Bundessozialgericht Urteil, 04. Apr. 2017 - B 11 AL 19/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:040417UB11AL1916R0
bei uns veröffentlicht am04.04.2017

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen für die Zeit vom 1. bis 14.2.2012 und die entsprechende Minderung des Leistungsanspruchs.

2

Der 1957 geborene Kläger war vom 6.7.2005 bis 30.9.2011 in Luxemburg als Bäcker in Wechselschicht beschäftigt. Mit Schreiben vom 12.8.2011 kündigte er das Arbeitsverhältnis aus gesundheitlichen Gründen. Er gab an, aus gesundheitlichen Gründen keine Wechselschichten mehr fahren zu können, und legte eine ärztliche Bestätigung vor. Er wohnte während der gesamten Beschäftigungszeit in Deutschland und pendelte täglich zur Arbeitsstätte.

3

Der Kläger meldete sich am 19.12.2011 persönlich arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte bewilligte ihm Alg ab 19.12.2011 für 450 Tage (Bescheid vom 5.1.2012). Der Kläger erhob Widerspruch und legte eine korrigierte Fassung des Formulars E 301 vor, in dem ein höherer Wochenarbeitsverdienst ausgewiesen war. Die Beklagte bewilligte daraufhin höheres Alg (Änderungsbescheid vom 27.1.2012).

4

Am 5.1.2012 schloss der Kläger bei einem Termin in der Agentur für Arbeit mit einer Mitarbeiterin der Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung ab. Darin wurde ua vereinbart, dass er sich aktiv fünfmal pro Monat auf versicherungspflichtige Beschäftigungen mit mindestens 15 Stunden pro Woche im Umkreis von 50 km um seinen Wohnort sowie in Luxemburg zu bewerben habe. Alle schriftlichen, telefonischen und persönlichen Bewerbungsaktivitäten habe er anhand einer Liste zu dokumentieren und bis zum 31.1.2012 per Post bei der Beklagten einzureichen. In der Eingliederungsvereinbarung machte die Beklagte im Gegenzug Zusagen für ein Bewerbungscoaching und die Übernahme von Bewerbungs- und Fahrtkosten. In einer Rechtsmittelbelehrung wurde auf das Erfordernis hingewiesen, die vereinbarten Eigenbemühungen nachzuweisen. Wenn der Kläger diese ohne wichtigen Grund nicht nachweise, trete eine Sperrzeit von zwei Wochen ein.

5

Nachdem der Kläger bis 31.1.2012 seine Bewerbungsaktivitäten nicht nachgewiesen hatte, stellte die Beklagte für die Zeit vom 1. bis 14.2.2012 eine Sperrzeit wegen unzureichender Eigenbemühungen fest (Bescheid vom 7.3.2012). Mit weiterem Bescheid vom 7.3.2012 hob sie die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. bis 14.2.2012 auf und stellte eine Minderung der Anspruchsdauer um zwei Wochen fest.

6

Der Kläger legte Widerspruch ein und machte geltend, er sei bei dem Termin durch die Mitarbeiterin der Beklagten unterrichtet worden, dass er fünf Bewerbungen verfassen und versenden müsse. Dies habe er auch getan. Bei dem Gespräch habe man in Aussicht genommen, Ende Januar/Anfang Februar einen neuen Termin zu vereinbaren. Er sei davon ausgegangen, die Bewerbungen erst beim nächsten Termin nachweisen zu müssen. Es liege ein Missverständnis vor. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15.3.2012).

7

Der Kläger hat beim SG Trier Klage erhoben und vorgetragen, er habe die geforderten Eigenbemühungen im Januar 2012 unternommen. Das SG hat die Klage nach Anhörung des Klägers abgewiesen (Urteil vom 26.2.2013). Das mit fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung versehene Urteil des SG ist dem Kläger am 12.3.2013 zugestellt worden.

8

Der Kläger hat gegen dieses Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die das LSG als unzulässig verworfen hat (Beschluss vom 30.9.2014). Am 13.10.2014 hat er Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er vertritt nun die Auffassung, allein der "nicht rechtzeitige" Nachweis von Eigenbemühungen könne nicht zu einer Sperrzeit führen.

9

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 9.6.2016). Dem Kläger sei Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren, die Berufung sei auch im Übrigen zulässig. In der Sache sei sie aber unbegründet, weil die Beklagte in formell und materiell rechtmäßiger Weise die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit für den fraglichen Zeitraum festgestellt habe. Die zu erbringenden Eigenbemühungen seien in der Eingliederungsvereinbarung eindeutig und konkret beschrieben. Mit dem Kläger sei auch der Nachweis der Bemühungen in einer ausdrücklich bestimmten Frist vereinbart worden. Schließlich habe er eine Belehrung darüber erhalten, welche Rechtsfolge das Fehlen von Eigenbemühungen oder ihres Nachweises haben kann. Der Kläger habe ohne wichtigen Grund und schuldhaft die Eigenbemühungen nicht nachgewiesen.

10

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF sowie des § 24 Abs 1 SGB X. Die Beklagte habe den streitigen Sperrzeitbescheid ohne vorherige Anhörung erlassen. Die Anhörung sei weder im Vorverfahren noch im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden, denn die Beklagte habe die Ausführungen des Klägers im Vorverfahren nicht zur Kenntnis genommen. Auch sei keine Sperrzeit iS des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF eingetreten. Der Vorschrift lasse sich nicht entnehmen, dass "schon ein nicht rechtzeitiger Nachweis" zu einer Sperrzeit führe. Aus der Entscheidung des BSG vom 20.10.2005 (B 7a AL 18/05 R - juris RdNr 31) ergebe sich vielmehr, dass durch eine solche Regelung das prozessrechtliche Amtsermittlungsprinzip nicht beseitigt werde. Eine Sperrzeit sei in Fällen der vorliegenden Art unverhältnismäßig. Sie trete nur ein, wenn der Berechtigte nach gesonderter Aufforderung der Beklagten zum Nachweis der Eigenbemühungen diesen nicht erbringe.

