Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 119/16 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:101017BB12KR11916B0
10.10.2017

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landes-sozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob die Beiträge der Klägerin zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand der Klägerin für ihre Kinder zu reduzieren sind.

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Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Bundesagentur für Arbeit zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca Euro beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie ist Mutter von zwei 2001 und 2003 geborenen Kindern. Mit Schreiben vom 14.2.2015 beantragte sie bei der Beklagten als Einzugsstelle eine "verfassungskonforme" Beitragsreduzierung der Beiträge zur GRV, GKV und sPV. Mit Bescheid vom 27.5.2015 stellte die Beklagte die jeweilige Beitragshöhe fest. Nach den gesetzlichen Vorgaben dürfe sie die Beiträge nicht senken. Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.10.2015; SG-Gerichtsbescheid vom 11.7.2016; LSG-Urteil vom 15.11.2016). Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

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II. Die Beschwerde der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Es kann offenbleiben, ob dies schon daraus folgt, dass die Beschwerde zumindest zum Teil unzulässig ist. Jedenfalls ist sie unbegründet.

4

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18 = Juris RdNr 9).

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Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 21.2.2017 auf alle drei Zulassungsgründe.

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1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN).

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Die Klägerin wirft auf Seite 8 f der Beschwerdebegründung folgende Fragen auf:

"I. 'Berücksichtigung der Kindererziehung in der sozialen Pflegeversicherung' verfassungskonform?

1. Sind die die Beitragspflicht und -höhe zur sozialen Pflegeversicherung regelnden Vorschriften (§§ 54 Abs. 2 S. 1, 55 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 57 Abs. 1 S. 1 SGB XI i.V.m. 226 SGB V) mit Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar, soweit die Mitglieder dieser Sozialversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres ('generativen') Erziehungsbeitrags je nach der Zahl ihrer Kinder bei den Geldbeiträgen und entgegen BVerfG v. 3.4.2001 -1 BvR 1629/14- nicht nur 'während der Zeit der Betreuung und Erziehung', sondern lebenslang entlastet werden?

2. Ist den verfassungsrechtlichen Anforderungen gemäß dem Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 -1 BvR 1629/94- dadurch Genüge getan, dass der Gesetzgeber die Beitragsermäßigung von 0.25 Beitragspunkten für Eltern nur einmalig mit dem Kinderberücksichtigungsgesetz zum 1.1.2005 eingeführt hat oder hat der Gesetzgeber der Gleichwertigkeit des generativen Beitrags auch bei jeder weiteren Erhöhung der Beiträge Rechnung zu tragen (z.B. 'automatisch' durch den von der Klägerin begehrten Abzug des Kinderexistenzminimums von der Beitragsbemessungsgrundlage oder einen der Beitragssatzentwicklung folgenden Dynamisierungs- oder 'Nachhaltigkeitsfaktor')?

3. a) Gelten hinsichtlich des an den Pflegevorsorgefonds abzuführenden Beitragsanteiles in Höhe von 0,1 Beitragspunkten die im Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 3.4.2001 zur Privaten, nach dem Kapitaldeckungsprinzip finanzierten Pflegeversicherung entwickelten Maßstäbe (1 BvR 1689/94) entsprechend, denen zufolge der Kindererziehung -anders als in der umlagefinanzierten sozialen Pflegeversicherung- keine konstitutive Bedeutung in diesem System zukomme und aus ihr keine auszugleichenden systemspezifischen Vorteile Kinderloser entstünden?

3. b) Falls die vorstehende Frage zu a) bejaht wird: Handelt es sich bei den gemäß § 134 Absatz 2 SGB XI unter sinngemäßer Anwendung der Anlagerichtlinien des Versorgungsfonds des Bundes vorzunehmenden Anlagen überhaupt um solche der 'Kapitaldeckung'?

3. c) -beziehungsweise falls a und b bejaht werden: Hat eine Zunahme von Umlageelementen bei der Finanzierung der privaten Pflegeversicherung im Zuge der weiteren 'demographischen Entwicklung' seit 2001 mit entsprechenden Konsequenzen für die Berücksichtigung der Kindererziehung bei den Beiträgen für Eltern zum Pflegevorsorgefonds dergestalt stattgefunden, dass der Gesetzgeber nunmehr auch die Beitragsgestaltung zum Pflegevorsorgefonds analog zur privaten Pflegeversicherung unter Berücksichtigung des generativen Faktors neu zu gestalten hat (BVerfG, aaO, Rn 70- juris)?

II. Weitere Grundsatzfrage: Die Berücksichtigung der Kindererziehung bei der Bemessung der Geldbeiträge in der GRV und GKV

Sind die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge sozialen Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs. 1, 162 Nr. 1 SGB VI, §§ 223 Abs. 2, 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 sowie 241 SGB V) mit Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar, soweit Mitglieder dieser Sozialversicherungen, die Kinder betreuen und erziehen, nicht entsprechend der Gleichwertigkeit ihres (generativen) Erziehungsbeitrags bei den Geldbeiträgen entlastet, sondern mit einem gleich hohen Geldbeitrag wie Mitglieder ohne Kinder belastet werden?"

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Zur Begründung führt die Klägerin unter anderem aus:

"Insbesondere sind diese Fragen auch durch das Urteil des Bundessozialgerichtes vom 30. September 2015 (B 12 KR 15/12 R) schon deswegen nicht beantwortet, weil dieser Entscheidung in den von der Klägerin zum Gegenstand ihres Vorbringens gemachten Schriftsätzen des Unterzeichners sowie von Prof. Dr. K. umfassend widersprochen und nachgewiesen wird, dass das BSG sich nahezu durchgängig über die vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) formulierten Maßstäbe (v.a. 'Dreigenerationenvertrag') sowie sogar dessen unmissverständliche Reformweisung (Berücksichtigung der Kindererziehung 'während der Zeit der Betreuung und Erziehung') hinwegsetzt. Diese Kritik wird detailliert in den im Internet veröffentlichten Verfassungsbeschwerden des Unterzeichners vom 14.12.2015 -1 BvR 3135/15 -sowie von Prof. Dr. K./B.-1 BvR 2257/16- begründet."

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Die Beschwerde der Klägerin ist insoweit unbegründet. Den aufgeworfenen Fragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zu. Insbesondere fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen.

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a) Der Senat hat wiederholt festgestellt, dass die Vorschriften über die Beitragserhebung in der GRV (hierzu BSG Urteile vom 5.7.2006 - ua SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und in der sPV (hierzu BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2) verfassungsgemäß sind. Zuletzt hat er in seinen Urteilen vom 30.9.2015 (B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77; - B 12 KR 13/13 R - Juris) darüber hinaus zur GKV festgestellt, dass die Vorschriften über die Beitragserhebung und -bemessung gemessen an dem Prüfungsmaßstab von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht verfassungswidrig sind:

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aa) Der Senat hat sich im zuerst genannten Urteil bezogen auf die GRV (BSG, aaO, RdNr 34 bis 60) - zusammenfassend - auf folgende Gründe gestützt:

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Die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten.

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Es liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV durch familienfördernde Elemente im Leistungsspektrum der GRV (zB Kindererziehungszeiten <§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI>, Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung<§ 57 SGB VI>, Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft<§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI>, Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten<§ 78a SGB VI>, Kinderzuschuss<§ 270 SGB VI> bis 16.11.2016, große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung <§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI>, Erziehungsrente<§§ 47, 243a SGB VI>; vgl ausführlich Buntenbach, Leistungen der Rentenversicherung für Kindererziehung, DRV Schriften Band 108, S 19) ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei nicht an. Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig. Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen. Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV.

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bb) In der GKV hat der Gesetzgeber nach der oben genannten Rechtsprechung des Senats in seinen Urteilen vom 30.9.2015 (ua - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 69 bis 75) die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten, weil das Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente enthält und die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Klägerin - systemgerecht bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV verfassungsrechtlich beanstandungsfrei berücksichtigt. Zu nennen sind in erster Linie die beitragsfreie Versicherung von Familienangehörigen (Ehegatten und Kindern) sowie über die reine Krankenbehandlung hinausgehende, nur für Eltern in Betracht kommende Begünstigungen und Leistungen (zB bei Mutterschaft, Vorsorge für Mütter und Väter, Haushaltshilfen, Krankengeld bei Erkrankung des Kindes, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder, Zuzahlungsbefreiungen für Kinder und Kinderfreibeträge im Rahmen von Belastungsgrenzen).

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cc) In der sPV hat der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats durch die Schaffung des zusätzlichen Beitrags für Kinderlose iHv 0,25 Beitragssatzpunkten (§ 55 Abs 3 S 1 SGB XI) den Vorgaben des sPV-Urteils des BVerfG (Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 - im Folgenden: sPV-Urteil)unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel hinreichend Rechnung getragen (vgl BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 76 bis 89 mwN). Die in der Anordnung eines Beitragszuschlags für Kinderlose liegende fehlende Anknüpfung an die Kinderzahl hält sich im Rahmen der Grenzen einer zulässigen Typisierung. Gleiches gilt für die zwischenzeitliche Nichterhöhung des Beitragszuschlags.

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b) Auch in Kenntnis des zwischenzeitlichen umfangreichen Vorbringens der Klägerin, der vorgelegten Stellungnahmen und der zum Senatsurteil vom 30.9.2015 ergangenen sozialrechtlichen Literatur (vgl ua Blüggel, jurisPR-SozR 11/2016 Anm 2; Lenze, NVwZ 2015, 1658; Lenze, SGb 2017, 130; Ruland, NZS 2016, 361; Seiler, NZS 2016, 641; Wenner, SozSich 2015, 344) ist nach den obigen Ausführungen eine erneute Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen nicht gegeben. Gleiches gilt insbesondere für die Aspekte Bindungswirkung (dazu aa) und Nachteilsausgleich im Beitragsrecht (dazu bb).

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aa) Der Senat hat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 (etwa SozR 4-2600 § 157 Nr 1) und vom 30.9.2015 (B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) dargelegt, dass das sPV-Urteil des BVerfG auf das Beitragsrecht der GRV und GKV nicht im Wege der den Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG zukommenden Gesetzeskraft und der ihnen nach § 31 Abs 1 BVerfGG zukommenden Bindungswirkung "übertragbar" ist, weil es ausweislich des Tenors nur zur Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen ergangen ist(BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 33). Der Senat ist weder gehalten noch verpflichtet, die notwendige verfassungsrechtliche Prüfung allein und ausschließlich anhand des sPV-Urteils des BVerfG vorzunehmen (in diesem Sinn offenbar Seiler, NZS 2016, 641, 643). Eine entsprechende Einengung der verfassungsrechtlichen Prüfung im Rahmen von Art 100 Abs 1 GG kann entgegen der Auffassung der Klägerin § 31 Abs 1, Abs 2 S 2 BVerfGG schon deshalb nicht entnommen werden, weil das sPV-Urteil des BVerfG jedenfalls auf das Beitragsrecht der GRV und der GKV nicht "übertragbar" ist. In der sPV hat der Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Senats durch die Schaffung des zusätzlichen Beitrags für Kinderlose (§ 55 Abs 3 S 1 SGB XI) den Vorgaben des sPV-Urteils des BVerfG hinreichend Rechnung getragen (siehe oben).

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bb) Der Senat hat ebenfalls entschieden, dass es keine verfassungsrechtliche Verpflichtung gibt, den von der Klägerin erstrebten Nachteilsausgleich allein im Beitragsrecht von GRV und GKV bzw kumulativ beitrags- und leistungsrechtlich in der GRV und in der GKV zu verwirklichen (siehe oben; speziell zur GRV bereits BSG Urteil vom 5.7.2006 - B 12 KR 20/04 R - SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 47). Soweit angenommen wird, das BVerfG habe demgegenüber in seinem sPV-Urteil diesbezüglich einen "qualitativen Sprung" (so Lenze, SGb 2017, 130, 133) zu den Ausführungen im Trümmerfrauenurteil (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) gemacht bzw - so die Klägerin - einen "grundlegenden Paradigmenwechsel" vorgenommen, teilt der Senat diese Ansicht erneut nicht (vgl insoweit BSG Urteil vom 30.9.2015 - B 12 KR 15/12 R- BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77, RdNr 60).

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c) Auch die zwischenzeitliche Einführung des Pflegevorsorgefonds und die Erhöhung des Beitragssatzes um 0,3 Prozentpunkte rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen erstmaliger bzw erneuter Klärungsbedürftigkeit. Aus den seit 1.1.2015 geltenden Regelungen zum Pflegevorsorgefonds (§§ 131 ff SGB XI eingeführt durch Gesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222) und zur Erhöhung des Beitragssatzes (§ 55 Abs 1 S 1 SGB XI idF vom 17.12.2014, BGBl I 2222) ergibt sich unter dem Blickwinkel der Klärungsbedürftigkeit keine andere Beurteilung hinsichtlich der von der Klägerin in Frage gestellten Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Beitragserhebung in der sPV.

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Gemäß § 131 SGB XI(idF vom 17.12.2014, BGBl I 2222) wird in der sPV ein Sondervermögen unter dem Namen "Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung" errichtet. Nach § 132 SGB XI dient das Sondervermögen der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sPV. Es darf nach Maßgabe des § 136 SGB XI nur zur Finanzierung der Leistungsaufwendungen der sPV verwendet werden. Gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB XI führt das Bundesversicherungsamt dem Sondervermögen monatlich zum 20. des Monats zu Lasten des Ausgleichsfonds einen Betrag zu, der einem Zwölftel von 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der sPV des Vorjahres entspricht (vgl zum Pflegevorsorgefonds Dalichau, WzS 2016, 35).

21

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/1798 S 42) soll mit der Errichtung des Pflegevorsorgefonds Folgendes erreicht werden:

        


"Mit der Bildung des Sondervermögens in der sozialen Pflegeversicherung soll die Finanzierung der aufgrund der demografischen Entwicklung im Zeitverlauf deutlich steigenden Leistungsausgaben gerechter auf die Generationen verteilt und so auch der Gefahr einer Beschränkung des Leistungsniveaus der Pflegeversicherung begegnet werden.
Der gewählte Ansparzeitraum von 20 Jahren ergibt sich daraus, dass die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1967 mit 1,24 Millionen bis 1,36 Millionen Menschen deutlich stärker besetzt sind als die davor und danach liegenden Jahrgänge. Im Jahr 2034 erreicht der erste Jahrgang das 75. Lebensjahr, nach dem die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu sein, deutlich ansteigt. Etwa 20 Jahre später ist ein größerer Teil dieses Personenkreises bereits verstorben und die erheblich schwächer besetzten Jahrgänge nach 1967 rücken in das Pflegealter vor. Dementsprechend ist in diesem Zeitraum eine besonders hohe Zahl von Pflegebedürftigen zu versorgen. Dadurch steigt die Notwendigkeit von Beitragssatzanpassungen.
Das Sondervermögen darf nach Abschluss der Ansparphase ausschließlich zweckgebunden zur Stabilisierung des aufgrund der demografischen Entwicklung ansteigenden Beitragssatzes verwendet werden. Eine andere Verwendung der Mittel des Sondervermögens ist gesetzlich ausgeschlossen."

22

Die Errichtung des Vorsorgefonds lässt keinen unmittelbaren Bezug zur vorliegend von der Klägerin angegriffenen Beitragserhebung in der sPV erkennen. Wie sich aus § 135 Abs 1 S 1 SGB XI ergibt, wird das Sondervermögen zu Lasten des Ausgleichsfonds gebildet. Nach § 65 Abs 1 SGB XI handelt es sich bei dem Ausgleichsfonds um das vom Bundesversicherungsamt verwaltete Sondervermögen, das die eingehenden Beträge aus 1. den Beiträgen aus den Rentenzahlungen, 2. den von den Pflegekassen überwiesenen Überschüssen aus Betriebsmitteln und Rücklage (§ 64 Abs 4 SGB XI) und 3. den vom Gesundheitsfonds überwiesenen Beiträgen der Versicherten umfasst. Auch die zwischenzeitliche Erhöhung des Beitragssatzes in der sPV um 0,3 Prozentpunkte lässt in Bezug auf das klägerische Begehren keine die Annahme einer erneuten Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen rechtfertigende Änderung erkennen.

23

2. Die Klägerin behauptet weiterhin das Vorliegen von Verfahrensfehlern iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Ihr Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

24

a) Auf Seite 24 macht die Klägerin geltend, das LSG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, "die gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendigen Beiladungen … der Bundesbank und … des Ehemannes der Klägerin von Amts wegen zu beschließen."

25

Die Bundesbank sei gemäß § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen gewesen, weil "Adressat der über die Zwangsbeiträge erhobenen Mittel" der Pflegevorsorgefonds sei. Es sei "offensichtlich", dass jede gerichtliche Entscheidung zur Verfassungskonformität der an ihn abzuführenden Beiträge gegenüber allen Beteiligten - und damit ihn eingeschlossen - nur einheitlich ergehen könne. Richte sich das Begehren der Berücksichtigung der Kindererziehung in den intergenerationell verteilenden Systemen konkret auf die Bereinigung der Bemessungsgrundlage entsprechend dem in den Kinderfreibeträgen dokumentierten steuerlichen Existenzminimum, so folge hieraus "zwangsläufig", dass eine Entscheidung hierüber gegenüber beiden Eltern nur einheitlich erfolgen kann, mithin ebenfalls ein Fall notwendiger Beiladung von Amts wegen gemäß § 75 Abs 2 SGG vorliege(Hinweis auf BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 17/08 R).

26

In der unterbliebenen Beiladung der Bundesbank sowie des Ehemanns der Klägerin ist kein entscheidungserheblicher Verstoß des LSG gegen § 75 Abs 2 SGG zu sehen(zur grundsätzlichen Qualität eines Verstoßes gegen § 75 Abs 2 Alt 1 SGG als Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vgl Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 75 RdNr 13a mwN). Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie nach § 75 Abs 2 SGG beizuladen. Hinsichtlich beider in § 75 Abs 2 SGG genannten Alternativen (Notwendigkeit einheitlicher Entscheidung bzw anderer Leistungspflichtiger) ist deren Vorliegen weder bezüglich der Bundesbank noch bezüglich des Ehemanns anzunehmen. Wie dargelegt hat der Pflegevorsorgefonds, der gemäß § 134 Abs 1 S 1 SGB XI durch die Bundesbank verwaltet wird, keine unmittelbaren Auswirkungen auf die von der Klägerin angegriffene Beitragsbemessung und -festsetzung ua in der sPV. Es handelt sich vielmehr um ein in den Bereich der Beitrags- und Mittelverwendung fallenden Kapitalstock, woraus nach § 136 S 1 SGB XI ohnehin erst ab dem Jahr 2035 Entnahmen möglich sein werden. Adressatin der angegriffenen Beitragsbemessung und -festsetzung ist die Klägerin als versicherungspflichtig Beschäftigte, nicht ihr Ehemann. Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Klägerin im Wege des Ehegatten- bzw Familienunterhalts (vgl zB § 1360 BGB) zur (teilweisen) Erbringung der Beiträge verpflichtet wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

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b) Auf Seite 27 behauptet die Klägerin das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes wegen Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG durch die Mitwirkung des abgelehnten Senatsvorsitzenden.

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aa) Entgegen der Annahme des LSG sei ihr Ablehnungsantrag nicht missbräuchlich gewesen. Schon die Sachdarstellung im angefochtenen Urteil, die Klägerin habe einen offensichtlich unbegründeten Vertagungsantrag allein mit dem Ziel gestellt, nach dessen Ablehnung einen Befangenheitsantrag zu stellen, sei erwiesenermaßen unzutreffend. Bereits vor dem SG habe sie auf die Notwendigkeit der Beiladungen und deren Bedeutung gerade mit Blick auf die von ihr begehrte Vorlage gemäß Art 100 GG bzw die "final fällige" Verfassungsbeschwerde hingewiesen. Schon in ihrem Klagevorbringen gegenüber dem SG habe sie auf den Anschein von Voreingenommenheit bei Unterlassen der notwendigen Beiladungen hingewiesen. Tatsächlich habe das LSG die Beiladungen jedoch erst nach erfolgter Ladung zur mündlichen Verhandlung und ohne Klarstellung gegenüber der Klägerin vorgenommen sowie die beantragte Beiladung der Bundesbank pauschal ohne jede inhaltliche Begründung abgelehnt. Darüber hinaus habe sie bereits vor der mündlichen Verhandlung auf die noch beim BSG anhängigen Revisionen und deren dortige Behandlung (Abladung der mündlichen Verhandlungen) hingewiesen, was vor dem Hintergrund der von der Klägerin am Ende ihres Schriftsatzes vom 27.10.2016 geäußerten Bitte angesichts der prozessualen Fürsorgepflicht des Senatsvorsitzenden gegenüber rechtsunerfahrenen Beteiligten aber ein gesondertes Eingehen erforderlich gemacht hätte, was ausweislich der Niederschrift jedoch nicht erfolgt sei.

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Für jeden neutralen Betrachter mache dies die Befürchtung nachvollziehbar, das Verfahren solle ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit ihrem Vorbringen, ja nicht einmal unter Wahrung "des Scheins" wenigstens der Einhaltung der Formalitäten quasi übers Knie gebrochen werden. Ihren Vertagungsantrag mit dem zusätzlichen Antrag der Beiladung der Bundesbank habe sie eingebracht, weil sie habe befürchten müssen, ein für ihr Anliegen, nämlich die beabsichtigte Verfassungsbeschwerde, wertloses Urteil zu erhalten. Daher habe sie sich nicht missbräuchlich verhalten. Ihr Gesuch sei auch deshalb nicht unzulässig gewesen, weil es sehr wohl ein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erforderlich gemacht habe, was darin deutlich wird, dass sich das LSG im angefochtenen Urteil zu Äußerungen betreffend die verfahrensrechtliche Frage der Beiladung der Bundesbank und deren Entbehrlichkeit wie zur verfahrensrechtlichen Frage der Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beigeladenen, also schließlich auch zu materiell-rechtlichen Ausführungen zum Pflegevorsorgefonds selbst veranlasst gesehen habe.

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bb) Art 101 Abs 1 S 2 GG ist vorliegend nicht verletzt. Der von der Klägerin behauptete Verfahrensfehler liegt nicht vor.

31

Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften in Betracht (BSG Beschluss vom 5.8.2003 - B 3 P 8/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f). Vorliegend ist allerdings zu beachten, dass das LSG den Befangenheitsantrag nicht durch Zwischenentscheidung abgelehnt hat; vielmehr ist es in seinen Urteilsgründen von einem rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuch, das unbeachtlich sei, ausgegangen. In einem solchen Fall kann sich die fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts - anders als in den Fällen einer Zwischenentscheidung - als Verfahrensfehler erweisen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - Juris RdNr 11 mwN).

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In der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl BSG Beschluss vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - Juris RdNr 16 mwN).

33

Das LSG hat sein Vorgehen damit begründet, dass bereits der Vertagungsantrag der Klägerin ganz offensichtlich unbegründet gewesen und allein mit dem Ziel gestellt worden sei, nach dessen Ablehnung einen Befangenheitsantrag zu stellen. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass die Klägerin schon bei Stellung ihres Vertagungsantrags ausgeführt habe, es bestehe die Besorgnis fehlender Ergebnisoffenheit bei Durchführung der Verhandlung, weil die Beigeladenen keine ausreichende Zeit gehabt hätten, sich mit dem Anliegen der Klägerin zu befassen. Zum anderen habe die Klägerin nach Ablehnung des Vertagungsantrags einen bereits vorgefertigt ausgedruckten schriftlichen Befangenheitsantrag gestellt, was zeigt, dass das prozesstaktische Vorgehen der Klägerin von Anfang an darauf gerichtet war, den ordnungsgemäßen Gang der mündlichen Verhandlung zu verhindern und somit prozessfremde Ziele zu verfolgen.

34

Der als Anlage zur Niederschrift über die mündliche Verhandlung zu den Akten genommene schriftliche Ablehnungsantrag der Klägerin rechtfertigt seine Bewertung als rechtsmissbräuchlich. Nach einer allgemein gehaltenen Schilderung der Hintergründe der Klage führt die Klägerin aus:

        

 "Im vorliegende Rechtsstreit wurde nach meinem Kenntnisstand mit Ladungsverfügung vom 19.10.2016 lediglich Beklagte und Klägerin zur mündlichen Verhandlung geladen. Ob eine Ladung der gRV, der sPV sowie des Arbeitgebers nach Beiladungsbeschluss 20.10.2016 erfolgte, ist mir unbekannt. Zumindest aber dürfte es zeitlich an der erforderlichen Möglichkeit zur Auseinandersatzung mit dem Streitgegenstand fehlen. Damit ergibt sich schlüssig, dass der Kammervorsitzende den Rechtsstreit auch ohne Berücksichtigung des Inhalts der Verfassungsbeschwerden und Stellungnahmen, sowie ohne gegebenenfalls notwendige weitere Sachaufklärung für entscheidungsreif hält.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt aber weder eine Entscheidung zu meinen Gunsten, noch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG zulässigerweise in Betracht. Die Verfahrensweise des Vorsitzenden entbehrt somit jeglicher gesetzlicher Grundlage und beinhaltet eine Häufung von Verfahrensfehlern. Für mich ergibt sich schlüssig und vernünftigerweise die Besorgnis, dass der Kammervorsitzende keinesfalls ergebnisoffen in die mündliche Verhandlung eingetreten ist, sondern sich offenbar bereits auf das Ergebnis einer Klageabweisung festgelegt hat. Von meinem Standpunkt aus drängt sich vernünftig und objektiv betrachtet, das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Vorsitzenden Richters förmlich auf."

