auch wenn er sich strafbar gemacht habe. Der Kläger habe auf Basis der sogenannten Wertaufhellungstheorie gehandelt. Durch die angespannte Liquiditätssituation der B AG habe die Ertragslage durch gewinnerhöhende Buchungen positiv dargestellt werden sollen, um so die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung zu schaffen. Eine Unterbrechung des Kausalzusammenhanges oder eine Überlagerung der beruflichen Veranlassung durch private Motive sei insoweit nicht zu erkennen. Die subjektive Förderungsabsicht sei gegeben, da die Tätigkeit der Bilanzaufstellung im Rahmen der arbeitsrechtlichen Verpflichtungen liegen würde. Hierbei seien wesentliche Buchungsvorgänge, die sich nachträglich als rechtswidrig herausgestellt hätten, zeitlich vorgezogen worden.
14Zudem sei zu berücksichtigen, dass die strafrechtliche Verurteilung des Klägers wegen Untreue durch das LG H aus heutiger Sicht unzutreffend gewesen sei. Denn das Bundesverfassungsgericht habe in seinen Entscheidungen vom 23.06.2010 2 BvR 2559/08, 2 BvR 105/09 und 2 BvR 492/09 den Untreuetatbestand verfassungskonform, insbesondere bezüglich des Schadensbegriffs, deutlich eingeschränkt. Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hätte im vorliegenden Fall schon tatbestandlich keine Verurteilung wegen Untreue erfolgen dürfen. Das LG H habe den Schaden der B AG ausschließlich in der infolge der falschen Bilanzierung erfolgten Ausschüttung an die Aktionäre gesehen. Diese Sichtweise sei jedoch zu kurz. Entscheidend sei in der damaligen Situation gewesen, dass im Rahmen des Börsengangs ... eine erhöhte Dividende prognostiziert worden war, bei deren fehlender Realisierung die Anleger Schadensersatzansprüche hätten geltend machen können. Diese Schadensersatzansprüche hätten sich jedoch nicht gegen den Kläger, sondern gegen die B AG als Emittentin gerichtet. Solche Schadensersatzansprüche wären zudem auf die Rückzahlung der gesamten Einlagen gerichtet und damit weitaus höher gewesen als die geplante Dividende. Insofern habe ein zwingendes Unternehmensinteresse bestanden, die prospektierte Dividende auch darstellen zu können, um die an der Börse gehegten Erwartungen in die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens zu erfüllen. Dies bestätige, dass der Vorstand mit der Bilanzerstellung, wenn auch falsch, habe annehmen können und müssen, dass er im Unternehmensinteresse handele. Der Vorwurf an den Kläger beschränke sich somit darauf, dass er sich in Beurkundungsfragen auf die Rechtskenntnis eines Notars und in Bilanzierungsfragen auf die Kompetenz eines Wirtschaftsprüfers verlassen habe. Bezeichnenderweise habe auch das LG H in seinem Strafurteil ausdrücklich keinen Vorsatz des Klägers in Bezug auf die Beurkundungsfehler angenommen. Der zivilrechtliche Anspruch gegen den Kläger habe vielmehr auf dem Vorwurf beruht, das Vermögen der B AG durch die fahrlässige Unkenntnis von der anderweitigen Vertretungspflicht nach § 112 AktG geschädigt zu haben. Die Anspruchsgrundlage der B AG beruhe somit lediglich auf dem Vorwurf einer fahrlässigen Schädigung des Unternehmensvermögens.
15Hinzu komme, dass es sich bei der Verurteilung um einen Deal gehandelt habe. Der Kläger habe sich in einer existenziellen Notlage befunden, die umgehend habe beendet werden müssen, um noch größere Schäden zu vermeiden. Dem zivilrechtlichen Vergleich habe der Kläger nur zugestimmt, da der von ihm zu zahlende Gesamtbetrag von 1.555.000 € geringer als sein Anteil aus dem erstinstanzlichen Urteil (1/3 von 5.766.401 € = 1.922.137 €) und nicht auszuschließen gewesen sei, dass er auch ohne entsprechende Vereinbarung aufgrund der Gesamtschuldnerschaft für den Anteil des Herrn N. hätte aufkommen müssen, da dieser nicht annähernd über ein entsprechendes Vermögen verfügt habe und sich auch wegen seiner geringeren Schuld widersetzt hätte, Zahlungen zu leisten.
16Auch die vom Beklagten behauptete Haftung §§ 45, 46 Börsengesetz (BörsG) a.F. sei nicht geeignet, eine andere rechtliche Würdigung zu begründen. Nach diesen Normen hafte der Emittent, die B AG, und nicht der ehemalige Vorstand persönlich.
17Unabhängig vom Vorliegen der materiellen Voraussetzungen könne der Werbungskostenabzug schon aufgrund einer verbindlichen Zusage durch den Beklagten begehrt werden. Gegenstand der Erörterung im Rahmen der unstreitig beim Kläger durchgeführten Betriebsprüfung sei seinerzeit auch die Abzugsfähigkeit der Vergleichszahlungen und Verfahrenskosten gewesen. Das Schreiben vom 25.01.2006 sei in Verbindung mit dem ausdrücklichen Hinweis im Betriebsprüfungsbericht vom 10.12.2005 unter Ziffer 2.3.2 als eine verbindliche Zusage im Sinne von § 205 Abgabenordnung (AO) zu beurteilen. Allen Beteiligten sei insbesondere bewusst gewesen, dass die Behandlung der Kosten als Werbungskosten für die weiteren Verhandlungen des Klägers mit dem Insolvenzverwalter von maßgeblicher Bedeutung gewesen sei. Dementsprechend hätte auch der Steuerberater telefonisch am 04.01.2006 einen Antrag gestellt, die zukünftige Behandlung der Kosten auch auf den Zeitpunkt der Abzugsfähigkeit verbindlich zu klären. Dazu habe das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung H im Schreiben vom 25.01.2006 an den Steuerberater des Klägers mitgeteilt: “In der Schlussbesprechung vom ....2005 bestand Einvernehmen, dass der Werbungskostenabzug erst im Jahr der Auszahlung an die B AG in Betracht kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der o.g. Betrag weiterhin Herrn F zuzurechnen. Dieses Schreiben übersende ich in Erledigung ihrer telefonischen Rücksprache vom 04.01.2006“. Eine verbindliche Zusage müsse entgegen der Ansicht des Beklagten nicht notwendig als solche bezeichnet werden. Insoweit müsse lediglich ein Antrag in Verbindung mit einer Betriebsprüfung vorliegen und sich die Verbindlichkeit der Zusage aus dem Kontext ergeben. Diese Voraussetzungen erfülle das Schreiben des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung. Zudem würden unter Ziffer 2.3.2 des Betriebsprüfungsberichts vom 10.12.2005 die Rechtsanwaltskosten, die den Zivilprozess betrafen, ausdrücklich anerkannt. Dem Kläger habe sich aufgrund dieses Verhaltens des Beklagten nicht mehr die Frage nach dem „Ob“ der Abzugsfähigkeit der Schadenersatzzahlung gestellt, sondern nur die Frage nach dem „Wann“ des Abzugs. Dies sei im Auskunftsbegehren auch deutlich zum Ausdruck gekommen.
18Es handele sich vorliegend um eine Auftragsprüfung im Sinne des § 195 Abs. 2 AO. Deshalb sei das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung auch zusage-berechtigt im Sinne von § 195 Satz 3 AO gewesen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sei gemäß §§ 19 und 21 AO originär zuständig für eine Person mit bedeutenden Einkünften das Wohnsitzfinanzamt bzw. das Betriebsstättenfinanzamt, hier sicherlich in beiden Fällen der Beklagte. Aufgrund des Gesetzes über die Finanzverwaltung (FVG), §§ 4 und 17 Abs. 2 Sätze 3 und 4, sei die oberste Landesbehörde ermächtigt worden, durch Verordnung Zuständigkeitsbestimmungen vorzunehmen und somit zu beauftragen. Hiervon habe die Landesregierung Gebrauch gemacht in Form der Finanzämterzuständigkeitsverordnung (FAZuVO NRW). In der dortigen Anlage 3 werde unter Ziffer 2.2 der hier auch nach Ansicht des Beklagten vorliegende Fall mit bedeutenden Einkünften aufgeführt. Aus der Anlage 3 sei aber zu entnehmen, dass es sich in diesem Fall um eine übertragene Zuständigkeit handele. Somit sei das Finanzamt für Groß - und Konzernbetriebsprüfung zur Zusage berechtigt gewesen. Zwar sei die beauftragte Behörde gemäß § 204 des Anwendungserlasses zur AO (AEAO) Nr. 2 Satz 2 angewiesen, eine verbindliche Zusage nur im Einvernehmen mit der für die Besteuerung zuständigen Finanzbehörde (hier der Beklagte) zu erteilen. Geschähe dies nicht, sei die Zusage entgegen der Rechtsansicht des Beklagten gleichwohl wirksam. Da es sich unstreitig um eine Prüfung wegen bedeutender Einkünfte gehandelt habe, seien insbesondere die Einkünfte des Klägers Gegenstand der Prüfung gewesen. Diese Einkünfte ermittelten sich als Differenz zwischen den Einnahmen und den Werbungskosten. Da der strittige Punkt im Prüfungsbericht unter Werbungskosten dargestellt worden sei, sei die Frage der Werbungskosten hinsichtlich der Ermittlung der Einkünfte offensichtlich unstreitig gewesen. Auch nach Ansicht der damals Beteiligten sei es nur noch um das „Wann“ gegangen. Dies erkläre auch den Hinweis im Schreiben des Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung zu § 11 Einkommensteuergesetz (EStG). § 11 EStG behandele den Zeitpunkt des Abzugs von Werbungskosten.
