Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Juni 2017 - 9 C 8/16

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2017:290617U9C8.16.0
bei uns veröffentlicht am29.06.2017

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer kommunalen Wettbürosteuer.

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Nachdem die Wettbürosteuersatzung der Stadt Hagen mit Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales sowie des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 2014 genehmigt worden war, erließ auch die Beklagte am 8. Oktober 2014 eine "Vergnügungssteuersatzung für das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros)" (im Folgenden: VS bzw. Wettbürosteuersatzung). Die Satzung trat am 1. November 2014 in Kraft. Nach der Begründung der ihr zugrunde liegenden Ratsvorlage soll die Besteuerung den Zweck erfüllen, das Glücksspiel einzudämmen, da ordnungsbehördliche Maßnahmen nur begrenzt dazu geeignet seien. Zudem seien der Gesundheitsaspekt bezüglich der Suchtgefährdung sowie der Jugend- und Spielerschutz zu berücksichtigen. Durch die Einführung der neuen Steuer wurden Mehreinnahmen von jährlich bis zu ca. 800 000 € bei angenommenen 60 - 70 Steuerpflichtigen erwartet.

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Nach § 2 VS unterliegen der Besteuerung im Gebiet der Beklagten "das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals o.Ä.) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen". Steuerschuldner ist nach § 3 Abs. 1 VS der Betreiber des Wettbüros. Bemessungsgrundlage der Steuer ist nach § 4 Satz 1 VS "die Veranstaltungsfläche (qm) der genutzten Räume". Dabei gilt nach Satz 2 als Veranstaltungsfläche "die Fläche der für die Besucher bestimmten Räume einschließlich der Erfrischungsräume, aber ausschließlich der Kleiderablagen, Toiletten und ähnlicher Nebenräume sowie der Theken". Der Steuersatz beträgt nach § 5 VS "je angefangenen Kalendermonat für jede angefangenen zwanzig Quadratmeter Veranstaltungsfläche 250,00 Euro".

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Die Klägerin betreibt im Stadtgebiet der Beklagten eine Wettannahmestelle für den Wettveranstalter Tipico. In dem Lokal befinden sich mehrere Tische mit Sitzgelegenheiten und Bildschirme, auf denen zum Teil die Wettquoten angezeigt (Quotenmonitore), zum anderen Sportereignisse übertragen werden. Die Klägerin nutzt das Sportübertragungsangebot des Pay-TV-Anbieters SKY Deutschland. Bei den Sportübertragungen handelt es sich zum Teil um Aufzeichnungen, zum Teil um Liveausstrahlungen. Die Wettbedingungen sind die gleichen wie in Wettannahmestellen ohne Sportübertragungen oder im Internet. Tipico zahlt der Klägerin unabhängig von der Gestaltung der Annahmestelle einen prozentualen Anteil vom Hold als Provision, und zwar eine Basisprovision und eine erfolgsabhängige Sonderprovision, deren Höhe von dem erzielten Umsatz abhängt. Tipico verlangt für jeden Wetteinsatz eine "Gebühr" in Höhe von 5 % des jeweiligen Wetteinsatzes, die die Klägerin beim Wettkunden erheben muss (vgl. § 12 Nr. 1 des Vermittlungsvertrages mit Tipico). Hierbei handelt es sich um die Weitergabe der vom Wettveranstalter erhobenen (Bundes-)Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG.

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Mit Bescheid vom 12. Januar 2015 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Wettbürosteuer für das Jahr 2015 zunächst in Höhe von 18 000 € fest. Im Laufe des Klageverfahrens reduzierte sie den Betrag mit Bescheid vom 22. Mai 2015 - nunmehr ausgehend von einer Größe von 98 qm - auf 15 000 €. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit daraufhin hinsichtlich des Differenzbetrages von 3 000 € übereinstimmend für erledigt erklärt.

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Das Verwaltungsgericht stellte das Verfahren teilweise ein und wies die Klage im Übrigen mit Urteil vom 12. Juni 2015 ab. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 13. April 2016 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Es hielt die der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Satzungsbestimmungen für wirksam, ließ aber mit Rücksicht auf die abweichende Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Existenz eines steuerrelevanten Aufwands die Revision zu.

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Mit ihrer Revision macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Das Berufungsgericht überdehne den Begriff der Aufwandsteuer, indem es auch bei einer vollständig werbefinanzierten kostenlosen Leistung einen steuerbaren Aufwand annehme. Es fehle auch die örtliche Radizierung, da der einzig denkbare Aufwand, an den das Berufungsurteil anknüpfe, gegenüber einem bundes-, sogar weltweit tätigen Unternehmen erbracht werde. Die Steuer sei zudem gleichartig mit der bundesrechtlichen Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG und verstoße zudem gegen Art. 12 Abs. 1 GG, da sie erdrosselnd wirke. Weiterhin verstoße sie gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie die Vermittlung in reinen Wettannahmestellen ausnehme. Auch genüge sie nicht dem Abwälzbarkeitserfordernis und verstoße gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung.

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Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. April 2016 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 12. Juni 2015 zu ändern und den Steuerbescheid der Beklagten vom 12. Januar 2015, geändert durch Bescheid vom 22. Mai 2015, aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

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Sie verteidigt ihre Satzung und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegende Wettbürosteuersatzung der Beklagten ist rechtswidrig. Zwar geht das Oberverwaltungsgericht ohne Rechtsverstoß von einer örtlichen Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG aus (1.), die nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot (2.), den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (3.) und die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG (4.) verstößt, kalkulatorisch abwälzbar ist (5.) und auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Nichtbesteuerung von Wettannahmestellen (ohne Mitverfolgungsmöglichkeit) den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt (6.); zu einer gleichheitswidrigen Besteuerung führt allerdings der gewählte Flächenmaßstab (7.).

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Zur näheren Begründung wird hierzu im Urteil des Senats vom heutigen Tage im Parallelverfahren BVerwG 9 C 7.16 ausgeführt:

"1. Das Berufungsgericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass es sich bei der von der Beklagten erhobenen Wettbürosteuer um den Typus einer örtlichen Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG handelt.

a) Der Begriff der Aufwandsteuer wird im Grundgesetz nicht bestimmt, sondern vorausgesetzt. Aufwandsteuern sind Steuern auf die Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf, in der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zum Ausdruck kommt. Belastet werden soll der über die Befriedigung der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Aufwand, der Teil des persönlichen Lebensbedarfs und der persönlichen Lebensführung ist, und nur die in diesem Konsum zum Ausdruck kommende besondere Leistungsfähigkeit (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00 - BVerfGE 114, 316 <334>; stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 13; kritisch zu örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 18 Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern Rn. 119 ff.). Dabei ist der Aufwand "ein äußerlich erkennbarer Zustand, für den finanzielle Mittel verwendet werden" (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00 - BVerfGE 114, 316 <334>). Von wem und mit welchen Mitteln der Aufwand finanziert wird, ob er im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet oder welchen Zwecken er des Näheren dient, ist dabei unerheblich (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346 ff.>). Zweifel an der Tauglichkeit des Steuermaßstabs lassen den Typus der Abgabe und damit ihren Charakter als Aufwandsteuer unberührt, denn die Kompetenznormen des Grundgesetzes enthalten grundsätzlich keine Aussage zu diesen materiellen Fragen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <16 f., 35> und vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - NVwZ 2017, 1037 Rn. 127). Aufwandsteuern sind von Unternehmenssteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Eine Steuer, die gezielt auf den unternehmerischen Gewinn oder einen typisierend vermuteten unternehmerischen Gewinn zugreift statt auf die Einkommensverwendung, ist als Unternehmenssteuer einzuordnen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <16 f.> und vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - NVwZ 2017, 1037 Rn. 116).

b) Hiervon ausgehend liegt der Typus einer Aufwandsteuer, nicht aber der einer Unternehmenssteuer vor.

Zwar ist Steuergegenstand nach dem Wortlaut des § 2 VS das "Vermitteln und Veranstalten von Pferde- und Sportwetten" in Wettbüros, also die Tätigkeit des Wettbürobetreibers. Jedoch ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Wettbürosteuersatzung sowie dem Zweck, den sie nach der Begründung der ihr zugrunde liegenden Ratsvorlage hat, dass nicht der Gewinn des Wettbürobetreibers, sondern der Aufwand des Wettenden für das Wetten in einem Wettbüro besteuert werden soll. Danach entspricht die Wettbürosteuer dem herkömmlichen Bild der Vergnügungssteuer, nach dem die Steuer nicht bei dem Nutzer der Einrichtung oder Veranstaltung, dessen Aufwand besteuert werden soll, sondern beim Einrichtungsbetreiber oder Veranstalter als indirekte Steuer erhoben wird (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <16> sowie BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 22, jeweils zur Spielgerätesteuer). So wird die Wettbürosteuersatzung vom Satzungsgeber als Vergnügungssteuersatzung bezeichnet. Nach § 1 VS erhebt die Beklagte die Wettbürosteuer als örtliche Aufwandsteuer. Steuerschuldner ist gemäß § 3 Abs. 1 VS der Betreiber (Veranstalter) des Wettbüros. Schließlich ist sie nach der Begründung der Ratsvorlage ausdrücklich als indirekte Steuer ausgestaltet, bei der nicht der Wettende als der letztlich wirtschaftlich belastete Steuerträger, sondern der Betreiber des Wettbüros als Steuerschuldner die Steuer an die Steuerbehörde abführt.

Demgegenüber kann ein steuerrelevanter Aufwand nicht mit dem Argument verneint werden, die Mitverfolgungsmöglichkeit an den Monitoren sei in einem Wettbüro stets unentgeltlich, da kein Eintrittspreis verlangt werde (so aber VGH Mannheim, Urteil vom 28. Januar 2016 - 2 S 1019/15 - juris Rn. 56 und 71). Der Wortlaut des § 2 VS gibt für eine Aufteilung in zwei Einzelleistungen - den Wettabschluss und die Mitverfolgungsmöglichkeit der Wettereignisse - nichts her. Vielmehr soll das Wetten in einem Wettbüro, das sich durch die Ausstattung mit Monitoren von anderen Wettorten unterscheidet, als eine Art Gesamtvergnügungsveranstaltung besteuert werden. Dass das Betreten von Wettbüros kostenlos ist, gehört als Werbemaßnahme zum Geschäftskonzept; dies ändert aber nichts daran, dass bei dem im Wettbüro vermittelten Wettvorgang finanzielle Mittel eingesetzt werden und dies gerade der Grund für die Besteuerung ist (zum Gesamtcharakter einer Vergnügungsveranstaltung vgl. auch BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 3.03 - BVerwGE 120, 175 <180, 183>; ferner OVG Münster, Beschluss vom 26. August 2009 - 14 B 86/09 - juris Rn. 6).

Soweit das Oberverwaltungsgericht den besteuerten Aufwand über das Wetten hinaus in dem "Wettmehraufwand" sieht, der in einem Wettbüro aufgrund seiner die Wettleidenschaft befördernden Aufenthaltsqualität gegenüber einer reinen Wettannahmestelle erzielt wird, also in dem "gesteigert generierten Wettaufwand" (vgl. UA S. 21 f.), vermag der Senat dem mangels entsprechender Ansatzpunkte im Text der Wettbürosteuersatzung nicht zu folgen. Zwar ist das Revisionsgericht insoweit grundsätzlich an die Auslegung des Berufungsgerichts gebunden (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Das Bundesverwaltungsgericht ist aber dann zu einer eigenen Auslegung des Landesrechts befugt, wenn dessen Auslegung durch das Berufungsgericht unvollständig oder in sich widersprüchlich ist (stRspr, vgl. BVerwG, zuletzt Urteil vom 7. März 2017 - 9 C 20.15 - juris Rn. 20 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Die Auslegung ist unvollständig, weil das Oberverwaltungsgericht sein Verständnis des besteuerten Aufwands im Urteil nicht näher an Hand der Regelungen der Wettbürosteuersatzung begründet hat.

c) Es handelt sich bei der Wettbürosteuer auch um eine örtliche Aufwandsteuer. Sie knüpft an die Belegenheit des Wettbüros im Gemeindegebiet an, so dass der erforderliche örtliche Bezug gegeben ist. Dass der Wetteinsatz für einen außerhalb des Gemeindegebiets ansässigen Wettveranstalter entgegengenommen wird und der Wettvertrag zwischen Wettveranstalter und Wettkunde nach zivilrechtlichen Maßstäben möglicherweise außerhalb des Gemeindegebiets zustande kommt, ist für den örtlichen Bezug der Wettbürosteuer nicht von Relevanz. Hierdurch wird insbesondere kein die Wirtschaftseinheit berührendes Steuergefälle für die bundes- bzw. europaweit auftretenden Wettveranstalter bewirkt, wie dies von manchen Wettbürobetreibern geltend gemacht wird. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn die Wettveranstalter gezwungen wären, aufgrund der kommunalen Steuer ihre jeweiligen Wettquoten zu ändern. Das ist aber nicht der Fall. Denn die Steuer wird nicht bei ihnen, sondern bei dem örtlich tätigen Unternehmer erhoben, der sie ohne wesentliche Änderung seines Geschäftsmodells auf seine Kunden abwälzen kann (s. dazu näher unter 5.).

2. Das Oberverwaltungsgericht geht ebenfalls ohne Rechtsverstoß davon aus, dass die Satzung nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verstößt.

a) Nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG dürfen örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern nur erhoben werden, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Dieses Gleichartigkeitsverbot verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <124 f.>). Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG wurde mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 mit Wirkung zum 1. Januar 1970 in den finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzkatalog des Art. 105 GG eingefügt. Die Befugnis der Länder zur Regelung der herkömmlich, d.h. am 1. Januar 1970 bestehenden örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern sollte nicht angetastet werden. Für die herkömmlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern ist das Bundesverfassungsgericht deshalb davon ausgegangen, dass sie ohne weitere Prüfung als nicht gleichartig anzusehen sind (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <124 f.>; Beschlüsse vom 4. Juni 1975 - 2 BvR 824/74 - BVerfGE 40, 56 <64> und vom 26. Februar 1985 - 2 BvL 14/84 - BVerfGE 69, 174 <183>). Damit die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder (auch) für nach dem 1. Januar 1970 geschaffene neue Verbrauch- und Aufwandsteuern nicht leerläuft, muss davon ausgegangen werden, dass der Verfassungsgeber dem Begriff der Gleichartigkeit in Art. 105 Abs. 2a GG einen eigenständigen Inhalt gegeben hat, der von dem Inhalt des Begriffs abweicht, den das Bundesverfassungsgericht zur Abgrenzung der Zuständigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung verwendet.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, wie die Gleichartigkeit im Hinblick auf neue Steuern zu definieren ist, bisher offen gelassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist der eigenständige Inhalt des Gleichartigkeitsbegriffs nach Art. 105 Abs. 2a GG mit Blick auf die besondere Funktion der Norm zu bestimmen, die den Gemeinden das Steuerfindungsrecht erhalten sollte, aber gleichzeitig eine Steuer, die auf örtlicher Ebene Bundessteuern gleichkommt, ausschließt. Insbesondere soll nicht eine Gemeindeumsatzsteuer oder Ähnliches geschaffen werden dürfen (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 25 m.w.N.). Das bedeutet, dass die Merkmale der jeweiligen Aufwandsteuer mit der in Betracht kommenden Bundessteuer nach Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebungstechnik und den wirtschaftlichen Auswirkungen zu vergleichen sind. Erfüllt sie die Kriterien des herkömmlichen Gleichartigkeitsbegriffs, bedarf es einer umfassenden Bewertung aller Merkmale der jeweiligen Steuer. Dabei ist das kommunale Steuerfindungsrecht in den Blick zu nehmen, das nicht derart beschnitten werden darf, dass Gemeinden neue Steuern nicht erheben könnten. Denn ohne eine solche konkrete auf die jeweilige Steuer bezogene Bewertung würde die Umsatzsteuer als eine bundesrechtlich geregelte große Verbrauchsteuer jegliche auch noch so unbedeutende Besteuerung von Gütern und Dienstleistungen in Gemeinden von vornherein ausschließen (BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 a.a.O. Rn. 25).

b) Bei der Wettbürosteuer handelt es sich um eine neuartige Aufwandsteuer, bei der die Gleichartigkeit nicht ohne weitere Prüfung verneint werden kann.

Die Maßstäbe hierfür entsprechen denen für die Genehmigungspflicht nach dem hier einschlägigen Landesrecht. Nach § 2 Abs. 2 KAG NRW bedarf eine Satzung, mit der eine im Land nicht erhobene Steuer erstmalig oder erneut eingeführt werden soll, zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Innenministeriums und des Finanzministeriums. Mit der Wettbürosteuer wurde eine solche neuartige, genehmigungspflichtige Vergnügungssteuer eingeführt. Zwar ist in Nordrhein-Westfalen das Vergnügungssteuergesetz durch Gesetz vom 26. November 2002, GVBl. NRW 559, aufgehoben worden, so dass es nunmehr Sache jeder einzelnen Gemeinde ist zu entscheiden, ob und für welche Steuergegenstände sie eine Vergnügungssteuer erheben will. Daraus sowie aus dem Umstand, dass in § 3 Abs. 2 Satz 2 KAG NRW die Steuerart "Vergnügungssteuer" genannt wird, kann nach der hierfür maßgeblichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts wegen des weiten Begriffs der "Vergnügung" allerdings nicht gefolgert werden, dass alle als Vergnügung qualifizierbaren menschlichen Verhaltensweisen durch die Gemeinden als herkömmliche Steuer ohne Einholung einer Genehmigung besteuert werden können. Vielmehr ist zur Abgrenzung, ob eine Steuer in Nordrhein-Westfalen neu eingeführt (oder wieder eingeführt) wird, im Einzelfall zu untersuchen, ob ein bereits besteuerter Gegenstand lediglich neu umschrieben, erweitert oder modifiziert wird - dann liegt keine genehmigungspflichtige neue Steuer vor - oder ob die Steuer an einen neuen Steuergegenstand anknüpft, was die Genehmigungspflicht zur Folge hat (OVG Münster, Urteil vom 18. Juni 2009 - 14 A 1577/07 - juris Rn. 25 ff., zur neuartigen Besteuerung sexueller Vergnügungen in Bars, Bordellen, Swinger-Clubs oder ähnlichen Einrichtungen; vgl. zur bloßen Veränderung bzw. Fortentwicklung einer herkömmlichen Steuer demgegenüber BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. März 1997 - 2 BvR 1599/89 - NVwZ 1997, 573 = juris Rn. 49). Diese Abgrenzung lässt sich auf den hier in Rede stehenden Zusammenhang übertragen. Daran gemessen regelt eine Satzung, die erstmals das Wetten in näher beschriebenen Räumen (Wettbüros) besteuert, eine neuartige Aufwandsteuer.

c) Das Oberverwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung der obenstehenden Grundsätze zur Gleichartigkeitsprüfung einen Verstoß gegen das Gleichartigkeitsverbot mit Blick auf die Pferdewetten- und die Sportwettensteuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz, die Konzessionsabgabe des Wettveranstalters nach § 4d des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) vom 15. Dezember 2011 (GV. NRW. 2012, 524, 535) sowie die den Wettvermittler treffende Umsatzsteuer verneint. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, insbesondere ist die Wettbürosteuer - jedenfalls bei dem hier konkret gewählten Flächenmaßstab von 250 € je angefangenen Kalendermonat für jede angefangenen 20 Quadratmeter Veranstaltungsfläche - nicht mit der Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG gleichartig.

Durch das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten vom 29. Juni 2012 (BGBl. I S. 1424) wurde der II. Abschnitt des Rennwett- und Lotteriegesetzes um die Sportwetten ergänzt und in § 17 Abs. 2 die Sportwettenbesteuerung neu eingeführt. Danach unterliegen nun nicht nur Rennwetten nach Abschnitt I des Gesetzes einer Steuer von 5 v.H. des Wetteinsatzes (sog. Totalisator- und Buchmachersteuer, §§ 10, 11 RennwLottG), sondern auch alle sonstigen Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), wenn die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Die Steuer beträgt 5 v.H. des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes. Steuerschuldner ist bei den (sonstigen) Sportwetten der Veranstalter (§ 19 Abs. 2 Satz 1 RennwLottG).

Zwar greifen sowohl die Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG als auch die von der Beklagten erhobene Wettbürosteuer auf die Leistungsfähigkeit des Wettenden zu, denn beide werden als indirekte Steuern erhoben und sollen die Wettenden als Steuerträger belasten. Auch wirken sich beide Steuern, wenngleich sie von unterschiedlichen Steuerschuldnern erhoben werden, nämlich von den Wettveranstaltern bei der Sportwette und den Wettvermittlern bei der Wettbürosteuer, wirtschaftlich in vergleichbarer Weise aus, da sie jeweils auf Abwälzbarkeit angelegt sind und deshalb im Regelfall zu einer Verteuerung der Leistung für den Wettenden führen. Dennoch bestehen erhebliche Unterschiede, die - gemessen an dem gegenüber Art. 72 Abs. 1 GG weniger strengen Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG - die Annahme einer finanzverfassungswidrigen Doppelbelastung ausschließen:

Beide Steuern unterscheiden sich zunächst im Steuermaßstab sowie in der Erhebungstechnik. Während die Sportwettensteuer den Einsatz der Wettenden besteuert und aufgrund einer bloßen Steuervoranmeldung erhoben wird (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 2 RennwLottG sowie § 31a der Ausführungsbestimmungen zum Rennwett- und Lotteriegesetz, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 29. Juni 2012, BGBl. I S. 1424 - RennwLottGABest), bemisst sich die Wettbürosteuer nach der Veranstaltungsfläche der genutzten Räume und wird durch einen Steuerbescheid festgesetzt (vgl. § 4 Satz 1 und § 7 Abs. 2 VS).

Entscheidender als diese eher rechtstechnischen Unterschiede kommt es jedoch auf die unterschiedliche Zielsetzung der Steuern und den hiermit zusammenhängenden Unterschied des Steuergegenstandes und des Kreises der Steuerschuldner an. Während die Erhebung der Sportwettensteuer als Verkehrsteuer auf die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 GG gestützt wird (BT-Drs. 17/8494 S. 8) und sich als die an die besondere Umsatzart angepasste Ausprägung der allgemeinen Umsatzsteuer auf der Endverbraucherstufe darstellt (vgl. Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 7 D. Steuern auf die Verwendung von Einkommen und Vermögen Rn. 103, § 18 Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern Rn. 80), soll mit der Wettbürosteuer als kommunaler Vergnügungssteuer nur ein eng begrenzter, spezifischer Ausschnitt des Wettgeschehens besteuert werden. Von ihr werden nur solche Wetten erfasst, die gerade in Wettbüros abgegeben werden, also in solchen Einrichtungen, bei denen die Sportereignisse auf Monitoren mitverfolgt werden können. Nur diese Form des Wettens qualifiziert die Beklagte als steuerpflichtiges Vergnügen, das sie besteuern will. Dabei verfolgt sie ausweislich der Ratsvorlage mit der Besteuerung ausdrücklich nicht nur Einnahme-, sondern auch örtliche Lenkungszwecke. Sie geht offensichtlich davon aus, dass gerade in Wettbüros aufgrund deren typischer Ausstattung mit Sitzgelegenheiten und Monitoren eine erhöhte Suchtgefahr besteht, die sie bekämpfen will. Dass die Beklagte darüber hinaus städtebauliche Zwecke verfolgen, etwa einem gewissen trading-down-Effekt von Wettbüros entgegenwirken will (vgl. hierzu Fickert/ Fieseler/Determann/Stühler, BauNVO, 12. Aufl. 2014, § 4a Rn. 23.69), hat sie demgegenüber weder in der Ratsvorlage noch schriftsätzlich erklärt. Dies kann für die Bewertung jedoch dahinstehen. Denn ausgenommen sind von der Wettbürosteuer jedenfalls Onlinewetten, die sowohl nach der Einschätzung des Gesetzgebers im Zusammenhang mit der Sportwettenbesteuerung (vgl. BT-Drs. 17/8494 S. 10) als auch nach Auskunft des Sportwettenverbandes nach wie vor den größten Marktanteil aller Sportwetten darstellen, sowie Wetten in Wettannahmestellen, die über keine Monitore zum Mitverfolgen von Sportereignissen verfügen. Dies belegt, dass die Wettbürosteuer der Beklagten nur einen begrenzten Teil des von der Sportwettensteuer erfassten Steuergegenstandes betrifft und an deren Aufkommen bei Weitem nicht heran reicht. Dabei berücksichtigt der Senat auch die in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll genommenen Erklärungen verschiedener Wettbürobetreiber zum Umfang der steuerlichen Belastung. So hat der Kläger angegeben, die steuerliche Belastung aus der Wettbürosteuer betrage für die unterschiedlichen, von ihm im Gemeindegebiet betriebenen Wettbüros zwischen 38 % und 56 % der Steuerlast aus der Sportwettensteuer. Die Kläger in den Parallelverfahren BVerwG 9 C 8.16 und 9 C 9.16 haben ähnliche Zahlen bestätigt bzw. den Anteil der Wettbürosteuer mit ca. 1,5 - 2 % des Umsatzes beziffert. Von einem unzulässigen Eingriff in die Steuerkompetenz des Bundes kann angesichts der zuvor beschriebenen Größenverhältnisse nicht die Rede sein.

3. Die Wettbürosteuer verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Dieser verlangt die Beachtung der bundesstaatlichen Grenzen und bei der Ausübung der jeweiligen Gesetzgebungskompetenz wechselseitig bundesstaatliche Rücksichtnahme. Konzeptionelle Entscheidungen des zuständigen Bundesgesetzgebers dürfen durch Entscheidungen eines Landesgesetzgebers nicht verfälscht werden. Insbesondere dürfen den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen (BVerfG, Urteile vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991, 2004/95 - BVerfGE 98, 106 <119> und vom 27. Oktober 1998 - 1 BvR 2306/96 u.a. - BVerfGE 98, 265 <301>; BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2012 - 9 CN 1.11 - BVerwGE 143, 301 Rn. 29, Beschluss vom 18. August 2015 - 9 BN 2.15 - Buchholz 401.69 Sonst. KommSteuern Nr. 1).

Das ist hier nicht der Fall. Zwar verfolgt der Bundesgesetzgeber insofern eine "gesetzgeberische Gesamtkonzeption", als er mit der im Jahre 2012 eingeführten Sportwettensteuer erklärtermaßen den neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder flankieren wollte und zu diesem Zweck einen niedrigen Steuersatz von 5 v.H. auf den Wetteinsatz vorgesehen hat, um den Wettveranstaltern im europäischen Vergleich eine adäquate Steuerbelastung zu sichern (a). Durch die Wettbürosteuer greift die Beklagte aber nicht in unzulässiger Weise in dieses Gesamtkonzept ein (b).

a) Durch den Glücksspielstaatsvertrag vom 15. Dezember 2011 ist das bisherige staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - normativ durch ein Konzessionssystem ersetzt worden. Nunmehr können bundesweit bis zu 20 Konzessionen vergeben werden. Die Konzessionserteilung wird "nach Aufruf zur Bewerbung und Durchführung eines transparenten, diskriminierungsfreien Auswahlverfahrens erteilt". Durch die Experimentierklausel soll eine bessere Erreichung der Ziele des § 1 GlüStV erprobt werden, zu denen gleichrangig u.a. eine wirksame Suchtbekämpfung, der Jugend- und Spielerschutz, aber auch die Schaffung einer begrenzten legalen Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel gehören, um den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken und der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken (vgl. zum Vorstehenden § 10a i.V.m. § 1 und § 4b Abs. 1 GlüStV). Von der Konzession, die die Veranstaltung von Sportwetten betrifft, ist die einzelne Wettvermittlungsstelle zu unterscheiden. Deren Zahl wird nach § 10a Abs. 5 GlüStV durch die Länder begrenzt. Hierdurch soll eine gleichmäßige Verteilung der begrenzten Wettvermittlungsstellen auf alle Konzessionsnehmer gewährleistet werden (vgl. LT-Drs. NRW 16/17 S. 34). Wettvermittlungsstellen im vorgenannten Sinne sind besondere Geschäftsräume der Konzessionsnehmer, in denen ausschließlich Sportwetten als Hauptgeschäft vermittelt werden; ihre Anzahl wird in Nordrhein-Westfalen auf 920 begrenzt, vgl. § 13 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung des Glücksspielstaatsvertrages - AG GlüStV NRW - vom 13. November 2012 (GV. NRW. S. 524) sowie § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 der Glücksspielverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen - GlüSpVO NRW - vom 11. Dezember 2008 i.d.F. vom 16. Juli 2013 (GV. NRW. S. 483).

Der Bundesgesetzgeber wollte mit der im Jahre 2012 eingeführten Sportwettensteuer (s.o. unter 2 c) ausdrücklich eine flankierende Regelung zum neuen Glücksspielstaatsvertrag der Länder treffen. Mit Blick auf die Experimentierklausel, die die Erteilung einer begrenzten Anzahl von Konzessionen an in- und ausländische Wettanbieter ermögliche, sei es geboten, das Steuerrecht für sämtliche Sportwetten zu öffnen. Dabei sei es ohne Bedeutung, ob die Sportwette ortsgebunden oder durch ein anderes Medium, insbesondere über das Internet, erfolge (vgl. BT-Drs. 17/8494 S. 1 und 8). Die Senkung des ursprünglich vorgesehenen deutlich höheren Steuersatzes von 16 2/3 v.H. auf 5 v.H., die insbesondere aufgrund der Kritik der EU-Kommission erfolgte, wird im Gesetzesentwurf ausführlich begründet (vgl. BT-Drs. 17/8494 S. 9 sowie Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Dissertation, Münster, 2015, S. 110 f.): Der ermäßigte Satz sei geboten, um im europäischen Vergleich eine adäquate Steuerbelastung zu sichern und eine Überführung des bisherigen illegalen Wettangebots in die Legalität und damit unter die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Glücksspielstaatsvertrages zu fördern. Der ermäßigte Steuersatz sei die Folge der im Glücksspieländerungsstaatsvertrag vorgesehenen konzessionierten Öffnung des Glücksspielmarktes für Sportwetten. Dieser Öffnung liege die Erwägung zugrunde, dass es im Bereich der Sportwetten, insbesondere im Bereich der illegalen Wettangebote ausländischer Wettanbieter, nicht in dem avisierten Umfang erreicht worden sei, die natürliche Spielleidenschaft der Bürger unter staatliche Kontrolle zu nehmen. Das Konzessionsverfahren ermögliche nun eine Regulierung. Anders als beim staatlichen Lotterieangebot, das mit einem Regelsteuersatz von 20 v.H. besteuert werde, sei die Wettbewerbssituation durch die Internationalisierung des Sportwettenbereichs derart ausgeprägt, dass eine Kanalisierung des Spielangebots im Inland nur mit einem abgesenkten Steuersatz möglich sei. Der geringere Steuersatz für Sportwetten sei gerechtfertigt, da er einem Gemeinwohlinteresse diene (Überführung des derzeit vorhandenen illegalen Marktes für Sportwetten in die Legalität) und zu diesem Zweck geeignet, erforderlich und insgesamt verhältnismäßig sei.

b) In dieses Gesamtkonzept des Bundesgesetzgebers (Sportwettenbesteuerung zur Flankierung des Glücksspielstaatsvertrages) greift die Beklagte mit ihrer Wettbürosteuer nicht in unzulässiger Weise ein.

aa) Ein solcher Eingriff kann entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts allerdings nicht schon allein damit verneint werden, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages zur zeitlich begrenzten Zulassung von Sportwetten durch konzessionierte private Wettanbieter nach der Experimentierklausel des § 10a GlüStV "gegenwärtig nicht praktiziertes Recht" sind (vgl. UA S. 32 ff.). Zwar trifft diese Einschätzung durchaus zu; das geplante Konzessionierungsverfahren muss nicht zuletzt angesichts der klaren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der Zweifel an der Transparenz des Auswahlverfahrens geäußert hat, tatsächlich als gescheitert betrachtet werden (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14 [ECLI:EU:C:2016:72] - Rn. 55 ff. sowie Deiseroth/Eggert, GewArch 2017, 89 ff. und Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Dissertation, Münster, 2015, S. 52 ff., jew. m.w.N.). Dies gilt jedoch nicht für die Sportwettenbesteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz. Das Gesetz sieht zur Herstellung einer Besteuerungsgleichheit und zugleich zur Vermeidung eines Vollzugsdefizits Aufzeichnungs-, Offenbarungs- und Mitteilungspflichten vor (vgl. §§ 20, 26 und 27 RennwLottG sowie BT-Drs. 17/8494 S. 10); in der Anwendung des Gesetzes sind keine grundlegenden Vollzugsdefizite erkennbar (vgl. hierzu etwa Brüggemann, a.a.O. S. 244 ff. sowie Endbericht des Landes Hessen zur Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrages, Stand 10. April 2017, S. 32).

Im Übrigen darf eine Gemeinde aber auch dann nicht durch Lenkungsmaßnahmen und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich des Bundesgesetzgebers eingreifen, wenn sie dessen Gesamtkonzeption als defizitär erachtet. Vielmehr ist es dann dessen Sache, entweder sein Regelungskonzept aufzugeben oder "nachsteuernde" Maßnahmen zu ergreifen.

bb) Im Ergebnis hat das Oberverwaltungsgericht aber zu Recht angenommen, dass die Beklagte durch die Wettbürosteuer nicht in unzulässiger Weise in die vom Bundesgesetzgeber mit der Sportwettenbesteuerung verfolgten Ziele eingreift.

Dabei geht es zunächst zutreffend davon aus, dass die Besteuerung durch die Beklagte nicht den Zielen in § 1 Nr. 1 und 2 GlüStV, die - wie oben erläutert wurde - durch die Sportwettenbesteuerung flankiert werden sollte, zuwider läuft. Gleichrangige Ziele des Staatsvertrages sind - wie oben ebenfalls bereits ausgeführt - die Bekämpfung der Spielsucht einerseits und die Überführung des Glücksspielangebots in einen legalen Markt andererseits. Dem erstgenannten Ziel läuft die Wettbürosteuer ersichtlich nicht zuwider. Dass auch kein Widerspruch zum zweiten Ziel besteht, begründet das Oberverwaltungsgericht damit, dass der Wettbürosteuer keine erdrosselnde Wirkung zukomme, so dass sie nicht die Existenz eines begrenzten legalen Glücksspielangebots gefährde. Im Übrigen werde weder im Glücksspielstaatsvertrag noch im nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetz speziell das Glücksspielangebot in Wettbüros geschützt. Vielmehr werde lediglich ein legaler Bestand von Wettvermittlungsstellen vorgesehen. Soweit geltend gemacht werde, der Landesgesetzgeber wünsche Wettbüros wegen der dort im Gegensatz zum anonymen Wetten im Internet ausgeübten sozialen Kontrolle, habe sich dies nicht in einem Normbefehl des Glücksspielrechts niedergeschlagen, erst Recht nicht im Sinne des Ausschlusses einer Besteuerung von Wettbüros. Der Senat schließt sich dieser Argumentation im Ergebnis an. Insbesondere kann aus § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 GlüSpVO NRW nichts Gegenteiliges gefolgert werden (a.A. Birk, Rechtsgutachten zur rechtlichen Zulässigkeit der kommunalen Wettbürosteuer, 5. November 2014, S. 31 f.). Danach sind Wettvermittlungsstellen ausschließlich auf die Vermittlung von Sportwetten beschränkt, während staatliche Anbieter wie die Westdeutsche Lotterie GmbH & Co. OHG (WestLotto) auf Antrag auch im Nebengeschäft Sportwetten vermitteln dürfen. Zwar kann hieraus geschlossen werden, dass in erster Linie reine Wettvermittlungsstellen, wie die hier in Rede stehenden Wettbüros, die Versorgung der Bevölkerung mit konzessionierten Sportwetten sicherstellen sollen. Zugleich ist aber zu beachten, dass es hierbei - wie das Oberverwaltungsgericht der Sache nach zutreffend annimmt - nur um eine Art "Grundversorgung" gehen soll. Denn neben der räumlichen Beschaffenheit und Nutzung werden sowohl die Zahl als auch das Einzugsgebiet der Wettvermittlungsstellen streng reglementiert (vgl. § 10a Abs. 5 GlüStV sowie § 13 Abs. 3 Satz 1 AG GlüStV NRW). Es dürfen nicht mehr Wettvermittlungsstellen unterhalten werden als zur besseren Erreichung der Ziele nach §§ 1, 10a Abs. 5 GlüStV und zur Sicherstellung eines ausreichenden Glücksspielangebots im Sinne von § 10 Abs. 1 GlüStV erforderlich sind (§ 13 Abs. 3 Satz 2 AG GlüStV NRW). Hiermit sollen die Erkenntnisse aus dem Evaluierungsbericht der Glücksspielaufsichtsbehörden vom 1. September 2010, der Suchtforschung und der Rechtsprechung aufgenommen werden. Nach dem genannten Bericht weisen insbesondere Livewetten ein deutlich höheres Suchtpotential auf als Oddset Sportwetten. Gerade bei Jugendlichen entwickele sich ein Trend hin zu den Wettbüros, die regelmäßig darauf angelegt seien, Kunden zum Verweilen einzuladen und zum Wetten zu animieren; diese seien daher der Suchtbekämpfung abträglich (vgl. zum Vorstehenden LT-Drs. 16/17 S. 41 f.).

Ähnliche Erwägungen gelten auch hinsichtlich der vom Bundesgesetzgeber mit der Sportwettensteuer verfolgten Zwecke, denn diese sind eng mit den glücksspielrechtlichen Regelungen verknüpft. Zwar sollte der ermäßigte Steuersatz - wie oben näher dargelegt wurde - attraktive Bedingungen schaffen, um eine Überführung des bisherigen illegalen Wettangebots in die Legalität und damit unter die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Glücksspielstaatsvertrages zu fördern. Dem widerspricht allerdings eine moderat bemessene Vergnügungssteuer, die - gewissermaßen zur "örtlichen Feinsteuerung" - auf einen ausgewählten Teil der Sportwetten erhoben wird, nicht. Denn das neue Glücksspielrecht sieht gerade keine unbegrenzte Zulassung von Wettannahmestellen, sondern wegen ihrer besonderen Gefahren deren zahlenmäßige Beschränkung vor. Dass Wettbüros allein durch die Wettbürosteuer derart geschwächt werden, dass sich hierdurch die Gefahr eines Ausweichens von Wettkunden in die Illegalität ergibt, ist nicht ersichtlich und im Übrigen eine Frage der - noch zu erörternden - Erdrosselungswirkung der Steuer.

4. Auch hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG ist das Oberverwaltungsgericht von zutreffenden Maßstäben ausgegangen und hat diese ohne Rechtsverstoß angewandt.

Ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl liegt dann vor, wenn die Steuer ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach es in aller Regel unmöglich macht, den angestrebten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 - BVerfGE 31, 8 <29> und Kammerbeschluss vom 3. Mai 2001 - 1 BvR 624/00 - NVwZ 2001, 1264). Einer kommunalen Steuer kommt danach eine erdrosselnde Wirkung zu, wenn mit der Ausübung des in Rede stehenden Berufs in der Gemeinde infolge dieser Steuer nach Abzug der notwendigen Aufwendungen kein angemessener Reingewinn erzielt werden kann (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 - BVerfGE 31, 8 <22 f.> und vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <36 f.>). Der Betrachtung ist nicht der einzelne, sondern ein durchschnittlicher Betreiber im Gemeindegebiet zugrunde zu legen. Art. 12 GG gewährleistet keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung. Es ist daher zu ermitteln, ob der durchschnittlich zu erzielende Bruttoumsatz die durchschnittlichen Kosten unter Berücksichtigung aller anfallenden Steuern einschließlich eines angemessenen Betrages für Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn abdecken kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 17).

Soweit durch die Rechtsprechung des Senats zuletzt für den Beruf des Spielgerätebetreibers darauf hingewiesen wurde, dass dessen unternehmerischer Entscheidungsspielraum und die Möglichkeit der Abwälzung der Steuer auf den Kunden eingeengt sind, weil gerade für diese Unternehmensbranche umfangreiche gewerbe- und glücksspielrechtliche Beschränkungen bestehen (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 18 m.w.N.; vgl. zu diesen Beschränkungen zuletzt BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 12 ff., zur Verfassungsmäßigkeit dieser Beschränkungen vgl. Rn. 118 ff.), lässt sich dies angesichts vergleichbarer Reglementierungen von Wettvermittlungsstellen ohne Weiteres auf den Betreiber eines Wettbüros übertragen.

Selbst wenn man dies zugrunde legt, hat der Kläger nicht substantiiert behauptet, dass die Einnahmen eines Wettbürobetreibers aus der Vermittlung von Sportwetten die durchschnittlichen Kosten nicht abdecken und kein angemessener Unternehmerlohn mehr verbleibt. Dem Oberverwaltungsgericht ist in seiner Einschätzung beizupflichten, dass angesichts des derzeitigen Booms von Wettbüros auch keine Tendenz zum Absterben dieser Branche erkennbar ist (im Ergebnis ebenso Birk, Rechtsgutachten zur rechtlichen Zulässigkeit der kommunalen Wettbürosteuer, 5. November 2014, S. 26 f.). Ebenso hat es ohne Rechtsverstoß darauf hingewiesen, dass Art. 12 Abs. 1 GG nicht deshalb verletzt ist, weil die Steuererhebung den auch verfolgten Lenkungszweck, die Wettleidenschaft der Bevölkerung einzudämmen, nicht erreichen könnte. Denn die Steuer rechtfertigt sich - unbeschadet eines Lenkungszwecks - allein schon aus der Absicht, Einnahmen zu erzielen (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b KAG i.V.m. § 3 Abs. 1 AO). Für eine allgemeine, unterhalb der Erdrosselungsgrenze liegende Schwelle einer unverhältnismäßig hohen Steuerbelastung ist kein Raum. Wirkt die Steuer nicht erdrosselnd, weil sie einem umsichtig handelnden durchschnittlichen Unternehmer die Möglichkeit belässt, einen angemessenen Gewinn zu erwirtschaften, ist sie in der Regel nicht unverhältnismäßig (BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 30).

5. Die Wettbürosteuer ist auch kalkulatorisch abwälzbar.

Für die Überwälzung der Steuerlast auf die Wettkunden genügt die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <22 f.> und vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - NVwZ 2017, 1037 Rn. 124; BVerwG, Urteile vom 10. Dezember 2009 - 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 28 und vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 33). Die Überwälzung der Steuerlast muss außerdem rechtlich und tatsächlich möglich sein. Ausgeschlossen wäre eine solche Überwälzbarkeit im Fall der Spielgerätesteuer etwa dann, wenn sich der Steuerbetrag zusammen mit den sonstigen notwendigen Kosten für den Betrieb der Geräte nicht mehr aus dem Spielereinsatz decken ließe und daher die Veranstalter zur Zahlung der Steuer ihre Gewinne aus anderen rentablen Betriebssparten verwenden müssten (sogenannte schräge Überwälzung; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 - BVerfGE 31, 8 <21 f.> und vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <36>). Die Voraussetzung einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit ist zumindest so lange gegeben, wie der Umsatz nicht nur den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 - BVerfGE 31, 8 <20> sowie vom 13. April 2017 - 2 BvL 6/13 - NVwZ 2017, 1037 Rn. 125).

Derartige Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens stehen dem Wettbürobetreiber zur Verfügung. Soweit er selbst Wetten abschließt, wie dies beim Kläger im vorliegenden Verfahren in geringem Umfang der Fall ist, kann er die Kosten unmittelbar in das vom Wettenden geforderte Entgelt einfließen lassen. Genauso handhaben es derzeit die meisten Veranstalter von Sportwetten hinsichtlich der Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG in Höhe von 5 v.H. des Wetteinsatzes; sie wälzen diese auf den Wettkunden ab (vgl. hierzu § 6<"Aufgeld"> des Geschäftsbesorgungsvertrages des Klägers mit dem Wettveranstalter Digibet sowie § 12 Nr. 1 des Vermittlungsvertrages mit Tipico im Parallelverfahren BVerwG 9 C 8.16).

Doch auch bei der - im wirtschaftlichen Vordergrund stehenden - Vermittlungsvariante stehen hinreichende Abwälzungsmöglichkeiten zur Verfügung. Zwar mag die Erhebung eines Eintrittspreises für das Betreten eines Wettbüros ausscheiden, weil hierdurch das Geschäftsmodell von Wettbüros aufgegeben werden müsste, das gerade auf dem kostenlosen Mitverfolgen von Sportereignissen beruht, um hierdurch einen Anreiz für das Wetten zu schaffen. Auch untersagt SKY, dem bislang Exklusivrechte für sämtliche Partien der 1. und 2. Bundesliga zustanden und deshalb eine entsprechend große Marktmacht zukam, nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen das Verlangen von Eintrittsgeldern "für die öffentliche Wahrnehmbarmachung" (Nr. 1.3 Satz 1 der AGB für Abonnentenvertrag für Gewerbekunden, abgerufen auf der Homepage von Sky unter http://business.sky.de). Dem Wettbürobetreiber stehen aber die beiden übrigen vom Bundesverfassungsgericht genannten Möglichkeiten der Abwälzung - Umsatzsteigerung sowie Senkung der sonstigen Kosten - zur Verfügung. Eine Kostensenkung kann etwa durch eine Verkleinerung der Geschäftsräume erfolgen, wie sie nach Einschätzung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung offenbar teilweise bereits in Reaktion auf den Flächenmaßstab erfolgt ist. Auch bei einem anderen Maßstab lassen sich mit Blick auf die Mietkosten hierdurch Kosten einsparen. Zur Umsatzsteigerung stehen dem Kläger die üblichen betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten, wie etwa Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung seines Ladenlokals sowie besondere Werbemaßnahmen, zur Verfügung. Diese sind auch durch die genannten glücksspiel- und gewerberechtlichen Beschränkungen nicht ausgeschlossen.

Im Übrigen ist für den Senat nicht ersichtlich, warum Wettbürobetreiber die kommunale Steuer nicht ganz oder teilweise auf den Wettkunden durch eine Art "Vermittlungsgebühr" überwälzen können, wie dies in Bezug auf die Sportwettensteuer üblich ist. Hierdurch würde das Geschäftsmodell - anders als bei der Erhebung eines Eintritts - nicht so grundlegend verändert, dass dies dem Betreiber nicht zugemutet werden könnte. Soweit gegen eine solche Überwälzung eingewandt wird, die Erhebung von Gebühren sei dem Wettbürobetreiber durch die aktuellen Vereinbarungen mit den Vermittlern untersagt, trifft dies so schon nicht zu, denn der Geschäftsbesorgungsvertrag des Klägers mit Digibet enthält zu dieser Frage keine Regelung, während der Vermittlungsvertrag mit dem Branchenführer Tipico im Parallelverfahren BVerwG 9 C 8.16 die Erhebung einer zusätzlichen Gebühr von den Kunden - wenngleich nur mit Zustimmung des Vermittlers - sogar ausdrücklich zulässt (vgl. § 2 Nr. 6 "Sonstige Gebühren"). Hiervon abgesehen kann es aber auch nicht allein darauf ankommen, was in den jeweiligen Verträgen geregelt ist, denn sonst könnte sich ein Unternehmer einer auf Abwälzbarkeit angelegten indirekten Steuer jederzeit durch Vertragsgestaltung entziehen. Mit zu berücksichtigen sind daher zumindest nicht fernliegende und ökonomisch vernünftige Möglichkeiten einer Vertragsänderung, die ein Unternehmer ggf. auch gegenüber einem Vertragspartner durchsetzen muss. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass auch Wettveranstalter ein Interesse daran haben, dass ihre Wetten weiterhin gut vermittelt werden.

Auch umsatzsteuerrechtliche Erwägungen sprechen nach Auffassung des Senats nicht grundsätzlich gegen die Erhebung einer solchen "Abwälzungsgebühr" vom Wettkunden. Nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sind die durch Vermittlung von Sportwetten erbrachten Leistungen des inländischen Unternehmens in der Regel nicht der deutschen Umsatzsteuer unterworfen, weil das Wettunternehmen, an das die Vermittlungsleistungen erbracht werden, seinen Sitz typischerweise im EU-Ausland (Gibraltar oder Malta) hat und es von dort aus betreibt. Damit ist der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistungsempfängers als Ort der Dienstleistung anzusehen (vgl. etwa FG Kassel, Urteil vom 20. Juli 2015 - 6 K 2429/11 - juris Rn. 38 ff., ebenso FG Saarbrücken, Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2014 - 1 K 1008/12 - juris Rn. 25). Dabei wird die Vermittlungsleistung als die Hauptleistung des Unternehmers angesehen. Die zusätzlich erbrachten Nebenleistungen, wie die Schaffung einer Infrastruktur gemäß den Vorgaben des Wettveranstalters, die treuhänderische Führung der Kasse, die ordentliche sonstige Ausstattung des Wettbüros usw. ordnen sich dieser Hauptleistung unter, denn sie dienen ausschließlich dazu, dass die eigentliche Vermittlungsleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch genommen werden kann (FG Saarbrücken, Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2014 a.a.O. Rn. 23). Hiervon ausgehend spricht einiges dafür, dass auch die Erhebung einer zusätzlichen Gebühr eine solche unselbständige Nebenleistung darstellt, die umsatzsteuerrechtlich das Schicksal der Hauptleistung teilt (FG Saarbrücken, Gerichtsbescheid vom 13. Oktober 2014 a.a.O. Rn. 23).

6. Es liegt schließlich auch kein Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG dadurch vor, dass die Satzung der Beklagten nur das Wetten in Wettbüros besteuert, nicht aber in Wettannahmestellen, in denen keine Möglichkeit der Mitverfolgung der Sportereignisse an Monitoren besteht.

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Für den Sachbereich des Steuerrechts verbürgt der allgemeine Gleichheitssatz den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten. Der Gesetzgeber hat dabei einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes und des Steuermaßstabs. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in der Regel Massenvorgänge des Wirtschaftslebens betreffen. Sie müssen, um praktikabel zu sein, Sachverhalte, an die sie dieselben steuerrechtlichen Folgen knüpfen, typisieren und dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen. Die wirtschaftlich ungleiche Wirkung auf die Steuerzahler darf allerdings ein gewisses Maß nicht übersteigen. Vielmehr müssen die steuerlichen Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Außerdem darf eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren. Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn für die gleiche Behandlung verschiedener Sachverhalte - bezogen auf den in Rede stehenden Sachverhalt und seine Eigenart - ein vernünftiger, einleuchtender Grund fehlt (stRspr, vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <19> und Kammerbeschluss vom 17. Februar 2010 - 1 BvR 529/09 - BVerfGK 17, 44 = juris Rn. 36). Geht es - wie hier - um eine Vergnügungssteuer als Unterfall der Aufwandsteuer, setzt allerdings das Wesen der Aufwandsteuer der Ausübung des Ermessens des Normgebers für die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Steuerpflicht Grenzen. Denn die Aufwandsteuer schließt eine wertende Berücksichtigung der mit dem getätigten Aufwand verfolgten Absichten und Zwecke aus. Allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist für die Aufwandsteuer maßgeblich (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <357>; Kammerbeschluss vom 17. Februar 2010 a.a.O. Rn. 37).

Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass für die Ausklammerung der reinen Wettannahmestellen ein vernünftiger Grund besteht. Der Satzungsgeber sieht das Wetten in Wettbüros als abgrenzbares, im Vergleich zu anderen Wettstellen gesondert steuerbares Vergnügen an. Seine Entscheidung kann wegen der oben beschriebenen besonderen Gefahren, die gerade von Livewetten in Wettbüros ausgehen, nicht als willkürlich angesehen werden. Dabei differenziert er auch nicht in unzulässiger Weise nach den mit dem getätigten Aufwand verfolgten Absichten und Zwecken. Vielmehr besteuert er sämtliche Wetten in Wettbüros und damit sämtliche Fälle des im Rahmen des Satzungsermessens definierten Vergnügens; er knüpft insoweit allein an den Konsum des Wettkunden an.

Dem Oberverwaltungsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der qualitative Unterschied zwischen Wettbüros einerseits, die nicht nur durch Monitore gekennzeichnet sind, sondern typischerweise durch Tische, Stühle und Getränke- sowie Snackautomaten über eine gewisse Aufenthaltsqualität verfügen, und reinen Wettannahmestellen auf der anderen Seite nicht dadurch verwischt wird, dass in letzteren auch auf anderen Wegen, etwa durch Smartphones oder Tablets, Wettereignisse mitverfolgt werden können. Denn der Satzungsgeber darf den typischen Fall als Leitbild wählen.

7. Die tragenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts in Bezug auf den Flächenmaßstab beruhen hingegen auf der Verletzung von Bundesrecht. Mit diesem Maßstab sind gravierende Abweichungen von dem wirklichen Vergnügungsaufwand der Wettkunden verbunden. Da mit dem Wetteinsatz ein praktikabler Wirklichkeitsmaßstab zur Verfügung steht, verletzt der in der Satzung gewählte Flächenmaßstab die Steuergerechtigkeit (Art. 3 Abs. 1 GG).

Eine Aufwandsteuer muss eine Bemessungsgrundlage wählen, in der der Aufwand sachgerecht erfasst wird. Für eine Vergnügungssteuer ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab. Lässt sich dieser nicht oder kaum zuverlässig erfassen, kommen Ersatzmaßstäbe in Betracht, wobei diese allerdings einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich machen müssen, indem sie einen zumindest lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand aufweisen (stRspr, vgl. nur BVerfG, Urteil vom 10. Mai 1962 - 1 BvL 31/58 - BVerfGE 14, 76 <93> sowie Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <16 ff., 23>; stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 22, jeweils zur Spielgerätesteuer). Dem entsprechend verstößt etwa die Verwendung des Stückzahlmaßstabs für die Besteuerung von Gewinnspielautomaten unter den heutigen technischen Gegebenheiten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG; als wirklichkeitsnähere Maßstäbe sind stattdessen der Spieleinsatz oder das Einspielergebnis anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2009 - 1 BvL 8/05 - BVerfGE 123, 1 <26>; BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 - 9 CN 1.09 - BVerwGE 137, 123 Rn. 15).

Dies zugrunde gelegt, hätte die Beklagte in ihrer Satzung als Bemessungsgrundlage nicht den Flächenmaßstab wählen dürfen. Vielmehr bildet für eine Vergnügungssteuer in Gestalt einer Wettbürosteuer der Wetteinsatz den sachgerechtesten Maßstab. Das Oberverwaltungsgericht stützt sich für seine gegenteilige Auffassung auf zwei Argumente: Es gehe um den "gesteigerten Wettaufwand" in einem Wettbüro, der sich nur schätzen, nicht aber an Hand der Wetteinsätze beziffern lasse. Auch hiervon abgesehen müsse aus Praktikabilitätserwägungen nicht auf den Wetteinsatz abgestellt werden, denn die Erfassung der getätigten Wetteinsätze erscheine zwar grundsätzlich möglich, sei aber mit beträchtlichen Unsicherheiten belastet. So wäre der Steuergläubiger beim Schaltergeschäft darauf angewiesen, dass die getätigten Wetteinsätze ordnungsgemäß verbucht würden; die alternativ verwendeten Geräte (Terminals) müssten manipulationssicher auslesbar sein, was jedenfalls ausweislich der eingeholten Auskunft des Hessischen Ministeriums der Finanzen gegenwärtig nicht gewährleistet sei. Auch stelle die Feststellung der Provision eine nur mittelbare Erkenntnis dar, aus der sich nur über "keinesfalls einfache Rechenoperationen" auf den Wetteinsatz schließen lasse. Angesichts des Verwaltungsaufwands und der Unsicherheiten der Feststellung der Einsätze habe die Beklagte dem einfach handzuhabenden Flächenmaßstab den Vorzug geben dürfen.

Die erste Erwägung trägt schon deshalb nicht, weil sie von einem unzutreffenden Ansatz ausgeht. Besteuert wird der Aufwand für die in einem Wettbüro abgegebene Wette, nicht aber ein fiktiv angenommener "gesteigerter Aufwand", der kalkulatorisch geschätzt werden darf (s.o. zum Typus einer Aufwandsteuer). Die dem Flächenansatz zugrunde liegende Annahme "mehr Fläche, mehr Kunden, also mehr Aufwand" wird im Übrigen auch bei einem am Wetteinsatz orientierten Maßstab berücksichtigt, allerdings deutlich wirklichkeitsnäher.

Aber auch hinsichtlich der Praktikabilitätserwägungen vermögen die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zu überzeugen: Sämtlichen Wettbürobetreibern Manipulationen bei den Schaltergeschäften bzw. ihren Wettterminals zu unterstellen, ist ein ungerechtfertigter Verdacht "ins Blaue hinein"; auch die Auskunft des Hessischen Ministeriums der Finanzen bietet hierfür keine Anhaltspunkte. Schwierige Rechenoperationen ergeben sich nicht, denn die im Wettbüro ausgestellten Belege weisen schon jetzt regelmäßig den Wetteinsatz sowie die darauf entfallende "Gebühr" in Höhe von 5 % Sportwettensteuer aus. Hiervon ausgehend lässt sich ohne Weiteres eine weitere Steuer auf den Wetteinsatz berechnen. Im Übrigen sieht die Abgabenordnung verschiedene Wege vor, die die Gemeinde zur Begrenzung ihres Verwaltungsaufwands nutzen kann. So kann sie dem Steuerpflichtigen z.B. eine Steueranmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck vorschreiben, bei der dieser die Steuer selbst zu berechnen hat (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KAG NRW i.V.m. § 150 Abs. 1 Satz 3 AO). Gegen die Praktikabilitätsbedenken spricht schließlich auch der Umstand, dass auch die Sportwettensteuer nach § 17 Abs. 2 RennwLottG an Hand des Wetteinsatzes erhoben wird, ohne dass insoweit ein Vollzugsdefizit vorliegt. Von daher drängt es sich geradezu auf, dass dieser Maßstab auch für die kommunale Steuer praktikabel ist."

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tenor

Das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 1804), zuletzt geändert durch Artikel 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (Bundesgesetzblatt I Seite 1474), ist mit Artikel 105 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 106 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Gründe

A.

1

Das konkrete Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1804), zuletzt geändert durch Artikel 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474), mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den grundgesetzlichen Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz, vereinbar ist.

I.

2

1. Das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) vom 8. Dezember 2010 wurde vom Bundestag am 28. Oktober 2010 verabschiedet. Der Bundesrat beschloss in seiner Sitzung am 26. November 2010, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen (BRDrucks 687/10, S. 1).

3

Zur Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzes ist dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Folgendes zu entnehmen (BTDrucks 17/3054, S. 5):

Die Haushaltskonsolidierung des Bundes erfordert die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen. Dazu soll eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen erhoben werden. Das Aufkommen soll ohne Zweckbindung dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung stehen.

Der Bund hat gemäß Atomgesetz Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Nach dem Verursacherprinzip werden die Kosten der Errichtung, des Betriebs und der Stilllegung von Anlagen durch die Abfallverursacher der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand entsprechend ihres Anteils an der Abfallmenge refinanziert. Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II trägt nach § 57b Absatz 1 Satz 3 des Atomgesetzes ausschließlich der Bund. Die Erträge aus der Steuer sollen vor dem Hintergrund der notwendigen Haushaltskonsolidierung auch dazu beitragen, die hieraus entstehende Haushaltsbelastung des Bundes zu verringern.