11

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2016, das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 26. Februar 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2012 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

13

Eine Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF trete schon dann ein, wenn der Arbeitslose die Eigenbemühungen zwar unternehme, diese aber nicht rechtzeitig nachweise.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

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1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide vom 7.3.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2012. Die Beklagte hat unter demselben Datum sowohl einen Bescheid erlassen, der den Eintritt einer Sperrzeit feststellt, als auch einen weiteren Bescheid, der die Bewilligung von Alg vom 1. bis 14.2.2012 aufhebt und die Anspruchsdauer um zwei Wochen mindert. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte zu einer isolierten Feststellung der Sperrzeit berechtigt ist, denn nach stRspr stellen beide Regelungen - die Feststellung der Sperrzeit und die zeitgleiche Aufhebung der Bewilligung von Alg und Minderung der Anspruchsdauer - eine rechtliche Einheit dar (BSG vom 9.2.2006 - B 7a/7 AL 48/04 R - juris RdNr 12; BSG vom 14.9.2010 - B 7 AL 33/09 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 21; BSG vom 2.5.2012 - B 11 AL 6/11 R - BSGE 111, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 23). Es handelt sich im Ergebnis um eine einheitliche Entscheidung über die Aufhebung sowohl in Bezug auf die Leistungsbewilligung als auch die Minderung der Anspruchsdauer.

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2. Die Revision ist nicht schon unbegründet, weil die Berufung unzulässig gewesen wäre.

17

Die Berufung des Klägers ist nach Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist fristgerecht erhoben worden. Die Wiedereinsetzung durch das LSG ist für den Senat bindend (§ 67 Abs 4 Satz 2 SGG).

18

Soweit das LSG angenommen hat, die Berufung sei statthaft, weil der Gegenstandswert der Berufung (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) erreicht sei, ist dem nicht zu folgen. Der Wert der Aufhebung der Bewilligung von Alg für zwei Wochen (541,66 Euro) und die Minderung der Anspruchsdauer für den entsprechenden Zeitraum sind nicht zu addieren, denn der Kläger ist durch beide Regelungen insgesamt mit einem Verlust des Anspruchs auf Alg für zwei Wochen beschwert, was einem Gegenstandswert von 541,66 Euro entspricht. Würde die Minderung der Anspruchsdauer nicht eintreten, könnte sich lediglich der Bezugszeitraum des Alg verschieben, was zwar auch schon eine aktuelle Beschwer für den Ruhenszeitraum begründet, aber sich in Verbindung mit der Minderung der Anspruchsdauer nicht auf eine Beschwer von 1083,32 Euro aufaddiert. Der Wert der Beschwer durch beide Regelungen beträgt vielmehr 541,66 Euro (vgl BSG vom 31.1.2006 - B 11a AL 177/05 B - SozR 4-1500 § 144 Nr 3; ähnlich BSG vom 27.7.2004 - B 7 AL 104/03 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 2; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 144 RdNr 15).

19

Soweit das LSG die vom Kläger zunächst zutreffend eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 30.9.2014) und weiter entschieden hat, die Berufung sei statthaft und zulässig, kann dies dem Kläger bei Überprüfung des Berufungsurteils allerdings nicht zum Nachteil gereichen. Dieser hat das zur Verfolgung seines Rechtsschutzziels Mögliche und Erforderliche getan. In einer solchen Konstellation erfordern Rechtsmittelklarheit und Vertrauensschutz, dass der Senat nicht zu Lasten des Klägers annehmen darf, die Berufung sei unstatthaft gewesen (vgl dazu schon BSG vom 3.6.2004 - B 11 AL 75/03 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 145 RdNr 11b).

20

3. Die Revision ist aber unbegründet, weil der angefochtene Bescheid formell (a) und materiell (b) rechtmäßig ist.

21

a) Der angefochtene Verwaltungsakt ist nicht wegen eines Anhörungsfehlers rechtswidrig. Gemäß § 24 Abs 1 SGB X ist vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsakts(hier Aufhebungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III) die Anhörung des Betroffenen erforderlich. Zwar ist diese vor Erlass des Bescheids vom 7.3.2012 nicht durchgeführt worden, der Mangel ist aber gemäß § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X im Laufe des Vorverfahrens durch Nachholung geheilt worden, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat.

22

Ein Anhörungsmangel wird bereits im Vorverfahren geheilt, wenn ein Beteiligter dort die Möglichkeit hat, sich zu allen aus Sicht der Behörde entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Damit ein Beteiligter sich im Vorverfahren sachgerecht äußern kann, muss der angefochtene Bescheid alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte erkennen lassen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, wird der Anhörungsmangel durch Durchführung des Vorverfahrens geheilt (vgl BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 9/11 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 10 RdNr 14; BSG vom 7.2.2012 - B 13 R 85/09 R - SozR 4-1200 § 52 Nr 5; Mutschler in Kasseler Komm, § 24 SGB X RdNr 34a; Steinwedel in Kasseler Komm, § 41 RdNr 16 mwN).

23

Der Ausgangsbescheid hat die für die getroffene Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bezeichnet. In dem Bescheid ist nicht nur der Sachverhalt mitgeteilt, aus dem die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit herleitet, sondern auch darauf hingewiesen worden, dass der Kläger keinen wichtigen Grund für sein Verhalten und schuldhaft gehandelt habe. Zudem ist die Bewilligung von Alg wegen schuldhafter Unkenntnis vom Ruhen des Anspruchs auf Alg aufgehoben und die Minderung der Anspruchsdauer festgestellt worden. Somit konnte der Kläger sich im Widerspruchsverfahren mit allen wesentlichen Gesichtspunkten der Entscheidung der Beklagten auseinandersetzen. Er hat zu diesen Tatsachen auch vorgetragen und geltend gemacht, er sei davon ausgegangen, die Eigenbemühungen erst beim nächsten Termin nachweisen zu müssen. Die Beklagte hat sich mit dem Vorbringen - entgegen der Behauptung des Klägers - im Widerspruchsbescheid auch beschäftigt und ist hierauf eingegangen.

24

b) Die Beklagte hat die Bewilligung von Alg zu Recht mit Wirkung für die Vergangenheit für die Zeit vom 1. bis 14.2.2012 aufgehoben.

25

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Aufhebung der Bewilligung von Alg darf nur erfolgen, wenn in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheids vorgelegen haben, eine wesentliche rechtliche oder tatsächliche Änderung eingetreten ist. Eine solche wesentliche Änderung liegt vor, wenn die Verhältnisse sich dadurch zum Nachteil des Berechtigten geändert haben, dass der Anspruch auf Alg kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder weggefallen ist, auch wenn noch ein Vollzugsakt - wie die Aufhebung der Bewilligung - erforderlich ist (Coseriu/Jakob in Nomos Kommentar SGB III, 6. Aufl 2017, § 330 RdNr 310).

26

Hinsichtlich des Alg-Anspruchs des Klägers ist eine solche wesentliche Änderung eingetreten, weil dieser nach Maßgabe des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III(idF des Gesetzes vom 23.12.2003, BGBl I 2848, aF) wegen einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen zum Ruhen gekommen ist (aa). Auch die weiteren Voraussetzungen einer Aufhebung für die Vergangenheit haben vorgelegen (bb). Schließlich ist die Bewilligung des zuerkannten Anspruchs auch insoweit aufzuheben gewesen, als sich dessen Dauer um die Zeit der Sperrzeit gemindert hat (cc).