19Wenn man eine verbindliche Zusage verneine, sei der Werbungskostenabzug jedoch nach Treu und Glauben entsprechend § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzuerkennen. Schon aus der Zusage selbst sei erkennbar und dem Beklagten auch bekannt gewesen, dass der Kläger im Vertrauen auf die Verbindlichkeit der Zusage erhebliche Dispositionen finanzieller Art getroffen hatte (Hinterlegung des angesprochenen Betrages) und auch noch weitere Dispositionen im Vertrauen hierauf treffen würde (Vergleichszahlungen). So sei auch in Absprache mit der Rechtsbehelfsstelle auf die Erhebung einer Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 bezüglich der steuerlichen Einordnung einer erhaltenen Schadensersatzforderung zum Erhalt des Rechtsfriedens verzichtet worden, da der Kläger von der Abzugsfähigkeit der dieser Klage zu Grunde liegende Vergleichszahlung im Jahr 2009 ausgegangen sei und mit einer etwaigen Einkommensteuererstattung zur Verrechnung mit der Einkommensteuerschuld für 2005 gerechnet habe. Zwar sei der Abschluss des Vergleiches vor Gericht nicht nur vom Werbungskostenabzug abhängig gewesen. Angesichts der absoluten Höhe des Betrages dürfe aber schon jede Lebenserfahrung dagegen sprechen, dass solche Beträge keinen Einfluss gehabt hätten.
20Der Beklagte erließ am 28.01.2013 und 18.09.2013 aufgrund der Auswertung von Mitteilungen Änderungsbescheide. Mit dem Bescheid vom 18.09.2013 wurde der nach § 164 Abs. 1 AO bestehende Vorbehalt der Nachprüfung zunächst aufgehoben. Dem Antrag der Kläger folgend, nahm der Beklagte in den erneuten Änderungsbescheid vom 19.12.2013 den Vorbehalt der Nachprüfung wieder auf.
21Die Kläger beantragen,
22die Einkommensteuer 2009 in Gestalt des letzten Einkommensteueränderungsbescheides vom 19.12.2013 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus § 19 EStG Werbungskosten in Höhe von 1.227.818,90 € berücksichtigt werden,
23bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Falle des Obsiegens die Besteuerung nach § 32d Abs. 6 EStG vorzunehmen,
24hilfsweise die Revision zuzulassen.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung wie folgt vor:
28Die geltend gemachten Aufwendungen des Klägers seien nicht durch seinen Beruf veranlasst. Den beruflichen Zusammenhang aufhebende Gründe lägen nach der Rechtsprechung stets vor, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten die Schädigung des Arbeitgebers bezwecke oder billigend in Kauf nehme. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit seiner Handlung einen weitergehenden nichtberuflichen Zweck, etwa die eigene Bereicherung verfolge, da die bewusste Schädigung des Arbeitgebers das Gegenteil dessen sei, wozu sich der Arbeitnehmer im Dienstvertrag verpflichtet habe.
29Nach den Feststellungen des Strafgerichts habe der Kläger u.a. bei der Erstellung einer unzutreffenden Bilanz zum 31.12.2007 für die B AG mitgewirkt und dabei vorsätzlich gehandelt und damit die Schaffung der Voraussetzungen für die Dividendenausschüttung ermöglicht, um vorangegangene Gesetzesverstöße zu verschleiern. Weiterhin habe das Strafgericht festgestellt, dass der Kläger sich der Untreue zum Nachteil der B AG in mittelbarer Täterschaft schuldig gemacht habe, da aufgrund des falsch festgestellten Bilanzgewinns eine Dividendenausschüttung beschlossen worden sei, die bei zutreffender Bilanzierung nicht zulässig gewesen wäre. Ebenso habe das Zivilgericht unter Bezugnahme auf die nicht widerlegte Beweiswirkung des Strafurteils geurteilt. Das Zivilgericht habe zudem festgestellt, dass der Kläger gemäß § 93 Abs. 2 AktG zum Schadensersatz verpflichtet sei. Das Zivilgericht begründe den Schadensersatzanspruch mit einem Verstoß nach § 331 Nr. 1 Handelsgesetzbuch (HGB), der dazu geführt habe, dass der B AG ein Schaden in Form der Dividendenauszahlung entstanden sei. Nach der Rechtsprechung sei der berufliche Zusammenhang damit aufgehoben.
30Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger als Miturheber des Börsenprospektes der B AG gemäß §§ 45, 46 BörsG a.F. der börsengesetzlichen Prospekthaftung unterlegen habe. Er habe deshalb ein eigenes Interesse an der Falschbilanzierung und der darauf beruhenden Dividendenausschüttung gehabt, um einer möglichen Inanspruchnahme durch die Anleger zu entgehen.
31Das Schreiben der Konzernbetriebsprüfung H vom 25.01.2006 sei schon deshalb keine verbindliche Zusage, weil es nicht als solche gekennzeichnet sei. Gemäß § 205 Abs. 1 AO werde die verbindliche Zusage jedoch schriftlich erteilt und als verbindlich gekennzeichnet. Die Verbindlichkeit müsse sich eindeutig ergeben, was vorliegend nicht der Fall sei. Ungeachtet der formellen Voraussetzungen stehe der Annahme einer verbindlichen Zusage bereits die dem Beklagten als Festsetzungsfinanzamt zustehende Entscheidungskompetenz gemäß § 204 AO entgegen. Für die Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Zusage und für die Auswertung der Prüfungsfeststellungen sei gemäß Nr. 2 AEAO zu § 204 das für die Veranlagung örtlich zuständige Festsetzungsfinanzamt zuständig. Dies gelte auch für den Fall, dass nach § 17 Abs. 2 Sätze 3 und 4 FVG i.V.m. Landesrecht speziellen Prüfungsfinanzämtern die Durchführung von Betriebsprüfungen zugewiesen werde. Eine Bindung an die Prüfungsfeststellungen des Prüfungsfinanzamtes sei nicht gegeben. Eine Bindungswirkung könne daher eine vom Prüfungsfinanzamt erteilte Zusage verbindlich für das Festsetzungsfinanzamt nur entfalten, wenn ein Fall der Auftragsprüfung nach § 195 Satz 2 AO vorliege und ferner das Prüfungsfinanzamt zur Erteilung einer entsprechenden bindenden Entscheidung ausdrücklich vom Festsetzungsfinanzamt ermächtigt worden sei (§ 195 Absatz 3 AO), was hier nicht der Fall sei. Der Kläger sei im Rahmen der maßgeblichen Betriebsgrößenklasseneinteilung als Fall mit bedeutenden Einkünften eingestuft worden. Das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung sei damit nach § 17 Abs. 2 Satz 3 FVG i.V.m. der FAZuVO NRW originär für die Durchführung der Betriebsprüfung beim Kläger zuständig und ein Fall der Auftragsprüfung liege nicht vor.
32Auch eine Berücksichtigung der streitigen Beträge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben sei nicht möglich. Dies könne nur in besonders gelagerten Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig sei, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssten. Dies sei nur der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerliche Behandlung zugesagt worden sei oder die Finanzbehörde durch früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Voraussetzung für eine Bindung sei jedoch, dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher der Finanzbehörde die Auskunft erteile. An eine von einem Betriebsprüfer vertretene Rechtsauffassung sei das Finanzamt daher nicht gebunden, wenn der für die spätere Entscheidung zuständige Beamte oder der Vorsteher nicht beteiligt worden seien. Zudem ergebe sich bereits aus den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung, dass sich allein aus einer früheren, aufgrund einer Außenprüfung vorgenommenen, steuerlichen Beurteilung eines Sachverhaltes keine Bindung für die Zukunft ergebe.
33Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 25.01.2006 sei der letztlich zu zahlende Betrag sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach noch Gegenstand des anhängigen Gerichtsverfahrens gewesen, welches erst mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts E vom ....2009 abgeschlossen worden sei. Da der Sachverhalt als solcher noch nicht abschließend geklärt gewesen sei, habe auch keine verbindliche rechtliche Würdigung erfolgen können.
34Ferner setze die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben noch Dispositionen des Vertrauenden voraus, für die das Verhalten der Finanzbehörde ursächlich gewesen sei. Der Kläger habe aber keine Dispositionen getroffen. Die Hinterlegung des Betrages von 750.000 DM sei bereits vor Durchführung der Betriebsprüfung erfolgt und nicht durch das Handeln der Finanzbehörde ausgelöst worden. Die Zahlung der weiteren Beträge sei nicht im Vertrauen auf einen vermeintlich zugesagten Werbungskostenabzug erfolgt. Vielmehr habe der Kläger dem gerichtlichen Vergleich unter Abwägung des Prozessrisikos vor dem Hintergrund zugestimmt, dass der zu zahlende Gesamtbetrag geringer war als der Anteil des Klägers aus dem erstinstanzlichen Urteil. Die Zahlungen und insbesondere die Zustimmung zum Vergleich seien damit vorrangig aus außersteuerlichen wirtschaftlichen Motiven erfolgt. Auch der Vortrag des Klägers, dass wegen der Erwartung einer Einkommensteuererstattung für 2009 auf eine Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 verzichtet worden sei, begründe keine Dispositionen des Klägers, da der Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens 2005 in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem hier streitigen Sachverhalt gestanden habe und hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung Einvernehmen erzielt worden sei. Zudem sei der Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne weitere Bedingung zugestimmt worden. Eine Absprache mit der Rechtsbehelfsstelle hinsichtlich der Einspruchserledigung in Abhängigkeit von der Behandlung der Zahlungen im Jahr 2009 sei ausweislich der Akten und nach Rücksprache mit der für das Rechtsmittelverfahren zuständigen Sachbearbeiterin nicht erfolgt.