4

a) Das Kernbrennstoffsteuergesetz trat am 1. Januar 2011 in Kraft (§ 13 KernbrStG). Danach unterlag Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, der Besteuerung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KernbrStG). Bei der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine "Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KernbrStG). Steuerschuldner waren die Betreiber von Kernkraftwerken (vgl. § 5 Abs. 2 i.V.m. § 2 Nr. 6 KernbrStG).

5

b) Die Kernbrennstoffsteuer war als Anmeldesteuer konzipiert. Die Steuerschuldner hatten für Kernbrennstoff, für den die Steuer entstanden war, bis zum 15. Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen (§ 6 Abs. 1 KernbrStG). Die Steuer entstand dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt wurden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wurde (§ 5 Abs. 1 KernbrStG). Das Gesetz war auf Besteuerungsvorgänge anzuwenden, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde (§ 12 KernbrStG). Die Steuer betrug für ein Gramm Kernbrennstoff einheitlich 145 Euro (§ 3 KernbrStG).

6

c) Zu Beginn des Jahres 2011 gab es bundesweit 17 Kernkraftwerke, die von vier Energieversorgungsunternehmen und ihren Betreibergesellschaften betrieben wurden (BTDrucks 17/3054, S. 2, 6). Nach Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl I S. 1704) waren im Steuergebiet insgesamt noch neun Kernkraftwerke in Betrieb. Seit Ende Juni 2015 befindet sich das im Ausgangsverfahren streitgegenständliche Kernkraftwerk G. dauerhaft im Nichtleistungsbetrieb; somit sind aktuell bundesweit acht Kernkraftwerke am Netz, die von drei Energieversorgungsunternehmen und ihren Betreibergesellschaften betrieben werden.

7

d) Die Steuereinnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer betrugen für den Bundeshaushalt im Jahre 2011 922 Millionen Euro, im Jahre 2012 1.577 Millionen Euro, im Jahre 2013 1.285 Millionen Euro, im Jahre 2014 708 Millionen Euro, im Jahre 2015 1.371 Millionen Euro und im Jahre 2016 422 Millionen Euro, in der Summe mithin 6,285 Milliarden Euro (vgl. Statistisches Bundesamt [Destatis], Umweltschutzmaßnahmen - Gesamtaufkommen aus umweltbezogenen Steuern, abrufbar unter: https://www.destatis.de und Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Januar 2017, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de).

8

2. Das Kernbrennstoffsteuergesetz lautete in seinen wesentlichen Bestimmungen:

§ 1 Steuergegenstand, Steuergebiet

(1) 1 Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, unterliegt im Steuergebiet der Kernbrennstoffsteuer. 2 Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung.

(2) Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland.

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Gesetzes ist:

1. Kernbrennstoff:

a) Plutonium 239 und Plutonium 241,

b) Uran 233 und Uran 235,

auch in Verbindungen, Legierungen, keramischen Erzeugnissen und Mischungen;

2. Brennelement: aus einer Vielzahl von Brennstäben montierte Anordnung, in der der Kernbrennstoff im Kernreaktor eingesetzt wird;

3. Brennstab: geometrische Form, in welcher der Kernbrennstoff, ummantelt mit Hüllmaterial, im Kernreaktor eingesetzt wird;

4. Kettenreaktion: Prozess, bei dem Neutronen durch Spaltung von Kernbrennstoffen weitere Neutronen freisetzen, die wieder zur Spaltung von weiterem Kernbrennstoff führen;

5. Kernreaktor: geometrische Anordnung von Brennelementen beziehungsweise Brennstäben sowie anderen technischen Komponenten in einer Art, dass dort eine sich selbsttragende, kontrollierte Kettenreaktion stattfinden kann;

6. Betreiber: derjenige, der Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoff zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität ist.

§ 3 Steuertarif

Die Steuer für ein Gramm Plutonium 239, Plutonium 241, Uran 233 oder Uran 235 beträgt 145 Euro.

§ 4 Pflichten des Betreibers

(1) 1 Wer eine Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität betreibt, hat dies dem zuständigen Hauptzollamt unverzüglich anzumelden. 2 Das Hauptzollamt erteilt dem Betreiber einen schriftlichen Nachweis über die Anmeldung.

(2) … (5) …

§ 5 Entstehung der Steuer, Steuerschuldner

(1) 1 Die Steuer entsteht dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. 2 Der Austausch nachweislich defekter Brennstäbe führt nicht zur Steuerentstehung.

(2) Steuerschuldner ist der Betreiber.

§ 6 Steueranmeldung, Fälligkeit der Steuer

(1) 1 Der Steuerschuldner hat für Kernbrennstoff, für den die Steuer nach § 5 Absatz 1 entstanden ist, bis zum 15. Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). 2 Die Steuer, die in einem Monat entstanden ist, ist am 25. Tag des folgenden Monats fällig.

(2) 1 Für die Steuer, die in der Zeit vom 1. bis 18. Dezember entstanden ist, hat der Steuerschuldner bis zum 22. Dezember eine Steueranmeldung abzugeben. 2 Die Steuer wird am 22. Dezember fällig. 3 Für die Steuer, die in der Zeit vom 19. bis 31. Dezember entstanden ist, gilt Absatz 1 sinngemäß.

(3) Für die nach § 5 entstehende Steuer kann das Hauptzollamt im Voraus Sicherheit verlangen, wenn Anzeichen für eine Gefährdung der Steuer erkennbar sind.

§ 9 Zuständiges Hauptzollamt

1 Unbeschadet der Bestimmungen des § 27 der Abgabenordnung ist für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes das Hauptzollamt örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus die in den einzelnen Vorschriften jeweils bezeichnete Person ihr Unternehmen betreibt. 2 Für Unternehmen, die von einem Ort außerhalb des Steuergebiets betrieben werden, ist das Hauptzollamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sie erstmals steuerlich in Erscheinung treten.

§ 12 Anwendungsvorschrift

Das Gesetz ist auf Besteuerungsvorgänge anzuwenden, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde.

§ 13 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.

II.

9

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die P. GmbH (vormals E. GmbH, im Folgenden: Klägerin), setzte Brennelemente in den Reaktor des von ihr betriebenen Kernkraftwerks G. ein und löste am 16. Juni 2011 in diesem eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus. Die Brennstäbe enthielten insgesamt 664.466 Gramm Uran 235. Die Klägerin reichte gemäß § 6 Abs. 1 KernbrStG bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Hauptzollamt Hannover (im Folgenden: Beklagter), unter dem 8. Juli 2011 eine Steueranmeldung ein, in der sie anhand der Gesamtmenge des verwendeten Kernbrennstoffes einen Steuerbetrag in Höhe von 96.347.570 Euro errechnete, den sie an das Hauptzollamt abführte.

10

Am 12. Juli 2011 erhob die Klägerin beim Finanzgericht Hamburg (4 K 124/11) Sprungklage gegen die Steueranmeldung vom 8. Juli 2011. Aufgrund der fehlenden Zustimmung des Beklagten wurde die Klage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) als Einspruch behandelt, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16. November 2011 als unbegründet zurückwies.

11

Nachdem der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg (im Folgenden: Finanzgericht) auf den Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz die Vollziehung der streitgegenständlichen Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung wegen ernsthafter Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes aufgehoben hatte (Beschluss vom 16. September 2011 - 4 V 133/11 -, juris, Rn. 9), lehnte der Bundesfinanzhof im Beschwerdeverfahren den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unter Hinweis darauf ab, dass im Streitfall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der praktischen Auswirkung einem einstweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleichkäme (BFHE 236, 206).

12

Die Klägerin erhob am 30. November 2011 Klage (4 K 270/11) mit dem Antrag, die Steueranmeldung vom 8. Juli 2011 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2011 aufzuheben. Nach mündlicher Verhandlung am 29. Januar 2013 hat das Finanzgericht mit Beschluss desselben Tages das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist.

13

Im Ausgangsverfahren wiederholte die Klägerin ihren Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Kernbrennstoffsteueranmeldung, welcher vor dem Finanzgericht - unter Zulassung der Beschwerde zum Bundesfinanzhof - zunächst Erfolg hatte (Beschluss vom 11. April 2014 - 4 V 154/13 -, juris, Rn. 50, 128). Auf die Beschwerde des Beklagten hob der Bundesfinanzhof diese Entscheidung auf und versagte (erneut) die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BFHE 247, 182).

14

2. Das Finanzgericht hat seinen Vorlagebeschluss wie folgt begründet:

15

Die Kernbrennstoffsteuer sei als Steuer im Sinne des Grundgesetzes zu betrachten, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle.

16

a) Weil eine Zustimmung des Bundesrates zum Kernbrennstoffsteuergesetz nicht vorliege, könne die Prüfung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2, 1. Alt. in Verbindung mit Art. 106 GG auf die Steuern und Steuerarten beschränkt werden, für die das Grundgesetz dem Bund die alleinige Ertragskompetenz zuweise. Andernfalls wäre das Kernbrennstoffsteuergesetz schon wegen des Fehlens der Bundesratszustimmung verfassungswidrig.

17

Die Kernbrennstoffsteuer sei keine herkömmliche Verbrauchsteuer im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregeln und entspreche auch nicht dem Typus einer Verbrauchsteuer. Ein typusprägendes Merkmal von Verbrauchsteuern sei - auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Hamburgischen Spielgerätesteuer -, dass sie die Einkommensverwendung, also private Konsumenten, besteuerten. Im Falle der indirekten Besteuerung durch Erhebung der Steuer beim Lieferanten oder Hersteller sei daher Voraussetzung, dass diese auf Abwälzung auf den privaten Konsumenten angelegt sei.

18

b) Die Kernbrennstoffsteuer weiche in vielerlei Hinsicht von den Merkmalen herkömmlicher Verbrauchsteuern ab; insbesondere ziele sie nicht auf die Belastung privater Konsumenten. Deren Belastung könne nur über den unter Einsatz der besteuerten Kernbrennstoffe erzeugten elektrischen Strom (Atomstrom) erfolgen. Tatsächlich trete eine Belastung jedoch nicht ein und sei auch durch das Gesetz nicht intendiert. Der Umstand, dass in Deutschland der gesamte erzeugte Strom - unabhängig von etwaigen Subventionen für seine Erzeugung - zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen vermarktet, die Kernbrennstoffsteuer aber allein bei der Erzeugung von Atomstrom erhoben werde, schließe per se aus, dass es zu einer verbrauchsteuerlichen Belastung von privaten Konsumenten komme. Der Blick auf den Strommarkt bestätige diese Einschätzung. Die Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte des Kernbrennstoffsteuergesetzes belegten ebenfalls, dass die Kernbrennstoffsteuer von vornherein nicht auf die Belastung privater Konsumenten, sondern auf die Abschöpfung von Gewinnen der Kernkraftwerkbetreiber ziele. Zwar habe der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, zumal ihm der eher vage Verbrauchsteuerbegriff des Grundgesetzes, der auch die Erhebung von Steuern auf in der Produktion eingesetzte Güter umfassen könne, keine starren Grenzen setze, was in der Rechtsprechung etwa durch die Verwendung des Begriffs der kalkulatorischen Abwälzung zum Ausdruck komme. Im Normalfall möchten die weit gefasste kalkulatorische Abwälzbarkeit und der Umstand, dass das Unternehmen, bei dem eine Warensteuer erhoben werde, mit Gewinn arbeite, Indizien dafür sein, dass die Steuerlast letztlich den Konsumenten erreiche. Hiervon könne bei der Kernbrennstoffsteuer indes nicht ausgegangen werden. In der Kernbrennstoffsteuer sei eine Steuer zu sehen, die darauf angelegt sei, den jeweiligen Kraftwerkbetreiber endgültig mit dem größten Teil der erhobenen Kernbrennstoffsteuer zu belasten. Diese Belastung erfolge mittels eines besteuerten Guts, des Kernbrennstoffs, das nicht im Rahmen einer Einkommensverwendung und schon gar nicht privat verbraucht, sondern zum Zwecke der Einkommenserzielung durch das Produzieren von Strom genutzt werde. Die Steuer belaste den Kernkraftwerkbetreiber mithin planmäßig direkt als Produktionsunternehmen und stelle sich wirtschaftlich als eine Produktionssteuer dar, die gerade nicht darauf abziele, einen Konsumenten indirekt über das erzeugte Produkt zu belasten.

19

c) Der Bund habe auch keine sonstige Gesetzgebungskompetenz. Über die im Bereich der in Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 GG genannten Steuern - zu denen die Kernbrennstoffsteuer nicht gehöre - hinaus könne eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die sich an den allgemeinen Vorgaben des Art. 72 Abs. 2 GG zu orientieren habe, da Art. 105 Abs. 2 GG ohne Einschränkungen auf die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG verweise, nur angenommen werden, soweit man über den Begriff der übrigen Steuern ein allgemeines unbegrenztes Steuererfindungsrecht des Bundes begründen könne. Indes sei ein solches Steuererfindungsrecht nicht gegeben; anderenfalls bedürfe eine neu erfundene Steuer zumindest der Zustimmung des Bundesrates, an der es beim Kernbrennstoffsteuergesetz fehle.

20

d) Die Frage der Gültigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes sei für die Entscheidung über die anhängige Klage erheblich. Die angefochtene Steueranmeldung entspreche den Regelungen im Kernbrennstoffsteuergesetz. Im Falle der Gültigkeit des Gesetzes sei die Klage nach nationalem Recht ohne Weiteres abzuweisen. Verstoße das Kernbrennstoffsteuergesetz hingegen gegen das Grundgesetz und werde es deswegen, weil auch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erkennbar nicht bestehe, für ungültig erklärt, sei der Klage stattzugeben.

III.

21

Zur Vorlage des Finanzgerichts haben das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung, die Präsidenten des Bundesfinanzhofs, des Finanzgerichts Baden-Württemberg und des Finanzgerichts München sowie die Klägerin Stellung genommen. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat sowie die Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen haben von einer Stellungnahme ausdrücklich abgesehen; die übrigen Landesregierungen haben sich nicht geäußert.

22

1. Die Klägerin hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für formell und materiell verfassungswidrig.

23

a) Nach ihrer Auffassung fehlt dem Bund bereits die Gesetzgebungskompetenz.

24

aa) Der Bund habe - ungeachtet dessen, ob ihm überhaupt ein Steuererfindungsrecht zustehe - jedenfalls kein Steuererfindungsrecht hinsichtlich solcher Steuern, die im Rahmen der Körperschaftsteuer oder der Gewerbesteuer - also anteilig den Ländern oder Gemeinden zustehender Steuern - als Betriebsausgaben aufkommensmindernd zu berücksichtigen seien und damit mittelbar auch Bund und Länder belasteten. Über diesen Mechanismus bewirke die Kernbrennstoffsteuer einen - verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen - "verkappten Finanzausgleich" zulasten der Länder und Gemeinden. Eine solche, das Steueraufkommen der Länder und Gemeinden mittelbar vermindernde Steuer könne der Bund mit Blick auf das Gefüge der Ertragskompetenztitel des Art. 106 GG und das Gefüge der Gesetzgebungskompetenztitel des Art. 105 GG mangels finanzverfassungsrechtlicher Kompetenz nicht erfinden. Zumindest hätte einem solchen Gesetz zur Wahrung der Länderrechte der Bundesrat zustimmen müssen, was nicht geschehen sei.

25

Der Bundesgesetzgeber habe das Kernbrennstoffsteuergesetz zudem mit dem Willen erlassen, eine Verbrauchsteuer einzuführen; er habe mithin keine neue Steuer erfinden wollen. Dem Gesetzgeber dürfe nicht die Ausübung eines vorgeblichen Steuererfindungsrechts unterstellt werden, wenn er dies erkennbar nicht habe ausüben wollen.

26

bb) Auch sonst stehe dem Bund keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zu. Die Kernbrennstoffsteuer sei keine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne; sie weise vielmehr Elemente einer nichtsteuerlichen Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast auf. In Ansehung der Zuweisung von Mehrerzeugungsmengen sei sie eher als eine "anlassbezogene Konzessionsgebühr" ausgestaltet. Ihr komme zugleich der Charakter einer parafiskalischen Sonderabgabe zu, da sie über den Förderfondsvertrag mit dem nichtsteuerlichen Förderfondsbeitrag verrechnet werde. Letztlich könne offen bleiben, ob es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine sonstige Abgabe handele. Da es sich bei den sonstigen Abgaben nicht um Steuern handele, richte sich die Gesetzgebungskompetenz nicht nach den Art. 105 f. GG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften der Art. 70 ff. GG. Im Bereich der Kernenergieerzeugung liege zwar eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nummer 14 GG beim Bund; auf sie könne sich der Bund im Rahmen der Kernbrennstoffsteuer jedoch nicht berufen. Art. 73 Abs. 1 Nummer 14 GG weise dem Bund die Kompetenz zu, Gesetze über "die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe" zu erlassen. Das Kernbrennstoffsteuergesetz sei indes kein solches Gesetz. Zudem widerspreche die Aufrechterhaltung der Kernbrennstoffsteuer als nichtsteuerliche Abgabe der Formenstrenge der Finanzverfassung; eine "Wahlfeststellung" zwischen einer Abgabe und einer Steuer sei unzulässig.

27

Jedenfalls handele es sich bei der Kernbrennstoffsteuer nicht um eine Verbrauchsteuer. Sie sei weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG, noch erfülle sie den historisch abzuleitenden Typusbegriff einer Verbrauchsteuer. Selbst wenn man die Kernbrennstoffsteuer als eine Verbrauchsteuer qualifiziere, handele es sich aufgrund der Ortsbezogenheit des die Steuerpflicht auslösenden Tatbestands allenfalls um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für die allerdings nur die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hätten.

28

b) Die Kernbrennstoffsteuer sei zudem materiell verfassungswidrig. Das Kernbrennstoffsteuergesetz verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und aufgrund der unverhältnismäßigen Höhe der Steuer gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ferner handele es sich um ein verbotenes Einzelfallgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

29

c) Bereits wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz komme im Ergebnis nur eine Nichtigkeitserklärung des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit ex tunc-Wirkung in Betracht. Dies entspreche der gemäß § 78 BVerfGG grundsätzlich vorgesehenen Folge eines für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Gesetzes und werde auch in der Literatur als Regelfall angesehen. Für eine bloße Unvereinbarkeitserklärung nach den Kriterien der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei kein Raum.

30

2. Die Bundesregierung hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit der finanzgerichtlichen Vorlage, hält sie jedenfalls für unbegründet.

31

a) Der Vorlagebeschluss sei in sich widersprüchlich: Einerseits stelle das Finanzgericht auf die Abwälzung der Kernbrennstoffsteuer als entscheidendes typusbestimmendes Merkmal ab, andererseits habe es keine hinreichende Sachverhaltsaufklärung zu diesem entscheidungserheblichen Punkt vorgenommen. Es setze sich zwar mit der zentralen Figur der kalkulatorischen Abwälzung auseinander, wie sie vor allem in der "Ökosteuerentscheidung" des Bundesverfassungsgerichts entwickelt und konkretisiert worden sei. Um die Frage des Gelingens oder Scheiterns einer solchen kalkulatorischen Abwälzung wirklich beurteilen zu können, hätte das vorlegende Gericht aber die Kalkulationsgrundlagen bei der Produktion von Atomstrom eruieren müssen. Dies sei trotz eines entsprechenden Beweisantrags des Beklagten im finanzgerichtlichen Verfahren unterblieben. Die Klägerin habe nicht substantiiert zu den kalkulatorischen Grundlagen der Stromproduktion in Kernkraftwerken vorgetragen. Wirtschaftswissenschaftliche, von der Klägerin in Auftrag gegebene Parteigutachten zur Strompreisbildung an der Strombörse könnten dieses Defizit in der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht kompensieren, weil diese eine gänzlich andere Fragestellung zum Gegenstand hätten.

32

b) Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz für das Kernbrennstoffsteuergesetz; das Gesetz verstoße auch im Übrigen nicht gegen das Grundgesetz.

33

aa) Dem Steuergesetzgeber stehe bei der Auswahl des Steuergegenstandes prinzipiell ein weiter Gestaltungsspielraum zu, so dass die Kompetenzbegriffe des Art. 105 und des Art. 106 GG hinreichend offen ausgelegt werden müssten. Der demnach weit zu verstehende Verbrauchsteuerbegriff des Grundgesetzes müsse nicht strapaziert werden, um auch die Kernbrennstoffsteuer zu erfassen. Die Kernbrennstoffsteuer entspreche vielmehr dem Phänotypus einer Verbrauchsteuer: Sie knüpfe tatbestandlich an den Verbrauch von Waren an, indem das erstmalige Einbringen von Brennelementen und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion die Steuer entstehen lasse. Die Kernbrennstoffsteuer führe zudem nicht zu einer "Gewinnabschöpfung"; diese sei weder die Intention des Gesetzgebers gewesen, noch werde ein solches Ziel mit der Steuer erreicht. Kernbrennstoffe seien überdies geeignete Gegenstände einer Verbrauchsbesteuerung. Kernbrennstoffe, die durch den Einsatz in Atomkraftwerken chemisch-physikalisch umgewandelt würden, unterlägen aufgrund der spezifischen von ihnen ausgehenden Gefahren zwar zahlreichen Restriktionen und seien als Produktionsgüter nicht Waren des täglichen Bedarfs. Diese Gesichtspunkte erklärten sich jedoch aus der Natur der Sache und hätten keinen Einfluss auf die Eignung der Kernbrennstoffe als Gegenstand einer Verbrauchsbesteuerung. Die Eigentumsverhältnisse an den eingesetzten Kernbrennstoffen wie auch Einschränkungen bei der freien Handelbarkeit von Kernbrennstoffen und die Besonderheit der Erhebungstechnik seien ohne jede Relevanz. Der Annahme einer Verbrauchsteuer stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei den Kernbrennstoffen um Produktionsgüter handele. Die ausschließliche Belastung konsumfähiger Güter gehöre nicht zu den prägenden Merkmalen einer Verbrauchsteuer. Das Bundesverfassungsgericht habe in der "Ökosteuerentscheidung" überdies grundsätzlich anerkannt, dass auch der "unternehmerische" Verbrauch von Verbrauchsteuern erfasst werden könne.

34

bb) Entgegen den Ausführungen im Vorlagebeschluss sei in den Gesetzesmaterialien weder behauptet worden, die Kernbrennstoffsteuer sei nicht abwälzbar, noch hätte eine solche Behauptung - wäre sie denn erfolgt - notwendig durchschlagende Wirkung auf die verfassungsrechtliche Prüfung dieser Steuer. Aus keiner Textstelle in der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass die Abwälzung kategorisch ausgeschlossen sei; es werde lediglich vermutet, dass die Abwälzung nicht in jedem Fall gelingen werde. Die direkte Abwälzung auf die Endabnehmer werde damit nicht grundsätzlich infrage gestellt. Zudem nähmen die Gesetzesmaterialien die Möglichkeit der nicht preiserhöhenden, rein kalkulatorischen Abwälzung in der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Gestalt implizit auf.

35

Es sei auch weder ersichtlich noch dargetan, dass die Abwälzbarkeit rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen sei. Abgesehen davon, dass nicht einmal die Klägerin die Möglichkeit einer - wenn auch geringen - Abwälzbarkeit bestreite, lasse ihre Argumentation hinsichtlich der Strompreisbildung außer Acht, dass das Verfahren an den Strombörsen nur einen Teil der Stromverkäufe abbilde und andere Endabnehmer von Strom direkte Verträge mit Kraftwerkbetreibern geschlossen hätten. Insofern gestalte sich der Preisbildungsmechanismus wesentlich komplexer als von dem Finanzgericht und der Klägerin dargestellt, zumal dabei die Markt- und Preisbildungsmacht der oligopolistisch agierenden, Kernkraftwerke betreibenden Energiekonzerne, die rund 80 Prozent der konventionellen Stromerzeugung kontrollierten, gänzlich unberücksichtigt sei.

36

Hinzu komme, dass die preiserhöhende Abwälzung kein konstitutives Merkmal einer Verbrauchsteuer sei. Nach der "Ökosteuerentscheidung" könne sich die Abwälzung auf Endverbraucher auch so gestalten, dass sich das für die Herstellung von Endprodukten eingesetzte Gut samt der auf ihm liegenden Verbrauchsteuerbelastung nur mittelbar im Preis des Endproduktes niederschlage. In der Entscheidung zur Spielgerätesteuer habe das Bundesverfassungsgericht überdies festgestellt, dass die kalkulatorische Abwälzung zumindest so lange gegeben sei, wie das Unternehmen noch Gewinn erziele. Dies sei bei den Betreibergesellschaften von Kernkraftwerken und insbesondere bei der Klägerin der Fall, zumal Letztere ausweislich des Protokolls über die öffentliche Sitzung vor dem Finanzgericht am 29. Januar 2013 erklärt habe, dass die streitgegenständlichen Kernkraftwerke zurzeit wirtschaftlich betrieben würden.

37

cc) Die Kernbrennstoffsteuer sei überdies keine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG. Das Besteuerungsgut, der Kernbrennstoff, sei nicht ortsfest, sondern beweglich. Das Einbringen in den Kernreaktor, um eine Kettenreaktion auszulösen, sei steuertechnisch lediglich tatbestandsauslösend. Eine "örtliche Radizierung" der Steuer sei damit nicht gegeben.

38

Die Kernbrennstoffsteuer sei darüber hinaus keine "anlassbezogene Konzessionsgebühr" oder "parafiskalische Sonderabgabe".

39

dd) Der Umstand, dass die Kernbrennstoffsteuer wegen ihrer gewinnmindernden Wirkung das Landessteuersubstrat mindere, sei kompetenzrechtlich irrelevant. Mittelbare Auswirkungen auf die Landessteuereinnahmen seien angesichts der gegenseitigen Verflechtungen im Einnahmenbereich von Bund und Ländern keine Besonderheit. Art. 105 Abs. 3 GG stelle allein auf die positive finanzverfassungsrechtliche Ertragshoheit ab. Selbst im atypischen, weil finanzverfassungsrechtlich nicht vorgezeichneten Fall der Versteigerungserlöse aus den UMTS-Lizenzen sei eine Beteiligung der Länder an den seinerzeit gewaltigen Summen verneint worden. Dies müsse erst recht im Zusammenhang mit Steuern im Zehnten Abschnitt des Grundgesetzes gelten, stelle dieser mit Art. 106 Abs. 3 und 4 GG doch ein Instrument zur Verfügung, um gegebenenfalls auf Verschiebungen zu reagieren.

40

ee) Schließlich verstoße das Kernbrennstoffsteuergesetz weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 und 2 GG; es handele sich auch nicht um ein verbotenes Einzelfallgesetz.

41

3. Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass er sich mit den vom Finanzgericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zur Kernbrennstoffsteuer inhaltlich bislang nicht befasst, sondern lediglich die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge auf Aufhebung der Vollziehung der Kernbrennstoffsteuer-Anmeldung abgelehnt habe.

42

Die Frage, ob eine besondere Verbrauchsteuer auch in der Produktion verwendete Waren belasten könne, habe der Bundesfinanzhof bereits 1984 dahin entschieden, dass es keinen Rechtssatz gebe, der das Anknüpfen einer Verbrauchsteuer an einen typischen Rohstoff verbiete. Daher gehöre die ausschließliche Belastung konsumfähiger Güter nicht zu den prägenden Merkmalen einer Verbrauchsteuer. Mit dieser Begründung habe der Bundesfinanzhof die Erhebung einer besonderen Verbrauchsteuer auf nicht genussfähige und in der Kosmetikindustrie verwendete technische Alkohole (insbesondere Propanol und Methanol) für zulässig erachtet.

43

Hinsichtlich der vom Finanzgericht infrage gestellten Abwälzbarkeit der Kernbrennstoffsteuer als unabdingbares Merkmal einer Verbrauchsteuer vertrete der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die bloße Möglichkeit der Abwälzung der Steuer genüge, so dass dem Steuerschuldner nicht in jedem Fall Gewähr geboten werden müsse, dass er die Verbrauchsteuer tatsächlich abwälzen könne. Im Hinblick auf die infolge eines Forderungsausfalls misslungene Abwälzung der Steuerlast im Handel mit versteuertem Mineralöl habe er geurteilt, dass sich die Abwälzung der Steuer außerhalb des steuerrechtlich geregelten Bereichs vollziehe. Sie erfolge in der Form, dass der Gegenwert der beim Übergang in den freien Verkehr erhobenen Steuer kalkulatorisch in den Preis der Ware eingehe und beim Weiterverkauf als Preisbestandteil weitergegeben werde. Damit sei das Risiko der Abwälzung der Steuer als Preisbestandteil aus dem steuerrechtlichen Bereich ausgeschieden und in den Bereich des allgemeinen kaufmännischen Risikos einbezogen worden.

44

In einer weiteren Entscheidung habe der Bundesfinanzhof ausgeführt, die besonderen Verbrauchsteuern seien zwar auf Abwälzung der Steuerlast auf den Verbraucher als den eigentlichen Belastungsträger angelegt; nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehöre zum Begriff der Verbrauchsteuer jedoch nicht die rechtliche Gewähr, dass der Steuerschuldner stets den von ihm entrichteten Betrag von der Person ersetzt erhalte, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle. Auch bei einem Misslingen der Abwälzung im Einzelfall wandele sich die Steuer nicht zu einer dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechenden und verfassungsrechtlich zu beanstandenden Unternehmensteuer.

45

4. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat zunächst herausgestellt, dass sich der für die Kernbrennstoffsteuer zuständige Senat bislang nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Thematik befasst habe. Aus diesem Grund könne es sich nicht abschließend zum Ausgangsverfahren positionieren. In den beiden im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen habe das Finanzgericht Baden-Württemberg, anders als zuvor die Finanzgerichte Hamburg und München, die Auffassung vertreten, dass die von den Antragstellern vorgetragenen Einwendungen nicht hinreichend gewichtig seien, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen zu begründen. Die den Festsetzungen zugrundeliegenden Vorschriften des Kernbrennstoffsteuergesetzes stünden bei summarischer Prüfung sowohl mit den Regelungen des Grundgesetzes als auch mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang. Insbesondere begegne die Einordnung der Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG keinen durchgreifenden Bedenken; auf der Grundlage der Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nummer 2 GG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes bestanden.

46

5. Das Finanzgericht München hat sich in seiner Stellungnahme ausschließlich zum Ablauf der dort anhängigen (Eil-)Verfahren geäußert und den Inhalt der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlüsse skizziert. In diesen Verfahren habe der zuständige 14. Senat des Finanzgerichts München die Vollziehung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Steueranmeldungen jeweils aufgehoben. Diesen Entscheidungen lägen ernstliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG und damit an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zugrunde. Diese Zweifel stützten sich insbesondere auf die Begründung zum Entwurf eines Kernbrennstoffsteuergesetzes (BTDrucks 17/3054, S. 1 ff.), die das Finanzgericht München dahingehend verstanden habe, dass von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an eine Abwälzung der Kernbrennstoffsteuer - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Umfang für möglich gehalten worden sei.

47

6. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

48

Die Vorlage ist zulässig (Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. BVerfGG).

I.

49

Das Finanzgericht hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der angewendeten Normen des Kernbrennstoffsteuergesetzes in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargetan.

50

1. Im Hinblick auf den Vorlagegegenstand muss das Gericht den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab benennen und die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; 127, 335 <356>; 131, 88 <117 f.>). Es hat sich im Einzelnen mit der Rechtslage auseinanderzusetzen, auf nahe liegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte einzugehen und die in Schrifttum und Rechtsprechung - insbesondere derjenigen des Bundesverfassungsgerichts - entwickelten, für die vorgelegte Frage bedeutsamen Rechtsauffassungen ebenso zu verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. etwa BVerfGE 65, 308 <316>; 76, 100 <104>; 77, 259 <262>; 125, 175 <220>; 127, 335 <356>; 131, 88 <118>). Dabei hat es die aus seiner rechtlichen Sicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und in seinen Vorlagebeschluss aufzunehmen (BVerfGE 77, 308 <328>; 80, 68 <71>; BVerfGK 15, 447 <452 f.>). § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verpflichtet das vorlegende Gericht jedoch nicht, auf jede denkbare Rechtsauffassung einzugehen (vgl. BVerfGE 141, 1 <11 Rn. 22>).

51

2. Das Finanzgericht hat den für seine rechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalt mitgeteilt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen des Kernbrennstoffsteuergesetzes unter Berücksichtigung des atompolitischen Hintergrundes, der Gesetzgebungsgeschichte und Herausarbeitung der in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassungen umfassend und plausibel begründet, wobei es auch abweichende Ansichten - insbesondere die des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 11. Januar 2012 - 11 V 2661/11 -, juris, Rn. 32 ff. und Beschluss vom 11. Januar 2012 - 11 V 4024/11 -, juris, Rn. 31 ff.) - in den Blick genommen hat. Darüber hinaus hat es einen Abgleich der Kernbrennstoffsteuer mit den herkömmlich geregelten Verbrauchsteuern vorgenommen und auf dieser Grundlage unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum Finanzverfassungsrecht, der höchstrichterlichen Rechtsprechung und vor allem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den für ihn maßgeblichen finanzverfassungsrechtlichen Verbrauchsteuerbegriff definiert; in diesem Zusammenhang hat es sich auch mit dem Merkmal der Abwälzbarkeit der Steuer auseinandergesetzt, sein Vorliegen in Bezug auf die Kernbrennstoffsteuer indes verneint.

II.

52

1. Dem Vorlagebeschluss ist ferner mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, weil das Finanzgericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschriften zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 47, 146 <154>; 48, 396 <399 f.>; 90, 145 <170>; 131, 1 <15>; 131, 88 <117>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; 135, 1 <10 f. Rn. 28>). Dabei kommt es für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit einer zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Norm maßgeblich auf den Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts an, sofern dieser nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 7, 171 <175>; 57, 295 <315>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237>; 126, 77 <97>; 129, 186 <203>; 131, 1 <15>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; 135, 1 <10 f. Rn. 28>; 138, 1 <15 Rn. 35>; 141, 1 <11 Rn. 22>) oder es sich um eine verfassungsrechtliche Vorfrage handelt (vgl. BVerfGE 48, 29 <38>; 67, 26 <35>; 69, 150 <159>; 78, 165 <172>; 89, 144 <152>; 131, 1 <15>).

53

Aus den Ausführungen des Finanzgerichts ergibt sich, dass die Entscheidung des Ausgangsverfahrens bei Gültigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes anders ausfiele als bei seiner Ungültigkeit. Das Prozessziel der Klägerin - die Aufhebung der Steueranmeldung - kann nur bei einer Nichtigkeitserklärung des Kernbrennstoffsteuergesetzes, nicht aber über alternative Entscheidungsmöglichkeiten des vorlegenden Gerichts erreicht werden.

54

2. Der Umstand, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz nur auf solche Besteuerungsvorgänge anzuwenden ist, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde (§ 12 KernbrStG), steht der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen. Es ist für den im Ausgangsverfahren relevanten Zeitraum weiterhin entscheidungserheblich und eine Erledigung des Ausgangsverfahrens nicht eingetreten (vgl. hierzu BVerfGE 47, 46 <64>; 123, 1 <14>).

55

3. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Konformität des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit dem Unionsrecht bestätigt (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-5/14 -, juris, Rn. 40 ff.). Ein möglicher Verstoß des Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Unionsrecht steht seiner Entscheidungserheblichkeit im Ausgangsverfahren somit nicht entgegen (vgl. BVerfGE 106, 275 <295>; 110, 141 <155>; 116, 202 <214>; BVerfGK 14, 429 <433>).

C.

56

Das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1804), zuletzt geändert durch Art. 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474), ist mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG unvereinbar und nichtig. Dem Bundesgesetzgeber fehlte die Gesetzgebungskompetenz zu seinem Erlass.

I.

57

1. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung. Sie soll eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft angemessen beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die Ausgaben leisten können, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind (vgl. BVerfGE 32, 333 <338>; 55, 274 <300>; 78, 249 <266 f.>; 93, 319 <342>; 101, 141 <147>; 105, 185 <194>; 108, 1 <15>; 108, 186 <214 f.>).

58

2. a) Die grundgesetzliche Finanzverfassung, wie sie in den Art. 104a ff. GG zum Ausdruck kommt, bildet eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Diese Prinzipien erschöpfen sich nicht in einer lediglich formalen Bedeutung. Sie sind selbst Teil der funktionsgerechten Ordnung eines politisch sensiblen Sachbereichs und verwirklichen damit ein Stück Gemeinwohlgerechtigkeit. Zugleich fördern und entlasten sie den politischen Prozess, indem sie ihm einen festen Rahmen vorgeben. Für Analogieschlüsse, die notwendig zu einer Erweiterung oder Aufweichung dieses Rahmens führen würden, ist in diesem Bereich kein Raum (vgl. BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 105, 185 <193 f.>).

59

b) Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Weder der Bund noch die Länder können über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen; einfachgesetzliche Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern wären auch nicht mit Zustimmung der Beteiligten zulässig (vgl. BVerfGE 4, 115 <139>; 32, 145 <156>; 39, 96 <109>; 55, 274 <300 f.>; 105, 185 <194>). Bei der Ertragsverteilung der Steuern handelt es sich gemeinsam mit der Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen um eine zentrale Frage der politischen Machtverteilung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 55, 274 <301>). Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden in diesem Kontext zu erheblichen Verwerfungen im Bereich der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen.

60

c) Über ihre Ordnungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und Begrenzungsfunktion, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt, die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten (vgl. BVerfGE 34, 139 <146>; 55, 274 <302>; 67, 256 <288 ff.>; 93, 319 <342 f.>; 108, 186 <215>; 123, 132 <141>; 124, 348 <364>; 132, 334 <349 Rn. 47 f.>; 137, 1 <17 Rn. 38>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 -, juris, Rn. 62 f.). Diese Schutzwirkung entfaltet die Finanzverfassung auch im Verhältnis zum Bürger, der darauf vertrauen darf, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden (vgl. BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 108, 1 <16>; 108, 186 <215>; 123, 132 <141>; 132, 334 <349 Rn. 48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 -, juris, Rn. 63).

II.

61

Die Bestimmungen über das Finanzwesen in den Art. 104a ff. GG regeln unter anderem die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz für das Finanzierungsmittel der Steuer.

62

1. a) Art. 105 GG begründet als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder für den Bereich der Steuern (BVerfGE 108, 1<13>; 108, 186 <212>; 113, 128 <145>; BVerfGK 15, 168 <173>). Innerhalb seines Anwendungsbereichs geht er den allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG vor (vgl. BVerfGE 3, 407 <434 ff.>; 4, 7 <13>; 67, 256 <275 f.>; 105, 185 <193 f.>).

63

b) Art. 106 GG betrifft die vertikale Steuerertragsaufteilung im Verhältnis des Bundes zur Ländergesamtheit. Er weist die Erträge bestimmter Steuern entweder dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG), den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG) oder Bund und Ländern gemeinschaftlich (Art. 106 Abs. 3 GG) zu (BVerfGE 72, 330<383 f.>). Die finanzverfassungsrechtliche Ertragshoheit und die Gesetzgebungszuständigkeit für Steuern sind mithin jeweils gesondert geregelt und folgen anderen Grundsätzen, als dies für nichtsteuerliche Abgaben im Bereich der allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG der Fall ist.

64

2. Die einzelnen Steuern und Steuerarten der Art. 105 und Art. 106 GG sind Typusbegriffe (a)). Ihre typusbildenden Unterscheidungsmerkmale sind dem traditionellen deutschen Steuerrecht zu entnehmen (b)). Neue Steuern sind daraufhin abzugleichen, ob sie dem Typus einer herkömmlichen Steuer entsprechen (c)). Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe verfügt der Gesetzgeber über eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (d)).

65

a) Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen, ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; Merkmale, die sich als bloße Einzelfallerscheinungen darstellen, sind bei der Typusbildung auszuscheiden. Es ist zudem nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnende Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Maßgeblich ist das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, juris, Rn. 7 [für einfachgesetzliche Typusbegriffe]; ähnlich Wank, Die juristische Begriffsbildung, 1985, S. 123 ff.; Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht, 1996, S. 216 ff.; Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, 2008, S. 45; Wernsmann, NVwZ 2011, S. 1367 <1368>).

66

b) Bei den Einzelsteuerbegriffen der Art. 105 und Art. 106 GG kommt es für die Typusbildung auf die Sicht des traditionellen deutschen Steuerrechts an (BVerfGE 7, 244<252>; 14, 76 <91>; 26, 302 <309>; 31, 314 <332>; 110, 274 <296>; 123, 1 <16>; vgl. auch BVerfGE 16, 306 <317>). Es sind diejenigen Merkmale zu ermitteln, die eine Steuer oder Steuerart nach dem herkömmlichen Verständnis typischerweise aufweist und - mit Blick auf die abgrenzende Funktion der Einzelsteuerbegriffe - zu ihrer Unterscheidung von anderen Steuern oder Steuerarten notwendig sind (vgl. zu letzterem Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 22).

67

c) Neue Steuern sind auf ihre Kongruenz mit den aus hergebrachter Sicht typusprägenden Merkmalen der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und Art. 106 GG zu prüfen. Entsprechen sie nicht allen Typusmerkmalen einer Einzelsteuer, sind Bedeutung und Gewicht der einzelnen Merkmale sowie der Grad an Abweichung zu bestimmen und danach in eine Gesamtwertung einzubeziehen; auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob im Ergebnis eine Übereinstimmung mit dem Typus anzunehmen ist.

68

d) Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden" und bestehende Steuergesetze zu verändern (BVerfGE 31, 8<19>; vgl. auch BVerfGE 27, 375 <383>). Änderungen bestehender Steuergesetze oder die Erschließung neuer Steuerquellen sind unter dem Blickpunkt der Zuständigkeitsverteilung zumindest so lange nicht zu beanstanden, wie sie sich im Rahmen der herkömmlichen Merkmale der jeweiligen Steuern halten (vgl. BVerfG 31, 8 <19>).

III.

69

Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Außerhalb der durch die Finanzverfassung in Art. 104a ff. GG vorgegebenen Kompetenzordnung besteht keine Befugnis von Bund oder Ländern, Steuergesetze zu erlassen.

70

Der Bund hat gemäß Art. 105 Abs. 2 1. Halbsatz GG - über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die in Art. 105 Abs. 1 GG genannten Zölle und Finanzmonopole hinaus - die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die "übrigen Steuern", wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen.

71

Unter den "übrigen Steuern" sind ausschließlich die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu verstehen. Der einfache Gesetzgeber darf nur solche Steuern einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemeinschaftlich zugewiesen wird (vgl. FG München, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - 14 V 2155/11 -, juris, Rn. 45, 52; Birk/Förster, DB Beilage Nr. 17 zum Heft 30 1985, S. 1 <10>; Ossenbühl/Di Fabio, StuW 1988, S. 349 <351 f.>; Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 39; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <94 f.>; Jobs, Steuern auf Energie als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999, S. 167; Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 2. Aufl. 1999, § 87 Rn. 32; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Bd. 14, Art. 105 Rn. 66 [2004]; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 206 [2008]; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 106 Rn. 17; Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als "goldene Brücke"?, 2010, S. 11 f.; Martini, ZUR 2012, S. 219 <225 f.>; Waldhoff, ZfZ 2012, S. 57 <59>; Wernsmann, ZfZ 2012, S. 29 <30>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 67; Gärditz, ZfZ 2014, S. 18 <19>; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, S. 137; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 106 Rn. 2; a.A. Brodersen, in: Festschrift für Gerhard Wacke, 1972, S. 103 <113 ff.>; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 290; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 163 ff.; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <599 ff.>; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 17 ff.; Heun, in: Dreier, GG, 2000, Art. 105 Rn. 33, Art. 106 Rn. 14; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 139 Rn. 29 ff.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 34; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <174 f.>). Ein freies Steuererfindungsrecht gewährt ihm Art. 105 Abs. 2 GG nicht, ungeachtet des Umstandes, dass die Norm kein ausdrückliches Verbot der Steuererfindung enthält (vgl. hierzu Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Möckel, Umweltabgaben zur Ökologisierung der Landwirtschaft, 2006, S. 221). Die Entstehungsgeschichte von Art. 105 Abs. 2 GG ist insoweit zwar ambivalent (1.). Für diese Auslegung sprechen jedoch systematische (2.) und teleologische (3.) Erwägungen.

72

1. Die Geschichte des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359), das Grundlage für die heutige Finanzverfassung ist, lässt jedenfalls keinen zwingenden Schluss auf das Bestehen eines allgemeinen Steuererfindungsrechts zu (so aber Meyer, DÖV 1969, S. 261 <262>; Bach, StuW 1995, S. 264 <271>; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <599>; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 30 f.).

73

a) Wesentliches Ziel des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 war es, "ein möglichst dauerhaftes und überschaubar gestaltetes System zu schaffen, das eine Anpassung an den sich ändernden Mittelbedarf der einzelnen Ebenen gewährleistet und so angelegt ist, dass unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern vermieden werden" (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ). Es wurden tiefgreifende Änderungen der Finanzverfassung umgesetzt, die unter anderem die Regelung der Gesetzgebungszuständigkeit durch Art. 105 Abs. 2 GG a.F. (1955) betrafen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 14, 76 <90 f.>; 16, 64 <78 f.>) hatte Art. 105 Abs. 2 GG a.F. (1955) noch eine sehr weitgehende Gesetzgebungskompetenz der Länder entnommen. Art. 105 Abs. 2 GG in seiner neuen Fassung sollte dem Bund nunmehr eine weitgehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz sicherstellen (BTDrucks V/2861, S. 32). Dem Gesetzentwurf ist zu entnehmen, "dass der Bund für alle Steuern, für die er nicht die ausschließliche Gesetzgebung hat, die konkurrierende Gesetzgebung erhält, ´wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen´" (BTDrucks V/2861, S. 32).

74

Soweit der Gesetzentwurf ein Steuererfindungsrecht der Länder erwähnt, in das der Bund - sollte es die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich machen - eintreten könne (vgl. BTDrucks V/2861, S. 32 f. ), deutet dies nur auf den ersten Blick darauf hin, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber von einem finanzverfassungsrechtlich nicht begrenzten Steuererfindungsrecht der Länder ausging, in das der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG eintreten kann (vgl. BTDrucks V/2861, S. 94):

Durch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Fassung des Artikels 105 Abs. 2 GG wird das Steuererfindungsrecht der Länder nicht beseitigt. Der Bund kann jedoch, wenn eine von den Ländern erfundene Steuer wegen der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse notwendigerweise bundeseinheitlich geregelt werden muss, das konkurrierende Gesetzgebungsrecht wahrnehmen. […]

75

b) Denn eine solche Blickverengung allein auf die intendierte umfassende Bundeszuständigkeit und einzelne Ausschnitte und Begrifflichkeiten der Gesetzesbegründung gäbe das Gesamtbild nur unvollständig wieder.

76

aa) Es lässt sich bereits nicht feststellen, ob der damalige (verfassungsändernde) Gesetzgeber den Begriff des "Steuererfindungsrechts" überhaupt im Sinne eines über die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten hinausgehenden Steuererfindungsrechts verstanden hat und er nicht lediglich auf die Möglichkeit der Erschließung neuer Steuerquellen und die Änderung bestehender Steuergesetze innerhalb der jeweiligen Typusbegriffe des Art. 106 GG verweisen wollte (vgl. etwa Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]). Eine Definition des "Steuererfindungsrechts" oder sonstige Hinweise, was mit dem Begriff im Einzelnen gemeint sein sollte, enthält die Gesetzesbegründung jedenfalls nicht. Auch in späteren Jahren ist im (einfachen) Gesetzgebungsverfahren der Begriff des "Steuererfindungsrechts" typusbezogen verwendet worden, so etwa im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 (vgl. BTDrucks 9/167, S. 6; ähnliche Begriffsverwendung in der Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwGE 143, 301 <309 f. Rn. 25>).

77

bb) Zweifel daran, dass ein Steuererfindungsrecht außerhalb des Systems der Ertragsverteilung in Art. 106 GG gemeint war, ergeben sich weiter daraus, dass der Gesetzgeber für das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) der Auffassung war, die verfassungspolitische Bedeutung, die das Grundgesetz der Verteilung der bundesstaatlichen Steuerertragshoheit beimesse, lasse es nicht zu, "die Zuteilung der Einnahmen aus künftigen Steuern der einfachen Bundesgesetzgebung zu überlassen" (vgl. BTDrucks II/480, S. 40 ; vgl. unten Rn. 84). In diesem Zusammenhang war mit Art. 106d GG eine - später im Vermittlungsausschuss nicht weiterverfolgte - Regelung für noch unverteilte künftige Steuern erwogen worden (vgl. BTDrucks II/480, S. 110 und S. 229; ähnlich auch der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen des Bundestages, BTDrucks II/960, S. 3). Bei der Annahme eines Steuererfindungsrechts hinsichtlich unverteilter Steuern wäre auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtliche Zuweisung nicht nur naheliegend, sondern zwingend erforderlich gewesen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung enthält die Gesetzesbegründung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) indes nicht.

78

cc) Ohne eine solche verfassungsrechtliche Zuweisung widerspräche (vgl. Breuer, DVBl 1992, S. 485 <490>; Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]) ein über die in Art. 106 GG genannten Steuern hinausgehendes Steuererfindungsrecht von Bund und Ländern überdies den in der Begründung ausdrücklich wiedergegebenen Zielen des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359), ein dauerhaftes und überschaubar gestaltetes Steuerverteilungssystem zu schaffen, das entsprechend der finanziellen Bedeutung der Aufgaben und unter Vermeidung von Verteilungskonflikten das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhält (vgl. BTDrucks V/2861, S. 11 f. und S. 33 ).

79

Die Gesetzesmaterialien beinhalten keine Auflösung dieses "Norm- und Zielkonflikt[es]" (Hidien, in: Bonner Kommentar, Bd. 15, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]) zwischen einer angestrebten umfassenden steuerlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes unter den Voraussetzungen des Art. 105 Abs. 2 2. Halbsatz GG und der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung. In der Stellungnahme des Bundesrates (vgl. BTDrucks V/2861, S. 85 ff.) findet sich zwar noch Widerspruch gegen den neugefassten Art. 105 Abs. 2 GG, da "die Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf dem Gebiet des Steuerrechts im Ergebnis beseitigt" (BTDrucks V/2861, S. 87) werde. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat diese Bedenken jedoch - erneut ohne Problematisierung des aufgezeigten Konflikts - nicht aufgegriffen (BTDrucks V/3605, S. 8). In der Darlegung der Gründe für die Einberufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (BTDrucks V/3826, S. 4 f.) finden sich weitere Bedenken gegen die Neufassung des Art. 105 Abs. 2 GG jedenfalls nicht mehr. Dementsprechend wurde Art. 105 Abs. 2 GG in der Fassung des Regierungsentwurfs unverändert in den Beschluss des Vermittlungsausschusses übernommen (BTDrucks V/3896, S. 4 [Anlage 1]). Angesichts dessen kann allein aus der Erwähnung eines "Steuererfindungsrechts" (BTDrucks V/2861, S. 33 und S. 94) für die Länder, das der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für sich in Anspruch nehmen könne, nicht der Schluss gezogen werden, der verfassungsändernde Gesetzgeber sei von einem allgemeinen, über den finanzverfassungsrechtlichen Katalog der Steuertypen hinausgehenden Steuererfindungsrecht ausgegangen.

80

2. Systematische Gründe sprechen gegen ein solches Steuererfindungsrecht. Die Ertragshoheit für solche Steuern bliebe offen. Sie ist Art. 105 f. GG nicht zu entnehmen (a) und lässt sich auch nicht aus Art. 30 GG (b) herleiten.

81

a) Die Art. 105 f. GG schweigen über die Ertragshoheit für nicht in Art. 106 GG aufgeführte Steuerarten.

82

aa) Die Lösung kann nicht darin liegen, nach Art einer "Näherungsmethodik" den "frei schwebenden" Ertrag derjenigen Steuer oder Steuerart im Sinne des Art. 106 GG zuzuordnen, der die erfundene Steuer am ähnlichsten ist (vgl. Fischer-Menshausen, DÖV 1956, S. 161 <164>). Diese Methode versagt immer dann, wenn sich eine "ähnliche" Steuer nicht finden lässt, weil sie im Katalog des Art. 106 GG nicht aufgeführt ist (so auch Fischer-Menshausen, DÖV 1956, S. 161<164>), und führt letztlich zu einer unzulässigen Entgrenzung der Typusbegriffe.

83

bb) Eine Ertragshoheit als Annex zur Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 105 Abs. 2 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht (a.A. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <600 f.>). Sie verbietet sich bereits deshalb, weil im Bereich der steuerlichen Finanzverfassung - anders als im Bereich der nichtsteuerlichen Abgaben - die Ertragshoheit gerade nicht generell der Gesetzgebungskompetenz folgt (Rn. 63).

84

cc) Es kann deshalb auch nicht Aufgabe des einfachen Gesetzgebers sein, den Steuerertrag zu verteilen; Art. 105 f. GG stellt die Ertragsverteilung nicht zur Disposition des Bundesgesetzgebers (Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 2. Aufl. 1999, § 87 Rn. 32; Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als "goldene Brücke"?, 2010, S. 11). Er ist vielmehr auf die Einführung solcher Steuern beschränkt, die unter den Katalog des Art. 106 GG subsumierbar sind (Starck, StuW 1974, S. 271<276>). Er ist nur insoweit frei in der Neugestaltung des Steuersystems, als die Ertragshoheit, wie sie in der Verfassung vorgesehen ist, durch eine Erhebung von Steuern nicht verändert oder unterlaufen wird (vgl. Ossenbühl/Di Fabio, StuW 1988, S. 349 <351 f.>).

85

Andernfalls müsste jedenfalls sichergestellt sein, dass bei der Zuweisung des Ertrags einer neu erfundenen Steuer die Interessen der Länder gewahrt bleiben. Art. 105 f. GG sehen jedoch das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 105 Abs. 3 GG, das heißt gerade in den Fällen, in denen der Ertrag ausschließlich dem Bund zufließen soll, nicht vor (a.A. Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 27; ähnlich: Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 44). Dass es sich dabei um ein redaktionelles Versehen des Verfassungsgebers handelte, ist nicht ersichtlich. Die Beschränkung von Art. 105 Abs. 3 GG spricht vielmehr dafür, dass eine Zuweisung des Steuerertrags durch den einfachen Gesetzgeber in der Finanzverfassung nicht vorgesehen ist.

86

dd) Es bliebe deshalb nur der Weg einer Ergänzung des Art. 106 GG im Wege des verfassungsändernden Gesetzes (Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 20 [1978]; vgl. auch Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 34; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 206 [2008]; Seer, DStR 2012, S. 325 <330>), um die Ertragshoheit für "frei schwebende Steuererträge" (vgl. etwa: Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, S. 137) einer (nachträglichen) Regelung zuzuführen. Dieser Verfassungsvorbehalt ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der einfache Gesetzgeber bei allen Besteuerungsentscheidungen ohnehin darauf achten muss, dass das grundgesetzlich angelegte Verteilungssystem keinen Schaden nimmt (vgl. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 17). Denn es steht dem einfachen Gesetzgeber von vornherein nicht zu, den Katalog des Art. 105 und Art. 106 GG (mittelbar) zu erweitern, indem er den verfassungsändernden Gesetzgeber in die Situation bringt, im Anschluss an die einfachgesetzliche Einführung einer neuen Steuer die Verfassungslage entsprechend anpassen und die Ertragshoheit im Nachgang regeln zu müssen. Es bestünde überdies keine Pflicht des verfassungsändernden Gesetzgebers, auf die einfachgesetzliche Einführung solcher Steuern entsprechend zu reagieren (so aber Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 3, 1993, S. 1095; derselbe, BB 1994, S. 437 <442>), so dass nicht gewährleistet wäre, dass der "frei schwebende" Ertrag aus neuen Steuern dem Bund oder den Ländern im Nachhinein tatsächlich zugewiesen würde.

87

b) Eine generelle Ertragshoheit der Länder für eine vom Bund erfundene Steuer aus Art. 30 GG herzuleiten, ist aus systematischen Erwägungen ebenfalls ausgeschlossen (so auch Stern, in: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1119; Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 34 f.; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]; Waldhoff, VVDStRL, Bd. 66, 2006, S. 216 <243>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 65 f.; Seiler in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 123 [2015]; a.A.: Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 291 f.; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 164 f.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 33).

88

aa) Art. 106 GG bestimmt für die dort aufgeführten Steuerarten nicht nur die Ertragshoheit des Bundes, sondern auch Ertragshoheiten der Länder und Gemeinden (vgl. Art. 106 Abs. 2, 3, 5, 5a, 6 GG). Diese Regelungen wären nicht erklärbar - sondern offenkundig überflüssig -, stünde den Ländern über Art. 30 GG der Ertrag sämtlicher Steuern ohnehin zu. Es hätte genügt, in Art. 106 GG - als Ausnahmefall von der generellen Länderertragshoheit - die Ertragshoheit des Bundes zu definieren (vgl. Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]). Der ausdrücklichen Aufzählung der Länder- und Gemeindeerträge in Art. 106 GG kann deshalb nur die Bedeutung zukommen, die Anwendung des Art. 30 GG im Bereich der Ertragshoheit insgesamt auszuschließen (Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]).

89

bb) Eine auf Basis des Art. 30 GG zugeordnete Steuer würde überdies in Konkurrenz zu den in den Art. 105 und 106 GG geregelten Steuern und deren Ertragsverteilung treten, ohne dass verlässliche Kriterien für eine Abgrenzung erkennbar wären. In Betracht käme allein eine (entsprechende) Anwendung des Gleichartigkeitsverbots aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG) und des Art. 105 Abs. 2a GG. Umfang und Voraussetzungen des Gleichartigkeitsverbots sind allerdings sowohl im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG als auch im Rahmen der - teilweise - eigenständigen Begriffsbestimmung in Art. 105 Abs. 2a GG umstritten. Das Gleichartigkeitsverbot ist zudem auf bereits existente Steuergesetze zugeschnitten. So nimmt Art. 72 Abs. 1 GG darauf Bezug, dass von einer Gesetzgebungszuständigkeit bereits Gebrauch gemacht worden ist, und Art. 105 Abs. 2a GG auf die Gleichartigkeit mit "geregelten" Steuern. Im vorliegenden Zusammenhang wäre aber - letztlich konturenlos - nicht nur zu geregelten, sondern auch zu innerhalb der jeweiligen Steuerarten lediglich regelbaren (aber noch nicht gesetzlich geregelten) Steuern abzugrenzen.

90

c) Schließlich sprechen auch teleologische Gesichtspunkte gegen ein allgemeines Steuererfindungsrecht des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG.