35

Für die Bewertung als rechtsmissbräuchlich spricht, dass der schriftliche Antrag vorgefertigt war und nur im Einleitungssatz und im vorletzten Absatz Angaben zum konkreten Verfahren in Form des Datums der Ladungsverfügung enthielt. Auffällig ist, dass nicht nur die namentliche Bezeichnung des abgelehnten Richters unterblieben ist. Stattdessen ist im Ablehnungsgesuch wiederholt nur vom "Vorsitzenden" bzw vom "vorsitzenden Richter" die Rede. Darüber hinaus wird wiederholt vom "Kammervorsitzenden" und nicht vom Senatsvorsitzenden gesprochen. Ausweislich der Niederschrift hat die Klägerin auch die ihr in der mündlichen Verhandlung eingeräumte Möglichkeit, ihr vorgefertigtes Befangenheitsgesuch zu erläutern, nicht wahrgenommen.

36

3. Schließlich macht die Klägerin auf Seite 31 der Beschwerdebegründung geltend: "Der Vollständigkeit halber: Rügen von 'Divergenz' - § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG - und weiteren Verfahrensfehlern (Verletzung rechtlichen Gehörs) - § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG - jeweils iVm § 160a Abs. 2 SGG". Auch insoweit ist eine Zulassung der Revision nicht gerechtfertigt.

37

"Der Vollständigkeit und guten Ordnung halber" seien noch die von der Klägerin "bereits festgestellten" Divergenzen zwischen dem "Beitragskinderurteil" des BVerfG vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) im Hinblick auf die "lebenslängliche" (BSG) versus "temporäre Berücksichtigung der Kindererziehung" (BVerfG), ferner auf das mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Zulässigkeit von Typisierungen nicht zu vereinbarende Urteil des BSG vom 30.9.2015 bzw ihm folgend entsprechend das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 15.11.2016 als entscheidungserhebliche Gesichtspunkte zu rügen. Dasselbe gelte hinsichtlich der Aussagen des LSG im Hinblick auf den Pflegevorsorgefonds, welche mit den Aussagen des BVerfG im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1681/94) kollidierten.

38

a) Die von der Klägerin "der Vollständigkeit halber" gerügte Divergenz des angefochtenen Urteils zu Urteilen des BVerfG und des BSG liegt nicht vor. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG Beschluss vom 27.1.1999 - B 4 RA 131/98 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

39

Der Beschwerdebegründung kann nicht der Nachweis sich widersprechender, tragender Rechtssätze entnommen werden. Insbesondere hat sich das LSG bei seiner Entscheidung ua ausdrücklich auf das Urteil des Senats vom 30.9.2015 (B 12 KR 15/12 R - BSGE 120, 23 = SozR 4-1100 Art 3 Nr 77) berufen. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind dem angefochtenen Urteil in Bezug auf den im Jahr 2015 geschaffenen Pflegevorsorgefonds keine von dem sPV-Urteil des BVerfG abweichenden tragenden Rechtssätze zu entnehmen.

40

b) Ein in diesem Zusammenhang von der Klägerin gerügter Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

41

Eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG)liegt insbesondere dann vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BVerfGE 25, 137, 140), oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG Urteil vom 23.5.1996 - 13 RJ 75/95 - SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung mehrerer vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, BVerfGE 84, 188, 190; 86, 133, 144 f; 98, 218, 263; BSG Urteil vom 2.9.2009 - B 6 KA 44/08 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 6 RdNr 18 mwN). Andererseits liegt keine unzulässige Überraschungsentscheidung vor, wenn die Problematik bereits Gegenstand von Äußerungen der Beteiligten des streitigen Verfahrens war (vgl zB BVerfG Beschluss vom 12.7.2006 - BVerfGK 8, 376; vgl auch BSG Beschluss vom 20.8.2008 - B 13 R 217/08 B - Juris RdNr 9) oder selbst in das Verfahren eingeführt wurde.

42

Die Klägerin trägt zu den Ausführungen des LSG zum Pflegevorsorgefonds vor:

"Da die Klägerin auch diesen Aspekt durch Bezugnahme auf die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 3135/94 (aaO, siehe dort S. 53 ,56 f.) und zugleich mit dem Angebot der Beibringung der Schriftsätze, falls notwendig (zuletzt noch im Schriftsatz vom 27.10.2016 (Bl. 63 Gerichtsakte), vorgetragen hatte, ist überdies auch hier zusätzlich die Verletzung des grundrechtsgleichen Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör -Art.101 Abs. 1 GG, 62 SGG- als entscheidungserheblicher, revisionseröffnender Verfahrensfehler -§ 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG - zu rügen; denn dass das LSG sein Urteil in Kenntnis dieses Vortrags der Klägerin- und damit in Kenntnis der konträren Aussagen des BVerfG ohne zumindest die Revisionszulassung getroffen hätte, ist unter Berücksichtigung des Rechtsstaatsprinzips ebenso auszuschließen wie eine rechtserhebliche Begründung des LSG dafür, diesen Vortrag unberücksichtigt zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 1975 - 2 BvR 1086/74 -, BVerfGE40,101-106; siehe ferner Meyer-Ladewig, SGG-Komm., § 160 Rn 20- mwN)."

43

Schon die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lässt keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör erkennen. Denn die Klägerin rügt im Kern ihres Vorbringens lediglich, dass das LSG ihrer Rechtsansicht in Bezug auf den Pflegevorsorgefonds und den von ihr behaupteten Zusammenhängen in Bezug auf den vorliegenden Streitgegenstand nicht gefolgt ist. Das Recht auf rechtliches Gehör gebietet allerdings nur, dass die Gerichte die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen, es verpflichtet sie aber nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen, ihn also zu "erhören" (BVerfG Beschluss vom 8.4.2014, NZS 2014, 539 RdNr 13 mwN).

44

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

45

5. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

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Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 119/16 B zitiert 40 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 75


(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Zivilprozessordnung - ZPO | § 557 Umfang der Revisionsprüfung


(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 46 Witwenrente und Witwerrente


(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 58 Anrechnungszeiten


(1) Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte1.wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben,1a.nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 56 Kindererziehungszeiten


(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehung

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 55 Beitragssatz, Beitragsbemessungsgrenze, Verordnungsermächtigung


(1) Der Beitragssatz beträgt, vorbehaltlich des Satzes 2, bundeseinheitlich 3,4 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder; er wird grundsätzlich durch Gesetz festgesetzt. Die Bundesregierung wird ermächtigt, den Beitragssatz nach Satz

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1360 Verpflichtung zum Familienunterhalt


Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie b

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 3 Sonstige Versicherte


Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit,1.für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56),1a.in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf re

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 223 Beitragspflicht, beitragspflichtige Einnahmen, Beitragsbemessungsgrenze


(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. (2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 249 Beitragszeiten wegen Kindererziehung


(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. (2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Gelt

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 57 Berücksichtigungszeiten


Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies gilt fü

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 54 Grundsatz


(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt. (2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgren

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 47 Erziehungsrente


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn 1. ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,2. sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatte

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 243 Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten


(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten, 1. deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,2. die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 161 Grundsatz


(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen. (2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitra

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 157 Grundsatz


Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 65 Ausgleichsfonds


(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet als Sondervermögen (Ausgleichsfonds) die eingehenden Beträge aus:1.den Beiträgen aus den Rentenzahlungen,2.den von den Pflegekassen überwiesenen Überschüssen aus Betriebsmitteln und Rücklage (§ 64 Abs

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 249a Beitragszeiten wegen Kindererziehung im Beitrittsgebiet


(1) Elternteile, die am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, sind von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie vor dem 1. Januar 1927 geboren sind. (2) Ist ein Elternteil bis zum 31. Deze

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 78a Zuschlag bei Witwenrenten und Witwerrenten


(1) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Witwenrenten und Witwerrenten richtet sich nach der Dauer der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres. Die Dauer ergibt sich aus der Summe der Anzahl an Kalendermonaten m

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 243a Rente wegen Todes an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten im Beitrittsgebiet


Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden. In diesen Fällen besteht Anspruch auf Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch, w

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 134 Verwaltung und Anlage der Mittel


(1) Die Verwaltung und die Anlage der Mittel des Sondervermögens werden der Deutschen Bundesbank übertragen. Für die Verwaltung des Sondervermögens und seiner Mittel werden der Bundesbank entsprechend § 20 Satz 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundes

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 64 Rücklage


(1) Die Pflegekasse hat zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage zu bilden. (2) Die Rücklage beträgt 50 vom Hundert des nach dem Haushaltsplan durchschnittlich auf den Monat entfallenden Betrages der Ausgaben (Rücklagesoll).

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 136 Verwendung des Sondervermögens


Ab dem Jahr 2035 kann das Sondervermögen zur Sicherung der Beitragssatzstabilität der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden, wenn ohne eine Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht au

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 135 Zuführung der Mittel


(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung führt dem Sondervermögen monatlich zum 20. des Monats zu Lasten des Ausgleichsfonds einen Betrag zu, der einem Zwölftel von 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung des Vorj

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 132 Zweck des Vorsorgefonds


Das Sondervermögen dient der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Es darf nach Maßgabe des § 136 nur zur Finanzierung der Leistungsaufwendungen der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 131 Pflegevorsorgefonds


In der sozialen Pflegeversicherung wird ein Sondervermögen unter dem Namen „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ errichtet.

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Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 119/16 B zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 119/16 B zitiert 6 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

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Bundessozialgericht Urteil, 30. Sept. 2015 - B 12 KR 15/12 R

bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

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Bundessozialgericht Beschluss, 31. Aug. 2015 - B 9 V 26/15 B

bei uns veröffentlicht am 31.08.2015

Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 30. Apr. 2015 - B 10 EG 17/14 B

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Bundessozialgericht Beschluss, 17. Apr. 2012 - B 13 R 347/11 B

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Tenor Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 02. Feb. 2010 - B 8 SO 17/08 R

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Tatbestand 1 Im Streit ist, ob der Beklagte Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt B auf Rückerstattung von Steuern auf sich überleiten durf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundessozialgericht Beschluss, 10. Okt. 2017 - B 12 KR 119/16 B.

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 15. Jan. 2018 - L 14 R 5201/16

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Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Würzburg vom 25. Oktober 2016 wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahre

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 21. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit steht die Höhe der dem Kläger bewilligten Regelaltersrente.

2

Der 1940 geborene Kläger ist portugiesischer Staatsangehöriger; er hat zunächst in seinem Heimatland und seit Mai 1973 in Deutschland Versicherungszeiten zur Rentenversicherung erworben. Ab Oktober 2000 gewährte ihm die Beklagte auf seinen Rentenantrag eine - ausschließlich nach innerstaatlichem Recht berechnete - Altersrente wegen Arbeitslosigkeit als vorläufige Leistung.

3

Nachdem der Kläger eine Bescheinigung des portugiesischen Versicherungsträgers vom 15.11.2001 über Beitragszeiten von 1964 bis 1966 vorgelegt hatte, stellte die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers neu und endgültig in Höhe von monatlich € 417,84 fest (Bescheid vom 2.1.2002 und Widerspruchsbescheid vom 29.4.2002). Dem lag die - im Vergleich zur innerstaatlichen höhere - zwischenstaatliche Berechnung nach Art 46 Abs 2 EWGV 1408/71 zugrunde. Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos (Urteile des SG Hamburg vom 29.1.2004 und des LSG Hamburg vom 21.9.2005). Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 12.12.2006 das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückverwiesen. Das LSG hat eine vom portugiesischen Rentenversicherungsträger ausgestellte Bescheinigung E 205 PT vom 10.2.2010 (in der neben den bereits berücksichtigten 27 Monaten Beitragszeiten weitere 27 Monate sowie eine Ergänzungszeit von 20 Monaten bestätigt worden waren) beigezogen; auf dieser Grundlage stellte die Beklagte die Rente des Klägers neu in Höhe von monatlich € 452,54 ab dem 1.5.2010 fest sowie eine Nachzahlung von € 663,87 für die Zeit vom 1.1.2006 bis zum 30.4.2010 (Bescheid vom 1.4.2010). Auch dieser Neuberechnung lag die (höhere) zwischenstaatliche Berechnung nach Art 46 Abs 2 EWGV 1408/71 zugrunde. Bei der rein innerstaatlichen Vergleichsberechnung nach Art 46 Abs 1 Buchst a Ziff i EWGV 1408/71 ging die Beklagte im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nach § 72 Abs 2 S 1 SGB VI von einem belegungsfähigen Gesamtzeitraum ab dem vollendeten 17. Lebensjahr des Klägers aus.

4

Das LSG hat die Berufung gegen das Urteil des SG Hamburg vom 29.1.2004 erneut zurückgewiesen (Urteil vom 21.6.2011): Der Bescheid vom 1.4.2010 sei nach § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Eine höhere als die mit diesem Bescheid zuerkannte Rente stehe dem Kläger nicht zu. Die Beklagte habe alle mitgeteilten portugiesischen Versicherungszeiten berücksichtigt. Weitere Beitragszeiten seien nicht ersichtlich und ergäben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers. Die Berechnung der Beklagten sei zutreffend. Dies gelte sowohl für den eigentlichen Rechenvorgang als auch für die Grundannahme, dass bei der Vergleichsberechnung nach innerstaatlichem Recht der belegungsfähige Gesamtzeitraum nach § 72 Abs 2 SGB VI die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente unabhängig davon umfasse, wo diese zurückgelegt worden sei. Aus Art 46 Abs 1 EWGV 1408/71 folge nicht, dass für die rein innerstaatliche Rentenberechnung lediglich die Zeiträume als belegungsfähig herangezogen werden dürften, die der Versicherte im Inland zurückgelegt habe (Hinweis auf LSG Rheinland-Pfalz vom 8.9.2004 - L 6 RJ 15/03). Auch die zwischenstaatliche Berechnung habe die Beklagte zutreffend durchgeführt.

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers. Er beruft sich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

6

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

7

1. Sie ist unbegründet, soweit der Kläger folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam bezeichnet:

"Sind bei der innerstaatlichen Berechnung gemäß Art 52 Abs 1 Buchst a EGV 883/2004 bzw Art 46 Abs 1 EWGV 1408/71 Zeiten im EU-Ausland gemäß § 72 SGB VI nicht belegungsfähig?"

8

Hierzu trägt der Kläger vor, zu diesem Problem liege keine Entscheidung des BSG vor. Lediglich das LSG Rheinland-Pfalz habe im Urteil vom 8.9.2004 (L 6 RJ 15/03) die Problematik behandelt und angenommen, es sei nicht zu beanstanden, dass in die Berechnung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums nach § 72 SGB VI auch die im EU-Ausland zurückgelegten Zeiten des Versicherten einbezogen würden. Im Rahmen der bei der innerstaatlichen Berechnung durchzuführenden Gesamtleistungsbewertung umfasse der belegungsfähige Gesamtzeitraum nach § 72 Abs 2 SGB VI die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr des Rentenantragstellers bis zum Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente. Nicht belegungsfähig nach § 72 Abs 3 SGB VI seien Kalendermonate mit beitragsfreien Zeiten, die nicht auch Berücksichtigungszeiten seien sowie Bezugszeiten einer Rente. Beitragsfreie Zeiten würden umso höher bewertet, je geringer der belegungsfähige Gesamtzeitraum sei. Würde daher bei der Bewertung der beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten lediglich auf den Zeitraum ab dem Beginn der Beschäftigung des Klägers in Deutschland (Mai 1973) abgestellt (und nicht auf die Zeit ab dem 17. Lebensjahr), wären die beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten höher zu bewerten; denn dann wäre der belegungsfähige Gesamtzeitraum kürzer. Es stelle sich die Frage, ob die Regelung in § 72 SGB VI in der Auslegung des LSG nicht zu einer unzulässigen Kürzungsklausel werde.

9

Aus dieser Argumentation ergibt sich jedoch kein revisionsgerichtlicher Klärungsbedarf:

10

Selbst wenn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug auf die Bemessung des belegungsfähigen Gesamtzeitraums bei der innerstaatlichen Berechnung den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) genügen sollte (§ 160a Abs 2 S 3 SGG),ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen.

11

a) Denn die Antwort auf die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ergibt sich zweifelsfrei aus dem Gesetz:

Bei der (im Rahmen der Vergleichsberechnung nach Art 46 EWGV 1408/71 als Zwischenschritt durchzuführenden) rein innerstaatlichen Berechnung nach Art 46 Abs 1 Buchst a Ziff i EWGV 1408/71 erfolgt die Berechnung allein nach den für die Rentenberechnung maßgeblichen innerstaatlichen, dh im vorliegenden Fall deutschen Rechtsvorschriften. Hieran zweifelt auch der Kläger nicht. Im deutschen Recht sind bei der Rentenberechnung - soweit für die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage von Belang - die Entgeltpunkte für beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nach den §§ 71 ff SGB VI festzustellen. Hierbei umfasst (im Fall einer Altersrente) nach § 72 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI der belegungsfähige Gesamtzeitraum die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Kalendermonat vor Beginn der Rente. Der Wortlaut des Gesetzes knüpft mithin für die Bestimmung des Beginns des belegungsfähigen Gesamtzeitraums an ein bestimmtes Alter des Versicherten an und nicht an seine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Versicherung oder an seinen Aufenthaltsort.

12

Bei der Berechnung der Rentenhöhe für beitragsfreie Zeiten (Gesamtleistungsbewertung nach §§ 71 ff SGB VI) entfallen auf die in anderen Mitgliedstaaten zurückgelegten Zeiten keine Beiträge (§ 71 Abs 1 S 1 SGB VI); sie sind infolgedessen versicherungsrechtliche Lücken und mindern als solche den Gesamtleistungswert (vgl Bokeloh in juris-PraxisKomm SGB I, 2. Aufl 2011, Art 57 VO 883/2004 RdNr 15). Vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum als nicht belegungsfähig abzuziehen sind nach § 72 Abs 3 Nr 1 SGB VI lediglich Kalendermonate mit beitragsfreien Zeiten(§ 54 Abs 4 SGB VI), die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind (§ 57 SGB VI), und nach Nr 2 Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, die nicht auch Beitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten sind. Ein Auslandsaufenthalt und dort ggf absolvierte rentenversicherungsrechtliche Zeiten sind hingegen weder für Deutsche noch für ausländische Staatsangehörige vom belegungsfähigen Gesamtzeitraum ausgenommen. Eine gesetzliche Grundlage für eine Einschränkung dieses Zeitraums auf Zeiten, in denen sich der Versicherte im Inland aufgehalten hat, ist nicht ersichtlich und wird auch vom Kläger nicht dargelegt.

13

Hierin liegt - entgegen der Meinung des Klägers - keine europarechtlich bedenkliche "Kürzungsklausel". Bei der rein innerstaatlichen Berechnung handelt es sich lediglich um einen Zwischenschritt bei der Feststellung der konkreten Rentenhöhe. Sinn und Zweck der innerstaatlichen Vergleichsberechnung ist es, zu verhindern, dass das Gemeinschaftsrecht dem Versicherten eine Rente entzieht, die ihm bereits nach nationalem Recht zusteht (sog Petroni-Prinzip, vgl hierzu EuGH Urteil vom 21.10.1975 - C-24/75 - EuGHE 1975, 1149). Führt die unter Berücksichtigung der ausländischen Versicherungszeiten durchzuführende zwischenstaatliche Berechnung - wie in den Bescheiden vom 2.1.2002 und 1.4.2010 beim Kläger - zu einem höheren Rentenbetrag, ist dieser maßgeblich. Die EGV 883/2004 hat hieran in der Sache nichts geändert (vgl nunmehr Art 52 EGV 883/2004).

14

b) Diese Antwort auf die Rechtsfrage 1 entspricht auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung: Denn zum Ende des belegungsfähigen Gesamtzeitraums hat der 5. Senat des BSG bereits entschieden, dass der Aufenthalt im Ausland einer Einbeziehung in den belegungsfähigen Gesamtzeitraum nach § 72 Abs 2 S 1 SGB VI nicht entgegen steht(BSG SozR 4-2600 § 72 Nr 2 RdNr 15 ff). Für den Beginn dieses Zeitraums gilt nichts Abweichendes.

15

2. Der Kläger hat zur zwischenstaatlichen Berechnung die Fragen aufgeworfen, ob gemäß § 54 SGB VI die in Portugal zuerkannten

(a) Zeiten "für die Erlangung des Anspruchs" oder die "für die Errechnung der Leistung" als Beitragszeiten

(b) Ergänzungszeiträume nach den og Zeiten als "gleichgestellte Zeiten" zu berücksichtigen seien.

16

Insoweit ist jedoch die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig, weil sie die Darlegungserfordernisse (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) nicht erfüllt.

17

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (stRspr; vgl zum Ganzen BSG vom 25.9.2002, SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (= Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen, letzteres jedoch nur, soweit sich nicht bereits aus der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit die behauptete Breitenwirkung ergibt.

18

Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung hinsichtlich der og Frage (b) schon deshalb nicht, weil sie deren Klärungsbedürftigkeit in keinerlei Hinsicht erläutert. Ebenso wenig kann ausreichen, dass der Kläger zur Frage (a) lediglich ausführt, das LSG habe ohne Begründung lediglich die Zeiten "für die Erlangung des Anspruchs" zugrunde gelegt; vom BSG sei die Frage noch nicht entschieden worden. Es fehlt an jeglicher Darlegung, welche Rechtsvorschriften einschlägig sind und ob sich nicht schon anhand derer die gestellte Frage beantwortet. Damit kann noch nicht einmal beurteilt werden, ob die Rechtsfrage Bundesrecht oder europäisches Recht, also gemäß § 162 SGG revisibles Recht(zum Europarecht vgl BVerfG vom 31.5.1990, BVerfGE 82, 159, 196 unter Hinweis auf BVerwG vom 12.6.1970, BVerwGE 35, 277 Leits 2) betrifft oder nicht revisibles ausländisches (portugiesisches) Recht.

19

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Höhe des Elterngelds für den 1. und 13. Lebensmonat des am 21.4.2011 geborenen Sohnes des Klägers. Das beklagte Land gewährte dem abhängig beschäftigten Kläger für diese Lebensmonate Elterngeld ausgehend von den Bruttoeinkünften in der Zeit von April 2010 bis März 2011 unter Berücksichtigung monatlicher Provisionsvorschüsse in Höhe von 464,11 Euro, nicht jedoch der jährlichen Schlussprovision im März 2011 in Höhe von 22 717 Euro. Klage und Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, bei der jährlichen Schlussprovision handele es sich nicht um berücksichtigungsfähigen laufenden Arbeitslohn, sondern um "sonstige Bezüge" iS des § 2 Abs 7 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) aF. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien Provisionen als laufender Arbeitslohn zu berücksichtigen, wenn sie neben dem monatlichen Grundgehalt für kürzere Zeiträume als ein Jahr und damit mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig gezahlt würden. Daran ändere sich auch nichts durch den Umstand, dass der Kläger die vertragliche Gestaltungsmöglichkeit (der Kläger hätte für Provisionszahlungen bis zur angenommenen Zielerreichung von 100 vH auch eine monatliche Zahlung der Provision wählen können) genutzt habe, die Vorauszahlungen niedrig zu halten und das Risiko etwaiger Rückzahlungen zu minimieren. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Berechtigten mit höheren variablen Anteilen rechtfertige sich dadurch, dass die monatlichen Einnahmen die wirtschaftlichen Verhältnisse nachhaltiger prägten (Urteil vom 17.10.2014).

2

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Der Kläger legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Weise dar. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG)beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

5

Der Kläger wirft die Frage auf, ob die Nichtberücksichtigung von jährlich ausgezahlten Provisionszahlungen in erheblicher Höhe bei der Berechnung von Elterngeld gemäß § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF vom 1.1.2011 bis 17.9.2012 gegen das Gleichheitsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG verstößt. Es ist schon zweifelhaft, ob sich damit eine in jeder Hinsicht hinreichend konkrete Rechtsfrage verbindet. Aber selbst für diesen Fall zeigt der Kläger den Klärungsbedarf nicht auf. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger zeigt zwar eine Ungleichbehandlung zu der von ihm für maßgeblich gehaltenen Vergleichsgruppe der Arbeitnehmer mit höheren monatlichen Provisionsanteilen auf. Er versäumt aber schon jede Auseinandersetzung mit dem Umstand, dass die daraus resultierenden Unterschiede auf seiner frei gewählten vertraglichen Gestaltungsmöglichkeit beruhen und deshalb vermeidbar sind.