35Entscheidungsgründe:
361. Werbungskosten sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.
37Für das Vorliegen von Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufwendungen durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Werbungskosten sind bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit alle Aufwendungen, die durch das Dienstverhältnis veranlasst sind. Berufliche Veranlassung in diesem Sinn liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Beruf besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung des Berufs gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 06.02.1981 VI R 30/77, BStBl II 1981, 362). Ob ein solcher besteht, richtet sich nach der – wertenden – Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und der Zuweisung dieses Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Urteil vom 09.12.2003 VI R 35/96, BStBl II 2004, 641). Nicht steuerlich relevant ist ein dem Geldabfluss zugrunde liegendes Ereignis, wenn es in nicht nur unbedeutendem Maße auf einer privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Veranlassung beruht (vgl. BFH-Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.1977 GrS 2-3/77, BStBl II 1978, 105). Werbungskosten müssen von den privaten Kosten der Lebenshaltung, die nach § 12 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähig sind, abgegrenzt werden. Schadensersatzleistungen aufgrund einer strafbaren Handlung sind Folgen kriminellen Verhaltens und deshalb, wie die Strafe selbst, grundsätzlich der privat zu verantwortenden Unrechtssphäre zuzuordnen (BFH-Urteil vom 13.12.1994 VIII R 34/93, BStBl II 1995, 457). In der Rechtsprechung des BFH ist jedoch anerkannt, dass auch Schadensersatzleistungen - im Unterschied zur Strafe selbst (§ 12 Nr. 4 EStG) - unter Umständen auch bei schuldhaften, vorsätzlich begangenen Straftaten und auch bei einer Verurteilung ausnahmsweise Erwerbsaufwendungen sein können und damit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig sind (vgl. Beschluss des großen Senats des BFH vom 28.11.1997 GrS 2 bis 3/77, BStBl II 1978, 105). Dies ist der Fall, wenn der strafrechtliche Vorwurf durch das betriebliche oder berufliche Verhalten des Steuerpflichtigen veranlasst gewesen ist (vgl. zur Parallele bei Strafverteidigungskosten BFH-Urteile vom 19.02.1982 VI R 31/78, BStBl II 1982, 467; vom 18.10.2007 VI R 42/04, BStBl II 2008, 223). Dies ist zu bejahen, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen/unternehmerischen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteil vom 13.12.1994 VIII R 34/93, a.a.O.) und die dem Steuerpflichtigen vorgeworfene Tat damit ausschließlich und unmittelbar aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit heraus erklärbar ist (BFH-Urteil vom 12.06.2002 XI R 35/01, BFH/NV 2002, 1441, m.w.N.).
38Andererseits greifen nach der Rechtsprechung private Gründe durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit in Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft (vgl. BFH-Urteil vom 19.03.1987 IV R 140/84, BFH/NV 1987, 577, sowie BFH-Urteil in BStBl II 2004, 641). Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch dann aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat (vgl. BFH-Urteile vom 03.05.1985 VI R 103/82, BFH/NV 1986, 392, vom 18.09.1987 VI R 121/84, BFH/NV 1988, 353, vom 09.12.2003, VI R 35/96, a.a.O., sowie vom 18.10.2007 VI R 42/04, a.a.O.).
39Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze, denen sich der Senat anschließt, ist die Klage abzuweisen. Der Kläger hat die ihm zur Last gelegte Tat, insbesondere die Erstellung einer falschen Bilanz, die zur Schadensersatzpflicht des Klägers geführt hat, in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit als Vorstand der B AG begangen. Denn der Kläger war als Vorstandsmitglied verpflichtet, gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern die Bilanz der B AG aufzustellen. Zwar lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger die Absicht hatte, die B AG durch den überhöhten Gewinnausweis zu schädigen. Vielmehr sollten die gewinnerhöhenden Buchungen für eine positivere Bilanz sorgen, um die Voraussetzungen für eine Kapitalerhöhung zu schaffen. Daher geht das Gericht davon aus, dass zwar ein beruflicher Bezug gegeben war. Dieser Umstand allein führt jedoch nach der zuvor angeführten Rechtsprechung nicht zu einer Abzugsfähigkeit der geltend gemachten streitigen Schadensersatzzahlungen und Prozesskosten als Werbungskosten. Denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich auch persönlich bereichert hat. Dem Handeln des Klägers lagen damit auch erhebliche private Gründe zu Grunde. Der Kläger hat wie die anderen Aktionäre für das Geschäftsjahr 1997 eine Dividende auf seine frühere Aktienbeteiligung in nicht unerheblicher Höhe von 120.000 DM erhalten. Der Kläger hatte sich die Dividendenauszahlung bei Veräußerung der ihm verbliebenen Anteile am 25.02.1998 ausdrücklich vorbehalten. Diese Ausschüttung wäre jedoch ohne den überhöhten Gewinnausweis nicht möglich gewesen. Insofern bestand neben dem Interesse der B AG, die prognostizierte Dividende darstellen zu können, auch ein erhebliches eigenes Interesse des Klägers an der geschönten Gewinndarstellung. Diese Umstände lassen nur den Schluss zu, dass auch die Möglichkeit der Dividendenauszahlung an den Kläger und deren Höhe bei Erstellen der falschen Bilanz eine Rolle gespielt hat. Selbst wenn diese Auszahlung nicht der Hauptgrund für die Erstellung der falschen Bilanz und nicht unmittelbar bezweckt war, so hat der Kläger dies doch zumindest in Kauf genommen. Somit hat der Kläger auch pflichtwidrig für eigene Zwecke gehandelt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die persönliche Bereicherung nicht der Hauptgrund für das Handeln des Klägers war, fehlt es damit an der ausschließlichen beruflichen Veranlassung, die zur Berücksichtigung von Aufwendungen zur Tilgung von Schadensersatzforderungen erforderlich ist.
40Die Kläger können sich auch nicht darauf berufen, die zuvor dargelegte einschränkende Rechtsprechung könne nicht angewandt werden, weil der Kläger in Bezug auf die Untreue zu Unrecht verurteilt worden sei. Denn der Kläger ist nicht nur wegen Untreue, sondern auch wegen ... und ... verurteilt worden. Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf eine, erst nach Ergehen des Strafurteils ergangene, geänderte Rechtsprechung zum Straftatbestand der Untreue.
41Im Ergebnis reicht der zweifellos vorhandene berufliche Zusammenhang nicht aus, um die streitigen Zahlungen als Werbungskosten bei den nichtselbständigen Einkünften des Klägers zu berücksichtigen.
422. Die streitigen Aufwendungen sind auch nicht wegen Vorliegens einer verbindlichen Zusage bzw. nach Treu und Glauben zu berücksichtigen.
43Nach § 204 AO soll die Finanzbehörde im Anschluss an eine Außenprüfung dem Steuerpflichtigen unter bestimmten Voraussetzungen verbindlich zusagen, wie ein für die Vergangenheit geprüfter und im Prüfungsbericht dargestellter Sachverhalt in Zukunft steuerrechtlich behandelt wird. Eine solche Zusage kann sodann im Zusammenhang mit der Besteuerung eines später verwirklichten Sachverhalts Bindungswirkung entfalten (§ 206 AO). Sie erfordert aber u.a. eine als verbindlich gekennzeichnete schriftliche Erklärung (§ 205 Abs. 1 AO) sowie eine Angabe dazu, für welche (zukünftigen) Zeiträume die Zusage gelten soll (§ 205 Abs. 2 Nr. 3 AO, vgl. auch BFH-Urteil vom 30.04.2009 V R 3/08, BFH/NV 2009, 1734). Diese Merkmale erfüllt das im Streitfall allein in Betracht kommende Schreiben vom 25.01.2006 erkennbar nicht, weshalb sich die Kläger nicht unmittelbar auf § 206 AO berufen können.
44Die Finanzbehörden können jedoch auch außerhalb einer Außenprüfung eine Zusage geben, deren Verbindlichkeit aus den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuleiten ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.12.1989 X R 208/87, BStBl II 1990, 274; vom 17.09.1992 IV R 39/90, BStBl II 1993, 218, BFH-Beschluss vom 21.05.2010 V B 91/09, BFH/NV 2010, 1619). Eine verbindliche Zusage, eine tatsächliche Verständigung oder eine sonstige Bindung des Beklagten nach Treu und Glauben kann aber nur dann angenommen werden, wenn auf Seiten des Finanzamtes ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger (Vorsteher oder Sachgebietsleiter) beteiligt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 02.08.2006 I B 156/04, BFH/NV 2006, 2031; vom 09.12.2004 VII B 129/04, BFH/NV 2005, 663; BFH-Urteile vom 07.07.2004 X R 24/03, BStBl II 2004, 975 und vom 31.03.2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742). Äußerungen des Betriebsprüfers, Berichte oder Mitteilungen der Außenprüfung reichen für eine solche Bindung grundsätzlich nicht aus (BFH-Urteile vom 21.06.2001 V R 33/99, BFH/NV 2001, 1619; vom 23.05.1991 V R 1/88, BFH/NV 1991, 846; BFH-Beschlüsse vom 19.01.2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089 und in BFH/NV 2006, 2031; Sauer in Beermann/Gosch, Kommentar zur AO § 201 Rdnr. 25 f.). Zudem muss der vom Steuerpflichtigen mitgeteilte Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten richtig und vollständig dargestellt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.11.2009 IV R 13/07, BFH/NV 2010, 652 und BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1619).
45Darüber hinaus setzt die Bindungswirkung einer Zusage voraus, dass der Steuerpflich-tige auf die Erklärung der Behörde vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteile vom 22.07.2008 IX R 74/06, BStBl II 2009, 124; vom 31.03.2004 I R 71/03, BStBl II 2004, 742, und vom 16.07.2002 IX R 28/98, BStBl II 2002, 714; BFH-Beschluss vom 26.02.2003 V B 116/02, BFH/NV 2003, 883).
46Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt im Falle der Kläger eine Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nicht in Betracht.