91

aa) Dem geschlossenen System der Art. 105 f. GG zur Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommt eine zentrale Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 55, 274 <301 f.>; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <96>). Jede Unsicherheit bei der Zuordnung von Erträgen kann zu erheblichen Verwerfungen innerhalb der Finanzverfassung führen, ihrer Befriedungsfunktion (Rn. 58 f.) widersprechen und ihr Ziel, "unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern" zu vermeiden, verfehlen (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ; oben Rn. 73). So wäre etwa jede "neue" Steuer, die an eine bestimmte betriebliche Tätigkeit anknüpft (Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rn. 980 [Juni 2016]), grundsätzlich geeignet, das Aufkommen anderer in der Finanzverfassung ausdrücklich vorgesehener Steuern zu schmälern, indem sie etwa bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden kann. Insoweit bestünde die Gefahr einer Verschiebung des Steueraufkommens von den gemäß Art. 106 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 GG Bund und Ländern gemeinsam zustehenden Steuern (sog. Gemeinschaftsteuern) hin zu Bund oder Ländern ausschließlich zustehenden Steuern (vgl. zu diesem Effekt etwa BRDrucks 687/1/10, S. 1 ff. und BRDrucks 687/2/10, S. 1 f.).

92

Eine Korrektur eventuell eintretender Ungleichgewichte durch eine Anpassung der jeweiligen Anteile am Umsatzsteueraufkommen gemäß Art. 106 Abs. 4 GG wäre keine angemessene Lösung (vgl. Köck, JZ 1991, S. 692 <696>). Statt auf einen verfassungsrechtlich gesicherten Finanzrahmen vertrauen zu können, würden Bund und Länder durch den Verweis auf eine Neuverhandlung des Umsatzsteueranteils von gegenseitigem Wohlwollen sowie den weiten und weniger verlässlichen Vorgaben des Art. 106 Abs. 4 GG abhängig (vgl. Köck, JZ 1991, S. 692 <696>).

93

bb) Die Geschlossenheit und Ordnungsfunktion der Finanzverfassung sichert zudem das Vertrauen der Bürger darauf, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden (vgl. Rn. 60). Art. 105 und Art. 106 GG kommt insoweit eine eigenständige individualschützende Funktion zu (Gärditz, ZfZ 2014, S. 18<19>). Der Schutz der Bürger vor einer unübersehbaren Vielzahl von Steuern ist ein originärer und eigenständiger Zweck der Kompetenznormen der Finanzverfassung, mit dem die Annahme eines Steuererfindungsrechts nicht in Einklang zu bringen wäre. Es könnten beliebig "neue" Steuern und Steuerarten eingeführt werden. Die steuerliche Art des Zugriffs auf die Ressourcen des Bürgers wäre damit weitgehend unbeschränkt; insbesondere die in der Finanzverfassung ausdrücklich genannten Steuern und Steuerarten würden ihrer begrenzenden Funktion (Rn. 60) entkleidet.

94

cc) Eines allgemeinen Steuererfindungsrechts des Bundes bedarf es auch nicht, damit er über ein Instrumentarium verfügt, um ein Steuererfindungsrecht der Länder entsprechend einzuhegen, weil bereits ein solches allgemeines Steuererfindungsrecht der Länder nicht gegeben ist (vgl. Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 38 f.; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 <490>; Höfling, StuW 1992, S. 242 <244>; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <96>; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 105 Rn. 243 [2008]; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 106 Rn. 17; Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 46; Wernsmann, ZfZ 2012, S. 29 <30 [Fn. 10]>; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 4; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, § 4 Rn. 37; Siekmann, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 50; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 106 Rn. 2).

95

(1) Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage des Bestehens eines Steuererfindungsrechts der Länder bislang offen gelassen (vgl. BVerfGE 98, 83 <101>; insoweit ist der gelegentlich anzutreffende Verweis auf BVerfGE 49, 343 <354 f.> überholt), zumal die Gesetzgebungsgeschichte hier keine eindeutigen Hinweise enthält (vgl. Rn. 72). Auch bei durch die Länder erfundenen Steuern steht die Ertragsverteilung im Mittelpunkt.

96

(2) Eine generelle Ertragshoheit der Länder für durch sie erlassene Steuergesetze wird durch den Verfassungstext ausdrücklich widerlegt. Art. 105 Abs. 2 GG gibt dem Bund im Bereich der "übrigen Steuern" die konkurrierende Gesetzgebung, soweit ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (1. Alternative) oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind (2. Alternative). Art. 72 Abs. 1 GG wiederum definiert die Länderzuständigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Danach sind die Länder regelungsbefugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Somit folgt bereits aus dem Wortlaut, dass die Länder bei der Ausübung ihrer durch Art. 105 und 106 GG vorgesehenen Zuständigkeiten auch im Bereich derjenigen Steuern gesetzgebungsbefugt sind, für die dem Bund der Ertrag nach Art. 106 GG zusteht, solange und soweit der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht ausgeübt hat. Es können also auch Ländergesetze zu einem Bundesertrag führen. Aus der Gesetzgebungskompetenz der Länder folgt daher nicht in jedem Fall auch ihre Ertragshoheit (vgl. Stern, in: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1114; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 167 ff.; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1369 [November 2002]; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 77 [Juli 2004]; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 48; Siekmann, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 20). Soweit gegen ein solches Ergebnis Bedenken erhoben werden, wird zumeist bereits ein Ausschluss der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder erwogen, nicht jedoch eine Ertragszuweisung an diese (vgl. etwa Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 77 [Juli 2004]; a.A. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 34).

97

(3) Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung entfaltet ihre Wirkung auch in Bezug auf landesrechtliche Regelungen (vgl. BVerfGE 92, 91 <115 f.>). Ziel einer ausgewogenen Finanzverfassung ist es, einen unkontrollierten Steuerwettbewerb zwischen den Ländern zu verhindern, den die Einräumung eines Steuererfindungsrechts befördern würde. Gerade finanzschwache Länder könnten dadurch noch weiter ins Hintertreffen geraten. Zudem ließe sich ein Steuererfindungsrecht der Länder auch durch die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes gemäß Art. 105 Abs. 2 2. Halbsatz 2. Alternative in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG nicht begrenzen.

98

dd) Die durch die Befürworter eines über die in Art. 105 und Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten hinausgehenden Steuererfindungsrechts behauptete Gefahr einer "Versteinerung" der Finanzverfassung und ihres Regelungsgefüges (Bach, StuW 1995, S. 264<271>; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 162 ff.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 31 f.) besteht nicht (vgl. etwa: Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 207 [2008]; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <311 f.>). Dem Gesetzgeber verbleibt im Rahmen der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Steuern und Steuerarten eine sehr weitreichende Gestaltungsfreiheit (vgl. Rn. 68), von der er in der Vergangenheit häufiger Gebrauch gemacht hat. Dies lässt sich beispielhaft für die Verbrauchsteuer aufzeigen: Innerhalb ihres Typus wurden Salz, Tabak, verschiedene Alkoholika, Essig, Zucker, Leuchtmittel, Spielkarten, Zündwaren, verschiedene Energieerzeugnisse, Mineralwasser, Süßstoffe, Fette, Kaffee und Tee zum Gegenstand der Besteuerung gemacht. Folgerichtig hat die Frage, ob auch außerhalb der in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten ein Steuererfindungsrecht besteht, bislang in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine hervorgehobene Rolle gespielt.

IV.

99

Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne (1.). Sie entspricht aber nicht dem Typus einer Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG (2.).

100

1. a) Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung ("voraussetzungslos") zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden (vgl. BVerfGE 49, 343 <353>; 110, 274 <294>; 124, 235 <243>; 124, 348 <364>; 137, 1 <17 Rn. 41>).

101

aa) Sie unterscheiden sich einerseits von den Vorzugslasten, namentlich von Gebühren und Beiträgen, die als Gegenleistung für staatliche Leistungen erbracht werden (vgl. BVerfGE 9, 291 <298>; 137, 1 <18 Rn. 43>). Gebühren und Beiträge werden erhoben, um einen Aufwand der öffentlichen Hand weiterzugeben oder um die Vorteile desjenigen, dem eine öffentliche Leistung gewährt wird, ganz oder teilweise abzuschöpfen (BVerfGE 93, 319 <343 ff.>). Dabei ist der Begriff der öffentlichen Leistung weit zu verstehen. Eine öffentliche Leistung liegt etwa bereits dann vor, wenn Einzelnen die Nutzung eines der Bewirtschaftung unterliegenden Gutes der Allgemeinheit eröffnet wird, weil hierdurch ein Sondervorteil gegenüber all denen vermittelt wird, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen (vgl. BVerfGE 93, 319 <345 f.>).

102

bb) Andererseits sind die Steuern von den Sonderabgaben abzugrenzen, denen ebenfalls keine unmittelbare Gegenleistung gegenüber steht. Die Sonderabgabe unterscheidet sich von der Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die gemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten ist (BVerfGE 101, 141 <148>). Sonderabgaben sind vor diesem Hintergrund doppelt rechtfertigungsbedürftig, weil sie in Konkurrenz zur Steuer stehen und ihr Aufkommen nicht in den allgemeinen Haushalt fließt, sondern der Finanzierung besonderer Aufgaben dient (vgl. statt vieler Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG,14. Aufl. 2016, Art. 105 Rn. 9 m.w.N.).

103

cc) Für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe ist die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes (vgl. BVerfGE 7, 244 <256>; 49, 343 <352 f.>; 92, 91 <114>; 137, 1 <17 Rn. 40>) maßgeblich. Die Einordnung der Abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen Bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen Gehalt (BVerfGE 108, 1 <13>; 108, 186 <212>; 110, 370 <384>; 113, 128 <145 f.>; 122, 316 <333>; 124, 348 <364>; 137, 1 <17 Rn. 40>). Einer Qualifikation als "Steuer" steht insbesondere nicht entgegen, dass das Gesetz nur einen eng begrenzten Kreis von Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BFH, Urteil vom 8. März 1995 - II R 57/93 -, juris, Rn. 34).

104

b) Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne, denn sie ist ohne individuelle Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben worden.

105

aa) Die Kernbrennstoffsteuer ist keine Sonderabgabe. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer ohne Zweckbindung in den allgemeinen Haushalt fließen (BTDrucks 17/3054, S. 5) und dort zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5). In diesem Zusammenhang wurde berücksichtigt, dass der Haushalt auch durch die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II belastet sei, die alleine der Bund zu tragen habe (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5).

106

bb) Die Kernbrennstoffsteuer erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Vorzugslast. Sie ist insbesondere nicht ausschließlich als ökonomische Kompensation für den von den Betreibern der Kernkraftwerke aus der Laufzeitverlängerung gezogenen Sondervorteil im Sinne einer "anlassbezogenen Konzessionsgebühr" aufzufassen.

107

(1) Eine derartige Verknüpfung mag der gesetzgeberische Hintergrund des Kernbrennstoffsteuergesetzes allerdings zunächst nahelegen. So sprach der Koalitionsvertrag (Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode, S. 29, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de) in diesem Kontext von einem "Vorteilsausgleich". Zudem bestand in der Debatte über die Anträge einiger Abgeordneter zur Einführung einer "Brennelementesteuer" ein fraktionsübergreifender Konsens (vgl. PlenProt 17/55, S. 5602 [B] f., S. 5605 [B] f., S. 5607 [A], S. 5614 [B] f., S. 5616 [D], S. 5619 [B] f., S. 5620 [B]), dass Gewinne der Kernkraftwerkbetreiber besteuert werden sollten, die teilweise auf die Strompreissteigerungen aufgrund der Belastungen für CO2-emittierende Stromerzeuger, teilweise auf die Laufzeitverlängerung und teilweise auf Subventionen zurückgeführt wurden. Insbesondere der mit "Brennelementesteuer - Windfall Profits der Atomwirtschaft abschöpfen" überschriebene SPD-Antrag machte in seiner Begründung deutlich, dass Bemessungsgrundlage einer solchen "Brennelementesteuer" einerseits die Kosten des Bundes für die Stilllegung und den Rückbau kerntechnischer Anlagen einschließlich der Endlagerung radioaktiver Abfälle und andererseits die Mitnahmegewinne der Anlagenbetreiber infolge der Strompreiserhöhungen nach Einführung des CO2-Emissionshandels sein sollten (vgl. BTDrucks 17/2410, S. 1 und S. 3).

108

(2) In der weiteren Entstehungsgeschichte des Kernbrennstoffsteuergesetzes findet sich der Gedanke einer Gewinnabschöpfung indes nicht wieder. In der Begründung des Referentenentwurfs zur Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzes erfolgte zwar noch ein Hinweis auf die Steigerung von Gewinnmargen der Kernkraftwerkbetreiber aufgrund des CO2-Emissionshandels (vgl. Referentenentwurf vom 3. August 2010, Anlage 5 des Schriftsatzes der Bundesregierung vom 13. Februar 2015, S. 8). Dieser Passus ist in dem nachfolgenden Gesetzentwurf jedoch nicht mehr enthalten. Dort heißt es - wie zuvor auch im Referentenentwurf - lediglich, die Bundesregierung werde über alle Fragen einer zukünftigen Energieversorgung und damit auch über längere Laufzeiten der Kernkraftwerke im Rahmen der Erarbeitung eines zukünftigen Energiekonzepts entscheiden und dabei im Hinblick auf alle den Betrieb von Kernkraftwerken betreffenden Maßnahmen eine Gesamtbetrachtung durchführen sowie die Höhe der Steuer im Kontext aller Maßnahmen überprüfen (vgl. Schriftsatz der Bundesregierung vom 13. Februar 2015, S. 28 i.V.m. Anlage 6, S. 8).

109

(3) Das spricht gegen eine Koppelung der Kernbrennstoffsteuer an die durch die Laufzeitverlängerung beziehungsweise aufgrund der durch den CO2-Emissionshandel generierten (Mitnahme-)Gewinne. Statt dessen ist das Kernbrennstoffsteuergesetz als fiskalisches Instrument zur Haushaltssanierung zu begreifen, während die Mehreinnahmen aus der Abschöpfung von Zusatzgewinnen aus der Laufzeitverlängerung sowie ab dem Jahre 2013 die Mehreinnahmen aus der Versteigerung der Emissionszertifikate als Grundlage für die Finanzierung des Energie- und Klimafonds nach Maßgabe eines zuvor zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Kernkraftwerkbetreibergesellschaften geschlossenen Förderfondsvertrags dienen sollten (vgl. die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" [EKFG], BTDrucks 17/3053, S. 1; ferner BTDrucks 17/3405, S. 1). Somit war das energiebezogene Finanzkonzept der Bundesregierung sowohl auf Haushaltskonsolidierung durch das Kernbrennstoffsteuergesetz als auch auf "Sondergewinnabschöpfung" durch den Energie- und Klimafonds angelegt.

110

(4) Die vertragliche Regelung in § 2 Abs. 2 des Förderfondsvertrags steht diesem Nebeneinander von Kernbrennstoffsteuer einerseits und Energie- und Klimafonds andererseits nicht entgegen. Danach sollte sich zwar die Vorausleistung auf den Förderbeitrag jährlich um denjenigen Betrag mindern, der das jährliche Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer oder einer ähnlichen Steuer von 2,3 Milliarden Euro überstiegen hat. Entsprechendes gilt für die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EKFG in der Fassung vom 8. Dezember 2010, der zufolge das Sondervermögen unter anderem aus dem das jährliche Aufkommen von 2,3 Milliarden Euro der Kernbrennstoffsteuer übersteigenden Betrag finanziert werden sollte. Abgesehen davon, dass ein Steueraufkommen von 2,3 Milliarden Euro ohnehin zu keinem Zeitpunkt überschritten wurde, hob der Gesetzgeber im Hinblick darauf, dass aufgrund des von der Bundesregierung beschlossenen beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie weitere Zahlungen aus dem Förderfondsvertrag an den Energie- und Klimafonds nicht zu erwarten waren, die auf das Kernbrennstoffsteuergesetz rekurrierenden Vorschriften des EKFG bereits ein halbes Jahr nach dessen Inkrafttreten wieder auf (vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" - EKFG-ÄndG vom 29. Juli 2011, BGBl I S. 1702; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds", BTDrucks 17/6075 und der Bundesregierung, BTDrucks 17/6252 , sowie die diesbezügliche Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushaltsausschusses, BTDrucks 17/6356). Somit ist es über den Energie- und Klimafonds zu keiner relevanten Koppelung zwischen Laufzeitverlängerung und Kernbrennstoffsteuer gekommen.

111

2. Die Kernbrennstoffsteuer entspricht nicht dem Typus der Verbrauchsteuer gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG.

112

Der Begriff der Verbrauchsteuer wird im Grundgesetz nicht definiert (a)). Er ist als Typusbegriff weit zu verstehen (b)). Die Verbrauchsteuern sind von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen (c)). Bei der Verbrauchsteuer handelt es sich im Regelfall um eine indirekte Steuer, die beim Hersteller erhoben wird und auf eine Abwälzung auf den (End-)Verbraucher angelegt ist (d)). Der Typusbegriff der Verbrauchsteuer erfordert zudem den Verbrauch eines Gutes des ständigen Bedarfs (e)). Ferner knüpfen Verbrauchsteuern regelmäßig an den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr an (f)). Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer (g)).

113

a) Das Grundgesetz enthält, ebenso wie die Reichsverfassungen von 1871 und 1919, aus denen der Typus der Verbrauchsteuer lediglich übernommen wurde, keine Definition der Verbrauchsteuer. Die Materialien des Parlamentarischen Rates von 1948/1949 geben gleichfalls keinen näheren Aufschluss darüber, was der Verfassungsgeber unter einer Verbrauchsteuer verstanden hat. Anhaltspunkte dafür gibt erstmals die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817). Dort findet sich folgende Begriffsbestimmung für die Verbrauchsteuer (BTDrucks II/480, S. 107 f. ), die in der späteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen wurde (vgl. BVerfGE 98, 106 <123 f.>):

Die Kriterien dieses von der Gesetzgebung als gegeben vorausgesetzten Begriffs müssen den Merkmalen der Steuer[n] entnommen werden, die seit jeher unter diesen Begriff subsumiert worden sind. Verbrauchsteuern sind danach Steuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten und die auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs (z. B. Übergang in den Wirtschaftsverkehr) von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht; die Steuer wird wirtschaftlich regelmäßig nicht vom Steuerschuldner, sondern im Wege der Überwälzung vom Endverbraucher getragen.

Die Entscheidung, ob eine bestimmte Steuer den Verbrauchsteuern zuzurechnen ist, bleibt eine Frage der Auslegung. Unter Art. 106a Nr. 2 fallen folgende Verbrauchsteuern:

Tabaksteuer Kaffeesteuer Teesteuer Zuckersteuer Salzsteuer Branntweinsteuer Mineralölsteuer Kohlenabgabe Schaumweinsteuer Essigsäuresteuer Zündwarensteuer Leuchtmittelsteuer Spielkartensteuer Süßstoffsteuer

114

b) Die Typusbegriffe der Art. 105 und 106 GG - und damit auch der Typus der Verbrauchsteuer - sind weit zu interpretieren. Die restriktive Auslegung des Katalogs des Art. 106 GG und seiner Typusbegriffe birgt vor dem Hintergrund der Verneinung eines allgemeinen Steuererfindungsrechts die Gefahr einer Erstarrung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und ist deshalb mit einer hinreichend flexiblen Finanzverfassung nicht vereinbar (so bereits Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 38 f.; Hartmann, DStZ 2012, S. 205 <206>; Waldhoff, ZfZ 2012, S. 57 <58 ff.>).

115

c) Der Begriff der Verbrauchsteuer im Sinne des traditionellen deutschen Steuerrechts umfasst zwar nicht nur Steuern auf Güter des "letzten" Verbrauchs, das heißt die Belastung des Verbrauchs im privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich (BVerfGE 110, 274 <296>).

116

Die Verbrauchsteuern sind aber von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung durch den Erwerb von Waren, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Die Trennlinie ist demnach bei der Anknüpfung an den Gewinn der Unternehmer einerseits und der Einkommensverwendung der Endverbraucher andererseits zu ziehen (Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 7 Rn. 22): Eine Steuer, die gezielt auf den unternehmerischen Gewinn oder einen typisierend vermuteten unternehmerischen Gewinn zugreift anstatt auf die Einkommensverwendung, ist nicht als Verbrauchsteuer, sondern als Unternehmensteuer einzuordnen (vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 47).

117

aa) Diese Unterscheidung zwischen (privater) Einkommensverwendung und unternehmerischer Einkommenserzielung ist für das finanzverfassungsrechtliche "Verteilungsgefüge" (Martini, ZUR 2012, S. 219 <225>) von grundsätzlicher Bedeutung. Art. 106 GG verteilt unter anderem das Aufkommen der Verbrauchsteuern (Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG), das ausschließlich dem Bund zugewiesen ist, während das Aufkommen bestimmter Steuern auf die Einkommen- beziehungsweise Gewinnerzielung Bund und Ländern gemeinsam zusteht (vgl. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG).

118

bb) Die Verbrauchsteuern stehen in Parallele zu den Aufwandsteuern (FG Hamburg, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 255; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <135>; Englisch, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 190 Rn. 10; vgl. auch Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, 1955, S. 26), die ebenfalls auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellen; in der Absicht der Besteuerung privater Einkommensverwendung liegt das wesentliche Merkmal der Aufwandsteuern (BVerfGE 16, 64 <74>; 49, 343 <354>; 123, 1 <15>). Für die Aufwandsteuer hat das Bundesverfassungsgericht bereits klargestellt, dass das Merkmal der "Einkommensverwendung" in erster Linie zur Abgrenzung von den Einkommensentstehungssteuern dient (BVerfGE 65, 325 <346 f.>; ferner BVerfGE 49, 343 <356 f.>).

119

d) Verbrauchsteuern sind im Regelfall indirekte Steuern. Sie werden zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben (vgl. nur BTDrucks II/480, S. 107 f. ; BVerfGE 98, 106 <124>). Steuerschuldner und Steuerträger - das heißt die (natürliche oder juristische) Person, die die Steuerlast im wirtschaftlichen Ergebnis trägt - sind jedoch nicht identisch. Vielmehr ist die Steuer auf eine Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt, mit der Folge, dass die Unternehmer als Steuerschuldner von der Steuerlast wirtschaftlich ent- und die privaten Verbraucher als Steuerträger wirtschaftlich belastet werden. Verbrauchsteuern sollen die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers abschöpfen (BVerfGE 31, 8 <20>; 98, 106 <124>; 110, 274 <297 f.>; BFHE 141, 369 <375>; Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, 1955, S. 83 f.; F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 1990, S. 31; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <134 ff.>; Arndt, Rechtsfragen einer deutschen CO²-Energiesteuer entwickelt am Beispiel des DIW-Vorschlages, 1995, S. 63 f.; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, S. 87; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28 f.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 97; Waldhoff, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 13 Rn. 2; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 247; Schaumburg, in: Festschrift für Wolfgang Reiß, 2008, S. 25 <37 f.>; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 105 Rn. 56; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <315>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <222>; Desens, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 189 Rn. 21; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 47).

120

aa) Ob mit der (indirekten) Besteuerung die Einkommensverwendung des Verbrauchers getroffen werden soll, beurteilt sich nach dem Regelungsanliegen des Gesetzes. Die Motivation des Unternehmers ist demgegenüber nicht entscheidend. Da er regelmäßig bestrebt sein wird, sämtliche Steuern auf den Konsumenten abzuwälzen, kann sein Wille für die Frage, ob der Typus einer Verbrauchsteuer gegeben ist, nicht maßstabsbildend sein.

121

bb) Ob dem Gesetz die "Idee" (BVerfGE 14, 76 <96>) oder das "Konzept" (BVerfGE 110, 274 <298>) einer Abwälzbarkeit der Steuer zugrunde liegt, ist nach der subjektiven Zielsetzung des Gesetzgebers, dem objektiven Regelungsgehalt des betreffenden Gesetzes und etwaigen flankierenden Maßnahmen zu beurteilen (vgl. BVerfGE 91, 186 <203>). Neben den Gesetzesmaterialien sind dabei alle objektiv feststellbaren Indizien in den Blick zu nehmen.

122

cc) Ein Indiz dafür, dass die Steuer auf Abwälzbarkeit angelegt ist, kann insbesondere die nach den Umständen gegebene tatsächliche Abwälzbarkeit der Steuer sein. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag wirtschaftlich auf die Endverbraucher abzuwälzen.

123

(1) Die Abwälzbarkeit hat allerdings dann keine Indizwirkung, wenn sich ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers positiv feststellen lässt. Eine tatsächlich gegebene Abwälzbarkeit, die der Intention des Gesetzgebers widerspricht, ist ohne Belang (vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 408 f.; Jobs, Steuern auf Energie als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999, S. 216; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28 f.; Seer, DStJG 23 [2000], S. 87 <116>; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <319 f.>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <224>; Seer, DStR 2012, S. 325 <332 f.>; Gärditz, ZfZ 2014, S. 18 <20 f.>).

124

(2) Andererseits ist nicht notwendig, dass die Möglichkeit einer Abwälzung in jedem Einzelfall besteht; auch eine rechtliche Gewähr dafür, dass dem Unternehmer eine Abwälzung tatsächlich gelingt, ist nicht erforderlich. Ausreichend ist eine kalkulatorische Abwälzbarkeit. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer generell die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einzusetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - zu treffen (BVerfGE 31, 8 <20>; 110, 274 <295>; 123, 1 <35>).

125

Wird das mit einer Verbrauchsteuer belastete Gut produktiv verwendet, ist der im Typus der Verbrauchsteuer angelegten Abwälzungsmöglichkeit bereits dann Genüge getan, wenn der zunächst belastete gewerbliche Verbraucher jedenfalls grundsätzlich nicht gehindert ist, die Verbrauchsteuerbelastung in den Preis für das von ihm hergestellte Produkt einzustellen und so seinerseits die Steuerlast als Preisbestandteil über eine oder mehrere Handelsstufen auf den privaten End- oder Letztverbraucher abzuwälzen. Dabei ist es unerheblich, ob die wirtschaftliche Abwälzung der Verbrauchsteuerlast für ihn tatsächlich realisierbar ist (BVerfGE 110, 274 <295 f.>). Die Voraussetzung einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit ist zumindest so lange gegeben, wie der Umsatz nicht nur den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft (vgl. BVerfGE 31, 8 <20>).

126

(3) Allerdings kann der Einsatz eines besteuerten Gegenstandes selbst dann noch Gewinn abwerfen, wenn gerade die durch die Verbrauchsteuer begründeten Kostenpositionen nicht abgewälzt werden können. Das Merkmal der kalkulatorischen Abwälzbarkeit hat in diesem Fall nicht nur für den Typus einer Verbrauchsteuer Bedeutung, sondern ist auch auf materieller Ebene erheblich (vgl. BVerfGE 123, 1 <16 ff. und 35 ff.>; vgl. auch BVerfGE 135, 126 <142 Rn. 46>; BVerfGK 17, 44 <48 f.>; FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 255; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <137>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <224>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 85). Dort sichert es die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Einzelfall. Da Verbrauchsteuern an die Leistungsfähigkeit der wirtschaftlich hiervon betroffenen Konsumenten und nicht an die des rechtlichen Steuerschuldners anknüpfen sollen (vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 7 Rn. 20), ist immer dann, wenn eine Abwälzung der Steuer durch den rechtlichen Steuerschuldner auf den Konsumenten wirtschaftlich im Einzelfall nicht möglich ist, die materielle Frage der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip aufgeworfen.

127

Auf die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG hat dies jedoch keine Auswirkung. Die Finanzverfassung und ihre Kompetenzordnung verfolgen - mangels erkennbarer Vorgaben - nicht das Ziel, materiellen Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Verletzungen von Grundrechten, insbesondere des Grundsatzes der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, spielen für das Vorliegen einer Verbrauchsteuer und einer Bundeskompetenz daher keine Rolle (BVerfGE 123, 1 <17>; 135, 126 <142 Rn. 46>; BVerfGK 17, 44 <48 f.>).

128

e) Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuergegenstände (vgl. Rn. 68) ist insoweit typusbedingt eingeschränkt.

129

aa) Dabei kommt es nicht auf einen - im Einzelfall nicht kontrollierbaren - tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf, ob der Besteuerungsgegenstand zum Verbrauch bestimmt ist (Bongartz, in: Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. C 6; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 105). Ein Verbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Besteuerungsgegenstand nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes verbrauchsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen (BFHE 212, 340 <344>) oder funktions- und wertlos werden soll (BVerfGE 98, 106 <124>).

130

bb) Ferner nehmen die herkömmlichen Verbrauchsteuern typischerweise Güter des ständigen privaten Bedarfs zum Ausgangspunkt. Soweit einige der tradierten Verbrauchsteuern - wie etwa die Spielkartensteuer (vgl. das Spielkartensteuergesetz vom 10. September 1919, RGBl S. 1643) - diesem Kriterium nicht entsprechen, liegen nicht typusbestimmende Einzelfälle vor. Hingegen ist es für die herkömmlichen Verbrauchsteuern nicht typusbildend, an "Genussmittel" anzuknüpfen. Zwar hatte die Mehrzahl der traditionellen Verbrauchsteuern Genussmittel zum Gegenstand, jedoch gibt es in nennenswerter Zahl abweichende Beispiele, wie folgende, auch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks II/480, S. 107 f. ; oben Rn. 113) des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) aufgeführte Verbrauchsteuern belegen: die Mineralölsteuer, die Kohlenabgabe, die Zündwarensteuer, die Leuchtmittelsteuer und die Spielkartensteuer.

131

f) Schließlich setzen Verbrauchsteuern regelmäßig den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr voraus, ohne aber - wie die Verkehrsteuern - im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner, zu erfassen (BVerfGE 16, 64 <74>; 98, 106 <124>).

132

aa) Dem liegt die Erkenntnis zugrunde (vgl. unten Rn. 144), dass spätestens ab der Weimarer Zeit eine Üblichkeit bestand, für die Steuerentstehung an das Verbringen eines Endproduktes in den freien Wirtschaftsverkehr anzuknüpfen. Dies betraf insbesondere die Verbrauchsteuer auf Bier, Essigsäure, Kohlen, Leuchtmittel, Mineralöl, Mineralwasser, Schaumwein, Spielkarten, Süßstoff, Tabak, Wein, Zucker und Zündwaren.

133

bb) Der Typus der Verbrauchsteuern umfasst danach Steuern, die nach ihrem Regelungskonzept den Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs durch den privaten Endverbraucher belasten sollen und auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs - regelmäßig das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr - von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht.

134

g) Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer - trotz des gebotenen weiten Verständnisses ihres Typus (oben Rn. 114) - keine Verbrauchsteuer. Sie ist nach der Konzeption des Gesetzgebers bereits nicht auf eine Abwälzung auf die privaten Verbraucher angelegt (aa)). Die Kernbrennstoffsteuer besteuert zudem ein reines Produktionsmittel (bb)). Besondere Umstände, aus denen im Einzelfall trotz der steuerlichen Anknüpfung an ein reines Produktionsmittel dennoch auf das Vorliegen einer Verbrauchsteuer geschlossen werden könnte, sind für die Kernbrennstoffsteuer nicht gegeben (cc)). Schließlich erfüllt die Kernbrennstoffsteuer nicht das Typusmerkmal der Anknüpfung an ein Gut des ständigen privaten Bedarfs (dd)). Die gebotene Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass sie nicht mehr unter den Typus der Verbrauchsteuer eingeordnet werden kann (ee)).

135

aa) Die Gesetzesmaterialien über die Einführung der Kernbrennstoffsteuer sprechen gegen eine Zielsetzung des Gesetzgebers, für die Besteuerung an die Einkommensverwendung der privaten Verbraucher anzuknüpfen. Er geht in der Gesetzesbegründung nicht von einer Steigerung der Stromkosten für Bund, Länder und Gemeinden aus, da nach seiner Auffassung eine "Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden zusätzlichen Kosten nur in geringem Umfang möglich sein wird" (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5):

Strompreiserhöhungen gehen von der Kernbrennstoffsteuer nur insoweit aus, wie die Steuerbelastung auf Stromkunden überwälzt werden kann. Grundsätzlich ist die vollständige Überwälzung der Steuerlast möglich. Da Strom aus Kernkraftwerken aufgrund der bisher geringen Erzeugungskosten im Regelfall keinen Einfluss auf die Strompreisbildung an den Börsen (sog. merit-order) hat, wird angenommen, dass die erhöhten Kosten der Kernkraftwerke allenfalls gelegentlich und für kurze Zeiträume auf die Preisbildung am Strommarkt durchschlagen werden. Die Einkaufspreise an den Strombörsen bilden einen Bestandteil der Kalkulation der Verbraucherpreise der Energieanbieter. In die Verbraucherpreise gehen jedoch nicht nur die Strompreise an den Börsen, sondern auch die Netznutzungsentgelte, die Umlagen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes sowie Konzessionsabgaben, Stromsteuer und Mehrwertsteuer ein. Für die Verbraucher sind daher allenfalls relativ geringe Erhöhungen des Endabnehmerpreises für Strom zu erwarten. Über eine eventuelle Überwälzung auf Industriekunden, deren Preise vertraglich ggf. nicht an die Börsenpreise gebunden sind, liegen keine Informationen vor. Unmittelbare Auswirkungen, die sich in den Einzelpreisen, dem allgemeinen Preisniveau oder dem Verbraucherpreisniveau niederschlagen könnten, sind damit kaum zu erwarten.

136

Auch die Annahme des Gesetzgebers, die Unternehmen würden durch die Kernbrennstoffsteuer mit "bis zu 2,3 Milliarden Euro" (BTDrucks 17/3054, S. 5) belastet werden, weist in dieselbe Richtung. Diese Summe ist identisch mit dem damals kalkulierten Steueraufkommen (vgl. BTDrucks 17/3054, S. 1). Aus den weiteren Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts anderes, insbesondere nicht aus dem Hinweis, die vollständige Abwälzung der Steuerlast sei "[g]rundsätzlich […] möglich" (vgl. BTDrucks 17/3054, S. 5). Dies wird durch die eigene Feststellung des Gesetzgebers, eine Abwälzung werde im maßgeblichen (BVerfGE 110, 274 <298>) Regelfall nicht gelingen, widerlegt. Wäre eine Belastung der Verbraucher - die einzig über den Preis für den an sie abgegebenen Strom erfolgen kann - gewollt gewesen, hätte es, wie das vorlegende Gericht zu Recht hervorhebt (Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 456), zudem nahe gelegen, dafür an die mit den Kernbrennstoffen produzierte und an die Verbraucher abgegebene Strommenge statt an das Einsetzen der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion (§ 5 Abs. 1 KernbrStG) und damit einen Vorgang weit außerhalb der Sphäre der Verbraucher anzuknüpfen.

137

Auf Einzelheiten der (kalkulatorischen) Abwälzbarkeit der Kernbrennstoffsteuer kommt es daher nicht mehr an. Insbesondere sind ihre Auswirkungen auf die Rentabilität von Kernreaktoren in diesem Zusammenhang ohne Belang.

138

bb) Die Kernbrennstoffsteuer besteuert zudem ein reines Produktionsmittel. Eine entsprechende Anknüpfung ist bei einer Betrachtung der herkömmlichen Verbrauchsteuern nicht typusgerecht (1). Die Besteuerung reiner Produktionsmittel ist auch deshalb typusfremd, weil darin kein Zugriff auf die private Einkommensverwendung liegt (2).

139

(1) Kernbrennstoffe sind einer konsumtiven Nutzung durch private Endverbraucher nicht zugänglich. Die herkömmlichen Verbrauchsteuern haben aber nur ausnahmsweise an reine Produktionsmittel angeknüpft.

140

(a) Allerdings ist nahezu jedes besteuerte Gut zumindest "auch" in einem Produktionsprozess nutzbar und eine konsequente Trennung von Produktiv- und Konsumtionsverbrauch durch den Steuergesetzgeber daher kaum möglich (vgl. Birk/Förster, DB zum Heft 30 1985, S. 1 <4>). Vor diesem Hintergrund wurden Steuern auf "auch" konsumtiv nutzbare Produktionsmittel im traditionellen deutschen Verbrauchsteuerrecht als Verbrauchsteuern eingeordnet; das Anknüpfen an ein Produktionsmittel war in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BTDrucks 9/167, S. 6; BVerfGE 110, 274 <296>; BFHE 141, 369 <372 f.>).

141

(b) Für das traditionelle deutsche Verbrauchsteuerrecht lässt sich für die Zeit bis zum 23. Dezember 1955 - dem Zeitpunkt des Erlasses des Finanzverfassungsgesetzes (BGBl I S. 817) und der in seinen Gesetzesmaterialien (BTDrucks II/480, S. 107 f. ) enthaltenen Definition von Verbrauchsteuern - der Typus einer an reine Produktionsmittel anknüpfenden Verbrauchsteuer als Regelfall jedoch nicht feststellen. Die Verbrauchsteuern nahmen vielmehr typischerweise Güter zum Ausgangspunkt, die einer "auch" konsumtiven Nutzung zugänglich waren, während die Anknüpfung an einer konsumtiven Nutzung nicht fähige Produktionsmittel einen Sonderfall darstellte.

142

Den im Kaiserreich erhobenen Steuern lag noch keine einheitliche, in sich abgeschlossene Systematik zugrunde. Allerdings ist eine Entwicklung weg von der Besteuerung von Produktionsmitteln erkennbar. Dies wird etwa für die Maischebesteuerung (vgl. § 1 des Gesetzes wegen Erhebung der Brausteuer in der Fassung vom 31. Mai 1872, RGBl S. 153) deutlich: Diese knüpfte zwar ursprünglich an ein reines Produktionsmittel an, die Steuer wurde allerdings zum Ende des Kaiserreiches durch die Biersteuer (vgl. das Biersteuergesetz in der Fassung vom 26. Juli 1918, RGBl S. 863) ersetzt, die nicht mehr ein Produktionsmittel, sondern das - zum privaten Konsum nutzbare - Endprodukt zum Anknüpfungspunkt nahm. Maßgeblich für die Besteuerung war zudem nicht mehr die bloße Herstellung, sondern ein Inverkehrbringen des Produkts, das angenommen wurde, "sobald das Bier aus der Brauerei entfernt oder innerhalb der Brauerei getrunken wird" (§§ 1 und 8 des Biersteuergesetzes in der Fassung vom 26. Juli 1918, RGBl S. 863).

143

Diese Verschiebung in der Art des steuerlichen Zugriffs zeigt sich in weiteren Beispielen zum Ende des Kaiserreiches: Die Zuckersteuer knüpfte ab 1891 nicht mehr an die Verarbeitung von rohen Rüben, sondern an das Inverkehrbringen des Zuckers an (vgl. §§ 1 und 3 des Gesetzes, die Besteuerung des Zuckers betreffend, in der Fassung vom 31. Mai 1891, RGBl S. 295). Auch die ab 1902 erhobene Schaumweinsteuer wurde vergleichbar erhoben (vgl. §§ 1 und 3 Schaumweinsteuergesetz in der Fassung vom 9. Mai 1902, RGBl S. 155).

144

Die Änderungen in der Weimarer Republik gingen ebenfalls in diese Richtung: Es wurde nicht mehr an die Produktion und Materialverwendung angeknüpft, sondern an das Verbringen eines Endproduktes in den freien Verkehr. Die ab 1930 erhobene Branntweinersatzsteuer (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 15. April 1930, RGBl I S. 138) knüpfte zwar an einen bevorstehenden Produktionsprozess an, betraf allerdings "auch" konsumtiv nutzbare Güter. Auch spätere Steuern hatten jedenfalls der "auch" konsumtiven Nutzung fähige Güter zum Gegenstand. Bestätigt wird dieser Befund durch die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BTDrucks II/480, S. 107 f. ; vgl. Rn. 113). Den "seit jeher" als Verbrauchsteuer klassifizierten Steuern entnahm diese erkennbar keine Anknüpfung an reine Produktionsmittel, sondern stellte auf den "Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs" ab.

145

(c) Wird die Zeit nach Inkrafttreten des Finanzverfassungsgesetzes im Jahre 1955 in den Blick genommen, ergibt sich kein anderes Bild (vgl. Englisch, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 190 Rn. 6). Die Änderungen der Schnupftabaksteuer und die Anknüpfung an Rohtabak (1957) und damit an einen Rohstoff waren jeweils gesetzlich mit einem konkreten Endverbrauchsgut verbunden, welches das eigentliche Ziel der Besteuerung bildete (Schnupf- bzw. Kautabak). Zudem betraf die Steuer ein "auch" konsumtiv nutzbares Gut. Mit der Neufassung des Tabaksteuergesetzes im Jahre 1980 wurde die Besteuerung von Kau- und Schnupftabak wieder an das System der übrigen Tabakwaren angepasst (vgl. § 1 Abs. 1 Ziffer 1, § 7 Abs. 1 des Tabaksteuergesetzes [TabStG 1980] in der Fassung vom 13. Dezember 1979, BGBl I S. 2118). Die Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol im Jahr 1978 (vgl. Art. 1 Ziffer 27 [§ 103a] des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 13. November 1979, BGBl I S. 1937) betraf endverbrauchsfähige Güter. Ferner war nur ein Randbereich der Besteuerung betroffen; diese war erneut gesetzlich mit der Herstellung eines endverbrauchsfähigen Guts verknüpft. Es sollten Umgehungen dadurch verhindert werden, dass auch Ersatzstoffe zum Anknüpfungspunkt der Steuer genommen wurden; maßgeblich sollte die Anknüpfung an Spirituosen bleiben (BTDrucks 8/2319, S. 8 f.).

146

(d) Aus der seit dem Jahre 1981 geltenden Besteuerung einiger technischer Alkohole (vgl. Art. 2 Ziffer 7 [§ 103b] des Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 [MinöBranntwStÄndG 1981] vom 20. März 1981, BGBl I S. 301) zur Herstellung von Riech- und Schönheitsmitteln folgt nichts anderes. Danach unterlagen auch die Alkoholarten Propanol-1 und Propanol-2 sowie Methanol, "wenn sie zu Riech- und Schönheitsmitteln verarbeitet werden", der Branntweinsteuer. Die Steuer entstand "mit dem Beginn der Verarbeitung zu Riech- und Schönheitsmitteln"; Steuerschuldner war der Inhaber des Verarbeitungsbetriebs. Die Branntweinsteuer bezog sich insoweit auf reine, keiner konsumtiven Nutzung fähige Produktionsmittel. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Zusammenhang § 103b des Gesetzes über das Branntweinmonopol für kompetenzgemäß im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG erachtet (BFHE 141, 369 unter Bezugnahme auf BTDrucks 9/167, S. 6). Die gegen § 103b des Gesetzes über das Branntweinmonopol gerichteten Verfassungsbeschwerden wurden durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Ersten Senats vom 17. September 1985 - 1 BvR 1260/84 -, DStZ/E 1985, S. 334; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Ersten Senats vom 17. September 1985 - 1 BvR 1261/84 -, Information StuW 1985, S. 575). Auch in einer weiteren Entscheidung vom 2. Mai 1985 (BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats vom 2. Mai 1985 - 2 BvR 285/85 -, DB 1985, S. 1569 <1570>) hat das Bundesverfassungsgericht keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetz vom 20. März 1981 (BGBl I S. 301) erhoben, insbesondere keinen Kompetenzverstoß erkannt.

147

Allerdings lag in Bezug auf den steuerlichen Tatbestand ein nicht typusbildender Einzelfall vor. Ziel des Gesetzes war es, das Substitut eines durch die Branntweinsteuer erfassten Alkohols zu besteuern und die einheitliche Erfassung einer Warengruppe einschließlich von Ersatzstoffen zu gewährleisten, um auf diese Weise die Einheitlichkeit der Besteuerung sicherzustellen. In einem solchen Fall kann eine Besteuerung von Produktionsmitteln ausnahmsweise als typusgerecht angesehen werden (vgl. mit ähnlicher Argumentation BVerfGE 137, 350 <362 Rn. 30> zur Luftverkehrsteuer und BVerfGE 27, 375 <383 f.> zu Nachsteuern). Dies dient insbesondere dem Schutz des Besteuerungsaufkommens vor dem steuerumgehenden Ersatz der besteuerten Güter durch funktionsgleiche, aber unbesteuerte Substitute. Zudem lag den genannten Entscheidungen ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der besteuerte Rohstoff in dem Endverbrauchsprodukt noch körperlich vorhanden war. Eine vorbehaltlose Aussage, dass die Besteuerung reiner Produktionsmittel typuskongruent ist, enthalten damit weder die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch die Ausführungen des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 9/167, S. 6) oder des Bundesfinanzhofs (BFHE 141, 369 <373>).

148

(e) Nichts anderes folgt aus der - verfassungsgemäßen (BVerfGE 110, 274) - "Ökosteuer" (vgl. Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, BGBl I S. 378). Diese betraf von vornherein keine ausschließlich produktiv nutzbaren Güter. Besteuert wurden elektrischer Strom und Steuergegenstände des Mineralölsteuergesetzes und damit Güter, die "auch" einer konsumtiven Nutzung zugänglich sind.

149

(2) Die Besteuerung reiner Produktionsmittel ist auch deshalb typusfremd, weil darin kein zielgerichteter Zugriff auf die private Einkommensverwendung liegt.

150

(a) Im Falle der Besteuerung zumindest auch konsumtiv nutzbarer Güter kann eine solche Anknüpfung noch bejaht werden, weil es hier regelmäßig (auch) das Ziel bleibt, primär - und nicht nur "irgendwie" am Ende einer Handelskette - den privaten Verbrauch zu besteuern. Ob insoweit Voraussetzung ist, dass die Belastung der Produktion lediglich eine untergeordnete oder sogar zwangsläufige "Nebenerscheinung" (Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 63 und S. 102 f.; vgl. auch Zitzelsberger, BB 1995, S. 1769 <1776>) der Besteuerung des privaten Verbrauchs ist, kann dahinstehen, da die Kernbrennstoffsteuer ein reines Produktionsmittel besteuert.

151

(b) Die Besteuerung des unternehmerischen Verbrauchs eines reinen Produktionsmittels ist mit einem gesetzgeberischen Konzept, im Wege der Verbrauchsteuer auf die private Einkommensverwendung Zugriff zu nehmen (vgl. Rn.115), hingegen nicht mehr zu vereinbaren (vgl. Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, S. 87; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 97; Gärditz, ZfZ 2012, 18 <20>; Seer, DStR 2012, S. 325 <330 ff.>). Dieses setzt die gezielte Besteuerung gerade des privaten Verbrauchs voraus (vgl. Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <137>; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 105 Rn. 56), weil anderenfalls mit der Anknüpfung an einen Produktionsschritt oder ein Produktionsmittel ein hieraus typisierend angenommener unternehmerischer Gewinn und nicht eine private Einkommensverwendung die Grundlage der Besteuerung wäre (vgl. Zitzelsberger, BB 1995, S. 1769 <1776>; Schaumburg, in: Festschrift für Wolfgang Reiß, 2008, S. 25 <42>; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 6).

152

(c) Ein gewerblicher Verbrauch ist grundsätzlich kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Verbrauchsteuer. Ist die Steuer lediglich darauf angelegt, den Endverbraucher wirtschaftlich "irgendwie" zu treffen, kann die randscharfe Abgrenzung zwischen einer Besteuerung der Einkommenserzielung einerseits und einer Besteuerung der Einkommensverwendung andererseits nicht gelingen. Durch den steuerlichen Zugriff auf den Verbrauch eines Gutes auf einer Vorstufe des Privatkonsums lässt sich eine Besteuerung der Einkommensverwendung des Endverbrauchers nicht zielgenau erreichen. Die Tatsache, dass das besteuerte Gut dazu dient, ein anderes, für den Endverbraucher gedachtes Gut herzustellen, ist zur notwendigen Abgrenzung von Verbrauchsteuern zu anderen Steuertypen nicht geeignet.

153

cc) Besondere Umstände, aus denen im Einzelfall trotz der steuerlichen Anknüpfung an ein reines Produktionsmittel dennoch auf das Vorliegen einer Verbrauchsteuer geschlossen werden könnte, sind für die Kernbrennstoffsteuer nicht gegeben.

154

Insbesondere sind keine sonstigen Indizien für ein Anknüpfen der Besteuerung an die private Einkommensverwendung erkennbar (1). Es muss auch nicht zwingend deshalb an ein reines Produktionsmittel angeknüpft werden, um Umgehungs- oder Ausweichverhalten auszuschließen (2).

155

(1) Ein Hinweis, dass auf die Einkommensverwendung zugegriffen werden soll, könnte in dem körperlichen Vorhandensein des besteuerten Rohstoffs im Endprodukt für den privaten Konsum zu sehen sein (Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <316>; vgl. identisch: BTDrucks 9/167, S. 6 und BFHE 141, 369 <373>; ähnlich auch: Köck, JZ 1991, S. 692 <697>; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 <490>; Franke, StuW 1994, S. 26 <31>; Bach, StuW 1995, S. 264 <272>; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 30 f.; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 107 ff.). Ein solches körperliches Vorhandensein könnte eine hinreichende Verbindung zwischen dem besteuerten Gut und dem privaten Verbrauch als Ausdruck der Einkommensverwendung herstellen und die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe den privaten Verbrauch besteuern wollen und die Anknüpfung an den Privatkonsum lediglich auf eine Vorstufe verlagert.

156

Die besteuerten Kernbrennstoffe finden allerdings keinen körperlichen Eingang in den produzierten elektrischen Strom als das für den privaten Verbrauch allein in Betracht kommende Endverbrauchsgut. Die Verbrauchsgüter des Kernbrennstoffsteuergesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 KernbrStG: Uran und Plutonium) sind in dem hergestellten beziehungsweise abgegebenen Strom nicht physisch enthalten. Allenfalls findet sich dort - nach einem aufwendigen Transformationsprozess - das in den vorgenannten Elementen enthaltene energetische Potential wieder. Nicht dieses unterliegt aber der Besteuerung durch die Kernbrennstoffsteuer, sondern das Einsetzen der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor (§ 5 KernbrStG), unabhängig von der tatsächlich erzielten Energieausbeute. Zudem war der abgegebene elektrische Strom nicht das Ziel der Kernbrennstoffsteuer; von einer - etwa aus Vereinfachungsgründen bei der Steuererhebung erfolgten - Verlagerung der Besteuerung des Stroms auf eine Vorstufe kann daher keine Rede sein (so auch EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-5/14 -, juris, Rn. 65 ff.).

157

(2) Es musste auch nicht zwingend deshalb an ein reines Produktionsmittel angeknüpft werden, weil die Einbeziehung einzelner Güter zur Wahrung einer geschlossenen Besteuerung bestimmter Warengruppen im Rahmen einer ansonsten systemgerechten Steuer notwendig war, insbesondere zum Schutz des Besteuerungsaufkommens vor dem Ersatz der Waren, die für die Besteuerung zum Ausgangspunkt genommen werden, durch funktionsgleiche, aber unbesteuerte Substitute.

158

Die Kernbrennstoffsteuer zielt nicht auf die Besteuerung einzelner Substitutsgüter zur Wahrung einer geschlossenen Besteuerung bestimmter Warengruppen im Rahmen einer ansonsten systemgerechten Steuer. Zwar unterliegen auch andere Rohstoffe zur Energiegewinnung dem Zugriff durch Verbrauchsteuern. Eine geschlossene Besteuerung der Energieträger, in die sich die Kernbrennstoffsteuer einfügen ließe, ist jedoch nicht festzustellen. Im Bereich der Energieträgerbesteuerung verfolgt die Besteuerung oftmals das Ziel der Verhaltenssteuerung und nicht ausschließlich fiskalische Zwecke. Daher ist steuerlich von vornherein keine Vergleichbarkeit der einzelnen Energieträger gegeben.

159

Zudem dient die Besteuerung von Kernbrennstoffen nicht dem Schutz des Besteuerungsaufkommens einer bestehenden Steuer vor einer Umgehung mittels Substituten der besteuerten Güter, sondern der eigenständigen Beschaffung von Haushaltsmitteln (vgl. BTDrucks 17/3054 S. 1 und S. 5).

160

dd) Schließlich erfüllt die Kernbrennstoffsteuer nicht das Typusmerkmal der Anknüpfung an ein Gut des ständigen privaten Bedarfs. Zudem ist ein freier Warenverkehr von Kernbrennstoffen aufgrund ihrer Gefährlichkeit ausgeschlossen. Die Kernbrennstoffsteuer knüpft demgemäß in § 5 Abs. 1 KernbrStG nicht an den Realakt des Verbringens des Besteuerungsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr an, sondern an den Realakt des erstmaligen Einsetzens der Brennstäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion. Darin liegt eine weitere Abweichung vom Steuertypus der Verbrauchsteuer.

161

ee) Die gebotene Gesamtbetrachtung (vgl. Rn. 65) führt zu dem Ergebnis, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht mehr unter den Typus der Verbrauchsteuer eingeordnet werden kann. Sie erfüllt bereits das zentrale Typusmerkmal einer Besteuerung der privaten Einkommensverwendung nicht und ist aufgrund der Besteuerung eines reinen Produktionsmittels - auch im Hinblick darauf, dass Verbrauchsteuern üblicherweise an Güter des ständigen Bedarfs anknüpfen - typusfremd. Im Falle der Besteuerung eines reinen Produktionsmittels, das sich nicht im Endverbrauchsgut körperlich wiederfindet, hat die Abgrenzung zwischen der Besteuerung der privaten Einkommensverwendung der Endverbraucher und der Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit entscheidende Bedeutung für den Verbrauchsteuertypus. Trotz des gebotenen weiten Verständnisses bei der Bestimmung der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und 106 GG (vgl. Rn. 114) kommt demgegenüber den Gesichtspunkten, dass die Kernbrennstoffe bei ihrem Einsatz wirtschaftlich aufgezehrt und damit im Sinne des Verbrauchsteuerbegriffs "verbraucht" werden und dass es nicht zum Typus von Verbrauchsteuern gehört, allein Genussmittel zu besteuern, kein ausreichendes Gewicht zu, um dennoch eine Verbrauchsteuer annehmen zu können.

V.

162

Der Verstoß des Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG führt vorliegend zur Nichtigerklärung (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 BVerfGG) des Gesetzes und nicht nur zur Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVerfGG). Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung hat das Bundesverfassungsgericht zwar wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen, insbesondere Steuer- und Abgabengesetzen, ausgesprochen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie einer entsprechenden Finanz- und Haushaltswirtschaft kann es hier gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen (BVerfGE 72, 330 <422>; 87, 153 <178 ff.>; 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 111, 191 <224 f.>; 117, 1 <70>), da der rückwirkenden Neubemessung staatlicher Einnahmen keine Möglichkeit zur Neubemessung der Ausgaben entgegenstünde. Hieraus würde eine erhebliche Gefährdung der periodisch erfolgenden staatlichen Finanzplanung und -stabilität und eine Entlastung aktueller und vergangener Steuerzahler zu Lasten künftiger Steuerzahler folgen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung steht einer Rückwirkung der Entscheidung allerdings nicht stets entgegen (vgl. BVerfGE 122, 210 <246>; 126, 268 <285 f.>) und kann nur Geltung beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushaltsplanung verlassen durfte. Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen finanzverfassungsrechtlichen Unsicherheiten belastete Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall.

Abw. Meinung

1

Soweit die Senatsmehrheit das Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig hält, stimmen wir dem zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu. Entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit hat der Bund durchaus die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Erfindung neuer, nicht in Art. 106 GG aufgeführter Steuern (I.). Solche Gesetze bedürfen jedoch der Zustimmung des Bundesrates (II.). Da diese hier nicht erteilt worden ist, ist das Kernbrennstoffsteuergesetz nichtig (III.).

I.

2

Die Auffassung der Senatsmehrheit, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Steuerrecht auf die in Art. 106 GG genannten Steuertypen zu beschränken, vermag nicht zu überzeugen. Ob eine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Steuerrechts besteht, bemisst sich ausschließlich nach Art. 105 GG (1.). Dort zugewiesene Befugnisse werden nicht durch Art. 106 GG konditioniert (2.). Der Ausschluss eines so genannten Steuererfindungsrechts lässt sich auch nicht mit der These von der Schutz- und Garantiefunktion der Finanzverfassung begründen (3.). Bei der Zuweisung der Ertragshoheit hat der Steuergesetzgeber allerdings den Vorrang der Verfassung zu beachten und darf sich mit Art. 106 GG nicht in Widerspruch setzen (4.).

3

1. Art. 105 GG enthält eine Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts, die sich im Verhältnis zu den allgemeinen Regeln der Art. 73 f. GG als speziellere Regelung darstellt. Entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen, dass sich diese Gesetzgebungszuständigkeit auf die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern beschränkt. Dafür sprechen weder der Wortlaut der Norm (a) noch systematische (b), teleologische (c) und entstehungsgeschichtliche Gründe (d).

4

a) Nach Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über Zölle und Finanzmonopole, während die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2a GG bei den Ländern liegt. Für die übrigen Steuern ist Art. 105 Abs. 2 GG maßgeblich. Hiernach hat der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Art. 105 Abs. 2 GG unterwirft die "übrigen Steuern" damit der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes.

5

Schon dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass damit ausschließlich die in Art. 106 GG aufgelisteten Steuern gemeint sein sollten. Im allgemeinen Sprachgebrauch kommt dem Begriff "übrig" eine umfassende Auffangfunktion zu. Er ist gleichbedeutend mit "verbleibend", "restlich" oder "als Rest noch vorhanden" (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 1634). Ausschließlich in dieser Bedeutung wird er auch an anderer Stelle des Grundgesetzes verwendet (im Einzelnen: Art. 13 Abs. 7; Art. 23 Abs. 5 Satz 1; Art. 29 Abs. 6 Satz 2; Art. 35 Abs. 3 Satz 2; Art. 36 Abs. 1 Satz 2; Art. 87b Abs. 2 Satz 1; Art. 91 Abs. 2 Satz 2; Art. 93 Abs. 1 Nr. 5; Art. 106 Abs. 7 Satz 2; Art. 108 Abs. 2; Art. 114 Abs. 2 Satz 3; Art. 135 Abs. 5 GG). Aufschlussreich ist insoweit insbesondere der Vergleich mit Art. 108 GG (Finanzverwaltung), dessen Abs. 2 Satz 1 ebenfalls den Begriff der "übrigen Steuern" verwendet und damit - nach einhelliger Auffassung - sämtliche Steuerarten erfasst, die nicht in Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich erwähnt sind (vgl. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 108 Rn. 23; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 108 Rn. 14; Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 108 Rn. 9; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 108 Rn. 33 ; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 108 Rn. 4).

6

Die Senatsmehrheit setzt sich mit dem Wortsinn des Begriffs "übrig" nicht auseinander, sondern beschränkt sich auf die mit systematischen, teleologischen und historischen Argumenten (dazu Rn. 9 ff.) unterlegte Behauptung, unter "übrigen Steuern" seien ausschließlich die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu verstehen (vgl. Rn. 68). Damit übergeht sie den Wortlaut von Art. 105 Abs. 2 GG, der keinerlei Bezugnahme auf Art. 106 GG enthält. Hätte der Verfassungsgeber beziehungsweise der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnisse auf die in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten gewollt, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung in Art. 105 Abs. 2 GG zum Ausdruck bringen können. Zu Recht ist das Fehlen einer ausdrücklichen Verweisung in Art. 105 Abs. 2 GG auf Art. 106 GG daher als "sehr beredtes Schweigen" des Verfassungstextes qualifiziert worden (vgl. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>).