27

aa) Der Anspruch des Klägers auf Alg ist in der Zeit vom 1. bis 14.2.2012 wegen Eintritts einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF zum Ruhen gekommen.

28

Gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 SGB III ruht der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF liegt ein versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen).

29

Mit welchen Mitteln (zB Hinweisschreiben, Verwaltungsakt, Besprechung) die Beklagte die von einem Arbeitslosen vorzunehmenden Eigenbemühungen so konkretisieren kann, dass deren Erfüllung von einem Arbeitslosen "gefordert" werden kann, muss hier nicht abschließend entschieden werden. Denn jedenfalls ist eine Eingliederungsvereinbarung ein Instrument, um zwischen einem Arbeitsuchenden und der Beklagten die Eigenbemühungen so zu konkretisieren, dass die Beklagte diese fordern kann (§ 37 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III, § 138 Abs 4 Satz 2 Nr 1 SGB III). Dies entspricht auch dem Regelungsziel des Gesetzgebers, der die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III als ein Mittel vorgesehen hat, die Eigenbemühungen selbst und die Art und Weise des Nachweises zwischen den Agenturen für Arbeit und den Arbeitsuchenden zu regeln (BT-Drucks 16/10810 S 29; Rademacker in Hauck/Noftz, SGB III, K § 37 RdNr 31 mwN, Stand Juli 2013).

30

Bei der Eingliederungsvereinbarung nach § 37 Abs 2 SGB III handelt es sich - wie der Senat in einer Parallelentscheidung vom heutigen Tag ausführlich dargelegt hat(BSG vom 4.4.2017 - B 11 AL 5/16 R) um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 SGB X. Die im vorliegenden Verfahren geschlossene Eingliederungsvereinbarung vom 5.1.2012 ist als öffentlich-rechtlicher Vertrag wirksam zustande gekommen, denn die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien liegen vor (§ 61 Satz 2 SGB X iVm §§ 145 ff BGB) und das Schriftformerfordernis ist gewahrt (§ 56 SGB X).

31

Die zwischen den Beteiligten geschlossene Eingliederungsvereinbarung ist auch nicht nichtig. Nach der Rechtsprechung des 14. Senats des BSG ist eine Eingliederungsvereinbarung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nichtig, wenn in ihr außer der Zusage von Vermittlungsvorschlägen bei Stellenangeboten keine individuellen, konkreten und verbindlichen Leistungsangebote des Beklagten zur Eingliederung des Klägers in Arbeit vereinbart sind (BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 5, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Die zum SGB II ergangene Rechtsprechung ist - auch zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung - auf die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III zu übertragen.

32

Die Eingliederungsvereinbarung vom 5.1.2012 ist wirksam und verbindlich, denn die Beklagte hat dem Kläger im Gegenzug zu seinen Zusagen, sich zu bewerben, in dem öffentlich-rechtlichen Vertrag eine angemessene und billige Gegenleistung zugesagt (§ 58 Abs 2 Nr 4 SGB X). Sie hat ihm mehrere Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung konkret in Aussicht gestellt. So ist ihm die Teilnahme an einem Bewerbungscoaching bei einem näher bezeichneten Träger angeboten worden, das er am 16.1.2012 hätte beginnen können und für das er ein Zuweisungsschreiben erhalten hat. Schließlich ist ihm die Übernahme von Bewerbungskosten sowie von Reisekosten für Vorstellungsgespräche zugesagt worden.

33

Außer im Hinblick auf eine mögliche Nichtigkeit (§ 58 Abs 1 und 2 SGB X) sind die in einer Eingliederungsvereinbarung formell wirksam getroffenen Einzelvereinbarungen nicht auf ihre Rechtmäßigkeit oder Zumutbarkeit hin zu überprüfen (BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - für BSGE vorgesehen = SozR 4-4200 § 15 Nr 5; aA Eicher in Knickrehm/Rust , Arbeitsmarktpolitik in der Krise, 2010, S 79 f). Eine Überprüfung einzelner Regelungen in einer Eingliederungsvereinbarung durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit scheidet aus, weil sie dem Sinn und Zweck eines auf individuelle Erfordernisse zugeschnittenen und ausgehandelten öffentlich-rechtlichen Austauschvertrags entgegenstünde. Sollten ihre Verhandlung und ihr Abschluss nicht der idealtypischen Vorstellung des Vertragsmodells entsprechen, stellt dies nicht zugleich einen Nichtigkeitsgrund iS des § 58 Abs 1 SGB X dar (vgl Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 15 RdNr 17 ff, 23).

34

Die wirksame Eingliederungsvereinbarung hat auch den vom Kläger zu führenden Nachweis konkretisiert. Vorliegend haben die Beteiligten die Nachweispflicht dahingehend konkretisiert, dass der Kläger in der bis 31.1.2012 bestimmten Frist eine einfache Auflistung seiner Bewerbungen vorzulegen hatte. Mit deren Vorlage bei der Beklagten hätte er seine Nachweispflicht erfüllt. Die Beklagte könnte bei Vorlage einer solchen einfachen Auflistung nicht einwenden, diese genüge nicht als "Nachweis". Wird der Nachweis der geforderten Eigenbemühungen aber nicht in der vereinbarten Weise erbracht, kann dies - unter weiteren Voraussetzungen - den Eintritt der Sperrzeit begründen (Coseriu in Eicher/Schlegel, § 159 SGB III aF RdNr 367, Stand September 2013; Bieback in jurisPR-SozR 14/2011 Anm 1).

35

§ 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF ist - anders als der Kläger meint - nicht so zu verstehen, dass es allein auf die Vornahme der Eigenbemühungen, nicht aber auf deren Nachweis ankäme. Bereits dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich entnehmen, dass der Eintritt einer Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der oder die Arbeitslose die Eigenbemühungen gegenüber der Beklagten nicht nachweist. Eine den Nachweis nicht für erforderlich haltende Auslegung der Vorschrift lässt sich auch nicht mit den Regelungszielen des Gesetzgebers begründen (BT-Drucks 15/1515 S 87) oder durch eine erkennbar planwidrige Gesetzeslücke rechtfertigen (zu den Grenzen der Auslegung: BVerfG vom 25.1.2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 = NJW 2011, 836).