47Das Schreiben vom 25.01.2006 kann weder für sich gesehen noch in Verbindung mit den Ausführungen im BP-Bericht vom 10.12.2005 unter Ziffer 2.3.2 als verbindliche Zusage beurteilt werden. Aus der Formulierung im Schreiben vom 25.01.2006, „dass der Werbungskostenabzug erst im Jahr der Auszahlung an die B AG in Betracht kommt (§ 11 EStG)“, ergibt sich nicht die Zusage, dass in jedem Fall und unbedingt Schadensersatzzahlungen als Werbungskosten berücksichtigt werden sollten. Die Formulierung „kommt in Betracht“ lässt vielmehr die abschließende Beurteilung offen. Dies gilt umso mehr, als zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht feststand, ob und in welcher Höhe der Kläger Zahlungen zu leisten haben würde, da das Klageverfahren noch nicht abgeschlossen war. Auch der Umstand, dass die BP gemäß Ziffer 2.3.2. des BP-Berichts Prozesskosten im Zusammenhang mit den Verfahren wegen Bilanzmanipulation in den Jahren 2002 und 2003 anerkannt hat, ändert nichts an dieser Beurteilung. Auch in Verbindung mit diesen Ausführungen liegt eine verbindliche Zusage nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Finanzbehörde bei der Durchführung einer Veranlagung grundsätzlich nicht an die Sachbehandlung im Rahmen vorhergehender Veranlagungen gebunden (BFH-Beschlüsse vom 14.02.2006 III B 143/05, BFH/NV 2006, 1058; vom 12.07.2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m.w.N.). Das gilt auch dann, wenn jene Handhabung auf einer Betriebsprüfung beruht (BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 25/85, BStBl II 1986, 520, m.w.N.). Insoweit gilt daher der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung. Unabhängig davon lässt sich aus dem Prüfungsergebnis schon deshalb keine im Streitfall beachtliche Bindungswirkung ableiten, weil es sich in zeitlicher Hinsicht nicht auf das Streitjahr, sondern nur auf den damals zu beurteilenden Prüfungszeitraum bezieht.
48Selbst wenn man dies anders beurteilte würde, scheiterte die Annahme einer verbindlichen Zusage vorliegend daran, dass keiner der zuständigen Beamten des Beklagten beteiligt war. Das Schreiben vom 25.01.2006 sowie der BP-Bericht wurden ohne Beteiligung des Beklagten vom Finanzamt für Konzern- und Großbetriebsprüfung erstellt. Die Kläger können sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, das Finanzamt für Konzern- und Großbetriebsprüfung habe gemäß § 195 Satz 3 AO i.V.m. der FAZuVO NRW wirksam eine Zusage erteilen können. Denn § 195 Satz 3 AO betrifft nur die Beauftragung im Einzelfall, nicht die generelle Übertragung von Zuständigkeiten (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 195 Rdnr. 11; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO/FGO, § 195 Rdnr. 23).
49Zudem ist nicht erkennbar, dass der Kläger wirtschaftliche Dispositionen im Hinblick auf die vermeintliche Zusage getroffen hat. Der Betrag von 750.000 DM war bereits vor Durchführung der BP hinterlegt worden und damit nicht durch eine etwaige Zusage veranlasst. Die Zahlung der weiteren Beträge ist ebenfalls nicht im Vertrauen auf eine etwaige Zusage über den Werbungskostenabzug erfolgt. Vielmehr hat der Kläger nach eigenem Vortrag dem gerichtlichen Vergleich unter Abwägung des Prozessrisikos vor dem Hintergrund zugestimmt, dass der zu zahlende Gesamtbetrag geringer war als der Anteil des Klägers aus dem erstinstanzlichen Urteil. Die Zahlungen und insbesondere die Zustimmung zum Vergleich sind damit vorrangig aus außersteuerlichen wirtschaftlichen Motiven erfolgt.
50Das Vorliegen der Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage bzw. einer Bindung nach Treu und Glauben lässt sich somit nicht feststellen. Dies geht zu Lasten der Kläger (vgl. BFH-Urteil vom 22.04.1998 X R 4/95, BFH/NV 1998, 1221).
51Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
den Bescheid vom 22. November 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 aufzuheben.
die Klage abzuweisen.
Gründe
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
„Im Bereich der Betriebsausgaben sind keine Zuschätzungen veranlasst. Der Umstand, dass sowohl im Bereich der Betriebseinnahmen als auch im Bereich der Betriebsausgaben Buchführungsmängel vorliegen, wurde summarisch bei der Findung der Zuschätzungsgrößenordnung im Bereich der Betriebseinnahmen berücksichtigt.“
für 2011 für 2012 für 2013
15.000 € 60.000 € 60.000 €
Im Rahmen der Steuerfahndung sei jedoch ein Betrag von 200.000 € für 2013 angesetzt worden. Im Strafbefehlswege seien um 70% geringere Werte angesetzt worden. Diese Abschläge könnten nicht ausschließlich durch strafrechtliche Erwägungen begründet sein. Es handele sich folglich um eine unzulässige Strafschätzung bzw. außerhalb der Rechtsordnung stehende Übermaßbesteuerung.
Gründe
Tenor
-
Auf die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 11. November 2015 12 K 791/11 aufgehoben.
-
Die Sache wird an das Hessische Finanzgericht zurückverwiesen.
-
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
Tatbestand
- 1
-
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist in den Streitjahren 1996 bis 2006 mit ihrem Ehemann (E), der bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) ebenfalls als Kläger aufgetreten ist, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt worden. Sie erzielte als Inhaberin eines "Sexshops" Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die sie durch Betriebsvermögensvergleich ermittelte. E war bei der Klägerin angestellt; er hatte die Funktion eines Geschäftsleiters.
- 2
-
Der Betrieb gliederte sich in die folgenden Bereiche:
-
Vorführung von Bildträgern (Videokassetten, ab 2000 auch DVDs) in Videokabinen mit Geldeinwurf sowie einem Kinosaal,
-
Vermietung (von der Klägerin als "Verleih" bezeichnet) von Bildträgern,
-
Verkauf von Bildträgern, Erotik-Zeitschriften und anderen Erotik-Artikeln,
-
Verkauf von Getränken.
- 3
-
Im Anschluss an eine Außen- und Fahndungsprüfung für die Streitjahre nahm der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für die drei erstgenannten Bereiche erhebliche Hinzuschätzungen vor, die er mit einer nicht ordnungsgemäßen Kassenführung, insbesondere dem weitestgehenden Fehlen von Grundaufzeichnungen sowie der fehlenden Aufzeichnung von Kassenbeständen, begründete. Das FA ging von einer Steuerhinterziehung aus und wandte auf dieser Grundlage die zehnjährige Festsetzungsfrist an.
- 4
-
Der bei Weitem größte Teil der Hinzuschätzungen betraf den Bereich "Verkauf". Die Klägerin hatte hierzu u.a. vorgetragen, soweit Bildträger verkauft worden seien, habe es sich im Wesentlichen um solche gehandelt, die zuvor bereits zur Vorführung in den Videokabinen bzw. dem Kino genutzt worden seien. Derartige Bildträger hätten sich nur mit erheblichen Preisabschlägen überhaupt noch verkaufen lassen; ein großer Teil habe vernichtet werden müssen.
- 5
-
Das FA legte seiner Schätzung für den Bereich "Verkauf" zunächst einen einheitlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 240 % zugrunde. Dieser Prozentsatz wurde auf den gesamten Wareneinsatz angewendet, unabhängig davon, ob die Waren verkauft oder im Betrieb verbraucht worden waren. Noch während des Einspruchsverfahrens gegen die streitgegenständlichen Änderungsbescheide gewährte das FG insoweit Aussetzung der Vollziehung, als das FA einen höheren Rohgewinnaufschlagsatz als 180 % angesetzt hatte. In der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 2011 übernahm das FA diese Beurteilung und minderte die Hinzuschätzungen für den Bereich "Verkauf" auf der Grundlage eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 180 %.
- 6
-
Das FG holte ein Gutachten der gerichtseigenen Prüferin ein. In der mündlichen Verhandlung vernahm das FG fünf Zeugen. E, der bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung ebenfalls als Kläger aufgetreten war, nahm die Klage --soweit sie von ihm erhoben worden war-- in der mündlichen Verhandlung zurück und wurde anschließend von der Klägerin als Zeuge benannt, vom FG allerdings nicht gehört.
- 7
-
Das FG setzte die Hinzuschätzungen weiter herab und wies die Klage im Übrigen ab. Es führte aus, wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenaufzeichnungen bestehe eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach. Der Höhe nach sei die Schätzung für die Bereiche "Vorführung" und "Vermietung von Bildträgern" nicht zu beanstanden. Für den Bereich "Verkauf" nahm das FG eine eigene Schätzung vor, die auf den folgenden Grundlagen beruhte:
-
44 % des gesamten Wareneinkaufs seien auf Bildträger entfallen, von denen aber nur 50 % in den Verkauf gelangt und die übrigen 50 % vernichtet worden seien. Für diejenigen Bildträger, die in den Verkauf gelangt seien, sei ein Rohgewinnaufschlagsatz von 100 % anzusetzen;
-
die restlichen 56 % des Wareneinkaufs seien mit einem Rohgewinnaufschlagsatz von 240 % verkauft worden;
-
für das Jahr 1996 sei der Wareneinkauf aufgrund eines Brandschadens für Zwecke der Kalkulation um 42.950 DM zu mindern;
-
die sich so ergebenden Mehrerlöse seien um einen Sicherheitsabschlag von 10 % zu mindern.
- 8
-
Ferner hat das FG sich davon überzeugt gezeigt, dass E den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht habe, so dass --auch in Bezug auf die Klägerin-- die verlängerten Festsetzungsfristen anwendbar seien.
- 9
-
Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängeln.
- 10
-
Das FA ist der Beschwerde entgegen getreten.
Entscheidungsgründe
- 11
-
II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
- 12
-
1. Das FG hat gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen, indem es den als Zeugen benannten E nicht gehört hat.
- 13
-
a) Die vom FG hierfür gegebene Begründung ist nicht geeignet, um von einer Zeugenvernehmung abzusehen.
- 14
-
Die Klägerin hatte E zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Einnahmen vollständig auf den Tageseinnahmeblättern erfasst und dem Steuerberater vollständig gemeldet worden waren. Das FG hatte das Unterbleiben der Beweisaufnahme damit begründet, es sei gemäß § 76 Abs. 1 Satz 3 (gemeint wohl: Satz 5) FGO nicht an Beweisanträge gebunden. Die Vernehmung des E erscheine dem FG nicht notwendig. Die Überprüfung der Buchführungsunterlagen habe eindeutig ergeben, dass gerade nicht sämtliche Einnahmen erklärt worden seien.
- 15
-
Indes bedeutet die in § 76 Abs. 1 Satz 5 FGO erwähnte fehlende Bindung des FG an Beweisanträge der Beteiligten nicht etwa, dass das Gericht frei entscheiden könnte, ob es beantragte Beweise erhebt oder nicht. Gerade im Gegenteil will diese Vorschrift es dem FG --in ausdrücklicher Abweichung von zivilprozessualen Grundsätzen-- ermöglichen, auch von sich aus solche Beweise zu erheben, die von den Beteiligten nicht angeboten worden sind (Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2007 X B 34/07, BFH/NV 2008, 597, unter 2.).