7

b) Das vorstehend dargelegte Verständnis des Begriffs "übrige Steuern" wird auch durch die Systematik des Grundgesetzes gestützt. Abweichend von der sonstigen Gliederung nach Organen und Funktionen ist die Finanzverfassung als Querschnittsmaterie in einem eigenen Abschnitt (X.) übergreifend geregelt. Dies zeigt, dass der Verfassungsgeber den Anspruch hatte, die Materie in diesem Abschnitt einheitlich und abschließend zu regeln. Eine entsprechende Intention des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl I S. 359) lässt sich dem damals neu in das Grundgesetz aufgenommenen Art. 105 Abs. 2a GG entnehmen, der als lex specialis und Bereichsausnahme zu Art. 105 Abs. 2 GG konzipiert ist. Vor diesem Hintergrund muss Art. 105 GG als abschließende Regelung der Gesetzgebungskompetenzen für das materielle Steuerrecht begriffen werden (Heintzen, in: Münch/Kunig, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 9; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 22; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 116 ff. ; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. 14, Art. 105 Rn. 61 f. ; vgl. auch BTDrucks V/2861, S. 94 f.).

8

Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, soweit dieses in mehreren Entscheidungen ein allgemeines Abgabenerfindungsrecht des Staates verneint hat (BVerfGE 55, 274 <300 f.>; 67, 256 <282 ff.>; 78, 249 <266 f.>; 93, 319 <342 ff.>; 108, 1 <16>; 108, 186 <214 ff.>; 113, 128 <145 ff.>; 122, 316 <333 ff.>; 123, 132 <140 ff.>). Diese Entscheidungen betrafen ausschließlich nichtsteuerliche Abgaben (vgl. BVerfGE 113, 128 <145 ff.>). Nur in diesem Kontext - als Ausschluss einer beliebigen Erfindung von außersteuerlichen Abgaben, insbesondere Sonderabgaben - machen die Hinweise auf den "numerus clausus" der Leistungspflichten der Art. 105 f. GG (BVerfGE 67, 256 <286>) und die "Formenklarheit und Formenbindung" (BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 105, 185 <193 f.>) der Finanzverfassung Sinn. Soweit die Rechtsprechung eine Einnahmenerschließung "außerhalb des von der Finanzverfassung erfassten Bereichs" abgelehnt hat (BVerfGE 55, 274 <300 f.>; 78, 249 <266 f.>), bezog sich dies durchgängig auf nichtsteuerliche Abgaben, die dem Regime der Art. 105 ff. GG gerade nicht unterfallen sollten. Das betraf unter anderem eine Berufsausbildungsabgabe zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen (BVerfGE 55, 274 <300 f.>), eine rückzahlbare Abgabe zur Wohnungsbauförderung (BVerfGE 67, 256 <282 ff.>), eine Abschöpfungsabgabe zur Rückabwicklung fehlgeleiteter Subventionen (BVerfGE 78, 249 <266 f.>), Entgelte für Wasserentnahmen (BVerfGE 93, 319 <342 ff.>), Rückmeldegebühren an Universitäten (BVerfGE 108, 1 <15 ff.>), eine Abgabe zur Finanzierung von Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege (BVerfGE 108, 186 <212 ff.>), eine Abgabe zur Finanzierung der Kosten staatlicher Abfallrückführung (BVerfGE 113, 128 <145 ff.>), eine Abgabe von Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft nach dem Absatzfondsgesetz (BVerfGE 122, 316 <333 ff.>) und eine Sonderabgabe zur Holzabsatzförderung (BVerfGE 123, 132 <140 ff.>). Die hierbei angelegten strengen Maßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht deshalb mit dem Hinweis auf die Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung gerechtfertigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 316 <333 ff.>; 123, 132 <140>), um eine Erweiterung der Abgabenbelastung der Bürger unter Rückgriff auf die allgemeinen Sachkompetenzen der Art. 70 ff. GG unter Umgehung der Finanzverfassung zu verhindern. Darum geht es hier jedoch gerade nicht.

9

c) Auch Sinn und Zweck der Finanzverfassung sprechen für die Anerkennung einer konkurrierenden Steuererfindungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG.

10

Ziel der Finanzverfassung ist es, die finanziellen Grundlagen für eine wirksame Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in Bund, Ländern und Gemeinden zu schaffen. Im Rahmen der Finanzreform des Jahres 1969 und ihrem Leitgedanken eines kooperativen Föderalismus sollte der grundgesetzlichen Verpflichtung zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit sowie zur Förderung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet durch annähernd gleichmäßige öffentliche Leistungen, eine gleichmäßige Steuerbelastung im Bundesstaat und durch die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch regional abweichende Steuerregelungen und uneinheitliche Steuerbelastung Rechnung getragen werden (vgl. Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 11 ). Zur Erreichung dieses Ziels wurde dem Bund in Art. 105 GG eine weitgehende konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet der Steuern eingeräumt. Dabei ging der verfassungsändernde Gesetzgeber davon aus, dass mit den in Art. 105 Abs. 2 GG aufgeführten Steuerarten alle denkbaren Steuern erfasst sind, deren einheitliche Gestaltung für die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich sein könnte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 32 ).

11

Die mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) einhergehende Ablösung der ursprünglich abschließenden, das heißt enumerativen Festlegung der Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes wurde als erforderlich betrachtet, um das Steuersystem anpassen und fortentwickeln zu können, ohne dass es dafür stets einer Verfassungsänderung bedarf. Durch diese Flexibilisierung sollte einem Erstarren des Regelungsgefüges im gegenstandsnotwendig dynamischen Feld des Steuerrechts vorgebeugt werden (vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 33; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <175>).

12

Zwar sollte mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) auch ein dauerhaftes und überschaubar gestaltetes Steuerverteilungssystem geschaffen werden, das entsprechend der finanziellen Bedeutung der Aufgaben das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhält (Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 33 ) und unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern zu vermeiden hilft (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ). Eine Versteinerung der Steuerquellen war jedoch nicht beabsichtigt und ist - wie nicht zuletzt die deutliche Ausweitung der Sonderabgaben aller Art zeigt - auch gar nicht möglich. Die Begründung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 bekennt sich ausdrücklich dazu, dass Ziel der Reform eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger (Bund, Länder und Gemeinden) im Rahmen einer vorausschauenden, in sich abgewogenen Gesamtplanung ist (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ; zum Konzept der Herstellung von Dauerhaftigkeit durch Flexibilität vgl. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>).

13

Die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte Flexibilität würde durch eine Begrenzung der Steuergesetzgebungsbefugnisse auf die in Art. 106 GG genannten Steuerarten verfehlt. Umgekehrt vermag sie - wie nicht zuletzt der vorliegende Fall und die Überlegungen der Senatsmehrheit zum "kleinen Steuererfindungsrecht" oder der Streit um die Verteilung der UMTS-Lizenzen (vgl. BVerfGE 105, 185 ff.) zeigen - auch keine nachhaltigen und dauerhaften Verhältnisse sicherzustellen. Auseinandersetzungen über die Reichweite von Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind im Übrigen systemimmanent und keineswegs auf den Bereich der Steuern beschränkt. Das damit verbundene Konfliktpotenzial wird zudem durch das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates entschärft (siehe dazu Abschnitt II.). Das gilt auch für den perhorreszierten "Wettlauf der Steuererfindungen" (vgl. Seer, DStR 2012, S. 325 <330>), dem darüber hinaus der Vorrang der Verfassung entgegensteht.

14

d) Schließlich spricht die Entstehungsgeschichte der Art. 105 f. GG eher für die hier vertretene Interpretation. In der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 waren die Gegenstände der konkurrierenden Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 105 Abs. 2 GG noch enumerativ aufgelistet. Für diese alte Rechtslage vor dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 hatte das Bundesverfassungsgericht ein Steuererfindungsrecht der Länder aus Art. 70 GG ausdrücklich anerkannt und sich damit bereits gegen die Vorstellung von einer abschließenden Natur der Finanzverfassung ausgesprochen (vgl. BVerfGE 14, 76 <91>; 16, 64 <77 ff.>). Die Aufzählung möglicher Steuerarten in Art. 105 Abs. 2 GG wurde gerade nicht als abschließend verstanden, die These von der Vollständigkeit des Steuerkataloges verworfen (vgl. BVerfGE 16, 64 <78 f.>).

15

Daran hat sich durch das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) nichts Grundlegendes geändert. Zwar wurde durch dieses Gesetz die zuvor bestehende Beschränkung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes in Art. 105 Abs. 2 GG auf bestimmte Steuerarten aufgehoben. Damit sollte insbesondere die bis dahin umstrittene Zuständigkeit des Bundes für das allgemeine Steuerrecht eindeutig festgelegt werden (Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 32 f. , S. 52 f. ), wobei der verfassungsändernde Gesetzgeber davon ausging, dass es sachlich nicht begründet sei, die Gesetzgebung des Bundes auf bestimmte Steuerkategorien zu beschränken. Für die Notwendigkeit bundeseinheitlicher Gesetzgebung könnten nur die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG maßgeblich sein (BTDrucks V/2861, S. 32).

16

Das schon zuvor anerkannte Steuererfindungsrecht der Länder sollte durch die Neufassung des Art. 105 Abs. 2 GG jedoch nicht beseitigt oder beschränkt werden. Vielmehr wurde dessen Fortbestand ausdrücklich betont (BTDrucks V/2861, S. 33 ).

17

Soweit die Senatsmehrheit demgegenüber darauf verweist, der verfassungsändernde Gesetzgeber sei möglicherweise bereits bei Erlass des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) der Auffassung gewesen, dass den Ländern ein allgemeines Steuererfindungsrecht nicht zustehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar findet sich in der damaligen Gesetzesbegründung die von der Senatsmehrheit zitierte Feststellung, die verfassungspolitische Bedeutung, die das Grundgesetz der Verteilung der Steuerertragshoheit beimesse, lasse es nicht zu, die Zuteilung der Einnahmen aus künftigen Steuern dem einfachen Bundesgesetzgeber zu überlassen. Damit wurde allerdings lediglich die - später nicht weiterverfolgte - Forderung begründet, dass das Finanzausgleichsgesetz nach Art. 107 GG auch die Grundsätze über die Verteilung solcher Steuern normieren sollte, die nach seiner Verabschiedung neu eingeführt werden (vgl. BTDrucks II/480, S. 40 ). Insoweit setzt die zitierte Passage die Möglichkeit der Einführung neuer Steuern und damit den Bestand eines Steuererfindungsrechts gerade voraus. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Hinweis der Senatsmehrheit auf die Beratungen des Finanzausschusses zum Entwurf eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981. Die dortige Feststellung, dass dem Bund ein Steuererfindungsrecht hinsichtlich des Verbrauchsteuerbegriffs des Art. 106 GG zustehe (vgl. BTDrucks 9/167, S. 6), schließt den Bestand sonstiger Steuererfindungsrechte von Bund und Ländern nicht aus.

18

Mit der Finanzreform 1969 sollte dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zugewiesen werden, soweit eine von den Ländern "erfundene" Steuer wegen der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse bundeseinheitlich geregelt werden muss (vgl. BTDrucks V/2861, S. 94 f.). Dies wird durch die Erklärung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bei der unveränderten Übernahme der im Regierungsentwurf enthaltenen Fassung des Art. 105 Abs. 2 GG bestätigt, dass "eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und einer weiteren Vereinheitlichung des Steuerrechts notwendig ist" und dass "der Bund grundsätzlich für alle Steuern das konkurrierende Gesetzgebungsrecht besitzt" (Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages, BTDrucks V/3605, S. 6 f.). Daraus lässt sich der gesetzgeberische Wille entnehmen, nicht nur das Steuererfindungsrecht der Länder nicht in Frage zu stellen, sondern auch dem Bund mit der Auffangklausel des Art. 105 Abs. 2 GG die Erschließung neuer Steuerarten grundsätzlich zu erlauben.

19

Dieses Verständnis findet sich auch in der Rechtsprechung des Senats. In einem Beschluss vom 12. Oktober 1978 zur landesgesetzlichen Regelung einer neuen, als Steuer eingeordneten Abgabenart, hat dieser eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG abgeleitet, ohne die Abgabenregelung einer der in Art. 106 GG ausdrücklich aufgeführten Steuertypen zuordnen zu können oder auf diese Bestimmung auch nur Bezug zu nehmen (BVerfGE 49, 343<354>). Die schleswig-holsteinische Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse hatte insoweit Bestand (vgl. BVerfGE 49, 343 <354>).

20

2. Die "Steuererfindungsbefugnis" nach Art. 105 GG wird nicht durch Art. 106 GG eingeschränkt (a). Zum Gegenstand der Steuergesetzgebung gehört - vorbehaltlich der Vorgaben von Art. 106 GG - auch die Zuweisung der Steuerertragshoheit (b).

21

a) Art. 105 GG unterscheidet sich in seiner Funktion grundlegend von Art. 106 GG. Während Art. 105 GG die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts zuordnet, dient Art. 106 GG der Verteilung des gesamtstaatlichen Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Warum die Verteilung des Aufkommens der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu einer Beschneidung der Regelungskompetenzen des Steuergesetzgebers gemäß Art. 105 GG führen soll, erschließt sich angesichts der unterschiedlichen Regelungsgegenstände beider Vorschriften nicht.

22

aa) Würde man die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen in Art. 105 GG nur auf die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern beziehen, käme dieser Vorschrift eine Begrenzungs- und Garantiefunktion in dem Sinne zu, dass andere Steuern nicht erhoben werden könnten (vgl. Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 87 Rn. 32). Dies widerspräche - wie dargelegt - nicht nur dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, der das "Steuererfindungsrecht" der Länder mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 ausdrücklich bestätigt hat, sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 76 <91>; 16, 64 <78 f.>; 49, 343 <354, 359>). Es widerspräche aber auch der Staatspraxis, weil der Katalog des Art. 106 GG selbst bei weiter Auslegung der dort verwendeten Begriffe nicht sämtliche denkbaren Steuern und Steuerarten erfasst (vgl. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, 11. Aufl. 2008, Art. 106 Rn. 7 f.; Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 106 Rn. 14a; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 106 Rn. 14, 45; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29 f.; vgl. auch BVerfGE 49, 343 <354>). Eine Begrenzung des gesamten Steuerwesens auf die vom Verfassungsgeber vorgefundenen und in Art. 106 GG niedergelegten Steuerarten ist dem System der Finanzverfassung fremd (vgl. BVerfGE 16, 64 <78>).

23

bb) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Neuregelung des Art. 106 GG zugleich eine Beschneidung zumindest der Steuergesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern angestrebt hat. Ziel der Neuregelung des Art. 106 GG war vielmehr, vor allem durch die Einbeziehung der Umsatzsteuer in die Verbundmasse und die gleichmäßige Aufteilung von Einkommens- und Umsatzsteuer einen umfassenden Steuerverbund zu erreichen, so dass die unterschiedliche Entwicklung des Aufkommens dieser Steuern nicht zu einseitigen Begünstigungen oder Belastungen des Bundes oder der Länder führt (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Damit sollte eine Befriedung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern erreicht und die Grundlage für ein dauerhaftes und überschaubares Steuersystem geschaffen werden, das eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden ermöglichen sollte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Einschränkungen der Gesetzgebungszuständigkeiten hinsichtlich der Einführung neuer, beziehungsweise der Abschaffung oder Änderung bestehender Steuern waren hingegen nicht Gegenstand der Regelung des Art. 106 GG.

24

cc) Die Senatsmehrheit betont demgegenüber die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte Befriedungsfunktion der Finanzverfassung als Ziel der Finanzreform 1969. Sie setze voraus, dass Verschiebungen im Steueraufkommen unterblieben und das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhalten bliebe.

25

Dies lässt freilich bereits außer Betracht, dass schon die Inanspruchnahme der unstreitig bestehenden Regelungskompetenzen des Bundes und der Länder hinsichtlich der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern zu wesentlichen Verschiebungen im Steueraufkommen und der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern führen kann. Zwar legt Art. 106 GG wesentliche Steuerarten fest, innerhalb dieser jedoch weder die Anzahl der Steuern noch deren Gestaltung und Höhe, so dass die Vorstellung von einem stabilen und ausgewogenen, verfassungskräftig verankerten Verteilungssystem nicht überzeugt (vgl. Möckel, DÖV 2012, S. 265 <267>). Dass dem Steuergesetzgeber bezüglich der in Art. 106 GG genannten Steuerarten eine sehr weitreichende Gestaltungsfreiheit verbleibt, gesteht die Senatsmehrheit ausdrücklich zu. Dies ist aber mit der Vorstellung, Art. 106 GG gewährleiste eine dauerhafte und gleichgewichtige Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern, nicht vereinbar.

26

Auch der verfassungsändernde Gesetzgeber ging erkennbar nicht davon aus, dass mit der Neuregelung der Art. 105 und Art. 106 GG ein abschließendes System der Steuerverteilung geschaffen werden konnte, das einfachgesetzlicher Nachjustierungen weder bedarf noch zugänglich ist. Angestrebt war vielmehr eine Reform, die eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger ermöglichen sollte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Dabei stellt sich das bei der Verteilung der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GG angewandte Deckungsquotenverfahren als "flexibles Element des Steuerverteilungssystems" (Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 106 Rn. 70) dar, auf dessen Grundlage den in den jeweiligen Haushalten veranschlagten Einnahmen und Ausgaben durch Ausgleichsansprüche und -verpflichtungen Rechnung getragen werden soll. Zeichnet sich das von Art. 106 GG geschaffene System der Ertragsverteilung somit gerade durch das Fehlen fester Verteilungsergebnisse aus, so steht auch bei Hinzutreten neuer Steuerarten und -erträge nicht die Entstehung von verfassungsrechtlich nicht gewollten und nicht korrigierbaren Ertragsungleichgewichten zu befürchten. Im Falle derartiger Verschiebungen im Steueraufkommen ist vielmehr eine Neubestimmung der Umsatzsteueranteile nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4, Abs. 4 GG vorzunehmen (vgl. insoweit auch BVerfGE 105, 185 <194 f.>). Warum dies "keine angemessene Lösung" darstellen soll, ist nicht ersichtlich, da es sich insoweit um einen im Kern justiziablen Anspruch von Bund und Ländern handelt.

27

Hinzu kommt, dass das Zustimmungserfordernis des Bundesrates einen einseitigen und nicht abgestimmten Zugriff des Bundes auf das Steueraufkommen ebenso verhindern dürfte wie einen "Wettlauf der Steuererfindungen" (vgl. Seer, DStR 2012, S. 325 <330>). Dabei kann auch nicht auf eine die einseitige Durchsetzung von Bundesinteressen ermöglichende Unterschiedlichkeit der Länderinteressen verwiesen werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der Einführung neuer Steuern durch den Bund ein im föderalen Kontext sonst nicht selbstverständlicher Gleichklang der Landesinteressen vorliegt.

28

b) Von Art. 105 GG gedeckt ist - soweit ihr wegen des Vorrangs der Verfassung Art. 106 GG nicht entgegensteht - auch die Zuweisung der Ertragshoheit (vgl. Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 106 Rn. 14a; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 44; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29 f.). Dem insoweit bestehenden Regelungsbedarf kann nicht nur durch den verfassungsändernden Gesetzgeber entsprochen werden (so aber Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1. Aufl. 1993, S. 1095), sondern auch durch den einfachen Gesetzgeber.

29

Dass die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers nicht auch die Regelung der Ertragsverteilung beinhalten soll, ist nicht nachvollziehbar. Neben der Regelung von Steuertatbestand, Steuerschuldner und Steuertarif ist auch die Bestimmung des Steuergläubigers und des Ertragszuständigen ein unverzichtbarer Bestandteil steuerrechtlicher Regelungen. Die einschlägigen Regelungen mögen durch höher- oder vorrangiges Recht gebrochen oder überlagert werden; an ihrer Zuordnung zum Steuerrecht ändert dies jedoch nichts. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber bereits bei der Finanzreform 1955 die Regelung der Ertragsverteilung dem verfassungsändernden Gesetzgeber habe vorbehalten wollen, denn die damals angestrebte Regelung einer Verteilung der Erträge künftig neu eingeführter Steuern im Rahmen von Art. 107 GG wurde nicht weiterverfolgt (vgl. oben Rn. 17).

30

Ebenso wenig vermag der Hinweis zu überzeugen, dass der einfache Gesetzgeber keinen Zugriff auf das Ertragsverteilungssystem des Art. 106 GG habe. Aus dem Bestand verfassungsrechtlicher Ertragsverteilungsregelungen für bestimmte Steuern kann nicht auf den Bestand eines Verfassungsvorbehaltes für die Ertragsverteilung dort nicht erfasster Steuern geschlossen werden; Art. 106 GG ist vielmehr als verfassungskräftige Spezialregelung für die Ertragsverteilung der dort aufgeführten Steuerarten einzuordnen, steht einer einfachgesetzlichen Festlegung der Aufkommensverteilung der übrigen Steuern durch den jeweiligen Steuergesetzgeber aber aufgrund seines nicht abschließenden Charakters nicht entgegen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 GG selbst einen Regelungsauftrag an den einfachen Gesetzgeber nach Maßgabe der Grundsätze des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG enthält.

31

Der einfache Gesetzgeber kann bei Einführung einer neuen, nicht dem Katalog des Art. 106 GG unterfallenden Steuer somit auch über deren Ertragszuweisung entscheiden. Zwischen Steuergesetzgebung und Ertragszuweisung besteht ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass eine Materie sinnvollerweise nicht ohne die andere geregelt werden kann. Die Ertragshoheit ist der gesetzlichen Inanspruchnahme einer Steuerquelle daher im Grunde immanent (Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29). Die Zuordnung der Ertragsverteilung als integraler Teil der Steuergesetzgebungskompetenz trägt der Einheit der Finanzverfassung Rechnung und erübrigt den systemwidrigen Rückgriff auf die allgemeinen Kompetenzverteilungsregeln der Art. 30, Art. 70 GG (so aber Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 164 f.; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>).

32

Dass es dabei gegebenenfalls zu einem Auseinanderfallen von Gesetzgebungs- und Ertragshoheit kommen kann, ist in Art. 105 GG angelegt und findet sich auch in anderen Bereichen (vgl. z.B. die Steuerarten in Art. 106 Abs. 2 GG; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>). Selbst in den Fällen einer vollständigen Ertragszuweisung an die Länder, wie bei der Vermögens- (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG), Erbschafts- (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) oder Biersteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG) sieht das Grundgesetz vor, dass die Belastungsentscheidung vom Bund getroffen wird, weil nur der Bund die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland garantieren kann. Nur er kann und muss - etwa über seine Gesetzgebungsbefugnisse nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 GG oder den Bund-Länder-Finanzausgleich gemäß Art. 107 GG - auf Verschiebungen im Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder reagieren (zu Letzterem vgl. Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>).

33

3. Auch die zur Begründung einer Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnisse gemäß Art. 105 Abs. 2 GG geltend gemachte Vorstellung von der individualschützenden Garantiefunktion der Finanzverfassung findet in Wortlaut, Systematik, Telos und Entstehungsgeschichte der Art. 105 f. GG keine Stütze. Letztlich handelt es sich dabei um eine Zweckschöpfung, die einen unbegrenzten Steuerzugriff des Staates auf grundrechtlich geschützte Interessen der Steuerpflichtigen vermeiden und die Schwierigkeiten, die materiellen Grundrechte insoweit zu entfalten (vgl. BVerfGE 93, 121 <136 ff.>; 115, 97 <110 ff.>), kompensieren soll. Bei Art. 105 und Art. 106 GG handelt es sich jedoch um staatsorganisationsrechtliche Regelungen ohne eigenen materiellen Gehalt (vgl. BVerfGE 123, 1 <17>; Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 39; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 125 ; Tipke, BB 1994, S. 437 <439 ff.>). Einen Schutz vor übermäßiger Steuerbelastung des Bürgers könnten diese Bestimmungen schon deshalb nur eingeschränkt bieten, weil sie zum einen keine Obergrenzen für die Sätze der aufgeführten Steuern enthalten, zum anderen durch die Verwendung weit gefasster Begriffe in Art. 106 GG (z.B. "Verbrauchsteuern") aber auch keine effektive Begrenzungswirkung entfalten. Art. 106 GG begrenzt weder die Zahl der Steuern im Rahmen der dort aufgeführten Steuertypen, noch die Höhe der Steuersätze oder der dadurch verursachten Gesamtbelastung. Die Regelung zielt zudem nicht auf eine individualschützende Beschränkung des Zugriffs des Steuergesetzgebers auf die finanziellen Ressourcen des Bürgers, sondern auf die Verteilung staatlicher Einnahmen. Effektiven Belastungsschutz für den Bürger kann diese Finanzverteilungsregelung nicht gewähren (vgl. Möckel, DÖV 2012, S. 265 <268 f.>).

34

Diesem Verständnis entspricht auch die in der Rechtsprechung beider Senate unumstrittene Interpretation der allgemeinen Kompetenzregeln der Art. 73 f. GG. Auch dort wird der Schutz des Bürgers vor zu weitgehenden gesetzgeberischen Eingriffen nicht im Wege der restriktiven Auslegung von Kompetenznormen, sondern durch die prozeduralen und materiellen Garantiegehalte der Grundrechte sichergestellt (vgl. BVerfGE 4, 7 <15>; 55, 274 <302>; zuletzt BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris). So bedarf etwa jede Steuer im Hinblick auf die materiellen Gewährleistungen der Grundrechte (insbesondere Art. 3 Abs. 1; Art. 12; Art. 14; Art. 2 Abs. 1 GG) der Rechtfertigung.

35

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben entfalten Steuerungs- und Kontrollfunktion, hegen den Steuergesetzgeber im Hinblick auf Steuererfindungen ein und gewährleisten dadurch den Schutz der Bürger vor übermäßiger Abgabenbelastung. Jede Steuer muss nicht nur den formalen Anforderungen des Grundgesetzes (Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit) genügen, sondern auch und gerade den materiellen Maßstäben der Grundrechte. Dazu gehören insbesondere die Prinzipien der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfGE 6, 55 <67, 69>; 8, 51 <68 f.>; 9, 237 <243>; 13, 290 <297>; 14, 34 <41>; 27, 58 <64>; 32, 333 <339>; 36, 66 <72>; 43, 108 <118 ff.>; 47, 1 <29>; 55, 274 <302>; 61, 319 <343 ff.>; 66, 214 <223>; 68, 143 <152 f.>; 82, 60 <86 f.>; 117, 1 <30 f.>; 122, 210 <230 f.>), der Folgerichtigkeit (BVerfGE 84, 239 <271>; 93, 121 <136>; 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 101, 132 <138>; 101, 151 <155>; 105, 73 <125 f.>; 107, 27 <46 f.>; 117, 1 <30 f.>; 122, 210 <231>), der Lastengleichheit (BVerfGE 35, 324 <335>; 84, 239 <268 ff.>), des Schutzes des Existenzminimums (BVerfGE 82, 60 <85 f.>), des Verbots der Benachteiligung von Ehe und Familie (BVerfGE 99, 216 <231 ff.>), des Verbots der Erdrosselungssteuer (BVerfGE 19, 119 <128 f.>; 23, 288 <315>; 27, 111 <131>; 30, 250 <271 f.>; 50, 57 <104 ff.>; 63, 343 <368>; 68, 287 <310 f.>; 70, 219 <230>; 78, 214 <230>; 78, 232 <243>; 82, 159 <190>; 87, 153 <169>; 95, 267 <300>; 105, 17 <32>; 115, 97 <115>) und der eigentumsschonenden Besteuerung (vgl. BVerfGE 93, 121 <138>; 115, 97 <114>). Die hierdurch dem steuererfindenden Gesetzgeber auferlegten Grenzen unterliegen der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht und sind im Ergebnis auch wirkungsvoller als die vermeintliche Schutz- und Garantiefunktion der Art. 105 f. GG.

36

4. Der Vorrang der Verfassung bindet den Steuergesetzgeber schließlich an die Regelungen über die Aufteilung des Steuerertrags in Art. 106 GG. Danach ist ihm die Entscheidung über die Ertragsverteilung für die in Art. 106 GG aufgeführten, bei weitem bedeutsamsten Steuerarten entzogen.

II.

37

Die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zur Einführung neuer Steuern durch den Bund erfordert jedoch nach Art. 105 Abs. 3 GG die Zustimmung des Bundesrates, wenn er mit der Erschließung der neuen Steuerquelle zugleich die Ertragshoheit in Anspruch nimmt. Der scheinbar auf den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) bereits zufließende Steuern begrenzte Wortlaut des Art. 105 Abs. 3 GG erweist sich insoweit als zu eng.

38

Zwar knüpft der Wortlaut des Art. 105 Abs. 3 GG die Zustimmungspflicht des Bundesrates an die Voraussetzung, dass das Steueraufkommen ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt. Das kann so verstanden werden, dass die Norm ein bestehendes Steueraufkommen voraussetzt. Sie würde dann - jenseits des Art. 106 GG - nur auf solche Fälle Anwendung finden, in denen die Länder, wie etwa bei der Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse in Schleswig-Holstein, bereits von ihrer "Steuererfindungskompetenz" Gebrauch gemacht haben, nicht hingegen auf neu einzuführende Steuern, die eine Aufkommenszuweisung ausschließlich an den Bund vorsehen. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr kann Art. 105 Abs. 3 GG auch so verstanden werden, dass er den Ländern potentiell - das heißt vorbehaltlich einer bundesgesetzlichen Intervention gemäß Art. 72 Abs. 1 und Abs. 2 GG - zustehende Steueraufkommen erfasst. Dafür sprechen sowohl systematische als auch teleologische Erwägungen.

39

Die systematische Stellung von Art. 105 Abs. 3 GG spricht zunächst gegen eine Beschränkung auf die in Art. 106 GG aufgeführten oder schon in Wirkung gesetzten Steuern. Andernfalls wäre das in Art. 106 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 5 GG vorgesehene Zustimmungserfordernis des Bundesrates für die Regelung der Ertragsverteilung bei der Umsatz- und Einkommensteuer überflüssig und Art. 105 Abs. 3 GG nur eine subsidiäre Auffangregelung für die übrigen bundesgesetzlichen Landessteuern in Art. 106 Abs. 2 GG. Eine solche Interpretation ist nicht ausgeschlossen, angesichts der zahlreichen speziell in Art. 106 GG geregelten Zustimmungserfordernisse jedoch auch nicht naheliegend.

40

Insbesondere teleologische Erwägungen sprechen aber dafür, das Zustimmungserfordernis auch auf die erstmalige bundesgesetzliche Zuweisung eines Steuerertrags an den Bund zu erstrecken. Sinn und Zweck des Art. 105 Abs. 3 GG ist es, die materiellen Interessen der Länder im Hinblick auf die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern zu wahren (BVerfGE 14, 197<220>). Sie sollen insbesondere vor einer Auszehrung ihrer finanziellen Grundlagen und ihrer Steuerquellen geschützt werden (Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 56; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 43 f.). Materielle Interessen der Länder sind aber nicht nur dann berührt, wenn Änderungen an der Aufkommensverteilung der ihnen oder den Gemeinden ganz oder zum Teil bereits zugewiesenen Steuern vorgenommen werden, sondern erst recht, wenn eine neue Steuerquelle erschlossen und den Ländern eine Beteiligung daran vorenthalten wird. Auch bei einem gesetzgeberischen Zugriff auf neue, in Art. 106 GG nicht aufgeführte Steuern und die Regelung ihrer Aufkommensverteilung wird das Gesamtgefüge der Steuerertragsverteilung zwischen Bund und Ländern berührt. Zudem hängt es letztlich vom Zufall ab, ob die Länder eine potenzielle Steuerquelle vor einem Zugriff des Bundes bereits gesetzlich erschlossen haben oder ob dies noch nicht geschehen ist. Da ihre finanziellen Interessen in beiden Fällen gleichermaßen beeinträchtigt werden können, kann das Zustimmungserfordernis des Bundesrates davon nicht abhängen. Es wäre sinnwidrig, wenn einerseits bei einer Teilung des Ertrages einer neu eingeführten Steuer die Wahrnehmung der Länderinteressen im Wege der Zustimmungsbedürftigkeit garantiert wäre, bei einer vollständigen Vorenthaltung des Steueraufkommens eine derartige Wahrnehmung der Länderinteressen jedoch entfiele.

41

Über den Wortlaut hinaus erfasst das Zustimmungserfordernis des Art. 105 Abs. 3 GG demnach auch Fälle, in denen der Bund kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 105 Abs. 2 GG erstmals ein Steueraufkommen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Länder ausschließt. Solange und soweit der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG keinen Gebrauch gemacht hat, steht der steuergesetzgeberische Zugriff auf die neu zu erschließende Steuerquelle potenziell auch den Ländern zu. Diese Zugriffsmöglichkeit wird ihnen durch eine "Steuererfindung" des Bundes für die betroffene Steuerquelle genommen. Einer landesgesetzlichen Regelung steht fortan Art. 72 Abs. 1 GG entgegen. Hierdurch werden die finanziellen Interessen der Länder, deren Schutz Art. 105 Abs. 3 GG zu dienen bestimmt ist, unmittelbar betroffen. Dem muss durch eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf diese Fälle Rechnung getragen werden.

III.

42

Nach diesen Maßstäben hat der Bund zwar die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Kernbrennstoffsteuer (1.). Das Kernbrennstoffsteuergesetz wurde jedoch nicht mit Zustimmung des Bundesrates erlassen und ist daher formell verfassungswidrig und nichtig (2.).

43

1. Der Bund hat für die Kernbrennstoffsteuer eine Gesetzgebungskompetenz. Diese ergibt sich - wenn man mit der Senatsmehrheit zu Recht davon ausgeht, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht als Verbrauchsteuer im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG eingeordnet werden kann - aus Art. 105 Abs. 2 GG. Die Kernbrennstoffsteuer fällt weder unter Art. 105 Abs. 1 GG noch unter Art. 105 Abs. 2a GG.

44

2. Das Kernbrennstoffsteuergesetz ist dennoch verfassungswidrig, da es an der nach Art. 105 Abs. 3 GG erforderlichen Zustimmung des Bundesrates fehlt.

45

Das Kernbrennstoffsteuergesetz wurde als Einspruchsgesetz erlassen, hätte aber nach Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Mangels Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist das Kernbrennstoffsteuergesetz auch nach unserer Ansicht formell verfassungswidrig und somit nichtig.

Tenor

Die Satzung über die Erhebung der Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros in Mannheim vom 03.06.2014 mit Ausnahme von § 9 ist unwirksam.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Antragstellerin ist Betreiberin eines Wettbüros im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Sie wendet sich im Rahmen eines am 18.05.2015 eingeleiteten Normenkontrollverfahrens gegen die Gültigkeit der Satzung über die Erhebung der Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros in Mannheim.
Der Gemeinderat der Antragsgegnerin hat die Satzung in seiner Sitzung vom 03.06.2014 beschlossen; sie wurde am selben Tag vom Oberbürgermeister ausgefertigt und am 19.06.2014 im Amtsblatt amtlich bekannt gemacht. Der Satzungstext lautet wie folgt:
„§1 Steuergegenstand
Das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen, unterliegt der Vergnügungssteuer nach den Vorschriften dieser Satzung.
§2 Steuerschuldner und Haftung
Steuerschuldner ist der Betreiber des Wettbüros. Soweit eine Heranziehung des Steuerschuldners zur Zahlung der Steuerschuld nicht möglich ist, kann der Konzessionsnehmer im Sinne von Artikel 1 § 4a Abs. 4 Erster Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland in Haftung genommen werden.
§3 Bemessungsgrundlage
Für das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros wird die Vergnügungssteuer nach der Fläche (qm) des benutzten Raumes erhoben. Als Fläche des benutzten Raumes gilt die Fläche der für die Besucher bestimmten Räume ausschließlich Theken, Toiletten und ähnlicher Nebenräume.
§4 Steuersatz
10 
Die Steuer beträgt je angefangenem qm nach § 3 11,50 EUR je angefangenem Monat.
11 
§5 Beginn und Ende der Steuerpflicht
12 
Die Steuerpflicht beginnt am Ersten des Kalendermonats, in dem die Tätigkeit des Vermittelns oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten aufgenommen wird. Sie endet mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tätigkeit des Vermittelns oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten eingestellt wird.
13 
§6 Erhebungszeitraum, Entstehung der Steuerschuld
14 
(1) Erhebungszeitraum ist das Kalenderjahr.
15 
(2) Die Steuerschuld für ein Kalenderjahr entsteht mit Beginn des Kalenderjahres. Beginnt die Steuerpflicht im Laufe eines Kalenderjahres, so entsteht die Steuerschuld mit dem Beginn der Steuerpflicht.
16 
§7 Festsetzung und Fälligkeit
17 
Die Steuer wird monatlich durch Steuerbescheid festgesetzt und ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids zu entrichten.
18 
§8 Anzeigepflichten
19 
(1) Alle am 1. Januar eines Jahres bestehenden Wettbüros im Sinne von § 1 sind der Stadt Mannheim -Steueramt- bis 15. Januar dieses Jahres anzuzeigen.
20 
(2) Wird ein Wettbüro im Sinne von § 1 während des Kalenderjahres eröffnet, ist dies der Stadt Mannheim -Steueramt- bis zum 15. des auf den Monat der Eröffnung folgenden Monats anzuzeigen.
21 
(3) Stellt ein Wettbüro im Sinne von § 1 während des Kalenderjahres die Tätigkeit des Vermittels oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten ein, ist dies der Stadt Mannheim - Steueramt- bis zum 15. des auf den Monat der Einstellung folgenden Monats anzuzeigen.
22 
(4) Die Anzeige nach Absatz 2 muss folgende Angaben enthalten:
23 
Anschrift des Wettbüros
Zeitpunkt der Eröffnung des Wettbüros
Anschrift des Betreibers des Wettbüros
Konzessionsnehmer im Sinne von § 2 Satz 2
24 
Fläche des benutzten Raums; die Fläche ist durch die Vorlage eines Mietvertrags oder eines maßstabsgerechten Grundrissplans zu belegen.
25 
(5) Die Anzeige nach Absatz 3 muss folgende Angaben enthalten:
26 
Anschrift des Wettbüros
Anschrift des Betreibers des Wettbüros
27 
Zeitpunkt der Einstellung des Vermittels oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten
28 
§9 Ordnungswidrigkeiten
29 
[…]
30 
§10 Inkrafttreten
31 
Diese Satzung tritt am Tag nach Bekanntgabe in Kraft.
32 
Vergnügungssteuer nach dieser Satzung wird ab dem Kalenderjahr 2015 erhoben.“
33 
Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus: Die streitgegenständliche Satzung sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere verstoße sie gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die angefochtene Besteuerung von Wettbüros nehme Einfluss auf die Art und Weise der Berufsausübung der Buchmacher und der Sportwettenvermittler. Wegen der erdrosselnden Wirkung der Wettbürosteuer sei darüber hinaus ein Eingriff in die Berufswahl gegeben, da die angefochtene Steuer es ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach in aller Regel unmöglich mache, den Beruf des stationär tätigen Buchmachers ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen. Der Eingriff in Art. 12 GG sei nicht durch die angefochtene Satzung gerechtfertigt. Die Satzung sei kompetenzwidrig zustande gekommen. Es fehle an einem Aufwand im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG und § 9 Abs. 4 KAG. Ferner liege ein Verstoß gegen das Gleichartigkeitsgebot vor, da die Wettbürosteuer auf die identische Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit wie die Steuern nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz abhebe. Die Wettbürosteuer laufe in ihrer Ausgestaltung (auch) als Lenkungssteuer den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Vorgaben des Glücksspielrechts zuwider, insbesondere dem Kanalisierungsauftrag zum stationären legalen Glücksspiel. Insoweit habe der Landesgesetzgeber die von ihm an die Kommunen delegierte Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG nicht in der Art und Weise ausüben dürfen, dass ihre Lenkungswirkungen den rechtsverbindlichen Vorgaben der Glücksspielgesetze widersprechen. Der Spieltrieb sei von Vertriebskanälen mit hohen zu stationären Vertriebswegen mit geringeren Spielsuchtrisiken zu lenken. Die angegriffene Satzung setze unter dem Aspekt des Spielerschutzes die falschen Impulse. Die Satzung sei daher nicht folgerichtig und erfülle nicht die Vorgaben zur praktischen Konkordanz, sich bei nicht ausschließlich fiskalischen Zielen an höherrangigem Recht auszurichten. Damit sei auch die Angemessenheit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG nicht (mehr) gegeben.
34 
Die Antragstellerin macht weiter geltend, der Gleichheitssatz sei durch die angefochtene Satzung verletzt. Der Flächenmaßstab sei untauglich, da er Wettveranstalter und Wettvermittler je nach Vertriebsart in nicht zu rechtfertigender Weise ungleich belaste. Der besteuerte Aufwand bzgl. der Veranstaltung und Vermittlung entstehe unabhängig davon, ob ein Wettschein mit oder ohne die Möglichkeit einer Mitverfolgung des Wettergebnisses abgegeben werde. Ferner müsse die Steuer abwälzbar sein. Im Gegensatz zu anderen Kommunen habe sich die Antragsgegnerin in § 2 ihrer Satzung dafür entschieden, nicht etwa nur den Vermittler, sondern auch den Veranstalter als Steuerschuldner heranzuziehen. Der Veranstalter könne über die Preisgestaltung eine Überwälzung vornehmen, der bloße Wettvermittler hingegen könne im Regelfall den Wetteinsatz nicht verteuern und somit nicht überwälzen, da der Wettvertrag zwischen dem Veranstalter und dem Spieler geschlossen werde. Der Vermittler werde gegenüber dem Veranstalter grundlos schlechter gestellt. Die danach festzustellende Ungleichbehandlung sei ungerechtfertigt, da sie dem bundes- und landesrechtlichen Kanalisierungszweck zuwider laufe.
35 
Die Antragstellerin beantragt,
36 
die Satzung der Antragsgegnerin über die Erhebung einer Vergnügungssteuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros in Mannheim vom 03.06.2014 mit Ausnahme von § 9 für unwirksam zu erklären.
37 
Die Antragsgegnerin beantragt,
38 
den Antrag abzuweisen.
39 
Sie trägt vor, der zulässige Normenkontrollantrag sei unbegründet. Die Vergnügungssteuer entspreche den Vorgaben von § 9 Abs. 4 KAG und sei auch mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar. Die Wettbürosteuer sei eine örtliche Aufwandssteuer, welche die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf im örtlichen Bereich des Steuergläubigers zum Ausdruck kommende erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des sich Vergnügenden besteuere. Für die Teilnahme an Sportwetten sei ein finanzieller Aufwand erforderlich, der über den allgemeinen und unerlässlichen Lebensbedarf hinausgehe. Die Vergnügungssteuer erfasse die im Gemeindegebiet entgeltlich veranstalteten Vergnügungen. Hierbei sei denkbar, bereits den Abschluss der Wette selbst als ein Vergnügen zu qualifizieren, da das Spannungselement ein wesentlicher Grund für den Abschluss der Wette sei. Jedenfalls im Zusammenspiel mit der Möglichkeit des Mitverfolgens des bewetteten Ereignisses liege ein Vergnügen vor. Das Wettbüro diene nicht nur dem Abschluss der Wette, sondern auch in wesentlichem Umfang der Unterhaltung. Das gemeinsame Verfolgen eines sportlichen Wettkampfes auf Bildschirmen und das gespannte Warten auf den Wettausgang seien geeignet, ein Bedürfnis nach Zerstreuung zu befriedigen. Das Verfolgen von Wettereignissen auf aufgestellten Bildschirmen sei für die Kunden des Wettbüros auch nicht kostenfrei. Es liege ein Vergnügen vor, für das ein besonderer Aufwand, nämlich die Erbringung von Wetteinsätzen betrieben werde. Der Spieleinsatz der Wetter umfasse auch die Ausgaben des Betreibers für den Betrieb des Wettbüros und damit für die Aufenthaltsqualität des Wetters, so dass der Wetter diese Kosten mittrage und es sich jedenfalls um eine entgeltliche Veranstaltung handele. Die angegriffene Vergnügungssteuersatzung weise auch den notwendigen Ortsbezug auf. Entscheidend sei insoweit, dass der Aufwand im Gebiet der Antragsgegnerin erbracht werde und das Vergnügen dort stattfinde. Dieser besondere Aufwand für die Mitverfolgung vor Ort stelle den notwendigen Ortsbezug her. Unerheblich sei, ob der Wettende den Aufwand für die Wette samt Mitverfolgung des Wettereignisses (zumindest kalkulatorisch) dadurch trage, dass er direkt eine Zahlung an den Betreiber des Wettbüros tätige, oder dieser vom Wettveranstalter eine Zahlung erhalte und der Wettveranstalter in seiner Preisgestaltung gegenüber dem Wettenden dies einkalkuliere. Dies obliege allein der Vertragsfreiheit der Beteiligten. Maßgeblich sei, dass der Aufwand vom Wettenden vor Ort erbracht werde und das Vergnügen im Wettbüro stattfinde, d.h. an Ort und Stelle. Die von der Antragsgegnerin erhobene Vergnügungssteuer verstoße auch nicht gegen das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG. Insbesondere sei sie nicht mit der Rennwett- und Lotteriesteuer gleichartig. Dies folge aus einer wertenden Gesamtbetrachtung von Gegenstand und Maßstab der Steuer, der Erhebungstechnik und der wirtschaftlichen Auswirkungen. Die beiden Abgabentatbestände unterschieden sich in allen für eine Steuer maßgeblichen Kriterien. Schließlich stelle die Rennwett- und Lotteriesteuer auch nicht eine die Vergnügungssteuerregelung der Antragsgegnerin ausschließende bundesrechtlich abschließende Regelung dar. Dies könne schon deswegen nicht der Fall sein, da die (ausschließliche) Gesetzgebungskompetenz für nicht mit bundesgesetzlichen Steuern gleichartige Verbrauch- und Aufwandsteuern bei den Ländern liege und der Bund in diese Gesetzgebungskompetenz nicht durch eine abschließende Gesetzesregelung eingreifen könne. Die angefochtene Vergnügungssteuersatzung genüge auch den Anforderungen an die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung. Der Wettbürobetreiber könne als im Regelfall unabhängiger Unternehmer die Vergnügungssteuer in seine wirtschaftliche Kalkulation einbeziehen und auf der Kostenseite reagieren, indem er die Größe seines Wettbüros anpasse, billigere Räume anmiete, die Kosten für Einrichtung und Personal kalkuliere etc. Auch könne er seine Preisgestaltung auf die Vergnügungssteuer einrichten. Es sei ihm unbenommen, Eintrittsgelder für das Wettbüro zu erheben. Auch in der Frage, welche Provision er für das Vermitteln der Wetten erhalte, sei er frei. Es sei ihm dabei auch rechtlich und tatsächlich möglich, unterschiedliche Regelungen für das reine Schaltergeschäft und für die Fälle, in denen das Wettereignis mitverfolgt werde, zu schaffen.
40 
Auch der für die Erhebung der Steuer gewählte Flächenmaßstab sei rechtmäßig. Die tatbestandliche Ausgestaltung einer Aufwandsteuer müsse sich mit Blick auf den Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten regelmäßig an der in der Vermögensaufwendung zum Ausdruck kommenden Leistungsfähigkeit orientieren. Regelmäßig sei daher der wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab. Der Satzungsgeber sei allerdings nicht auf einen solchen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Er habe vielmehr einen weiten Gestaltungsspielraum, der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine Pauschalierung zulasse. Der Satzungsgeber sei dabei nicht gehalten, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen; der weite Gestaltungsspielraum werde erst dann überschritten, wenn ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehle und die Steuererhebung daher willkürlich wäre. Der Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sei umso höher, je weiter sich dieser von dem Belastungsgrund des Vergnügungsaufwandes des einzelnen Spielers entferne. Wähle der Gesetzgeber im Vergnügungssteuerrecht einen Ersatzmaßstab, so sei er bei der Auswahl auf einen solchen Maßstab beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich mache. In jedem Fall verlange der Grundsatz der Belastungsgleichheit einen zumindest lockeren Bezug des Steuermaßstabs zum Vergnügungsaufwand des Spielers. Ein solch lockerer Bezug zum Vergnügungsaufwand ergebe sich vorliegend daraus, dass es wahrscheinlich sei, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe des Wettbüros wachse. Die Größe der genutzten Räumlichkeiten korrespondiere mit der Umsatzerwartung des Veranstalters. So werde die Entscheidung, welche Flächen der Betreiber für die Vergnügung zur Verfügung stelle, sich im Wesentlichen danach richten, welche Einnahmen und Gewinne er durch diesen Flächeneinsatz zu realisieren hoffe. Damit habe die Antragsgegnerin auch eine Bemessungsgrundlage gewählt, in der der Aufwand sachgerecht erfasst werde. Die Erhebung der Vergnügungssteuer sei auch in der festgesetzten Höhe nicht zu beanstanden. Schließlich erweise sich der von der Antragsgegnerin festgelegte Steuersatz auch deshalb nicht als rechtswidrig, weil die Steuerpflicht nach § 5 am 1. des Kalendermonats, in dem die Tätigkeit des Vermittelns oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten aufgenommen werde, beginne und mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Tätigkeit des Vermittelns oder Veranstaltens von Pferde- und Sportwetten eingestellt werde, ende. Diese Regelung sei zum einen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gewählt worden und, um Streitfälle bei der Ermittlung des maßgeblichen Zeitraums zu reduzieren.
41 
Die angefochtene Satzung halte die Schranken des Übermaßverbotes ein und entfalte keine erdrosselnde Wirkung. Die Antragstellerin habe den ihr obliegenden Nachweis dafür, dass es ihr nicht möglich sei, die durchschnittlichen Kosten unter Berücksichtigung aller anfallenden Steuern einschließlich eines angemessenen Betrags für Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn abzudecken, nicht erbracht. Zudem sei eine Tendenz zum Absterben von Wettbüros im Gebiet der Antragsgegnerin nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Schließlich verstoße die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Verfolgung von Lenkungszwecken nicht gegen die Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung. Die Regelung widerspreche insbesondere nicht dem Glücksspielstaatsvertrag, da die angefochtene Vergnügungssteuer nur den Aufwand für Wetten bei Mitverfolgung des Wettereignisses besteuere, die Konzessionsabgabe aber auf alle Wetteinsätze erhoben werde und zudem der Abgabenmaßstab unterschiedlich sei. Darüber hinaus entspreche die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin dem Gebot der Folgerichtigkeit. Der Antragsgegnerin sei es nicht verwehrt, einen Lenkungszweck im Hinblick auf die Eindämmung von Wettbüros auf ihrem Gebiet zu verfolgen.
42 
Die Akten der Antragsgegnerin waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird hierauf und die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
A.
43 
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
44 
Er ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. mit § 4 AGVwGO statthaft, denn er ist auf die Überprüfung der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin und damit einer unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift gerichtet.
45 
§ 47 Abs. 3 VwGO steht der Überprüfung nicht entgegen, weil das Landesrecht keine ausschließliche landesverfassungsgerichtliche Zuständigkeit normiert hat. Vielmehr geht § 49 Abs. 1 StGHG von der Konkurrenz von landesverfassungsgerichtlicher (Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LV) und verwaltungsgerichtlicher Normenkontrolle aus (Ziekow in NKVwGO, 4. Aufl., § 47 Rn. 316).
46 
Die Antragstellerin ist als Betreiberin eines Wettbüros nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, denn sie macht geltend, durch die für nichtig gehaltenen Satzungsregelungen bzw. deren Anwendung in ihren Rechten (u.a. Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt zu sein, da sie als Steuerschuldnerin herangezogen worden sei.
47 
Die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannte Frist von einem Jahr nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift ist gewahrt. Die Satzung wurde am 19.06.2014 amtlich bekannt gemacht, der Normenkontrollantrag datiert vom 11.05.2015 und ist am 18.05.2015 beim erkennenden Gerichtshof eingegangen.
B.
48 
Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die streitgegenständlichen Satzungsregelungen der Vergnügungssteuersatzung zur Besteuerung von Wettbüros, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen, sind rechtswidrig, weil sie weder den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes genügen noch mit sonstigem höherrangigem Recht in Übereinstimmung stehen.
49 
Nach § 9 Abs. 4 KAG können die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind, nicht jedoch Steuern, die vom Land erhoben werden oder den Stadt- und Landkreisen vorbehalten sind. Der Landesgesetzgeber hat damit einen Teil der ihm gemäß Art. 105 Abs. 2a GG zustehenden Gesetzgebungskompetenz für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind, an die Gemeinden weitergegeben und den Gemeinden insoweit ein prinzipielles Steuerfindungsrecht eingeräumt. Mit diesem Recht ist die Befugnis der Gemeinden verbunden, sich selbst eigene Steuerquellen zu erschließen. Die Befugnis steht unter den sich aus § 9 Abs. 4 KAG ergebenden Vorbehalten. Bei ihrer Ausübung haben die Gemeinden ferner die aus verfassungsrechtlichen und anderen höherrangigen Vorschriften folgenden Grenzen für die Erhebung von Steuern und anderen Abgaben zu beachten. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist es aber der einzelnen Gemeinde überlassen, ob und gegebenenfalls welche örtlichen Verbrauch- oder Aufwandsteuern sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben möchte sowie den jeweiligen Steuersatz und damit die Höhe der Steuer nach ihrem Ermessen zu bestimmen (Senatsurteil vom 11.06.2015 - 2 S 2555/13 - juris).
50 
Der Senat qualifiziert den Begriff der Aufwandsteuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG, welcher die sich aus Art. 105 Abs. 2a GG ergebende Kompetenz an die Kommunen weiterleitet, als einen sog. Typusbegriff (s. zu Art. 105 Abs. 2a GG BVerfG, Urteil vom 10.05.1961 - 1 BvL 31/58; Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 71; Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 50; BVerwG, Urteil vom 10.12.2009 - 9 C 12.08 - juris Rn. 17; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 23.08.2011 - 4 L 323/09 - juris Rn. 22; FG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2011 - 4 V 133/11 - juris Rn. 22). Bei dem Typusbegriff handelt es sich um einen komplexen Sammelbegriff, welcher die Erfassung einer Vielzahl unterschiedlicher Phänomene gewährleistet. Der Senat kann hierbei offenlassen, ob die grundlegende Kritik, welche hinsichtlich des Typusbegriffs v. a. im rechtswissenschaftlichen Schrifttum geübt wird (vgl. zu den zentralen Einwänden Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1997, S. 307 ff.; Kuhlen, Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie, 1977, S. 87 ff.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, § 9), berechtigt ist; jedenfalls vermag der Senat diese Bedenken im Kontext der zutreffenden dogmatischen Erfassung der steuerrechtlichen Kompetenztitel des Grundgesetzes nicht zu teilen. Denn dies widerspräche der in der Rechtsprechung (v.a. des Bundesverfassungsgerichts, s.o.) und in der Rechtswissenschaft vorgenommenen Einordnung und begrifflichen Erfassung der steuerlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes (s. hierzu Vogel/Walter in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rn. 94 ff., 99 ff. mit weiteren Nachw.; s. zur Kompetenz als Typus auch Isensee in Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. VI, § 133 Rn. 62; Hartmann, Ein neuer Blick auf die Steuergesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes, DStZ 2012, 205, 206 mit weiteren Nachw.). Ungeachtet der bestehenden rechtstheoretischen Kontroversen ermöglicht das methodengerechte Verstehen und Anwenden der grundgesetzlich geregelten steuerrechtlichen Zuständigkeiten als Typusbegriffe jedenfalls eine rechtsdogmatisch an den Erfordernissen der Zweckmäßigkeit ausgerichtete sachgerechte Erfassung der einzelnen Kompetenztitel, da die so vorgenommene Erfassung gleichermaßen im Sinne einer Variabilität dem historisch gewachsenen - und nicht systematisch rational aufeinander abgestimmten - Bestand der einzelnen Steuerarten ebenso Rechnung trägt wie durch eine gewisse Offenheit der steuerrechtlichen Systematik einer Versteinerung des Steuersystems entgegenwirkt (Isensee in Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. VI, § 133 Rn. 62, 65, 68).
51 
Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufwandsteuer als Steuer auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit definiert (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 68 f.; ebenso BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 13). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 105 Abs. 2a GG knüpft die Kompetenz zum Erlass einer Aufwandsteuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG nach Auffassung des Senats an folgende den Typus prägenden Merkmale an (vgl. Englisch in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, Bd. II § 190 Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen): 1. an den Einsatz finanzieller Mittel unter Verwendung von Einkommen und/oder Vermögen für das Halten einer Sache oder die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen oder rechtlichen Zustands, welcher den privaten Gebrauch von Gütern oder Leistungen ermöglicht (Aufwand); 2. zielt eine Aufwandsteuer darauf ab, die in der Einkommens- und/oder Vermögensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf als privater Konsum zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit zu erfassen, was bei einem ausschließlich betrieblichen Aufwand oder im Falle der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (BVerwG, Urteil vom 27.06.2012 - 9 C 2.12 - juris Rn. 11) zu verneinen ist; 3. können Aufwandsteuern als direkte oder indirekte Steuern erhoben werden, weshalb - was sich bei der direkten Erhebung zeigt - die Überwälzbarkeit sich nicht als typusprägendes Merkmal im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG, sondern als materielles Rechtsmäßigkeitsmerkmal darstellt (FG Bad.-Württ., Urteil vom 11.01.2012 - 11 V 2661/11 - juris - unter Anknüpfung an BVerfG, Urteil vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 53).
52 
Der Typusbegriff stellt ein elastisches Merkmalsgefüge dar, welches Eigenschaften nach Maßgabe von Merkmalen ordnend gruppiert, wobei grundsätzlich nicht alle Merkmale zugleich erfüllt sein müssen. Es können auch einige von ihnen im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein oder gar fehlen, ohne dass deshalb die Zugehörigkeit zum Typus entfiele (vgl. NdsOVG, Urteil vom 16.05.2012 - 7 LC 15/10 - juris Rn. 29 mit weiteren Nachw.; FG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2011 - 4 V 133/11 - juris Rn. 22). Im Falle der typusbegrifflichen Erfassung von - wie vorliegend - Kompetenznormen ist jedoch, um einer Kompetenzbeliebigkeit entgegenzuwirken und dem Grundsatz der Formenbindung und Formenstrenge von Kompetenznormen (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 52) Rechnung zu tragen, jedenfalls das gänzliche Fehlen eines der oben angeführten typenprägenden Merkmale für den Erlass einer Aufwandsteuer i.S.d. § 9 Abs. 4 KAG - hier insbesondere des Merkmals Aufwand - unzulässig. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bei Unentgeltlichkeit einen Aufwand (nur) dann angenommen, wenn ein (vorliegend nicht gegebener, s. dazu unten I.2.) zurechenbarer Drittaufwand vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 77). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage nach der Besteuerbarkeit von unentgeltlichen Vergnügen zunächst offengelassen (BVerwG, Urteil vom 28.06.1974 - VII C 22.73 - juris Rn. 25), jedoch inzwischen eine Aufwandsteuer bei fehlendem Aufwand ebenfalls verneint (BVerwG, Urteil vom 29.11.1991 - 8 C 107.89 - juris). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach eine fehlende Entgeltlichkeit und damit das Nichtvorliegen eines Aufwands mit dem Charakter einer Aufwandsteuer nicht zu vereinbaren ist (Senatsurteile vom 07.06.1994 - 2 S 2219/93, Seite 5, und vom 03.07.2014 - 2 S 3/14 - juris Rn. 24; ebenso ThürOVG, Urteil vom 22.09.2008 - 3 KO 247/04 - juris Rn. 73; Beschluss vom 25.05.2004 - 4 ZKO 890/00; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 11.04.2014 - 1 L 215/14.NW - juris Rn. 7).
53 
Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich bei - wie vorliegend - fehlendem Aufwand insoweit die formelle Rechtswidrigkeit und damit Unwirksamkeit der angefochtenen kommunalen Satzungsregelungen (dazu I.). Eine geltungserhaltende Reduktion auf einen besteuerbaren Aufwand scheidet letztlich wegen des gewählten Steuermaßstabs aus (dazu II.).
I.
54 
Vorliegend ist ein durch eine Aufwandsteuer besteuerbarer Aufwand im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG nicht gegeben.
55 
1. Aufwandsteuern besteuern das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen. Sie sind Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 68 f.). Die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist „maßgebend für den Charakter“ der Aufwandsteuer und „das wesentliche Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer“ (BVerfG, aaO, Rn. 68, 73). Die Einkommensverwendung umfasst die Verwendung jeglicher finanzieller Mittel und ist nicht auf die Verwendung von Einkommen im steuerrechtlichen oder finanzwissenschaftlichen Sinn beschränkt. Angesichts der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre eine an die Einkommensverwendung anknüpfende Steuer nicht praktikabel, falls in jedem Fall die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Daher ist ausschlaggebendes Merkmal der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit (BVerfG, aaO, Rn. 73).
56 
2. Die Satzung der Antragsgegnerin enthält nicht explizit das Merkmal der Entgeltlichkeit, sondern knüpft in dem streitgegenständlichen Tatbestand an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit der Möglichkeit des Mitverfolgens von Wettereignissen an. Hinsichtlich des Elements des Mitverfolgens der Wettereignisse ist rein tatsächlich weder (substantiiert) dargetan noch ersichtlich, dass hiermit typischerweise bzw. in der Regel ein Aufwand im Sinne von offener und/oder verdeckter Entgeltlichkeit einhergeht (zur Wettvermittlung/-veranstaltung s. unten II.). Eine solche im Sinne eines „Aufwands“ grundsätzlich erforderliche Entgeltlichkeit kann in rechtlich zulässiger Weise insbesondere weder im Drittaufwand des Wettbürobetreibers - in Gestalt der Kosten für Anschaffung und Betrieb der Monitore, der Kosten für das Ausstrahlen von Wettereignissen u.a. - noch in den spiegelbildlich hierzu ersparten Aufwendungen des Wettenden bzw. sich Vergnügenden zum Anknüpfungspunkt einer Steuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG gemacht werden.
57 
Die Besteuerung von Unentgeltlichem als Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit findet sich zwar als Phänomen im Steuerrecht (z.B. in § 3 Abs. 1b sowie Abs. 9a i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 21 Abs. 2 EStG), bedarf jedoch als Ausnahmeerscheinung einer (besonderen) sachlichen Rechtfertigung, um so mit der jeweiligen steuerlichen Kompetenznorm in Einklang gebracht werden zu können. So zählt beispielsweise zu den nach § 21 Abs. 2 EStG besteuerbaren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzwert eines der dort genannten, dem Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter. Der Normgeber behandelt hierbei unter Berücksichtigung wertender Kriterien - etwa dem Interesse der Steuergerechtigkeit - die ersparten Aufwendungen des unentgeltlichen Nutzers als „Leistungen an sich selbst“ bzw. ihm zuzurechnende Einkünfte (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 86). Die sachlich-kompetenzielle Rechtfertigung liegt darin, dass Entstehung und Verwendung uno actu bei derselben Besteuerungseinheit erfolgen, Einkommensentstehung und Einkommensverwendung in sachlicher und/oder persönlicher Hinsicht zusammenfallen und nach wertenden Gesichtspunkten mit einer Einkommens(entstehungs)steuer besteuerbar behandelt werden können.
58 
Mit vergleichbaren Erwägungen kann jedoch nicht eine an das unentgeltliche Mitverfolgen von Wettereignissen anknüpfende Vergnügungssteuer gerechtfertigt werden. Zwar genügt grundsätzlich auch ein sog. Drittaufwand zur Bejahung eines Aufwands (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1963 - 2 BvL 8/61, 2 BvL 12 BvL 10/61 - juris Rn. 42; Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 73; BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 7.08 - juris Rn. 26; Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 13). Der Drittaufwand des Wettbürobetreibers kann vorliegend jedoch unter wertenden Gesichtspunkten nicht dem sich - bezogen auf das Mitverfolgen von Wettereignissen - unentgeltlich Vergnügenden zugerechnet werden.
59 
Bei der unter dem Gesichtspunkt der Finalität der Aufwendungen feststellbaren Gemengelage von Einkommensentstehung bzw. Einkommenserzielung auf Seiten des Wettbürobetreibers einerseits und vorliegend streitiger Einkommensverwendung auf Seiten der ersparten Aufwendungen des sich Vergnügenden andererseits liegt - im Gegensatz zu dem oben angeführten Fall des § 21 Abs. 2 EStG - keine personelle Identität der Besteuerungseinheit vor. Der Wettbürobetreiber, welcher den zur Einkommenserzielung dienenden (Dritt-)Aufwand betreibt, und der sich mit fremdem bzw. erspartem Aufwand Vergnügende sind personenverschieden.
60 
Der Zurechnung der Aufwendungen des Wettbürobetreibers als fiktive Aufwendungen des sich Vergnügenden steht auch entgegen, dass es sich bei dem mit einer Aufwandsteuer besteuerbaren Aufwand stets um einen privaten, mit der persönlichen Lebensführung zusammenhängenden Aufwand und nicht um eine gewerbliche Investition handeln muss.
61 
Bei wertender Betrachtung steht bei dem Aufwand des Wettbürobetreibers der Zweck der Einkommenserzielung im Vordergrund und bildet dessen Schwerpunkt (s. zur finalitätsbezogenen Bestimmung des Aufwands: BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 14 ff.). Die Einkommensverwendung des sich Vergnügenden in Gestalt fiktiver bzw. ersparter Aufwendungen ist bloße Folge des bei finaler Betrachtung zunächst rein einkommenserzielenden Zwecken dienenden Drittaufwands des Wettbürobetreibers. Es bedeutete die Verkehrung von Grund und Folge, wenn man in den gewerblichen Aufwendungen für die Ermöglichung des Mitverfolgens von Wettereignissen auch dem sich Vergnügenden zurechenbare Aufwendungen sähe.
62 
Gegen die Zulässigkeit der Berücksichtigungsfähigkeit eines solchen Doppelzwecks bzw. einer Doppelnatur spricht die allgemein anerkannte kategoriale Scheidung steuerrechtlicher Systematik, welche eine eindeutige Zuordenbarkeit von Einkommensverwendungs- und Einkommensentstehungssteuern nach Zielsetzung und Zweck voraussetzt. Die Anerkennung von Mischformen in der Art eines melangeartigen Ineinanders von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung würde eine nicht zuletzt aus Kompetenzgründen erforderliche eindeutige Grenzziehung der einzelnen Steuerarten verwischen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 19). Unter Beachtung dessen ist der Aufwand des Wettbürobetreibers als allein einkommenserzielend anzusehen.
63 
Es besteht sonach keine Berechtigung des kommunalen Satzungsgebers einer Aufwandsteuer, im Falle eines unentgeltlichen Aufwands dessen Entgeltlichkeit (wertend) zu fingieren. Die Anerkennung einer solchen Kompetenz des kommunalen Steuernormgebers verwischte und überschritte die steuersystematische Scheidung zwischen Einkommensentstehungs- und Einkommensverwendungssteuern und liefe auf eine unzulässige, weil kompetenzwidrige Aufwandsteuer hinaus. Ansonsten könnte der kommunale Normgeber entgegen der verfassungsrechtlichen Konzeption die in Art. 105 Abs. 2a GG aufgeführte und durch § 9 Abs. 4 KAG weitergeleitete Kompetenz für den Bereich der örtlichen Aufwandsteuern selbst herbeiführen. Das Bundesverfassungsgericht hat in kompetenzrechtlichem Zusammenhang hinsichtlich der Zulässigkeit von Fiktionen darauf hingewiesen, dass sich der Normgeber nicht beliebig Fiktionen bedienen könne. Dem Normgeber seien u.a. Grenzen dadurch gesetzt, dass bei Bezugnahme auf bestehende Begriffe der allgemeinen Rechtsordnung diese nicht mit beliebigem Inhalt ausgefüllt werden könnten (BVerfG, Urteil vom 27.07.1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 - juris). Das Merkmal des Aufwands ist wesentliches Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer (s. bereits oben unter I.1.) und kann dementsprechend bei seinem Fehlen - wie vorliegend - auch nicht im Wege einer Fiktion bejaht werden.
II.
64 
Eine geltungserhaltende Reduktion auf Fallkonstellationen mit entgeltlichem Aufwand scheidet aus.
65 
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, eine - wie vorliegend - rechtswidrige, weil an einen unentgeltlichen Aufwand anknüpfende Aufwandsteuer geltungserhaltend auf eine grundsätzlich insoweit rechtlich zulässige Aufwandsteuer, welche an einen entgeltlichen Aufwand anknüpft, zu reduzieren. Denn grundsätzlich ist der Umstand, dass eine Vergnügungssteuer sich - wie vorliegend -nicht ausdrücklich auf entgeltliche Veranstaltungen beschränkt, unerheblich (Senatsurteil vom 23.02.2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 53). Sie kann ggf. dahingehend ausgelegt werden, dass von dem Tatbestand allein ein entgeltliches Vergnügen erfasst wird (Senatsurteil vom 23.02.2011, aaO). Eine entsprechende Satzung, welche nicht explizit das Merkmal der Entgeltlichkeit des Vergnügens enthält und sonach dem Wortlaut nach entgeltliche und unentgeltliche Vergnügungen gleichermaßen erfasst, kann daher, soweit sie zumindest auch das Merkmal der Entgeltlichkeit enthält, insoweit teilweise gültig sein (Senatsurteil vom 07.06.1994 - 2 S 2219/93, Seite 5). Voraussetzung hierfür ist, dass der gültige, entgeltliche Vergnügen umfassende Teil der Satzung mit dem ungültigen, weil unentgeltliche Vergnügen regelnden Teil der Satzung keine untrennbare Einheit bildet (Senatsurteil vom 07.06.1994, aaO). Von einem entsprechenden hypothetischen Willen des Satzungsgebers wird zwar - ohne dass dies vorliegend entschieden zu werden braucht - mit Blick auf die in § 9 Abs. 4 KAG enthaltene Ermächtigung, welche lediglich die Besteuerung von entgeltlichen Vergnügen gestattet, in der Regel auszugehen sein (Senatsurteil vom 07.06.1994, aaO).
66 
Eine geltungserhaltende Reduktion des streitgegenständlichen Steuertatbestands auf Wettbüros, in denen entgeltlich das Mitverfolgen von Wettereignissen ermöglicht wird, scheidet jedoch aus, da die streitgegenständliche Satzung in der vorliegenden Form auch dann - aus anderen Gründen - rechtswidrig ist. Nach allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen kommt im Wege der geltungserhaltenden Reduktion nur die Rückführung eines rechtsfehlerhaften Rechtsakts auf einen rechtsfehlerfreien Rechtsakt in Betracht. Daran fehlt es im Fall der geltungserhaltenden Reduktion auf einen entgeltlichen Aufwand. Denn auch das Abstellen auf das Element der Wettvermittlung/-veranstaltung bzw. auf ein Entgelt in Form eines Wetteinsatzes oder sonstigen Entgelts rechtfertigt keine kommunale Besteuerung. Die Erfassung von Wetteinsätzen in Wettbüros unter Ausscheiden der Wetteinsätze bei reiner Wettannahme knüpft in einer für eine Aufwandsteuer systemwidrigen Weise an einen mit dem besteuerten Aufwand verfolgten (weiteren) Zweck an (dazu 1.). Ein entgeltlicher Aufwand wäre im Übrigen nur durch einen wirklichkeitsnäheren, an das jeweilige Entgelt anknüpfenden Steuermaßstab besteuerbar (dazu 2.).
67 
1. Die streitgegenständliche Vergnügungssteuer knüpft an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit dem Ermöglichen des Mitverfolgens von Wettereignissen in Wettbüros an. Weder der Wortlaut der streitgegenständlichen Satzung enthält explizit ein Erfordernis der Entgeltlichkeit, noch ist ersichtlich oder substantiiert dargetan, dass - das Mitverfolgen der Wettereignisse als Vergnügen unterstellt - das besteuerte Vergnügen tatsächlich entgeltlich ist. Vielmehr leistet der sich Vergnügende als (ggf. zugleich) Wettender einen Wetteinsatz. Dieser Einsatz kann offen und/oder verdeckt geleistet werden. Offen ist ein Einsatz hierbei, wenn objektiv für jeden erkennbar ein Vermögenswert des Teilnehmers der Wette an den Veranstalter der Wette und/oder den Betreiber des Wettbüros als Vermittler fließt, und subjektiv der Teilnehmer diesen Einsatz gezielt u.a. für die Teilnahme an der Wette aufwendet. Verdeckt ist eine Einsatzleistung, wenn nicht ohne weiteres objektiv und/oder subjektiv erkennbar ist, dass ein Vermögenswert u.a. für die Teilnahme an der Wette fließt (vgl. Koch, Gewinnspiele im Steuerrecht, 2006, S. 25 ff.; Birk/Brüggemann in Dietlein u.a., Glücksspielrecht, 2. Aufl., RennwLottG § 17 Rn. 8 f.). Für das Vorliegen einer Entgeltlichkeit ist entscheidend, ob und inwieweit ein Vermögenswert in Form eines offenen und/oder verdeckten Wetteinsatzes nicht nur als Gegenleistung für die eingeräumte Gewinnmöglichkeit, sondern auch für das Mitverfolgen der Wettereignisse zu qualifizieren ist. Eine Entgeltlichkeit in diesem Sinne scheidet somit aus, wenn die Möglichkeit des Mitverfolgens auch ohne Wette besteht und genutzt wird.
68 
Soweit der Besuch und das Verweilen im Wettbüro zum Abschluss einer Wette verpflichtet oder rein tatsächlich auf Grund eines Entschlusses des Wettkunden dazu führt, könnten im Wetteinsatz (s. zum Inhalt des Wettverträgen Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 37 ff.) offen und/oder verdeckt als Nebenleistung zur Wette Dienstleistungen wie das Mitverfolgen der Wettereignisse mit enthalten und abgegolten sein.
69 
Für diesen Fall einer Entgeltlichkeit in Form eines Wetteinsatzes gilt Folgendes: Unbesehen davon, ob die Leistungen im Wettbüro (des Veranstalters/Vermittlers der Wette und/oder des Betreibers des Wettbüros) überhaupt in Einzelleistungen zerlegt werden können (vgl. hierzu Birk/Brüggemann in Dietlein u.a., Glücksspielrecht, 2. Aufl., RennwLottG § 17 Rn. 9 f. mit weiteren Nachw.), bildet die Wette bzw. die Einräumung der Gewinnmöglichkeit (unabhängig von der Höhe des Einsatzes und der Höhe der Gewinnmöglichkeit) bei wertender Betrachtung als Hauptleistung den Schwerpunkt der Leistungen. Das Mitverfolgen der Wettereignisse tritt demgegenüber als bloße Nebenleistung zurück. Der Zweck des Wettbüros besteht in erster Linie in der Veranstaltung bzw. dem Vermitteln von Wetten. Das Ermöglichen des Mitverfolgens der Wettereignisse soll diesen Zweck fördern durch die Steigerung der Attraktivität des Wettbüros sowie der Wettumsätze und erfolgt gleichsam bei Gelegenheit des Wettgeschäfts. Abzustellen ist hierbei auf den Gesamtcharakter der Veranstaltung (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 26.08.2009 - 14 B 86/09 - juris Rn. 6). Der Wettkunde betreibt den Wettaufwand primär wegen der Teilnahme an der Wette und nicht wegen des im Hintergrund ermöglichten Mitverfolgens der Wettereignisse.
70 
Zudem gilt der steuerrechtliche Grundsatz, wonach Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (BFH, Urteil vom 23.02.1961 - V 262/58 U - juris Rn. 14 mit weiteren Nachw.). Dies muss insbesondere im vorliegenden Kontext beachtet werden, da mit der Qualifikation als Wetteinsatz und damit der Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Befreiung von der Umsatzsteuer einhergeht (§ 4 Nr. 9 lit. b Satz 1 UStG). Dementsprechend ist anerkannt, dass neben offenen auch verdeckte Wetteinsätze (z.B. in Form einer Bearbeitungsgebühr, Schreib- und Kollektionsgebühr, Servicegebühr o. ä. für Vermittlungs- und/oder Serviceleistungen) bei der Bemessung der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 19.08.2009 - II R 16/07 - juris Rn. 10; FG Hannover, Urteil vom 27.02.2007 - 3 K 91/06 - juris; Englisch in Streinz u.a., Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 73; ausführlich Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 194 ff., 284 ff.).
71 
Demnach ist auch ein Entgelt für das Mitverfolgen der Wettereignisse in Form eines (erhöhten) Wetteinsatzes wertungsmäßig dem Wetteinsatz zuzurechnen und kann aus diesem Grund nicht als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines mit einer Vergnügungssteuer besteuerbaren Aufwands herangezogen werden. Denn dadurch würde gleichheitswidrig und bezogen auf eine Aufwandsteuer systemfremd der mit dem Wetteinsatz über die Teilnahme an der Wette hinaus weiter verfolgte Zweck zum Grund der Steuerpflicht. Dies zeigt sich in den Fällen, in welchen zugleich eine reine Wettannahme und daneben ein Wettbüro betrieben wird und der Preis bzw. Einsatz für die Wetten gleich hoch sind. Steckt in dem Wetteinsatz offen und/oder verdeckt ein Anteil für das ermöglichte Mitverfolgen der Wettereignisse und soll letztlich nur eine Besteuerung des Vergnügens der Wettbürokunden erreicht werden, so müsste auf den verfolgten Zweck - also die beabsichtigte Nutzung des Wettbüros mit Aufenthalt oder beabsichtigte Nutzung der reinen Wettannahme ohne Aufenthalt - derjenigen abgestellt werden, welche den Wetteinsatz leisten. Das Wesen der Aufwandsteuer schließt jedoch aus, für die Steuerpflicht auf eine wertende Betrachtung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke, die dem Aufwand zu Grunde liegen, abzustellen. Maßgeblich darf allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -juris Rn. 97; ebenso BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 7.08 - juris Rn. 16).
72 
Daher braucht die (weitere) Frage, ob angesichts der in solchen Fällen bereits erfolgenden Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine unzulässige Doppelbesteuerung unter dem Gesichtspunkt der Gleichartigkeit vorliegen würde, nicht (mehr) entschieden zu werden.
73 
2. Soweit für den Besuch und das Verweilen im Wettbüro ein sonstiges Entgelt, z.B. in Form eines Eintrittsgeldes, einer Verzehrpflicht u.a., erhoben wird, gilt - wie auch für die Fälle der Entgeltlichkeit in Form von Wetteinsatz - Folgendes: Die Vergnügungssteuer in Form der Wettbürosteuer knüpft an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit dem Ermöglichen des Mitverfolgens von Wettereignissen in Wettbüros an. Steuerschuldner ist der Veranstalter des Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl der (vorauszusetzende) Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers, da die Vergnügungssteuer darauf abzielt, die mit der Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Damit ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer.
74 
Der Gesetzgeber ist indes verfassungsrechtlich nicht auf einen derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Der weitgehenden Gestaltungsfreiheit, die der Gesetzgeber bei der Erschließung einer Steuerquelle in Form des Vergnügungsaufwands des Einzelnen gerade auch bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabs hat, wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo eine gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich wäre. Die Gerichte haben nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Wählt der Satzungsgeber im Vergnügungssteuerrecht statt des Wirklichkeitsmaßstabs einen anderen (Ersatz- bzw. Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab dem Wesen der Vergnügungssteuer fremd, also nicht sachgerecht und deshalb mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre. Der Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Ersatzmaßstabs wird dabei umso höher, je weiter sich der im Einzelfall gewählte Maßstab von dem eigentlichen Belastungsgrund entfernt. Der Ersatzmaßstab muss jedenfalls einen zumindest lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand des einzelnen Besuchers der Einrichtung aufweisen, der die Erfassung seines Vergnügungsaufwands wenigstens wahrscheinlich macht. Der Ersatzmaßstab muss darüber hinaus auch sachlich gerechtfertigt sein, d.h. dem Satzungsgeber darf kein evident sachnäherer Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Verfügung stehen. (Senatsurteile vom 23.02.2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 59 ff. und vom 13.12.2012 - 2 S 1010/12 - juris Rn. 56 mit weiteren Nachw.).
75 
Der in der streitgegenständlichen Satzung gewählte Flächenmaßstab genügt diesen Voraussetzungen weder bei einem sonstigen Entgelt noch bei einem Entgelt als Teil des Wetteinsatzes. Denn der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand ist der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 56 ff.). Bei einem sonstigen Entgelt liegt dies bereits auf der Hand. Zudem ist weder (substantiiert) dargetan noch ersichtlich, dass der Fall einer Entgeltlichkeit in Form von sonstigem Entgelt rein tatsächlich einen typischen Fall beim Betrieb von Wettbüros darstellt (s. zur Branchenunüblichkeit bereits versteckter Einsätze Englisch in Streinz u.a., Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 73). Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Denn der Satzungsgeber darf im Falle einer Typisierung nicht einen atypischen Fall als Leitbild wählen (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 55).
76 
Auch bezüglich des Wetteinsatzes als Entgelt wäre - unbesehen der bereits oben (s. II.1.) festgestellten Systemwidrigkeit - eine Besteuerung nach dem gewählten Flächenmaßstab unzulässig. Der Wetteinsatz hinsichtlich der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz könnte auch hinsichtlich der Vergnügungssteuer als das betragsmäßig jeweils feststehende Entgelt für das Mitverfolgen der Wettereignisse zur Bemessungsrundlage und zum Steuermaßstab gemacht werden. Durch einen Flächenmaßstab würde dagegen der unterstellte entgeltliche Vergnügungsaufwand nicht hinreichend realitätsnah abgebildet.
77 
Auch einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab rechtfertigende Manipulationsmöglichkeiten (s. hierzu Senatsurteil vom 24.08.2006 - 2 S 1218/05 - juris Rn. 37 ff.) sind weder bei sonstigem Entgelt noch bei Entgelt in Form des Wetteinsatzes substantiiert dargetan oder ersichtlich. Denn besteuerbar ist nach dem streitgegenständlichen Steuertatbestand nicht das tatsächliche Mitverfolgen, sondern das Vermitteln und/oder Veranstalten von Pferde- oder Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen. Insoweit besteht kein sachlicher Unterschied zwischen den als Bemessungsgrundlage der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz zu erfassenden Wetteinsätzen und den vergnügungssteuerlich zu erfassenden Entgelten für das Mitverfolgen der Wettereignisse. Der Wetteinsatz bzw. ein sonstiges Entgelt stehen beide betragsmäßig fest und können demgemäß erfasst werden. Bedenken mit Blick auf die Manipulationssicherheit bestehen im Rahmen der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz insoweit nicht (s. zum Steuerverfahren ausf. Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 239 ff., u.a. zum Anmeldeverfahren gemäß § 31a Abs. 3 RennwLottGABest, den umfassenden Aufzeichnungspflichten gemäß § 20 RennwLottG sowie der Wahrung des Steuervollzugs). Von daher besteht kein Anlass, hiervon bei der realitätsgerechteren Erfassung von sonstigen Entgelten - deren Vorhandensein als gegeben unterstellt - abzuweichen.
78 
Die Wahl des danach nicht wirklichkeitsgerechten Besteuerungsmaßstabs ist für das Vorliegen der Kompetenz aus § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 44, 52) zwar ohne Einfluss, jedoch materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Dies bedeutet, dass im Falle der Entgeltlichkeit bei nicht realitätsgerechtem Maßstab die entsprechende Aufwandsteuer zwar kompetenzgemäß, jedoch materiell rechtswidrig ist und bereits damit eine geltungserhaltende Reduktion ausscheidet. Auf die materielle Rechtmäßigkeit im Übrigen (u.a. Abwälzbarkeit, fehlende Gleichartigkeit) kommt es nach dem Vorgesagten nicht mehr an.
III.
79 
Die vorliegende Entscheidung ist allgemein verbindlich und von der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 VwGO ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.
80 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegt.