36

Zwar sind Regelungen einer Nachweispflicht dem vom Amtsermittlungsprinzip (§ 103 SGG) geprägten Sozialrecht (dazu BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3 RdNr 31) eher fremd. Dem Gesetzgeber ist es aber nicht verwehrt, Regelungen zu treffen, wonach ein Betroffener bestimmte Handlungen oder Umstände nachzuweisen hat (allgemein: Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl 2013, Vorbem § 284 RdNr 22 f; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl 2013, Anh § 286 RdNr 9; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 118 RdNr 6; Marx, Die Notwendigkeit und Tragweite der Untersuchungsmaxime in den Verwaltungsprozessgesetzen, Frankfurt 1985, S 188 f). Der Gesetzgeber hat solche Regelungen im Sozialrecht auch an verschiedenen Stellen getroffen (zB § 4 Abs 3 Satz 1 FRG, § 6 Abs 6 AAÜG).

37

Im Ergebnis verlangt § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF von den Leistungsberechtigten, dass sie zum Zwecke der Überprüfung, ob die konkreten Eigenbemühungen im Einzelfall vorgenommen worden sind, deren Vornahme im Einzelfall auch nachweisen(hM; so Coseriu in Eicher/ Schlegel, SGB III nF, § 159 RdNr 374, Stand September 2013; Winkler in Gagel, SGB II/ SGB III, § 159 SGB III RdNr 296 und 349, Stand März 2015; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 159 RdNr 300, Stand Mai 2014). Aus der Entscheidung des BSG (vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3 RdNr 31), auf die sich der Kläger beruft, ergibt sich nichts anderes, weil das Urteil zu § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III idF ab 19.12.1998 ergangen ist. Die Entscheidung ist im Kontext der hier maßgeblichen Regelung (§ 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF)nicht mehr einschlägig, weil ihr eine weitgehend andere Rechtslage zugrunde gelegen hat.

38

Der Kläger hat nicht nur den ihm obliegenden Nachweis der Eigenbemühungen nicht fristgerecht geführt, der Sperrzeittatbestand des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF ist auch im Übrigen erfüllt. Denn er ist mit der Rechtsfolgenbelehrung in der Eingliederungsvereinbarung zutreffend und richtig über die Rechtsfolge der Sperrzeit bei fehlendem Nachweis der Eigenbemühungen belehrt worden. Er hat für das Fehlen des Nachweises der Eigenbemühungen keinen wichtigen Grund angeführt. Der mögliche Irrtum über den Zeitpunkt, bis zu dem er der Nachweispflicht nachkommen muss, stellt keinen wichtigen Grund dar, weil ein solcher objektiv vorliegen müsste (BSG vom 28.6.1991 - 11 RAr 81/90 - BSGE 69, 108 = SozR 3-4100 § 119 Nr 6). An dem fehlenden Nachweis trifft den Kläger auch Verschulden (zum Erfordernis des Verschuldens, auch wenn dieses nicht im Sperrzeittatbestand geregelt ist: BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176, 186 = SozR 4-4300 § 119 Nr 3 RdNr 33; Mutschler in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, § 159 RdNr 46). Mit dem Übersehen der datumsmäßig festgelegten Verpflichtung, den Nachweis in der vereinbarten Frist vorzulegen, hat der Kläger die von ihm zu fordernde Sorgfalt verletzt.

39

Die Beklagte hat auch Beginn und Ende der Sperrzeit zutreffend geregelt. Die Sperrzeit beginnt gemäß § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III aF mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Die Sperrzeit beginnt am 1.2.2012, weil der Kläger die Nachweise bis zum 31.1.2012 hätte erbringen müssen. Die Sperrzeit dauert gemäß § 144 Abs 5 SGB III aF zwei Wochen, also bis 14.2.2012.

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bb) Auch die weiteren Voraussetzungen einer Aufhebung für die Vergangenheit sind erfüllt, denn der Kläger hat qualifiziert schuldhaft iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X gehandelt.

41

Die Feststellungen des LSG, die eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers bejahen, sind revisionsrechtlich nur in engen Grenzen überprüfbar (vgl BSG vom 13.7.2006 - B 7a AL 16/05 R - SozR 4-4300 § 122 Nr 5 RdNr 14). Vorliegend sind die Feststellungen für den Senat bindend, weil das LSG bei der Entscheidung von dem zutreffenden Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit ausgegangen ist (vgl BSG vom 29.10.2008 - B 11 AL 44/07 R - SozR 4-4300 § 118 Nr 3 RdNr 23). Das LSG hat insoweit ausgeführt, dass im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse zum Verschulden gewonnen werden konnten. Es hat auf das Urteil des SG Bezug genommen (vgl § 153 Abs 2 SGG), das sich im Einzelnen mit den Voraussetzungen eines grob fahrlässigen Verhaltens auseinandergesetzt hat. Das LSG hat angenommen, der Kläger habe die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt, falls er trotz erteilter Rechtsfolgebelehrung und getroffener Vereinbarungen über das Erfordernis des Nachweises nicht gewusst haben sollte, dass ohne den fristgerechten Nachweis eine Sperrzeit eintritt und ihm ein Zahlungsanspruch auf Alg nicht mehr zusteht. Er hätte - so das LSG zutreffend - schon bei einer einfachen Durchsicht der Eingliederungsvereinbarung ohne Weiteres erkennen müssen, dass und zu welchem Termin er den Nachweis vorzulegen habe.

42

cc) Die Aufhebung der Bewilligung ist auch insoweit rechtmäßig erfolgt, als sich der zuerkannte Anspruch auf Alg um die Zeit des Ruhens wegen einer Sperrzeit mindert (§ 128 Abs 1 Nr 2 SGB III aF).

43

Bei der Teilaufhebung der Bewilligung hinsichtlich der Anspruchsdauer (Verkürzung von zwei Wochen) handelt es sich um eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 330 Abs 3 SGB III), weil sich die Minderung der Anspruchsdauer erst gegen Ende des Bezugs von Alg auswirkt, wenn der Berechtigte zu dem Zeitpunkt noch im Leistungsbezug steht. Die Beklagte ist berechtigt, den Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, nachdem eine Sperrzeit nach § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF eingetreten ist. Mit dieser ist gegenüber dem Bewilligungsbescheid eine wesentliche Änderung auch hinsichtlich der Anspruchsdauer eingetreten, denn mit dem Eintritt einer Sperrzeit geht eine entsprechende Minderung der Anspruchsdauer einher (§ 128 Abs 1 Nr 3 SGB III aF). Die Minderung der Anspruchsdauer entspricht der Anzahl von Tagen, die die Sperrzeit hat (§ 144 Abs 5 SGB III aF; jetzt § 159 Abs 5 SGB III), hier also - wie von der Beklagten geregelt - zwei Wochen.