- 16
-
Demgegenüber kann das FG auf eine beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann oder das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder untauglich ist (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Dezember 2009 VI R 58/07, BFHE 227, 365, BStBl II 2010, 531, Rz 11, m.w.N.).
- 17
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Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere hat das FG keine --zulässige-- Wahrunterstellung der Tatsache vorgenommen, zu deren Beweis E benannt worden war. Es hat sich vielmehr bereits vom Gegenteil der unter Beweis gestellten Tatsache überzeugt gezeigt. Dies stellt jedoch eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung dar (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, Rz 22, und vom 8. Januar 2014 X B 68/13, BFH/NV 2014, 566, Rz 14, beide m.w.N.).
- 18
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b) Der beschließende Senat hat erwogen, ob die Entscheidung des FG, den E nicht zu vernehmen, sich im Ergebnis aus anderen Gründen als verfahrensfehlerfrei darstellt. Dies wäre dann der Fall, wenn das Beweismittel als untauglich anzusehen wäre. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
- 19
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Zwar hat der BFH entschieden, dass die Benennung von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft nicht geeignet ist, um einen Beweis zur Höhe des von der Gesellschaft erwirtschafteten Gewinns zu führen. Die Höhe des Gewinns sei vielmehr durch eine geordnete Buchführung, nicht aber durch Aussagen der Gesellschafter nachzuweisen (BFH-Beschluss vom 2. Juni 2006 I B 41/05, BFH/NV 2006, 1687, unter 4.b).
- 20
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Vorliegend ist E jedoch nicht lediglich zur Bezeugung der "Höhe des Gewinns" benannt worden. Vielmehr richtete sich der Beweisantrag auf konkrete Tatsachen, wie die vollständige Erfassung der Einnahmen auf den Tageseinnahmeblättern und die vollständige Meldung an den Steuerberater um damit die materielle Richtigkeit der Buchführung zu belegen. Solche Tatsachen sind einem Zeugenbeweis jedenfalls nicht von vornherein unzugänglich.
- 21
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Ob das FG den Aussagen des E --der sowohl Gesamtschuldner der u.a. streitigen Einkommensteuer als auch von dem eingeleiteten Steuerstrafverfahren betroffen ist-- letztlich Glauben schenken wird, ist eine Sache der Beweiswürdigung. Es ist aber nicht zulässig, in derartigen Fällen von vornherein von einer Beweiserhebung abzusehen.
- 22
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2. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 FGO zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Für das Verfahren im zweiten Rechtsgang weist der Senat --ohne Bindungswirkung für das FG-- auf die folgenden Punkte hin:
- 24
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a) Der Senat hat --auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Klägerin-- keine Bedenken dagegen, dass das FG dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis wegen der formellen Fehlerhaftigkeit der Buchführung bejaht hat.
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Die Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung erfordert bei Bareinnahmen, die ähnlich einer offenen Ladenkasse erfasst werden, einen täglichen Kassenbericht (vgl. § 146 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO-- und Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902, Rz 9), der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens der Bareinnahmen erstellt worden ist. An derartigen Unterlagen fehlte es im Betrieb der Klägerin nach den Feststellungen des FG offensichtlich.
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Soweit die vom erkennenden Senat in Rz 27 seines Urteils vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) gewählte Formulierung in der Praxis teilweise dahingehend missverstanden wird, dass über den Kassenbericht hinaus ein "Zählprotokoll" gefordert werde, in dem die genaue Stückzahl der vorhandenen Geldscheine und -münzen aufgelistet werde, stellt der Senat klar, dass die dortige Formulierung --die im Übrigen den Begriff "Zählprotokoll" nicht enthält-- nicht als Neuorientierung der Rechtsprechung angesehen werden kann. Erforderlich, aber auch ausreichend ist ein Kassenbericht, der auf der Grundlage eines tatsächlichen Auszählens erstellt worden ist.
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b) Demgegenüber konnte die vom FG vorgenommene eigene Schätzung der Höhe nach (Bl. 25 des FG-Urteils) vom Senat zahlenmäßig nicht nachvollzogen werden.
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c) Entscheidend für die Höhe der Hinzuschätzung im Bereich "Verkauf" --auf den zugleich der weitaus größte Teil der Gesamt-Hinzuschätzung entfällt-- dürfte der Anteil der Zeitschriften an den Erlösen dieses Geschäftsbereichs sein.
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Die Klägerin hatte vorgetragen, sie habe einen hohen Anteil an Zeitschriften verkauft; hier seien die Rohgewinnaufschlagsätze aber deutlich geringer als bei anderen Warengruppen. Sie hat während des finanzgerichtlichen Verfahrens im Schriftsatz vom 5. Mai 2015 die Problematik dargestellt, den Zeitschrifteneinkauf des Jahres 1996 detailliert dargelegt und ins Verhältnis zu den sonstigen Wareneinkäufen gesetzt. Diese Datengrundlage könnte dem FG eventuell die Möglichkeit eröffnen, den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz genauer zu ermitteln als bisher. Jedenfalls nach den von der Klägerin vorgelegten Zahlen über ihre Zeitschrifteneinkäufe --die so substantiiert sind, dass das FG sie überprüfen kann-- war der Anteil dieser Einkäufe am Gesamteinkauf so hoch, dass er auch bei der Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes eine entsprechend hohe Gewichtung erhalten könnte.
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d) Es spricht Vieles dafür, dass das FG die zahlenmäßigen Schlussfolgerungen, die der Sachverständige (S), der von der Versicherungsgesellschaft mit der Ermittlung der Höhe eines Brandschadens beauftragt worden war, nochmals einer eigenen Prüfung unterziehen sollte.
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In der entscheidenden --und auch von der Klägerin aufgeworfenen-- Frage, ob S die Videokassetten in die Ermittlung des Aufschlagsatzes und des Wareneinsatzes einbezogen hat, ist das Gutachten nicht ganz eindeutig. Es könnte zur Absicherung dieser Schätzungsgrundlage sinnvoll sein, S um Erläuterung der von ihm gezogenen Schlussfolgerungen zu bitten.
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Außerdem sind die Aussagen des S zur Höhe des Rohgewinnaufschlagsatzes widersprüchlich. Auf Bl. 4 seines Gutachtens legt er zunächst einen "Aufschlag zwischen 300 und 400 % auf den Einkaufspreis" zugrunde. Daraus zieht er die Schlussfolgerung, es könne "eine durchschnittliche Handelsspanne von 2/3 des Umsatzwertes angenommen werden, sodass der Wareneinsatz etwa 1/3 des Umsatzerlöses ausmacht". Bei einem Wareneinsatz von 1/3 der Erlöse betrüge der Rohgewinnaufschlagsatz aber lediglich 200 % und nicht --wie von S zuvor angenommen-- 300 bis 400 %.
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Das FA hatte zudem in der Einspruchsentscheidung angenommen, aus dem Gutachten des S ergebe sich, dass ein Anteil von 56 % des Wareneinsatzes direkt dem Warenverkauf diene und ein Anteil von 44 % für die Filmvorführungen verwendet werde. Das FG scheint diese Annahme für seine eigene Schätzung übernommen zu haben. Der Senat weist darauf hin, dass er dem Gutachten des S keine derartige Aussage entnehmen kann. Zwischen den Beteiligten ist die Verteilung des Wareneinsatzes höchst streitig.
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e) Die vom FG beauftragte Prüferin hat zur weiteren Plausibilisierung der Schätzung ergänzend Belege herangezogen, die für den Zeitraum vor der Durchsuchung sichergestellt worden sind, auch wenn diese nicht unmittelbar den Klagezeitraum betreffen (Tz. 26.1.3 ihres Berichts). Sie hat aus diesen Belegen eine Tagesdurchschnittseinnahme aus dem Kinobetrieb in Höhe von 432 € ermittelt. Es ist darauf hinzuweisen, dass diese Zahlenangabe offensichtlich einen Bruttobetrag darstellen soll. Um die Vergleichbarkeit zu den vom FA genannten Zahlen herzustellen, müsste daher möglicherweise die Umsatzsteuer herausgerechnet werden.
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f) Dem FG steht es zudem frei, im zweiten Rechtsgang Überlegungen dazu anzustellen, ob die Klägerin tatsächlich als alleinige Betriebsinhaberin anzusehen ist. Nach Aktenlage deutet Vieles darauf hin, dass das betriebliche Geschehen nicht durch die Klägerin, sondern durch E beherrscht und gestaltet worden ist. Eventuell könnte auch eine Mitunternehmerschaft zwischen den Eheleuten in Betracht kommen.
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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Gründe
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
Tenor
-
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 13. Mai 2014 5 K 1931/10 aufgehoben.
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Die Sache wird an das Finanzgericht Baden-Württemberg zurückverwiesen.
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Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.
Tatbestand
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I.
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Die Beteiligten streiten über die Bindungswirkung einer tatsächlichen Verständigung.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2007) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war seit dem ... November 1990 zunächst zu 75 %, seit dem ... August 2002 zu 94 % an einer GmbH beteiligt. An dieser GmbH war die Klägerin seit dem ... April 1995 zunächst zu 1 % und seit dem ... August 2002 zu 6 % beteiligt. Gegenstand des Unternehmens der GmbH war der An- und Verkauf, die Verwaltung und die Vermittlung von Immobilien sowie die Bauträgertätigkeit.
- 3
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Nach Anordnung eines dinglichen Arrests u.a. in das Vermögen der GmbH im Oktober 2002 durch das zuständige Amtsgericht stellte die GmbH im November 2002 ihren laufenden Geschäftsbetrieb ein. Im Februar 2003 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und nach der Schlussverteilung im Jahr 2007 mit Beschluss vom ... Mai 2008 eingestellt.