Gründe

 
A.
43 
Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
44 
Er ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. mit § 4 AGVwGO statthaft, denn er ist auf die Überprüfung der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin und damit einer unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift gerichtet.
45 
§ 47 Abs. 3 VwGO steht der Überprüfung nicht entgegen, weil das Landesrecht keine ausschließliche landesverfassungsgerichtliche Zuständigkeit normiert hat. Vielmehr geht § 49 Abs. 1 StGHG von der Konkurrenz von landesverfassungsgerichtlicher (Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LV) und verwaltungsgerichtlicher Normenkontrolle aus (Ziekow in NKVwGO, 4. Aufl., § 47 Rn. 316).
46 
Die Antragstellerin ist als Betreiberin eines Wettbüros nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, denn sie macht geltend, durch die für nichtig gehaltenen Satzungsregelungen bzw. deren Anwendung in ihren Rechten (u.a. Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt zu sein, da sie als Steuerschuldnerin herangezogen worden sei.
47 
Die in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannte Frist von einem Jahr nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift ist gewahrt. Die Satzung wurde am 19.06.2014 amtlich bekannt gemacht, der Normenkontrollantrag datiert vom 11.05.2015 und ist am 18.05.2015 beim erkennenden Gerichtshof eingegangen.
B.
48 
Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die streitgegenständlichen Satzungsregelungen der Vergnügungssteuersatzung zur Besteuerung von Wettbüros, die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen, sind rechtswidrig, weil sie weder den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes genügen noch mit sonstigem höherrangigem Recht in Übereinstimmung stehen.
49 
Nach § 9 Abs. 4 KAG können die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind, nicht jedoch Steuern, die vom Land erhoben werden oder den Stadt- und Landkreisen vorbehalten sind. Der Landesgesetzgeber hat damit einen Teil der ihm gemäß Art. 105 Abs. 2a GG zustehenden Gesetzgebungskompetenz für die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, die nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind, an die Gemeinden weitergegeben und den Gemeinden insoweit ein prinzipielles Steuerfindungsrecht eingeräumt. Mit diesem Recht ist die Befugnis der Gemeinden verbunden, sich selbst eigene Steuerquellen zu erschließen. Die Befugnis steht unter den sich aus § 9 Abs. 4 KAG ergebenden Vorbehalten. Bei ihrer Ausübung haben die Gemeinden ferner die aus verfassungsrechtlichen und anderen höherrangigen Vorschriften folgenden Grenzen für die Erhebung von Steuern und anderen Abgaben zu beachten. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist es aber der einzelnen Gemeinde überlassen, ob und gegebenenfalls welche örtlichen Verbrauch- oder Aufwandsteuern sie zur Deckung ihres Finanzbedarfs erheben möchte sowie den jeweiligen Steuersatz und damit die Höhe der Steuer nach ihrem Ermessen zu bestimmen (Senatsurteil vom 11.06.2015 - 2 S 2555/13 - juris).
50 
Der Senat qualifiziert den Begriff der Aufwandsteuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG, welcher die sich aus Art. 105 Abs. 2a GG ergebende Kompetenz an die Kommunen weiterleitet, als einen sog. Typusbegriff (s. zu Art. 105 Abs. 2a GG BVerfG, Urteil vom 10.05.1961 - 1 BvL 31/58; Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 71; Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 50; BVerwG, Urteil vom 10.12.2009 - 9 C 12.08 - juris Rn. 17; OVG Sachs.-Anh., Urteil vom 23.08.2011 - 4 L 323/09 - juris Rn. 22; FG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2011 - 4 V 133/11 - juris Rn. 22). Bei dem Typusbegriff handelt es sich um einen komplexen Sammelbegriff, welcher die Erfassung einer Vielzahl unterschiedlicher Phänomene gewährleistet. Der Senat kann hierbei offenlassen, ob die grundlegende Kritik, welche hinsichtlich des Typusbegriffs v. a. im rechtswissenschaftlichen Schrifttum geübt wird (vgl. zu den zentralen Einwänden Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1997, S. 307 ff.; Kuhlen, Typuskonzeptionen in der Rechtstheorie, 1977, S. 87 ff.; Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, § 9), berechtigt ist; jedenfalls vermag der Senat diese Bedenken im Kontext der zutreffenden dogmatischen Erfassung der steuerrechtlichen Kompetenztitel des Grundgesetzes nicht zu teilen. Denn dies widerspräche der in der Rechtsprechung (v.a. des Bundesverfassungsgerichts, s.o.) und in der Rechtswissenschaft vorgenommenen Einordnung und begrifflichen Erfassung der steuerlichen Kompetenzordnung des Grundgesetzes (s. hierzu Vogel/Walter in Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 105 Rn. 94 ff., 99 ff. mit weiteren Nachw.; s. zur Kompetenz als Typus auch Isensee in Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. VI, § 133 Rn. 62; Hartmann, Ein neuer Blick auf die Steuergesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes, DStZ 2012, 205, 206 mit weiteren Nachw.). Ungeachtet der bestehenden rechtstheoretischen Kontroversen ermöglicht das methodengerechte Verstehen und Anwenden der grundgesetzlich geregelten steuerrechtlichen Zuständigkeiten als Typusbegriffe jedenfalls eine rechtsdogmatisch an den Erfordernissen der Zweckmäßigkeit ausgerichtete sachgerechte Erfassung der einzelnen Kompetenztitel, da die so vorgenommene Erfassung gleichermaßen im Sinne einer Variabilität dem historisch gewachsenen - und nicht systematisch rational aufeinander abgestimmten - Bestand der einzelnen Steuerarten ebenso Rechnung trägt wie durch eine gewisse Offenheit der steuerrechtlichen Systematik einer Versteinerung des Steuersystems entgegenwirkt (Isensee in Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Bd. VI, § 133 Rn. 62, 65, 68).
51 
Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufwandsteuer als Steuer auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit definiert (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 68 f.; ebenso BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 13). Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 105 Abs. 2a GG knüpft die Kompetenz zum Erlass einer Aufwandsteuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG nach Auffassung des Senats an folgende den Typus prägenden Merkmale an (vgl. Englisch in Leitgedanken des Rechts, Festschrift für Paul Kirchhof, 2013, Bd. II § 190 Rn. 9 ff. mit weiteren Nachweisen): 1. an den Einsatz finanzieller Mittel unter Verwendung von Einkommen und/oder Vermögen für das Halten einer Sache oder die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen oder rechtlichen Zustands, welcher den privaten Gebrauch von Gütern oder Leistungen ermöglicht (Aufwand); 2. zielt eine Aufwandsteuer darauf ab, die in der Einkommens- und/oder Vermögensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf als privater Konsum zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit zu erfassen, was bei einem ausschließlich betrieblichen Aufwand oder im Falle der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (BVerwG, Urteil vom 27.06.2012 - 9 C 2.12 - juris Rn. 11) zu verneinen ist; 3. können Aufwandsteuern als direkte oder indirekte Steuern erhoben werden, weshalb - was sich bei der direkten Erhebung zeigt - die Überwälzbarkeit sich nicht als typusprägendes Merkmal im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG, sondern als materielles Rechtsmäßigkeitsmerkmal darstellt (FG Bad.-Württ., Urteil vom 11.01.2012 - 11 V 2661/11 - juris - unter Anknüpfung an BVerfG, Urteil vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 53).
52 
Der Typusbegriff stellt ein elastisches Merkmalsgefüge dar, welches Eigenschaften nach Maßgabe von Merkmalen ordnend gruppiert, wobei grundsätzlich nicht alle Merkmale zugleich erfüllt sein müssen. Es können auch einige von ihnen im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein oder gar fehlen, ohne dass deshalb die Zugehörigkeit zum Typus entfiele (vgl. NdsOVG, Urteil vom 16.05.2012 - 7 LC 15/10 - juris Rn. 29 mit weiteren Nachw.; FG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2011 - 4 V 133/11 - juris Rn. 22). Im Falle der typusbegrifflichen Erfassung von - wie vorliegend - Kompetenznormen ist jedoch, um einer Kompetenzbeliebigkeit entgegenzuwirken und dem Grundsatz der Formenbindung und Formenstrenge von Kompetenznormen (s. hierzu BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 52) Rechnung zu tragen, jedenfalls das gänzliche Fehlen eines der oben angeführten typenprägenden Merkmale für den Erlass einer Aufwandsteuer i.S.d. § 9 Abs. 4 KAG - hier insbesondere des Merkmals Aufwand - unzulässig. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht bei Unentgeltlichkeit einen Aufwand (nur) dann angenommen, wenn ein (vorliegend nicht gegebener, s. dazu unten I.2.) zurechenbarer Drittaufwand vorliegt (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 77). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage nach der Besteuerbarkeit von unentgeltlichen Vergnügen zunächst offengelassen (BVerwG, Urteil vom 28.06.1974 - VII C 22.73 - juris Rn. 25), jedoch inzwischen eine Aufwandsteuer bei fehlendem Aufwand ebenfalls verneint (BVerwG, Urteil vom 29.11.1991 - 8 C 107.89 - juris). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach eine fehlende Entgeltlichkeit und damit das Nichtvorliegen eines Aufwands mit dem Charakter einer Aufwandsteuer nicht zu vereinbaren ist (Senatsurteile vom 07.06.1994 - 2 S 2219/93, Seite 5, und vom 03.07.2014 - 2 S 3/14 - juris Rn. 24; ebenso ThürOVG, Urteil vom 22.09.2008 - 3 KO 247/04 - juris Rn. 73; Beschluss vom 25.05.2004 - 4 ZKO 890/00; VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 11.04.2014 - 1 L 215/14.NW - juris Rn. 7).
53 
Unter Beachtung der vorgenannten Grundsätze ergibt sich bei - wie vorliegend - fehlendem Aufwand insoweit die formelle Rechtswidrigkeit und damit Unwirksamkeit der angefochtenen kommunalen Satzungsregelungen (dazu I.). Eine geltungserhaltende Reduktion auf einen besteuerbaren Aufwand scheidet letztlich wegen des gewählten Steuermaßstabs aus (dazu II.).
I.
54 
Vorliegend ist ein durch eine Aufwandsteuer besteuerbarer Aufwand im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG nicht gegeben.
55 
1. Aufwandsteuern besteuern das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen. Sie sind Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 68 f.). Die in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist „maßgebend für den Charakter“ der Aufwandsteuer und „das wesentliche Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer“ (BVerfG, aaO, Rn. 68, 73). Die Einkommensverwendung umfasst die Verwendung jeglicher finanzieller Mittel und ist nicht auf die Verwendung von Einkommen im steuerrechtlichen oder finanzwissenschaftlichen Sinn beschränkt. Angesichts der Vielfalt der wirtschaftlichen Vorgänge und rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten wäre eine an die Einkommensverwendung anknüpfende Steuer nicht praktikabel, falls in jedem Fall die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen festgestellt werden müsste. Daher ist ausschlaggebendes Merkmal der Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustandes, für den finanzielle Mittel verwendet werden. Der Aufwand im Sinne von Konsum ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ohne dass es darauf ankäme, von wem und mit welchen Mitteln dieser finanziert wird und welchen Zwecken er des Näheren dient. Im Konsum äußert sich in der Regel die Leistungsfähigkeit (BVerfG, aaO, Rn. 73).
56 
2. Die Satzung der Antragsgegnerin enthält nicht explizit das Merkmal der Entgeltlichkeit, sondern knüpft in dem streitgegenständlichen Tatbestand an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit der Möglichkeit des Mitverfolgens von Wettereignissen an. Hinsichtlich des Elements des Mitverfolgens der Wettereignisse ist rein tatsächlich weder (substantiiert) dargetan noch ersichtlich, dass hiermit typischerweise bzw. in der Regel ein Aufwand im Sinne von offener und/oder verdeckter Entgeltlichkeit einhergeht (zur Wettvermittlung/-veranstaltung s. unten II.). Eine solche im Sinne eines „Aufwands“ grundsätzlich erforderliche Entgeltlichkeit kann in rechtlich zulässiger Weise insbesondere weder im Drittaufwand des Wettbürobetreibers - in Gestalt der Kosten für Anschaffung und Betrieb der Monitore, der Kosten für das Ausstrahlen von Wettereignissen u.a. - noch in den spiegelbildlich hierzu ersparten Aufwendungen des Wettenden bzw. sich Vergnügenden zum Anknüpfungspunkt einer Steuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG gemacht werden.
57 
Die Besteuerung von Unentgeltlichem als Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit findet sich zwar als Phänomen im Steuerrecht (z.B. in § 3 Abs. 1b sowie Abs. 9a i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 21 Abs. 2 EStG), bedarf jedoch als Ausnahmeerscheinung einer (besonderen) sachlichen Rechtfertigung, um so mit der jeweiligen steuerlichen Kompetenznorm in Einklang gebracht werden zu können. So zählt beispielsweise zu den nach § 21 Abs. 2 EStG besteuerbaren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch der Nutzwert eines der dort genannten, dem Steuerpflichtigen unentgeltlich überlassenen Wirtschaftsgüter. Der Normgeber behandelt hierbei unter Berücksichtigung wertender Kriterien - etwa dem Interesse der Steuergerechtigkeit - die ersparten Aufwendungen des unentgeltlichen Nutzers als „Leistungen an sich selbst“ bzw. ihm zuzurechnende Einkünfte (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 86). Die sachlich-kompetenzielle Rechtfertigung liegt darin, dass Entstehung und Verwendung uno actu bei derselben Besteuerungseinheit erfolgen, Einkommensentstehung und Einkommensverwendung in sachlicher und/oder persönlicher Hinsicht zusammenfallen und nach wertenden Gesichtspunkten mit einer Einkommens(entstehungs)steuer besteuerbar behandelt werden können.
58 
Mit vergleichbaren Erwägungen kann jedoch nicht eine an das unentgeltliche Mitverfolgen von Wettereignissen anknüpfende Vergnügungssteuer gerechtfertigt werden. Zwar genügt grundsätzlich auch ein sog. Drittaufwand zur Bejahung eines Aufwands (BVerfG, Beschluss vom 07.05.1963 - 2 BvL 8/61, 2 BvL 12 BvL 10/61 - juris Rn. 42; Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 - juris Rn. 73; BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 7.08 - juris Rn. 26; Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 13). Der Drittaufwand des Wettbürobetreibers kann vorliegend jedoch unter wertenden Gesichtspunkten nicht dem sich - bezogen auf das Mitverfolgen von Wettereignissen - unentgeltlich Vergnügenden zugerechnet werden.
59 
Bei der unter dem Gesichtspunkt der Finalität der Aufwendungen feststellbaren Gemengelage von Einkommensentstehung bzw. Einkommenserzielung auf Seiten des Wettbürobetreibers einerseits und vorliegend streitiger Einkommensverwendung auf Seiten der ersparten Aufwendungen des sich Vergnügenden andererseits liegt - im Gegensatz zu dem oben angeführten Fall des § 21 Abs. 2 EStG - keine personelle Identität der Besteuerungseinheit vor. Der Wettbürobetreiber, welcher den zur Einkommenserzielung dienenden (Dritt-)Aufwand betreibt, und der sich mit fremdem bzw. erspartem Aufwand Vergnügende sind personenverschieden.
60 
Der Zurechnung der Aufwendungen des Wettbürobetreibers als fiktive Aufwendungen des sich Vergnügenden steht auch entgegen, dass es sich bei dem mit einer Aufwandsteuer besteuerbaren Aufwand stets um einen privaten, mit der persönlichen Lebensführung zusammenhängenden Aufwand und nicht um eine gewerbliche Investition handeln muss.
61 
Bei wertender Betrachtung steht bei dem Aufwand des Wettbürobetreibers der Zweck der Einkommenserzielung im Vordergrund und bildet dessen Schwerpunkt (s. zur finalitätsbezogenen Bestimmung des Aufwands: BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 14 ff.). Die Einkommensverwendung des sich Vergnügenden in Gestalt fiktiver bzw. ersparter Aufwendungen ist bloße Folge des bei finaler Betrachtung zunächst rein einkommenserzielenden Zwecken dienenden Drittaufwands des Wettbürobetreibers. Es bedeutete die Verkehrung von Grund und Folge, wenn man in den gewerblichen Aufwendungen für die Ermöglichung des Mitverfolgens von Wettereignissen auch dem sich Vergnügenden zurechenbare Aufwendungen sähe.
62 
Gegen die Zulässigkeit der Berücksichtigungsfähigkeit eines solchen Doppelzwecks bzw. einer Doppelnatur spricht die allgemein anerkannte kategoriale Scheidung steuerrechtlicher Systematik, welche eine eindeutige Zuordenbarkeit von Einkommensverwendungs- und Einkommensentstehungssteuern nach Zielsetzung und Zweck voraussetzt. Die Anerkennung von Mischformen in der Art eines melangeartigen Ineinanders von Einkommenserzielung und Einkommensverwendung würde eine nicht zuletzt aus Kompetenzgründen erforderliche eindeutige Grenzziehung der einzelnen Steuerarten verwischen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.07.2012 - 9 CN 1.11 - juris Rn. 19). Unter Beachtung dessen ist der Aufwand des Wettbürobetreibers als allein einkommenserzielend anzusehen.
63 
Es besteht sonach keine Berechtigung des kommunalen Satzungsgebers einer Aufwandsteuer, im Falle eines unentgeltlichen Aufwands dessen Entgeltlichkeit (wertend) zu fingieren. Die Anerkennung einer solchen Kompetenz des kommunalen Steuernormgebers verwischte und überschritte die steuersystematische Scheidung zwischen Einkommensentstehungs- und Einkommensverwendungssteuern und liefe auf eine unzulässige, weil kompetenzwidrige Aufwandsteuer hinaus. Ansonsten könnte der kommunale Normgeber entgegen der verfassungsrechtlichen Konzeption die in Art. 105 Abs. 2a GG aufgeführte und durch § 9 Abs. 4 KAG weitergeleitete Kompetenz für den Bereich der örtlichen Aufwandsteuern selbst herbeiführen. Das Bundesverfassungsgericht hat in kompetenzrechtlichem Zusammenhang hinsichtlich der Zulässigkeit von Fiktionen darauf hingewiesen, dass sich der Normgeber nicht beliebig Fiktionen bedienen könne. Dem Normgeber seien u.a. Grenzen dadurch gesetzt, dass bei Bezugnahme auf bestehende Begriffe der allgemeinen Rechtsordnung diese nicht mit beliebigem Inhalt ausgefüllt werden könnten (BVerfG, Urteil vom 27.07.1971 - 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 - juris). Das Merkmal des Aufwands ist wesentliches Merkmal des Begriffs der Aufwandsteuer (s. bereits oben unter I.1.) und kann dementsprechend bei seinem Fehlen - wie vorliegend - auch nicht im Wege einer Fiktion bejaht werden.
II.
64 
Eine geltungserhaltende Reduktion auf Fallkonstellationen mit entgeltlichem Aufwand scheidet aus.
65 
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, eine - wie vorliegend - rechtswidrige, weil an einen unentgeltlichen Aufwand anknüpfende Aufwandsteuer geltungserhaltend auf eine grundsätzlich insoweit rechtlich zulässige Aufwandsteuer, welche an einen entgeltlichen Aufwand anknüpft, zu reduzieren. Denn grundsätzlich ist der Umstand, dass eine Vergnügungssteuer sich - wie vorliegend -nicht ausdrücklich auf entgeltliche Veranstaltungen beschränkt, unerheblich (Senatsurteil vom 23.02.2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 53). Sie kann ggf. dahingehend ausgelegt werden, dass von dem Tatbestand allein ein entgeltliches Vergnügen erfasst wird (Senatsurteil vom 23.02.2011, aaO). Eine entsprechende Satzung, welche nicht explizit das Merkmal der Entgeltlichkeit des Vergnügens enthält und sonach dem Wortlaut nach entgeltliche und unentgeltliche Vergnügungen gleichermaßen erfasst, kann daher, soweit sie zumindest auch das Merkmal der Entgeltlichkeit enthält, insoweit teilweise gültig sein (Senatsurteil vom 07.06.1994 - 2 S 2219/93, Seite 5). Voraussetzung hierfür ist, dass der gültige, entgeltliche Vergnügen umfassende Teil der Satzung mit dem ungültigen, weil unentgeltliche Vergnügen regelnden Teil der Satzung keine untrennbare Einheit bildet (Senatsurteil vom 07.06.1994, aaO). Von einem entsprechenden hypothetischen Willen des Satzungsgebers wird zwar - ohne dass dies vorliegend entschieden zu werden braucht - mit Blick auf die in § 9 Abs. 4 KAG enthaltene Ermächtigung, welche lediglich die Besteuerung von entgeltlichen Vergnügen gestattet, in der Regel auszugehen sein (Senatsurteil vom 07.06.1994, aaO).
66 
Eine geltungserhaltende Reduktion des streitgegenständlichen Steuertatbestands auf Wettbüros, in denen entgeltlich das Mitverfolgen von Wettereignissen ermöglicht wird, scheidet jedoch aus, da die streitgegenständliche Satzung in der vorliegenden Form auch dann - aus anderen Gründen - rechtswidrig ist. Nach allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen kommt im Wege der geltungserhaltenden Reduktion nur die Rückführung eines rechtsfehlerhaften Rechtsakts auf einen rechtsfehlerfreien Rechtsakt in Betracht. Daran fehlt es im Fall der geltungserhaltenden Reduktion auf einen entgeltlichen Aufwand. Denn auch das Abstellen auf das Element der Wettvermittlung/-veranstaltung bzw. auf ein Entgelt in Form eines Wetteinsatzes oder sonstigen Entgelts rechtfertigt keine kommunale Besteuerung. Die Erfassung von Wetteinsätzen in Wettbüros unter Ausscheiden der Wetteinsätze bei reiner Wettannahme knüpft in einer für eine Aufwandsteuer systemwidrigen Weise an einen mit dem besteuerten Aufwand verfolgten (weiteren) Zweck an (dazu 1.). Ein entgeltlicher Aufwand wäre im Übrigen nur durch einen wirklichkeitsnäheren, an das jeweilige Entgelt anknüpfenden Steuermaßstab besteuerbar (dazu 2.).
67 
1. Die streitgegenständliche Vergnügungssteuer knüpft an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit dem Ermöglichen des Mitverfolgens von Wettereignissen in Wettbüros an. Weder der Wortlaut der streitgegenständlichen Satzung enthält explizit ein Erfordernis der Entgeltlichkeit, noch ist ersichtlich oder substantiiert dargetan, dass - das Mitverfolgen der Wettereignisse als Vergnügen unterstellt - das besteuerte Vergnügen tatsächlich entgeltlich ist. Vielmehr leistet der sich Vergnügende als (ggf. zugleich) Wettender einen Wetteinsatz. Dieser Einsatz kann offen und/oder verdeckt geleistet werden. Offen ist ein Einsatz hierbei, wenn objektiv für jeden erkennbar ein Vermögenswert des Teilnehmers der Wette an den Veranstalter der Wette und/oder den Betreiber des Wettbüros als Vermittler fließt, und subjektiv der Teilnehmer diesen Einsatz gezielt u.a. für die Teilnahme an der Wette aufwendet. Verdeckt ist eine Einsatzleistung, wenn nicht ohne weiteres objektiv und/oder subjektiv erkennbar ist, dass ein Vermögenswert u.a. für die Teilnahme an der Wette fließt (vgl. Koch, Gewinnspiele im Steuerrecht, 2006, S. 25 ff.; Birk/Brüggemann in Dietlein u.a., Glücksspielrecht, 2. Aufl., RennwLottG § 17 Rn. 8 f.). Für das Vorliegen einer Entgeltlichkeit ist entscheidend, ob und inwieweit ein Vermögenswert in Form eines offenen und/oder verdeckten Wetteinsatzes nicht nur als Gegenleistung für die eingeräumte Gewinnmöglichkeit, sondern auch für das Mitverfolgen der Wettereignisse zu qualifizieren ist. Eine Entgeltlichkeit in diesem Sinne scheidet somit aus, wenn die Möglichkeit des Mitverfolgens auch ohne Wette besteht und genutzt wird.
68 
Soweit der Besuch und das Verweilen im Wettbüro zum Abschluss einer Wette verpflichtet oder rein tatsächlich auf Grund eines Entschlusses des Wettkunden dazu führt, könnten im Wetteinsatz (s. zum Inhalt des Wettverträgen Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 37 ff.) offen und/oder verdeckt als Nebenleistung zur Wette Dienstleistungen wie das Mitverfolgen der Wettereignisse mit enthalten und abgegolten sein.
69 
Für diesen Fall einer Entgeltlichkeit in Form eines Wetteinsatzes gilt Folgendes: Unbesehen davon, ob die Leistungen im Wettbüro (des Veranstalters/Vermittlers der Wette und/oder des Betreibers des Wettbüros) überhaupt in Einzelleistungen zerlegt werden können (vgl. hierzu Birk/Brüggemann in Dietlein u.a., Glücksspielrecht, 2. Aufl., RennwLottG § 17 Rn. 9 f. mit weiteren Nachw.), bildet die Wette bzw. die Einräumung der Gewinnmöglichkeit (unabhängig von der Höhe des Einsatzes und der Höhe der Gewinnmöglichkeit) bei wertender Betrachtung als Hauptleistung den Schwerpunkt der Leistungen. Das Mitverfolgen der Wettereignisse tritt demgegenüber als bloße Nebenleistung zurück. Der Zweck des Wettbüros besteht in erster Linie in der Veranstaltung bzw. dem Vermitteln von Wetten. Das Ermöglichen des Mitverfolgens der Wettereignisse soll diesen Zweck fördern durch die Steigerung der Attraktivität des Wettbüros sowie der Wettumsätze und erfolgt gleichsam bei Gelegenheit des Wettgeschäfts. Abzustellen ist hierbei auf den Gesamtcharakter der Veranstaltung (OVG Nordrh.-Westf., Beschluss vom 26.08.2009 - 14 B 86/09 - juris Rn. 6). Der Wettkunde betreibt den Wettaufwand primär wegen der Teilnahme an der Wette und nicht wegen des im Hintergrund ermöglichten Mitverfolgens der Wettereignisse.
70 
Zudem gilt der steuerrechtliche Grundsatz, wonach Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen (BFH, Urteil vom 23.02.1961 - V 262/58 U - juris Rn. 14 mit weiteren Nachw.). Dies muss insbesondere im vorliegenden Kontext beachtet werden, da mit der Qualifikation als Wetteinsatz und damit der Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine Befreiung von der Umsatzsteuer einhergeht (§ 4 Nr. 9 lit. b Satz 1 UStG). Dementsprechend ist anerkannt, dass neben offenen auch verdeckte Wetteinsätze (z.B. in Form einer Bearbeitungsgebühr, Schreib- und Kollektionsgebühr, Servicegebühr o. ä. für Vermittlungs- und/oder Serviceleistungen) bei der Bemessung der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz zu berücksichtigen sind (BFH, Urteil vom 19.08.2009 - II R 16/07 - juris Rn. 10; FG Hannover, Urteil vom 27.02.2007 - 3 K 91/06 - juris; Englisch in Streinz u.a., Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 73; ausführlich Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 194 ff., 284 ff.).
71 
Demnach ist auch ein Entgelt für das Mitverfolgen der Wettereignisse in Form eines (erhöhten) Wetteinsatzes wertungsmäßig dem Wetteinsatz zuzurechnen und kann aus diesem Grund nicht als Anknüpfungspunkt für das Vorliegen eines mit einer Vergnügungssteuer besteuerbaren Aufwands herangezogen werden. Denn dadurch würde gleichheitswidrig und bezogen auf eine Aufwandsteuer systemfremd der mit dem Wetteinsatz über die Teilnahme an der Wette hinaus weiter verfolgte Zweck zum Grund der Steuerpflicht. Dies zeigt sich in den Fällen, in welchen zugleich eine reine Wettannahme und daneben ein Wettbüro betrieben wird und der Preis bzw. Einsatz für die Wetten gleich hoch sind. Steckt in dem Wetteinsatz offen und/oder verdeckt ein Anteil für das ermöglichte Mitverfolgen der Wettereignisse und soll letztlich nur eine Besteuerung des Vergnügens der Wettbürokunden erreicht werden, so müsste auf den verfolgten Zweck - also die beabsichtigte Nutzung des Wettbüros mit Aufenthalt oder beabsichtigte Nutzung der reinen Wettannahme ohne Aufenthalt - derjenigen abgestellt werden, welche den Wetteinsatz leisten. Das Wesen der Aufwandsteuer schließt jedoch aus, für die Steuerpflicht auf eine wertende Betrachtung der Absichten und verfolgten ferneren Zwecke, die dem Aufwand zu Grunde liegen, abzustellen. Maßgeblich darf allein der isolierte Vorgang des Konsums als Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sein (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -juris Rn. 97; ebenso BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 7.08 - juris Rn. 16).
72 
Daher braucht die (weitere) Frage, ob angesichts der in solchen Fällen bereits erfolgenden Besteuerung nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz eine unzulässige Doppelbesteuerung unter dem Gesichtspunkt der Gleichartigkeit vorliegen würde, nicht (mehr) entschieden zu werden.
73 
2. Soweit für den Besuch und das Verweilen im Wettbüro ein sonstiges Entgelt, z.B. in Form eines Eintrittsgeldes, einer Verzehrpflicht u.a., erhoben wird, gilt - wie auch für die Fälle der Entgeltlichkeit in Form von Wetteinsatz - Folgendes: Die Vergnügungssteuer in Form der Wettbürosteuer knüpft an die Wettvermittlung/-veranstaltung in Kombination mit dem Ermöglichen des Mitverfolgens von Wettereignissen in Wettbüros an. Steuerschuldner ist der Veranstalter des Vergnügens. Eigentliches Steuergut ist gleichwohl der (vorauszusetzende) Vergnügungsaufwand des einzelnen Spielers, da die Vergnügungssteuer darauf abzielt, die mit der Einkommensverwendung für das Vergnügen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu belasten. Damit ist der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer.
74 
Der Gesetzgeber ist indes verfassungsrechtlich nicht auf einen derartigen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Der weitgehenden Gestaltungsfreiheit, die der Gesetzgeber bei der Erschließung einer Steuerquelle in Form des Vergnügungsaufwands des Einzelnen gerade auch bei der Wahl des Besteuerungsmaßstabs hat, wird durch Art. 3 Abs. 1 GG erst dort eine Grenze gesetzt, wo eine gleiche oder ungleiche Behandlung von Sachverhalten nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt und diese daher willkürlich wäre. Die Gerichte haben nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat. Wählt der Satzungsgeber im Vergnügungssteuerrecht statt des Wirklichkeitsmaßstabs einen anderen (Ersatz- bzw. Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Vergnügungsaufwand wenigstens wahrscheinlich macht, weil ein anderer Maßstab dem Wesen der Vergnügungssteuer fremd, also nicht sachgerecht und deshalb mit dem Grundsatz der Belastungsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre. Der Rechtfertigungsbedarf für die Wahl eines Ersatzmaßstabs wird dabei umso höher, je weiter sich der im Einzelfall gewählte Maßstab von dem eigentlichen Belastungsgrund entfernt. Der Ersatzmaßstab muss jedenfalls einen zumindest lockeren Bezug zu dem Vergnügungsaufwand des einzelnen Besuchers der Einrichtung aufweisen, der die Erfassung seines Vergnügungsaufwands wenigstens wahrscheinlich macht. Der Ersatzmaßstab muss darüber hinaus auch sachlich gerechtfertigt sein, d.h. dem Satzungsgeber darf kein evident sachnäherer Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Verfügung stehen. (Senatsurteile vom 23.02.2011 - 2 S 196/10 - juris Rn. 59 ff. und vom 13.12.2012 - 2 S 1010/12 - juris Rn. 56 mit weiteren Nachw.).
75 
Der in der streitgegenständlichen Satzung gewählte Flächenmaßstab genügt diesen Voraussetzungen weder bei einem sonstigen Entgelt noch bei einem Entgelt als Teil des Wetteinsatzes. Denn der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand ist der sachgerechteste Maßstab für eine derartige Steuer (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 56 ff.). Bei einem sonstigen Entgelt liegt dies bereits auf der Hand. Zudem ist weder (substantiiert) dargetan noch ersichtlich, dass der Fall einer Entgeltlichkeit in Form von sonstigem Entgelt rein tatsächlich einen typischen Fall beim Betrieb von Wettbüros darstellt (s. zur Branchenunüblichkeit bereits versteckter Einsätze Englisch in Streinz u.a., Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, 2014, Syst. Darst. Rn. 73). Es braucht daher nicht entschieden zu werden, ob auch unter diesem Gesichtspunkt eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Denn der Satzungsgeber darf im Falle einer Typisierung nicht einen atypischen Fall als Leitbild wählen (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 55).
76 
Auch bezüglich des Wetteinsatzes als Entgelt wäre - unbesehen der bereits oben (s. II.1.) festgestellten Systemwidrigkeit - eine Besteuerung nach dem gewählten Flächenmaßstab unzulässig. Der Wetteinsatz hinsichtlich der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz könnte auch hinsichtlich der Vergnügungssteuer als das betragsmäßig jeweils feststehende Entgelt für das Mitverfolgen der Wettereignisse zur Bemessungsrundlage und zum Steuermaßstab gemacht werden. Durch einen Flächenmaßstab würde dagegen der unterstellte entgeltliche Vergnügungsaufwand nicht hinreichend realitätsnah abgebildet.
77 
Auch einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab rechtfertigende Manipulationsmöglichkeiten (s. hierzu Senatsurteil vom 24.08.2006 - 2 S 1218/05 - juris Rn. 37 ff.) sind weder bei sonstigem Entgelt noch bei Entgelt in Form des Wetteinsatzes substantiiert dargetan oder ersichtlich. Denn besteuerbar ist nach dem streitgegenständlichen Steuertatbestand nicht das tatsächliche Mitverfolgen, sondern das Vermitteln und/oder Veranstalten von Pferde- oder Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen. Insoweit besteht kein sachlicher Unterschied zwischen den als Bemessungsgrundlage der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz zu erfassenden Wetteinsätzen und den vergnügungssteuerlich zu erfassenden Entgelten für das Mitverfolgen der Wettereignisse. Der Wetteinsatz bzw. ein sonstiges Entgelt stehen beide betragsmäßig fest und können demgemäß erfasst werden. Bedenken mit Blick auf die Manipulationssicherheit bestehen im Rahmen der Steuer nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz insoweit nicht (s. zum Steuerverfahren ausf. Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, 2015, S. 239 ff., u.a. zum Anmeldeverfahren gemäß § 31a Abs. 3 RennwLottGABest, den umfassenden Aufzeichnungspflichten gemäß § 20 RennwLottG sowie der Wahrung des Steuervollzugs). Von daher besteht kein Anlass, hiervon bei der realitätsgerechteren Erfassung von sonstigen Entgelten - deren Vorhandensein als gegeben unterstellt - abzuweichen.
78 
Die Wahl des danach nicht wirklichkeitsgerechten Besteuerungsmaßstabs ist für das Vorliegen der Kompetenz aus § 9 Abs. 4 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom 04.02.2009 - 1 BvL 8/05 - juris Rn. 44, 52) zwar ohne Einfluss, jedoch materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung. Dies bedeutet, dass im Falle der Entgeltlichkeit bei nicht realitätsgerechtem Maßstab die entsprechende Aufwandsteuer zwar kompetenzgemäß, jedoch materiell rechtswidrig ist und bereits damit eine geltungserhaltende Reduktion ausscheidet. Auf die materielle Rechtmäßigkeit im Übrigen (u.a. Abwälzbarkeit, fehlende Gleichartigkeit) kommt es nach dem Vorgesagten nicht mehr an.
III.
79 
Die vorliegende Entscheidung ist allgemein verbindlich und von der Antragsgegnerin gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Hs. 2 VwGO ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.
80 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe nicht vorliegt.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen unterliegen einer Steuer. Eine Lotterie oder Ausspielung nach Satz 1 gilt als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Die Steuer beträgt 20 vom Hundert des planmäßigen Preises (Nennwert) sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer.