6

Der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage kommt im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung (mehr) zu. Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegt nicht mehr vor, wenn die abstrakte Rechtsfrage der Klärung in einem Revisionsverfahren nicht mehr bedarf, weil sie ua höchstrichterlich entschieden ist. Der erkennende Senat hat in seinen Urteilen vom 26.3.2014 (ua B 10 EG 14/13 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 25 ua) allerdings für die Differenzierung nach jährlichen und unterjährigen Provisionszahlungen darauf abgestellt, dass in den erstgenannten Fällen die Einnahmen aufgrund ihres Ausnahmecharakters bei typisierender Betrachtung nicht geeignet sind, die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers hinreichend rechtssicher und dauerhaft zu prägen (BSG aaO RdNr 32). Dass trotz dieser vorhandenen höchstrichterlichen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf bestehe, hat der Kläger nicht ausreichend vorgetragen. Um darzulegen, dass einer bereits entschiedenen Rechtsfrage gleichwohl noch grundsätzliche Bedeutung zukomme, hat ein Beschwerdeführer aufzuzeigen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen werde bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten sei (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51). Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht; mit den genannten Urteilen zur sozial- und steuerrechtlichen Behandlung von Provisionszahlungen setzt sich die Beschwerde nicht auseinander.

7

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

8

3. Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

9

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Die Mittel für die Pflegeversicherung werden durch Beiträge sowie sonstige Einnahmen gedeckt.

(2) Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55) erhoben. Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt. Für die Berechnung der Beiträge ist die Woche zu sieben, der Monat zu 30 und das Jahr zu 360 Tagen anzusetzen.

(3) Die Vorschriften des Zwölften Kapitels des Fünften Buches gelten entsprechend.

(1) Die Verwaltung und die Anlage der Mittel des Sondervermögens werden der Deutschen Bundesbank übertragen. Für die Verwaltung des Sondervermögens und seiner Mittel werden der Bundesbank entsprechend § 20 Satz 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank keine Kosten erstattet.

(2) Die dem Sondervermögen zufließenden Mittel einschließlich der Erträge sind unter sinngemäßer Anwendung der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, „Versorgungsfonds des Bundes“, „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ und „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ (Anlagerichtlinien Sondervermögen) zu marktüblichen Bedingungen anzulegen. Dabei ist der in Aktien oder Aktienfonds angelegte Anteil des Sondervermögens ab dem Jahr 2035 über einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren abzubauen. Das Bundesministerium für Gesundheit ist im Anlageausschuss nach § 5 der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, „Versorgungsfonds des Bundes“, „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ und „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ (Anlagerichtlinien Sondervermögen) vertreten.

(3) Für Zwecke der Doppelbesteuerungsabkommen gilt das Sondervermögen als in Deutschland ansässige Person, die der deutschen Besteuerung unterliegt.

Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird.

(1) Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen.

(2) Beitragsbemessungsgrundlage für freiwillig Versicherte ist jeder Betrag zwischen der Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (§ 167) und der Beitragsbemessungsgrenze.

(1) Die Beiträge sind für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

(2) Die Beiträge werden nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Für die Berechnung ist die Woche zu sieben, der Monat zu dreißig und das Jahr zu dreihundertsechzig Tagen anzusetzen.

(3) Beitragspflichtige Einnahmen sind bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 für den Kalendertag zu berücksichtigen (Beitragsbemessungsgrenze). Einnahmen, die diesen Betrag übersteigen, bleiben außer Ansatz, soweit dieses Buch nichts Abweichendes bestimmt.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern mit mehreren Kindern im Hinblick auf einen höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwand in Abhängigkeit von der Kinderzahl zu mindern ist.

2

Die 1967 geborene, verheiratete Klägerin ist Mutter von vier in den Jahren 2001, 2002, 2004 und 2009 geborenen Kindern. Sie war bis 15.4.2008 versicherungspflichtig beschäftigt und ist seitdem arbeitslos bzw wegen der Geburt ihres vierten Kindes nicht mehr erwerbstätig. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Krankenkasse und der beigeladenen Pflegekasse; Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge wurden in gesetzlicher Höhe entrichtet.

3

Im Januar 2008 stellte die Klägerin bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Hinweis auf das Urteil des BVerfG zur sPV vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2; im Folgenden: sPV-Urteil) ua den Antrag, ihr in der sPV ab sofort "für den Zeitraum, in dem für sie … Anspruch auf Kindergeld für das entsprechende Kind besteht", anstatt des ihr im Vergleich zu einem kinderlosen Beitragszahler gegenwärtig pauschal gewährten Beitragsnachlasses "denselben Beitragsnachlass je Kind" zu gewähren. Derzeit würden noch immer Beitragszahler mit (nur) einem Kind gegenüber solchen mit mehreren Kindern verfassungswidrig privilegiert, weil der Gesetzgeber die tatsächlichen Unterschiede in der Erziehungsleistung von Beitragszahlern mit mehr als einem Kind sachwidrig außer Acht lasse. Mit Bescheid vom 26.2.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf "Reduzierung" ihres Beitrags zur sPV unter Hinweis darauf ab, dass der Gesetzgeber die Entscheidung des BVerfG mit dem Kinder-Berücksichtigungsgesetz (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448) zutreffend umgesetzt habe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2008 zurück. Mit Bescheid vom 28.11.2008 "konkretisierte" die Beklagte die vorangegangenen Bescheide dahingehend, dass der Beitrag zur sPV für den Beitragszeitraum vom 9.1.2008 bis 15.4.2008 in gesetzlicher Höhe 95,04 Euro betrage und jeweils zur Hälfte (47,52 Euro) vom Arbeitgeber und von ihr - der Klägerin - als Arbeitnehmerin zu tragen sei.

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage abgewiesen (Urteil vom 14.9.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren hat die Klägerin ihre Klageanträge "präzisiert" und beantragt, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben, als darin in der sPV für den Zeitraum, in dem Anspruch auf Kindergeld besteht, kein dem Kinderlosenzuschlag entsprechender Nachlass für jedes Kind berücksichtigt ist, und die Beklagte zu verurteilen, den Beitrag unter Berücksichtigung dieses Nachlasses für weitere zwei im Jahr 2008 erzogene Kinder zu berechnen sowie ihr ab Januar 2008 Beiträge zur sPV zunächst für das Jahr 2008 in Höhe von 29,86 Euro (= Beitragsnachlass für zwei Kinder) zu erstatten.

6

Das LSG hat ihre Berufung zurückgewiesen: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Bemessung der Beiträge zur sPV entspreche den gesetzlichen Bestimmungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber habe mit dem KiBG den Auftrag des BVerfG zu einer gesetzlichen Neuregelung im Hinblick auf die Pflegeversicherung ohne Verstoß gegen diesen Auftrag erfüllt und für Kinderlose einen Beitragszuschlag eingeführt. Diese Umsetzung bewege sich im Rahmen des dem Gesetzgeber eingeräumten verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraums. Das BVerfG habe lediglich beanstandet, dass Mitglieder der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, gleich hohe Pflegeversicherungsbeiträge wie Versicherte ohne Kinder zu entrichten hatten. Wie der Gesetzgeber die Betreuungs- und Erziehungsleistungen bei der Beitragsbemessung von beitragspflichtigen Versicherten mit Kindern berücksichtige, habe das BVerfG dem Gesetzgeber überlassen. Das BVerfG habe insoweit nur eine verfassungsrechtliche Verpflichtung dahingehend ausgesprochen, dass der Gesetzgeber eine Lösung wählen müsse, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlaste. Insbesondere sei der Gesetzgeber für die Umsetzung des Urteils des BVerfG nicht dazu verpflichtet gewesen, an die Zahl der Kinder anzuknüpfen; er habe allein die Elterneigenschaft als maßgebendes Kriterium für die unterschiedliche Beitragshöhe heranziehen dürfen. Nach den Feststellungen des BVerfG habe sich nämlich aufgrund der Anhörung eines Sachverständigen ergeben, dass die Elterneigenschaft und nicht die Zahl der Kinder die Wahl der Versicherten zwischen den verschiedenen Leistungsarten der ambulanten Pflege entscheidend bestimme. Dieser Vorgabe werde das KiBG gerecht. Durch den höheren Beitrag für Kinderlose würden Unterhaltsverpflichtete gegenüber Kinderlosen bereits ab dem ersten Kind entlastet (Urteil vom 22.3.2013).

7

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt einen Verstoß der - vom LSG angewandten - "gesetzlichen Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Beitragsrecht der sozialen Pflegeversicherung", soweit darin "von einer Staffelung des Beitragssatzes nach der Kinderzahl abgesehen" wird, gegen Art 3 Abs 1 GG. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Das LSG habe verkannt, dass der Gesetzgeber den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt habe, weil das KiBG keine Staffelung des Pflegeversicherungsbeitrags nach der Kinderzahl vorsehe. Das BVerfG habe im sPV-Urteil schon als verfassungswidrig angesehen, dass kinderlose Beitragszahler und Beitragszahler mit (nur) einem Kind gleichbehandelt würden. Weil Versicherte mit mehreren Kindern einen größeren generativen Beitrag erbrächten und der mit der Kindererziehung einhergehende Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung proportional mit der Kinderzahl steige, könne allein die Kinderzahl - und nicht die (bloße) Elterneigenschaft - sachliches Differenzierungskriterium sein. Das Ausmaß der tatsächlichen Unterschiede in Bezug auf die Erziehungsleistung bzw der generative Beitrag für das Sozialversicherungssystem dürfe im Beitragsrecht der sPV nicht außer Betracht bleiben. Erziehungsleistung bzw generativer Beitrag würden im Beitragsrecht der sPV aber bisher unabhängig von der Kinderzahl gleichbehandelt. Zwar dürfe der Gesetzgeber typisieren; dieser Gesichtspunkt führe jedoch nicht zu einem anderen Ergebnis, schon weil die Gruppe der Familien mit zwei oder mehr Kindern im Vergleich zur Gruppe der Familien mit (nur) einem Kind keine zu vernachlässigende Minderheit darstelle.

8

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. März 2013 und des Sozialgerichts Mannheim vom 14. September 2010 aufzuheben, soweit sie die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung betreffen,
ferner
den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12. März 2008 und in der Gestalt des Bescheides vom 28. November 2008 aufzuheben, soweit darin höhere Pflegeversicherungsbeiträge erhoben werden als sich unter Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für jedes ihrer Kinder ergäbe, so wie diese zu verurteilen, ihr - der Klägerin - für das Jahr 2008 Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 29,86 Euro zu erstatten.

9

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

10

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

12

1. In diesem Revisionsverfahren zu überprüfen ist das Berufungsurteil nur insoweit, als es die Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin betrifft; hinsichtlich der leistungsrechtlichen Fragen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat der Senat angeordnet, dass diese Rechtsstreitigkeit in einem getrennten Prozess verhandelt wird (anhängig bei dem 13. Senat des BSG unter dem Aktenzeichen B 13 R 19/14 R). Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der beklagten Krankenkasse in ihrer Eigenschaft als Einzugsstelle vom 26.2.2008 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 12.3.2008, ferner in der Gestalt ihres Bescheides vom 28.11.2008, mit dem sie die vorangegangenen Bescheide "konkretisierte" und den für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 zu entrichtenden Pflegeversicherungsbeitrag der Klägerin festsetzte. Zu befinden ist über diese Bescheide allerdings nur insoweit, als sie die Höhe der Beiträge ohne Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für weitere zwei Kinder bemessen. Im Umfang dieses Beitragsteils ist auch über einen Anspruch auf Beitragserstattung zu entscheiden.

13

2. Zu Recht hat das LSG - in Bezug auf den genannten Verfahrensgegenstand - das Urteil des SG bestätigt und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen. Die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist jedenfalls unbegründet, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Die Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 entspricht den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV (dazu a). Diese sind verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (dazu b). Infolgedessen besteht auch kein Anspruch auf Erstattung von - aus der Sicht der Klägerin - überzahlten Pflegeversicherungsbeiträgen (dazu c).

14

a) Die Bemessung der Beiträge der Klägerin zur sPV ohne Berücksichtigung eines Beitragsnachlasses für weitere zwei von ihr im Jahr 2008 erzogene Kinder steht im Einklang mit den gesetzlichen Beitragsvorschriften.

15

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung des Gesetzes vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit bundeseinheitlich 1,7 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die versicherungspflichtigen Beschäftigten, die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind, und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass die Pflegeversicherungsbeiträge der Klägerin in der Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

16

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

17

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elterneigenschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

18

b) Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG bedurfte es nicht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag bei Eltern mit mehreren Kindern nicht wegen eines höheren Betreuungs- und Erziehungsaufwandes in Abhängigkeit von der Kinderzahl - wie von der Klägerin gefordert - zu mindern ist. Die Klägerin kann nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für ihre Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von der Klägerin behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

19

aa) Das BVerfG stellt in seinem sPV-Urteil - abweichend von der Ansicht der Klägerin - nicht auf die jeweilige Anzahl der betreuten und erzogenen Kinder ab. Der Gesetzgeber des KiBG hat dieses Urteil nicht deshalb missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält. Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von der Klägerin geltend gemachten Weise verengt.

20

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa durch die Berücksichtigung eines dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechenden Nachlasses für jedes weitere Kind - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von der Klägerin geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

21

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

22

Vor diesem Hintergrund ist der Klägerin zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

23

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

24

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

25

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von der Klägerin in der streitigen Zeit repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne (weitere) dem Beitragszuschlag für Kinderlose entsprechende Nachlässe für Kinder zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

26

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2008 in 15,6% aller Privathaushalte ein Kind, in 11% aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,8% der Privathaushalte - wie die Klägerin einen führte - drei Kinder, in 0,6% vier Kinder und in 0,2% fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Haushalte und Familien. Ergebnisse des Mikrozensus 2008, 2009). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

27

c) Ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Pflegeversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 9.1. bis 15.4.2008, der im Übrigen auch nur auf die von ihr (wirtschaftlich) getragenen Arbeitnehmeranteile gerichtet sein könnte (§ 26 Abs 3 S 1 SGB IV), besteht bereits deshalb nicht, weil diese Beiträge nicht iS von § 26 Abs 2 SGB IV zu Unrecht entrichtet wurden.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Versicherungspflichtig sind Personen in der Zeit,

1.
für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56),
1a.
in der sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung nicht erwerbsmäßig pflegen (nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen), wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung oder einer privaten Pflege-Pflichtversicherung hat,
2.
in der sie aufgrund gesetzlicher Pflicht Wehrdienst oder Zivildienst leisten,
2a.
in der sie sich in einem Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes befinden, wenn sich der Einsatzunfall während einer Zeit ereignet hat, in der sie nach Nummer 2 versicherungspflichtig waren; sind zwischen dem Einsatzunfall und der Einstellung in ein Wehrdienstverhältnis besonderer Art nicht mehr als sechs Wochen vergangen, gilt das Wehrdienstverhältnis besonderer Art als mit dem Tag nach Ende einer Versicherungspflicht nach Nummer 2 begonnen,
2b.
in der sie als ehemalige Soldaten auf Zeit Übergangsgebührnisse beziehen, es sei denn, sie sind für die Zeiten als Soldaten auf Zeit nach § 186 nachversichert worden,
3.
für die sie von einem Leistungsträger Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Arbeitslosengeld oder von der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung Pflegeunterstützungsgeld beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn der Leistung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
3a.
für die sie von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen, von einem Beihilfeträger des Bundes, von einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Bundesebene, von dem Träger der Heilfürsorge im Bereich des Bundes, von dem Träger der truppenärztlichen Versorgung oder von einem öffentlich-rechtlichen Träger von Kosten in Krankheitsfällen auf Landesebene, soweit das Landesrecht dies vorsieht, Leistungen für den Ausfall von Arbeitseinkünften im Zusammenhang mit einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen beziehen, wenn sie im letzten Jahr vor Beginn dieser Zahlung zuletzt versicherungspflichtig waren; der Zeitraum von einem Jahr verlängert sich um Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches,
4.
für die sie Vorruhestandsgeld beziehen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig waren.
Pflegepersonen, die für ihre Tätigkeit von dem oder den Pflegebedürftigen ein Arbeitsentgelt erhalten, das das dem Umfang der jeweiligen Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 des Elften Buches nicht übersteigt, gelten als nicht erwerbsmäßig tätig; sie sind insoweit nicht nach § 1 Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig. Nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen, die daneben regelmäßig mehr als 30 Stunden wöchentlich beschäftigt oder selbständig tätig sind, sind nicht nach Satz 1 Nr. 1a versicherungspflichtig. Wehrdienstleistende oder Zivildienstleistende, die für die Zeit ihres Dienstes Arbeitsentgelt weitererhalten oder Leistungen an Selbständige nach § 6 des Unterhaltssicherungsgesetzes erhalten, sind nicht nach Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig; die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit gilt in diesen Fällen als nicht unterbrochen. Trifft eine Versicherungspflicht nach Satz 1 Nr. 3 im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit einer Versicherungspflicht nach § 1 Satz 1 Nr. 2 oder 3 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind. Die Versicherungspflicht nach Satz 1 Nummer 2b bis 4 erstreckt sich auch auf Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.

(1) Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn

1.
die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,
2.
die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und
3.
der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

(2) Eine Erziehungszeit ist dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben die Eltern ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist. Die Zuordnung kann auf einen Teil der Erziehungszeit beschränkt werden. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern ist mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben. Die Zuordnung kann rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate vor Abgabe der Erklärung erfolgen, es sei denn, für einen Elternteil ist unter Berücksichtigung dieser Zeiten eine Leistung bindend festgestellt, ein Versorgungsausgleich oder ein Rentensplitting durchgeführt. Für die Abgabe der Erklärung gilt § 16 des Ersten Buches über die Antragstellung entsprechend. Haben die Eltern eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, wird die Erziehungszeit dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Liegt eine überwiegende Erziehung durch einen Elternteil nicht vor, erfolgt die Zuordnung zur Mutter, bei gleichgeschlechtlichen Elternteilen zum Elternteil nach den §§ 1591 oder 1592 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, oder wenn es einen solchen nicht gibt, zu demjenigen Elternteil, der seine Elternstellung zuerst erlangt hat. Ist eine Zuordnung nach den Sätzen 8 und 9 nicht möglich, werden die Erziehungszeiten zu gleichen Teilen im kalendermonatlichen Wechsel zwischen den Elternteilen aufgeteilt, wobei der erste Kalendermonat dem älteren Elternteil zuzuordnen ist.

(3) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war.

(4) Elternteile sind von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie

1.
während der Erziehungszeit oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt haben, die aufgrund
a)
einer zeitlich begrenzten Entsendung in dieses Gebiet (§ 5 Viertes Buch) oder
b)
einer Regelung des zwischen- oder überstaatlichen Rechts oder einer für Bedienstete internationaler Organisationen getroffenen Regelung (§ 6 Viertes Buch)
den Vorschriften über die Versicherungspflicht nicht unterliegt,
2.
während der Erziehungszeit zu den in § 5 Absatz 4 genannten Personen gehören oder
3.
während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach diesem Buch; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen.

(5) Die Kindererziehungszeit beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten. Wird während dieses Zeitraums vom erziehenden Elternteil ein weiteres Kind erzogen, für das ihm eine Kindererziehungszeit anzurechnen ist, wird die Kindererziehungszeit für dieses und jedes weitere Kind um die Anzahl an Kalendermonaten der gleichzeitigen Erziehung verlängert.

(1) Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet 30 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt.

(2) Bei der Anrechnung einer Kindererziehungszeit steht der Erziehung im Inland die Erziehung im jeweiligen Geltungsbereich der Reichsversicherungsgesetze gleich. Dies gilt nicht, wenn Beitragszeiten während desselben Zeitraums aufgrund einer Versicherungslastregelung mit einem anderen Staat nicht in die Versicherungslast der Bundesrepublik Deutschland fallen würden.

(3) (weggefallen)

(4) Ein Elternteil ist von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn er vor dem 1. Januar 1921 geboren ist.

(5) Für die Feststellung der Tatsachen, die für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten vor dem 1. Januar 1986 erheblich sind, genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind.

(6) Ist die Mutter vor dem 1. Januar 1986 gestorben, wird die Kindererziehungszeit insgesamt dem Vater zugeordnet.

(7) Bei Folgerenten, die die Voraussetzungen nach § 88 Absatz 1 oder 2 erfüllen und für die ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist, endet die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind zwölf Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Die Kindererziehungszeit endet 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn ausschließlich ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist. Eine Kindererziehungszeit wird für den maßgeblichen Zeitraum, für den ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 5 berücksichtigt wurde, nicht angerechnet.

(8) Die Anrechnung einer Kindererziehungszeit nach Absatz 1 ist ausgeschlossen

1.
ab dem 13. bis zum 24. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 1 zu berücksichtigen ist,
2.
ab dem 25. bis zum 30. Kalendermonat nach Ablauf des Monats der Geburt, wenn für die versicherte Person für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach § 307d Absatz 1 Satz 3 oder nach § 307d Absatz 1a zu berücksichtigen ist.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn für andere Versicherte oder Hinterbliebene für dasselbe Kind ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für den maßgeblichen Zeitraum zu berücksichtigen ist oder zu berücksichtigen war.

(1) Elternteile, die am 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, sind von der Anrechnung einer Kindererziehungszeit ausgeschlossen, wenn sie vor dem 1. Januar 1927 geboren sind.

(2) Ist ein Elternteil bis zum 31. Dezember 1996 gestorben, wird die Kindererziehungszeit im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 insgesamt der Mutter zugeordnet, es sei denn, es wurde eine wirksame Erklärung zugunsten des Vaters abgegeben.

Die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr ist bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Dies gilt für Zeiten einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit nur, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.

(1) Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen Versicherte

1.
wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten haben,
1a.
nach dem vollendeten 17. und vor dem vollendeten 25. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat krank gewesen sind, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
2.
wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft während der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt haben,
3.
wegen Arbeitslosigkeit bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben,
3a.
nach dem vollendeten 17. Lebensjahr mindestens einen Kalendermonat bei einer deutschen Agentur für Arbeit oder einem zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a des Zweiten Buches als Ausbildungsuchende gemeldet waren, soweit die Zeiten nicht mit anderen rentenrechtlichen Zeiten belegt sind,
4.
nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme im Sinne des Rechts der Arbeitsförderung teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren, oder
5.
eine Rente bezogen haben, soweit diese Zeiten auch als Zurechnungszeit in der Rente berücksichtigt waren, und die vor dem Beginn dieser Rente liegende Zurechnungszeit,
6.
Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen haben; dies gilt nicht für Empfänger der Leistung,
a)
die Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches nur darlehensweise oder
b)
nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen haben.
Zeiten, in denen Versicherte nach Vollendung des 25. Lebensjahres wegen des Bezugs von Sozialleistungen versicherungspflichtig waren, sind nicht Anrechnungszeiten nach Satz 1 Nummer 1 und 3. Nach Vollendung des 25. Lebensjahres schließen Anrechnungszeiten wegen des Bezugs von Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit aus.

(2) Anrechnungszeiten nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 bis 3a liegen nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit oder ein versicherter Wehrdienst oder Zivildienst oder ein versichertes Wehrdienstverhältnis besonderer Art nach § 6 des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes unterbrochen ist; dies gilt nicht für Zeiten nach Vollendung des 17. und vor Vollendung des 25. Lebensjahres. Eine selbständige Tätigkeit ist nur dann unterbrochen, wenn sie ohne die Mitarbeit des Versicherten nicht weiter ausgeübt werden kann.

(3) Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit oder der Ausführung der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben liegen bei Versicherten, die nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 versicherungspflichtig werden konnten, erst nach Ablauf der auf Antrag begründeten Versicherungspflicht vor.

(4) Anrechnungszeiten liegen bei Beziehern von Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld nicht vor, wenn die Bundesagentur für Arbeit für sie Beiträge an eine Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung, an ein Versicherungsunternehmen oder an sie selbst gezahlt haben.

(4a) Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind nur Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt.

(5) Anrechnungszeiten sind nicht für die Zeit der Leistung einer Rente wegen Alters zu berücksichtigen.