- 4
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Einen entsprechenden Verlust aus der Auflösung der GmbH machten die Kläger zunächst in der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2002 geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte dessen Berücksichtigung mit Einspruchsentscheidung vom 7. Mai 2009 mit der Begründung ab, es fehle im Veranlagungszeitraum 2002 an der erforderlichen Auflösung i.S. des § 17 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung (EStG). Die Kläger legten zunächst auch gegen die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2003 bis 2008, in denen das FA den geltend gemachten Auflösungsverlust ebenfalls unberücksichtigt gelassen hatte, Einspruch ein. Mit Schreiben vom 11. Februar 2009 nahm der vormalige Steuerberater der Kläger die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2006 zurück.
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Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2010 erhoben die Prozessbevollmächtigten für die Kläger Untätigkeitsklage betreffend die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2004 und hilfsweise betreffend die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2007. Sie begehrten hiermit die Berücksichtigung eines Auflösungsverlusts in Höhe von insgesamt 1.001.177,02 €. Der Betrag setzte sich im Wesentlichen aus dem Verlust der Stammeinlagen sowie nachträglichen Anschaffungskosten aus Bürgschaftsinanspruchnahmen und Darlehensverlusten zusammen. In ihrem Schriftsatz begründeten die Prozessbevollmächtigten der Kläger die Erhebung einer Untätigkeitsklage damit, dass gegen die Steuerbescheide 2004 und 2007 Einspruch eingelegt worden sei, das FA hierüber aber nicht entschieden habe. Weiter führten sie aus, dass "auch hinsichtlich der Jahre 2003, 2005-2006 und 2008 (...) wegen der Anerkennung von Verlusten nach § 17 EStG rein vorsorglich Einspruch eingelegt" worden sei und auch insoweit keine Einspruchsentscheidungen vorlägen.
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Während des Klageverfahrens erging am 28. Juni 2010 ein Änderungsbescheid für den Veranlagungszeitraum 2007, mit dem das FA erstmalig einen Auflösungsverlust anerkannte und die Einkommensteuer auf 0 € herabsetzte. Zugleich stellte es den verbleibenden Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007 mit 47.518 € fest. Dabei berücksichtigte es im Rahmen der Ermittlung des Auflösungsverlusts ausschließlich den Verlust des eingezahlten Stammkapitals unter Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein.
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In ihrem Schriftsatz vom 22. Juli 2010 führten die Prozessbevollmächtigten der Kläger hierzu u.a. weiter aus, dass der am 28. Juni 2010 erlassene Verlustfeststellungsbescheid mehrfach fehlerhaft sei und insoweit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werde. Der Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2007 könne daher nicht, wie vom FA angeregt, zurückgenommen werden. Auch einer Erledigung des Einspruchs gegen die Einkommensteuerfestsetzung 2004 könne nicht zugestimmt werden. Am 3. November 2010 erließ das FA einen geänderten Verlustfeststellungsbescheid, in dem es die von den Klägern erbrachten Stammeinlagen vollständig berücksichtigte und dementsprechend den festgestellten Verlust auf 215.967 € erhöhte. Im Übrigen wies das FA den Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid mit seiner Einspruchsentscheidung vom 25. November 2010 mit der Begründung zurück, dass eine Berücksichtigung der geltend gemachten Bürgschafts- und Darlehensverluste ausscheide.
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Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens haben die Kläger und das FA auf Vorschlag des Finanzgerichts (FG) am 16. Oktober 2013 eine tatsächliche Verständigung getroffen, wonach "unter Berücksichtigung der Aktenlage, insbesondere auch des Vergleichs des Insolvenzverwalters mit dem Kläger, vorliegend von Tatsachen auszugehen ist, die zur Verlustentstehung im Jahr 2005 führen". In dem gerichtlichen Termin lagen die Akten für den Veranlagungszeitraum 2005 nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 16. Oktober 2013 wies der Berichterstatter des FG die Beteiligten darauf hin, dass hinsichtlich des im Wege der tatsächlichen Verständigung festgelegten Verlustentstehungsjahres 2005 keine Klage anhängig sei. Unter Berücksichtigung des festgelegten Sachverhalts kamen die Beteiligten weiter darin überein, dass die Prozessbevollmächtigten der Kläger dem FA die in der Niederschrift aufgegebenen Darlegungen und Unterlagen übermitteln und nach Prüfung der Unterlegung ein Besprechungstermin zur Einkommensteuerveranlagung 2005 im FA stattfinden würde. Die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 haben die Beteiligten sodann in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Kläger ihre Klage gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 zurückgenommen.
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Anlässlich der Umsetzung der tatsächlichen Verständigung stellte das FA fest, dass der Vorberater der Kläger den Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 bereits am 11. Februar 2009 zurückgenommen hatte und die Einkommensteuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums 2005 daher nicht mehr änderbar war. Vor diesem Hintergrund brachten die Kläger im Klageverfahren schließlich vor, dass die tatsächliche Verständigung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufzuheben und der Auflösungsverlust --ohne Bindung an die tatsächliche Verständigung-- im Veranlagungszeitraum 2007 anzusetzen sei. Der tatsächlichen Verständigung habe die von allen Beteiligten getragene Annahme zugrunde gelegen, dass die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 noch änderbar sei.
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Dieser Argumentation ist das FG nicht gefolgt und hat die --auf Verlustberücksichtigung im Veranlagungszeitraum 2007-- gerichtete Klage mit seinem in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2016, 1073 veröffentlichten Urteil vom 13. Mai 2014 als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der das FG bindenden tatsächlichen Verständigung stehe fest, dass der Auflösungsverlust im Veranlagungszeitraum 2005 und nicht im Streitjahr entstanden sei. Die Bindungswirkung sei vorliegend nicht dadurch entfallen, dass die Beteiligten bei Abschluss der Verständigung irrig von einer Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheids 2005 ausgegangen sind. Die Frage der möglichen verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit sei nicht rechtserhebliche Geschäftsgrundlage der tatsächlichen Verständigung geworden. Diese Verfahrensfrage sei vielmehr der alleinigen Risikosphäre der Kläger zuzuordnen und rechtfertige nicht, die tatsächliche Verständigung aufzuheben.
- 11
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Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen (§ 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und materiellen Rechts (Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sowie fehlerhafte Anwendung des § 313 Abs. 2 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Zur Begründung führen die Kläger an, die im Klageverfahren getroffene tatsächliche Verständigung könne keine Bindungswirkung entfalten. Sie sei bereits unwirksam, weil sie von vornherein verfahrensrechtlich nicht habe umgesetzt werden können und überdies zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führe. Jedenfalls aber seien sie nach den Grundsätzen des § 313 BGB wirksam von der Vereinbarung zurückgetreten. Die Verständigung über die Zurechnung der Verluste zum Veranlagungszeitraum 2005 sei beiderseitig unter der Prämisse getroffen worden, dass die Steuerfestsetzung für 2005 noch änderbar sei. Andernfalls hätte die tatsächliche Verständigung keinen Sinn gehabt, zumal das Jahr 2005 nicht streitgegenständlich gewesen sei. Jedenfalls hätten sie die Verständigung offensichtlich nicht getroffen, wenn den Beteiligten die fehlende Änderungsmöglichkeit bewusst gewesen wäre. Die Unkenntnis über diesen Umstand könne aber nicht allein ihnen angelastet werden.
- 12
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG vom 13. Mai 2014 5 K 1931/10 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des FG Baden-Württemberg zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Entgegen der Auffassung des FG ist nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage mit der Rücktrittserklärung der Kläger die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung vom 16. Oktober 2013 entfallen. Ob der Auflösungsverlust --wie von den Klägern vorgetragen-- im Streitjahr entstanden ist, wird das FG ungeachtet der Ergebnisse der getroffenen Verständigung erneut zu beurteilen haben.
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1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist in Fällen erschwerter Sachverhaltsermittlung eine tatsächliche Verständigung über die tatsächlichen Merkmale, die der Besteuerung zugrunde zu legen sind, grundsätzlich zulässig (BFH-Urteile vom 12. August 1999 XI R 27/98, BFH/NV 2000, 537, und vom 8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Voraussetzung einer solchen tatsächlichen Verständigung ist u.a., dass sie sich auf Sachverhaltsfragen und nicht auf Rechtsfragen bezieht, die Sachverhaltsermittlung erschwert ist und die tatsächliche Verständigung nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juli 2004 X R 24/03, BFHE 206, 292, BStBl II 2004, 975, und in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121; zur Rechtsfolge der Unwirksamkeit einer zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führenden Verständigung BFH-Beschluss vom 21. September 2015 X B 58/15, BFH/NV 2016, 48). Dass die tatsächliche Verständigung mittelbar auch den Tatbestandsbereich einer Norm betrifft, ist indes unschädlich (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121, m.w.N., sowie BFH-Beschluss vom 22. August 2012 I B 86/11, I B 87/11, BFH/NV 2013, 6). Ob eine tatsächliche Verständigung zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt, ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 2005 X B 41/05, BFH/NV 2006, 243).
- 16
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2. An eine zulässige und wirksam zustande gekommene tatsächliche Verständigung sind die Beteiligten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich gebunden, auch wenn die Verständigung nicht sämtliche schwer aufklärbaren Umstände des Besteuerungssachverhalts umfasst (dazu unter a). Die gegenseitige Bindung ist dabei jeder tatsächlichen Verständigung immanent, ohne dass es einer ausdrücklichen Erklärung der Beteiligten bedarf (BFH-Urteile vom 31. Juli 1996 XI R 78/95, BFHE 181, 103, BStBl II 1996, 625, und in BFH/NV 2000, 537). Die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung kann jedoch ausnahmsweise (nachträglich) entfallen, wenn einem der Beteiligten nach den Grundsätzen von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht (mehr) zuzumuten ist (dazu unter b).
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a) Zweck des Instituts der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung einvernehmlich festzulegen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn die Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt von den abgegebenen Erklärungen (einseitig) wieder abrücken könnten, weil sie vermeintliche Nachteile der Einigung festzustellen glauben (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 537). Eine tatsächliche Verständigung im Steuerfestsetzungsverfahren ist daher nicht schon deshalb unwirksam, weil sie zu einer von einem Beteiligten nicht vorhergesehenen Besteuerungsfolge führt (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn dadurch die vor der Verständigung offengelegten Beweggründe des Beteiligten zum Abschluss der Verständigung entwertet werden.