(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Von den am Totalisator gewetteten Beträgen hat der Unternehmer des Totalisators eine Steuer von 5 vom Hundert zu entrichten.

(2) Diese Steuer ist auch dann zu entrichten, wenn ausschließlich Mitglieder bestimmter Vereine zum Wetten zugelassen werden.

(3) Die Steuerschuld entsteht mit dem Schluß der Annahme von Wetteinsätzen.

(1) Der Buchmacher hat von jeder bei ihm abgeschlossenen Wette eine Steuer von 5 vom Hundert des Wetteinsatzes zu entrichten.

(2) Die Steuerschuld entsteht, wenn die Wette verbindlich geworden ist (§ 4 Abs. 2), spätestens jedoch mit der Entscheidung des Rennens, auf das sich die Wette bezieht.

(1) Die Steuer für Lotterien und Ausspielungen (§ 17 Absatz 1) schuldet der Veranstalter. Die Steuerschuld entsteht mit der Genehmigung, spätestens aber in dem Zeitpunkt, zu dem die Genehmigung hätte eingeholt werden müssen. Die Steuer für Lotterien und Ausspielungen ist von dem Veranstalter zu entrichten, bevor mit dem Losabsatz begonnen wird.

(2) Die Steuer für Sportwetten (§ 17 Absatz 2) schuldet der Veranstalter. Die Steuerschuld entsteht, wenn die Wette verbindlich geworden ist. § 4 Absatz 2 gilt entsprechend. Die Steuer für Sportwetten ist am 15. Tag nach Ablauf des Anmeldungszeitraums fällig.

(3) Der Veranstalter nach Absatz 2 hat, soweit er seinen Wohnsitz oder seinen Sitz nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hat, einen steuerlichen Beauftragten im Inland zu benennen. Steuerlicher Beauftragter kann sein, wer seinen Geschäftssitz im Inland hat, gegen dessen steuerliche Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und der – soweit er nach dem Handelsgesetzbuch oder der Abgabenordnung dazu verpflichtet ist – ordnungsmäßig kaufmännische Bücher führt und rechtzeitig Jahresabschlüsse aufstellt. Der steuerliche Beauftragte hat die Pflichten des im Ausland ansässigen Veranstalters nach diesem Gesetz als eigene zu erfüllen. Er hat die gleichen Rechte und Pflichten wie der Veranstalter. Der steuerliche Beauftragte schuldet die Steuer nach Absatz 2 neben dem Veranstalter.

(4) Wurde ein steuerlicher Beauftragter im Sinne des Absatzes 3 benannt, ist das Finanzamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der steuerliche Beauftragte seinen Geschäftssitz hat. Ergibt sich für Sportwetten keine Zuständigkeit im Inland, kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates ein zuständiges Finanzamt bestimmen.

(1) Im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen unterliegen einer Steuer. Eine Lotterie oder Ausspielung nach Satz 1 gilt als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Die Steuer beträgt 20 vom Hundert des planmäßigen Preises (Nennwert) sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer.

(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen unterliegen einer Steuer. Eine Lotterie oder Ausspielung nach Satz 1 gilt als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Die Steuer beträgt 20 vom Hundert des planmäßigen Preises (Nennwert) sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer.

(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat.

(2) Auf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26 hat der Bund das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.

(3) Hat der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht, können die Länder durch Gesetz hiervon abweichende Regelungen treffen über:

1.
das Jagdwesen (ohne das Recht der Jagdscheine);
2.
den Naturschutz und die Landschaftspflege (ohne die allgemeinen Grundsätze des Naturschutzes, das Recht des Artenschutzes oder des Meeresnaturschutzes);
3.
die Bodenverteilung;
4.
die Raumordnung;
5.
den Wasserhaushalt (ohne stoff- oder anlagenbezogene Regelungen);
6.
die Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse;
7.
die Grundsteuer.
Bundesgesetze auf diesen Gebieten treten frühestens sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit nicht mit Zustimmung des Bundesrates anderes bestimmt ist. Auf den Gebieten des Satzes 1 geht im Verhältnis von Bundes- und Landesrecht das jeweils spätere Gesetz vor.

(4) Durch Bundesgesetz kann bestimmt werden, daß eine bundesgesetzliche Regelung, für die eine Erforderlichkeit im Sinne des Absatzes 2 nicht mehr besteht, durch Landesrecht ersetzt werden kann.

(1) Der Veranstalter einer Sportwette ist neben der Verpflichtung aus § 16 Absatz 3 verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu führen. Soweit ein steuerlicher Beauftragter gemäß § 19 Absatz 3 benannt ist, hat der Veranstalter diesem die Aufzeichnungen nach Satz 1 monatlich zu übermitteln.

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen insbesondere zu ersehen sein:

1.
Name und Anschrift des Spielers;
2.
Beschreibung der Sportwette, der Art der Sportwette, des Sportereignisses, auf das sich die Sportwette bezieht;
3.
vereinbarter Einsatz für die jeweilige Sportwette;
4.
Zahlungen des Spielers, auch wenn keine Sportwette zustande gekommen ist;
5.
die jeweilige Bemessungsgrundlage für die Steuer;
6.
Zeitpunkt der Vereinnahmung des Spieleinsatzes und der Gewinnauszahlung;
7.
Höhe der Steuer.

Die Finanzbehörde kann die nach § 30 der Abgabenordnung geschützten personenbezogenen Daten der betroffenen Person gegenüber der zuständigen Glücksspielaufsichtsbehörde und gegenüber der für das Zuweisungsverfahren nach § 16 zuständigen Behörde offenbaren, soweit es dem Verfahren der Glücksspielaufsicht und dem Zuweisungsverfahren dient.

Die für Glücksspielaufsicht zuständige Behörde ist verpflichtet, erlangte Kenntnisse gegenüber der Finanzbehörde mitzuteilen, soweit die Kenntnisse der Durchführung eines Verfahrens in Steuersachen dienen.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

Tenor

Das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt I Seite 1804), zuletzt geändert durch Artikel 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (Bundesgesetzblatt I Seite 1474), ist mit Artikel 105 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 106 Absatz 1 Nummer 2 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.

Gründe

A.

1

Das konkrete Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1804), zuletzt geändert durch Artikel 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474), mit dem Grundgesetz, insbesondere mit den grundgesetzlichen Regelungen zur Gesetzgebungskompetenz, vereinbar ist.

I.

2

1. Das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) vom 8. Dezember 2010 wurde vom Bundestag am 28. Oktober 2010 verabschiedet. Der Bundesrat beschloss in seiner Sitzung am 26. November 2010, einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen (BRDrucks 687/10, S. 1).

3

Zur Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzes ist dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP Folgendes zu entnehmen (BTDrucks 17/3054, S. 5):

Die Haushaltskonsolidierung des Bundes erfordert die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen. Dazu soll eine neue Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen erhoben werden. Das Aufkommen soll ohne Zweckbindung dem allgemeinen Haushalt zur Verfügung stehen.

Der Bund hat gemäß Atomgesetz Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einzurichten. Nach dem Verursacherprinzip werden die Kosten der Errichtung, des Betriebs und der Stilllegung von Anlagen durch die Abfallverursacher der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand entsprechend ihres Anteils an der Abfallmenge refinanziert. Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II trägt nach § 57b Absatz 1 Satz 3 des Atomgesetzes ausschließlich der Bund. Die Erträge aus der Steuer sollen vor dem Hintergrund der notwendigen Haushaltskonsolidierung auch dazu beitragen, die hieraus entstehende Haushaltsbelastung des Bundes zu verringern.

4

a) Das Kernbrennstoffsteuergesetz trat am 1. Januar 2011 in Kraft (§ 13 KernbrStG). Danach unterlag Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurde, der Besteuerung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KernbrStG). Bei der Steuer handelte es sich nach Auffassung des Gesetzgebers um eine "Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 KernbrStG). Steuerschuldner waren die Betreiber von Kernkraftwerken (vgl. § 5 Abs. 2 i.V.m. § 2 Nr. 6 KernbrStG).

5

b) Die Kernbrennstoffsteuer war als Anmeldesteuer konzipiert. Die Steuerschuldner hatten für Kernbrennstoff, für den die Steuer entstanden war, bis zum 15. Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen (§ 6 Abs. 1 KernbrStG). Die Steuer entstand dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt wurden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wurde (§ 5 Abs. 1 KernbrStG). Das Gesetz war auf Besteuerungsvorgänge anzuwenden, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde (§ 12 KernbrStG). Die Steuer betrug für ein Gramm Kernbrennstoff einheitlich 145 Euro (§ 3 KernbrStG).

6

c) Zu Beginn des Jahres 2011 gab es bundesweit 17 Kernkraftwerke, die von vier Energieversorgungsunternehmen und ihren Betreibergesellschaften betrieben wurden (BTDrucks 17/3054, S. 2, 6). Nach Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 (BGBl I S. 1704) waren im Steuergebiet insgesamt noch neun Kernkraftwerke in Betrieb. Seit Ende Juni 2015 befindet sich das im Ausgangsverfahren streitgegenständliche Kernkraftwerk G. dauerhaft im Nichtleistungsbetrieb; somit sind aktuell bundesweit acht Kernkraftwerke am Netz, die von drei Energieversorgungsunternehmen und ihren Betreibergesellschaften betrieben werden.

7

d) Die Steuereinnahmen aus der Kernbrennstoffsteuer betrugen für den Bundeshaushalt im Jahre 2011 922 Millionen Euro, im Jahre 2012 1.577 Millionen Euro, im Jahre 2013 1.285 Millionen Euro, im Jahre 2014 708 Millionen Euro, im Jahre 2015 1.371 Millionen Euro und im Jahre 2016 422 Millionen Euro, in der Summe mithin 6,285 Milliarden Euro (vgl. Statistisches Bundesamt [Destatis], Umweltschutzmaßnahmen - Gesamtaufkommen aus umweltbezogenen Steuern, abrufbar unter: https://www.destatis.de und Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht Januar 2017, abrufbar unter http://www.bundesfinanzministerium.de).

8

2. Das Kernbrennstoffsteuergesetz lautete in seinen wesentlichen Bestimmungen:

§ 1 Steuergegenstand, Steuergebiet

(1) 1 Kernbrennstoff, der zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wird, unterliegt im Steuergebiet der Kernbrennstoffsteuer. 2 Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Verbrauchsteuer im Sinn der Abgabenordnung.

(2) Steuergebiet ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland.

§ 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Gesetzes ist:

1. Kernbrennstoff:

a) Plutonium 239 und Plutonium 241,

b) Uran 233 und Uran 235,

auch in Verbindungen, Legierungen, keramischen Erzeugnissen und Mischungen;

2. Brennelement: aus einer Vielzahl von Brennstäben montierte Anordnung, in der der Kernbrennstoff im Kernreaktor eingesetzt wird;

3. Brennstab: geometrische Form, in welcher der Kernbrennstoff, ummantelt mit Hüllmaterial, im Kernreaktor eingesetzt wird;

4. Kettenreaktion: Prozess, bei dem Neutronen durch Spaltung von Kernbrennstoffen weitere Neutronen freisetzen, die wieder zur Spaltung von weiterem Kernbrennstoff führen;

5. Kernreaktor: geometrische Anordnung von Brennelementen beziehungsweise Brennstäben sowie anderen technischen Komponenten in einer Art, dass dort eine sich selbsttragende, kontrollierte Kettenreaktion stattfinden kann;

6. Betreiber: derjenige, der Inhaber einer Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoff zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität ist.

§ 3 Steuertarif

Die Steuer für ein Gramm Plutonium 239, Plutonium 241, Uran 233 oder Uran 235 beträgt 145 Euro.

§ 4 Pflichten des Betreibers

(1) 1 Wer eine Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität betreibt, hat dies dem zuständigen Hauptzollamt unverzüglich anzumelden. 2 Das Hauptzollamt erteilt dem Betreiber einen schriftlichen Nachweis über die Anmeldung.

(2) … (5) …

§ 5 Entstehung der Steuer, Steuerschuldner

(1) 1 Die Steuer entsteht dadurch, dass ein Brennelement oder einzelne Brennstäbe in einen Kernreaktor erstmals eingesetzt werden und eine sich selbsttragende Kettenreaktion ausgelöst wird. 2 Der Austausch nachweislich defekter Brennstäbe führt nicht zur Steuerentstehung.

(2) Steuerschuldner ist der Betreiber.

§ 6 Steueranmeldung, Fälligkeit der Steuer

(1) 1 Der Steuerschuldner hat für Kernbrennstoff, für den die Steuer nach § 5 Absatz 1 entstanden ist, bis zum 15. Tag des folgenden Monats eine Steuererklärung abzugeben und darin die Steuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). 2 Die Steuer, die in einem Monat entstanden ist, ist am 25. Tag des folgenden Monats fällig.

(2) 1 Für die Steuer, die in der Zeit vom 1. bis 18. Dezember entstanden ist, hat der Steuerschuldner bis zum 22. Dezember eine Steueranmeldung abzugeben. 2 Die Steuer wird am 22. Dezember fällig. 3 Für die Steuer, die in der Zeit vom 19. bis 31. Dezember entstanden ist, gilt Absatz 1 sinngemäß.

(3) Für die nach § 5 entstehende Steuer kann das Hauptzollamt im Voraus Sicherheit verlangen, wenn Anzeichen für eine Gefährdung der Steuer erkennbar sind.

§ 9 Zuständiges Hauptzollamt

1 Unbeschadet der Bestimmungen des § 27 der Abgabenordnung ist für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes das Hauptzollamt örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus die in den einzelnen Vorschriften jeweils bezeichnete Person ihr Unternehmen betreibt. 2 Für Unternehmen, die von einem Ort außerhalb des Steuergebiets betrieben werden, ist das Hauptzollamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk sie erstmals steuerlich in Erscheinung treten.

§ 12 Anwendungsvorschrift

Das Gesetz ist auf Besteuerungsvorgänge anzuwenden, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde.

§ 13 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2011 in Kraft.

II.

9

1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens, die P. GmbH (vormals E. GmbH, im Folgenden: Klägerin), setzte Brennelemente in den Reaktor des von ihr betriebenen Kernkraftwerks G. ein und löste am 16. Juni 2011 in diesem eine sich selbsttragende Kettenreaktion aus. Die Brennstäbe enthielten insgesamt 664.466 Gramm Uran 235. Die Klägerin reichte gemäß § 6 Abs. 1 KernbrStG bei dem Beklagten des Ausgangsverfahrens, dem Hauptzollamt Hannover (im Folgenden: Beklagter), unter dem 8. Juli 2011 eine Steueranmeldung ein, in der sie anhand der Gesamtmenge des verwendeten Kernbrennstoffes einen Steuerbetrag in Höhe von 96.347.570 Euro errechnete, den sie an das Hauptzollamt abführte.

10

Am 12. Juli 2011 erhob die Klägerin beim Finanzgericht Hamburg (4 K 124/11) Sprungklage gegen die Steueranmeldung vom 8. Juli 2011. Aufgrund der fehlenden Zustimmung des Beklagten wurde die Klage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) als Einspruch behandelt, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 16. November 2011 als unbegründet zurückwies.

11

Nachdem der 4. Senat des Finanzgerichts Hamburg (im Folgenden: Finanzgericht) auf den Antrag der Klägerin auf vorläufigen Rechtsschutz die Vollziehung der streitgegenständlichen Steueranmeldung ohne Sicherheitsleistung wegen ernsthafter Zweifel an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes aufgehoben hatte (Beschluss vom 16. September 2011 - 4 V 133/11 -, juris, Rn. 9), lehnte der Bundesfinanzhof im Beschwerdeverfahren den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz unter Hinweis darauf ab, dass im Streitfall die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes in der praktischen Auswirkung einem einstweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleichkäme (BFHE 236, 206).

12

Die Klägerin erhob am 30. November 2011 Klage (4 K 270/11) mit dem Antrag, die Steueranmeldung vom 8. Juli 2011 sowie die Einspruchsentscheidung vom 16. November 2011 aufzuheben. Nach mündlicher Verhandlung am 29. Januar 2013 hat das Finanzgericht mit Beschluss desselben Tages das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb ungültig ist.

13

Im Ausgangsverfahren wiederholte die Klägerin ihren Antrag auf Aufhebung der Vollziehung der Kernbrennstoffsteueranmeldung, welcher vor dem Finanzgericht - unter Zulassung der Beschwerde zum Bundesfinanzhof - zunächst Erfolg hatte (Beschluss vom 11. April 2014 - 4 V 154/13 -, juris, Rn. 50, 128). Auf die Beschwerde des Beklagten hob der Bundesfinanzhof diese Entscheidung auf und versagte (erneut) die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (BFHE 247, 182).

14

2. Das Finanzgericht hat seinen Vorlagebeschluss wie folgt begründet:

15

Die Kernbrennstoffsteuer sei als Steuer im Sinne des Grundgesetzes zu betrachten, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz fehle.

16

a) Weil eine Zustimmung des Bundesrates zum Kernbrennstoffsteuergesetz nicht vorliege, könne die Prüfung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2, 1. Alt. in Verbindung mit Art. 106 GG auf die Steuern und Steuerarten beschränkt werden, für die das Grundgesetz dem Bund die alleinige Ertragskompetenz zuweise. Andernfalls wäre das Kernbrennstoffsteuergesetz schon wegen des Fehlens der Bundesratszustimmung verfassungswidrig.

17

Die Kernbrennstoffsteuer sei keine herkömmliche Verbrauchsteuer im Sinne der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzregeln und entspreche auch nicht dem Typus einer Verbrauchsteuer. Ein typusprägendes Merkmal von Verbrauchsteuern sei - auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Hamburgischen Spielgerätesteuer -, dass sie die Einkommensverwendung, also private Konsumenten, besteuerten. Im Falle der indirekten Besteuerung durch Erhebung der Steuer beim Lieferanten oder Hersteller sei daher Voraussetzung, dass diese auf Abwälzung auf den privaten Konsumenten angelegt sei.

18

b) Die Kernbrennstoffsteuer weiche in vielerlei Hinsicht von den Merkmalen herkömmlicher Verbrauchsteuern ab; insbesondere ziele sie nicht auf die Belastung privater Konsumenten. Deren Belastung könne nur über den unter Einsatz der besteuerten Kernbrennstoffe erzeugten elektrischen Strom (Atomstrom) erfolgen. Tatsächlich trete eine Belastung jedoch nicht ein und sei auch durch das Gesetz nicht intendiert. Der Umstand, dass in Deutschland der gesamte erzeugte Strom - unabhängig von etwaigen Subventionen für seine Erzeugung - zu im Wesentlichen gleichen Bedingungen vermarktet, die Kernbrennstoffsteuer aber allein bei der Erzeugung von Atomstrom erhoben werde, schließe per se aus, dass es zu einer verbrauchsteuerlichen Belastung von privaten Konsumenten komme. Der Blick auf den Strommarkt bestätige diese Einschätzung. Die Gesetzesbegründung und die Entstehungsgeschichte des Kernbrennstoffsteuergesetzes belegten ebenfalls, dass die Kernbrennstoffsteuer von vornherein nicht auf die Belastung privater Konsumenten, sondern auf die Abschöpfung von Gewinnen der Kernkraftwerkbetreiber ziele. Zwar habe der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum, zumal ihm der eher vage Verbrauchsteuerbegriff des Grundgesetzes, der auch die Erhebung von Steuern auf in der Produktion eingesetzte Güter umfassen könne, keine starren Grenzen setze, was in der Rechtsprechung etwa durch die Verwendung des Begriffs der kalkulatorischen Abwälzung zum Ausdruck komme. Im Normalfall möchten die weit gefasste kalkulatorische Abwälzbarkeit und der Umstand, dass das Unternehmen, bei dem eine Warensteuer erhoben werde, mit Gewinn arbeite, Indizien dafür sein, dass die Steuerlast letztlich den Konsumenten erreiche. Hiervon könne bei der Kernbrennstoffsteuer indes nicht ausgegangen werden. In der Kernbrennstoffsteuer sei eine Steuer zu sehen, die darauf angelegt sei, den jeweiligen Kraftwerkbetreiber endgültig mit dem größten Teil der erhobenen Kernbrennstoffsteuer zu belasten. Diese Belastung erfolge mittels eines besteuerten Guts, des Kernbrennstoffs, das nicht im Rahmen einer Einkommensverwendung und schon gar nicht privat verbraucht, sondern zum Zwecke der Einkommenserzielung durch das Produzieren von Strom genutzt werde. Die Steuer belaste den Kernkraftwerkbetreiber mithin planmäßig direkt als Produktionsunternehmen und stelle sich wirtschaftlich als eine Produktionssteuer dar, die gerade nicht darauf abziele, einen Konsumenten indirekt über das erzeugte Produkt zu belasten.

19

c) Der Bund habe auch keine sonstige Gesetzgebungskompetenz. Über die im Bereich der in Art. 105 Abs. 2 und Art. 106 GG genannten Steuern - zu denen die Kernbrennstoffsteuer nicht gehöre - hinaus könne eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die sich an den allgemeinen Vorgaben des Art. 72 Abs. 2 GG zu orientieren habe, da Art. 105 Abs. 2 GG ohne Einschränkungen auf die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG verweise, nur angenommen werden, soweit man über den Begriff der übrigen Steuern ein allgemeines unbegrenztes Steuererfindungsrecht des Bundes begründen könne. Indes sei ein solches Steuererfindungsrecht nicht gegeben; anderenfalls bedürfe eine neu erfundene Steuer zumindest der Zustimmung des Bundesrates, an der es beim Kernbrennstoffsteuergesetz fehle.

20

d) Die Frage der Gültigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes sei für die Entscheidung über die anhängige Klage erheblich. Die angefochtene Steueranmeldung entspreche den Regelungen im Kernbrennstoffsteuergesetz. Im Falle der Gültigkeit des Gesetzes sei die Klage nach nationalem Recht ohne Weiteres abzuweisen. Verstoße das Kernbrennstoffsteuergesetz hingegen gegen das Grundgesetz und werde es deswegen, weil auch die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung erkennbar nicht bestehe, für ungültig erklärt, sei der Klage stattzugeben.

III.

21

Zur Vorlage des Finanzgerichts haben das Bundesministerium der Finanzen für die Bundesregierung, die Präsidenten des Bundesfinanzhofs, des Finanzgerichts Baden-Württemberg und des Finanzgerichts München sowie die Klägerin Stellung genommen. Der Deutsche Bundestag, der Bundesrat sowie die Länder Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Thüringen haben von einer Stellungnahme ausdrücklich abgesehen; die übrigen Landesregierungen haben sich nicht geäußert.

22

1. Die Klägerin hält das Kernbrennstoffsteuergesetz für formell und materiell verfassungswidrig.

23

a) Nach ihrer Auffassung fehlt dem Bund bereits die Gesetzgebungskompetenz.

24

aa) Der Bund habe - ungeachtet dessen, ob ihm überhaupt ein Steuererfindungsrecht zustehe - jedenfalls kein Steuererfindungsrecht hinsichtlich solcher Steuern, die im Rahmen der Körperschaftsteuer oder der Gewerbesteuer - also anteilig den Ländern oder Gemeinden zustehender Steuern - als Betriebsausgaben aufkommensmindernd zu berücksichtigen seien und damit mittelbar auch Bund und Länder belasteten. Über diesen Mechanismus bewirke die Kernbrennstoffsteuer einen - verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen - "verkappten Finanzausgleich" zulasten der Länder und Gemeinden. Eine solche, das Steueraufkommen der Länder und Gemeinden mittelbar vermindernde Steuer könne der Bund mit Blick auf das Gefüge der Ertragskompetenztitel des Art. 106 GG und das Gefüge der Gesetzgebungskompetenztitel des Art. 105 GG mangels finanzverfassungsrechtlicher Kompetenz nicht erfinden. Zumindest hätte einem solchen Gesetz zur Wahrung der Länderrechte der Bundesrat zustimmen müssen, was nicht geschehen sei.

25

Der Bundesgesetzgeber habe das Kernbrennstoffsteuergesetz zudem mit dem Willen erlassen, eine Verbrauchsteuer einzuführen; er habe mithin keine neue Steuer erfinden wollen. Dem Gesetzgeber dürfe nicht die Ausübung eines vorgeblichen Steuererfindungsrechts unterstellt werden, wenn er dies erkennbar nicht habe ausüben wollen.

26

bb) Auch sonst stehe dem Bund keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zu. Die Kernbrennstoffsteuer sei keine Steuer im verfassungsrechtlichen Sinne; sie weise vielmehr Elemente einer nichtsteuerlichen Abgabe in Gestalt einer Vorzugslast auf. In Ansehung der Zuweisung von Mehrerzeugungsmengen sei sie eher als eine "anlassbezogene Konzessionsgebühr" ausgestaltet. Ihr komme zugleich der Charakter einer parafiskalischen Sonderabgabe zu, da sie über den Förderfondsvertrag mit dem nichtsteuerlichen Förderfondsbeitrag verrechnet werde. Letztlich könne offen bleiben, ob es sich bei der Kernbrennstoffsteuer um eine sonstige Abgabe handele. Da es sich bei den sonstigen Abgaben nicht um Steuern handele, richte sich die Gesetzgebungskompetenz nicht nach den Art. 105 f. GG, sondern nach den allgemeinen Vorschriften der Art. 70 ff. GG. Im Bereich der Kernenergieerzeugung liege zwar eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Abs. 1 Nummer 14 GG beim Bund; auf sie könne sich der Bund im Rahmen der Kernbrennstoffsteuer jedoch nicht berufen. Art. 73 Abs. 1 Nummer 14 GG weise dem Bund die Kompetenz zu, Gesetze über "die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe" zu erlassen. Das Kernbrennstoffsteuergesetz sei indes kein solches Gesetz. Zudem widerspreche die Aufrechterhaltung der Kernbrennstoffsteuer als nichtsteuerliche Abgabe der Formenstrenge der Finanzverfassung; eine "Wahlfeststellung" zwischen einer Abgabe und einer Steuer sei unzulässig.

27

Jedenfalls handele es sich bei der Kernbrennstoffsteuer nicht um eine Verbrauchsteuer. Sie sei weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG, noch erfülle sie den historisch abzuleitenden Typusbegriff einer Verbrauchsteuer. Selbst wenn man die Kernbrennstoffsteuer als eine Verbrauchsteuer qualifiziere, handele es sich aufgrund der Ortsbezogenheit des die Steuerpflicht auslösenden Tatbestands allenfalls um eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, für die allerdings nur die Länder die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hätten.

28

b) Die Kernbrennstoffsteuer sei zudem materiell verfassungswidrig. Das Kernbrennstoffsteuergesetz verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und aufgrund der unverhältnismäßigen Höhe der Steuer gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG. Ferner handele es sich um ein verbotenes Einzelfallgesetz im Sinne von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

29

c) Bereits wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz komme im Ergebnis nur eine Nichtigkeitserklärung des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit ex tunc-Wirkung in Betracht. Dies entspreche der gemäß § 78 BVerfGG grundsätzlich vorgesehenen Folge eines für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärten Gesetzes und werde auch in der Literatur als Regelfall angesehen. Für eine bloße Unvereinbarkeitserklärung nach den Kriterien der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei kein Raum.

30

2. Die Bundesregierung hat bereits Zweifel an der Zulässigkeit der finanzgerichtlichen Vorlage, hält sie jedenfalls für unbegründet.

31

a) Der Vorlagebeschluss sei in sich widersprüchlich: Einerseits stelle das Finanzgericht auf die Abwälzung der Kernbrennstoffsteuer als entscheidendes typusbestimmendes Merkmal ab, andererseits habe es keine hinreichende Sachverhaltsaufklärung zu diesem entscheidungserheblichen Punkt vorgenommen. Es setze sich zwar mit der zentralen Figur der kalkulatorischen Abwälzung auseinander, wie sie vor allem in der "Ökosteuerentscheidung" des Bundesverfassungsgerichts entwickelt und konkretisiert worden sei. Um die Frage des Gelingens oder Scheiterns einer solchen kalkulatorischen Abwälzung wirklich beurteilen zu können, hätte das vorlegende Gericht aber die Kalkulationsgrundlagen bei der Produktion von Atomstrom eruieren müssen. Dies sei trotz eines entsprechenden Beweisantrags des Beklagten im finanzgerichtlichen Verfahren unterblieben. Die Klägerin habe nicht substantiiert zu den kalkulatorischen Grundlagen der Stromproduktion in Kernkraftwerken vorgetragen. Wirtschaftswissenschaftliche, von der Klägerin in Auftrag gegebene Parteigutachten zur Strompreisbildung an der Strombörse könnten dieses Defizit in der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht kompensieren, weil diese eine gänzlich andere Fragestellung zum Gegenstand hätten.

32

b) Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz für das Kernbrennstoffsteuergesetz; das Gesetz verstoße auch im Übrigen nicht gegen das Grundgesetz.

33

aa) Dem Steuergesetzgeber stehe bei der Auswahl des Steuergegenstandes prinzipiell ein weiter Gestaltungsspielraum zu, so dass die Kompetenzbegriffe des Art. 105 und des Art. 106 GG hinreichend offen ausgelegt werden müssten. Der demnach weit zu verstehende Verbrauchsteuerbegriff des Grundgesetzes müsse nicht strapaziert werden, um auch die Kernbrennstoffsteuer zu erfassen. Die Kernbrennstoffsteuer entspreche vielmehr dem Phänotypus einer Verbrauchsteuer: Sie knüpfe tatbestandlich an den Verbrauch von Waren an, indem das erstmalige Einbringen von Brennelementen und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion die Steuer entstehen lasse. Die Kernbrennstoffsteuer führe zudem nicht zu einer "Gewinnabschöpfung"; diese sei weder die Intention des Gesetzgebers gewesen, noch werde ein solches Ziel mit der Steuer erreicht. Kernbrennstoffe seien überdies geeignete Gegenstände einer Verbrauchsbesteuerung. Kernbrennstoffe, die durch den Einsatz in Atomkraftwerken chemisch-physikalisch umgewandelt würden, unterlägen aufgrund der spezifischen von ihnen ausgehenden Gefahren zwar zahlreichen Restriktionen und seien als Produktionsgüter nicht Waren des täglichen Bedarfs. Diese Gesichtspunkte erklärten sich jedoch aus der Natur der Sache und hätten keinen Einfluss auf die Eignung der Kernbrennstoffe als Gegenstand einer Verbrauchsbesteuerung. Die Eigentumsverhältnisse an den eingesetzten Kernbrennstoffen wie auch Einschränkungen bei der freien Handelbarkeit von Kernbrennstoffen und die Besonderheit der Erhebungstechnik seien ohne jede Relevanz. Der Annahme einer Verbrauchsteuer stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei den Kernbrennstoffen um Produktionsgüter handele. Die ausschließliche Belastung konsumfähiger Güter gehöre nicht zu den prägenden Merkmalen einer Verbrauchsteuer. Das Bundesverfassungsgericht habe in der "Ökosteuerentscheidung" überdies grundsätzlich anerkannt, dass auch der "unternehmerische" Verbrauch von Verbrauchsteuern erfasst werden könne.

34

bb) Entgegen den Ausführungen im Vorlagebeschluss sei in den Gesetzesmaterialien weder behauptet worden, die Kernbrennstoffsteuer sei nicht abwälzbar, noch hätte eine solche Behauptung - wäre sie denn erfolgt - notwendig durchschlagende Wirkung auf die verfassungsrechtliche Prüfung dieser Steuer. Aus keiner Textstelle in der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass die Abwälzung kategorisch ausgeschlossen sei; es werde lediglich vermutet, dass die Abwälzung nicht in jedem Fall gelingen werde. Die direkte Abwälzung auf die Endabnehmer werde damit nicht grundsätzlich infrage gestellt. Zudem nähmen die Gesetzesmaterialien die Möglichkeit der nicht preiserhöhenden, rein kalkulatorischen Abwälzung in der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Gestalt implizit auf.

35

Es sei auch weder ersichtlich noch dargetan, dass die Abwälzbarkeit rechtlich und tatsächlich ausgeschlossen sei. Abgesehen davon, dass nicht einmal die Klägerin die Möglichkeit einer - wenn auch geringen - Abwälzbarkeit bestreite, lasse ihre Argumentation hinsichtlich der Strompreisbildung außer Acht, dass das Verfahren an den Strombörsen nur einen Teil der Stromverkäufe abbilde und andere Endabnehmer von Strom direkte Verträge mit Kraftwerkbetreibern geschlossen hätten. Insofern gestalte sich der Preisbildungsmechanismus wesentlich komplexer als von dem Finanzgericht und der Klägerin dargestellt, zumal dabei die Markt- und Preisbildungsmacht der oligopolistisch agierenden, Kernkraftwerke betreibenden Energiekonzerne, die rund 80 Prozent der konventionellen Stromerzeugung kontrollierten, gänzlich unberücksichtigt sei.

36

Hinzu komme, dass die preiserhöhende Abwälzung kein konstitutives Merkmal einer Verbrauchsteuer sei. Nach der "Ökosteuerentscheidung" könne sich die Abwälzung auf Endverbraucher auch so gestalten, dass sich das für die Herstellung von Endprodukten eingesetzte Gut samt der auf ihm liegenden Verbrauchsteuerbelastung nur mittelbar im Preis des Endproduktes niederschlage. In der Entscheidung zur Spielgerätesteuer habe das Bundesverfassungsgericht überdies festgestellt, dass die kalkulatorische Abwälzung zumindest so lange gegeben sei, wie das Unternehmen noch Gewinn erziele. Dies sei bei den Betreibergesellschaften von Kernkraftwerken und insbesondere bei der Klägerin der Fall, zumal Letztere ausweislich des Protokolls über die öffentliche Sitzung vor dem Finanzgericht am 29. Januar 2013 erklärt habe, dass die streitgegenständlichen Kernkraftwerke zurzeit wirtschaftlich betrieben würden.

37

cc) Die Kernbrennstoffsteuer sei überdies keine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG. Das Besteuerungsgut, der Kernbrennstoff, sei nicht ortsfest, sondern beweglich. Das Einbringen in den Kernreaktor, um eine Kettenreaktion auszulösen, sei steuertechnisch lediglich tatbestandsauslösend. Eine "örtliche Radizierung" der Steuer sei damit nicht gegeben.

38

Die Kernbrennstoffsteuer sei darüber hinaus keine "anlassbezogene Konzessionsgebühr" oder "parafiskalische Sonderabgabe".

39

dd) Der Umstand, dass die Kernbrennstoffsteuer wegen ihrer gewinnmindernden Wirkung das Landessteuersubstrat mindere, sei kompetenzrechtlich irrelevant. Mittelbare Auswirkungen auf die Landessteuereinnahmen seien angesichts der gegenseitigen Verflechtungen im Einnahmenbereich von Bund und Ländern keine Besonderheit. Art. 105 Abs. 3 GG stelle allein auf die positive finanzverfassungsrechtliche Ertragshoheit ab. Selbst im atypischen, weil finanzverfassungsrechtlich nicht vorgezeichneten Fall der Versteigerungserlöse aus den UMTS-Lizenzen sei eine Beteiligung der Länder an den seinerzeit gewaltigen Summen verneint worden. Dies müsse erst recht im Zusammenhang mit Steuern im Zehnten Abschnitt des Grundgesetzes gelten, stelle dieser mit Art. 106 Abs. 3 und 4 GG doch ein Instrument zur Verfügung, um gegebenenfalls auf Verschiebungen zu reagieren.

40

ee) Schließlich verstoße das Kernbrennstoffsteuergesetz weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen die Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 und 2 GG; es handele sich auch nicht um ein verbotenes Einzelfallgesetz.

41

3. Der VII. Senat des Bundesfinanzhofs hat in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass er sich mit den vom Finanzgericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zur Kernbrennstoffsteuer inhaltlich bislang nicht befasst, sondern lediglich die in diesem Zusammenhang gestellten Anträge auf Aufhebung der Vollziehung der Kernbrennstoffsteuer-Anmeldung abgelehnt habe.

42

Die Frage, ob eine besondere Verbrauchsteuer auch in der Produktion verwendete Waren belasten könne, habe der Bundesfinanzhof bereits 1984 dahin entschieden, dass es keinen Rechtssatz gebe, der das Anknüpfen einer Verbrauchsteuer an einen typischen Rohstoff verbiete. Daher gehöre die ausschließliche Belastung konsumfähiger Güter nicht zu den prägenden Merkmalen einer Verbrauchsteuer. Mit dieser Begründung habe der Bundesfinanzhof die Erhebung einer besonderen Verbrauchsteuer auf nicht genussfähige und in der Kosmetikindustrie verwendete technische Alkohole (insbesondere Propanol und Methanol) für zulässig erachtet.

43

Hinsichtlich der vom Finanzgericht infrage gestellten Abwälzbarkeit der Kernbrennstoffsteuer als unabdingbares Merkmal einer Verbrauchsteuer vertrete der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die bloße Möglichkeit der Abwälzung der Steuer genüge, so dass dem Steuerschuldner nicht in jedem Fall Gewähr geboten werden müsse, dass er die Verbrauchsteuer tatsächlich abwälzen könne. Im Hinblick auf die infolge eines Forderungsausfalls misslungene Abwälzung der Steuerlast im Handel mit versteuertem Mineralöl habe er geurteilt, dass sich die Abwälzung der Steuer außerhalb des steuerrechtlich geregelten Bereichs vollziehe. Sie erfolge in der Form, dass der Gegenwert der beim Übergang in den freien Verkehr erhobenen Steuer kalkulatorisch in den Preis der Ware eingehe und beim Weiterverkauf als Preisbestandteil weitergegeben werde. Damit sei das Risiko der Abwälzung der Steuer als Preisbestandteil aus dem steuerrechtlichen Bereich ausgeschieden und in den Bereich des allgemeinen kaufmännischen Risikos einbezogen worden.

44

In einer weiteren Entscheidung habe der Bundesfinanzhof ausgeführt, die besonderen Verbrauchsteuern seien zwar auf Abwälzung der Steuerlast auf den Verbraucher als den eigentlichen Belastungsträger angelegt; nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung gehöre zum Begriff der Verbrauchsteuer jedoch nicht die rechtliche Gewähr, dass der Steuerschuldner stets den von ihm entrichteten Betrag von der Person ersetzt erhalte, die nach der Konzeption des Gesetzgebers letztlich die Steuer tragen solle. Auch bei einem Misslingen der Abwälzung im Einzelfall wandele sich die Steuer nicht zu einer dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechenden und verfassungsrechtlich zu beanstandenden Unternehmensteuer.

45

4. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat zunächst herausgestellt, dass sich der für die Kernbrennstoffsteuer zuständige Senat bislang nur im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Thematik befasst habe. Aus diesem Grund könne es sich nicht abschließend zum Ausgangsverfahren positionieren. In den beiden im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen habe das Finanzgericht Baden-Württemberg, anders als zuvor die Finanzgerichte Hamburg und München, die Auffassung vertreten, dass die von den Antragstellern vorgetragenen Einwendungen nicht hinreichend gewichtig seien, um ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen zu begründen. Die den Festsetzungen zugrundeliegenden Vorschriften des Kernbrennstoffsteuergesetzes stünden bei summarischer Prüfung sowohl mit den Regelungen des Grundgesetzes als auch mit den Vorgaben des Unionsrechts in Einklang. Insbesondere begegne die Einordnung der Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG keinen durchgreifenden Bedenken; auf der Grundlage der Art. 105 Abs. 2, 106 Abs. 1 Nummer 2 GG habe eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum Erlass des Kernbrennstoffsteuergesetzes bestanden.

46

5. Das Finanzgericht München hat sich in seiner Stellungnahme ausschließlich zum Ablauf der dort anhängigen (Eil-)Verfahren geäußert und den Inhalt der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangenen Beschlüsse skizziert. In diesen Verfahren habe der zuständige 14. Senat des Finanzgerichts München die Vollziehung der ihm zur Entscheidung vorliegenden Steueranmeldungen jeweils aufgehoben. Diesen Entscheidungen lägen ernstliche Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG und damit an der formellen Verfassungsmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes zugrunde. Diese Zweifel stützten sich insbesondere auf die Begründung zum Entwurf eines Kernbrennstoffsteuergesetzes (BTDrucks 17/3054, S. 1 ff.), die das Finanzgericht München dahingehend verstanden habe, dass von Beginn des Gesetzgebungsverfahrens an eine Abwälzung der Kernbrennstoffsteuer - wenn überhaupt - nur in sehr geringem Umfang für möglich gehalten worden sei.

47

6. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

B.

48

Die Vorlage ist zulässig (Art. 100 Abs. 1 GG, § 13 Nr. 11, §§ 80 ff. BVerfGG).

I.

49

Das Finanzgericht hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der angewendeten Normen des Kernbrennstoffsteuergesetzes in einer den Erfordernissen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügenden Weise dargetan.

50

1. Im Hinblick auf den Vorlagegegenstand muss das Gericht den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab benennen und die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 86, 71 <77 f.>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>; 127, 335 <356>; 131, 88 <117 f.>). Es hat sich im Einzelnen mit der Rechtslage auseinanderzusetzen, auf nahe liegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte einzugehen und die in Schrifttum und Rechtsprechung - insbesondere derjenigen des Bundesverfassungsgerichts - entwickelten, für die vorgelegte Frage bedeutsamen Rechtsauffassungen ebenso zu verarbeiten wie die Entstehungsgeschichte der betreffenden Norm (vgl. etwa BVerfGE 65, 308 <316>; 76, 100 <104>; 77, 259 <262>; 125, 175 <220>; 127, 335 <356>; 131, 88 <118>). Dabei hat es die aus seiner rechtlichen Sicht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen und in seinen Vorlagebeschluss aufzunehmen (BVerfGE 77, 308 <328>; 80, 68 <71>; BVerfGK 15, 447 <452 f.>). § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG verpflichtet das vorlegende Gericht jedoch nicht, auf jede denkbare Rechtsauffassung einzugehen (vgl. BVerfGE 141, 1 <11 Rn. 22>).

51

2. Das Finanzgericht hat den für seine rechtliche Beurteilung erforderlichen Sachverhalt mitgeteilt und seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Normen des Kernbrennstoffsteuergesetzes unter Berücksichtigung des atompolitischen Hintergrundes, der Gesetzgebungsgeschichte und Herausarbeitung der in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassungen umfassend und plausibel begründet, wobei es auch abweichende Ansichten - insbesondere die des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 11. Januar 2012 - 11 V 2661/11 -, juris, Rn. 32 ff. und Beschluss vom 11. Januar 2012 - 11 V 4024/11 -, juris, Rn. 31 ff.) - in den Blick genommen hat. Darüber hinaus hat es einen Abgleich der Kernbrennstoffsteuer mit den herkömmlich geregelten Verbrauchsteuern vorgenommen und auf dieser Grundlage unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien zum Finanzverfassungsrecht, der höchstrichterlichen Rechtsprechung und vor allem der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den für ihn maßgeblichen finanzverfassungsrechtlichen Verbrauchsteuerbegriff definiert; in diesem Zusammenhang hat es sich auch mit dem Merkmal der Abwälzbarkeit der Steuer auseinandergesetzt, sein Vorliegen in Bezug auf die Kernbrennstoffsteuer indes verneint.

II.

52

1. Dem Vorlagebeschluss ist ferner mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, weil das Finanzgericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschriften zu einem anderen Ergebnis käme als im Falle ihrer Ungültigkeit (vgl. BVerfGE 7, 171 <173 f.>; 47, 146 <154>; 48, 396 <399 f.>; 90, 145 <170>; 131, 1 <15>; 131, 88 <117>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; 135, 1 <10 f. Rn. 28>). Dabei kommt es für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit einer zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten Norm maßgeblich auf den Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts an, sofern dieser nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BVerfGE 7, 171 <175>; 57, 295 <315>; 105, 61 <67>; 121, 233 <237>; 126, 77 <97>; 129, 186 <203>; 131, 1 <15>; 133, 1 <10 f. Rn. 35>; 135, 1 <10 f. Rn. 28>; 138, 1 <15 Rn. 35>; 141, 1 <11 Rn. 22>) oder es sich um eine verfassungsrechtliche Vorfrage handelt (vgl. BVerfGE 48, 29 <38>; 67, 26 <35>; 69, 150 <159>; 78, 165 <172>; 89, 144 <152>; 131, 1 <15>).

53

Aus den Ausführungen des Finanzgerichts ergibt sich, dass die Entscheidung des Ausgangsverfahrens bei Gültigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes anders ausfiele als bei seiner Ungültigkeit. Das Prozessziel der Klägerin - die Aufhebung der Steueranmeldung - kann nur bei einer Nichtigkeitserklärung des Kernbrennstoffsteuergesetzes, nicht aber über alternative Entscheidungsmöglichkeiten des vorlegenden Gerichts erreicht werden.

54

2. Der Umstand, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz nur auf solche Besteuerungsvorgänge anzuwenden ist, bei denen die sich selbsttragende Kettenreaktion vor dem 1. Januar 2017 ausgelöst wurde (§ 12 KernbrStG), steht der Zulässigkeit der Vorlage nicht entgegen. Es ist für den im Ausgangsverfahren relevanten Zeitraum weiterhin entscheidungserheblich und eine Erledigung des Ausgangsverfahrens nicht eingetreten (vgl. hierzu BVerfGE 47, 46 <64>; 123, 1 <14>).

55

3. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat die Konformität des Kernbrennstoffsteuergesetzes mit dem Unionsrecht bestätigt (EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-5/14 -, juris, Rn. 40 ff.). Ein möglicher Verstoß des Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Unionsrecht steht seiner Entscheidungserheblichkeit im Ausgangsverfahren somit nicht entgegen (vgl. BVerfGE 106, 275 <295>; 110, 141 <155>; 116, 202 <214>; BVerfGK 14, 429 <433>).

C.

56

Das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 (BGBl I S. 1804), zuletzt geändert durch Art. 240 der Zehnten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474), ist mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG unvereinbar und nichtig. Dem Bundesgesetzgeber fehlte die Gesetzgebungskompetenz zu seinem Erlass.

I.

57

1. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung. Sie soll eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft angemessen beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die Ausgaben leisten können, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind (vgl. BVerfGE 32, 333 <338>; 55, 274 <300>; 78, 249 <266 f.>; 93, 319 <342>; 101, 141 <147>; 105, 185 <194>; 108, 1 <15>; 108, 186 <214 f.>).

58

2. a) Die grundgesetzliche Finanzverfassung, wie sie in den Art. 104a ff. GG zum Ausdruck kommt, bildet eine in sich geschlossene Rahmen- und Verfahrensordnung und ist auf Formenklarheit und Formenbindung angelegt. Diese Prinzipien erschöpfen sich nicht in einer lediglich formalen Bedeutung. Sie sind selbst Teil der funktionsgerechten Ordnung eines politisch sensiblen Sachbereichs und verwirklichen damit ein Stück Gemeinwohlgerechtigkeit. Zugleich fördern und entlasten sie den politischen Prozess, indem sie ihm einen festen Rahmen vorgeben. Für Analogieschlüsse, die notwendig zu einer Erweiterung oder Aufweichung dieses Rahmens führen würden, ist in diesem Bereich kein Raum (vgl. BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 105, 185 <193 f.>).

59

b) Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. Weder der Bund noch die Länder können über ihre im Grundgesetz festgelegten Kompetenzen verfügen; einfachgesetzliche Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern wären auch nicht mit Zustimmung der Beteiligten zulässig (vgl. BVerfGE 4, 115 <139>; 32, 145 <156>; 39, 96 <109>; 55, 274 <300 f.>; 105, 185 <194>). Bei der Ertragsverteilung der Steuern handelt es sich gemeinsam mit der Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen um eine zentrale Frage der politischen Machtverteilung in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 55, 274 <301>). Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden in diesem Kontext zu erheblichen Verwerfungen im Bereich der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen.

60

c) Über ihre Ordnungsfunktion hinaus entfaltet die Finanzverfassung eine Schutz- und Begrenzungsfunktion, die es dem einfachen Gesetzgeber untersagt, die ihm gesetzten Grenzen zu überschreiten (vgl. BVerfGE 34, 139 <146>; 55, 274 <302>; 67, 256 <288 ff.>; 93, 319 <342 f.>; 108, 186 <215>; 123, 132 <141>; 124, 348 <364>; 132, 334 <349 Rn. 47 f.>; 137, 1 <17 Rn. 38>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 -, juris, Rn. 62 f.). Diese Schutzwirkung entfaltet die Finanzverfassung auch im Verhältnis zum Bürger, der darauf vertrauen darf, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden (vgl. BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 108, 1 <16>; 108, 186 <215>; 123, 132 <141>; 132, 334 <349 Rn. 48>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvL 2/14 -, juris, Rn. 63).

II.

61

Die Bestimmungen über das Finanzwesen in den Art. 104a ff. GG regeln unter anderem die Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz für das Finanzierungsmittel der Steuer.

62

1. a) Art. 105 GG begründet als spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder für den Bereich der Steuern (BVerfGE 108, 1<13>; 108, 186 <212>; 113, 128 <145>; BVerfGK 15, 168 <173>). Innerhalb seines Anwendungsbereichs geht er den allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG vor (vgl. BVerfGE 3, 407 <434 ff.>; 4, 7 <13>; 67, 256 <275 f.>; 105, 185 <193 f.>).

63

b) Art. 106 GG betrifft die vertikale Steuerertragsaufteilung im Verhältnis des Bundes zur Ländergesamtheit. Er weist die Erträge bestimmter Steuern entweder dem Bund (Art. 106 Abs. 1 GG), den Ländern (Art. 106 Abs. 2 GG) oder Bund und Ländern gemeinschaftlich (Art. 106 Abs. 3 GG) zu (BVerfGE 72, 330<383 f.>). Die finanzverfassungsrechtliche Ertragshoheit und die Gesetzgebungszuständigkeit für Steuern sind mithin jeweils gesondert geregelt und folgen anderen Grundsätzen, als dies für nichtsteuerliche Abgaben im Bereich der allgemeinen Sachgesetzgebungskompetenzen der Art. 70 ff. GG der Fall ist.

64

2. Die einzelnen Steuern und Steuerarten der Art. 105 und Art. 106 GG sind Typusbegriffe (a)). Ihre typusbildenden Unterscheidungsmerkmale sind dem traditionellen deutschen Steuerrecht zu entnehmen (b)). Neue Steuern sind daraufhin abzugleichen, ob sie dem Typus einer herkömmlichen Steuer entsprechen (c)). Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe verfügt der Gesetzgeber über eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (d)).

65

a) Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen, ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; Merkmale, die sich als bloße Einzelfallerscheinungen darstellen, sind bei der Typusbildung auszuscheiden. Es ist zudem nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnende Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Maßgeblich ist das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, juris, Rn. 7 [für einfachgesetzliche Typusbegriffe]; ähnlich Wank, Die juristische Begriffsbildung, 1985, S. 123 ff.; Strahl, Die typisierende Betrachtungsweise im Steuerrecht, 1996, S. 216 ff.; Jacobi, Methodenlehre der Normwirkung, 2008, S. 45; Wernsmann, NVwZ 2011, S. 1367 <1368>).

66

b) Bei den Einzelsteuerbegriffen der Art. 105 und Art. 106 GG kommt es für die Typusbildung auf die Sicht des traditionellen deutschen Steuerrechts an (BVerfGE 7, 244<252>; 14, 76 <91>; 26, 302 <309>; 31, 314 <332>; 110, 274 <296>; 123, 1 <16>; vgl. auch BVerfGE 16, 306 <317>). Es sind diejenigen Merkmale zu ermitteln, die eine Steuer oder Steuerart nach dem herkömmlichen Verständnis typischerweise aufweist und - mit Blick auf die abgrenzende Funktion der Einzelsteuerbegriffe - zu ihrer Unterscheidung von anderen Steuern oder Steuerarten notwendig sind (vgl. zu letzterem Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 22).

67

c) Neue Steuern sind auf ihre Kongruenz mit den aus hergebrachter Sicht typusprägenden Merkmalen der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und Art. 106 GG zu prüfen. Entsprechen sie nicht allen Typusmerkmalen einer Einzelsteuer, sind Bedeutung und Gewicht der einzelnen Merkmale sowie der Grad an Abweichung zu bestimmen und danach in eine Gesamtwertung einzubeziehen; auf dieser Grundlage ist zu entscheiden, ob im Ergebnis eine Übereinstimmung mit dem Typus anzunehmen ist.

68

d) Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden" und bestehende Steuergesetze zu verändern (BVerfGE 31, 8<19>; vgl. auch BVerfGE 27, 375 <383>). Änderungen bestehender Steuergesetze oder die Erschließung neuer Steuerquellen sind unter dem Blickpunkt der Zuständigkeitsverteilung zumindest so lange nicht zu beanstanden, wie sie sich im Rahmen der herkömmlichen Merkmale der jeweiligen Steuern halten (vgl. BVerfG 31, 8 <19>).

III.

69

Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Außerhalb der durch die Finanzverfassung in Art. 104a ff. GG vorgegebenen Kompetenzordnung besteht keine Befugnis von Bund oder Ländern, Steuergesetze zu erlassen.

70

Der Bund hat gemäß Art. 105 Abs. 2 1. Halbsatz GG - über die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die in Art. 105 Abs. 1 GG genannten Zölle und Finanzmonopole hinaus - die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die "übrigen Steuern", wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen.

71

Unter den "übrigen Steuern" sind ausschließlich die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu verstehen. Der einfache Gesetzgeber darf nur solche Steuern einführen, deren Ertrag durch Art. 106 GG dem Bund, den Ländern oder Bund und Ländern gemeinschaftlich zugewiesen wird (vgl. FG München, Beschluss vom 4. Oktober 2011 - 14 V 2155/11 -, juris, Rn. 45, 52; Birk/Förster, DB Beilage Nr. 17 zum Heft 30 1985, S. 1 <10>; Ossenbühl/Di Fabio, StuW 1988, S. 349 <351 f.>; Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 39; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <94 f.>; Jobs, Steuern auf Energie als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999, S. 167; Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 2. Aufl. 1999, § 87 Rn. 32; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Bd. 14, Art. 105 Rn. 66 [2004]; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 206 [2008]; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 106 Rn. 17; Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als "goldene Brücke"?, 2010, S. 11 f.; Martini, ZUR 2012, S. 219 <225 f.>; Waldhoff, ZfZ 2012, S. 57 <59>; Wernsmann, ZfZ 2012, S. 29 <30>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 67; Gärditz, ZfZ 2014, S. 18 <19>; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, S. 137; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 106 Rn. 2; a.A. Brodersen, in: Festschrift für Gerhard Wacke, 1972, S. 103 <113 ff.>; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 290; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 163 ff.; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <599 ff.>; Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 17 ff.; Heun, in: Dreier, GG, 2000, Art. 105 Rn. 33, Art. 106 Rn. 14; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR VI, 3. Aufl. 2008, § 139 Rn. 29 ff.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 34; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <174 f.>). Ein freies Steuererfindungsrecht gewährt ihm Art. 105 Abs. 2 GG nicht, ungeachtet des Umstandes, dass die Norm kein ausdrückliches Verbot der Steuererfindung enthält (vgl. hierzu Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Möckel, Umweltabgaben zur Ökologisierung der Landwirtschaft, 2006, S. 221). Die Entstehungsgeschichte von Art. 105 Abs. 2 GG ist insoweit zwar ambivalent (1.). Für diese Auslegung sprechen jedoch systematische (2.) und teleologische (3.) Erwägungen.

72

1. Die Geschichte des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359), das Grundlage für die heutige Finanzverfassung ist, lässt jedenfalls keinen zwingenden Schluss auf das Bestehen eines allgemeinen Steuererfindungsrechts zu (so aber Meyer, DÖV 1969, S. 261 <262>; Bach, StuW 1995, S. 264 <271>; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <599>; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 30 f.).

73

a) Wesentliches Ziel des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 war es, "ein möglichst dauerhaftes und überschaubar gestaltetes System zu schaffen, das eine Anpassung an den sich ändernden Mittelbedarf der einzelnen Ebenen gewährleistet und so angelegt ist, dass unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern vermieden werden" (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ). Es wurden tiefgreifende Änderungen der Finanzverfassung umgesetzt, die unter anderem die Regelung der Gesetzgebungszuständigkeit durch Art. 105 Abs. 2 GG a.F. (1955) betrafen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 14, 76 <90 f.>; 16, 64 <78 f.>) hatte Art. 105 Abs. 2 GG a.F. (1955) noch eine sehr weitgehende Gesetzgebungskompetenz der Länder entnommen. Art. 105 Abs. 2 GG in seiner neuen Fassung sollte dem Bund nunmehr eine weitgehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz sicherstellen (BTDrucks V/2861, S. 32). Dem Gesetzentwurf ist zu entnehmen, "dass der Bund für alle Steuern, für die er nicht die ausschließliche Gesetzgebung hat, die konkurrierende Gesetzgebung erhält, ´wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen´" (BTDrucks V/2861, S. 32).

74

Soweit der Gesetzentwurf ein Steuererfindungsrecht der Länder erwähnt, in das der Bund - sollte es die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich machen - eintreten könne (vgl. BTDrucks V/2861, S. 32 f. ), deutet dies nur auf den ersten Blick darauf hin, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber von einem finanzverfassungsrechtlich nicht begrenzten Steuererfindungsrecht der Länder ausging, in das der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG eintreten kann (vgl. BTDrucks V/2861, S. 94):

Durch die von der Bundesregierung vorgeschlagene Fassung des Artikels 105 Abs. 2 GG wird das Steuererfindungsrecht der Länder nicht beseitigt. Der Bund kann jedoch, wenn eine von den Ländern erfundene Steuer wegen der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse notwendigerweise bundeseinheitlich geregelt werden muss, das konkurrierende Gesetzgebungsrecht wahrnehmen. […]

75

b) Denn eine solche Blickverengung allein auf die intendierte umfassende Bundeszuständigkeit und einzelne Ausschnitte und Begrifflichkeiten der Gesetzesbegründung gäbe das Gesamtbild nur unvollständig wieder.