(1) Der Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten bei Witwenrenten und Witwerrenten richtet sich nach der Dauer der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres. Die Dauer ergibt sich aus der Summe der Anzahl an Kalendermonaten mit Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung, die der Witwe oder dem Witwer zugeordnet worden sind, beginnend nach Ablauf des Monats der Geburt, bei Geburten am Ersten eines Monats jedoch vom Monat der Geburt an. Für die ersten 36 Kalendermonate sind jeweils 0,1010 Entgeltpunkte, für jeden weiteren Kalendermonat 0,0505 Entgeltpunkte zugrunde zu legen. Witwenrenten und Witwerrenten werden nicht um einen Zuschlag erhöht, solange der Rentenartfaktor mindestens 1,0 beträgt.

(1a) Absatz 1 gilt entsprechend, soweit Berücksichtigungszeiten nur deshalb nicht angerechnet werden, weil

1.
die Voraussetzungen des § 56 Absatz 4 vorliegen,
2.
die Voraussetzung nach § 56 Absatz 3 oder § 57 Satz 2 nicht erfüllt wird oder
3.
sie auf Grund einer Beitragserstattung nach § 210 untergegangen sind.

(2) Sterben Versicherte vor der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, wird mindestens der Zeitraum zugrunde gelegt, der zum Zeitpunkt des Todes an der Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes fehlt. Sterben Versicherte vor der Geburt des Kindes, werden 36 Kalendermonate zugrunde gelegt, wenn das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod geboren wird. Wird das Kind nach Ablauf dieser Frist geboren, erfolgt der Zuschlag mit Beginn des Monats, der auf den letzten Monat der zu berücksichtigenden Kindererziehung folgt.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn eine Leistung, die dem Zuschlag gleichwertig ist, nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder nach entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen erbracht wird.

(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.

(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie

1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen,
2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder
3.
erwerbsgemindert sind.
Als Kinder werden auch berücksichtigt:
1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind,
2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
Der Erziehung steht die in häuslicher Gemeinschaft ausgeübte Sorge für ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, auch nach dessen vollendetem 18. Lebensjahr gleich.

(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.

(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).

(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.

(1) Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente besteht ohne Beschränkung auf 24 Kalendermonate auch für geschiedene Ehegatten,

1.
deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
2.
die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
3.
die im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten (Versicherter) Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

(2) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht auch für geschiedene Ehegatten,

1.
deren Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist,
2.
die weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet haben und
3.
die im letzten Jahr vor dem Tod des Versicherten Unterhalt von diesem erhalten haben oder im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dessen Tod einen Anspruch hierauf hatten und
4.
die entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2),
b)
das 45. Lebensjahr vollendet haben,
c)
erwerbsgemindert sind,
d)
vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind oder
e)
am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind,
wenn der Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat und nach dem 30. April 1942 gestorben ist.

(3) Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht auch ohne Vorliegen der in Absatz 2 Nr. 3 genannten Unterhaltsvoraussetzungen für geschiedene Ehegatten, die

1.
einen Unterhaltsanspruch nach Absatz 2 Nr. 3 wegen eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens aus eigener Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit oder entsprechender Ersatzleistungen oder wegen des Gesamteinkommens des Versicherten nicht hatten und
2.
zum Zeitpunkt der Scheidung entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erzogen haben (§ 46 Abs. 2) oder
b)
das 45. Lebensjahr vollendet hatten und
3.
entweder
a)
ein eigenes Kind oder ein Kind des Versicherten erziehen (§ 46 Abs. 2),
b)
erwerbsgemindert sind,
c)
vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig (§ 240 Abs. 2) sind,
d)
am 31. Dezember 2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und dies ununterbrochen sind oder
e)
das 60. Lebensjahr vollendet haben,
wenn auch vor Anwendung der Vorschriften über die Einkommensanrechnung auf Renten wegen Todes weder ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für eine Witwe oder einen Witwer noch für einen überlebenden Lebenspartner des Versicherten aus dessen Rentenanwartschaften besteht. Wenn der Versicherte nach dem 31. Dezember 2011 verstorben ist, wird die Altersgrenze von 60 Jahren wie folgt angehoben:

Todesjahr
des Versicherten
Anhebung
um Monate
auf Alter
JahrMonat
20121601
20132602
20143603
20154604
20165605
20176606
20187607
20198608
20209609
2021106010
2022116011
202312610
202414612
202516614
202618616
202720618
2028226110
ab 202924620.

(4) Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten besteht unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 3 auch für geschiedene Ehegatten, die wieder geheiratet haben, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist oder wenn eine Lebenspartnerschaft begründet und diese wieder aufgehoben oder aufgelöst ist.

(5) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Erziehungsrente, wenn

1.
ihre Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden und ihr geschiedener Ehegatte gestorben ist,
2.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des geschiedenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
3.
sie nicht wieder geheiratet haben und
4.
sie bis zum Tod des geschiedenen Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

(2) Geschiedenen Ehegatten stehen Ehegatten gleich, deren Ehe für nichtig erklärt oder aufgehoben ist.

(3) Anspruch auf Erziehungsrente besteht bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch für verwitwete Ehegatten, für die ein Rentensplitting durchgeführt wurde, wenn

1.
sie ein eigenes Kind oder ein Kind des verstorbenen Ehegatten erziehen (§ 46 Abs. 2),
2.
sie nicht wieder geheiratet haben und
3.
sie bis zum Tod des Ehegatten die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

(4) Für einen Anspruch auf Erziehungsrente gelten als Scheidung einer Ehe auch die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, als geschiedener Ehegatte auch der frühere Lebenspartner, als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als verwitweter Ehegatte auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch der Lebenspartner.

Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden. In diesen Fällen besteht Anspruch auf Erziehungsrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch, wenn die Ehe vor dem 1. Juli 1977 geschieden ist.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

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Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

92

Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

93

Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

94

Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

95

9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

96

10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

In der sozialen Pflegeversicherung wird ein Sondervermögen unter dem Namen „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ errichtet.

Das Sondervermögen dient der langfristigen Stabilisierung der Beitragsentwicklung in der sozialen Pflegeversicherung. Es darf nach Maßgabe des § 136 nur zur Finanzierung der Leistungsaufwendungen der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden.

Ab dem Jahr 2035 kann das Sondervermögen zur Sicherung der Beitragssatzstabilität der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden, wenn ohne eine Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht auf über eine allgemeine Dynamisierung der Leistungen hinausgehenden Leistungsverbesserungen beruht. Die Obergrenze der jährlich auf Anforderung des Bundesamtes für Soziale Sicherung an den Ausgleichsfonds abführbaren Mittel ist der 20. Teil des Realwertes des zum 31. Dezember 2034 vorhandenen Mittelbestandes des Sondervermögens. Erfolgt in einem Jahr kein Abruf, so können die für dieses Jahr vorgesehenen Mittel in den Folgejahren mit abgerufen werden, wenn ohne eine entsprechende Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht auf über eine allgemeine Dynamisierung der Leistungen hinausgehenden Leistungsverbesserungen beruht.

(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung führt dem Sondervermögen monatlich zum 20. des Monats zu Lasten des Ausgleichsfonds einen Betrag zu, der einem Zwölftel von 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung des Vorjahres entspricht. Für die Berechnung des Abführungsbetrags wird der Beitragssatz gemäß § 55 Absatz 1 zugrunde gelegt.

(2) Die Zuführung nach Absatz 1 erfolgt erstmals zum 20. Februar 2015 und endet mit der Zahlung für Dezember 2033.

(3) Für das Jahr 2023 erfolgt die Zuführung nach Absatz 1 im Jahr 2024 in zwölf Raten in Höhe von je einem Zwölftel von 0,1 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen der sozialen Pflegeversicherung des Vorjahres.

(1) Das Bundesamt für Soziale Sicherung verwaltet als Sondervermögen (Ausgleichsfonds) die eingehenden Beträge aus:

1.
den Beiträgen aus den Rentenzahlungen,
2.
den von den Pflegekassen überwiesenen Überschüssen aus Betriebsmitteln und Rücklage (§ 64 Abs. 4),
3.
den vom Gesundheitsfonds überwiesenen Beiträgen der Versicherten.

(2) Die im Laufe eines Jahres entstehenden Kapitalerträge werden dem Sondervermögen gutgeschrieben.

(3) Die Mittel des Ausgleichsfonds sind so anzulegen, daß sie für den in den §§ 67, 68 genannten Zweck verfügbar sind.

(4) Die dem Bundesamt für Soziale Sicherung bei der Verwaltung des Ausgleichsfonds entstehenden Kosten werden durch die Mittel des Ausgleichsfonds gedeckt. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates Vorschriften zu erlassen, die Näheres zu der Erstattung der Verwaltungskosten regeln.

(5) Für das Haushalts- und Rechnungswesen des Ausgleichsfonds gelten die §§ 76 und 77 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 1a Satz 1 bis 3 entsprechend; für die Anlage der Mittel gelten die §§ 80, 83 Absatz 1 und 2 bis 4, die §§ 84 und 86 des Vierten Buches entsprechend. Die Mittel des Ausgleichsfonds können abweichend von § 83 Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b und c sowie Nummer 4 Buchstabe c des Vierten Buches angelegt werden bei Kreditinstituten, die die geltenden Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität einhalten. Die Einhaltung der Vorschriften über das Eigenkapital und die Liquidität ist regelmäßig, mindestens jährlich, zu überprüfen.

(1) Die Pflegekasse hat zur Sicherstellung ihrer Leistungsfähigkeit eine Rücklage zu bilden.

(2) Die Rücklage beträgt 50 vom Hundert des nach dem Haushaltsplan durchschnittlich auf den Monat entfallenden Betrages der Ausgaben (Rücklagesoll).

(3) Die Pflegekasse hat Mittel aus der Rücklage den Betriebsmitteln zuzuführen, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können.

(4) Übersteigt die Rücklage das Rücklagesoll, so ist der übersteigende Betrag den Betriebsmitteln bis zu der in § 63 Abs. 2 genannten Höhe zuzuführen. Darüber hinaus verbleibende Überschüsse sind bis zum 15. des Monats an den Ausgleichsfonds nach § 65 zu überweisen.

(5) Die Rücklage ist getrennt von den sonstigen Mitteln so anzulegen, daß sie für den nach Absatz 1 bestimmten Zweck verfügbar ist. Sie wird von der Pflegekasse verwaltet.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

Tatbestand

1

Im Streit ist, ob der Beklagte Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt B auf Rückerstattung von Steuern auf sich überleiten durfte.

2

Der Kläger und seine Ehefrau bezogen vom 15.6.2000 bis 31.12.2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Beide gaben bei Antragstellung an, dass Geldforderungen - ua gegen das Finanzamt B in Höhe von 1.236.707,50 DM - Gegenstand anhängiger Gerichtsverfahren seien. Die Aufwendungen des Sozialamts A für den Kläger und seine Ehefrau betrugen im Bezugszeitraum insgesamt 29.490,99 Euro. In Höhe diesen Betrags leitete das Sozialamt A Erstattungsforderungen auf sich über (schriftliche Anzeige vom 8.11.2004 gegenüber dem Finanzamt B und Bescheid vom 9.11.2004 gegenüber dem Kläger) . Das Finanzamt B zahlte daraufhin 29.485,92 Euro in zwei Teilbeträgen an das Sozialamt.

3

Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 2.5.2005; Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.11.2005; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.2007) . Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, § 90 BSHG als Rechtsgrundlage für die Überleitung diene der Durchsetzung des Nachranggrundsatzes des § 2 Abs 1 BSHG. Das Sozialamt habe Sozialhilfe zur Abwendung einer Notlage geleistet; der Erstattungsanspruch gegen das Finanzamt B sei auch fällig gewesen. Der Überleitung stehe nicht entgegen, dass die Steuererstattungsansprüche (teilweise) auf Zeiträume zurückzuführen seien, in denen die Kläger noch nicht Sozialhilfeempfänger gewesen seien. Ausreichend sei, dass der Hilfeempfänger im Zeitpunkt der Hilfegewährung berechtigt sei, den Anspruch gegen den Dritten geltend zu machen. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei Steuererstattungen nicht um (gegebenenfalls geschütztes) Vermögen, sondern um Einnahmen in Form einmaliger Einnahmen. Ermessensfehler seien nicht unterlaufen. Zwar enthalte der Ausgangsbescheid keine Ermessenserwägungen; diese seien jedoch im Widerspruchsbescheid in ausreichendem Maße nachgeholt worden.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung rechtlichen Gehörs sowie die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz, § 11 BSHG) . Zur Begründung führt er aus, das LSG habe seine Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen, dass die Steuererstattung als (Rück-)Zufluss eigenen Vermögens anzusehen sei, weil durch sie nur der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt worden sei. Außerdem sei die mündliche Verhandlung vor genügender Erörterung der Sach- und Rechtslage geschlossen worden. Der angefochtene Überleitungsbescheid vom 9.11.2004 habe nicht alle wesentlichen Tatsachen enthalten, auf die die Verwaltung ihre Entscheidung gestützt habe; insbesondere habe er keinerlei Hinweise auf seine (des Klägers) Interessen einerseits und die der Öffentlichkeit andererseits enthalten, die bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen seien. Dieser Anhörungsmangel sei im Widerspruchsverfahren nicht geheilt worden. § 11 BSHG sei verletzt, weil der in der Steuerrückerstattung liegende Vermögenszufluss nur entweder - bei Bewertung als Einkommen gemäß §§ 76 ff BSHG - ab dem Monat des Zuflusses für einen gewissen Zeitraum - etwa bis zu einem Jahr - bzw bei Bewertung als Vermögen gemäß §§ 88 f BSHG unter Berücksichtigung der Schongrenzen ab dem Monat des Zuflusses hätte berücksichtigt werden dürfen, sodass die Steuererstattung nicht bzw nicht in voller Höhe hätte übergeleitet werden dürfen.

5

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und das Urteil des SG abzuändern sowie den Bescheid vom 9.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 2.5.2005 aufzuheben.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist iS der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz) begründet. Das Verfahren leidet an einem von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmangel; eine abschließende Entscheidung ist dem Senat verwehrt.

9

Ob dem LSG die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler unterlaufen sind, kann dahinstehen. Jedenfalls hätte das LSG das Land Baden-Württemberg - möglicherweise auch die Ehefrau des Klägers - gemäß § 75 Abs 2 Alt 1 SGG notwendig zum Verfahren beiladen müssen. Der Verfahrensmangel der unterbliebenen notwendigen Beiladung ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl nur: BSGE 61, 197, 199 mwN = SozR 7323 § 9 Nr 1; BSGE 93, 283 ff = SozR 4-3250 § 14 Nr 1; Senatsurteil vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R) .

10

Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung liegen vor. Nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG sind Dritte beizuladen, wenn sie an einem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (echte notwendige Beiladung). Dritter iS dieser Regelung ist (jedenfalls) das Land Baden-Württemberg als Träger der Finanzverwaltung, weil der Beklagte durch die Überleitung der Steuererstattungsansprüche des Klägers (und seiner Ehefrau) unmittelbar in das Rechtsverhältnis des Klägers zur Finanzverwaltung eingegriffen hat; denn auf Grund der Überleitungsanzeige stand der Finanzverwaltung nunmehr ein neuer Gläubiger gegenüber, soweit der übergeleitete Anspruch bestand. Ob nach dieser Vorschrift auch die Ehefrau des Klägers dem Rechtsstreit beizuladen ist, hängt davon ab, ob sie hinsichtlich der Steuererstattungsansprüche zusammen mit dem Kläger Gesamtgläubigerin ist, weil dann auch ihr gegenüber eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Überleitung nur einheitlich ergehen könnte.

11

Von einer Nachholung der Beiladung im Revisionsverfahren gemäß § 168 Satz 2 SGG mit Zustimmung des Landes Baden-Württemberg hat der Senat abgesehen, weil die Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Verfügung im bisherigen Verfahren ohne Berücksichtigung der Rechtsposition des Beizuladenden erfolgt ist.

12

Rechtsgrundlage für die Überleitungsanzeige ist § 90 Abs 1 BSHG. Nach dessen Satz 1 kann der Träger der Sozialhilfe für die Zeit, für die Hilfe gewährt wird, einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen einen anderen, der kein Leistungsträger iS von § 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - ist, durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.

13

Der Beklagte hat die Überleitung des Anspruchs am 8.11.2004 schriftlich angezeigt, ohne die von der Überleitung Betroffenen zuvor anzuhören. Nach erfolgter Beiladung wird das LSG zu beurteilen haben, ob der Anhörungsmangel später geheilt worden ist und ob der dem Kläger erteilte inhaltsgleiche Bescheid vom 9.11.2004 den Anforderungen der Zustellung der Überleitungsanzeige an den Drittbetroffenen genügt. Es wird ferner prüfen müssen, ob die Überleitungsanzeige hinreichend bestimmt gewesen ist (§ 33 Abs 1 SGB X), insbesondere ob aus ihr die übergeleiteten Ansprüche des Klägers gegen das Finanzamt hervorgehen, und ob der Beklagte das ihm durch § 90 Abs 1 Satz 1 BSHG eingeräumte Ermessen ausgeübt hat.

14

Ggf wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. In Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ist die Bundesrepublik Deutschland auf Antrag beizuladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, daß bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

(2a) Kommt nach Absatz 2 erste Alternative die Beiladung von mehr als 20 Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluss anordnen, dass nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Er muss außerdem in im gesamten Bundesgebiet verbreiteten Tageszeitungen veröffentlicht werden. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muss mindestens drei Monate seit der Bekanntgabe betragen. Es ist jeweils anzugeben, an welchem Tag die Antragsfrist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(2b) In Verfahren gegen Entscheidungen nach § 7a Absatz 1 Satz 3, § 28h Absatz 2 und § 28p Absatz 1 Satz 5 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind andere Versicherungsträger abweichend von Absatz 2 nur auf deren Antrag beizuladen. Das Gericht benachrichtigt die anderen Versicherungsträger über die Erhebung einer entsprechenden Klage und über die Möglichkeit der Beiladung auf Antrag. Das Gericht setzt den anderen Versicherungsträgern für die Antragstellung eine angemessene Frist. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Fristversäumnis gilt § 67 entsprechend. Das Gericht kann Versicherungsträger auch von Amts wegen beiladen.

(3) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Der Beschluß, den Dritten beizuladen, ist unanfechtbar.

(4) Der Beigeladene kann innerhalb der Anträge der anderen Beteiligten selbständig Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen und alle Verfahrenshandlungen wirksam vornehmen. Abweichende Sachanträge kann er nur dann stellen, wenn eine Beiladung nach Absatz 2 vorliegt.

(5) Ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land kann nach Beiladung verurteilt werden.

(1) Die Verwaltung und die Anlage der Mittel des Sondervermögens werden der Deutschen Bundesbank übertragen. Für die Verwaltung des Sondervermögens und seiner Mittel werden der Bundesbank entsprechend § 20 Satz 2 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank keine Kosten erstattet.

(2) Die dem Sondervermögen zufließenden Mittel einschließlich der Erträge sind unter sinngemäßer Anwendung der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, „Versorgungsfonds des Bundes“, „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ und „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ (Anlagerichtlinien Sondervermögen) zu marktüblichen Bedingungen anzulegen. Dabei ist der in Aktien oder Aktienfonds angelegte Anteil des Sondervermögens ab dem Jahr 2035 über einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren abzubauen. Das Bundesministerium für Gesundheit ist im Anlageausschuss nach § 5 der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, „Versorgungsfonds des Bundes“, „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ und „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ (Anlagerichtlinien Sondervermögen) vertreten.

(3) Für Zwecke der Doppelbesteuerungsabkommen gilt das Sondervermögen als in Deutschland ansässige Person, die der deutschen Besteuerung unterliegt.

Ab dem Jahr 2035 kann das Sondervermögen zur Sicherung der Beitragssatzstabilität der sozialen Pflegeversicherung verwendet werden, wenn ohne eine Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht auf über eine allgemeine Dynamisierung der Leistungen hinausgehenden Leistungsverbesserungen beruht. Die Obergrenze der jährlich auf Anforderung des Bundesamtes für Soziale Sicherung an den Ausgleichsfonds abführbaren Mittel ist der 20. Teil des Realwertes des zum 31. Dezember 2034 vorhandenen Mittelbestandes des Sondervermögens. Erfolgt in einem Jahr kein Abruf, so können die für dieses Jahr vorgesehenen Mittel in den Folgejahren mit abgerufen werden, wenn ohne eine entsprechende Zuführung von Mitteln an den Ausgleichsfonds eine Beitragssatzanhebung erforderlich würde, die nicht auf über eine allgemeine Dynamisierung der Leistungen hinausgehenden Leistungsverbesserungen beruht.

Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegen auch diejenigen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind, sofern sie nicht nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar sind.

(3) Das Revisionsgericht ist an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden. Auf Verfahrensmängel, die nicht von Amts wegen zu berücksichtigen sind, darf das angefochtene Urteil nur geprüft werden, wenn die Mängel nach den §§ 551 und 554 Abs. 3 gerügt worden sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 16. April 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

2

Der Kläger wurde im August 2007 bei einer körperlichen Auseinandersetzung verletzt. Seinen Antrag, ihm deshalb Beschädigtenversorgung zu gewähren, lehnte der Beklagte ab, weil der schädigende Vorgang nicht erwiesen sei (Bescheid vom 25.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.10.2009).

3

Die dagegen erhobene Klage wies das SG ebenfalls mit der Begründung ab, die anspruchsbegründenden Tatsachen seien nicht erwiesen (Urteil vom 2.11.2011). Der Kläger hat im Februar 2012 dagegen Berufung eingelegt. Er leide infolge des tätlichen Angriffs an einer Trigeminusneuralgie, die ihn gesundheitlich schwer beeinträchtige. Das LSG zog ärztliche Befundunterlagen sowie die Akten des den Kläger betreffenden Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft E. bei. Am 24.3.2014 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 16.4.2014.

4

Mit gesonderten, aber im Wesentlichen gleichlautenden Anträgen vom 15.4.2015 lehnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers alle Berufsrichter des zuständigen LSG-Senats wegen Befangenheit ab. Wie er schriftsätzlich nachgewiesen habe, sei das Verfahren weder verhandlungs- noch entscheidungsreif. Die Berufsrichter des Senats hätten grob gegen § 103 SGG verstoßen, indem sämtliche Anträge auf Beweiserhebung des Antragstellers ungehört geblieben seien. Die gesamte bisherige unsachgemäße Verfahrensleitung, fortgesetzt begangene grobe Verfahrensverstöße und jahrelange Untätigkeit des Gerichts seien Ablehnungsgründe.

5

Mit dem angefochtenen Urteil vom 16.4.2015 hat das LSG die Berufung zurückgewiesen. Es habe trotz der noch nicht beschiedenen Befangenheitsgesuche gegen sämtliche abgelehnten Berufsrichter entscheiden können, da der Kläger sich in Kenntnis der Ablehnungsgründe im Termin zur Sache eingelassen habe. Die Befangenheitsanträge seien im Übrigen unzulässig gewesen, weil sie von Anfang an nur den Verhandlungstermin hätten verhindern sollen und der Prozessbevollmächtigte des Klägers sie zudem im eigenen Namen gestellt habe.

6

In der Sache sei zwar ein Angriff iS von § 1 OEG ohne Weiteres zu bejahen. Allerdings sei die Trigeminusneuralgie des Klägers nicht mit Wahrscheinlichkeit Folge des tätlichen Angriffs. Die in zeitlicher Nähe zum Angriff erstellten ärztlichen Befundberichte dokumentierten lediglich oberflächliche Verletzungen und keine Schädigung von Nerven, die für eine Trigeminusneuralgie ursächlich sein könne. Die weiteren vom Kläger beantragten Ermittlungen wie die Anhörung seiner Ehefrau, seines Sohnes sowie die Untersuchung der Notrufverbindungen seines Netzanbieters seien nicht veranlasst, weil nicht entscheidungserheblich gewesen.

7

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, es liege eine Divergenz vor und vor allem habe das LSG Verfahrensfehler begangen, indem es durch die als befangen abgelehnten Richter entschieden habe.

8

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil keiner der behaupteten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).

9

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.

10

a) Der Kläger hat die behauptete Verletzung von § 60 SGG iVm § 42 ZPO sowie seines Rechts auf den gesetzlichen Richter nach Art 101 Abs 1 S 2 GG nicht hinreichend substantiiert dargetan.

11

Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen, die dem Endurteil vorausgegangen sind und - wie im Falle einer Ablehnung eines Befangenheitsantrages durch ein LSG - unanfechtbar sind (§ 177 SGG), nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts (§ 202 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO). Deshalb kommt ein Verstoß gegen Art 101 Abs 1 S 2 GG nur bei willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften in Betracht (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 1 RdNr 9 f). Hier liegt der Fall indes anders, weil das LSG die Befangenheitsanträge nicht durch Zwischenentscheidung abgelehnt hat; vielmehr ist es in seinen Urteilsgründen von rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchen, die unbeachtlich seien, ausgegangen. In einem solchen Fall kann sich die fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts - anders als in den Fällen einer Zwischenentscheidung - als Verfahrensfehler erweisen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (BSG Beschluss vom 13.8. 2009 - B 8 SO 13/09 B - Juris; vgl auch BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 S 7).