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4. Die gesetzliche Regelung einer Nachweispflicht (§ 144 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III aF) verletzt den Kläger nicht in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art 2 Abs 1 GG.

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In der Auferlegung einer Nachweispflicht gegenüber dem Berechtigten liegt ein Eingriff in dessen allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG), weil er entweder eine Tätigkeit entfalten muss oder im Fall des Unterlassens Leistungsansprüche nach dem SGB III verlieren kann.

46

Dieser Eingriff hält sich aber im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung. Die die Nachweispflicht regelnden Vorschriften des SGB III dienen einem legitimen Zweck. Wenn der Gesetzgeber den Arbeitslosen die Pflicht auferlegt, Eigenbemühungen nachzuweisen, lässt sich die getroffene Regelung mit der sog "Sphärentheorie" rechtfertigen (vgl dazu BSG vom 9.12.2003 - B 7 AL 56/02 R - SozR 4-4300 § 119 Nr 1). Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, dem Eigenbemühungen obliegen, die von ihm entfalteten Aktivitäten einfach belegen kann. Demgegenüber müsste ohne Regelung einer Nachweispflicht die Beklagte das Unterlassen der Eigenbemühungen beweisen. Der Nachweis, dass bestimmte Umstände nicht gegeben sind, ist aber schwierig zu führen. Die Arbeitslosen könnten schlicht behaupten, das Erforderliche getan zu haben, sodass es der Beklagten überlassen bliebe, das Gegenteil zu beweisen. In dieser Situation ist es sachgerecht, denjenigen die Nachweisobliegenheit aufzuerlegen, die ohne großen Aufwand ihr aktives Tun belegen können. Dies ist auch vor dem Hintergrund anzunehmen, dass Eigenbemühungen eine Regelvoraussetzung des Anspruchs auf Alg sind, weil es ohne die Bereitschaft, Anstrengungen zu entfalten, um die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, bereits an "Arbeitslosigkeit" im Rechtssinne fehlen würde (§ 138 Abs 1 Nr 2 SGB III, § 119 Abs 1 Nr 2 SGB III aF).

47

Die Nachweispflicht belastet die Arbeitslosen nicht in unzumutbarer (unverhältnismäßiger) Weise. Sie ist geeignet, den Zweck - Überprüfung konkreter Anstrengungen - zu erreichen, ohne dass ein gleich geeignetes, aber den Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Vornahme von Eigenbemühungen und deren Nachweis zur Verfügung stünde (BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 1/15 R - BSGE 119, 271 = SozR 4-4200 § 12a Nr 1, jeweils RdNr 46). Denn sie kann - ebenso wie die Eigenbemühungen selbst - in der Eingliederungsvereinbarung vertraglich konkretisiert werden (§ 37 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III). Dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen. Mit dem Kläger ist zum Nachweis seiner Eigenbemühungen vereinbart worden, lediglich in einer Liste schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren, wann er sich wo in welcher Art und Weise beworben hat. Die Beklagte fordert also nur eine (einfache) Dokumentation der Eigenbemühungen und lässt diese als Nachweis genügen. Die gesetzliche Regelung einer Nachweispflicht ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

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(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

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(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. (2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn 1. eine sof

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Wer einem anderen die Schließung eines Vertrags anträgt, ist an den Antrag gebunden, es sei denn, dass er die Gebundenheit ausgeschlossen hat.

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(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. (2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stelle

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(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig

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(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn 1. der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,2. die erforderliche Be

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(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der

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Sind Menschen mit Behinderungen auswärtig untergebracht, aber nicht in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen mit voller Verpflegung, so wird ein Betrag nach § 86 zuzüglich der behinderungsbedi

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 56 Schriftform


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Fremdrentengesetz - FRG | § 4


(1) Für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismi

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 55 Austauschvertrag


(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2, in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet, kann geschlossen werden, wenn die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart

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Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 2016 wird zurückgewiesen.

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(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. September 2009 aufgehoben, soweit dieses das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 6. Mai 2008 geändert hat. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 6. Mai 2008 zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist (noch), ob in der Zeit vom 31.1.2006 bis 20.2.2006 eine Sperrzeit eingetreten ist und ob der Kläger für die Zeit vom 1. bis 20.2.2006 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) hat.

2

Der 1953 geborene Kläger war seit 1968 bei der A GmbH & Co KG (Arbeitgeberin) beschäftigt. Mit Schreiben vom 28.6.2005 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31.1.2006. Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage nahm der Kläger im Februar 2006 zurück, nachdem er sich mit der Arbeitgeberin über die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 5500 Euro sowie die Zahlung einer Treueprämie geeinigt hatte.

3

Zuvor hatte er mit Schreiben vom 27.1.2006 sein Arbeitsverhältnis zum 30.1.2006 gekündigt, um der Verkürzung seines Alg-Anspruchs von 26 auf 12 Monate auf Grund einer am 1.2.2006 wirksam werdenden Änderung des § 127 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu entgehen. Die Beklagte, bei der sich der Kläger am 3.11.2005 arbeitslos gemeldet hatte, stellte den Eintritt einer - wegen der ohnedies innerhalb von sechs Wochen endenden Beschäftigung - auf drei Wochen verkürzten Sperrzeit vom 31.1. bis 20.2.2006 fest, weil der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund gelöst habe; außerdem lehnte sie die Gewährung von Alg für die Dauer der Sperrzeit ab und bewilligte dem Kläger erst ab 21.2.2006 Alg für (eine Dauer von) 780 Kalendertagen, die sich allerdings um die 21 Tage der Sperrzeit mindere (Bescheide vom 7. und 8.2.2006; Widerspruchsbescheid vom 28.2.2006). Seit 1.4.2006 ist der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt.

4

Das Sozialgericht (SG) Mainz hat die auf Aufhebung der Sperrzeit und Zahlung von Alg für die Zeit vom 31.1. bis 20.2.2006 gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 6.5.2008). Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat dieses Urteil auf die Berufung des Klägers geändert; die Verfügung über die Sperrzeit hat es aufgehoben, die Beklagte zur "Gewährung" von Alg aber nur für die Zeit vom 1. bis 20.2.2006 verurteilt und im Übrigen - hinsichtlich der Zahlung von Alg für den 31.1.2006 - die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 24.9.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger habe für die Vorverlagerung des Beschäftigungsendes ein wichtiger Grund zur Seite gestanden, weil er sich so auf Grund der Übergangsregelung des § 434l Abs 1 SGB III iVm § 127 Abs 1 und 2 SGB III in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung einen längeren Alg-Anspruch habe erhalten können. Am 31.1.2006 habe sein Anspruch wegen der gezahlten Abfindung geruht.