76

aa) Es lässt sich bereits nicht feststellen, ob der damalige (verfassungsändernde) Gesetzgeber den Begriff des "Steuererfindungsrechts" überhaupt im Sinne eines über die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten hinausgehenden Steuererfindungsrechts verstanden hat und er nicht lediglich auf die Möglichkeit der Erschließung neuer Steuerquellen und die Änderung bestehender Steuergesetze innerhalb der jeweiligen Typusbegriffe des Art. 106 GG verweisen wollte (vgl. etwa Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]). Eine Definition des "Steuererfindungsrechts" oder sonstige Hinweise, was mit dem Begriff im Einzelnen gemeint sein sollte, enthält die Gesetzesbegründung jedenfalls nicht. Auch in späteren Jahren ist im (einfachen) Gesetzgebungsverfahren der Begriff des "Steuererfindungsrechts" typusbezogen verwendet worden, so etwa im Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf des Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 (vgl. BTDrucks 9/167, S. 6; ähnliche Begriffsverwendung in der Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwGE 143, 301 <309 f. Rn. 25>).

77

bb) Zweifel daran, dass ein Steuererfindungsrecht außerhalb des Systems der Ertragsverteilung in Art. 106 GG gemeint war, ergeben sich weiter daraus, dass der Gesetzgeber für das Finanzverfassungsgesetz vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) der Auffassung war, die verfassungspolitische Bedeutung, die das Grundgesetz der Verteilung der bundesstaatlichen Steuerertragshoheit beimesse, lasse es nicht zu, "die Zuteilung der Einnahmen aus künftigen Steuern der einfachen Bundesgesetzgebung zu überlassen" (vgl. BTDrucks II/480, S. 40 ; vgl. unten Rn. 84). In diesem Zusammenhang war mit Art. 106d GG eine - später im Vermittlungsausschuss nicht weiterverfolgte - Regelung für noch unverteilte künftige Steuern erwogen worden (vgl. BTDrucks II/480, S. 110 und S. 229; ähnlich auch der Schriftliche Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen des Bundestages, BTDrucks II/960, S. 3). Bei der Annahme eines Steuererfindungsrechts hinsichtlich unverteilter Steuern wäre auf dieser Grundlage eine verfassungsrechtliche Zuweisung nicht nur naheliegend, sondern zwingend erforderlich gewesen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung enthält die Gesetzesbegründung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) indes nicht.

78

cc) Ohne eine solche verfassungsrechtliche Zuweisung widerspräche (vgl. Breuer, DVBl 1992, S. 485 <490>; Hidien, in: Bonner Kommentar, GG, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]) ein über die in Art. 106 GG genannten Steuern hinausgehendes Steuererfindungsrecht von Bund und Ländern überdies den in der Begründung ausdrücklich wiedergegebenen Zielen des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359), ein dauerhaftes und überschaubar gestaltetes Steuerverteilungssystem zu schaffen, das entsprechend der finanziellen Bedeutung der Aufgaben und unter Vermeidung von Verteilungskonflikten das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhält (vgl. BTDrucks V/2861, S. 11 f. und S. 33 ).

79

Die Gesetzesmaterialien beinhalten keine Auflösung dieses "Norm- und Zielkonflikt[es]" (Hidien, in: Bonner Kommentar, Bd. 15, Art. 106 Rn. 1363 [November 2002]) zwischen einer angestrebten umfassenden steuerlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes unter den Voraussetzungen des Art. 105 Abs. 2 2. Halbsatz GG und der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung. In der Stellungnahme des Bundesrates (vgl. BTDrucks V/2861, S. 85 ff.) findet sich zwar noch Widerspruch gegen den neugefassten Art. 105 Abs. 2 GG, da "die Gesetzgebungsbefugnis der Länder auf dem Gebiet des Steuerrechts im Ergebnis beseitigt" (BTDrucks V/2861, S. 87) werde. Der Rechtsausschuss des Bundestages hat diese Bedenken jedoch - erneut ohne Problematisierung des aufgezeigten Konflikts - nicht aufgegriffen (BTDrucks V/3605, S. 8). In der Darlegung der Gründe für die Einberufung des Vermittlungsausschusses durch den Bundesrat (BTDrucks V/3826, S. 4 f.) finden sich weitere Bedenken gegen die Neufassung des Art. 105 Abs. 2 GG jedenfalls nicht mehr. Dementsprechend wurde Art. 105 Abs. 2 GG in der Fassung des Regierungsentwurfs unverändert in den Beschluss des Vermittlungsausschusses übernommen (BTDrucks V/3896, S. 4 [Anlage 1]). Angesichts dessen kann allein aus der Erwähnung eines "Steuererfindungsrechts" (BTDrucks V/2861, S. 33 und S. 94) für die Länder, das der Bund unter den Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG für sich in Anspruch nehmen könne, nicht der Schluss gezogen werden, der verfassungsändernde Gesetzgeber sei von einem allgemeinen, über den finanzverfassungsrechtlichen Katalog der Steuertypen hinausgehenden Steuererfindungsrecht ausgegangen.

80

2. Systematische Gründe sprechen gegen ein solches Steuererfindungsrecht. Die Ertragshoheit für solche Steuern bliebe offen. Sie ist Art. 105 f. GG nicht zu entnehmen (a) und lässt sich auch nicht aus Art. 30 GG (b) herleiten.

81

a) Die Art. 105 f. GG schweigen über die Ertragshoheit für nicht in Art. 106 GG aufgeführte Steuerarten.

82

aa) Die Lösung kann nicht darin liegen, nach Art einer "Näherungsmethodik" den "frei schwebenden" Ertrag derjenigen Steuer oder Steuerart im Sinne des Art. 106 GG zuzuordnen, der die erfundene Steuer am ähnlichsten ist (vgl. Fischer-Menshausen, DÖV 1956, S. 161 <164>). Diese Methode versagt immer dann, wenn sich eine "ähnliche" Steuer nicht finden lässt, weil sie im Katalog des Art. 106 GG nicht aufgeführt ist (so auch Fischer-Menshausen, DÖV 1956, S. 161<164>), und führt letztlich zu einer unzulässigen Entgrenzung der Typusbegriffe.

83

bb) Eine Ertragshoheit als Annex zur Gesetzgebungszuständigkeit aus Art. 105 Abs. 2 GG kommt ebenfalls nicht in Betracht (a.A. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Söhn, in: Festschrift für Klaus Stern, 1997, S. 587 <600 f.>). Sie verbietet sich bereits deshalb, weil im Bereich der steuerlichen Finanzverfassung - anders als im Bereich der nichtsteuerlichen Abgaben - die Ertragshoheit gerade nicht generell der Gesetzgebungskompetenz folgt (Rn. 63).

84

cc) Es kann deshalb auch nicht Aufgabe des einfachen Gesetzgebers sein, den Steuerertrag zu verteilen; Art. 105 f. GG stellt die Ertragsverteilung nicht zur Disposition des Bundesgesetzgebers (Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 2. Aufl. 1999, § 87 Rn. 32; Waldhoff/von Aswege, Kernenergie als "goldene Brücke"?, 2010, S. 11). Er ist vielmehr auf die Einführung solcher Steuern beschränkt, die unter den Katalog des Art. 106 GG subsumierbar sind (Starck, StuW 1974, S. 271<276>). Er ist nur insoweit frei in der Neugestaltung des Steuersystems, als die Ertragshoheit, wie sie in der Verfassung vorgesehen ist, durch eine Erhebung von Steuern nicht verändert oder unterlaufen wird (vgl. Ossenbühl/Di Fabio, StuW 1988, S. 349 <351 f.>).

85

Andernfalls müsste jedenfalls sichergestellt sein, dass bei der Zuweisung des Ertrags einer neu erfundenen Steuer die Interessen der Länder gewahrt bleiben. Art. 105 f. GG sehen jedoch das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 105 Abs. 3 GG, das heißt gerade in den Fällen, in denen der Ertrag ausschließlich dem Bund zufließen soll, nicht vor (a.A. Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 105 Rn. 27; ähnlich: Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 44). Dass es sich dabei um ein redaktionelles Versehen des Verfassungsgebers handelte, ist nicht ersichtlich. Die Beschränkung von Art. 105 Abs. 3 GG spricht vielmehr dafür, dass eine Zuweisung des Steuerertrags durch den einfachen Gesetzgeber in der Finanzverfassung nicht vorgesehen ist.

86

dd) Es bliebe deshalb nur der Weg einer Ergänzung des Art. 106 GG im Wege des verfassungsändernden Gesetzes (Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 106 Rn. 20 [1978]; vgl. auch Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 34; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 206 [2008]; Seer, DStR 2012, S. 325 <330>), um die Ertragshoheit für "frei schwebende Steuererträge" (vgl. etwa: Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, S. 137) einer (nachträglichen) Regelung zuzuführen. Dieser Verfassungsvorbehalt ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der einfache Gesetzgeber bei allen Besteuerungsentscheidungen ohnehin darauf achten muss, dass das grundgesetzlich angelegte Verteilungssystem keinen Schaden nimmt (vgl. Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben und lenkende Steuern unter dem Grundgesetz, 1999, S. 17). Denn es steht dem einfachen Gesetzgeber von vornherein nicht zu, den Katalog des Art. 105 und Art. 106 GG (mittelbar) zu erweitern, indem er den verfassungsändernden Gesetzgeber in die Situation bringt, im Anschluss an die einfachgesetzliche Einführung einer neuen Steuer die Verfassungslage entsprechend anpassen und die Ertragshoheit im Nachgang regeln zu müssen. Es bestünde überdies keine Pflicht des verfassungsändernden Gesetzgebers, auf die einfachgesetzliche Einführung solcher Steuern entsprechend zu reagieren (so aber Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 3, 1993, S. 1095; derselbe, BB 1994, S. 437 <442>), so dass nicht gewährleistet wäre, dass der "frei schwebende" Ertrag aus neuen Steuern dem Bund oder den Ländern im Nachhinein tatsächlich zugewiesen würde.

87

b) Eine generelle Ertragshoheit der Länder für eine vom Bund erfundene Steuer aus Art. 30 GG herzuleiten, ist aus systematischen Erwägungen ebenfalls ausgeschlossen (so auch Stern, in: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1119; Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 34 f.; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]; Waldhoff, VVDStRL, Bd. 66, 2006, S. 216 <243>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 65 f.; Seiler in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 123 [2015]; a.A.: Wieland, Die Konzessionsabgaben, 1991, S. 291 f.; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 164 f.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 33).

88

aa) Art. 106 GG bestimmt für die dort aufgeführten Steuerarten nicht nur die Ertragshoheit des Bundes, sondern auch Ertragshoheiten der Länder und Gemeinden (vgl. Art. 106 Abs. 2, 3, 5, 5a, 6 GG). Diese Regelungen wären nicht erklärbar - sondern offenkundig überflüssig -, stünde den Ländern über Art. 30 GG der Ertrag sämtlicher Steuern ohnehin zu. Es hätte genügt, in Art. 106 GG - als Ausnahmefall von der generellen Länderertragshoheit - die Ertragshoheit des Bundes zu definieren (vgl. Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]). Der ausdrücklichen Aufzählung der Länder- und Gemeindeerträge in Art. 106 GG kann deshalb nur die Bedeutung zukommen, die Anwendung des Art. 30 GG im Bereich der Ertragshoheit insgesamt auszuschließen (Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 66 [Juli 2004]).

89

bb) Eine auf Basis des Art. 30 GG zugeordnete Steuer würde überdies in Konkurrenz zu den in den Art. 105 und 106 GG geregelten Steuern und deren Ertragsverteilung treten, ohne dass verlässliche Kriterien für eine Abgrenzung erkennbar wären. In Betracht käme allein eine (entsprechende) Anwendung des Gleichartigkeitsverbots aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG) und des Art. 105 Abs. 2a GG. Umfang und Voraussetzungen des Gleichartigkeitsverbots sind allerdings sowohl im Rahmen des Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG als auch im Rahmen der - teilweise - eigenständigen Begriffsbestimmung in Art. 105 Abs. 2a GG umstritten. Das Gleichartigkeitsverbot ist zudem auf bereits existente Steuergesetze zugeschnitten. So nimmt Art. 72 Abs. 1 GG darauf Bezug, dass von einer Gesetzgebungszuständigkeit bereits Gebrauch gemacht worden ist, und Art. 105 Abs. 2a GG auf die Gleichartigkeit mit "geregelten" Steuern. Im vorliegenden Zusammenhang wäre aber - letztlich konturenlos - nicht nur zu geregelten, sondern auch zu innerhalb der jeweiligen Steuerarten lediglich regelbaren (aber noch nicht gesetzlich geregelten) Steuern abzugrenzen.

90

c) Schließlich sprechen auch teleologische Gesichtspunkte gegen ein allgemeines Steuererfindungsrecht des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 GG.

91

aa) Dem geschlossenen System der Art. 105 f. GG zur Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommt eine zentrale Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 55, 274 <301 f.>; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <96>). Jede Unsicherheit bei der Zuordnung von Erträgen kann zu erheblichen Verwerfungen innerhalb der Finanzverfassung führen, ihrer Befriedungsfunktion (Rn. 58 f.) widersprechen und ihr Ziel, "unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern" zu vermeiden, verfehlen (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ; oben Rn. 73). So wäre etwa jede "neue" Steuer, die an eine bestimmte betriebliche Tätigkeit anknüpft (Stapperfend, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4 EStG Rn. 980 [Juni 2016]), grundsätzlich geeignet, das Aufkommen anderer in der Finanzverfassung ausdrücklich vorgesehener Steuern zu schmälern, indem sie etwa bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden kann. Insoweit bestünde die Gefahr einer Verschiebung des Steueraufkommens von den gemäß Art. 106 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 107 Abs. 1 GG Bund und Ländern gemeinsam zustehenden Steuern (sog. Gemeinschaftsteuern) hin zu Bund oder Ländern ausschließlich zustehenden Steuern (vgl. zu diesem Effekt etwa BRDrucks 687/1/10, S. 1 ff. und BRDrucks 687/2/10, S. 1 f.).

92

Eine Korrektur eventuell eintretender Ungleichgewichte durch eine Anpassung der jeweiligen Anteile am Umsatzsteueraufkommen gemäß Art. 106 Abs. 4 GG wäre keine angemessene Lösung (vgl. Köck, JZ 1991, S. 692 <696>). Statt auf einen verfassungsrechtlich gesicherten Finanzrahmen vertrauen zu können, würden Bund und Länder durch den Verweis auf eine Neuverhandlung des Umsatzsteueranteils von gegenseitigem Wohlwollen sowie den weiten und weniger verlässlichen Vorgaben des Art. 106 Abs. 4 GG abhängig (vgl. Köck, JZ 1991, S. 692 <696>).

93

bb) Die Geschlossenheit und Ordnungsfunktion der Finanzverfassung sichert zudem das Vertrauen der Bürger darauf, nur in dem durch die Finanzverfassung vorgegebenen Rahmen belastet zu werden (vgl. Rn. 60). Art. 105 und Art. 106 GG kommt insoweit eine eigenständige individualschützende Funktion zu (Gärditz, ZfZ 2014, S. 18<19>). Der Schutz der Bürger vor einer unübersehbaren Vielzahl von Steuern ist ein originärer und eigenständiger Zweck der Kompetenznormen der Finanzverfassung, mit dem die Annahme eines Steuererfindungsrechts nicht in Einklang zu bringen wäre. Es könnten beliebig "neue" Steuern und Steuerarten eingeführt werden. Die steuerliche Art des Zugriffs auf die Ressourcen des Bürgers wäre damit weitgehend unbeschränkt; insbesondere die in der Finanzverfassung ausdrücklich genannten Steuern und Steuerarten würden ihrer begrenzenden Funktion (Rn. 60) entkleidet.

94

cc) Eines allgemeinen Steuererfindungsrechts des Bundes bedarf es auch nicht, damit er über ein Instrumentarium verfügt, um ein Steuererfindungsrecht der Länder entsprechend einzuhegen, weil bereits ein solches allgemeines Steuererfindungsrecht der Länder nicht gegeben ist (vgl. Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 38 f.; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 <490>; Höfling, StuW 1992, S. 242 <244>; Vogel, in: Festschrift für Klaus Tipke, 1995, S. 93 <96>; Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, GG, Art. 105 Rn. 243 [2008]; Kyrill-A. Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 106 Rn. 17; Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 46; Wernsmann, ZfZ 2012, S. 29 <30 [Fn. 10]>; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 4; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, § 4 Rn. 37; Siekmann, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 50; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 106 Rn. 2).

95

(1) Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage des Bestehens eines Steuererfindungsrechts der Länder bislang offen gelassen (vgl. BVerfGE 98, 83 <101>; insoweit ist der gelegentlich anzutreffende Verweis auf BVerfGE 49, 343 <354 f.> überholt), zumal die Gesetzgebungsgeschichte hier keine eindeutigen Hinweise enthält (vgl. Rn. 72). Auch bei durch die Länder erfundenen Steuern steht die Ertragsverteilung im Mittelpunkt.

96

(2) Eine generelle Ertragshoheit der Länder für durch sie erlassene Steuergesetze wird durch den Verfassungstext ausdrücklich widerlegt. Art. 105 Abs. 2 GG gibt dem Bund im Bereich der "übrigen Steuern" die konkurrierende Gesetzgebung, soweit ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht (1. Alternative) oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sind (2. Alternative). Art. 72 Abs. 1 GG wiederum definiert die Länderzuständigkeiten im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung. Danach sind die Länder regelungsbefugt, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat. Somit folgt bereits aus dem Wortlaut, dass die Länder bei der Ausübung ihrer durch Art. 105 und 106 GG vorgesehenen Zuständigkeiten auch im Bereich derjenigen Steuern gesetzgebungsbefugt sind, für die dem Bund der Ertrag nach Art. 106 GG zusteht, solange und soweit der Bund seine Gesetzgebungszuständigkeit nicht ausgeübt hat. Es können also auch Ländergesetze zu einem Bundesertrag führen. Aus der Gesetzgebungskompetenz der Länder folgt daher nicht in jedem Fall auch ihre Ertragshoheit (vgl. Stern, in: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, S. 1114; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 167 ff.; Hidien, in: Bonner Kommentar, Art. 106 Rn. 1369 [November 2002]; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 77 [Juli 2004]; Heintzen, in: v. Münch/Kunig, GG, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 48; Siekmann, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 20). Soweit gegen ein solches Ergebnis Bedenken erhoben werden, wird zumeist bereits ein Ausschluss der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder erwogen, nicht jedoch eine Ertragszuweisung an diese (vgl. etwa Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar, Art. 105 Rn. 77 [Juli 2004]; a.A. Heun, in: Dreier, GG, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 34).

97

(3) Die Begrenzungs- und Schutzfunktion der Finanzverfassung entfaltet ihre Wirkung auch in Bezug auf landesrechtliche Regelungen (vgl. BVerfGE 92, 91 <115 f.>). Ziel einer ausgewogenen Finanzverfassung ist es, einen unkontrollierten Steuerwettbewerb zwischen den Ländern zu verhindern, den die Einräumung eines Steuererfindungsrechts befördern würde. Gerade finanzschwache Länder könnten dadurch noch weiter ins Hintertreffen geraten. Zudem ließe sich ein Steuererfindungsrecht der Länder auch durch die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes gemäß Art. 105 Abs. 2 2. Halbsatz 2. Alternative in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG nicht begrenzen.

98

dd) Die durch die Befürworter eines über die in Art. 105 und Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten hinausgehenden Steuererfindungsrechts behauptete Gefahr einer "Versteinerung" der Finanzverfassung und ihres Regelungsgefüges (Bach, StuW 1995, S. 264<271>; Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 162 ff.; van Heek, in: van Heek/Lehmann, Die Kernbrennstoffsteuer als "Verbrauchsteuer"?, 2012, S. 31 f.) besteht nicht (vgl. etwa: Müller-Franken, in: Berliner Kommentar, Art. 105 Rn. 207 [2008]; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <311 f.>). Dem Gesetzgeber verbleibt im Rahmen der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Steuern und Steuerarten eine sehr weitreichende Gestaltungsfreiheit (vgl. Rn. 68), von der er in der Vergangenheit häufiger Gebrauch gemacht hat. Dies lässt sich beispielhaft für die Verbrauchsteuer aufzeigen: Innerhalb ihres Typus wurden Salz, Tabak, verschiedene Alkoholika, Essig, Zucker, Leuchtmittel, Spielkarten, Zündwaren, verschiedene Energieerzeugnisse, Mineralwasser, Süßstoffe, Fette, Kaffee und Tee zum Gegenstand der Besteuerung gemacht. Folgerichtig hat die Frage, ob auch außerhalb der in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten ein Steuererfindungsrecht besteht, bislang in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts keine hervorgehobene Rolle gespielt.

IV.

99

Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne (1.). Sie entspricht aber nicht dem Typus einer Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG (2.).

100

1. a) Steuern sind öffentliche Abgaben, die als Gemeinlast ohne individuelle Gegenleistung ("voraussetzungslos") zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens erhoben werden (vgl. BVerfGE 49, 343 <353>; 110, 274 <294>; 124, 235 <243>; 124, 348 <364>; 137, 1 <17 Rn. 41>).

101

aa) Sie unterscheiden sich einerseits von den Vorzugslasten, namentlich von Gebühren und Beiträgen, die als Gegenleistung für staatliche Leistungen erbracht werden (vgl. BVerfGE 9, 291 <298>; 137, 1 <18 Rn. 43>). Gebühren und Beiträge werden erhoben, um einen Aufwand der öffentlichen Hand weiterzugeben oder um die Vorteile desjenigen, dem eine öffentliche Leistung gewährt wird, ganz oder teilweise abzuschöpfen (BVerfGE 93, 319 <343 ff.>). Dabei ist der Begriff der öffentlichen Leistung weit zu verstehen. Eine öffentliche Leistung liegt etwa bereits dann vor, wenn Einzelnen die Nutzung eines der Bewirtschaftung unterliegenden Gutes der Allgemeinheit eröffnet wird, weil hierdurch ein Sondervorteil gegenüber all denen vermittelt wird, die das betreffende Gut nicht oder nicht in gleichem Umfang nutzen dürfen (vgl. BVerfGE 93, 319 <345 f.>).

102

bb) Andererseits sind die Steuern von den Sonderabgaben abzugrenzen, denen ebenfalls keine unmittelbare Gegenleistung gegenüber steht. Die Sonderabgabe unterscheidet sich von der Steuer dadurch, dass sie die Abgabenschuldner über die gemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten ist (BVerfGE 101, 141 <148>). Sonderabgaben sind vor diesem Hintergrund doppelt rechtfertigungsbedürftig, weil sie in Konkurrenz zur Steuer stehen und ihr Aufkommen nicht in den allgemeinen Haushalt fließt, sondern der Finanzierung besonderer Aufgaben dient (vgl. statt vieler Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG,14. Aufl. 2016, Art. 105 Rn. 9 m.w.N.).

103

cc) Für die Qualifizierung einer Abgabe als Steuer oder nichtsteuerliche Abgabe ist die Ausgestaltung des betreffenden Gesetzes (vgl. BVerfGE 7, 244 <256>; 49, 343 <352 f.>; 92, 91 <114>; 137, 1 <17 Rn. 40>) maßgeblich. Die Einordnung der Abgabe richtet sich nicht nach ihrer gesetzlichen Bezeichnung, sondern nach ihrem tatbestandlich bestimmten, materiellen Gehalt (BVerfGE 108, 1 <13>; 108, 186 <212>; 110, 370 <384>; 113, 128 <145 f.>; 122, 316 <333>; 124, 348 <364>; 137, 1 <17 Rn. 40>). Einer Qualifikation als "Steuer" steht insbesondere nicht entgegen, dass das Gesetz nur einen eng begrenzten Kreis von Steuerpflichtigen betrifft (vgl. BFH, Urteil vom 8. März 1995 - II R 57/93 -, juris, Rn. 34).

104

b) Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer eine Steuer im finanzverfassungsrechtlichen Sinne, denn sie ist ohne individuelle Gegenleistung zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs erhoben worden.

105

aa) Die Kernbrennstoffsteuer ist keine Sonderabgabe. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte das Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer ohne Zweckbindung in den allgemeinen Haushalt fließen (BTDrucks 17/3054, S. 5) und dort zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5). In diesem Zusammenhang wurde berücksichtigt, dass der Haushalt auch durch die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II belastet sei, die alleine der Bund zu tragen habe (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5).

106

bb) Die Kernbrennstoffsteuer erfüllt auch nicht die Voraussetzungen einer Vorzugslast. Sie ist insbesondere nicht ausschließlich als ökonomische Kompensation für den von den Betreibern der Kernkraftwerke aus der Laufzeitverlängerung gezogenen Sondervorteil im Sinne einer "anlassbezogenen Konzessionsgebühr" aufzufassen.

107

(1) Eine derartige Verknüpfung mag der gesetzgeberische Hintergrund des Kernbrennstoffsteuergesetzes allerdings zunächst nahelegen. So sprach der Koalitionsvertrag (Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, 17. Legislaturperiode, S. 29, abrufbar unter http://www.bmi.bund.de) in diesem Kontext von einem "Vorteilsausgleich". Zudem bestand in der Debatte über die Anträge einiger Abgeordneter zur Einführung einer "Brennelementesteuer" ein fraktionsübergreifender Konsens (vgl. PlenProt 17/55, S. 5602 [B] f., S. 5605 [B] f., S. 5607 [A], S. 5614 [B] f., S. 5616 [D], S. 5619 [B] f., S. 5620 [B]), dass Gewinne der Kernkraftwerkbetreiber besteuert werden sollten, die teilweise auf die Strompreissteigerungen aufgrund der Belastungen für CO2-emittierende Stromerzeuger, teilweise auf die Laufzeitverlängerung und teilweise auf Subventionen zurückgeführt wurden. Insbesondere der mit "Brennelementesteuer - Windfall Profits der Atomwirtschaft abschöpfen" überschriebene SPD-Antrag machte in seiner Begründung deutlich, dass Bemessungsgrundlage einer solchen "Brennelementesteuer" einerseits die Kosten des Bundes für die Stilllegung und den Rückbau kerntechnischer Anlagen einschließlich der Endlagerung radioaktiver Abfälle und andererseits die Mitnahmegewinne der Anlagenbetreiber infolge der Strompreiserhöhungen nach Einführung des CO2-Emissionshandels sein sollten (vgl. BTDrucks 17/2410, S. 1 und S. 3).

108

(2) In der weiteren Entstehungsgeschichte des Kernbrennstoffsteuergesetzes findet sich der Gedanke einer Gewinnabschöpfung indes nicht wieder. In der Begründung des Referentenentwurfs zur Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzes erfolgte zwar noch ein Hinweis auf die Steigerung von Gewinnmargen der Kernkraftwerkbetreiber aufgrund des CO2-Emissionshandels (vgl. Referentenentwurf vom 3. August 2010, Anlage 5 des Schriftsatzes der Bundesregierung vom 13. Februar 2015, S. 8). Dieser Passus ist in dem nachfolgenden Gesetzentwurf jedoch nicht mehr enthalten. Dort heißt es - wie zuvor auch im Referentenentwurf - lediglich, die Bundesregierung werde über alle Fragen einer zukünftigen Energieversorgung und damit auch über längere Laufzeiten der Kernkraftwerke im Rahmen der Erarbeitung eines zukünftigen Energiekonzepts entscheiden und dabei im Hinblick auf alle den Betrieb von Kernkraftwerken betreffenden Maßnahmen eine Gesamtbetrachtung durchführen sowie die Höhe der Steuer im Kontext aller Maßnahmen überprüfen (vgl. Schriftsatz der Bundesregierung vom 13. Februar 2015, S. 28 i.V.m. Anlage 6, S. 8).

109

(3) Das spricht gegen eine Koppelung der Kernbrennstoffsteuer an die durch die Laufzeitverlängerung beziehungsweise aufgrund der durch den CO2-Emissionshandel generierten (Mitnahme-)Gewinne. Statt dessen ist das Kernbrennstoffsteuergesetz als fiskalisches Instrument zur Haushaltssanierung zu begreifen, während die Mehreinnahmen aus der Abschöpfung von Zusatzgewinnen aus der Laufzeitverlängerung sowie ab dem Jahre 2013 die Mehreinnahmen aus der Versteigerung der Emissionszertifikate als Grundlage für die Finanzierung des Energie- und Klimafonds nach Maßgabe eines zuvor zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Kernkraftwerkbetreibergesellschaften geschlossenen Förderfondsvertrags dienen sollten (vgl. die Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" [EKFG], BTDrucks 17/3053, S. 1; ferner BTDrucks 17/3405, S. 1). Somit war das energiebezogene Finanzkonzept der Bundesregierung sowohl auf Haushaltskonsolidierung durch das Kernbrennstoffsteuergesetz als auch auf "Sondergewinnabschöpfung" durch den Energie- und Klimafonds angelegt.

110

(4) Die vertragliche Regelung in § 2 Abs. 2 des Förderfondsvertrags steht diesem Nebeneinander von Kernbrennstoffsteuer einerseits und Energie- und Klimafonds andererseits nicht entgegen. Danach sollte sich zwar die Vorausleistung auf den Förderbeitrag jährlich um denjenigen Betrag mindern, der das jährliche Aufkommen der Kernbrennstoffsteuer oder einer ähnlichen Steuer von 2,3 Milliarden Euro überstiegen hat. Entsprechendes gilt für die gesetzliche Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EKFG in der Fassung vom 8. Dezember 2010, der zufolge das Sondervermögen unter anderem aus dem das jährliche Aufkommen von 2,3 Milliarden Euro der Kernbrennstoffsteuer übersteigenden Betrag finanziert werden sollte. Abgesehen davon, dass ein Steueraufkommen von 2,3 Milliarden Euro ohnehin zu keinem Zeitpunkt überschritten wurde, hob der Gesetzgeber im Hinblick darauf, dass aufgrund des von der Bundesregierung beschlossenen beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie weitere Zahlungen aus dem Förderfondsvertrag an den Energie- und Klimafonds nicht zu erwarten waren, die auf das Kernbrennstoffsteuergesetz rekurrierenden Vorschriften des EKFG bereits ein halbes Jahr nach dessen Inkrafttreten wieder auf (vgl. Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" - EKFG-ÄndG vom 29. Juli 2011, BGBl I S. 1702; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds", BTDrucks 17/6075 und der Bundesregierung, BTDrucks 17/6252 , sowie die diesbezügliche Beschlussempfehlung und den Bericht des Haushaltsausschusses, BTDrucks 17/6356). Somit ist es über den Energie- und Klimafonds zu keiner relevanten Koppelung zwischen Laufzeitverlängerung und Kernbrennstoffsteuer gekommen.

111

2. Die Kernbrennstoffsteuer entspricht nicht dem Typus der Verbrauchsteuer gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG.

112

Der Begriff der Verbrauchsteuer wird im Grundgesetz nicht definiert (a)). Er ist als Typusbegriff weit zu verstehen (b)). Die Verbrauchsteuern sind von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen (c)). Bei der Verbrauchsteuer handelt es sich im Regelfall um eine indirekte Steuer, die beim Hersteller erhoben wird und auf eine Abwälzung auf den (End-)Verbraucher angelegt ist (d)). Der Typusbegriff der Verbrauchsteuer erfordert zudem den Verbrauch eines Gutes des ständigen Bedarfs (e)). Ferner knüpfen Verbrauchsteuern regelmäßig an den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr an (f)). Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer keine Verbrauchsteuer (g)).

113

a) Das Grundgesetz enthält, ebenso wie die Reichsverfassungen von 1871 und 1919, aus denen der Typus der Verbrauchsteuer lediglich übernommen wurde, keine Definition der Verbrauchsteuer. Die Materialien des Parlamentarischen Rates von 1948/1949 geben gleichfalls keinen näheren Aufschluss darüber, was der Verfassungsgeber unter einer Verbrauchsteuer verstanden hat. Anhaltspunkte dafür gibt erstmals die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817). Dort findet sich folgende Begriffsbestimmung für die Verbrauchsteuer (BTDrucks II/480, S. 107 f. ), die in der späteren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen wurde (vgl. BVerfGE 98, 106 <123 f.>):

Die Kriterien dieses von der Gesetzgebung als gegeben vorausgesetzten Begriffs müssen den Merkmalen der Steuer[n] entnommen werden, die seit jeher unter diesen Begriff subsumiert worden sind. Verbrauchsteuern sind danach Steuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten und die auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs (z. B. Übergang in den Wirtschaftsverkehr) von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht; die Steuer wird wirtschaftlich regelmäßig nicht vom Steuerschuldner, sondern im Wege der Überwälzung vom Endverbraucher getragen.

Die Entscheidung, ob eine bestimmte Steuer den Verbrauchsteuern zuzurechnen ist, bleibt eine Frage der Auslegung. Unter Art. 106a Nr. 2 fallen folgende Verbrauchsteuern:

Tabaksteuer Kaffeesteuer Teesteuer Zuckersteuer Salzsteuer Branntweinsteuer Mineralölsteuer Kohlenabgabe Schaumweinsteuer Essigsäuresteuer Zündwarensteuer Leuchtmittelsteuer Spielkartensteuer Süßstoffsteuer

114

b) Die Typusbegriffe der Art. 105 und 106 GG - und damit auch der Typus der Verbrauchsteuer - sind weit zu interpretieren. Die restriktive Auslegung des Katalogs des Art. 106 GG und seiner Typusbegriffe birgt vor dem Hintergrund der Verneinung eines allgemeinen Steuererfindungsrechts die Gefahr einer Erstarrung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und ist deshalb mit einer hinreichend flexiblen Finanzverfassung nicht vereinbar (so bereits Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 38 f.; Hartmann, DStZ 2012, S. 205 <206>; Waldhoff, ZfZ 2012, S. 57 <58 ff.>).

115

c) Der Begriff der Verbrauchsteuer im Sinne des traditionellen deutschen Steuerrechts umfasst zwar nicht nur Steuern auf Güter des "letzten" Verbrauchs, das heißt die Belastung des Verbrauchs im privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich (BVerfGE 110, 274 <296>).

116

Die Verbrauchsteuern sind aber von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung durch den Erwerb von Waren, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Die Trennlinie ist demnach bei der Anknüpfung an den Gewinn der Unternehmer einerseits und der Einkommensverwendung der Endverbraucher andererseits zu ziehen (Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 7 Rn. 22): Eine Steuer, die gezielt auf den unternehmerischen Gewinn oder einen typisierend vermuteten unternehmerischen Gewinn zugreift anstatt auf die Einkommensverwendung, ist nicht als Verbrauchsteuer, sondern als Unternehmensteuer einzuordnen (vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 47).

117

aa) Diese Unterscheidung zwischen (privater) Einkommensverwendung und unternehmerischer Einkommenserzielung ist für das finanzverfassungsrechtliche "Verteilungsgefüge" (Martini, ZUR 2012, S. 219 <225>) von grundsätzlicher Bedeutung. Art. 106 GG verteilt unter anderem das Aufkommen der Verbrauchsteuern (Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG), das ausschließlich dem Bund zugewiesen ist, während das Aufkommen bestimmter Steuern auf die Einkommen- beziehungsweise Gewinnerzielung Bund und Ländern gemeinsam zusteht (vgl. Art. 106 Abs. 3 S. 1 GG).

118

bb) Die Verbrauchsteuern stehen in Parallele zu den Aufwandsteuern (FG Hamburg, Beschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 255; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <135>; Englisch, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 190 Rn. 10; vgl. auch Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, 1955, S. 26), die ebenfalls auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abstellen; in der Absicht der Besteuerung privater Einkommensverwendung liegt das wesentliche Merkmal der Aufwandsteuern (BVerfGE 16, 64 <74>; 49, 343 <354>; 123, 1 <15>). Für die Aufwandsteuer hat das Bundesverfassungsgericht bereits klargestellt, dass das Merkmal der "Einkommensverwendung" in erster Linie zur Abgrenzung von den Einkommensentstehungssteuern dient (BVerfGE 65, 325 <346 f.>; ferner BVerfGE 49, 343 <356 f.>).

119

d) Verbrauchsteuern sind im Regelfall indirekte Steuern. Sie werden zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben (vgl. nur BTDrucks II/480, S. 107 f. ; BVerfGE 98, 106 <124>). Steuerschuldner und Steuerträger - das heißt die (natürliche oder juristische) Person, die die Steuerlast im wirtschaftlichen Ergebnis trägt - sind jedoch nicht identisch. Vielmehr ist die Steuer auf eine Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt, mit der Folge, dass die Unternehmer als Steuerschuldner von der Steuerlast wirtschaftlich ent- und die privaten Verbraucher als Steuerträger wirtschaftlich belastet werden. Verbrauchsteuern sollen die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers abschöpfen (BVerfGE 31, 8 <20>; 98, 106 <124>; 110, 274 <297 f.>; BFHE 141, 369 <375>; Schmölders, Zur Begriffsbestimmung der Verbrauchsteuern, 1955, S. 83 f.; F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 1990, S. 31; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <134 ff.>; Arndt, Rechtsfragen einer deutschen CO²-Energiesteuer entwickelt am Beispiel des DIW-Vorschlages, 1995, S. 63 f.; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, S. 87; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28 f.; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 97; Waldhoff, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 13 Rn. 2; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 247; Schaumburg, in: Festschrift für Wolfgang Reiß, 2008, S. 25 <37 f.>; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 105 Rn. 56; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <315>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <222>; Desens, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 189 Rn. 21; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 47).

120

aa) Ob mit der (indirekten) Besteuerung die Einkommensverwendung des Verbrauchers getroffen werden soll, beurteilt sich nach dem Regelungsanliegen des Gesetzes. Die Motivation des Unternehmers ist demgegenüber nicht entscheidend. Da er regelmäßig bestrebt sein wird, sämtliche Steuern auf den Konsumenten abzuwälzen, kann sein Wille für die Frage, ob der Typus einer Verbrauchsteuer gegeben ist, nicht maßstabsbildend sein.

121

bb) Ob dem Gesetz die "Idee" (BVerfGE 14, 76 <96>) oder das "Konzept" (BVerfGE 110, 274 <298>) einer Abwälzbarkeit der Steuer zugrunde liegt, ist nach der subjektiven Zielsetzung des Gesetzgebers, dem objektiven Regelungsgehalt des betreffenden Gesetzes und etwaigen flankierenden Maßnahmen zu beurteilen (vgl. BVerfGE 91, 186 <203>). Neben den Gesetzesmaterialien sind dabei alle objektiv feststellbaren Indizien in den Blick zu nehmen.

122

cc) Ein Indiz dafür, dass die Steuer auf Abwälzbarkeit angelegt ist, kann insbesondere die nach den Umständen gegebene tatsächliche Abwälzbarkeit der Steuer sein. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag wirtschaftlich auf die Endverbraucher abzuwälzen.

123

(1) Die Abwälzbarkeit hat allerdings dann keine Indizwirkung, wenn sich ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers positiv feststellen lässt. Eine tatsächlich gegebene Abwälzbarkeit, die der Intention des Gesetzgebers widerspricht, ist ohne Belang (vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 408 f.; Jobs, Steuern auf Energie als Element einer ökologischen Steuerreform, 1999, S. 216; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28 f.; Seer, DStJG 23 [2000], S. 87 <116>; Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <319 f.>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <224>; Seer, DStR 2012, S. 325 <332 f.>; Gärditz, ZfZ 2014, S. 18 <20 f.>).

124

(2) Andererseits ist nicht notwendig, dass die Möglichkeit einer Abwälzung in jedem Einzelfall besteht; auch eine rechtliche Gewähr dafür, dass dem Unternehmer eine Abwälzung tatsächlich gelingt, ist nicht erforderlich. Ausreichend ist eine kalkulatorische Abwälzbarkeit. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer generell die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einzusetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - zu treffen (BVerfGE 31, 8 <20>; 110, 274 <295>; 123, 1 <35>).

125

Wird das mit einer Verbrauchsteuer belastete Gut produktiv verwendet, ist der im Typus der Verbrauchsteuer angelegten Abwälzungsmöglichkeit bereits dann Genüge getan, wenn der zunächst belastete gewerbliche Verbraucher jedenfalls grundsätzlich nicht gehindert ist, die Verbrauchsteuerbelastung in den Preis für das von ihm hergestellte Produkt einzustellen und so seinerseits die Steuerlast als Preisbestandteil über eine oder mehrere Handelsstufen auf den privaten End- oder Letztverbraucher abzuwälzen. Dabei ist es unerheblich, ob die wirtschaftliche Abwälzung der Verbrauchsteuerlast für ihn tatsächlich realisierbar ist (BVerfGE 110, 274 <295 f.>). Die Voraussetzung einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit ist zumindest so lange gegeben, wie der Umsatz nicht nur den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft (vgl. BVerfGE 31, 8 <20>).

126

(3) Allerdings kann der Einsatz eines besteuerten Gegenstandes selbst dann noch Gewinn abwerfen, wenn gerade die durch die Verbrauchsteuer begründeten Kostenpositionen nicht abgewälzt werden können. Das Merkmal der kalkulatorischen Abwälzbarkeit hat in diesem Fall nicht nur für den Typus einer Verbrauchsteuer Bedeutung, sondern ist auch auf materieller Ebene erheblich (vgl. BVerfGE 123, 1 <16 ff. und 35 ff.>; vgl. auch BVerfGE 135, 126 <142 Rn. 46>; BVerfGK 17, 44 <48 f.>; FG Hamburg, Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 255; Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <137>; Martini, ZUR 2012, S. 219 <224>; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 85). Dort sichert es die Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip im Einzelfall. Da Verbrauchsteuern an die Leistungsfähigkeit der wirtschaftlich hiervon betroffenen Konsumenten und nicht an die des rechtlichen Steuerschuldners anknüpfen sollen (vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 7 Rn. 20), ist immer dann, wenn eine Abwälzung der Steuer durch den rechtlichen Steuerschuldner auf den Konsumenten wirtschaftlich im Einzelfall nicht möglich ist, die materielle Frage der Besteuerung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip aufgeworfen.

127

Auf die Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG hat dies jedoch keine Auswirkung. Die Finanzverfassung und ihre Kompetenzordnung verfolgen - mangels erkennbarer Vorgaben - nicht das Ziel, materiellen Grundrechtsschutz zu gewährleisten. Verletzungen von Grundrechten, insbesondere des Grundsatzes der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, spielen für das Vorliegen einer Verbrauchsteuer und einer Bundeskompetenz daher keine Rolle (BVerfGE 123, 1 <17>; 135, 126 <142 Rn. 46>; BVerfGK 17, 44 <48 f.>).

128

e) Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuergegenstände (vgl. Rn. 68) ist insoweit typusbedingt eingeschränkt.

129

aa) Dabei kommt es nicht auf einen - im Einzelfall nicht kontrollierbaren - tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf, ob der Besteuerungsgegenstand zum Verbrauch bestimmt ist (Bongartz, in: Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rn. C 6; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 105). Ein Verbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Besteuerungsgegenstand nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes verbrauchsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen (BFHE 212, 340 <344>) oder funktions- und wertlos werden soll (BVerfGE 98, 106 <124>).

130

bb) Ferner nehmen die herkömmlichen Verbrauchsteuern typischerweise Güter des ständigen privaten Bedarfs zum Ausgangspunkt. Soweit einige der tradierten Verbrauchsteuern - wie etwa die Spielkartensteuer (vgl. das Spielkartensteuergesetz vom 10. September 1919, RGBl S. 1643) - diesem Kriterium nicht entsprechen, liegen nicht typusbestimmende Einzelfälle vor. Hingegen ist es für die herkömmlichen Verbrauchsteuern nicht typusbildend, an "Genussmittel" anzuknüpfen. Zwar hatte die Mehrzahl der traditionellen Verbrauchsteuern Genussmittel zum Gegenstand, jedoch gibt es in nennenswerter Zahl abweichende Beispiele, wie folgende, auch in der Gesetzesbegründung (BTDrucks II/480, S. 107 f. ; oben Rn. 113) des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) aufgeführte Verbrauchsteuern belegen: die Mineralölsteuer, die Kohlenabgabe, die Zündwarensteuer, die Leuchtmittelsteuer und die Spielkartensteuer.

131

f) Schließlich setzen Verbrauchsteuern regelmäßig den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr voraus, ohne aber - wie die Verkehrsteuern - im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner, zu erfassen (BVerfGE 16, 64 <74>; 98, 106 <124>).

132

aa) Dem liegt die Erkenntnis zugrunde (vgl. unten Rn. 144), dass spätestens ab der Weimarer Zeit eine Üblichkeit bestand, für die Steuerentstehung an das Verbringen eines Endproduktes in den freien Wirtschaftsverkehr anzuknüpfen. Dies betraf insbesondere die Verbrauchsteuer auf Bier, Essigsäure, Kohlen, Leuchtmittel, Mineralöl, Mineralwasser, Schaumwein, Spielkarten, Süßstoff, Tabak, Wein, Zucker und Zündwaren.

133

bb) Der Typus der Verbrauchsteuern umfasst danach Steuern, die nach ihrem Regelungskonzept den Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs durch den privaten Endverbraucher belasten sollen und auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs - regelmäßig das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr - von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht.

134

g) Nach diesen Maßstäben ist die Kernbrennstoffsteuer - trotz des gebotenen weiten Verständnisses ihres Typus (oben Rn. 114) - keine Verbrauchsteuer. Sie ist nach der Konzeption des Gesetzgebers bereits nicht auf eine Abwälzung auf die privaten Verbraucher angelegt (aa)). Die Kernbrennstoffsteuer besteuert zudem ein reines Produktionsmittel (bb)). Besondere Umstände, aus denen im Einzelfall trotz der steuerlichen Anknüpfung an ein reines Produktionsmittel dennoch auf das Vorliegen einer Verbrauchsteuer geschlossen werden könnte, sind für die Kernbrennstoffsteuer nicht gegeben (cc)). Schließlich erfüllt die Kernbrennstoffsteuer nicht das Typusmerkmal der Anknüpfung an ein Gut des ständigen privaten Bedarfs (dd)). Die gebotene Gesamtbetrachtung führt zu dem Ergebnis, dass sie nicht mehr unter den Typus der Verbrauchsteuer eingeordnet werden kann (ee)).

135

aa) Die Gesetzesmaterialien über die Einführung der Kernbrennstoffsteuer sprechen gegen eine Zielsetzung des Gesetzgebers, für die Besteuerung an die Einkommensverwendung der privaten Verbraucher anzuknüpfen. Er geht in der Gesetzesbegründung nicht von einer Steigerung der Stromkosten für Bund, Länder und Gemeinden aus, da nach seiner Auffassung eine "Überwälzung der den Stromerzeugern entstehenden zusätzlichen Kosten nur in geringem Umfang möglich sein wird" (BTDrucks 17/3054, S. 1 und S. 5):

Strompreiserhöhungen gehen von der Kernbrennstoffsteuer nur insoweit aus, wie die Steuerbelastung auf Stromkunden überwälzt werden kann. Grundsätzlich ist die vollständige Überwälzung der Steuerlast möglich. Da Strom aus Kernkraftwerken aufgrund der bisher geringen Erzeugungskosten im Regelfall keinen Einfluss auf die Strompreisbildung an den Börsen (sog. merit-order) hat, wird angenommen, dass die erhöhten Kosten der Kernkraftwerke allenfalls gelegentlich und für kurze Zeiträume auf die Preisbildung am Strommarkt durchschlagen werden. Die Einkaufspreise an den Strombörsen bilden einen Bestandteil der Kalkulation der Verbraucherpreise der Energieanbieter. In die Verbraucherpreise gehen jedoch nicht nur die Strompreise an den Börsen, sondern auch die Netznutzungsentgelte, die Umlagen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes sowie Konzessionsabgaben, Stromsteuer und Mehrwertsteuer ein. Für die Verbraucher sind daher allenfalls relativ geringe Erhöhungen des Endabnehmerpreises für Strom zu erwarten. Über eine eventuelle Überwälzung auf Industriekunden, deren Preise vertraglich ggf. nicht an die Börsenpreise gebunden sind, liegen keine Informationen vor. Unmittelbare Auswirkungen, die sich in den Einzelpreisen, dem allgemeinen Preisniveau oder dem Verbraucherpreisniveau niederschlagen könnten, sind damit kaum zu erwarten.

136

Auch die Annahme des Gesetzgebers, die Unternehmen würden durch die Kernbrennstoffsteuer mit "bis zu 2,3 Milliarden Euro" (BTDrucks 17/3054, S. 5) belastet werden, weist in dieselbe Richtung. Diese Summe ist identisch mit dem damals kalkulierten Steueraufkommen (vgl. BTDrucks 17/3054, S. 1). Aus den weiteren Gesetzesmaterialien ergibt sich nichts anderes, insbesondere nicht aus dem Hinweis, die vollständige Abwälzung der Steuerlast sei "[g]rundsätzlich […] möglich" (vgl. BTDrucks 17/3054, S. 5). Dies wird durch die eigene Feststellung des Gesetzgebers, eine Abwälzung werde im maßgeblichen (BVerfGE 110, 274 <298>) Regelfall nicht gelingen, widerlegt. Wäre eine Belastung der Verbraucher - die einzig über den Preis für den an sie abgegebenen Strom erfolgen kann - gewollt gewesen, hätte es, wie das vorlegende Gericht zu Recht hervorhebt (Vorlagebeschluss vom 29. Januar 2013 - 4 K 270/11 -, juris, Rn. 456), zudem nahe gelegen, dafür an die mit den Kernbrennstoffen produzierte und an die Verbraucher abgegebene Strommenge statt an das Einsetzen der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion (§ 5 Abs. 1 KernbrStG) und damit einen Vorgang weit außerhalb der Sphäre der Verbraucher anzuknüpfen.

137

Auf Einzelheiten der (kalkulatorischen) Abwälzbarkeit der Kernbrennstoffsteuer kommt es daher nicht mehr an. Insbesondere sind ihre Auswirkungen auf die Rentabilität von Kernreaktoren in diesem Zusammenhang ohne Belang.

138

bb) Die Kernbrennstoffsteuer besteuert zudem ein reines Produktionsmittel. Eine entsprechende Anknüpfung ist bei einer Betrachtung der herkömmlichen Verbrauchsteuern nicht typusgerecht (1). Die Besteuerung reiner Produktionsmittel ist auch deshalb typusfremd, weil darin kein Zugriff auf die private Einkommensverwendung liegt (2).

139

(1) Kernbrennstoffe sind einer konsumtiven Nutzung durch private Endverbraucher nicht zugänglich. Die herkömmlichen Verbrauchsteuern haben aber nur ausnahmsweise an reine Produktionsmittel angeknüpft.

140

(a) Allerdings ist nahezu jedes besteuerte Gut zumindest "auch" in einem Produktionsprozess nutzbar und eine konsequente Trennung von Produktiv- und Konsumtionsverbrauch durch den Steuergesetzgeber daher kaum möglich (vgl. Birk/Förster, DB zum Heft 30 1985, S. 1 <4>). Vor diesem Hintergrund wurden Steuern auf "auch" konsumtiv nutzbare Produktionsmittel im traditionellen deutschen Verbrauchsteuerrecht als Verbrauchsteuern eingeordnet; das Anknüpfen an ein Produktionsmittel war in diesem Zusammenhang nicht grundsätzlich ausgeschlossen (BTDrucks 9/167, S. 6; BVerfGE 110, 274 <296>; BFHE 141, 369 <372 f.>).

141

(b) Für das traditionelle deutsche Verbrauchsteuerrecht lässt sich für die Zeit bis zum 23. Dezember 1955 - dem Zeitpunkt des Erlasses des Finanzverfassungsgesetzes (BGBl I S. 817) und der in seinen Gesetzesmaterialien (BTDrucks II/480, S. 107 f. ) enthaltenen Definition von Verbrauchsteuern - der Typus einer an reine Produktionsmittel anknüpfenden Verbrauchsteuer als Regelfall jedoch nicht feststellen. Die Verbrauchsteuern nahmen vielmehr typischerweise Güter zum Ausgangspunkt, die einer "auch" konsumtiven Nutzung zugänglich waren, während die Anknüpfung an einer konsumtiven Nutzung nicht fähige Produktionsmittel einen Sonderfall darstellte.

142

Den im Kaiserreich erhobenen Steuern lag noch keine einheitliche, in sich abgeschlossene Systematik zugrunde. Allerdings ist eine Entwicklung weg von der Besteuerung von Produktionsmitteln erkennbar. Dies wird etwa für die Maischebesteuerung (vgl. § 1 des Gesetzes wegen Erhebung der Brausteuer in der Fassung vom 31. Mai 1872, RGBl S. 153) deutlich: Diese knüpfte zwar ursprünglich an ein reines Produktionsmittel an, die Steuer wurde allerdings zum Ende des Kaiserreiches durch die Biersteuer (vgl. das Biersteuergesetz in der Fassung vom 26. Juli 1918, RGBl S. 863) ersetzt, die nicht mehr ein Produktionsmittel, sondern das - zum privaten Konsum nutzbare - Endprodukt zum Anknüpfungspunkt nahm. Maßgeblich für die Besteuerung war zudem nicht mehr die bloße Herstellung, sondern ein Inverkehrbringen des Produkts, das angenommen wurde, "sobald das Bier aus der Brauerei entfernt oder innerhalb der Brauerei getrunken wird" (§§ 1 und 8 des Biersteuergesetzes in der Fassung vom 26. Juli 1918, RGBl S. 863).

143

Diese Verschiebung in der Art des steuerlichen Zugriffs zeigt sich in weiteren Beispielen zum Ende des Kaiserreiches: Die Zuckersteuer knüpfte ab 1891 nicht mehr an die Verarbeitung von rohen Rüben, sondern an das Inverkehrbringen des Zuckers an (vgl. §§ 1 und 3 des Gesetzes, die Besteuerung des Zuckers betreffend, in der Fassung vom 31. Mai 1891, RGBl S. 295). Auch die ab 1902 erhobene Schaumweinsteuer wurde vergleichbar erhoben (vgl. §§ 1 und 3 Schaumweinsteuergesetz in der Fassung vom 9. Mai 1902, RGBl S. 155).

144

Die Änderungen in der Weimarer Republik gingen ebenfalls in diese Richtung: Es wurde nicht mehr an die Produktion und Materialverwendung angeknüpft, sondern an das Verbringen eines Endproduktes in den freien Verkehr. Die ab 1930 erhobene Branntweinersatzsteuer (Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 15. April 1930, RGBl I S. 138) knüpfte zwar an einen bevorstehenden Produktionsprozess an, betraf allerdings "auch" konsumtiv nutzbare Güter. Auch spätere Steuern hatten jedenfalls der "auch" konsumtiven Nutzung fähige Güter zum Gegenstand. Bestätigt wird dieser Befund durch die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BTDrucks II/480, S. 107 f. ; vgl. Rn. 113). Den "seit jeher" als Verbrauchsteuer klassifizierten Steuern entnahm diese erkennbar keine Anknüpfung an reine Produktionsmittel, sondern stellte auf den "Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs" ab.

145

(c) Wird die Zeit nach Inkrafttreten des Finanzverfassungsgesetzes im Jahre 1955 in den Blick genommen, ergibt sich kein anderes Bild (vgl. Englisch, in: Festschrift für Paul Kirchhof, Bd. 2, 2013, § 190 Rn. 6). Die Änderungen der Schnupftabaksteuer und die Anknüpfung an Rohtabak (1957) und damit an einen Rohstoff waren jeweils gesetzlich mit einem konkreten Endverbrauchsgut verbunden, welches das eigentliche Ziel der Besteuerung bildete (Schnupf- bzw. Kautabak). Zudem betraf die Steuer ein "auch" konsumtiv nutzbares Gut. Mit der Neufassung des Tabaksteuergesetzes im Jahre 1980 wurde die Besteuerung von Kau- und Schnupftabak wieder an das System der übrigen Tabakwaren angepasst (vgl. § 1 Abs. 1 Ziffer 1, § 7 Abs. 1 des Tabaksteuergesetzes [TabStG 1980] in der Fassung vom 13. Dezember 1979, BGBl I S. 2118). Die Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol im Jahr 1978 (vgl. Art. 1 Ziffer 27 [§ 103a] des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 13. November 1979, BGBl I S. 1937) betraf endverbrauchsfähige Güter. Ferner war nur ein Randbereich der Besteuerung betroffen; diese war erneut gesetzlich mit der Herstellung eines endverbrauchsfähigen Guts verknüpft. Es sollten Umgehungen dadurch verhindert werden, dass auch Ersatzstoffe zum Anknüpfungspunkt der Steuer genommen wurden; maßgeblich sollte die Anknüpfung an Spirituosen bleiben (BTDrucks 8/2319, S. 8 f.).

146

(d) Aus der seit dem Jahre 1981 geltenden Besteuerung einiger technischer Alkohole (vgl. Art. 2 Ziffer 7 [§ 103b] des Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 [MinöBranntwStÄndG 1981] vom 20. März 1981, BGBl I S. 301) zur Herstellung von Riech- und Schönheitsmitteln folgt nichts anderes. Danach unterlagen auch die Alkoholarten Propanol-1 und Propanol-2 sowie Methanol, "wenn sie zu Riech- und Schönheitsmitteln verarbeitet werden", der Branntweinsteuer. Die Steuer entstand "mit dem Beginn der Verarbeitung zu Riech- und Schönheitsmitteln"; Steuerschuldner war der Inhaber des Verarbeitungsbetriebs. Die Branntweinsteuer bezog sich insoweit auf reine, keiner konsumtiven Nutzung fähige Produktionsmittel. Der Bundesfinanzhof hat in diesem Zusammenhang § 103b des Gesetzes über das Branntweinmonopol für kompetenzgemäß im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG erachtet (BFHE 141, 369 unter Bezugnahme auf BTDrucks 9/167, S. 6). Die gegen § 103b des Gesetzes über das Branntweinmonopol gerichteten Verfassungsbeschwerden wurden durch das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Ersten Senats vom 17. September 1985 - 1 BvR 1260/84 -, DStZ/E 1985, S. 334; Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Ersten Senats vom 17. September 1985 - 1 BvR 1261/84 -, Information StuW 1985, S. 575). Auch in einer weiteren Entscheidung vom 2. Mai 1985 (BVerfG, Beschluss des Vorprüfungsausschusses des Zweiten Senats vom 2. Mai 1985 - 2 BvR 285/85 -, DB 1985, S. 1569 <1570>) hat das Bundesverfassungsgericht keine verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetz vom 20. März 1981 (BGBl I S. 301) erhoben, insbesondere keinen Kompetenzverstoß erkannt.