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b) Die Bindung der Beteiligten an die Vereinbarungen einer tatsächlichen Verständigung kann nach den Grundsätzen über das Fehlen oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage jedoch ausnahmsweise (nachträglich) entfallen, wenn ihr eine (irrtümlich) angenommene gemeinsame Geschäftsgrundlage von vornherein gefehlt hat oder wenn sie nachträglich weggefallen ist und einem der Beteiligten ein Festhalten an dem Vereinbarten nicht (mehr) zuzumuten ist.
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aa) Die Anwendbarkeit dieser Grundsätze auf die tatsächliche Verständigung hat der BFH zuletzt grundsätzlich anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 2009 VIII R 78/06, BFH/NV 2010, 593; offengelassen noch im BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Auch die Finanzverwaltung bejaht dies ausdrücklich (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. Juli 2008, BStBl I 2008, 831, unter Tz. 8.2.), ebenso ein Teil des Schrifttums (Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 162 Rz 202; Koenig/Wünsch, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 88 Rz 55; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, vor § 118 AO Rz 33; Mösbauer, Betriebs-Berater 2003, 1037, 1041; Bruschke, Deutsches Steuerecht --DStR-- 2010, 2611, 2614; Krüger, Deutsche Steuerzeitung 2015, 478, 484; Hartmann, Neue Wirtschafts-Briefe 2016, 1014, 1019).
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Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob auf die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren die zivilrechtlichen Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anwendbar sind oder ob stattdessen § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) entsprechende Anwendung findet (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 593), da beide Vorschriften in den hier zu entscheidenden Fragen inhaltsgleich auszulegen sind. Über ihren Wortlaut hinaus findet die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht nur Anwendung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach Abschluss des Vertrages, sondern auch dann, wenn sich wesentliche Vorstellungen der Vertragsparteien vom Vorhandensein oder Fehlen bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände, die zur erkennbaren Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausstellen (Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 60 Rz 13 f.; Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Aufl., § 60 Rz 7, 22; Ziekow, Kommentar zum VwVfG, § 60 Rz 4). Der Grundsatz vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage ist ungeschriebener Bestandteil des Bundesverfassungsrechts (vgl. auch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1973 2 BvH 1/72, BVerfGE 34, 216) und gilt grundsätzlich auch für die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren. Soweit nicht die Besonderheiten der tatsächlichen Verständigung eine Abweichung erfordern, kann die im Zivilrecht zu den vormals ungeschriebenen und nunmehr in § 313 BGB kodifizierten Grundsätzen entwickelte Rechtsprechung herangezogen werden.
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bb) Eine Berufung auf die Grundsätze von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage durch einen der Beteiligten setzt voraus, dass wesentliche tatsächliche oder rechtliche Umstände, deren Bestand die Parteien als gemeinsame Grundlage der Verständigung angenommen und vorausgesetzt haben, von vornherein gefehlt haben oder nach Abschluss der Verständigung weggefallen sind. Wesentlich sind die Umstände nur, wenn die Beteiligten bei objektiver Betrachtung und bei Kenntnis ihres Fehlens oder ihrer Änderung die Verständigung nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt getroffen hätten (vgl. auch MünchKommBGB/Finkenauer, 7. Aufl., § 313 Rz 58). Einseitige Erwartungen eines Beteiligten, die für dessen Willensbildung maßgeblich waren, gehören nur dann zur Grundlage der Verständigung, wenn sie zumindest stillschweigend in den der Verständigung zugrunde liegenden gemeinschaftlichen Geschäftswillen aufgenommen worden sind (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 2010, 593). Dass die eine Partei ihre Erwartungen der anderen Partei mitgeteilt hat, genügt hierfür allein noch nicht (BFH-Urteil in BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121). Entscheidend ist vielmehr, dass das Verhalten der anderen Partei nach Treu und Glauben als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in die gemeinsame Grundlage der Verständigung zu werten ist (Palandt/ Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 313 Rz 9). Maßgebend hierfür sind die gesamten Umstände des Einzelfalls.
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cc) Die Anwendung der Grundsätze von dem Fehlen oder dem Wegfall der Geschäftsgrundlage setzt weiter voraus, dass unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, jedenfalls für eine Partei ein Festhalten an den getroffenen Inhalt der tatsächlichen Verständigung unzumutbar ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Juli 2016 IV ZR 44/15, Monatsschrift für Deutsches Recht 2016, 1334). Hierfür genügt nicht, dass sich das mit der Verständigung verbundene Vertragsrisiko realisiert hat oder die betroffene Partei nach der gegenwärtigen Interessenlage vernünftigerweise nicht mehr in die Verständigung einwilligen würde. Die sich aus dem Fehlen oder der nachträglichen Änderung der bei Abschluss der Verständigung gemeinsam vorausgesetzten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ergebenden Folgen müssen vielmehr so schwerwiegend sein, dass sie den von der benachteiligten Partei billigerweise zu tragenden Risikorahmen überschreiten (ähnlich auch Bundesverwaltungsgericht --BVerwG--, Urteil vom 18. Juli 2012 8 C 4/11, BVerwGE 143, 335, m.w.N., zur Zumutbarkeit des Festhaltens an den Regelungen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags). Dabei ist ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen. Das von den Parteien nach Treu und Glauben jeweils zu tragende Risiko ergibt sich aus den getroffenen Regelungen und dem Zweck der tatsächlichen Verständigung sowie aus dem im Streitfall anzuwendenden Recht (für das Zivilrecht Palandt/ Grüneberg, a.a.O., § 313 Rz 19; Erman/L. Böttcher, BGB, 14. Aufl., § 313 Rz 19; MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 61 ff., 77, m.w.N.).
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dd) Liegen die vorstehenden Voraussetzungen vor und ist die Durchführung der tatsächlichen Verständigung unter Anpassung ihres Inhalts an die Verhältnisse tatsächlich oder rechtlich nicht möglich, zur Wiederherstellung der Geschäftsgrundlage ungeeignet oder einer der Parteien nicht zumutbar, kann die benachteiligte Partei ausnahmsweise von der Verständigung zurücktreten (vgl. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB; zum Rücktrittsrecht im Zivilrecht BGH-Urteile vom 30. September 2011 V ZR 17/11, BGHZ 191, 139, und vom 3. November 2015 II ZR 13/14, DStR 2015, 2857; Erman/L. Böttcher, BGB, a.a.O., § 313 Rz 44, 44b; MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 115, 117; Palandt/ Grüneberg, a.a.O., § 313 Rz 42; zum Rücktritt nach § 62 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. zur Kündigung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bei öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen BVerwG-Urteil vom 21. Januar 2015 9 C 1/14, BVerwGE 151, 171, m.w.N.; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 60 Rz 25, 30; Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 60 Rz 25b ff.). Ein Rücktrittsrecht kommt dabei vor allem in Betracht, wenn die Parteien gemeinschaftlich von einer irrigen Geschäftsgrundlage ausgegangen sind und anzunehmen ist, dass sie bei Kenntnis der Unrichtigkeit und bei verständiger Würdigung die Vereinbarung nicht getroffen hätten (vgl. für das Zivilrecht Erman/L. Böttcher, a.a.O., § 313 Rz 44b). In diesem Fall entfällt mit der Abgabe der Rücktrittserklärung die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung und der zwischen den Beteiligten streitige Sachverhalt ist so zu beurteilen, als wäre die Verständigung nicht getroffen worden.
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c) Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze vom Fehlen oder Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegen und die Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung entfallen ist, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen. Dabei hat es alle Indizien zu berücksichtigen und in eine Gesamtwürdigung einzubeziehen. Diese Feststellung ist als Frage der Tatsachen- und Beweiswürdigung vom Revisionsgericht nur daraufhin zu prüfen, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen in seine Beurteilung einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (§ 118 Abs. 2 FGO, z.B. BFH-Urteil vom 16. Februar 2016 IX R 28/15, BFH/NV 2016, 1006).
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3. Diesen Grundsätzen entspricht das angefochtene Urteil nicht; es ist daher aufzuheben. Unabhängig davon, ob zwischen den Beteiligten eine wirksame und mit zulässigem Inhalt abgeschlossene tatsächliche Verständigung vorgelegen hat, ist jedenfalls ihre Bindungswirkung mit der Rücktrittserklärung der Kläger nach den Grundsätzen über das Fehlen der Geschäftsgrundlage entfallen.
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Der Senat vermag dem FG nicht darin zu folgen, dass die Frage der möglichen verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit der getroffenen Festlegungen als unbeachtlicher einseitiger Motivirrtum der Kläger zu bewerten sei, der den Wegfall der Bindungswirkung der tatsächlichen Verständigung nicht rechtfertigen könne. Das FG hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass diese Verfahrensfrage ausschließlich der Risikosphäre der Kläger zuzuordnen sei, da das FA anders als die Kläger keinerlei Anlass gehabt habe, sich mit der Frage der Bestandskraft des Veranlagungszeitraums 2005 zu befassen. Diese Würdigung hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Das FG geht zwar zutreffend davon aus, dass in der Regel die nur von einer Partei gehegten Erwartungen hinsichtlich der künftigen Steuerlast nicht in den gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen werden sollen. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn --wie im Streitfall-- nach den Gesamtumständen das Verhalten der anderen Partei nicht nur als Kenntnisnahme, sondern als Einverständnis und Aufnahme der Erwartung in den gemeinschaftlichen Geschäftswillen zu werten ist (vgl. auch BFH-Vorlagebeschluss vom 6. November 2002 XI R 42/01, BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257). Kann der in der Verständigung von den Beteiligten gemeinschaftlich vorausgesetzte Zweck wegen der fehlenden Änderungsmöglichkeit der betroffenen Bescheide von vornherein nicht erreicht werden, ist bei verständiger Würdigung anzunehmen, dass die Beteiligten ohne den Irrtum die Festlegungen so nicht getroffen hätten.