12

Auch eine solche fehlerhafte Anwendung einfachen Verfahrensrechts, hier § 60 SGG iVm § 42 ZPO, bei der Behandlung der Befangenheitsgesuche des Klägers hat die Beschwerde indes nicht hinreichend substantiiert dargelegt und damit noch weniger seines Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art 101 Abs 1 S 2 GG.

13

Zwar erscheint es zweifelhaft, ob das LSG das Befangenheitsgesuch des Klägers allein deshalb als erledigt ansehen durfte, weil sein Prozessbevollmächtigter im Termin zur mündlichen Verhandlung zur Sache verhandelt und einen Sachantrag gestellt hat. Nach § 60 SGG iVm § 43 ZPO kann ein Beteiligter einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach dieser Vorschrift verliert der Beteiligte sein Ablehnungsrecht grundsätzlich auch dann, wenn er, nachdem er ein Ablehnungsgesuch erhoben hat, die weitere Verhandlung nicht verweigert. Dies gilt allerdings nicht, wenn ihn inkorrektes richterliches Verhalten zu einer weiteren Einlassung oder Antragstellung gezwungen hat (Gehrlein in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl 2013, § 43 RdNr 7 mwN). Nach § 47 Abs 1 ZPO hat ein abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten. Zu diesen unaufschiebbaren Handlungen zählt es normalerweise nicht, eine vollständige mündliche Verhandlung durchzuführen, wie es das LSG getan hat.

14

Andererseits gilt die Wartepflicht aus § 47 ZPO nicht, wenn das Ablehnungsgesuch missbräuchlich ist(vgl Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl 2014, § 47 RdNr 1a mwN). Insoweit setzt die Beschwerde dem nachvollziehbaren Argument des LSG nichts Stichhaltiges entgegen, das Befangenheitsgesuch sei als missbräuchlich anzusehen, weil der Kläger es erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung eingereicht hat, die er für verfrüht hielt und zugunsten weiterer Ermittlungen abwenden wollte.

15

Letztlich kann die Frage der Erledigung des Gesuchs aber dahinstehen, denn das LSG hat das Befangenheitsgesuch des Klägers unabhängig davon auch als unzulässig angesehen. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt nicht hinreichend substantiiert dar, warum darin ein Verfahrensverstoß liegen sollte. Zur Begründung des Befangenheitsgesuchs wiederholt sie lediglich ihren bereits gegenüber dem LSG erhobenen Vorwurf, das LSG sei jahrelang untätig gewesen, habe grobe Fehler bei der Verfahrensleitung begangen und insbesondere die erforderlichen Ermittlungen unterlassen und damit gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. Dabei setzt sich die Beschwerde aber nicht hinreichend damit auseinander, dass ein Befangenheitsgesuch auch dann als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn es keinen oder nur einen von vornherein völlig ungeeigneten Ablehnungsgrund nennt, § 60 Abs 1 SGG iVm § 44 Abs 2 S 1 ZPO(BVerfG vom 2.6.2005 - 2 BvR 625/01 - NJW 2005, 3410, 3412), zB wenn keinerlei substantiierte Tatsachen vorgetragen werden (BVerwG NJW 1997, 3327) oder nur Tatsachen, die eine Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt begründen lassen (OVG Hamburg NVwZ-RR 2000, 548). Ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kann einem Ablehnungsgesuch von vornherein nicht zum Erfolg verhelfen. Selbst Fehler des Richters - sofern nicht besondere weitere Umstände hinzutreten - vermögen keine Besorgnis der Befangenheit begründen (vgl BFH Beschlüsse vom 27.6.1996 - X B 84/96 - BFH/NV 1997, 122, Juris; vom 29.8.2001 - IX B 3/01 - BFH/NV 2002, 64, Juris). Es müssen vielmehr mit dem Ablehnungsgesuch Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (vgl BFH Beschluss vom 16.2.1989 - X B 99/88, BFH/NV 1989, 708, Juris; BFH Beschluss vom 27.6.1996 - X B 84/96 - BFH/NV 1997, 122, Juris). Solche Gründe hat der Kläger weder vor dem LSG noch im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde dargelegt. Behaupteten Fehlern bei der Sachverhaltsaufklärung allein kann kein objektiv vernünftiger Grund für die Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters entnommen werden. Soweit der Beteiligte meint, Ermittlungsdefizite festgestellt zu haben, ist diesen etwa durch entsprechende Beweisanträge zu begegnen. Ein Befangenheitsgesuch ist nicht geeignet, die gewünschten Ermittlungen zu erzwingen (BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4, SozR 4-1500 § 160 Nr 14). Die Beschwerde hat auch nicht substantiiert dargelegt, warum das LSG durch den Umgang mit den Ermittlungsanregungen des Klägers eine Parteilichkeit oder eine unsachliche Einstellung zum Ausdruck gebracht haben könnte. Anhaltspunkte für eine Willkür (vgl hierzu BFH Beschlüsse vom 28.11.2001 - VII B 67/01 und vom 19.2.2002 - X B 41/01, beide Juris) sind vom Kläger ebenfalls nicht dargetan worden. Zudem hat er sich auch, wie ausgeführt, nicht mit der nachvollziehbaren Einstufung seines Befangenheitsgesuchs als missbräuchlich durch das LSG auseinandergesetzt.

16

Ebenso wenig hat die Beschwerde dargetan, warum das LSG nicht ausnahmsweise abweichend von § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO über sein offensichtlich vollständig ungeeignetes Befangenheitsgesuch unter Mitwirkung der Richter entscheiden durfte, die der Kläger für befangen hält. In der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichtshöfe und des BVerfG ist anerkannt, dass rechtsmissbräuchliche oder gänzlich untaugliche Ablehnungsgesuche ausnahmsweise im vereinfachten Ablehnungsverfahren in der geschäftsplanmäßigen Besetzung des Gerichts unter Beteiligung der abgelehnten Richter behandelt werden können, wenn für die Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist. Dies ist der Fall, wenn das Gericht einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts für sachfremde Zwecke verhindern will oder lediglich eine bloße Formalentscheidung über ein offensichtlich unzulässiges Gesuch trifft, die keinerlei Beurteilung des eigenen Verhaltens durch die entscheidenden Richter und kein Eingehen auf den Verfahrensgegenstand erfordert (vgl BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 7; BVerfG NJW 2013, 1665; BVerfG NJW 2007, 3771; BFH NJW 2009, 3806 mwN; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 60 RdNr 10d mwN; Wolff-Dellen in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 60 RdNr 79 ff; aA BVerwG, Beschluss vom 11.12.2012 - 8 B 58/12 - Juris). Mehr als eine solche bloße Formalentscheidung brauchte das LSG über das, wie ausgeführt, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erfolgversprechende Befangenheitsgesuch des Klägers nicht zu treffen. Zumal der Kläger auch dem Missbrauchsvorwurf des LSG nicht substantiiert entgegengetreten ist.

17

b) Ebenso wenig kann der Kläger mit Erfolg eine Verletzung von § 103 SGG der Amtsermittlungspflicht durch das LSG geltend machen. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann ein Verfahrensmangel auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz unmittelbar vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt, so ist er dann nicht iS des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er in der maßgebenden mündlichen Verhandlung nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn in der letzten mündlichen Verhandlung nur noch ein Sachantrag gestellt und der Beweisantrag nicht wenigstens hilfsweise wiederholt wird (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 35 S 73 mwN). Der Kläger behauptet selber nicht, in der letzten mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt bzw aufrechterhalten zu haben. Solche Beweisanträge lassen sich auch dem Protokoll der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen. Mit seinen umfangreichen Ausführungen zur unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG kann der Kläger daher mangels des erforderlichen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags keinen Verfahrensmangel darlegen. Nichts anderes gilt für seinen vielfach wiederholten Vorwurf unrichtiger Tatsachenfeststellungen durch das LSG. Der Kläger wendet sich damit gegen die Beweiswürdigung des LSG, die § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. Kraft der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (Karmanski in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 160 RdNr 58 mwN). Die inhaltliche Richtigkeit seiner Entscheidung im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

18

2. Zu den vom Kläger ebenfalls behaupteten Zulassungsgründen der Divergenz bzw grundsätzlichen Bedeutung macht die Nichtzulassungsbeschwerde überhaupt keine näheren Ausführungen. Diese Nichtzulassungsgründe sind deshalb noch weniger als die behaupteten Verfahrensmängel substantiiert dargelegt.

19

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).

20

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

21

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Tenor

Auf die Revision der Kläger werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 geändert.

Der Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 und die Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) bei Eltern im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder zu reduzieren sind.

2

Die Klägerin und der Kläger - verheiratete Eltern ihrer drei 1990, 1992 und 1995 geborenen Kinder - waren bei der Beigeladenen zu 3. versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied der beklagten Krankenkasse sowie bei der Beigeladenen zu 1. pflege- und bei der Beigeladenen zu 2. rentenversichert; seit Juli 2010 ist die Klägerin anderweit beschäftigt.

3

Im Juli 2006 beantragten die Kläger bei der Beklagten als Einzugsstelle unter Bezugnahme auf das Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - zur sPV (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2, im Folgenden: sPV-Urteil) mit Blick auf die Betreuungs- und Erziehungsleistungen für ihre Kinder die beitragsmindernde Berücksichtigung ihres Unterhalts in den oben genannten Versicherungszweigen. Dies lehnte die Beklagte ab, da der Gesetzgeber seinen Pflichten aus dem sPV-Urteil mit Schaffung des Kinder-Berücksichtigungsgesetzes (KiBG) vom 15.12.2004 (BGBl I 3448; KiBG) nachgekommen sei (ua Einführung eines Beitragszuschlags für Kinderlose von 0,25 Beitragssatzpunkten in der sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI - Art 1 Nr 1 KiBG) und die Versicherungsträger an die gesetzlichen Vorgaben gebunden seien (Bescheid vom 20.7.2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007).

4

Das SG hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11.5.2010).

5

Im anschließenden Berufungsverfahren haben die Kläger begehrt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nur nach der "Hälfte der bisherigen Bemessung" erhoben werden, hilfsweise, dass bei der Beitragsbemessung 833 Euro je Kind und Monat bzw (weiter) hilfsweise, dass ein Betrag in Höhe des steuerlichen Existenzminimums abgezogen wird. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beitragsbemessung bei den Klägern entspreche den gesetzlichen Regelungen. Diese Regelungen verstießen nicht gegen Art 6 Abs 1 iVm Art 3 GG, weil der Gesetzgeber einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum habe. Als Konkretisierung und Ausformung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrages nach Art 6 Abs 1 GG sei dabei auch der Familienlastenausgleich zu berücksichtigen, selbst wenn sich die additive Höhe der hierdurch bewirkten Entlastung von Familien nicht konkret beziffern lasse. Der Gesetzgeber habe das Verfassungsrecht bei der Ausgestaltung der Teilsysteme der Sozialversicherung beachtet, weil er den Familienlastenausgleich durch zahlreiche Vorschriften ausgebaut (zB Kindererziehungszeiten in der GRV; kostenfreie Familienversicherung in der GKV) und er die Entscheidung des BVerfG für die sPV mit dem KiBG zudem beanstandungsfrei umgesetzt habe. Das BVerfG selbst habe die Erwägungen des sPV-Urteils in der Folgezeit nicht auf andere Sozialversicherungszweige übertragen, sondern sei - in einem Urteil zur Alterssicherung der Landwirte (BVerfGE 109, 96 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2)- davon sogar abgerückt. Auch das BSG habe aus dem sPV-Urteil keinen verfassungsrechtlichen Änderungsbedarf für andere Sozialversicherungszweige hergeleitet. Einer Beweiserhebung habe es bei alledem weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs der Kläger noch unter demjenigen der Amtsermittlungspflicht bedurft, insbesondere nicht zu der von den Klägern postulierten Pflicht, durch Sachverständige einzelne "Transfersalden" für Kinder zu ermitteln. Da der Familienlastenausgleich durch zahlreiche Regelungen des Sozialrechts und des Steuerrechts bewirkt werde, komme es auf solche Ermittlungen wegen des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht an. Der Familienlastenausgleich sei nicht isoliert auf das Sozialversicherungsrecht bezogen (Urteil vom 24.4.2012).

6

Mit ihrer Revision rügen die Kläger - mit umfänglichem Vorbringen - im Wesentlichen, das LSG habe verkannt, dass die einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen zur Beitragsbemessung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstießen, soweit versicherte Eltern mit gleich hohen Beiträgen wie kinderlose Versicherte belastet würden. Konkret rügen sie einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in Bezug auf die GRV durch § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Beitragssätze in der GRV für das Jahr 2012(vom 19.12.2011, BGBl I 2795; Beitragssatzverordnung 2012 - BSV 2012), hinsichtlich der GKV durch § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V, und im Hinblick auf die sPV durch § 55 Abs 3 S 1 SGB XI sowie durch § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1 SGB XI und § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V.

7

Das BVerfG habe sich in seinem sPV-Urteil von einem leistungsrechtlichen Ansatz distanziert. Es diskutiere dort die unzureichende Kompensation der Erziehungslasten nicht mehr unter dem Aspekt der allgemeinen leistungsrechtlichen Förderungspflicht des Staates (Art 6 Abs 1 GG), sondern als Gleichheits- und Teilhabeproblem (Art 3 Abs 1 GG) unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz werde zu einem Grundrecht auf "intragene-rationelle Gleichbehandlung" fortentwickelt.

8

Die Systeme der GRV, GKV und sPV erfüllten die Voraussetzungen, die das BVerfG für eine zu beanstandende fehlende Differenzierung im Beitragsrecht zwischen Eltern und Kinderlosen aufgestellt habe (= Abdeckung eines in einem geschlossenen intergenerationellen System erfassten Risikos, das überproportional im Alter auftrete und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert werde; Absehbarkeit, dass ein signifikanter Teil der Versicherten kinderlos bleibe). Das sPV-Urteil sei auch auf die GRV und die GKV zu übertragen: GRV und GKV deckten als umlagefinanzierte Systeme ebenso wie die sPV ein Risiko ab, das überproportional im Alter auftrete. Die Mindestgeschlossenheit der Systeme folge in Zusammenschau mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Alterssicherung der Landwirte daraus, dass 87 % der Bevölkerung in der sPV, 80 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der GRV und 90 % der Bevölkerung in der GKV versichert seien. Zudem sei die Geburtenrate von 2,49 Kindern je Frau - Mitte der 1960er Jahre - auf mittlerweile 1,3 Kinder gesunken. Da die Kindererziehung für die Funktionsfähigkeit der Systeme genauso bedeutsam sei wie die Beiträge, erhielten Kinderlose in allen drei Sozialversicherungssystemen einen spezifischen, systembedingten Vorteil, der nach der Rechtsprechung des BVerfG auch innerhalb des jeweiligen Systems ausgeglichen werden müsse. Die Pflicht zum Ausgleich bestehe nur auf der Beitragsseite, da die Belastung der Eltern in der Erwerbsphase auftrete und auch in diesem Zeitraum ausgeglichen werden müsse.

9

In Bezug auf die einzelnen Sozialversicherungsteilsysteme gelte Folgendes: In der GRV müsse die Umsetzung der Maßstäbe aus dem sPV-Urteil des BVerfG systemimmanent erfolgen. Die Rechtsprechung des BVerfG sei insoweit bindend (§ 31 BVerfGG). Die in der GRV anerkannten Kindererziehungszeiten seien für die Annahme eines Vorteilsausgleichs strukturell ungeeignet und stellten auch keinen echten Vorteilsausgleich dar, weil die Beiträge hierfür der Bund leiste (§ 177 Abs 1 SGB VI); dh alle Steuerpflichtigen und nicht nur Kinderlose. Gleichzeitig bestehe eine Benachteiligung der Eltern im Leistungsrecht. Diese erlitten durch die Unterbrechungen und Einschränkungen der Erwerbsbiografie (zB Teilzeitarbeit) vielfach Verluste an persönlichen Entgeltpunkten, die nicht durch Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI)kompensiert würden. Das Argument, die demografische Entwicklung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und müsse abgabenpolitisch steuerfinanziert auf gesamtgesellschaftlicher Ebene gelöst werden, sei ohne verfassungsrechtliche Relevanz.

10

Auch in der GKV müsse ein systeminterner Vorteilsausgleich gesucht werden. Die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung (§ 10 SGB V) reiche insoweit nicht aus. Diese Begünstigung wiege nach den bindenden Ausführungen des BVerfG den mit der Erziehungsleistung zusätzlich erbrachten generativen Beitrag und den damit erlittenen Nachteil gegenüber Kinderlosen nicht auf.

11

Das Beitragsrecht in der sPV sei auch nach den Änderungen durch das KiBG verfassungswidrig. Insbesondere fehle im geltenden Recht die - auf der Grundlage des sPV-Urteils gebotene - Berücksichtigung der Anzahl der Kinder bei der Beitragsbemessung. Mit mehreren Kindern werde nämlich ein größerer generativer Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Systems erbracht als mit nur einem Kind.

12

Die Kläger untermauern ihre Auffassung durch Gutachten der Bertelsmann-Stiftung (Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013; Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013).

13

Überdies rügen die Kläger einen Verstoß des LSG gegen seine Amtsermittlungspflicht. Es sei bei seiner Prüfung von Art 6 Abs 1 GG ausgegangen. Zu Unrecht habe es die Frage, ob die staatliche Familienförderung offensichtlich unangemessen sei und dem Förderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genüge, als eine Frage einer Gesamtabwägung aufgefasst, ohne Ermittlungen zu den konkreten Belastungen durch die Erziehung und Betreuung von Kindern vorzunehmen. Insoweit habe das LSG selbst eingeräumt, zu einer konkreten Bezifferung der additiven Höhe der durch die legislativen Maßnahmen bewirkten Entlastung der Familien nicht in der Lage zu sein. Angesichts der von ihnen (den Klägern) vorlegten Gutachten und Aufsätzen habe sich das LSG zu Ermittlungen "zu den Realitäten des Familienlastenausgleichs" gedrängt sehen müssen, diese aber verfahrensfehlerhaft unterlassen.

14

Mit Schriftsatz vom 11.8.2015 haben die Kläger - nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist - Tabellen zu "Durchschnittlichen Leistungsausgaben Frauen/Männer im Alter von 0 bis 90 Jahren" vorgelegt, die als "generelle Tatsachen" von Amts wegen zu berücksichtigen seien.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Kläger im Revisionsverfahren wird vor allem auf Blatt 25 bis 102, Blatt 165 bis 173, Blatt 201 bis 224, 227/228 und Blatt 232 bis 244 der Revisionsakte verwiesen.

16

Die Kläger beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. April 2012 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. Mai 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juli 2006 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 2007 aufzuheben sowie festzustellen, dass die monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab 1. Juli 2006 nicht über eine Höhe von 50 vH der gegenwärtigen Bemessung zu erheben sind,

hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug eines Betrags von 833 Euro je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage monatlich erfolgen muss,

weiter hilfsweise festzustellen,
dass die Beitragsbemessung unter Abzug des in § 32 Abs 6 EStG genannten Betrags je Kind von der Beitragsbemessungsgrundlage erfolgen muss,

hilfsweise den Rechtsstreit gemäß Art 100 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die die Beitragspflicht und die Höhe der Beiträge zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung regelnden Vorschriften (§§ 157, 161 Abs 1, 162 Nr 1 SGB VI, §§ 223 Abs 2, 226 Abs 1 Satz 1 Nr 1 sowie § 241 SGB V und §§ 54 Abs 2 Satz 1, 55 Abs 1 und 3 Satz 1, 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI iVm § 226 SGB V) unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - mit den Grundrechten der Kläger aus den Art 3, 6, 20 und 28 (Sozialstaatsprinzip) GG vereinbar sind;

weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Baden-Württemberg zurückzuverweisen.

17

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,
die Revision der Kläger zurückzuweisen.

18

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

19

Die Beigeladenen zu 1. und zu 3. stellen keine Anträge. Die Beigeladene zu 3. schließt sich vollumfänglich der Revisionsbegründung der Kläger an.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten aller Instanzen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21

Die zulässige Revision der Kläger ist im Wesentlichen unbegründet.

22

1. Gegenstand des Rechtsstreits sind der mit der Anfechtungsklage angegriffene Bescheid der beklagten Krankenkasse als Einzugsstelle vom 20.7.2006 in der Gestalt ihrer Widerspruchsbescheide vom 16.5.2007, in denen sie festgestellt hat, dass es für die von den Klägern erstrebte Beitragsminderung keine Rechtsgrundlage gebe. Zu befinden ist außerdem über einen Feststellungsantrag. Streitig ist die Höhe der Beiträge zur GRV, GKV und sPV für den Zeitraum vom 1.7.2006 (= Monat der Antragstellung bei der Beklagten als Beginn) bis 24.4.2012 (= Tag der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen als Endzeitpunkt; vgl dazu allgemein zB BSGE 110, 62 = SozR 4-2500 § 240 Nr 16, RdNr 19; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 21). Für den Kläger zu 1. ist bezüglich der Beiträge zur GKV und zur sPV allerdings nur die Zeit bis 31.12.2010 im Streit, weil er nur bis zu diesem Zeitpunkt versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten und auch der Beigeladenen zu 1. (vgl § 48 Abs 1 S 1 SGB XI) war.

23

2. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Alt 1, § 55 Abs 1 Nr 1, Abs 2 SGG zulässig(vgl zB BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff, unter Hinweis auf BSG SozR 4-2600 § 2 Nr 6 RdNr 15 ff). Der Anfechtungsklage steht unter dem Blickwinkel ihrer Statthaftigkeit nicht entgegen, dass sich die Beklagte in ihren Bescheiden darauf beschränkt hat, allgemein nur die Belastung der Kläger mit Beiträgen "festzustellen". Sie hat damit für die Kläger objektiv erkennbar eine einseitige und konkrete, verbindliche, der Rechtsbeständigkeit fähige Feststellung getroffen; allein hierauf kommt es für die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage an (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff).

24

3. Auf die Anfechtungsklage der Kläger sind die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind. Dementsprechend sind die Urteile des LSG und SG zu ändern; insoweit muss die Revision der Kläger (teilweise) erfolgreich sein.

25

Mit diesen Bescheiden hat die Beklagte nämlich entgegen den einschlägigen Regelungen des materiellen Rechts zu Unrecht nur über die Beitragstragungspflicht und das Fehlen der Möglichkeit zu einer Beitragsreduzierung entschieden und sich dabei auf bloße allgemeine rechtliche Hinweise zur Bemessung und Tragung der Beiträge in der Sozialversicherung beschränkt. Sie hat dagegen - anders als hier erforderlich - nicht über die konkrete Beitragshöhe selbst entschieden.

26

Nach der Rechtsprechung des Senats ist einer Krankenkasse in ihrer Funktion als Einzugsstelle ua die Aufgabe übertragen, in gesetzlicher Verfahrens- und Prozessstandschaft (vgl zur Entwicklung BSG SozR 3-2400 § 28h Nr 9) anstelle der hierfür originär zuständigen Träger über die Beitragshöhe zu entscheiden (§ 28h Abs 2 S 1 SGB IV). Gegenüber Pflichtversicherten wegen Beschäftigung, die - wie die Kläger - nicht selbst Beitragsschuldner sind (vgl § 28e Abs 1 S 1 SGB IV), kommt bei der Entscheidung über die Beitragspflicht als festsetzungsfähige Rechtsfolge nur die betragsmäßig konkrete Feststellung der von ihnen zu tragenden Beitragsanteile in Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 7 Nr 1 RdNr 17 mwN). Die hierfür relevanten Umstände - wie die beitragspflichtigen Einnahmen und der Beitragssatz -, zu denen die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden zum Teil Aussagen gemacht hat, sind jeweils nur reine Berechnungs- bzw Begründungselemente und daher in der Regel auch nicht selbst einer Festlegung durch Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) zugänglich. Hieran hält der Senat fest (zur Problematik allgemein auch bereits: BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 35 ff; BSG Urteil vom 17.12.2014 - B 12 KR 23/12 R - Juris RdNr 18 f).

27

4. Die neben der - mithin erfolgreichen - Anfechtungsklage erhobene Feststellungsklage ist zulässig (dazu a), aber sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages und hinsichtlich der im Rahmen des Hauptantrages ergänzend gestellten Hilfsanträge, aber auch hinsichtlich der übrigen Hilfsanträge unbegründet. Die Feststellungsklage hat keinen Erfolg, weil die Bemessung der Beiträge der Kläger den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Beitragsrechts entspricht (dazu b). Diese gesetzlichen Bestimmungen im Recht der GRV (dazu 5.), der GKV (dazu 6.) und der sPV (dazu 7.) sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aussetzung des Verfahrens und der Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG iVm § 13 Nr 11, §§ 80 ff Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) bedurfte es daher nicht.