5

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 144 SGB III. Zur Begründung führt sie aus, der Kläger könne sich auf einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht berufen. Denn bei Abwägung seiner Individualinteressen mit dem Zweck der Sperrzeitregelung, die Versichertengemeinschaft gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten habe, sei ihm die Hinnahme der Kündigung seiner Arbeitgeberin zum 31.1.2006 zumutbar gewesen. Ein wichtiger Grund für die Kündigung ergebe sich weder aus persönlichen noch aus beruflichen Gründen. Wolle der Kläger durch die vom ihm gewählte arbeitsrechtliche Gestaltungsmöglichkeit in den Genuss des Vorteils der längeren Alg-Anspruchsdauer kommen, müsse er auch die andere - negative - Seite dieser Gestaltungsmöglichkeit, nämlich den Eintritt einer Sperrzeit, akzeptieren. Der geringfügige Nachteil (drei Wochen Sperrzeit) sei im Verhältnis zu dem hieraus folgenden Vorteil (Verlängerung der Anspruchsdauer um 14 Monate) nicht unverhältnismäßig.

6

Die Beklagte beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des LSG aufzuheben, soweit dieses das Urteil des SG geändert hat.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz). Das LSG hat zu Unrecht den Bescheid der Beklagten über den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 31.1. bis 20.2.2006 aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von Alg für die Zeit vom 1. bis 20.2.2006 verurteilt.

10

Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG)sind die Verfügungen der Beklagten vom 7.2.2006 betreffend den Eintritt einer Sperrzeit sowie über die Ablehnung der Zahlung von Alg für den bezeichneten Zeitraum. Insoweit bilden der Sperrzeitbescheid vom 7.2.2006 und der Bewilligungsbescheid vom 8.2.2006, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.2.2006, eine Einheit (stRspr; vgl nur BSGE 84, 225 ff = SozR 3-4100 § 119 Nr 17). Ob in dem Sperrzeitbescheid als eigenständige Verfügung (Verwaltungsakt) iS des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zudem die Minderung der Anspruchsdauer angeordnet und auch diese Gegenstand des Verfahrens ist, bedarf wegen der Klageabweisung insgesamt gegen den Bescheid vom 7.2.2006 keiner Entscheidung. Versteht man die bezeichnete Minderung als eigenständigen Verwaltungsakt innerhalb des Bescheids, wäre dieser ebenso rechtmäßig wie die Feststellung der Sperrzeit; denn die Sperrzeit mindert die Anspruchsdauer - wie von der Beklagten im Bescheid angenommen - gemäß § 128 Abs 1 Nr 4 SGB III(in der Normfassung des Fünften Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 22.12.2005 - BGBl I 3676) um 21 Tage.

11

Gemäß § 144 Abs 1 Satz 1, Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III(ebenfalls in der Fassung, die die Norm durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze erhalten hat) ist vorliegend eine Sperrzeit von (nur) drei Wochen eingetreten; dies entspricht gemäß § 339 SGB III 21 Tagen(Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, § 339 RdNr 37, Stand Januar 2005). Der Anspruch des Klägers ruht für die Dauer der Sperrzeit, weil der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) durch seine Kündigung vom 27.1.2006 zum 30.1.2006 das (noch bestehende) Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Allerdings ist - wie von der Beklagten angenommen - nur eine Sperrzeit von drei statt einer Regelsperrzeit von zwölf Wochen eingetreten. Nach § 144 Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB III verkürzt sich nämlich die Sperrzeit, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte, wie dies auf Grund der betriebsbedingten Kündigung durch die Arbeitgeberin zum 31.1.2006 (einen Tag später) der Fall gewesen wäre. Dass in dieser Regelung eigentlich das Beschäftigungs-, nicht das Arbeitsverhältnis gemeint ist (vgl Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 491, Stand September 2006), ist vorliegend ohne Bedeutung, weil das Ende des Arbeitsverhältnisses auch das Ende des Beschäftigungsverhältnisses dargestellt hätte. Die zentrale Frage für alle eingetretenen Rechtsfolgen ist die nach dem Vorliegen eines wichtigen Grunds; diesen hat die Beklagte zu Recht verneint.

12

Der wichtige Grund ist nach der stRspr des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Sperrzeitregelung, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder deren Behebung er unbegründet unterlässt, zu bestimmen (vgl nur BSGE 84, 225, 230 mwN = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 81; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15 S 64 mwN); die Sperrzeit greift dabei Obliegenheitsverletzungen des Versicherten auf (vgl nur BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 14 S 58 f). Ein wichtiger Grund liegt nach der stRspr des BSG - vereinfacht formuliert - vor, wenn dem Arbeitslosen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit denen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten nicht zugemutet werden konnte (vgl Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 337 mwN; Coseriu in Eicher/Schlegel, aaO, § 144 RdNr 167 ff, Stand Juni 2010). Allerdings ist diese allgemeine Umschreibung dahin zu konkretisieren, dass es sich um Umstände handeln muss, die sich auf die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses beziehen (BSGE 21, 205, 207 = SozR Nr 3 zu § 80 AVAVG Bl Ba3 Rücks; BSGE 43, 269, 271 = SozR 4100 § 119 Nr 2 S 4; BSGE 52, 276, 277 = SozR 4100 § 119 Nr 17 S 80 f; Marx, Absprachen der Arbeitsvertragsparteien zur Vermeidung einer Sperrzeit gemäß § 144 SGB III, 2008, S 55 f), die nach der historischen Entwicklung der Sperrzeitregelungen grundsätzlich entweder der beruflichen oder der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers entspringen müssen.

13

Die heutige Sperrzeitregelung geht auf die Regelungen der §§ 78, 80 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zurück. Insoweit enthielt § 78 Abs 2 AVAVG eine ausdrückliche Auflistung berechtigter Gründe für die Aufgabe der Arbeitsstelle, die allesamt der beruflichen Sphäre entsprangen; daneben waren (nur) wichtige Gründe nach § 80 Abs 1 Satz 1 AVAVG in Anlehnung an die allgemeinen arbeitsrechtlichen Vorschriften zu prüfen(vgl im Einzelnen: Kühl, Die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe, 2007, S 124 ff; Voelzke in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 12 RdNr 337 ff). Mit Inkrafttreten des Arbeitsförderungsrechts (AFG) wurde die Unterscheidung zwischen berechtigtem und wichtigem Grund zwar aufgegeben und durch eine verallgemeinernde Generalklausel ersetzt (vgl Kühl, aaO, S 126 mwN), und das Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) hat mit § 144 SGB III inhaltlich ohne wesentliche Änderung die Regelung des § 119 AFG übernommen(Kühl, aaO); trotz der mit der gegenüber dem AVAVG für weitere Fallgestaltungen offenen Neuregelung durch das AFG bzw das SGB III bleibt jedoch weiterhin Bezugspunkt für die Beurteilung der Zumutbarkeit das Beschäftigungsverhältnis selbst.