147

Allerdings lag in Bezug auf den steuerlichen Tatbestand ein nicht typusbildender Einzelfall vor. Ziel des Gesetzes war es, das Substitut eines durch die Branntweinsteuer erfassten Alkohols zu besteuern und die einheitliche Erfassung einer Warengruppe einschließlich von Ersatzstoffen zu gewährleisten, um auf diese Weise die Einheitlichkeit der Besteuerung sicherzustellen. In einem solchen Fall kann eine Besteuerung von Produktionsmitteln ausnahmsweise als typusgerecht angesehen werden (vgl. mit ähnlicher Argumentation BVerfGE 137, 350 <362 Rn. 30> zur Luftverkehrsteuer und BVerfGE 27, 375 <383 f.> zu Nachsteuern). Dies dient insbesondere dem Schutz des Besteuerungsaufkommens vor dem steuerumgehenden Ersatz der besteuerten Güter durch funktionsgleiche, aber unbesteuerte Substitute. Zudem lag den genannten Entscheidungen ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der besteuerte Rohstoff in dem Endverbrauchsprodukt noch körperlich vorhanden war. Eine vorbehaltlose Aussage, dass die Besteuerung reiner Produktionsmittel typuskongruent ist, enthalten damit weder die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch die Ausführungen des Vermittlungsausschusses (BTDrucks 9/167, S. 6) oder des Bundesfinanzhofs (BFHE 141, 369 <373>).

148

(e) Nichts anderes folgt aus der - verfassungsgemäßen (BVerfGE 110, 274) - "Ökosteuer" (vgl. Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, BGBl I S. 378). Diese betraf von vornherein keine ausschließlich produktiv nutzbaren Güter. Besteuert wurden elektrischer Strom und Steuergegenstände des Mineralölsteuergesetzes und damit Güter, die "auch" einer konsumtiven Nutzung zugänglich sind.

149

(2) Die Besteuerung reiner Produktionsmittel ist auch deshalb typusfremd, weil darin kein zielgerichteter Zugriff auf die private Einkommensverwendung liegt.

150

(a) Im Falle der Besteuerung zumindest auch konsumtiv nutzbarer Güter kann eine solche Anknüpfung noch bejaht werden, weil es hier regelmäßig (auch) das Ziel bleibt, primär - und nicht nur "irgendwie" am Ende einer Handelskette - den privaten Verbrauch zu besteuern. Ob insoweit Voraussetzung ist, dass die Belastung der Produktion lediglich eine untergeordnete oder sogar zwangsläufige "Nebenerscheinung" (Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 63 und S. 102 f.; vgl. auch Zitzelsberger, BB 1995, S. 1769 <1776>) der Besteuerung des privaten Verbrauchs ist, kann dahinstehen, da die Kernbrennstoffsteuer ein reines Produktionsmittel besteuert.

151

(b) Die Besteuerung des unternehmerischen Verbrauchs eines reinen Produktionsmittels ist mit einem gesetzgeberischen Konzept, im Wege der Verbrauchsteuer auf die private Einkommensverwendung Zugriff zu nehmen (vgl. Rn.115), hingegen nicht mehr zu vereinbaren (vgl. Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 1997, S. 87; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 28; Weber-Grellet, Steuern im modernen Verfassungsstaat, 2001, S. 97; Gärditz, ZfZ 2012, 18 <20>; Seer, DStR 2012, S. 325 <330 ff.>). Dieses setzt die gezielte Besteuerung gerade des privaten Verbrauchs voraus (vgl. Lang, in: DStJG, Bd. 15 [1993], Umweltschutz im Abgaben- und Steuerrecht, S. 115 <137>; Jachmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 105 Rn. 56), weil anderenfalls mit der Anknüpfung an einen Produktionsschritt oder ein Produktionsmittel ein hieraus typisierend angenommener unternehmerischer Gewinn und nicht eine private Einkommensverwendung die Grundlage der Besteuerung wäre (vgl. Zitzelsberger, BB 1995, S. 1769 <1776>; Schaumburg, in: Festschrift für Wolfgang Reiß, 2008, S. 25 <42>; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 2 Rn. 6).

152

(c) Ein gewerblicher Verbrauch ist grundsätzlich kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Verbrauchsteuer. Ist die Steuer lediglich darauf angelegt, den Endverbraucher wirtschaftlich "irgendwie" zu treffen, kann die randscharfe Abgrenzung zwischen einer Besteuerung der Einkommenserzielung einerseits und einer Besteuerung der Einkommensverwendung andererseits nicht gelingen. Durch den steuerlichen Zugriff auf den Verbrauch eines Gutes auf einer Vorstufe des Privatkonsums lässt sich eine Besteuerung der Einkommensverwendung des Endverbrauchers nicht zielgenau erreichen. Die Tatsache, dass das besteuerte Gut dazu dient, ein anderes, für den Endverbraucher gedachtes Gut herzustellen, ist zur notwendigen Abgrenzung von Verbrauchsteuern zu anderen Steuertypen nicht geeignet.

153

cc) Besondere Umstände, aus denen im Einzelfall trotz der steuerlichen Anknüpfung an ein reines Produktionsmittel dennoch auf das Vorliegen einer Verbrauchsteuer geschlossen werden könnte, sind für die Kernbrennstoffsteuer nicht gegeben.

154

Insbesondere sind keine sonstigen Indizien für ein Anknüpfen der Besteuerung an die private Einkommensverwendung erkennbar (1). Es muss auch nicht zwingend deshalb an ein reines Produktionsmittel angeknüpft werden, um Umgehungs- oder Ausweichverhalten auszuschließen (2).

155

(1) Ein Hinweis, dass auf die Einkommensverwendung zugegriffen werden soll, könnte in dem körperlichen Vorhandensein des besteuerten Rohstoffs im Endprodukt für den privaten Konsum zu sehen sein (Drüen, ZfZ 2012, S. 309 <316>; vgl. identisch: BTDrucks 9/167, S. 6 und BFHE 141, 369 <373>; ähnlich auch: Köck, JZ 1991, S. 692 <697>; Breuer, DVBl. 1992, S. 485 <490>; Franke, StuW 1994, S. 26 <31>; Bach, StuW 1995, S. 264 <272>; Herdegen/Schön, Ökologische Steuerreform, Verfassungsrecht und Verkehrsgewerbe, 2000, S. 30 f.; Eiling, Verfassungs- und europarechtliche Vorgaben an die Einführung neuer Verbrauchsteuern, 2014, S. 107 ff.). Ein solches körperliches Vorhandensein könnte eine hinreichende Verbindung zwischen dem besteuerten Gut und dem privaten Verbrauch als Ausdruck der Einkommensverwendung herstellen und die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe den privaten Verbrauch besteuern wollen und die Anknüpfung an den Privatkonsum lediglich auf eine Vorstufe verlagert.

156

Die besteuerten Kernbrennstoffe finden allerdings keinen körperlichen Eingang in den produzierten elektrischen Strom als das für den privaten Verbrauch allein in Betracht kommende Endverbrauchsgut. Die Verbrauchsgüter des Kernbrennstoffsteuergesetzes (vgl. § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 KernbrStG: Uran und Plutonium) sind in dem hergestellten beziehungsweise abgegebenen Strom nicht physisch enthalten. Allenfalls findet sich dort - nach einem aufwendigen Transformationsprozess - das in den vorgenannten Elementen enthaltene energetische Potential wieder. Nicht dieses unterliegt aber der Besteuerung durch die Kernbrennstoffsteuer, sondern das Einsetzen der Brennelemente oder -stäbe in einen Kernreaktor (§ 5 KernbrStG), unabhängig von der tatsächlich erzielten Energieausbeute. Zudem war der abgegebene elektrische Strom nicht das Ziel der Kernbrennstoffsteuer; von einer - etwa aus Vereinfachungsgründen bei der Steuererhebung erfolgten - Verlagerung der Besteuerung des Stroms auf eine Vorstufe kann daher keine Rede sein (so auch EuGH, Urteil vom 4. Juni 2015 - C-5/14 -, juris, Rn. 65 ff.).

157

(2) Es musste auch nicht zwingend deshalb an ein reines Produktionsmittel angeknüpft werden, weil die Einbeziehung einzelner Güter zur Wahrung einer geschlossenen Besteuerung bestimmter Warengruppen im Rahmen einer ansonsten systemgerechten Steuer notwendig war, insbesondere zum Schutz des Besteuerungsaufkommens vor dem Ersatz der Waren, die für die Besteuerung zum Ausgangspunkt genommen werden, durch funktionsgleiche, aber unbesteuerte Substitute.

158

Die Kernbrennstoffsteuer zielt nicht auf die Besteuerung einzelner Substitutsgüter zur Wahrung einer geschlossenen Besteuerung bestimmter Warengruppen im Rahmen einer ansonsten systemgerechten Steuer. Zwar unterliegen auch andere Rohstoffe zur Energiegewinnung dem Zugriff durch Verbrauchsteuern. Eine geschlossene Besteuerung der Energieträger, in die sich die Kernbrennstoffsteuer einfügen ließe, ist jedoch nicht festzustellen. Im Bereich der Energieträgerbesteuerung verfolgt die Besteuerung oftmals das Ziel der Verhaltenssteuerung und nicht ausschließlich fiskalische Zwecke. Daher ist steuerlich von vornherein keine Vergleichbarkeit der einzelnen Energieträger gegeben.

159

Zudem dient die Besteuerung von Kernbrennstoffen nicht dem Schutz des Besteuerungsaufkommens einer bestehenden Steuer vor einer Umgehung mittels Substituten der besteuerten Güter, sondern der eigenständigen Beschaffung von Haushaltsmitteln (vgl. BTDrucks 17/3054 S. 1 und S. 5).

160

dd) Schließlich erfüllt die Kernbrennstoffsteuer nicht das Typusmerkmal der Anknüpfung an ein Gut des ständigen privaten Bedarfs. Zudem ist ein freier Warenverkehr von Kernbrennstoffen aufgrund ihrer Gefährlichkeit ausgeschlossen. Die Kernbrennstoffsteuer knüpft demgemäß in § 5 Abs. 1 KernbrStG nicht an den Realakt des Verbringens des Besteuerungsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr an, sondern an den Realakt des erstmaligen Einsetzens der Brennstäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion. Darin liegt eine weitere Abweichung vom Steuertypus der Verbrauchsteuer.

161

ee) Die gebotene Gesamtbetrachtung (vgl. Rn. 65) führt zu dem Ergebnis, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht mehr unter den Typus der Verbrauchsteuer eingeordnet werden kann. Sie erfüllt bereits das zentrale Typusmerkmal einer Besteuerung der privaten Einkommensverwendung nicht und ist aufgrund der Besteuerung eines reinen Produktionsmittels - auch im Hinblick darauf, dass Verbrauchsteuern üblicherweise an Güter des ständigen Bedarfs anknüpfen - typusfremd. Im Falle der Besteuerung eines reinen Produktionsmittels, das sich nicht im Endverbrauchsgut körperlich wiederfindet, hat die Abgrenzung zwischen der Besteuerung der privaten Einkommensverwendung der Endverbraucher und der Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit entscheidende Bedeutung für den Verbrauchsteuertypus. Trotz des gebotenen weiten Verständnisses bei der Bestimmung der Einzelsteuerbegriffe der Art. 105 und 106 GG (vgl. Rn. 114) kommt demgegenüber den Gesichtspunkten, dass die Kernbrennstoffe bei ihrem Einsatz wirtschaftlich aufgezehrt und damit im Sinne des Verbrauchsteuerbegriffs "verbraucht" werden und dass es nicht zum Typus von Verbrauchsteuern gehört, allein Genussmittel zu besteuern, kein ausreichendes Gewicht zu, um dennoch eine Verbrauchsteuer annehmen zu können.

V.

162

Der Verstoß des Kernbrennstoffsteuergesetzes gegen Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG führt vorliegend zur Nichtigerklärung (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 BVerfGG) des Gesetzes und nicht nur zur Feststellung der Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz (vgl. § 82 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 und § 31 Abs. 2 BVerfGG). Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung hat das Bundesverfassungsgericht zwar wiederholt bei haushaltswirtschaftlich bedeutsamen Normen, insbesondere Steuer- und Abgabengesetzen, ausgesprochen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung sowie einer entsprechenden Finanz- und Haushaltswirtschaft kann es hier gebieten, von einer Rückwirkung der Entscheidung abzusehen (BVerfGE 72, 330 <422>; 87, 153 <178 ff.>; 93, 121 <148>; 105, 73 <134>; 111, 191 <224 f.>; 117, 1 <70>), da der rückwirkenden Neubemessung staatlicher Einnahmen keine Möglichkeit zur Neubemessung der Ausgaben entgegenstünde. Hieraus würde eine erhebliche Gefährdung der periodisch erfolgenden staatlichen Finanzplanung und -stabilität und eine Entlastung aktueller und vergangener Steuerzahler zu Lasten künftiger Steuerzahler folgen. Die Notwendigkeit einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung steht einer Rückwirkung der Entscheidung allerdings nicht stets entgegen (vgl. BVerfGE 122, 210 <246>; 126, 268 <285 f.>) und kann nur Geltung beanspruchen, wenn der Gesetzgeber sich auf seine Finanz- und Haushaltsplanung verlassen durfte. Dies war im Hinblick auf die von Anfang an mit erheblichen finanzverfassungsrechtlichen Unsicherheiten belastete Kernbrennstoffsteuer nicht der Fall.

Abw. Meinung

1

Soweit die Senatsmehrheit das Kernbrennstoffsteuergesetz für verfassungswidrig hält, stimmen wir dem zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu. Entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit hat der Bund durchaus die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur Erfindung neuer, nicht in Art. 106 GG aufgeführter Steuern (I.). Solche Gesetze bedürfen jedoch der Zustimmung des Bundesrates (II.). Da diese hier nicht erteilt worden ist, ist das Kernbrennstoffsteuergesetz nichtig (III.).

I.

2

Die Auffassung der Senatsmehrheit, die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Steuerrecht auf die in Art. 106 GG genannten Steuertypen zu beschränken, vermag nicht zu überzeugen. Ob eine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Steuerrechts besteht, bemisst sich ausschließlich nach Art. 105 GG (1.). Dort zugewiesene Befugnisse werden nicht durch Art. 106 GG konditioniert (2.). Der Ausschluss eines so genannten Steuererfindungsrechts lässt sich auch nicht mit der These von der Schutz- und Garantiefunktion der Finanzverfassung begründen (3.). Bei der Zuweisung der Ertragshoheit hat der Steuergesetzgeber allerdings den Vorrang der Verfassung zu beachten und darf sich mit Art. 106 GG nicht in Widerspruch setzen (4.).

3

1. Art. 105 GG enthält eine Regelung über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts, die sich im Verhältnis zu den allgemeinen Regeln der Art. 73 f. GG als speziellere Regelung darstellt. Entgegen der Auffassung der Senatsmehrheit lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen, dass sich diese Gesetzgebungszuständigkeit auf die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern beschränkt. Dafür sprechen weder der Wortlaut der Norm (a) noch systematische (b), teleologische (c) und entstehungsgeschichtliche Gründe (d).

4

a) Nach Art. 105 Abs. 1 GG hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über Zölle und Finanzmonopole, während die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern nach Art. 105 Abs. 2a GG bei den Ländern liegt. Für die übrigen Steuern ist Art. 105 Abs. 2 GG maßgeblich. Hiernach hat der Bund eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Art. 105 Abs. 2 GG unterwirft die "übrigen Steuern" damit der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes.

5

Schon dem Wortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass damit ausschließlich die in Art. 106 GG aufgelisteten Steuern gemeint sein sollten. Im allgemeinen Sprachgebrauch kommt dem Begriff "übrig" eine umfassende Auffangfunktion zu. Er ist gleichbedeutend mit "verbleibend", "restlich" oder "als Rest noch vorhanden" (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl. 2003, S. 1634). Ausschließlich in dieser Bedeutung wird er auch an anderer Stelle des Grundgesetzes verwendet (im Einzelnen: Art. 13 Abs. 7; Art. 23 Abs. 5 Satz 1; Art. 29 Abs. 6 Satz 2; Art. 35 Abs. 3 Satz 2; Art. 36 Abs. 1 Satz 2; Art. 87b Abs. 2 Satz 1; Art. 91 Abs. 2 Satz 2; Art. 93 Abs. 1 Nr. 5; Art. 106 Abs. 7 Satz 2; Art. 108 Abs. 2; Art. 114 Abs. 2 Satz 3; Art. 135 Abs. 5 GG). Aufschlussreich ist insoweit insbesondere der Vergleich mit Art. 108 GG (Finanzverwaltung), dessen Abs. 2 Satz 1 ebenfalls den Begriff der "übrigen Steuern" verwendet und damit - nach einhelliger Auffassung - sämtliche Steuerarten erfasst, die nicht in Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich erwähnt sind (vgl. Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 108 Rn. 23; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 108 Rn. 14; Kemmler, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 108 Rn. 9; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 108 Rn. 33 ; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 108 Rn. 4).

6

Die Senatsmehrheit setzt sich mit dem Wortsinn des Begriffs "übrig" nicht auseinander, sondern beschränkt sich auf die mit systematischen, teleologischen und historischen Argumenten (dazu Rn. 9 ff.) unterlegte Behauptung, unter "übrigen Steuern" seien ausschließlich die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu verstehen (vgl. Rn. 68). Damit übergeht sie den Wortlaut von Art. 105 Abs. 2 GG, der keinerlei Bezugnahme auf Art. 106 GG enthält. Hätte der Verfassungsgeber beziehungsweise der verfassungsändernde Gesetzgeber eine Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnisse auf die in Art. 106 GG genannten Steuern und Steuerarten gewollt, hätte er dies durch eine entsprechende Formulierung in Art. 105 Abs. 2 GG zum Ausdruck bringen können. Zu Recht ist das Fehlen einer ausdrücklichen Verweisung in Art. 105 Abs. 2 GG auf Art. 106 GG daher als "sehr beredtes Schweigen" des Verfassungstextes qualifiziert worden (vgl. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>).

7

b) Das vorstehend dargelegte Verständnis des Begriffs "übrige Steuern" wird auch durch die Systematik des Grundgesetzes gestützt. Abweichend von der sonstigen Gliederung nach Organen und Funktionen ist die Finanzverfassung als Querschnittsmaterie in einem eigenen Abschnitt (X.) übergreifend geregelt. Dies zeigt, dass der Verfassungsgeber den Anspruch hatte, die Materie in diesem Abschnitt einheitlich und abschließend zu regeln. Eine entsprechende Intention des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 (Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl I S. 359) lässt sich dem damals neu in das Grundgesetz aufgenommenen Art. 105 Abs. 2a GG entnehmen, der als lex specialis und Bereichsausnahme zu Art. 105 Abs. 2 GG konzipiert ist. Vor diesem Hintergrund muss Art. 105 GG als abschließende Regelung der Gesetzgebungskompetenzen für das materielle Steuerrecht begriffen werden (Heintzen, in: Münch/Kunig, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 9; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 105 Rn. 22; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 116 ff. ; Vogel/Walter, in: Bonner Kommentar zum GG, Bd. 14, Art. 105 Rn. 61 f. ; vgl. auch BTDrucks V/2861, S. 94 f.).

8

Dies steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, soweit dieses in mehreren Entscheidungen ein allgemeines Abgabenerfindungsrecht des Staates verneint hat (BVerfGE 55, 274 <300 f.>; 67, 256 <282 ff.>; 78, 249 <266 f.>; 93, 319 <342 ff.>; 108, 1 <16>; 108, 186 <214 ff.>; 113, 128 <145 ff.>; 122, 316 <333 ff.>; 123, 132 <140 ff.>). Diese Entscheidungen betrafen ausschließlich nichtsteuerliche Abgaben (vgl. BVerfGE 113, 128 <145 ff.>). Nur in diesem Kontext - als Ausschluss einer beliebigen Erfindung von außersteuerlichen Abgaben, insbesondere Sonderabgaben - machen die Hinweise auf den "numerus clausus" der Leistungspflichten der Art. 105 f. GG (BVerfGE 67, 256 <286>) und die "Formenklarheit und Formenbindung" (BVerfGE 67, 256 <288 f.>; 105, 185 <193 f.>) der Finanzverfassung Sinn. Soweit die Rechtsprechung eine Einnahmenerschließung "außerhalb des von der Finanzverfassung erfassten Bereichs" abgelehnt hat (BVerfGE 55, 274 <300 f.>; 78, 249 <266 f.>), bezog sich dies durchgängig auf nichtsteuerliche Abgaben, die dem Regime der Art. 105 ff. GG gerade nicht unterfallen sollten. Das betraf unter anderem eine Berufsausbildungsabgabe zur Förderung des Angebots an Ausbildungsplätzen (BVerfGE 55, 274 <300 f.>), eine rückzahlbare Abgabe zur Wohnungsbauförderung (BVerfGE 67, 256 <282 ff.>), eine Abschöpfungsabgabe zur Rückabwicklung fehlgeleiteter Subventionen (BVerfGE 78, 249 <266 f.>), Entgelte für Wasserentnahmen (BVerfGE 93, 319 <342 ff.>), Rückmeldegebühren an Universitäten (BVerfGE 108, 1 <15 ff.>), eine Abgabe zur Finanzierung von Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege (BVerfGE 108, 186 <212 ff.>), eine Abgabe zur Finanzierung der Kosten staatlicher Abfallrückführung (BVerfGE 113, 128 <145 ff.>), eine Abgabe von Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft nach dem Absatzfondsgesetz (BVerfGE 122, 316 <333 ff.>) und eine Sonderabgabe zur Holzabsatzförderung (BVerfGE 123, 132 <140 ff.>). Die hierbei angelegten strengen Maßstäbe hat das Bundesverfassungsgericht deshalb mit dem Hinweis auf die Begrenzungsfunktion der Finanzverfassung gerechtfertigt (vgl. zuletzt BVerfGE 122, 316 <333 ff.>; 123, 132 <140>), um eine Erweiterung der Abgabenbelastung der Bürger unter Rückgriff auf die allgemeinen Sachkompetenzen der Art. 70 ff. GG unter Umgehung der Finanzverfassung zu verhindern. Darum geht es hier jedoch gerade nicht.

9

c) Auch Sinn und Zweck der Finanzverfassung sprechen für die Anerkennung einer konkurrierenden Steuererfindungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG.

10

Ziel der Finanzverfassung ist es, die finanziellen Grundlagen für eine wirksame Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in Bund, Ländern und Gemeinden zu schaffen. Im Rahmen der Finanzreform des Jahres 1969 und ihrem Leitgedanken eines kooperativen Föderalismus sollte der grundgesetzlichen Verpflichtung zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit sowie zur Förderung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet durch annähernd gleichmäßige öffentliche Leistungen, eine gleichmäßige Steuerbelastung im Bundesstaat und durch die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen durch regional abweichende Steuerregelungen und uneinheitliche Steuerbelastung Rechnung getragen werden (vgl. Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 11 ). Zur Erreichung dieses Ziels wurde dem Bund in Art. 105 GG eine weitgehende konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet der Steuern eingeräumt. Dabei ging der verfassungsändernde Gesetzgeber davon aus, dass mit den in Art. 105 Abs. 2 GG aufgeführten Steuerarten alle denkbaren Steuern erfasst sind, deren einheitliche Gestaltung für die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich sein könnte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 32 ).

11

Die mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) einhergehende Ablösung der ursprünglich abschließenden, das heißt enumerativen Festlegung der Steuergesetzgebungskompetenzen des Bundes wurde als erforderlich betrachtet, um das Steuersystem anpassen und fortentwickeln zu können, ohne dass es dafür stets einer Verfassungsänderung bedarf. Durch diese Flexibilisierung sollte einem Erstarren des Regelungsgefüges im gegenstandsnotwendig dynamischen Feld des Steuerrechts vorgebeugt werden (vgl. Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 33; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <175>).

12

Zwar sollte mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) auch ein dauerhaftes und überschaubar gestaltetes Steuerverteilungssystem geschaffen werden, das entsprechend der finanziellen Bedeutung der Aufgaben das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhält (Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 33 ) und unnötige Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern zu vermeiden hilft (BTDrucks V/2861, S. 11 f. ). Eine Versteinerung der Steuerquellen war jedoch nicht beabsichtigt und ist - wie nicht zuletzt die deutliche Ausweitung der Sonderabgaben aller Art zeigt - auch gar nicht möglich. Die Begründung des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969 bekennt sich ausdrücklich dazu, dass Ziel der Reform eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger (Bund, Länder und Gemeinden) im Rahmen einer vorausschauenden, in sich abgewogenen Gesamtplanung ist (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ; zum Konzept der Herstellung von Dauerhaftigkeit durch Flexibilität vgl. Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>).

13

Die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte Flexibilität würde durch eine Begrenzung der Steuergesetzgebungsbefugnisse auf die in Art. 106 GG genannten Steuerarten verfehlt. Umgekehrt vermag sie - wie nicht zuletzt der vorliegende Fall und die Überlegungen der Senatsmehrheit zum "kleinen Steuererfindungsrecht" oder der Streit um die Verteilung der UMTS-Lizenzen (vgl. BVerfGE 105, 185 ff.) zeigen - auch keine nachhaltigen und dauerhaften Verhältnisse sicherzustellen. Auseinandersetzungen über die Reichweite von Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung sind im Übrigen systemimmanent und keineswegs auf den Bereich der Steuern beschränkt. Das damit verbundene Konfliktpotenzial wird zudem durch das Erfordernis einer Zustimmung des Bundesrates entschärft (siehe dazu Abschnitt II.). Das gilt auch für den perhorreszierten "Wettlauf der Steuererfindungen" (vgl. Seer, DStR 2012, S. 325 <330>), dem darüber hinaus der Vorrang der Verfassung entgegensteht.

14

d) Schließlich spricht die Entstehungsgeschichte der Art. 105 f. GG eher für die hier vertretene Interpretation. In der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 waren die Gegenstände der konkurrierenden Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes in Art. 105 Abs. 2 GG noch enumerativ aufgelistet. Für diese alte Rechtslage vor dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 hatte das Bundesverfassungsgericht ein Steuererfindungsrecht der Länder aus Art. 70 GG ausdrücklich anerkannt und sich damit bereits gegen die Vorstellung von einer abschließenden Natur der Finanzverfassung ausgesprochen (vgl. BVerfGE 14, 76 <91>; 16, 64 <77 ff.>). Die Aufzählung möglicher Steuerarten in Art. 105 Abs. 2 GG wurde gerade nicht als abschließend verstanden, die These von der Vollständigkeit des Steuerkataloges verworfen (vgl. BVerfGE 16, 64 <78 f.>).

15

Daran hat sich durch das Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359) nichts Grundlegendes geändert. Zwar wurde durch dieses Gesetz die zuvor bestehende Beschränkung der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes in Art. 105 Abs. 2 GG auf bestimmte Steuerarten aufgehoben. Damit sollte insbesondere die bis dahin umstrittene Zuständigkeit des Bundes für das allgemeine Steuerrecht eindeutig festgelegt werden (Begründung des unverändert übernommenen Regierungsentwurfs, BTDrucks V/2861, S. 32 f. , S. 52 f. ), wobei der verfassungsändernde Gesetzgeber davon ausging, dass es sachlich nicht begründet sei, die Gesetzgebung des Bundes auf bestimmte Steuerkategorien zu beschränken. Für die Notwendigkeit bundeseinheitlicher Gesetzgebung könnten nur die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG maßgeblich sein (BTDrucks V/2861, S. 32).

16

Das schon zuvor anerkannte Steuererfindungsrecht der Länder sollte durch die Neufassung des Art. 105 Abs. 2 GG jedoch nicht beseitigt oder beschränkt werden. Vielmehr wurde dessen Fortbestand ausdrücklich betont (BTDrucks V/2861, S. 33 ).

17

Soweit die Senatsmehrheit demgegenüber darauf verweist, der verfassungsändernde Gesetzgeber sei möglicherweise bereits bei Erlass des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817) der Auffassung gewesen, dass den Ländern ein allgemeines Steuererfindungsrecht nicht zustehe, vermag dies nicht zu überzeugen. Zwar findet sich in der damaligen Gesetzesbegründung die von der Senatsmehrheit zitierte Feststellung, die verfassungspolitische Bedeutung, die das Grundgesetz der Verteilung der Steuerertragshoheit beimesse, lasse es nicht zu, die Zuteilung der Einnahmen aus künftigen Steuern dem einfachen Bundesgesetzgeber zu überlassen. Damit wurde allerdings lediglich die - später nicht weiterverfolgte - Forderung begründet, dass das Finanzausgleichsgesetz nach Art. 107 GG auch die Grundsätze über die Verteilung solcher Steuern normieren sollte, die nach seiner Verabschiedung neu eingeführt werden (vgl. BTDrucks II/480, S. 40 ). Insoweit setzt die zitierte Passage die Möglichkeit der Einführung neuer Steuern und damit den Bestand eines Steuererfindungsrechts gerade voraus. Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Hinweis der Senatsmehrheit auf die Beratungen des Finanzausschusses zum Entwurf eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981. Die dortige Feststellung, dass dem Bund ein Steuererfindungsrecht hinsichtlich des Verbrauchsteuerbegriffs des Art. 106 GG zustehe (vgl. BTDrucks 9/167, S. 6), schließt den Bestand sonstiger Steuererfindungsrechte von Bund und Ländern nicht aus.

18

Mit der Finanzreform 1969 sollte dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit zugewiesen werden, soweit eine von den Ländern "erfundene" Steuer wegen der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse bundeseinheitlich geregelt werden muss (vgl. BTDrucks V/2861, S. 94 f.). Dies wird durch die Erklärung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages bei der unveränderten Übernahme der im Regierungsentwurf enthaltenen Fassung des Art. 105 Abs. 2 GG bestätigt, dass "eine umfassende Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und einer weiteren Vereinheitlichung des Steuerrechts notwendig ist" und dass "der Bund grundsätzlich für alle Steuern das konkurrierende Gesetzgebungsrecht besitzt" (Stellungnahme des Rechtsausschusses des Bundestages, BTDrucks V/3605, S. 6 f.). Daraus lässt sich der gesetzgeberische Wille entnehmen, nicht nur das Steuererfindungsrecht der Länder nicht in Frage zu stellen, sondern auch dem Bund mit der Auffangklausel des Art. 105 Abs. 2 GG die Erschließung neuer Steuerarten grundsätzlich zu erlauben.

19

Dieses Verständnis findet sich auch in der Rechtsprechung des Senats. In einem Beschluss vom 12. Oktober 1978 zur landesgesetzlichen Regelung einer neuen, als Steuer eingeordneten Abgabenart, hat dieser eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG abgeleitet, ohne die Abgabenregelung einer der in Art. 106 GG ausdrücklich aufgeführten Steuertypen zuordnen zu können oder auf diese Bestimmung auch nur Bezug zu nehmen (BVerfGE 49, 343<354>). Die schleswig-holsteinische Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse hatte insoweit Bestand (vgl. BVerfGE 49, 343 <354>).

20

2. Die "Steuererfindungsbefugnis" nach Art. 105 GG wird nicht durch Art. 106 GG eingeschränkt (a). Zum Gegenstand der Steuergesetzgebung gehört - vorbehaltlich der Vorgaben von Art. 106 GG - auch die Zuweisung der Steuerertragshoheit (b).

21

a) Art. 105 GG unterscheidet sich in seiner Funktion grundlegend von Art. 106 GG. Während Art. 105 GG die Gesetzgebungskompetenzen im Bereich des Steuerrechts zuordnet, dient Art. 106 GG der Verteilung des gesamtstaatlichen Steueraufkommens zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Warum die Verteilung des Aufkommens der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten zu einer Beschneidung der Regelungskompetenzen des Steuergesetzgebers gemäß Art. 105 GG führen soll, erschließt sich angesichts der unterschiedlichen Regelungsgegenstände beider Vorschriften nicht.

22

aa) Würde man die Verteilung der Steuergesetzgebungskompetenzen in Art. 105 GG nur auf die in Art. 106 GG aufgeführten Steuern beziehen, käme dieser Vorschrift eine Begrenzungs- und Garantiefunktion in dem Sinne zu, dass andere Steuern nicht erhoben werden könnten (vgl. Vogel, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 87 Rn. 32). Dies widerspräche - wie dargelegt - nicht nur dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers, der das "Steuererfindungsrecht" der Länder mit dem Finanzreformgesetz vom 12. Mai 1969 ausdrücklich bestätigt hat, sondern auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 76 <91>; 16, 64 <78 f.>; 49, 343 <354, 359>). Es widerspräche aber auch der Staatspraxis, weil der Katalog des Art. 106 GG selbst bei weiter Auslegung der dort verwendeten Begriffe nicht sämtliche denkbaren Steuern und Steuerarten erfasst (vgl. Brockmeyer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, 11. Aufl. 2008, Art. 106 Rn. 7 f.; Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 106 Rn. 14a; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 106 Rn. 14, 45; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29 f.; vgl. auch BVerfGE 49, 343 <354>). Eine Begrenzung des gesamten Steuerwesens auf die vom Verfassungsgeber vorgefundenen und in Art. 106 GG niedergelegten Steuerarten ist dem System der Finanzverfassung fremd (vgl. BVerfGE 16, 64 <78>).

23

bb) Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber mit der Neuregelung des Art. 106 GG zugleich eine Beschneidung zumindest der Steuergesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern angestrebt hat. Ziel der Neuregelung des Art. 106 GG war vielmehr, vor allem durch die Einbeziehung der Umsatzsteuer in die Verbundmasse und die gleichmäßige Aufteilung von Einkommens- und Umsatzsteuer einen umfassenden Steuerverbund zu erreichen, so dass die unterschiedliche Entwicklung des Aufkommens dieser Steuern nicht zu einseitigen Begünstigungen oder Belastungen des Bundes oder der Länder führt (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Damit sollte eine Befriedung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern erreicht und die Grundlage für ein dauerhaftes und überschaubares Steuersystem geschaffen werden, das eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse von Bund, Ländern und Gemeinden ermöglichen sollte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Einschränkungen der Gesetzgebungszuständigkeiten hinsichtlich der Einführung neuer, beziehungsweise der Abschaffung oder Änderung bestehender Steuern waren hingegen nicht Gegenstand der Regelung des Art. 106 GG.

24

cc) Die Senatsmehrheit betont demgegenüber die vom verfassungsändernden Gesetzgeber angestrebte Befriedungsfunktion der Finanzverfassung als Ziel der Finanzreform 1969. Sie setze voraus, dass Verschiebungen im Steueraufkommen unterblieben und das Verhältnis zwischen Steuerbedarf und Steuereinnahmen bei Bund und Ländern möglichst im Zustand des Gleichgewichts erhalten bliebe.

25

Dies lässt freilich bereits außer Betracht, dass schon die Inanspruchnahme der unstreitig bestehenden Regelungskompetenzen des Bundes und der Länder hinsichtlich der in Art. 106 GG aufgeführten Steuern zu wesentlichen Verschiebungen im Steueraufkommen und der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern führen kann. Zwar legt Art. 106 GG wesentliche Steuerarten fest, innerhalb dieser jedoch weder die Anzahl der Steuern noch deren Gestaltung und Höhe, so dass die Vorstellung von einem stabilen und ausgewogenen, verfassungskräftig verankerten Verteilungssystem nicht überzeugt (vgl. Möckel, DÖV 2012, S. 265 <267>). Dass dem Steuergesetzgeber bezüglich der in Art. 106 GG genannten Steuerarten eine sehr weitreichende Gestaltungsfreiheit verbleibt, gesteht die Senatsmehrheit ausdrücklich zu. Dies ist aber mit der Vorstellung, Art. 106 GG gewährleiste eine dauerhafte und gleichgewichtige Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern, nicht vereinbar.

26

Auch der verfassungsändernde Gesetzgeber ging erkennbar nicht davon aus, dass mit der Neuregelung der Art. 105 und Art. 106 GG ein abschließendes System der Steuerverteilung geschaffen werden konnte, das einfachgesetzlicher Nachjustierungen weder bedarf noch zugänglich ist. Angestrebt war vielmehr eine Reform, die eine bewegliche Anpassung der Steuerverteilung an die wechselnden Finanzbedürfnisse der verschiedenen Aufgabenträger ermöglichen sollte (vgl. BTDrucks V/2861, S. 33 ). Dabei stellt sich das bei der Verteilung der Umsatzsteueranteile zwischen Bund und Ländern nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4 GG angewandte Deckungsquotenverfahren als "flexibles Element des Steuerverteilungssystems" (Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 13. Aufl. 2014, Art. 106 Rn. 70) dar, auf dessen Grundlage den in den jeweiligen Haushalten veranschlagten Einnahmen und Ausgaben durch Ausgleichsansprüche und -verpflichtungen Rechnung getragen werden soll. Zeichnet sich das von Art. 106 GG geschaffene System der Ertragsverteilung somit gerade durch das Fehlen fester Verteilungsergebnisse aus, so steht auch bei Hinzutreten neuer Steuerarten und -erträge nicht die Entstehung von verfassungsrechtlich nicht gewollten und nicht korrigierbaren Ertragsungleichgewichten zu befürchten. Im Falle derartiger Verschiebungen im Steueraufkommen ist vielmehr eine Neubestimmung der Umsatzsteueranteile nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Satz 4, Abs. 4 GG vorzunehmen (vgl. insoweit auch BVerfGE 105, 185 <194 f.>). Warum dies "keine angemessene Lösung" darstellen soll, ist nicht ersichtlich, da es sich insoweit um einen im Kern justiziablen Anspruch von Bund und Ländern handelt.

27

Hinzu kommt, dass das Zustimmungserfordernis des Bundesrates einen einseitigen und nicht abgestimmten Zugriff des Bundes auf das Steueraufkommen ebenso verhindern dürfte wie einen "Wettlauf der Steuererfindungen" (vgl. Seer, DStR 2012, S. 325 <330>). Dabei kann auch nicht auf eine die einseitige Durchsetzung von Bundesinteressen ermöglichende Unterschiedlichkeit der Länderinteressen verwiesen werden; vielmehr ist davon auszugehen, dass bei der Einführung neuer Steuern durch den Bund ein im föderalen Kontext sonst nicht selbstverständlicher Gleichklang der Landesinteressen vorliegt.

28

b) Von Art. 105 GG gedeckt ist - soweit ihr wegen des Vorrangs der Verfassung Art. 106 GG nicht entgegensteht - auch die Zuweisung der Ertragshoheit (vgl. Fischer-Menshausen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 106 Rn. 14a; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 44; Osterloh, NVwZ 1991, S. 823 <828>; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, 1972, S. 154 f.; Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29 f.). Dem insoweit bestehenden Regelungsbedarf kann nicht nur durch den verfassungsändernden Gesetzgeber entsprochen werden (so aber Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. III, 1. Aufl. 1993, S. 1095), sondern auch durch den einfachen Gesetzgeber.

29

Dass die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers nicht auch die Regelung der Ertragsverteilung beinhalten soll, ist nicht nachvollziehbar. Neben der Regelung von Steuertatbestand, Steuerschuldner und Steuertarif ist auch die Bestimmung des Steuergläubigers und des Ertragszuständigen ein unverzichtbarer Bestandteil steuerrechtlicher Regelungen. Die einschlägigen Regelungen mögen durch höher- oder vorrangiges Recht gebrochen oder überlagert werden; an ihrer Zuordnung zum Steuerrecht ändert dies jedoch nichts. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber bereits bei der Finanzreform 1955 die Regelung der Ertragsverteilung dem verfassungsändernden Gesetzgeber habe vorbehalten wollen, denn die damals angestrebte Regelung einer Verteilung der Erträge künftig neu eingeführter Steuern im Rahmen von Art. 107 GG wurde nicht weiterverfolgt (vgl. oben Rn. 17).

30

Ebenso wenig vermag der Hinweis zu überzeugen, dass der einfache Gesetzgeber keinen Zugriff auf das Ertragsverteilungssystem des Art. 106 GG habe. Aus dem Bestand verfassungsrechtlicher Ertragsverteilungsregelungen für bestimmte Steuern kann nicht auf den Bestand eines Verfassungsvorbehaltes für die Ertragsverteilung dort nicht erfasster Steuern geschlossen werden; Art. 106 GG ist vielmehr als verfassungskräftige Spezialregelung für die Ertragsverteilung der dort aufgeführten Steuerarten einzuordnen, steht einer einfachgesetzlichen Festlegung der Aufkommensverteilung der übrigen Steuern durch den jeweiligen Steuergesetzgeber aber aufgrund seines nicht abschließenden Charakters nicht entgegen. Dafür spricht nicht zuletzt, dass Art. 106 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 4 GG selbst einen Regelungsauftrag an den einfachen Gesetzgeber nach Maßgabe der Grundsätze des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 GG enthält.

31

Der einfache Gesetzgeber kann bei Einführung einer neuen, nicht dem Katalog des Art. 106 GG unterfallenden Steuer somit auch über deren Ertragszuweisung entscheiden. Zwischen Steuergesetzgebung und Ertragszuweisung besteht ein so enger sachlicher Zusammenhang, dass eine Materie sinnvollerweise nicht ohne die andere geregelt werden kann. Die Ertragshoheit ist der gesetzlichen Inanspruchnahme einer Steuerquelle daher im Grunde immanent (Wendt, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, 1. Aufl. 1990, § 104 Rn. 29). Die Zuordnung der Ertragsverteilung als integraler Teil der Steuergesetzgebungskompetenz trägt der Einheit der Finanzverfassung Rechnung und erübrigt den systemwidrigen Rückgriff auf die allgemeinen Kompetenzverteilungsregeln der Art. 30, Art. 70 GG (so aber Häde, Finanzausgleich, 1996, S. 164 f.; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>).

32

Dass es dabei gegebenenfalls zu einem Auseinanderfallen von Gesetzgebungs- und Ertragshoheit kommen kann, ist in Art. 105 GG angelegt und findet sich auch in anderen Bereichen (vgl. z.B. die Steuerarten in Art. 106 Abs. 2 GG; Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>). Selbst in den Fällen einer vollständigen Ertragszuweisung an die Länder, wie bei der Vermögens- (Art. 106 Abs. 2 Nr. 1 GG), Erbschafts- (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) oder Biersteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 4 GG) sieht das Grundgesetz vor, dass die Belastungsentscheidung vom Bund getroffen wird, weil nur der Bund die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland garantieren kann. Nur er kann und muss - etwa über seine Gesetzgebungsbefugnisse nach Art. 106 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 GG oder den Bund-Länder-Finanzausgleich gemäß Art. 107 GG - auf Verschiebungen im Verhältnis der Einnahmen und Ausgaben des Bundes und der Länder reagieren (zu Letzterem vgl. Schmidt, StuW 2015, S. 171 <177>).

33

3. Auch die zur Begründung einer Beschränkung der Gesetzgebungsbefugnisse gemäß Art. 105 Abs. 2 GG geltend gemachte Vorstellung von der individualschützenden Garantiefunktion der Finanzverfassung findet in Wortlaut, Systematik, Telos und Entstehungsgeschichte der Art. 105 f. GG keine Stütze. Letztlich handelt es sich dabei um eine Zweckschöpfung, die einen unbegrenzten Steuerzugriff des Staates auf grundrechtlich geschützte Interessen der Steuerpflichtigen vermeiden und die Schwierigkeiten, die materiellen Grundrechte insoweit zu entfalten (vgl. BVerfGE 93, 121 <136 ff.>; 115, 97 <110 ff.>), kompensieren soll. Bei Art. 105 und Art. 106 GG handelt es sich jedoch um staatsorganisationsrechtliche Regelungen ohne eigenen materiellen Gehalt (vgl. BVerfGE 123, 1 <17>; Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 39; Seiler, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rn. 125 ; Tipke, BB 1994, S. 437 <439 ff.>). Einen Schutz vor übermäßiger Steuerbelastung des Bürgers könnten diese Bestimmungen schon deshalb nur eingeschränkt bieten, weil sie zum einen keine Obergrenzen für die Sätze der aufgeführten Steuern enthalten, zum anderen durch die Verwendung weit gefasster Begriffe in Art. 106 GG (z.B. "Verbrauchsteuern") aber auch keine effektive Begrenzungswirkung entfalten. Art. 106 GG begrenzt weder die Zahl der Steuern im Rahmen der dort aufgeführten Steuertypen, noch die Höhe der Steuersätze oder der dadurch verursachten Gesamtbelastung. Die Regelung zielt zudem nicht auf eine individualschützende Beschränkung des Zugriffs des Steuergesetzgebers auf die finanziellen Ressourcen des Bürgers, sondern auf die Verteilung staatlicher Einnahmen. Effektiven Belastungsschutz für den Bürger kann diese Finanzverteilungsregelung nicht gewähren (vgl. Möckel, DÖV 2012, S. 265 <268 f.>).

34

Diesem Verständnis entspricht auch die in der Rechtsprechung beider Senate unumstrittene Interpretation der allgemeinen Kompetenzregeln der Art. 73 f. GG. Auch dort wird der Schutz des Bürgers vor zu weitgehenden gesetzgeberischen Eingriffen nicht im Wege der restriktiven Auslegung von Kompetenznormen, sondern durch die prozeduralen und materiellen Garantiegehalte der Grundrechte sichergestellt (vgl. BVerfGE 4, 7 <15>; 55, 274 <302>; zuletzt BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 -, juris). So bedarf etwa jede Steuer im Hinblick auf die materiellen Gewährleistungen der Grundrechte (insbesondere Art. 3 Abs. 1; Art. 12; Art. 14; Art. 2 Abs. 1 GG) der Rechtfertigung.

35

Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben entfalten Steuerungs- und Kontrollfunktion, hegen den Steuergesetzgeber im Hinblick auf Steuererfindungen ein und gewährleisten dadurch den Schutz der Bürger vor übermäßiger Abgabenbelastung. Jede Steuer muss nicht nur den formalen Anforderungen des Grundgesetzes (Gesetzmäßigkeit und Bestimmtheit) genügen, sondern auch und gerade den materiellen Maßstäben der Grundrechte. Dazu gehören insbesondere die Prinzipien der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfGE 6, 55 <67, 69>; 8, 51 <68 f.>; 9, 237 <243>; 13, 290 <297>; 14, 34 <41>; 27, 58 <64>; 32, 333 <339>; 36, 66 <72>; 43, 108 <118 ff.>; 47, 1 <29>; 55, 274 <302>; 61, 319 <343 ff.>; 66, 214 <223>; 68, 143 <152 f.>; 82, 60 <86 f.>; 117, 1 <30 f.>; 122, 210 <230 f.>), der Folgerichtigkeit (BVerfGE 84, 239 <271>; 93, 121 <136>; 99, 88 <95>; 99, 280 <290>; 101, 132 <138>; 101, 151 <155>; 105, 73 <125 f.>; 107, 27 <46 f.>; 117, 1 <30 f.>; 122, 210 <231>), der Lastengleichheit (BVerfGE 35, 324 <335>; 84, 239 <268 ff.>), des Schutzes des Existenzminimums (BVerfGE 82, 60 <85 f.>), des Verbots der Benachteiligung von Ehe und Familie (BVerfGE 99, 216 <231 ff.>), des Verbots der Erdrosselungssteuer (BVerfGE 19, 119 <128 f.>; 23, 288 <315>; 27, 111 <131>; 30, 250 <271 f.>; 50, 57 <104 ff.>; 63, 343 <368>; 68, 287 <310 f.>; 70, 219 <230>; 78, 214 <230>; 78, 232 <243>; 82, 159 <190>; 87, 153 <169>; 95, 267 <300>; 105, 17 <32>; 115, 97 <115>) und der eigentumsschonenden Besteuerung (vgl. BVerfGE 93, 121 <138>; 115, 97 <114>). Die hierdurch dem steuererfindenden Gesetzgeber auferlegten Grenzen unterliegen der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht und sind im Ergebnis auch wirkungsvoller als die vermeintliche Schutz- und Garantiefunktion der Art. 105 f. GG.

36

4. Der Vorrang der Verfassung bindet den Steuergesetzgeber schließlich an die Regelungen über die Aufteilung des Steuerertrags in Art. 106 GG. Danach ist ihm die Entscheidung über die Ertragsverteilung für die in Art. 106 GG aufgeführten, bei weitem bedeutsamsten Steuerarten entzogen.

II.

37

Die Inanspruchnahme der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz zur Einführung neuer Steuern durch den Bund erfordert jedoch nach Art. 105 Abs. 3 GG die Zustimmung des Bundesrates, wenn er mit der Erschließung der neuen Steuerquelle zugleich die Ertragshoheit in Anspruch nimmt. Der scheinbar auf den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) bereits zufließende Steuern begrenzte Wortlaut des Art. 105 Abs. 3 GG erweist sich insoweit als zu eng.

38

Zwar knüpft der Wortlaut des Art. 105 Abs. 3 GG die Zustimmungspflicht des Bundesrates an die Voraussetzung, dass das Steueraufkommen ganz oder zum Teil den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) zufließt. Das kann so verstanden werden, dass die Norm ein bestehendes Steueraufkommen voraussetzt. Sie würde dann - jenseits des Art. 106 GG - nur auf solche Fälle Anwendung finden, in denen die Länder, wie etwa bei der Abgabe wegen Änderung der Gemeindeverhältnisse in Schleswig-Holstein, bereits von ihrer "Steuererfindungskompetenz" Gebrauch gemacht haben, nicht hingegen auf neu einzuführende Steuern, die eine Aufkommenszuweisung ausschließlich an den Bund vorsehen. Ein solches Verständnis ist jedoch nicht zwingend. Vielmehr kann Art. 105 Abs. 3 GG auch so verstanden werden, dass er den Ländern potentiell - das heißt vorbehaltlich einer bundesgesetzlichen Intervention gemäß Art. 72 Abs. 1 und Abs. 2 GG - zustehende Steueraufkommen erfasst. Dafür sprechen sowohl systematische als auch teleologische Erwägungen.

39

Die systematische Stellung von Art. 105 Abs. 3 GG spricht zunächst gegen eine Beschränkung auf die in Art. 106 GG aufgeführten oder schon in Wirkung gesetzten Steuern. Andernfalls wäre das in Art. 106 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2, Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 5 GG vorgesehene Zustimmungserfordernis des Bundesrates für die Regelung der Ertragsverteilung bei der Umsatz- und Einkommensteuer überflüssig und Art. 105 Abs. 3 GG nur eine subsidiäre Auffangregelung für die übrigen bundesgesetzlichen Landessteuern in Art. 106 Abs. 2 GG. Eine solche Interpretation ist nicht ausgeschlossen, angesichts der zahlreichen speziell in Art. 106 GG geregelten Zustimmungserfordernisse jedoch auch nicht naheliegend.

40

Insbesondere teleologische Erwägungen sprechen aber dafür, das Zustimmungserfordernis auch auf die erstmalige bundesgesetzliche Zuweisung eines Steuerertrags an den Bund zu erstrecken. Sinn und Zweck des Art. 105 Abs. 3 GG ist es, die materiellen Interessen der Länder im Hinblick auf die Aufteilung des Steueraufkommens zwischen Bund und Ländern zu wahren (BVerfGE 14, 197<220>). Sie sollen insbesondere vor einer Auszehrung ihrer finanziellen Grundlagen und ihrer Steuerquellen geschützt werden (Heintzen, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 105 Rn. 56; Heun, in: Dreier, GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 105 Rn. 43 f.). Materielle Interessen der Länder sind aber nicht nur dann berührt, wenn Änderungen an der Aufkommensverteilung der ihnen oder den Gemeinden ganz oder zum Teil bereits zugewiesenen Steuern vorgenommen werden, sondern erst recht, wenn eine neue Steuerquelle erschlossen und den Ländern eine Beteiligung daran vorenthalten wird. Auch bei einem gesetzgeberischen Zugriff auf neue, in Art. 106 GG nicht aufgeführte Steuern und die Regelung ihrer Aufkommensverteilung wird das Gesamtgefüge der Steuerertragsverteilung zwischen Bund und Ländern berührt. Zudem hängt es letztlich vom Zufall ab, ob die Länder eine potenzielle Steuerquelle vor einem Zugriff des Bundes bereits gesetzlich erschlossen haben oder ob dies noch nicht geschehen ist. Da ihre finanziellen Interessen in beiden Fällen gleichermaßen beeinträchtigt werden können, kann das Zustimmungserfordernis des Bundesrates davon nicht abhängen. Es wäre sinnwidrig, wenn einerseits bei einer Teilung des Ertrages einer neu eingeführten Steuer die Wahrnehmung der Länderinteressen im Wege der Zustimmungsbedürftigkeit garantiert wäre, bei einer vollständigen Vorenthaltung des Steueraufkommens eine derartige Wahrnehmung der Länderinteressen jedoch entfiele.

41

Über den Wortlaut hinaus erfasst das Zustimmungserfordernis des Art. 105 Abs. 3 GG demnach auch Fälle, in denen der Bund kraft seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nach Art. 105 Abs. 2 GG erstmals ein Steueraufkommen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Länder ausschließt. Solange und soweit der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 105 Abs. 2 GG keinen Gebrauch gemacht hat, steht der steuergesetzgeberische Zugriff auf die neu zu erschließende Steuerquelle potenziell auch den Ländern zu. Diese Zugriffsmöglichkeit wird ihnen durch eine "Steuererfindung" des Bundes für die betroffene Steuerquelle genommen. Einer landesgesetzlichen Regelung steht fortan Art. 72 Abs. 1 GG entgegen. Hierdurch werden die finanziellen Interessen der Länder, deren Schutz Art. 105 Abs. 3 GG zu dienen bestimmt ist, unmittelbar betroffen. Dem muss durch eine Erstreckung des Zustimmungserfordernisses auf diese Fälle Rechnung getragen werden.

III.

42

Nach diesen Maßstäben hat der Bund zwar die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Kernbrennstoffsteuer (1.). Das Kernbrennstoffsteuergesetz wurde jedoch nicht mit Zustimmung des Bundesrates erlassen und ist daher formell verfassungswidrig und nichtig (2.).

43

1. Der Bund hat für die Kernbrennstoffsteuer eine Gesetzgebungskompetenz. Diese ergibt sich - wenn man mit der Senatsmehrheit zu Recht davon ausgeht, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht als Verbrauchsteuer im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG eingeordnet werden kann - aus Art. 105 Abs. 2 GG. Die Kernbrennstoffsteuer fällt weder unter Art. 105 Abs. 1 GG noch unter Art. 105 Abs. 2a GG.

44

2. Das Kernbrennstoffsteuergesetz ist dennoch verfassungswidrig, da es an der nach Art. 105 Abs. 3 GG erforderlichen Zustimmung des Bundesrates fehlt.

45

Das Kernbrennstoffsteuergesetz wurde als Einspruchsgesetz erlassen, hätte aber nach Art. 105 Abs. 3 GG der Zustimmung des Bundesrates bedurft. Mangels Einhaltung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben ist das Kernbrennstoffsteuergesetz auch nach unserer Ansicht formell verfassungswidrig und somit nichtig.

(1) Im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen unterliegen einer Steuer. Eine Lotterie oder Ausspielung nach Satz 1 gilt als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Die Steuer beträgt 20 vom Hundert des planmäßigen Preises (Nennwert) sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer.

(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Eine Steuererklärung ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abzugeben, wenn

1.
keine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben ist,
2.
nicht freiwillig eine gesetzlich oder amtlich zugelassene elektronische Steuererklärung abgegeben wird,
3.
keine mündliche oder konkludente Steuererklärung zugelassen ist und
4.
eine Aufnahme der Steuererklärung an Amtsstelle nach § 151 nicht in Betracht kommt.
§ 87a Absatz 1 Satz 1 ist nur anzuwenden, soweit eine elektronische Steuererklärung vorgeschrieben oder zugelassen ist. Der Steuerpflichtige hat in der Steuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist (Steueranmeldung).

(2) Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen.

(3) Ordnen die Steuergesetze an, dass der Steuerpflichtige die Steuererklärung eigenhändig zu unterschreiben hat, so ist die Unterzeichnung durch einen Bevollmächtigten nur dann zulässig, wenn der Steuerpflichtige infolge seines körperlichen oder geistigen Zustands oder durch längere Abwesenheit an der Unterschrift gehindert ist. Die eigenhändige Unterschrift kann nachträglich verlangt werden, wenn der Hinderungsgrund weggefallen ist.

(4) Den Steuererklärungen müssen die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Dritte Personen sind verpflichtet, hierfür erforderliche Bescheinigungen auszustellen.

(5) In die Steuererklärungsformulare können auch Fragen aufgenommen werden, die zur Ergänzung der Besteuerungsunterlagen für Zwecke einer Statistik nach dem Gesetz über Steuerstatistiken erforderlich sind. Die Finanzbehörden können ferner von Steuerpflichtigen Auskünfte verlangen, die für die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes erforderlich sind. Die Finanzbehörden haben bei der Überprüfung der Angaben dieselben Befugnisse wie bei der Aufklärung der für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse.

(6) Zur Erleichterung und Vereinfachung des automatisierten Besteuerungsverfahrens kann das Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen Steuererklärungen oder sonstige für das Besteuerungsverfahren erforderliche Daten ganz oder teilweise durch Datenfernübertragung oder auf maschinell verwertbaren Datenträgern übermittelt werden können. In der Rechtsverordnung können von den §§ 72a und 87b bis 87d abweichende Regelungen getroffen werden. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit die Kraftfahrzeugsteuer, die Luftverkehrsteuer, die Versicherungsteuer und Verbrauchsteuern, mit Ausnahme der Biersteuer, betroffen sind.

(7) Können Steuererklärungen, die nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck abgegeben oder nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelt werden, nach § 155 Absatz 4 Satz 1 zu einer ausschließlich automationsgestützten Steuerfestsetzung führen, ist es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, Angaben, die nach seiner Auffassung Anlass für eine Bearbeitung durch Amtsträger sind, in einem dafür vorgesehenen Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung zu machen. Daten, die von mitteilungspflichtigen Stellen nach Maßgabe des § 93c an die Finanzverwaltung übermittelt wurden, gelten als Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie in den Steuererklärungsformularen als eDaten gekennzeichnet sind oder bei nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermittelten Steuererklärungen für den Belegabruf bereitgestellt werden und er nicht in einem dafür vorzusehenden Abschnitt oder Datenfeld der Steuererklärung abweichende Angaben macht.

(8) Ordnen die Steuergesetze an, dass die Finanzbehörde auf Antrag zur Vermeidung unbilliger Härten auf eine Übermittlung der Steuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung verzichten kann, ist einem solchen Antrag zu entsprechen, wenn eine Erklärungsabgabe nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung für den Steuerpflichtigen wirtschaftlich oder persönlich unzumutbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Schaffung der technischen Möglichkeiten für eine Datenfernübertragung des amtlich vorgeschriebenen Datensatzes nur mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand möglich wäre oder wenn der Steuerpflichtige nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, die Möglichkeiten der Datenfernübertragung zu nutzen.

(1) Im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen unterliegen einer Steuer. Eine Lotterie oder Ausspielung nach Satz 1 gilt als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Die Steuer beträgt 20 vom Hundert des planmäßigen Preises (Nennwert) sämtlicher Lose ausschließlich der Steuer.

(2) Wetten aus Anlass von Sportereignissen (Sportwetten), die nicht als Rennwetten nach Abschnitt I dieses Gesetzes besteuert werden, unterliegen einer Steuer, wenn

1.
die Sportwette im Inland veranstaltet wird oder
2.
der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Dies gilt nicht, wenn der Spieler sich bei Abschluss des Wettvertrages außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält und die zur Entstehung des Wettvertrages erforderlichen Handlungen dort vorgenommen werden.
Die Steuer beträgt 5 vom Hundert des Nennwertes der Wettscheine beziehungsweise des Spieleinsatzes.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.