28

a) Das für eine zulässige Feststellungsklage erforderliche besondere Interesse der Kläger an der baldigen Feststellung iS von § 55 Abs 1 SGG ist nicht durch Zeitablauf erloschen. Die begehrte Feststellung der konkreten Beitragsbelastung für den (mittlerweile) zurückliegenden Zeitraum hat nämlich ua Bedeutung für einen möglicherweise von den Klägern künftig geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch (vgl zum Feststellungsinteresse BSG Urteil vom 18.5.1983 - 12 RK 28/82 - Juris RdNr 16; allgemein Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 55 RdNr 15).

29

b) Die Feststellungsklage bleibt im Hauptantrag der Kläger zur Beitragsbemessung sowie in Bezug auf ihre Hilfsanträge ohne Erfolg. Die feststellenden Ausführungen der Beklagten zur Beitragsbemessung erfolgten in den Zweigen der GRV, der GKV und der sPV in Einklang mit den dafür einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften (ua § 157, § 161 Abs 1, § 162 Nr 1 SGB VI sowie § 1 BSV 2012; § 223 Abs 2, § 226 Abs 1 S 1 Nr 1, § 241 SGB V; § 55 Abs 3 S 1 SGB XI, § 54 Abs 2 S 1, § 55 Abs 1, § 57 Abs 1 S 1 SGB XI iVm § 226 SGB V, hier anzuwenden in den jeweils zum Zeitpunkt der Beitragserhebung in der streitigen Zeit vom 1.7.2006 bis 24.4.2012 geltenden Fassungen). Dass die von der Beklagten vorgenommene bzw für zutreffend erachtete Beitragsbemessung in Einklang mit den einfachgesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen stand, ist zwischen den Beteiligten außer Streit.

30

5. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die hier maßgebenden gesetzlichen Vorschriften des Beitragsrechts der GRV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Rentenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern geforderten Weise zu mindern ist (dazu b).

31

a) Abhängig beschäftigte Versicherte - wie die Kläger - haben sich während der Dauer der Beschäftigung in aller Regel durch die hälftige Tragung der nach ihrem Bruttoentgelt bemessenen Beitragslast an den Ausgaben der GRV zu beteiligen. Das ergibt sich einfachgesetzlich aus den Vorschriften des Vierten Kapitels (§§ 153 ff) des SGB VI (diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB VI im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung). Einnahmen der allgemeinen Rentenversicherung sind hiernach insbesondere die Beiträge und die Zuschüsse des Bundes (§ 153 Abs 2 SGB VI). Die Beiträge werden nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird (§ 157 SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI), die bei Beschäftigten wie den Klägern aus dem Arbeitsentgelt bestehen (§ 162 Nr 1 SGB VI). Beitragssatz und Beitragsbemessungsgrenze sind von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung festzusetzen (§ 160 SGB VI). Insoweit ist § 158 SGB VI trotz mehrfacher Änderungen durchgehend zu entnehmen, dass der Beitragssatz grundsätzlich so festzusetzen ist, dass die voraussichtlichen Beitragseinnahmen ausreichen, um die voraussichtlichen Ausgaben zu decken (und sicherzustellen, dass die Mittel der Schwankungsreserve dem gesetzlich bestimmten Betrag entsprechen). Unter Zugrundelegung des hiernach festgesetzten jeweiligen Beitragssatzes und des bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts der Kläger ergibt sich die sie neben dem Arbeitgeber treffende hälftige Beitragslast.

32

b) Die Kläger können nicht verlangen, von dieser Beitragsbelastung entgegen der einfachgesetzlichen Rechtslage deshalb in dem beantragten Umfang freigestellt zu werden, weil sie bereits durch Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems erbracht hätten und andernfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) und den dort enthaltenen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber nicht berufen; das Beitragsrecht der GRV ist von der Bindungswirkung dieser Entscheidung (§ 31 BVerfGG) sachlich nicht erfasst (dazu aa). Der Senat ist auch unter Würdigung der Ausführungen des BVerfG in einem weiteren verfassungs-/gleichheitsrechtlichen Zusammenhang nicht davon überzeugt, dass (allein) die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts der GRV im Hinblick auf Art 6 Abs 1 GG (dazu bb) bzw Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG (dazu cc) von Verfassungs wegen geboten ist. Es ist deshalb unzutreffend, dass - wie die Kläger meinen - "sämtliche der vom BVerfG im Beitragskinderurteil als wesentlich identifizierten und zur Verfassungswidrigkeit der sPV führenden Elemente in gleicher Weise und erst recht auch bei der … GRV wirken".

33

aa) Das sPV-Urteil des BVerfG ist nicht insoweit auf das Beitragsrecht der GRV "übertragbar", als Entscheidungen des BVerfG nach § 31 Abs 2 S 2 BVerfGG Gesetzeskraft haben und insbesondere nach § 31 Abs 1 BVerfGG auch für die Fachgerichte bindend sind. Das BVerfG hat nach dem Tenor des sPV-Urteils die seinerzeit geltenden Beitragsvorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und 2 sowie § 57 SGB XI als mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG nicht vereinbar angesehen, soweit Versicherte der sPV, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Versicherte ohne Kinder belastet wurden(hierzu im Einzelnen unter 7. a>). Die Entscheidung hatte also die Pflegeversicherung und deren beitragsrechtliche Normen zum Gegenstand. Nur für diese entfaltet sie Bindungswirkung (§ 31 Abs 1 BVerfGG). Im sPV-Urteil hat das BVerfG nicht etwa gleichzeitig das rentenrechtliche Konzept eines Ausgleichs des Aufwandes für Kinder (allein) auf der Leistungsseite aufgegeben (so schon BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 41 ff, 50). Die Bindungswirkung bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG auf die Entscheidungsformel und die tragenden Gründe. Allerdings - und das ist entscheidend - ist Gegenstand der Bindungswirkung die "konkrete" Entscheidung (so ausdrücklich zB BVerfGE 104, 151, 197). Das BVerfG geht davon aus, dass auch die "tragenden Entscheidungsgründe" nur in Ansehung des konkreten Streitgegenstandes und nur im Hinblick auf künftige gleichgelagerte Fälle, mithin in concreto binden (so zB Rennert in Umbach/Clemens, BVerfGG, 1. Aufl 1992, § 31 RdNr 72, mwN aus der Rspr des BVerfG).

34

bb) Die hier einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GRV stehen nicht im Widerspruch zu Art 6 Abs 1 GG.

35

Der besondere Schutz der Familie, zu dem Art 6 Abs 1 GG den Staat verpflichtet, hält den Gesetzgeber nicht verfassungsrechtlich an, jede zusätzliche finanzielle Belastung der Familie zu vermeiden. Der Staat ist auch nicht durch die in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Pflicht zur Förderung der Familie gehalten, die Beitragslast auszugleichen. Die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen steht unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten. Der Gesetzgeber hat im Interesse des Gemeinwohls neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Demgemäß lässt sich aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme, in denen der Familienlastenausgleich zu verwirklichen ist, nicht ableiten. Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl BVerfGE 103, 242, 258 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BVerfGE 87, 1, 35 f = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6; aus späterer Zeit BVerfGE 107, 205, 212 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1 RdNr 28; BVerfGE 110, 412, 445). Dem hat sich der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 angeschlossen (vgl stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 49; zur Bedeutung des aus Art 6 Abs 1 GG folgenden Förderungsgebots als Prüfungsmaßstab zuletzt BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 31). Hieran hält er fest.

36

cc) Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die beitragsrechtlichen Vorschriften der GRV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstoßen, soweit der Rentenversicherungsbeitrag der von den Klägern repräsentierten Personengruppe - versicherte Eltern mit Kindern - danach nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder im geforderten Umfang zu reduzieren ist. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung entspricht die GRV in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen nicht den Anforderungen, die das BVerfG im sPV-Urteil für ein verfassungsrechtliches Gebot der beitragsrechtlichen Differenzierung zwischen Versicherten mit und solchen ohne Kinder aufgestellt hat; denn es fehlt an der Mindestgeschlossenheit dieses Sozialversicherungs(teil)systems (dazu <1>). Unabhängig davon läge auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, weil eine Gleichbehandlung bzw benachteiligende Ungleichbehandlung von Personen wie den Klägern im Beitragsrecht (gerade) der GRV in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt wäre (dazu <2>).

37

(1) Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist nach dem sPV-Urteil des BVerfG durch die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Pflegeversicherungsbeiträgen - auch nach Auffassung der Kläger - nur verletzt, wenn

        

1.    

das Sozialversicherungssystem ein Risiko abdeckt, das überproportional im Alter auftritt und durch Beiträge nachwachsender Generationen finanziert wird,

        

2.    

das Sozialversicherungssystem eine Mindestgeschlossenheit aufweist (zu dieser Voraussetzung auch: BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 83) und

        

3.    

absehbar ist, dass ein signifikanter Teil der Versicherten keine Kinder bekommt.

38

Es kann offenbleiben, ob die GRV die erste und die dritte der vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt. Jedenfalls weist die GRV nicht die geforderte Mindestgeschlossenheit auf, weil nicht angenommen werden kann, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft Beitragszahler in der GRV sein wird. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung besteht keine "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder der Beitragszahler in dem Sicherungssystem der GRV zukünftig selbst Beiträge leisten und dadurch zum Fortbestand des Systems beitragen werden".

39

Im sPV-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass die Betreuungs- und Erziehungsleistung in der sPV auch in Zukunft nachhaltig zum Tragen und den kinderlosen Versicherten der sPV zugutekommt, weil dort aufgrund der umfassenden gesetzlichen Versicherungspflicht in jedem Fall eine Versicherung entweder in der sozialen oder in der privaten Pflegeversicherung begründet wird. Dies trifft auf die GRV nicht zu (in diesem Sinne bereits BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein "generativer Beitrag" führt allenfalls dann zu einem "Vorteil im Versicherungsfall" für Kinderlose aus der Zahlung der Beiträge nachwachsender Generationen, wenn diese später auch tatsächlich Beiträge erbringen (so das BVerfG im sPV-Urteil: BVerfGE 103, 242, 264 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 f). Es reicht dafür entgegen der Ansicht der Kläger nicht aus, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft "überhaupt" Mitglied der GRV wird, sondern es kommt darauf an, dass ein wesentlicher Anteil aller Kinder in Zukunft voraussichtlich auch "Beitragszahler" in der GRV sein wird; denn im Wesentlichen finanzieren im geltenden Umlagesystem nur die (aktuellen) Beitragszahler die (aktuellen) Leistungen an die Rentner.

40

Eine solche "rechtlich fundierte Wahrscheinlichkeit", dass Kinder von Beitragszahlern in Zukunft durch eigene Rentenversicherungsbeiträge zum Fortbestand der GRV beitragen werden, kann jedenfalls für den vorliegend streitigen Zeitraum der Jahre 2006 bis 2012 nicht angenommen werden, weil es sich nach den öffentlich zugänglichen statistischen Daten vielmehr so verhält, dass etwa die Hälfte der potentiellen Beitragszahler - obwohl statistisch als "Versicherte" geführt - tatsächlich keine Beiträge zur GRV zahlt bzw wenn, dann nur in einem geringfügigen Umfang. Beruhend auf den Beobachtungen aus der Vergangenheit und bei unveränderten Annahmen über die zukünftige Entwicklung muss davon ausgegangen werden, dass seinerzeit - im streitigen Zeitraum - betreute und erzogene Kinder als spätere Rentenversicherte das System der GRV jedenfalls nicht (wie vom BVerfG gefordert) zu einem "wesentlichen Anteil" bzw "maßgeblich" stützen werden. Insoweit kann auch nicht davon gesprochen werden, dass eine aktuelle "Leistung" durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der GRV in Zukunft "nachhaltig" zum Tragen und Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern zugutekommen wird.

41

So waren beispielsweise im Jahr 2006 rund 51,97 Mio Menschen in der GRV ohne Rentenbezug versichert, davon 35,02 Mio "aktiv" und 16,95 Mio "passiv" (zur Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006: DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2015, S 14). Als "Versicherte" der GRV werden statistisch alle Personen bezeichnet, die einen Leistungsanspruch ihr gegenüber erworben haben. Die Versicherten mit Rentenbezug werden in den Rentenstatistiken erfasst und als "Rentenzahlfall" bzw bei personeller Zuordnung als "Rentner" bezeichnet. Gegenstand der Versichertenstatistik sind hingegen im Allgemeinen die Versicherten ohne Rentenbezug, die aktuell Rentenanwartschaften erwerben oder zu einem früheren Zeitpunkt erworben haben. Zu den "aktiv Versicherten" zählen alle Beitragszahler, aber auch sog Anrechnungszeitversicherte. Dies sind Versicherte mit Zeiten, für die grundsätzlich keine Beiträge zur GRV gezahlt werden (vgl § 58 SGB VI). Die Anrechnungszeitversicherten werden in den angegebenen Zahlen nicht separat ausgewiesen. Bei den "passiv Versicherten" handelt es sich um (lebende) Versicherte ohne Rentenbezug, deren Versichertenkonten aktuell keine Einträge aus aktiver Versicherung aufweisen, für die aber in den Zeiten davor mindestens ein versicherungspflichtiger Tatbestand oder ein Bonus aus einem Versorgungsausgleich gespeichert ist. In Abhängigkeit davon, ob solche Einträge innerhalb des Berichtsjahres oder davor liegen, unterscheidet man bei den passiv Versicherten zwischen Übergangsfällen und latent Versicherten, die wiederum nicht separat ausgewiesen wurden (zu den Definitionen: Kaldybajewa/Kruse/Strobel, RV aktuell 2009, 83; DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 11 ff, 18). Von den aktiv versicherten Personen waren im Jahr 2006 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB III/SGB II, die ihre Beiträge nicht selbst tragen. Das bedeutet, dass von den 51,97 Mio Menschen ca 22,5 Mio Menschen (16,95 Mio passiv Versicherte plus 5,55 Mio Leistungsempfänger nach dem SGB II/III) nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge im Berichtszeitraum bzw am Stichtag leisteten. Das sind immerhin 43 % aller Versicherten ohne Rentenbezug. Hierin sind die 5,1 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten noch nicht eingerechnet. Unter Einrechnung auch dieser Personengruppe ergeben sich sogar 53 %, die nahezu keine Beiträge entrichten (zu dieser Problematik bereits Althammer/Klammer, Ehe und Familie in der Steuerrechts- und Sozialordnung, Tübingen 2006, S 151; Estelmann, SGb 2002, 245, 253; zu der Verteilung zwischen aktiv und passiv Versicherten in den Jahren ab 2006 vgl erneut DRV Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, aaO, S 14).

42

Ein ähnliches Bild ergeben die Zahlen des Jahres 2012. In diesem Jahr waren 35,71 Mio Menschen aktiv und 16,96 Mio Menschen passiv ohne Rentenbezug in der GRV versichert. Unter den aktiv Versicherten waren 926 406 Menschen Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem SGB III und 2,5 Mio Anrechnungszeitversicherte (zu diesen Zahlen: DRV Bund, Versichertenbericht 2014, S 6). Von 52,67 Mio "Versicherten" zahlten also ca 20,39 Mio Menschen nicht selbst oder tatsächlich keine Rentenversicherungsbeiträge. Dies sind immerhin 38,7 % aller Versicherten. Berücksichtigt sind dabei noch nicht die 5,23 Mio geringfügig Beschäftigten unter den aktiv Versicherten, diese eingerechnet ergeben sogar 48,65 %.

43

(2) Unabhängig von einer "an der Argumentationsstruktur" des sPV-Urteils des BVerfG "orientierten" Würdigung ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (hierzu allgemein: BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGK 12, 81, 83 mwN; Boysen in von Münch/Kunig, GG-Kommentar, 6. Aufl 2012, Art 3 RdNr 102).

44

Art 3 Abs 1 GG gebietet es, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu regeln (vgl zB BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Es kann offenbleiben, ob die vorliegende Konstellation unter dem Aspekt einer Gleich- oder Ungleichbehandlung betrachtet wird (vgl Ebsen, VSSR 2004, 3, 11 f). Unter beiden Aspekten kommt es nämlich entscheidend auf das Kriterium der Betreuung und Erziehung von Kindern an. Für die Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung spielt die Einordnung als Gleich- oder Ungleichbehandlung vorliegend jedenfalls keine Rolle. Es genügt in beiden Fällen das Vorliegen eines sachlichen Grundes zur Rechtfertigung. Als Grund für eine Ungleichbehandlung kommt jede vernünftige Erwägung in Betracht. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung ist zu verneinen, wenn ein vernünftiger Grund für die Gleichbehandlung fehlt bzw die tatsächlichen Ungleichheiten so bedeutsam sind, dass ihre Nichtbeachtung gegen eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise verstößt (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12). Innerhalb dieser Grenzen ist der Gesetzgeber in seiner Entscheidung frei. Allerdings kann sich eine weitergehende Einschränkung aus anderen Verfassungsnormen ergeben. Insbesondere ist bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Beitragsregelungen, die Personen mit und ohne Kinder gleich behandeln oder zum Nachteil der Familie differenzieren, der besondere Schutz zu beachten, den der Staat nach Art 6 Abs 1 GG der Familie schuldet (BVerfGE 103, 242, 258 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 12; BVerfGE 87, 1, 37 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7). Jedoch verfügt der Gesetzgeber auch dabei über einen nicht unerheblichen Gestaltungsrahmen. Er darf nicht nur die jeweilige Haushaltslage und die finanzielle Situation der GRV, sondern auch über Jahrzehnte gewachsene und bewährte Prinzipien im komplexen System der GRV berücksichtigen (BVerfGK 12, 81, 83 mwN).

45

Hiervon ausgehend stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern keine die Vorgaben von Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG missachtende Gleich- bzw Ungleichbehandlung dar. Der Gesetzgeber hat jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat (dazu ). Überdies sind ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der monetäre Beitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig (dazu ). Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GRV liegt weiterhin darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für Kinder als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt (dazu ). Auch könnte eine Berücksichtigung im Beitragsrecht zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen (dazu ). Letztlich rechtfertigt der Strukturunterschied zwischen GRV und sPV im Hinblick auf die Leistungsbemessung eine Nichtberücksichtigung von Kinderbetreuung und -erziehung im Beitragsrecht der GRV (dazu ).

46

(a) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil er seit Ergehen des "Trümmerfrauen"-Urteils (BVerfGE 87, 1 = SozR 3-5761 Allg Nr 1) in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente in das Leistungsspektrum gerade der GRV eingefügt und die durch Kindererziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - systemgerecht bereits im Leistungsrecht der GRV ausgeglichen hat. Auf den Ausgleich eines von den Klägern angeführten "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es hierfür insoweit nicht an.

47

(aa) Der Senat hat schon in seinen Urteilen vom 5.7.2006 einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht und ausreichend bestätigt (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 51; ebenso Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 64; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; ders, FamRZ 2004, 493, 494; aA Kingreen, Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes 57 <2008>, 71, 90, 94; Lenze, NZS 2007, 407, 409; dazu auch Estelmann, SGb 2002, 245, 253). Daran hält der Senat fest. Unter diese Leistungen, die auch in den vorliegend streitigen Jahren fortwirkten, fallen insbesondere:

        

•       

große Witwen- oder Witwerrente bei Kindererziehung (§ 46 Abs 2 S 1 Nr 1 und § 243 Abs 2 und Abs 3 SGB VI),

        

•       

Erziehungsrente (§§ 47, 243a SGB VI),

        

•       

Kindererziehungszeiten (§ 3 S 1 Nr 1 iVm §§ 56, 249, 249a SGB VI),

        

•       

Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung (§ 57 SGB VI),

        

•       

Anrechnungszeiten für Schwangerschaft oder Mutterschaft (§ 58 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB VI),

        

•       

Zuschlag für Zeiten der Kindererziehung bei Witwen- und Witwerrenten (§ 78a SGB VI),

        

•       

Kinderzuschuss (§ 270 SGB VI),

        

•       

Leistungen für Kindererziehung an Mütter der Geburtenjahrgänge vor 1921 (§§ 294 bis 299 SGB VI),

        

•       

Zuzahlungsfreiheit für unter 18-jährige bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und bei sonstigen Leistungen (§ 32 Abs 1 SGB VI).

48

Zu den einzelnen seit dem "Trümmerfrauen"-Urteil des BVerfG in Ansehung von Betreuung und Erziehung von Kindern eingeführten Leistungen der GRV wird für den Zeitraum von 1992 bis 2004 im Übrigen ergänzend auf den Bericht der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Bericht der Bundesregierung zur Bedeutung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Sozialen Pflegeversicherung vom 3. April 2001 <1 BvR 1629/94> für andere Zweige der Sozialversicherung vom 4.11.2004, BT-Drucks 15/4375 , S 6 ff) verwiesen.

49

Die den vorstehenden Ausführungen des Senats zugrunde liegende Beurteilung, dass auf einen Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern im Leistungsrecht der GRV als systemgerecht abgestellt werden darf, hat das BVerfG für den Bereich der landwirtschaftlichen Alterssicherung als verfassungsgemäß bestätigt; ein Ausgleich ist demnach - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht nur im Beitragsrecht möglich. So hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung (BVerfGE 109, 96, 127 = SozR 4-5868 § 1 Nr 2 RdNr 84 ff) einen Verstoß des Beitragsrechts der landwirtschaftlichen Alterssicherung gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG auch unter Berücksichtigung seines sPV-Urteils ua deshalb verneint, weil in der Alterssicherung "im Unterschied zur sozialen Pflegeversicherung die Erziehungsleistung … nicht unberücksichtigt (bleibt). Zeiten der Kindererziehung wirken sich … im Zusammenhang mit der Erfüllung der Wartezeit rechtsbegründend nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG in Verbindung mit § 56 Abs 1 SGB VI aus. Auch hat der Landwirtsehegatte auf Grund von Zeiten der Kindererziehung Zugang zur gesetzlichen Rente …". Diese Argumentation lässt darauf schließen, dass das BVerfG die Regelungen des Rentenrechts als mit dem GG insoweit vereinbar angesehen hat (vgl Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57) und macht deutlich, dass auch das BVerfG für die GRV von einem ausreichenden Ausgleich der Kindererziehung auf der Leistungsseite ausgeht (zum Verhältnis dieser Entscheidung zum sPV-Urteil vgl BSG <13. Senat> SozR 4-2600 § 70 Nr 2 RdNr 37). Die Anerkennung von Kindererziehungszeiten fügt sich in die Struktur der Rentenversicherung ein (BVerfG BVerfGK 12, 81, 83).

50

(bb) Auf den Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes für die GRV kommt es dabei - entgegen der Auffassung der Kläger - nicht an. Positive "'externe Effekte' der Erziehung und Ausbildung von Kindern" werden nach Ansicht eines von den Klägern angeführten Gutachtens (Werding, Familien in der gesetzlichen Rentenversicherung: Das Umlageverfahren auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 27) erzeugt, "wenn ein Gutteil der Erträge der dabei vorgenommenen Humankapitalinvestitionen nicht den Finanziers (etwa den Eltern, soweit diese die Kosten der Erziehung und Ausbildung der Kinder überwiegend selbst tragen), sondern Dritten (nämlich allen Angehörigen der Rentnergeneration, unabhängig von ihrer individuellen Beteiligung an der Humankapitalbildung) zugutekommen". Sie entstehen also, wenn sich für "durchschnittliche Kinder" aus heutiger Sicht ein Überschuss aller von ihnen geleisteten Sozialversicherungsbeiträge und Steuern über die von ihnen in Anspruch genommenen Geld- und Sachleistungen ergibt (vgl Werding, aaO, S 89, 47). Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Vor diesem Hintergrund veranlasst das von den Klägern vorgelegte Gutachten (Werding, aaO, S 47, 84) den Senat nicht dazu, das Beitragsrecht der GRV insoweit für verfassungswidrig zu halten. Entscheidend ist demgegenüber vielmehr, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in deren Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird.