14

Vorliegend war die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Kläger einzig und allein dadurch motiviert, dass er durch eine Vorverlagerung des Beschäftigungsendes günstigere Rechtsfolgen für seinen entstehenden Alg-Anspruch herbeiführen wollte. Gemäß § 434l Abs 1 SGB III konnte sich der Kläger nämlich auf diese Weise wegen des Anspruchserwerbs auf Alg vor dem 1.2.2006 einen (längeren) Alg-Anspruch von 26 Monaten nach dem bis 31.1.2006 geltenden § 127 SGB III gegenüber der ab 1.2.2007 geltenden Neuregelung (12 Monate) durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 3002) erhalten.

15

Ob diese Verkürzung der Anspruchsdauer - auch unter Berücksichtigung der Übergangsvorschrift des § 434r SGB III - verfassungswidrig ist, kann offen bleiben(vgl dazu auch das Senatsurteil vom 14.9.2010 - B 7 AL 23/09 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen); nicht beantwortet werden muss auch die Frage, ob Gesichtspunkte, die außerhalb der beruflichen wie auch der persönlichen Sphäre liegen und wirtschaftlicher Natur sind, zumindest dann beim wichtigen Grund Berücksichtigung finden müssen, wenn die Anwendung des § 144 SGB III ansonsten zu einer unverhältnismäßigen Rechtsbeeinträchtigung führen würde. Jedenfalls gilt dies dann nicht, wenn - wie hier - zu rein wirtschaftlichen Aspekten keine mit der Berufssphäre verbundenen oder sonstigen persönlichen Gründe hinzutreten, die die Fortsetzung der Beschäftigung unzumutbar machen, und die Rechtsfolgen, die sich aus der Eigenkündigung des Klägers ergeben, diesen jedenfalls nicht unverhältnismäßig treffen.

16

Mit § 144 SGB III hat der Gesetzgeber eine typisierende und pauschalierende Regelung getroffen, mit der er ua deutlich macht, dass sich ein Arbeitnehmer prinzipiell nicht an der Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses beteiligen soll. Zumindest dies belegt die nicht ganz gelungene Formulierung (vgl Eicher, SGb 2005, 553), dass die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses (bereits) ein versicherungswidriges Verhalten sei; nur ausnahmsweise soll keine Sperrzeit eintreten, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher kann aber jedenfalls nicht angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis nur löst, um sich für ihn günstigere arbeitsförderungsrechtliche Rechtsfolgen zu erhalten, die sich aus der Lösung, also dem (normativ) versicherungswidrigen Verhalten, ergebenden Rechtsfolgen jedoch nicht so gravierend sind, dass sie ihn unverhältnismäßig treffen. Dabei spielt bei der von § 144 SGB III gewählten Typisierung und Pauschalierung keine Rolle, ob bzw wann das Beschäftigungsverhältnis ohnedies geendet hätte; denn nach der stRspr des BSG hat die Sperrzeitregelung weder Strafcharakter noch ist sie ein pauschalierter Schadensausgleich (BSGE 84, 225, 230 = SozR 3-4100 § 119 Nr 17 S 81; BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 7 RdNr 12). Diesem Gesichtspunkt wird vielmehr hinreichend durch die Härteregelungen des § 144 Abs 3 SGB III mit der Verkürzung der Sperrzeit Rechnung getragen. Hierzu hat das BSG bereits entschieden, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen unter Berücksichtigung der Zielsetzung des § 144 SGB III nicht erforderlich ist, die Dreiwochenfrist weiter zu verkürzen, wenn das Ende des Beschäftigungsverhältnisses um weniger als drei Monate - wie vorliegend - vorverlagert wurde(BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 7 RdNr 13; vgl im Einzelnen Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 497, Stand September 2006).

17

Dem Anliegen des Klägers (Erhaltung eines längeren Alg-Anspruchs) wird hinreichend durch diese Regelung Rechnung getragen. Dies gilt umso mehr, als der Kläger das Beschäftigungsverhältnis auf die reine Möglichkeit hin gelöst hat, dass er gegenüber der Neuregelung einen längeren Alg-Anspruch auch benötigte. Dass bzw ob dies der Fall sein würde, also der Kläger individuell durch die Neuregelung überhaupt persönlich betroffen würde bzw noch werden kann, war zum Zeitpunkt der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht absehbar; immerhin ist der Kläger bereits seit 1.4.2006 wiederum in einem Beschäftigungsverhältnis. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger, wenn er sich die Möglichkeit erhalten will, nach dem älteren Recht für längere Zeit Alg zu beziehen (26 statt 12 Monate), auch die damit verbundenen Nachteile in Kauf nehmen muss, die darin bestehen, dass sein Alg-Anspruch für die ersten 21 Tage ruht und sich um die entsprechende Anzahl von Tagen mindert.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine Sperrzeit nach Abschluss eines Aufhebungsvertrags.

2

Die am 26.4.1947 geborene schwerbehinderte Klägerin war von 1966 bis Ende November 2005 bei der I. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Sachbearbeiterin/ Sekretärin versicherungspflichtig beschäftigt. Am 10.5.2004 schloss sie mit ihrer Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag, der das bestehende Arbeitsverhältnis "auf Veranlassung des Unternehmens zur Vermeidung einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung unter Einhaltung der tariflichen bzw einzelvertraglichen Kündigungsfristen zum 30.11.2005" beendete. Als Grund wurde der ersatzlose Wegfall des Arbeitsplatzes infolge von Umstrukturierungsmaßnahmen angegeben; ein anderer Arbeitsplatz stehe nicht zur Verfügung, weil die Einsatzmöglichkeiten der Klägerin aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen begrenzt seien. Sie erhielt eine Abfindung in Höhe von 47 000 Euro.