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Maßgebend für die Beurteilung, ob die Änderbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung 2005 eine gemeinschaftliche Grundlage der Verständigung war, ist, dass der gemeinsame Geschäftswille beider Parteien --zumindest stillschweigend-- auf diesen Umstand gerichtet war. Insoweit hat das FG nicht hinreichend gewürdigt, dass nach dem Inhalt der Akten sowohl die Kläger als auch das FA beim Abschluss der tatsächlichen Verständigung von deren verfahrensrechtlicher Umsetzbarkeit ausgegangen sind und ihren gemeinsamen Willen darauf gerichtet haben. Dies folgt bereits daraus, dass die Beteiligten ausweislich der Niederschrift über den Erörterungstermin vom 16. Oktober 2013 unter Berücksichtigung des festgelegten Sachverhalts weiter darin übereingekommen waren, dass die Kläger dem FA die in der Niederschrift aufgegebenen Darlegungen und Unterlagen übermitteln sollten und dass nach Prüfung dieser Unterlagen ein Besprechungstermin zur Einkommensteuerveranlagung 2005 im FA stattfinden sollte. Eine inhaltliche Überprüfung der Unterlagen im Hinblick auf eine Verlustberücksichtigung im Veranlagungszeitraum 2005 macht jedoch nur Sinn, wenn auch das FA davon ausgegangen ist, dass die Einkommensteuerfestsetzung für 2005 grundsätzlich verfahrensrechtlich noch geändert werden konnte.
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b) Entgegen der Auffassung des FG hat sich im Streitfall weder lediglich das mit der Verständigung grundsätzlich verbundene Vertragsrisiko realisiert noch ist die Fehleinschätzung hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Umsetzbarkeit der Verständigung alleine dem Risikobereich der Kläger zuzuweisen. Dem steht nicht entgegen, dass den Klägern die von ihrem vormaligen Steuerberater erklärte Einspruchsrücknahme nach einer entsprechenden Akteneinsichtnahme hätte bekannt sein können. Zum einen besteht die Obliegenheit, sich vor Abschluss einer Verständigung über die mögliche Änderbarkeit eines betroffenen Einkommensteuerbescheids zu informieren, nicht nur für den Steuerpflichtigen, sondern gleichermaßen auch für das FA. Unterliegen zum anderen beide Parteien einer Fehleinschätzung hinsichtlich der rechtlichen Umsetzungsmöglichkeit der getroffenen Regelungen, ist diese nicht allein dem Verantwortungsbereich der hierdurch benachteiligten Partei zuzuweisen. Anders als das FG und das FA meinen, setzen die Ansprüche wegen beiderseitigen Irrtums auch nicht grundsätzlich voraus, dass die Fehlvorstellung auf Seiten des Anspruchstellers unverschuldet ist (vgl. zum Verschulden beim beiderseitigen Irrtum auch BGH-Urteil in BGHZ 191, 139 Rz 18). In diesem Zusammenhang hätte das FG zudem in seine Würdigung einbeziehen müssen, dass die Beteiligten die tatsächliche Verständigung im Rahmen des gerichtlichen Erörterungstermins getroffen haben, ohne dass im Vorfeld ein Anlass bestand, sich mit der Frage der Bestandskraft der nicht streitgegenständlichen Einkommensteuerfestsetzung 2005 zu befassen.
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c) Nach alledem liegen im Streitfall die Voraussetzungen für die Anwendung der Grundsätze vom Fehlen einer für beide Parteien rechtserheblichen Geschäftsgrundlage vor. Die erforderliche Würdigung kann der Senat auf der Grundlage der vom FG hinreichend getroffenen Feststellungen selbst vornehmen (vgl. BFH-Urteil vom 4. Oktober 2016 IX R 8/16, BFHE 255, 259, BStBl II 2017, 273). Eine Anpassung des Inhalts der Verständigung scheidet bereits deshalb aus, weil es hier um die zeitliche Zuordnung der den Auflösungsverlust begründenden Umstände geht. Es ist daher davon auszugehen, dass mit der Rücktrittserklärung die Bindungswirkung der Verständigung entfallen ist. Dass der Rücktritt zunächst hilfsweise erklärt worden ist, steht seiner Wirksamkeit nicht entgegen (vgl. auch MünchKommBGB/Finkenauer, a.a.O., § 313 Rz 121).
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4. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst beurteilen, ob der Auflösungsverlust wie von den Klägern vorgetragen im Streitjahr zu berücksichtigen ist. Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang ungeachtet der Ergebnisse der tatsächlichen Verständigung erneut zu beurteilen haben. In Bezug auf den Zeitpunkt der Verlustentstehung verweist der Senat auf seine Ausführungen im BFH-Urteil vom 10. Mai 2016 IX R 16/15 (BFH/NV 2016, 1681), wonach es insoweit maßgeblich darauf ankommt, dass der gemeine Wert des dem Gesellschafter zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens einerseits und die Liquidations- und (nachträglichen) Anschaffungskosten des Gesellschafters andererseits im Wesentlichen feststehen. Davon ist bei einer Auflösung der Gesellschaft infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig erst bei dessen Beendigung auszugehen (BFH-Urteil vom 13. Oktober 2015 IX R 41/14, BFH/NV 2016, 385), mithin wenn --in der Regel mit vollzogener Schlussverteilung-- eine weitere Zuteilung oder Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter ausgeschlossen werden kann. Auf die Einstellung des Verfahrens kommt es dagegen nicht an. Nur ausnahmsweise kann dafür auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden; so beispielsweise, wenn sich aus einer Zwischenrechnungslegung des Insolvenzverwalters die endgültige Bewertung des Schuldnervermögens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ergibt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 385).
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5. Da die Revision bereits in der Sache Erfolg hat, kommt es auf die geltend gemachten Verfahrensrügen nicht an.
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6. Der Senat sieht keinen sachlichen Grund, die Streitsache --wie von den Klägern beantragt-- an einen anderen Senat des FG zurückzuverweisen (§ 155 FGO i.V.m. § 563 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung). Da die Zurückverweisung an einen anderen Senat das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) berührt, setzt sie besondere sachliche Gründe voraus, um eine willkürfreie Ermessensausübung zu gewährleisten. So kommt die Zurückverweisung an einen anderen Senat in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Unvoreingenommenheit des erkennenden Senats des FG bestehen, der das angefochtene Urteil gesprochen hat (BFH-Urteile vom 28. Oktober 2015 X R 47/13, BFH/NV 2016, 171, und vom 10. Mai 2016 IX R 13/15, BFH/NV 2016, 1556). Von einer Zurückverweisung an einen anderen Senat ist insbesondere dann Gebrauch zu machen, wenn das Revisionsgericht aufgrund der besonderen Umstände befürchten muss, dass es dem Vordergericht schwerfallen wird, sich die rechtliche Beurteilung, die zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils führte, voll zu eigen zu machen (BFH-Urteil vom 10. November 1993 I R 68/93, BFH/NV 1994, 798).
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Hierfür liegen im Streitfall aber keine Anhaltspunkte vor. Da sich die Frage einer Zurückverweisung nur bei rechtsfehlerhafter Vorentscheidung stellt, kann die Zurückverweisung an einen anderen Senat des FG nicht mit der Unrichtigkeit des Urteils ("greifbare Rechtswidrigkeiten") begründet werden (BFH-Urteil in BFH/NV 2016, 171). Auch die von den Klägern angeführten Urteilspassagen reichen nicht aus, um auf eine unsachliche, unfaire oder voreingenommene Einstellung des FG den Klägern gegenüber schließen zu können.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen. Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen worden sind. Wird die Steuerhinterziehung dadurch begangen, dass ein anderer als der Steuerschuldner seine Verpflichtung, einbehaltene Steuern an die Finanzbehörde abzuführen oder Steuern zu Lasten eines anderen zu entrichten, nicht erfüllt, so ist dieser Zinsschuldner.
(2) Der Zinslauf beginnt mit dem Eintritt der Verkürzung oder der Erlangung des Steuervorteils, es sei denn, dass die hinterzogenen Beträge ohne die Steuerhinterziehung erst später fällig geworden wären. In diesem Fall ist der spätere Zeitpunkt maßgebend.
(3) Der Zinslauf endet mit der Zahlung der hinterzogenen Steuern. Für eine Zeit, für die ein Säumniszuschlag verwirkt, die Zahlung gestundet oder die Vollziehung ausgesetzt ist, werden Zinsen nach dieser Vorschrift nicht erhoben. Wird der Steuerbescheid nach Ende des Zinslaufs aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin entstandenen Zinsen unberührt.
(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.
(1) Auf die Zinsen sind die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, jedoch beträgt die Festsetzungsfrist zwei Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt:
- 1.
in den Fällen des § 233a mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer festgesetzt, aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt worden ist, - 2.
in den Fällen des § 234 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Stundung geendet hat, - 3.
in den Fällen des § 235 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Festsetzung der hinterzogenen Steuern unanfechtbar geworden ist, jedoch nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein eingeleitetes Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen worden ist, - 4.
in den Fällen des § 236 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer erstattet oder die Steuervergütung ausgezahlt worden ist, - 5.
in den Fällen des § 237 mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben ist, und - 6.
in allen anderen Fällen mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Zinslauf endet.
(2) Zinsen sind auf volle Euro zum Vorteil des Steuerpflichtigen gerundet festzusetzen. Sie werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 Euro betragen.
(3) Werden Besteuerungsgrundlagen gesondert festgestellt oder wird ein Steuermessbetrag festgesetzt, sind die Grundlagen für eine Festsetzung von Zinsen
- 1.
nach § 233a in den Fällen des § 233a Absatz 2a oder - 2.
nach § 235
(4) Werden wegen einer Steueranmeldung, die nach § 168 Satz 1 einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, Zinsen nach § 233a festgesetzt, so steht diese Zinsfestsetzung ebenfalls unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
(5) Die Festsetzung von Zinsen nach § 233a hat Bindungswirkung für Zinsfestsetzungen nach den §§ 234, 235, 236 oder 237, soweit auf diese Zinsen nach § 233a festgesetzte Zinsen anzurechnen sind.
(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,
- 1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen, - 2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen, - 3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen, - 4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen, - 5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben, - 6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder - 7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.
(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.
(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.