51

In dem Gutachten wird aus sozialökonomischer Sicht der Versuch unternommen, innerhalb bestimmter als modellhaft angenommener Rahmenbedingungen einen "externen Vorteil" von Kindern für die GRV zu beziffern. Der Ausgleich eines "externen Effektes" eines Kindes ist jedoch verfassungsrechtlich nicht geboten. Zwar besteht der generative Beitrag nach den Ausführungen des BVerfG im sPV-Urteil in der pekuniären Beitragsleistung, die die heutigen Kinder in der Zukunft erbringen werden (vgl Estelmann, SGb 2002, 245, 254). Es soll der Vorteil ausgeglichen werden, der Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall erwächst. Dieser Vorteil soll sich aber in der Erziehungsleistung der Eltern spiegeln, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil - im Vergleich zu Kinderlosen - auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17). Dieser Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung entsteht wiederum durch die Kosten, die sich ergeben, wenn sich Eltern der Erziehung widmen und auf eine Berufstätigkeit verzichten oder dieser nur eingeschränkt nachgehen, durch Betreuungskosten oder sonstige Kosten, die mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zusammenhängen. So formuliert das BVerfG ausdrücklich, dass die mit der Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, auch in diesem Zeitraum auszugleichen ist (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Demnach können zum Ausgleich des Nachteils aber auch alle familienfördernden Elemente mitberücksichtigt werden, dh auch solche, die in anderen Bereichen als der GRV seit jeher vorhanden sind bzw sukzessive eingeführt wurden und die die "Nachteile", die Eltern durch die Betreuung und Erziehung von Kindern in der Erwerbsphase entstehen, vermindern (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 251). Zu den vielfältigen derartigen Leistungen für die Zeit von 1992 bis 2004 ist ebenfalls auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375) zu verweisen. Leistungen für Familien außerhalb der GRV in den Jahren nach 2004 werden im Einzelnen in den Sozialberichten der Bundesregierung aufgeführt (vgl Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37 f, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

52

Die - auch von den Klägern angeführte - Untersuchung von Schmähl/Rothgang/Viebrok (Berücksichtigung von Familienleistungen in der Alterssicherung - Analyse und Folgerungen aus ökonomischer Sicht, DRV-Schriften Band 65 <2006> 106) weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das BVerfG in seinem sPV-Urteil (gerade) "nicht versucht hat, das Zusammenspiel von elterlichen, staatlichen, betrieblichen und anderen Erziehungsleistungen zu durchdringen und auf dieser Basis den Beitrag der Eltern und damit den externen Effekt ihrer Kindererziehungsleistungen zu beziffern" (vgl ebenda). Gleiches ist auch im vorliegenden Rechtsstreit bedeutsam, weil es nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Maßstäben jedenfalls keine zwingende Notwendigkeit für eine Berücksichtigung des "externen Effekts" gibt. Darüber hinaus machen diese - ebenfalls aus dem Bereich der Sozialökonomie stammenden - Autoren deutlich, dass der externe Effekt selbst bei fachspezifischer Analyse nicht betragsmäßig beziffert werden kann.

53

(b) Die beitragsrechtliche Differenzierung bzw Gleichbehandlung ist auch deshalb gerechtfertigt, weil ein in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegender "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GRV weder gleichartig noch gleichwertig sind; denn mit der Erziehungsleistung wird für die - aktuell - zu finanzierenden Renten weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet. Der Beitrag zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit der GRV, der in Form von Kindererziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "echten" monetären Beiträgen der Erwerbstätigen nicht sogleich wieder in Form von Rentenzahlungen an die nicht mehr Erwerbstätigen ausgeschüttet werden (BVerfGE 87, 1, 40 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 9 <"Trümmerfrauen-Urteil">; im Ergebnis auch Ruland, NJW 2001, 1673, 1677). Im (einfachrechtlichen) Rentenrecht gibt es keine dokumentierte und fixierte Sonderbeziehung zwischen aktiv erwerbstätiger Generation und nachwachsender Generation. Eine solche Sonderbeziehung besteht nur zwischen der jeweiligen Generation der aktiv Erwerbstätigen einerseits und der jeweils aktuellen Rentnergeneration andererseits. Mit anderen Worten: Mit "generativen Beiträgen" (durch Kindererziehung) können aktuelle Renten nicht bezahlt werden. Dies hat der Senat bereits entschieden (BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 57 f). Daran hält er fest.

54

Dieser Befund der fehlenden Möglichkeit der Gleichsetzung eines "monetären" mit dem "generativen" Beitrag (aA Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f) wird auch nicht durch einen Rückgriff auf den durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung entstehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) in Frage gestellt. Hierbei handelt es sich nur um eine "Umformulierung" desselben Sachverhalts, weil der "Verzicht" gerade durch den Aufwand für Beiträge bzw durch das durch die Betreuungs- und Erziehungsleistung verminderte Einkommen der Eltern entsteht; dh der Aufwand der Eltern für die Beitrags- bzw die Betreuungs- und Erziehungsleistung geht auf der anderen Seite zwingend mit einem Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung einher.

55

(c) Ein sachlicher Grund für die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung von Rentenversicherungsbeiträgen für Versicherte mit Kindern liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen der GRV darstellt. Ein solcher von den Klägern geforderter Ausgleich wäre keine "systemspezifische" Aufgabe der GRV.

56

Die GRV ist für ihren Fortbestand auf nachwachsende Beitragszahler ebenso angewiesen, wie das Staatswesen für seinen Fortbestand auf ein nachwachsendes Staatsvolk. Auch wenn sich derartige allgemeine Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Staates (auch) innerhalb des Systems der GRV auswirken, handelt es sich doch nur bei "genuin innerhalb des GRV-Systems entstehenden Auswirkungen um systemspezifische" (vgl BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52; unter Hinweis Haass, KJ 2002, 104, 108 f). Im bestehenden Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland liegt es verteilungs- und ordnungspolitisch näher - bzw ist jedenfalls verfassungsrechtlich auch aus heutiger Sicht nicht zu beanstanden -, wenn der von den Klägern erstrebte Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern als Teil des Ganzen durch Maßnahmen im Steuerrecht gelöst wird (vgl ebenso: Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7, 13; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Nachhaltigkeit in der Finanzierung der Sozialen Sicherungssysteme, Bericht der Kommission, 2003, S 114 f; aus der Literatur: Ruland, NJW 2001, 1673, 1677; ders, SDSRV 57 <2008>, 53; Haass, KJ 2002, 104, 107; Ebsen, VSSR 2004, 3, 17; Hase, VSSR 2004, 55, 68; Axer, Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft - DStJG - 29 <2006>, 175, 192).

57

Dies hat der Senat bereits in seinen Urteilen vom 5.7.2006 entschieden (stellvertretend BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Die GRV darf nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft lösen (vgl BVerfGE 75, 108, 148). Jede staatliche Gemeinschaft ist auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen angewiesen, weshalb an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Betreuungs- und Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18). Dieses Argument ist deshalb (gerade) nicht - wie die Kläger meinen - im Hinblick auf die Bindungswirkung des sPV-Urteils nach § 31 BVerfGG für die GRV ohne verfassungsrechtliche Relevanz. Das Teilsystem der GRV kann die Elemente des dieses System fördernden und fordernden Umfeldes nicht selbst steuern oder intern ausgleichen; wer es unternimmt, innerhalb des Systems dessen äußere Voraussetzungen zu korrigieren, bewegt sich logisch außerhalb eines Systemausgleichs. Die Probleme des Ausgleichs des Aufwandes für Kinder sind Teil der allgemeinen Rahmenbedingungen jedweder Altersvorsorge bzw Zukunftsfähigkeit jeder Gemeinschaft und damit keine spezifische Aufgabe der GRV (vgl erneut BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 52 ff). Hieran hält der Senat fest.

58

(d) Die Berücksichtigung einer auf der Betreuungs- und Erziehungsleistung beruhenden Vorleistung im Recht der GRV könnte ferner zu verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen an anderer Stelle führen (vgl hierzu die Nachweise in BSG SozR 4-2600 § 157 Nr 1 RdNr 58). Ein solcher Binnenausgleich auf der Beitragsseite könnte Eltern benachteiligen, die einen gleich hohen Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern haben, aber nicht Mitglied der GRV sind und daher für ihre Altersvorsorge selbst (privat) zu sorgen haben (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5, 7; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Stellungnahme des Sozialbeirats, aaO, BT-Drucks 14/6099, S 8; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1675). Umgekehrt könnten Kinderlose, die nicht Versicherte der GRV sind, nicht an diesem Ausgleich teilnehmen (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, BT-Drucks 15/4375, S 5; Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, aaO; Ruland, NJW 2001, 1673, 1674; Ebsen, Jura 2002, 401, 404; ders VSSR 2004, 3, 17; kritisch hierzu Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 90).

59

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass es vorliegend "nur" um den Ausgleich von Betreuungs- und Erziehungsleistungen von in der GRV versicherten Eltern gehe: Zum einen verkennt dies den - wie dargestellt - übergreifenden Charakter der Betreuungs- und Erziehungsleistungen von Eltern. Zum anderen könnte es selbst bei einer Betrachtung nur innerhalb der GRV zu einer verfassungsrechtlich schwer zu rechtfertigenden Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen kommen, weil besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt würden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Bei Kinderlosen könnte es zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten kommen. Dies alles würde aus dem Umstand folgen, dass das beitragspflichtige Einkommen in der GRV durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt ist (vgl hierzu Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 5). Allgemein ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass jedwede Änderung im Recht der GRV als einem auf lange Sicht angelegten System der sozialen Alterssicherung vielfältige verfassungsrechtliche Risiken und Folgewirkungen beinhalten würde. Den Sozialgesetzgeber trifft insoweit auch eine gewisse Schutzverpflichtung zugunsten des selbstgesetzten Systems (vgl hierzu Papier, DRV 2001, 350, 358).

60

(e) Schließlich ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe auch wegen des grundsätzlichen strukturellen Unterschieds zwischen sPV und GRV im Hinblick auf die Leistungsbemessung gerechtfertigt. Geld- und Pflegesachleistungen in der sPV sind nicht arbeitsentgelt- oder beitragsbezogen, sondern abhängig vom jeweils bestehenden Pflegebedarf (vgl §§ 36 ff SGB XI). Auch besteht der Leistungsanspruch grundsätzlich bereits - ohne Wartezeit - mit Beginn des Versicherungsschutzes in vollem Umfang (vgl schon Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 6 ff; Hase, Sozialversicherung und Familie zwischen sozialem Ausgleich und staatlicher Verantwortung, DRV-Schriften 46 <2003>, 29, 61; Ruland, SDSRV 57 <2008>, 53, 57). Der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern kann daher in der sPV von vornherein nur auf der Beitragsseite berücksichtigt werden. Hiervon unterscheidet sich das Leistungsrecht in der GRV strukturell. Hier sind die Rentenleistungen hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Inanspruchnahme und hinsichtlich ihrer Höhe von der individuellen Versicherungsbiografie, einschließlich der konkreten Beitragsleistung abhängig (vgl § 63 SGB VI). Ein systeminterner Nachteilsausgleich im Beitragsrecht der GRV mag bei alledem "nicht verfassungsrechtlich unzulässig" sein, verfassungsgeboten - wie die Kläger meinen - ist er jedoch nicht.

61

6. Der Senat ist auch nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des Beitragsrechts der GKV (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Krankenversicherungsbeitrag von Eltern nicht im Hinblick auf den Betreuungs- und Erziehungsaufwand für Kinder in der von den Klägern verlangten Weise zu reduzieren ist (dazu b).

62

a) Nach §§ 241 ff SGB V(diese wie auch die folgenden Bestimmungen des SGB V im Wesentlichen in bis heute fortgeltender Fassung) sind Krankenversicherungsbeiträge nach einem Beitragssatz zu erheben, der in Hundertsteln der beitragspflichtigen Einnahmen festgesetzt wird. Der allgemeine Beitragssatz war anfänglich krankenkassenindividuell verschieden und wird seit dem 1.1.2009 bundeseinheitlich festgelegt. Für bestimmte Versicherte sieht das Beitragsrecht der GKV ermäßigte bzw besondere Beitragssätze vor (§§ 243 ff SGB V). Nach § 223 Abs 2 S 1 SGB V werden die Krankenversicherungsbeiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen. Welche Einnahmen hierunter fallen, wird bei versicherungspflichtig Beschäftigten durch § 226 Abs 1 SGB V bestimmt. Der Umfang der beitragspflichtigen Einnahmen ist nach unten durch eine Bagatellgrenze (§ 226 Abs 2 SGB V) und nach oben durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 Abs 3 S 1 SGB V) beschränkt. Die Krankenversicherungsbeiträge werden bei Beschäftigten von diesen und ihren Arbeitgebern im Grundsatz jeweils zur Hälfte getragen (§ 249b SGB V).

63

b) Die Kläger können nicht beanspruchen, von ihren auf dieser Gesetzeslage beruhenden Krankenversicherungsbeiträgen deshalb im geforderten Umfang entlastet zu werden, weil sie ihrer Auffassung nach bereits durch die Tragung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder ausreichend Vorleistungen zugunsten des Systems der GKV erbracht hätten und anderenfalls gegenüber Versicherten ohne Kinder bzw solchen mit weniger Kindern gleichheitswidrig benachteiligt würden. Sie können sich auf das sPV-Urteil des BVerfG nicht berufen, weil das Beitragsrecht der GKV von der Bindungswirkung dieses Urteils (§ 31 BVerfGG) nicht erfasst wird (vgl bereits - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> aa>). Auch können sich die Kläger nicht mit Erfolg auf das aus Art 6 Abs 1 GG folgende Gebot zur Förderung der Familie stützen (so schon - zum Beitragsrecht der GRV - oben 5. b> bb>).

64

Der Senat ist schließlich nicht davon überzeugt, dass die hier einschlägigen beitragsrechtlichen Vorschriften der GKV in ihrer Anwendung auf Personen wie die Kläger Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verletzen. Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht ist bereits zweifelhaft, ob die GKV alle vom BVerfG in seinem sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen für einen - von ihnen so bezeichneten - "intergenerationellen" Gleichheitsverstoß erfüllt; fraglich ist nämlich vor allem, ob die GKV ein versichertes Risiko abdeckt, das "überproportional" im Alter auftritt und durch Beiträge der nachwachsenden Generation finanziert wird (dazu aa). Unabhängig davon ergäbe sich auch deshalb kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG, weil bei Prüfung in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Zusammenhang für eine Gleichbehandlung bzw Benachteiligung der von den Klägern repräsentierten Personengruppe im Beitragsrecht der GKV rechtfertigende Sachgründe vorliegen (dazu bb).

65

aa) Würden die im sPV-Urteil aufgestellten Voraussetzungen, bei deren Vorliegen das BVerfG einen Verstoß der beitragsrechtlichen Vorschriften der sPV gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG angenommen hat, auf die GKV "übertragen", so wäre eine Verletzung des Gleichheitssatzes durch deren einschlägige gesetzliche Beitragsvorschriften nach diesen Maßstäben zumindest zweifelhaft. Anders als die Kläger meinen, ist die "Übertragbarkeit" des sPV-Urteils auf die GKV nämlich nicht schon deshalb "weniger problematisch", weil sich die Organisations- und Finanzierungsstrukturen der sPV und der GKV "weitgehend entsprechen". Dies mag bezogen auf die Organisations- und Finanzierungsstrukturen zutreffen. Ein erheblicher Unterschied besteht jedoch bei dem jeweils versicherten Risiko.

66

Im sPV-Urteil hat das BVerfG ausgeführt, es ist entscheidend, dass "der durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachte finanzielle Bedarf überproportional häufig in der Großelterngeneration (60 Jahre und älter) auftritt" (BVerfG, 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16). Als Lebensrisiko betrifft das Risiko einer Erkrankung alle Altersgruppen der Gesellschaft; Entsprechendes gilt für das in der GKV versicherte Risiko, die durch Krankheit bedingten (Krankheits-)Aufwendungen und ggf Verdienstausfälle finanziell nicht tragen zu können. Zwar steigen die Krankheitskosten pro Kopf nach den öffentlich, dh für jedermann verfügbaren statistischen Daten allgemein - unabhängig von der Zugehörigkeit zur GKV - grundsätzlich im Alter deutlich an.

67

So lagen die Krankheitskosten etwa im Jahr 2006 für Einwohner unter 15 Jahren bei jährlich 1240 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1180 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1600 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 2930 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6140 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 440 Euro (Statistisches Bundesamt, Gesundheit - Krankheitskosten, Wiesbaden 2010, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2006 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 124,7 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 111,9 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Für das Jahr 2008 galt Folgendes: Die Krankheitskosten für Einwohner unter 15 Jahren lagen bei jährlich 1360 Euro, bei Einwohnern zwischen 15 und 30 Jahren bei 1320 Euro, bei den 30 bis 45-jährigen bei 1700 Euro, bei den 45 bis 65-jährigen bei 3010 Euro, bei den 65 bis 85-jährigen bei 6520 Euro und bei Einwohnern von 85 Jahren und älter bei 14 840 Euro (Statistisches Bundesamt, aaO, S 14). Das allgemeine Ausgabenvolumen stellte sich im Jahr 2008 jedoch so dar, dass für die Gruppe der unter 65 Jahre alten Personen Krankheitskosten von insgesamt rund 131,2 Mrd Euro entstanden sind, für die Gruppe der 65-jährigen und älter aber "nur" rund 123,1 Mrd Euro ( https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/link/
tabelleErgebnis/23631-0002 , recherchiert am 8.9.2015). Öffentlich zugängliche Statistiken für die Jahre ab 2009 sind in der hier angegebenen Form nicht ersichtlich, was sich ua dadurch erklärt, dass nur bis 2008 die Zuteilung der Mittel an die Krankenkassen ua nach den durchschnittlichen altersabhängigen Leistungsausgaben erfolgte und diese dementsprechend altersabhängig ermittelt wurden. Seit 2009 werden die Mittel im Risikostrukturausgleich in erster Linie morbiditätsorientiert vergeben. Die altersabhängigen Gesundheitsausgaben werden seit 2009 vom Bundesversicherungsamt nur auf Stichprobenbasis ermittelt (vgl Niehaus, Familienlastenausgleich in der Gesetzlichen Krankenversicherung? Die "beitragsfreie Mitversicherung" auf dem Prüfstand, Gütersloh, 2013, S 33).

68

Der überwiegende Teil der Gesamtkosten (Krankheitskosten) entstand nach den vorstehenden Ausführungen in der Generation der Erwerbstätigen selbst, und nicht - wie vom BVerfG im sPV-Urteil gefordert (BVerfGE 103, 242, 263 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 f)- "überproportional" in der Generation der Älteren/Nichterwerbstätigen. Hinzu kommt speziell im Beitragsrecht der GKV, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Krankheitskosten von der nicht mehr erwerbstätigen Generation selbst getragen wird, weil auch Rentner selbst Beiträge zur GKV aufbringen, sodass hier gerade keine eindeutige "überproportionale" Umverteilung von der jungen zur alten Generation erfolgt (vgl hierzu bereits BSG <1. Senat> BSGE 92, 46 RdNr 33 = SozR 4-2500 § 61 Nr 1 RdNr 34; Lenze, EuGRZ 2001, 280, 282 Fn 16). Entsprechend wies die Bundesregierung in einer Unterrichtung des Deutschen Bundestages am 4.11.2004 darauf hin, dass Rentner in der sPV nur ca 25 % ihrer Leistungsausgaben durch Beitragszahlungen selbst aufbringen, jedoch mehr als 80 % der Gesamtausgaben verursachen. Demgegenüber liegt der Eigenfinanzierungsanteil von Rentnern in der GKV immerhin bei ca 46 % ihrer Leistungsausgaben (vgl Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375, S 8).

69

bb) Dessen ungeachtet ist die beitragsrechtliche Gleichbehandlung bzw Ungleichbehandlung der Kläger in der GKV auch in einem weiteren gleichheitsrechtlichen Kontext sachlich gerechtfertigt. In Anwendung der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vom BVerfG entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstäbe (dazu oben 5. b> cc> <2>) stellt die Nichtberücksichtigung eines in der Betreuung und Erziehung liegenden "generativen Beitrags" bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge für Versicherte mit Kindern keinen Gleichheitsverstoß dar. Der Gesetzgeber hat auch im Beitragsrecht der GKV jedenfalls die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt (zu dieser Voraussetzung siehe bereits die Nachweise oben unter 5. b> cc> <2>), weil er die durch die Kindererziehung entstehenden Nachteile bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (dazu im Folgenden <1>). Überdies sind der "Erziehungsbeitrag" einerseits und der Finanzbeitrag andererseits auch in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig (dazu <2>). Ein sachlicher Grund für das Fehlen einer weitergehenden Berücksichtigung der Kindererziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV liegt weiter darin, dass sich der Ausgleich des Aufwandes für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt (dazu <3>). Schließlich könnte eine Berücksichtigung dieses Aufwandes im Beitragsrecht der GKV ebenso wie in der GRV zu anderen verfassungsrechtlich problematischen Verwerfungen führen (dazu <4>).

70

(1) Der Gesetzgeber hat bereits deshalb die äußersten Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit gewahrt, weil im Recht der GKV in erheblichem Umfang familienfördernde Elemente bestehen und er die durch Kinderbetreuung und -erziehung entstehenden Nachteile so - entgegen der Auffassung der Kläger - bereits im Beitrags- bzw Leistungsrecht der GKV ausgeglichen hat (Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; ebenso Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; zweifelnd Rothgang, SF 2001, 121, 123). Wie schon oben zum Beitragsrecht der GRV unter 5 b) cc) (2) ausgeführt, kommt es für die Frage nach einer Kompensation der Nachteile darauf an, inwieweit die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung der Eltern verbundene Belastung, die in der Erwerbsphase auftritt, ausgeglichen wird. Das BVerfG verlangt in seinem sPV-Urteil gerade nicht den Ausgleich des Vorteils der Kinderlosen im Versicherungsfall, also des Transfers, den die heutigen Kinder als zukünftige Beitragszahler zugunsten der kinderlosen Versicherten im Rentenalter werden erbringen müssen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 252). Die mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung verbundene Belastung der Eltern, die in deren Erwerbsphase auftritt, ist auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22). Familienfördernde Elemente im System der GKV sind - zusammengefasst -:

        

•       

Beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V),

        

•       

Krankengeld bei Erkrankung des Kindes (§ 45 SGB V),

        

•       

Anspruch auf Haushaltshilfe (§ 38 SGB V),

        

•       

keine Zuzahlungspflicht für Kinder (§ 39 Abs 4, § 40 Abs 5, 6 SGB V),

        

•       

Minderung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen (§ 62 Abs 2 SGB V),

        

•       

Fortbestehen der Pflichtmitgliedschaft bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder Elterngeld oder bei Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V),

        

•       

Beitragsfreiheit bei Anspruch auf Mutterschaftsgeld, Bezug von Erziehungsgeld oder von Elterngeld (§ 224 Abs 1 SGB V),

        

•       

Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft (früher: §§ 195 bis 200 RVO, seit 30.10.2012: §§ 24c bis 24i SGB V).

71

Das Beitragsrecht und Leistungsspektrum der GKV ist daher bereits spezifisch familien- und kinderorientiert; demzufolge ist die Solidarkomponente in der GKV zugunsten von Versicherten mit Kindern und Familien - de lege lata - erheblich stärker ausgeprägt als in der sPV. Dass mit der Berücksichtigung dieser Elemente - wie die Kläger meinen - lediglich eine "Symmetrie im Lebenslängsschnitt hergestellt" werde mit der Folge, dass diese Vergünstigungen als Kompensationen zwischen Eltern und Kinderlosen ausscheiden, erschließt sich daher nicht. Zu den Leistungen für kindererziehende Familien verweist der Senat ergänzend für die Zeit bis 2004 auf den Bericht der Bundesregierung (aaO, BT-Drucks 15/4375, S 7 ff), für die Zeit nach 2004 verweist er ergänzend auf die Sozialberichte der Bundesregierung (Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2005, BT-Drucks 15/5955, S 21, 37, 94 ff, 100; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2009, BT-Drucks 16/13830, S 20 ff, 57, 64, 74 ff, 79, 83, 86, 96, 109 f, 113, 117, 127 f, 132 f, 135, 190 f; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Nationaler Sozialbericht 2012, BT-Drucks 17/12649, S 7, 9 ff; Unterrichtung durch die Bundesregierung - Sozialbericht 2013, BT-Drucks 17/14332, S 21, 41, 45 ff, 54, 57, 60, 99, 101, 149 f).

72

Neben anderen Vergünstigungen rechtfertigt vor allem die beitragsfreie Familienversicherung (§ 10 SGB V), dass von einer weiteren Berücksichtigung von Kindererziehung im Beitragsrecht der GKV abgesehen werden durfte (siehe auch Bericht der Bundesregierung, aaO, BT-Drucks 15/4375 S 7 ff; Plagemann, ZIP 2001, 1041, 1045; Axer, DStJG 29 <2006>, 175, 198 mwN). Die Familienversicherung in der GKV reicht weiter als in der sPV, weil die Leistungen im Krankheitsfall von Kindern und beitragsfrei versicherten Ehegatten auch häufiger in Anspruch genommen werden. Ohne die Familienversicherung müssten Eltern Beiträge für Kinder aufbringen oder für Behandlungskosten bei Eintritt des Versicherungsfalles selbst aufkommen. Dem steht auch nicht das Ergebnis des von den Klägern vorgelegten Gutachtens (Niehaus, aaO) entgegen; danach soll die "Durchschnittsfamilie" mehr an Beiträgen in die GKV einzahlen als sie Leistungen in Anspruch nimmt; dieses Verhältnis soll sich erst ab dem vierten Kind umkehren. Selbst wenn man diesen Befund als richtig unterstellt und die der Untersuchung zugrunde gelegten (volkswirtschaftlichen) Parameter bzw den durch Zahlenwerte konkretisierten Rahmen der Studie für zutreffend hält, ist der Ansatzpunkt dieser Untersuchung problematisch und macht aus der "beitragsfreien Familienversicherung" - entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht - keine solche, in der Beiträge (mittelbar) eben doch entrichtet werden müssen. Die "Simulationsrechnung" berücksichtigt nicht, dass die GKV eine Risikoabsicherung bietet, also im weiteren Sinne eine Risikoversicherung ist. Durch seine Beiträge "erkauft" der Versicherte für sich und seine Mitversicherten, dass er bzw sie bei Eintritt des Versicherungsfalles gegen das Risiko "Krankheit" verbunden mit Krankheitskosten abgesichert ist und sind und entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen kann und können. Allein schon hierin besteht ein wirtschaftlicher Wert. Ob sich das Risiko tatsächlich verwirklicht und falls ja, in welchem Umfang, ist für die Beitragsbemessung unerheblich; Beiträge in der GKV sind bezogen auf den einzelnen Versicherten ausschließlich einnahmenorientiert.

73

(2) Für die hier zu prüfende Differenzierung bzw Gleichbehandlung im Beitragsrecht der GKV besteht auch deshalb ein rechtfertigender Grund, weil der in der Betreuung und Erziehung von Kindern liegende "Beitrag" und der Finanzbeitrag in der GKV nicht gleichartig oder gleichwertig sind. Auf die bereits oben zum Beitragsrecht der GRV gemachten Ausführungen wird insoweit verwiesen (oben 5. b> cc> <2> ). Es fehlt auch in der GKV an der Gleichartigkeit, weil mit der Betreuungs- und Erziehungsleistung für die - aktuell - zu finanzierenden Leistungen der GKV weder ein unmittelbarer noch ein mittelbarer Beitrag geleistet wird. Der Beitrag zur Aufrechterhaltung der GKV, der in Form von Kinderbetreuung und -erziehung geleistet wird, kann im Unterschied zu den "greifbaren" monetären Beiträgen nicht sogleich wieder als Leistung an Leistungsberechtigte gewährt werden. Ebenso wie in der GRV geht es - entgegen der Auffassung der Kläger - auch hier weiterhin um die Frage einer Gleichsetzung von monetären mit generativen Beiträgen (aA Estelmann, SGb 2002, 245, 249; Kingreen, SDSRV 57 <2008>, 71, 88 f). Der Rückgriff auf den mit der Erziehungsleistung einhergehenden "Verzicht auf Konsum und Vermögensbildung" als Vergleichsmaßstab bzw "gemeinsamer Nenner" (so Lenze, NZS 2007, 407, 408) verhilft dem Begehren der Kläger auch in der GKV nicht zum Erfolg, weil dieser "Verzicht" gerade aus dem Aufwand für die Kinderbetreuung und -erziehung bzw aus der Aufbringung der Beiträge stammt.

74

(3) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der einschlägigen beitragsrechtlichen Bestimmungen am Maßstab des Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG ist überdies zu berücksichtigen, dass sich der Aufwand für die Betreuung und Erziehung von Kindern auch in der GKV als Teil ihrer allgemeinen Rahmenbedingungen darstellt. Sein Ausgleich ist keine spezifische Aufgabe der GKV und muss daher nicht zwingend durch eine weitergehende Berücksichtigung der Kinderbetreuungs- und -erziehungsleistung im Beitragsrecht der GKV vorgenommen werden. Auf die obigen Ausführungen zum Beitragsrecht der GRV (oben 5. b> cc> <2>) wird insoweit verwiesen. Auch für die GKV gilt, dass sie nicht Aufgaben der Gesamtgesellschaft zu lösen hat. Wie bereits angesprochen führt das BVerfG in seinem sPV-Urteil aus, dass auf die Wertschöpfung durch heranwachsende Generationen jede staatliche Gemeinschaft angewiesen ist und so an der Betreuungs- und Erziehungsleistung von Familien ein Interesse der Allgemeinheit besteht. Das allein gebietet es nicht, diese Erziehungsleistung zugunsten der Familien in einem bestimmten sozialen Leistungssystem zu berücksichtigen (BVerfGE 103, 242, 265 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 18).

75

(4) Zu bedenken ist schließlich, dass eine von den Klägern erstrebte besondere Berücksichtigung der Betreuung und Erziehung von Kindern auch im Beitragsrecht der GKV zu anderen verfassungsrechtlich kaum hinnehmbaren Verwerfungen führen könnte, weil sie neue Gleichbehandlungsprobleme nach sich zöge. Auch insoweit ist auf die bereits oben gemachten Ausführungen zur GRV zu verweisen (oben 5. b> cc> <2> ). Die Berücksichtigung auf der Beitragsseite könnte auch in der GKV solche Eltern benachteiligen, die nicht Mitglied der GKV sind. Zudem könnten Kinderlose, die nicht Mitglied der GKV sind, nicht an einem Ausgleich teilnehmen. Schließlich könnte die von den Klägern geforderte Ausgestaltung des Beitragsrechts auch in der GKV eine Umverteilung von niedrigen zu höheren Einkommen zur Folge haben. Zum einen könnten im System besserverdienende Kindererziehende durch die Beitragsentlastung stärker begünstigt werden als Kindererziehende mit geringerem Einkommen. Zum anderen käme es möglicherweise bei Kinderlosen zu einer Privilegierung von gut verdienenden gegenüber weniger gut verdienenden Versicherten. Dass dies eintreten kann, beruht auf dem Umstand, dass die beitragspflichtigen Einnahmen auch in der GKV durch eine Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind. Bei alledem kommt in der GKV hinzu, dass die Berücksichtigung der Kinderkomponente innerhalb dieses Systems auf der Beitragsseite Personen, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind und das System daher verlassen können (vgl § 6 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 6, § 9 SGB V), an einem kinderbetreuungs- und kindererziehungsbezogenen Ausgleich gar nicht beteiligen würde.

76

7. Der Senat ist schließlich nicht iS von Art 100 Abs 1 GG davon überzeugt, dass die hier maßgebenden Bestimmungen des Beitragsrechts der sPV unter Einschluss ihrer Änderungen in Umsetzung des sPV-Urteils (dazu a) verfassungswidrig sind, soweit danach der Pflegeversicherungsbeitrag von Versicherten mit Kindern nicht - wie von den Klägern gefordert - zu ermäßigen ist (dazu b).

77

a) Die Bemessung der (eigenen) Beiträge der Kläger zur sPV ohne Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder - im Umfang eines fixen Betrages bzw gestaffelt nach der Kinderzahl - steht im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften.

78

Nach § 54 Abs 2 S 1 SGB XI(diese wie auch die nachfolgenden Bestimmungen des SGB XI im Wesentlichen in der bis heute fortgeltenden Fassung vom 26.5.1994, BGBl I 1014) werden die Pflegeversicherungsbeiträge nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 55 SGB XI) erhoben. § 55 Abs 1 SGB XI regelt den Beitragssatz. Er betrug in der hier streitigen Zeit 1,7 vH bzw ab 1.7.2008 1,95 vH der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. Nach § 55 Abs 3 S 1 SGB XI(eingefügt durch Art 1 KiBG vom 15.12.2004, BGBl I 3448) erhöht sich der Beitragssatz nach Abs 1 S 1 und 2 für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Den Beitragszuschlag für Kinderlose tragen grundsätzlich die Mitglieder (§ 58 Abs 1 S 3, § 59 Abs 5 SGB XI). Kein Beitragszuschlag ist nach § 55 Abs 3 S 2 SGB XI von versicherten Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 und Abs 3 Nr 2 und 3 SGB I zu entrichten. Keinen Beitragszuschlag zahlen auch vor dem 1.1.1940 geborene Versicherte, Wehr- und Zivildienstleistende und Bezieher von Arbeitslosengeld II (§ 55 Abs 3 S 7 SGB XI). § 57 Abs 1 S 1 SGB XI bestimmt, dass bei Mitgliedern der Pflegekasse, die in der GKV pflichtversichert sind, für die Beitragsbemessung ua § 226 SGB V gilt. Nach § 58 Abs 1 S 1 SGB XI tragen die in der GKV versicherungspflichtigen Beschäftigten und ihre Arbeitgeber die nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge jeweils zur Hälfte. Dass Pflegeversicherungsbeiträge der Kläger im Zeitraum von 2006 bis 2012 in zutreffender Anwendung dieser Vorschriften erhoben wurden, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

79

Der Gesetzgeber hat mit den Regelungen über den Beitragszuschlag für Kinderlose das sPV-Urteil des BVerfG (BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2) umgesetzt (vgl dazu bereits BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 10). Das BVerfG hatte in dieser Entscheidung die damaligen beitragsrechtlichen Vorschriften der § 54 Abs 1 und 2, § 55 Abs 1 S 1 und Abs 2 sowie § 57 SGB XI für unvereinbar mit Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG erklärt, soweit Mitglieder der sPV mit Kindern mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet wurden wie Mitglieder ohne Kinder. Es hat ausgeführt, dass Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG dadurch verletzt ist, dass die Betreuung und Erziehung von Kindern als konstitutive Leistung für das Pflegeversicherungssystem bei der Bemessung von Beiträgen beitragspflichtiger Versicherter keine Berücksichtigung findet. Dadurch wird - so das BVerfG - die Gruppe der Versicherten mit Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV, die aus dieser Betreuungs- und Erziehungsleistung im Fall ihrer Pflegebedürftigkeit Nutzen ziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Wird dieser "generative Beitrag" nicht mehr in der Regel von allen Versicherten erbracht, führt dies zu einer spezifischen Belastung kindererziehender Versicherter im Pflegeversicherungssystem, deren benachteiligende Wirkung auch innerhalb dieses Systems auszugleichen ist.

80

Das BVerfG hat damit verbindlich entschieden, dass der Nachteil kindererziehender Versicherter bzw der Vorteil kinderloser Versicherter in der sPV systemspezifisch beitragsrechtlich zu kompensieren ist. Für die vom BVerfG geforderte beitragsrechtliche Kompensation des Nachteils kindererziehender Versicherter in der sPV hat der Gesetzgeber allerdings nicht die (eigenen) Beiträge der Versicherten mit Kindern - etwa (allein) anknüpfend an den Tatbestand ihrer Elternschaft oder sogar in Abhängigkeit von der Kinderzahl - reduziert, sondern die Beiträge für Kinderlose um 0,25 Beitragssatzpunkte erhöht.

81

b) Die Kläger können nicht unter Hinweis auf das sPV-Urteil, dh Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG in der Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes durch das BVerfG, beanspruchen, wegen des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes für Kinder beitragsrechtlich weitergehend - als mit dem KiBG bereits geschehen - entlastet zu werden. Es ist nicht ersichtlich, dass der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers durch das sPV-Urteil in der von ihnen behaupteten Weise eingeschränkt war (dazu aa). Bei der Ausfüllung des ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraums hat der Gesetzgeber die ihm eingeräumte Befugnis zur Generalisierung und Typisierung bei der Ordnung von Massenerscheinungen nicht überschritten (dazu bb).

82

aa) Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung stellt das BVerfG in seinem sPV-Urteil nicht auf die "Zahl der generativen Beiträge" ab und hat der Gesetzgeber des KiBG dieses Urteil auch nicht missachtet, weil § 55 Abs 3 SGB XI "lediglich einen Beitragszuschlag für Kinderlose anordnet, aber keine Differenzierung nach der Kinderzahl enthält". Der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers war durch das sPV-Urteil nicht in der von den Klägern behaupteten Weise verengt.

83

Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15, 17) hat die Entscheidung des Gesetzgebers, Kinderlose mit einem erhöhten Beitrag zu belasten, Versicherte mit Kindern aber ohne Unterscheidung nach der Kinderzahl, (allein) in Anknüpfung an ihre Elterneigenschaft weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz zahlen zu lassen, die vom BVerfG geforderte relative Beitragsentlastung bewirkt. Es ist nicht erkennbar, dass danach verfassungsrechtlich zusätzlich eine Reduzierung der (eigenen) Pflegeversicherungsbeiträge von Eltern ggf in Abhängigkeit von der Zahl der Kinder - etwa (auch) durch den Abzug von Absetzungsbeträgen je Kind von der Bemessungsgrundlage - geboten gewesen wäre. An dieser Bewertung des sPV-Urteils hält der Senat fest. Die von den Klägern geforderte Regelung würde demgegenüber zu Beitragsausfällen führen, die mit Beitragssatzerhöhungen für andere Pflegeversicherte kompensiert werden müssten; bei angestrebter Beibehaltung des Beitragsaufkommens hätte das zur Folge, dass Kinderlose (noch) höhere Pflegeversicherungsbeiträge zahlen müssten (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 15).

84

Zwar formuliert das BVerfG im sPV-Urteil, dass den Versicherten ohne Kinder im Versicherungsfall ein Vorteil aus der Erziehungsleistung anderer beitragspflichtiger Versicherter erwächst, die wegen der Erziehung zu ihrem Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung verzichten (BVerfGE 103, 242, 264 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 17 mwN). An anderer Stelle wird ausgeführt, dass der danach zwischen Eltern und kinderlosen Personen vorzunehmende Ausgleich jedenfalls durch Regelungen erfolgen muss, die die Elterngeneration während der Zeit der Betreuung und Erziehung entlasten; denn die Beiträge, die von der heutigen Kindergeneration später im Erwachsenenalter auch zugunsten pflegebedürftiger kinderloser Versicherter geleistet werden, basieren maßgeblich auf den Erziehungsleistungen ihrer heute versicherungspflichtigen Eltern. Die hiermit verbundene Belastung der Eltern tritt in deren Erwerbsphase auf und ist deshalb auch in diesem Zeitraum auszugleichen (BVerfGE 103, 242, 270 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 22 mwN).

85

Vor diesem Hintergrund ist den Klägern zwar einzuräumen, dass die Erziehung von mehreren Kindern auch zu entsprechend größeren Erziehungslasten führt und "Konsumverzicht und Vermögensbildung nicht nur abhängig vom Einkommen, sondern insbesondere auch von der Kinderzahl größer oder kleiner ausfallen" (so auch die Ausführungen des Bundesrates in seiner Unterrichtung des Bundestages über die Anrufung des Vermittlungsausschusses zum KiBG: BT-Drucks 15/4176 unter a; ebenso Bauer/Krämer, NJW 2005, 180, 181 f). Das BVerfG zieht jedoch in seinen Ausführungen gerade nicht den Schluss, dass ein Nachteilsausgleich nur durch eine Beitragsentlastung der Eltern - ggf gestaffelt nach der Kinderzahl - erfolgen könne. Vielmehr verweist es darauf, dass dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten offenstehen, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen. Das GG verpflichtet den Gesetzgeber - so das BVerfG - lediglich dazu, beitragspflichtige Versicherte mit einem oder mehreren Kindern gegenüber kinderlosen Mitgliedern der sPV bei der Bemessung der Beiträge relativ zu entlasten. Insoweit ist er von Verfassungs wegen verpflichtet, eine Lösung zu wählen, die Unterhaltsverpflichtete bereits ab dem ersten Kind relativ entlastet. Das ist zwar nicht in der Weise geschehen, dass eine individuelle, die jeweilige konkrete Familiensituation erfassende Beitragsvergünstigung für versicherte Eltern gewährt wird, sondern indem kinderlosen Versicherten generalisierend eine zusätzliche Belastung in Form eines höheren Beitragssatzes allgemein auferlegt wird.

86

bb) War der Gesetzgeber danach in den geschilderten Grenzen frei zu entscheiden, wie er Versicherte mit einem Kind oder mehreren Kindern im Hinblick auf ihren Betreuungs- und Erziehungsaufwand gegenüber kinderlosen Mitgliedern bei der Bemessung der Pflegeversicherungsbeiträge relativ entlastete, so hat er hier bei der Ausgestaltung eines den verfassungsgerichtlichen Vorgaben entsprechenden Beitragsrechts der sPV durch das KiBG die ihm von Verfassungs wegen im Sozialrecht gezogenen Grenzen für generalisierende bzw typisierende Regelungen eingehalten (vgl allgemein zu der hier bestehenden Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers BVerfG SozR 4-3300 § 55 Nr 3 RdNr 9-11).

87

Jede Norm muss verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen wie bei der Beitragsbemessung in der sPV (vgl - zur Beitragsbemessung bei freiwillig Versicherten der GKV - BSG Urteil vom 28.5.2015 - B 12 KR 15/13 R - Juris RdNr 39, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 240 Nr 25 vorgesehen) sind generalisierende, typisierende und pauschalierende Regeln allgemein als notwendig anerkannt und vom BVerfG im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen worden (vgl BVerfGE 17, 1, 23; aus der letzten Zeit BVerfGE 113, 167, 236; stRspr); der Gesetzgeber ist dabei gezwungen, aber auch berechtigt, sich am Regelfall zu orientieren. Unbedenklich ist eine Typisierung aber nur, soweit eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (vgl BVerfGE 26, 265, 275 f; aus jüngerer Zeit BVerfGE 133, 377, 413); wesentlich für die Zulässigkeit einer typisierenden Regelung ist hierbei auch, ob eine durch sie entstehende Ungerechtigkeit nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wäre (vgl BVerfGE 63, 119, 128; BVerfGE 133, 377, 413).

88

Hieran gemessen ist die Entscheidung des Gesetzgebers, bei der Bemessung der Beiträge zur sPV von Mitgliedern mit Kindern nicht nach der Kinderzahl zu differenzieren, nicht zu beanstanden. Das Gesetz behandelt die von den Klägern repräsentierte Personengruppe - Eltern mit drei Kindern - und Eltern mit (nur) einem Kind oder zwei Kindern zwar gleich, weil alle Eltern weiter Pflegeversicherungsbeiträge nach dem bisherigen Beitragssatz bzw ohne Absetzungen für Kinder von der Bemessungsgrundlage zahlen. Die hierdurch entstehenden Härten und Ungerechtigkeiten sind jedoch hinzunehmen.

89

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Beitragsrechts in der sPV durch das KiBG vom Regelfall ausgegangen ist und so die vom BVerfG geforderte relative Entlastung gegenüber Kinderlosen an das (bloße) Vorhandensein bereits eines Kindes knüpfen sowie ab dessen Geburt eine dauerhafte Beitragsentlastung vorsehen durfte (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). So lebten im Jahr 2006 in 16 % aller Privathaushalte ein Kind, in 11,4 % aller Privathaushalte zwei Kinder, in 2,9 % der Privathaushalte - wie die Kläger einen führen - drei Kinder, in 0,6 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2006, 2008). Die Situation stellte sich im Jahr 2012 ähnlich dar: In 15,1 % aller Privathaushalte lebte ein Kind, in 10,6 % aller Privathaushalte lebten zwei Kinder, in 2,6 % drei Kinder, in 0,5 % vier Kinder und in 0,2 % fünf Kinder und mehr (Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit - Haushalte und Familien - Ergebnisse des Mikrozensus 2012, 2013, S 27). Die geforderte Berücksichtigung des "generativen Beitrags" reicht vor diesem Hintergrund aus, um typisierend an die Stellung als Eltern als solche, dh die Elterneigenschaft, anzuknüpfen, ohne dass etwa nach tatsächlichem Umfang oder tatsächlicher Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung differenziert werden müsste; die Entlastung kann bei der Beitragsbemessung durch die Berücksichtigung allein der Tatsache geschehen, dass bei einem Versicherten betreuungs- bzw erziehungsbedürftige Kinder vorhanden sind. Auch das hat der Senat in der genannten Entscheidung bereits ausgeführt (BSGE 100, 77 = SozR 4-3300 § 55 Nr 2, RdNr 17). Nichts anderes kann für einen tatsächlich erhöhten Umfang bzw eine tatsächlich längere Dauer der Kinderbetreuung und -erziehung infolge einer größeren Kinderzahl gelten. Soweit gesetzliche Verallgemeinerungen auf einer möglichst weiten, alle betroffenen Personengruppen einschließenden Beobachtung aufbauen, ist der Gesetzgeber nicht gehalten, allen Besonderheiten durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen (BVerfGE 96, 1, 6 mwN; zuletzt BVerfGE 133, 377, 412 mwN).

90

8. Die Klage ist schließlich auch hinsichtlich des Hilfsantrages der Kläger unbegründet, das angefochtene Urteil des LSG mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

91

Eine solche Verfahrensweise kommt nach § 170 Abs 2 S 1 und 2 SGG nur in Betracht, wenn die Revision zwar begründet, eine Entscheidung des BSG in der Sache aber - etwa weil zur Gewährleistung eines verfahrensfehlerfreien sozialgerichtlichen Prozesses in tatsächlicher Hinsicht noch Feststellungen zu treffen sind(vgl zB Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 170 RdNr 7 ff mwN)- "untunlich" ist. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

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Ein Verfahrensmangel - hier ein von den Klägern geltend gemachter Verstoß des LSG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) -, der ggf zur Aufhebung des Urteils des LSG führen müsste, ist nicht gegeben, weil sich das LSG als Tatsachengericht ausgehend von seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung nicht gedrängt fühlen musste, weitere Ermittlungen anzustellen (zu den Voraussetzungen: zB BSGE 40, 49, 50 = SozR 3100 § 30 Nr 7 S 33 f).

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Das BVerfG hat in seinem sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13)entschieden, dass die staatliche Familienförderung durch finanzielle Leistungen unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderweitiger Fördernotwendigkeiten steht. Der Gesetzgeber hat danach unter Ausübung des ihm insoweit zukommenden Gestaltungsspielraums im Interesse des Gemeinwohls - wie bereits oben wiederholt ausgeführt - neben der Familienförderung auch andere Gemeinschaftsbelange bei seiner Haushaltswirtschaft zu berücksichtigen und dabei vor allem auf die Funktionsfähigkeit und das Gleichgewicht des Ganzen zu achten. Nur unter Abwägung aller Belange lässt sich ermitteln, ob die Familienförderung durch den Staat offensichtlich unangemessen ist und dem Förderungsgebot des Art 6 Abs 1 GG nicht mehr genügt. Konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme und somit auch für die Sozialversicherungszweige lassen sich hieraus - so das BVerfG im sPV-Urteil (BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f)- gerade nicht ableiten.

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Dies bedeutet indessen, dass eine Prüfung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben "nur" eine Gesamtabwägung aller Gemeinschaftsbelange erfordert. Demzufolge kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht entscheidend auf einen konkret bezifferten "externen Effekt" eines Kindes an - also darauf, in welchem Maße die Beiträge, die ein Kind im Verlaufe seines Lebens im jeweiligen Sozialversicherungszweig entrichtet, die von ihm in Anspruch genommenen Leistungen übersteigt (so aber am Beispiel der GRV Werding, aaO; allgemein: Adrian, Die ökonomischen Ursachen der niedrigen Fertilität in Deutschland, Beitrag für DGD-Jahrestagung 2012, vom 14. bis 16. März 2012 in Berlin) - oder ob möglicherweise mehr durch Familien an Beiträgen unter Berücksichtigung der Kosten in die Sozialversicherungszweige eingezahlt wird, als an Leistungen in Anspruch genommen werden (dazu zur GKV: Niehaus, aaO; zur GRV: Loos, Kurzgutachten zum Thema "Transferausbeutung der Familien durch die Gesetzlichen Sozialversicherungen - am Beispiel der Gesetzlichen Rentenversicherung", Bl 254 ff der LSG-Akte) an. Zu entsprechenden weitergehenden Ermittlungen war das LSG daher nicht verpflichtet.

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9. Auch der Senat war - vor dem Hintergrund der vorstehend unter 8. gemachten Ausführungen - nicht gehalten, in eigene Ermittlungen einzutreten bzw insoweit auf die von den Klägern für entscheidungserheblich angesehenen und als allgemeine Tatsachen bewerteten Umstände einzugehen bzw diesen weiter nachzugehen. Es fehlt insoweit aus den oben wiederholt dargelegten rechtlichen Erwägungen an der Entscheidungserheblichkeit für den Ausgang des Rechtsstreits.

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10. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei hat der Senat nach billigem Ermessen davon abgesehen, den Klägern trotz ihres Obsiegens mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beklagte einen Anspruch auf teilweise Kostenerstattung einzuräumen. Denn die erfolgte Aufhebung der Bescheide beruht auf rechtlichen Erwägungen, auf die sich die Kläger im Rechtsstreit nicht einmal gestützt haben. Entscheidend und offenkundig prägend für den Ausgang des Revisionsverfahrens ist es vielmehr, dass die Kläger mit ihrem Begehren in der Sache in allen Punkten nicht durchgedrungen sind.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.