3

Nach einer Arbeitsuchendmeldung am 17.5.2005 meldete sich die Klägerin am 5.10.2005 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Laut der Arbeitsbescheinigung galt für die Klägerin eine Kündigungsfrist von 18 Monaten. In einer weiteren Bescheinigung der Arbeitgeberin vom 16.11.2004 bestätigte diese, dass der Klägerin entsprechend der Sozialauswahl gekündigt worden wäre, wenn sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschrieben hätte. Eine Sozialauswahl sei entsprechend § 1 Abs 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) durchgeführt worden.

4

Die Beklagte stellte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen sowie das Ruhen des Alg-Anspruchs vom 1.12.2005 bis 22.2.2006 fest und verminderte die Dauer des Leistungsanspruchs um 240 Tage (Bescheid vom 11.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 29.11.2005). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe ihr Beschäftigungsverhältnis durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne wichtigen Grund selbst gelöst.

5

Ab 23.2.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Alg für 714 Tage in Höhe eines täglichen Leistungsbetrags von 50,90 Euro (Bescheid vom 4.1.2006 und Änderungsbescheid vom 16.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.8.2006). Ab 1.5.2007 bezog die Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

6

Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2005 verurteilt, der Klägerin bereits ab 1.12.2005 Alg in gesetzlicher Höhe zu bewilligen (Urteil vom 18.12.2008). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass auch der Änderungsbescheid vom 16.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.8.2006 abgeändert wird (Urteil vom 16.2.2011; Berichtigungsbeschluss vom 23.2.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Sperrzeit nach § 144 Abs 1 S 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sei nicht eingetreten. Denn die Klägerin habe für den Abschluss des Aufhebungsvertrags einen wichtigen Grund gehabt, weil ihr zum gleichen Beendigungszeitpunkt eine nicht verhaltensbedingte arbeitgeberseitige Kündigung gedroht habe. Dies gelte trotz der vereinbarten Abfindung. Die zum 1.1.2004 eingeführte Regelung des § 1a KSchG, wonach ein Arbeitnehmer nach den dort genannten Voraussetzungen bei Verstreichenlassen einer Klagefrist für einen Kündigungsschutzprozess eine Abfindung beanspruchen könne, habe nicht nur Auswirkungen auf das Arbeitsrecht, sondern auch auf das Arbeitsförderungsrecht. Entsprechend habe der 11a. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 12.7.2006 (B 11a AL 47/05 R - BSGE 97, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 13) erwogen, unter Heranziehung der Grundsätze des § 1a KSchG für Streitfälle ab 1.1.2004 auf eine ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der Arbeitgeberkündigung zu verzichten, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs 2 KSchG vorgesehene nicht überschreite. Das Modell des § 1a KSchG sei auch auf Fallgestaltungen zu übertragen, in denen sich die Arbeitsvertragsparteien auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geeinigt hätten und in denen die gewährte Abfindung die finanziellen Grenzen des § 1a Abs 2 KSchG nicht überschreite; dann sei die Rechtmäßigkeit der drohenden Kündigung nicht zu überprüfen. Dies gelte allerdings dann nicht, wenn Anhaltspunkte für eine Manipulation zu Lasten der Versichertengemeinschaft vorlägen (Hinweis auf Senatsurteil vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R - BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17). In Anlegung dieser Maßstäbe könne sich die Klägerin auf einen wichtigen Grund berufen. Die Höhe der erhaltenen Abfindung von 47 000 Euro übersteige den nach § 1a Abs 2 KSchG zu gewährenden Betrag nicht; ebenso wenig bestünden Anhaltspunkte für Manipulationen zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Zwar hätte die Klägerin aufgrund ihres Lebensalters, der Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit und ihrer Schwerbehinderung nicht ohne Weiteres betriebsbedingt entlassen werden können. Ausnahmsweise sei aber eine außerordentliche Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zulässig, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen sei und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel, ggf durch Umorganisation seines Betriebs, nicht weiter beschäftigen könne (Hinweis auf Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5.2.1998 - 2 AZR 227/97 - BAGE 88, 10 = AP Nr 143 zu § 626 Bürgerliches Gesetzbuch). Auf dieser Grundlage sei der Klägerin jedenfalls nicht mit einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung gedroht worden. Dies gelte auch angesichts ihrer Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch. Denn die - hypothetische - Kündigung der Klägerin hätte nicht im Zusammenhang mit ihrer Schwerbehinderung gestanden, sodass eine - gleichfalls hypothetische - Zustimmung des Integrationsamts nicht ausgeschlossen gewesen wäre. Auch ein Ruhen des Anspruchs der Klägerin auf Alg wegen der erhaltenen Abfindung (§ 143a SGB III) komme nicht in Betracht, weil die Arbeitsvertragsparteien die bei zeitlich unbegrenztem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber vorgesehene gesetzliche Frist von 18 Monaten gewahrt hätten.

7

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung von Verfahrensvorschriften (§ 128 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz; sinngemäß auch § 103 S 1 SGG) sowie von materiellem Recht (§ 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB III aF). Das LSG habe die Rechtmäßigkeit einer drohenden ordentlichen betriebsbedingten Kündigung im Ergebnis zu Unrecht offengelassen. Das BSG habe zwar in dem genannten Urteil vom 12.7.2006 und ebenso in seinem Urteil vom 8.7.2009 (B 11 AL 17/08 R - BSGE 104, 57 = SozR 4-4300 § 144 Nr 20, RdNr 19) erwogen, künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung anzuerkennen, wenn die Abfindungshöhe die in § 1a Abs 2 KSchG vorgesehene Grenze nicht überschreite. Diese Rechtsprechung (Rspr) des BSG könne sich aber jedenfalls nicht auf schwerbehinderte Leistungsempfänger wie die Klägerin beziehen. Dies ergebe sich auch aus § 1 Abs 3 KSchG, der zeitgleich mit der Schaffung des § 1a KSchG die Grunddaten bei der Sozialauswahl ausdrücklich um den Schwerbehindertenschutz erweitert habe. Schließlich bedeute die Sperrzeit von zwölf Wochen für die Klägerin auch keine besondere Härte iS des § 144 Abs 3 S 2 Nr 2 Buchst b SGB III.

8

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16.2.2011 sowie das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18.12.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin ein wichtiger Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zur Seite gestanden hat und deshalb keine Sperrzeit eingetreten ist.

12

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist - wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat - nicht nur der Sperrzeitbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.11.2005, sondern auch der Bewilligungsbescheid vom 4.1.2006 (insoweit ist der Maßgabetenor des Urteils des LSG vom 16.2.2011 zu ergänzen) und der Änderungsbescheid vom 16.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.8.2006 (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 10 RdNr 12 mwN). Dass die Nichtberücksichtigung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 4.1.2006 durch das LSG im Revisionsverfahren nicht als Verfahrensfehler gerügt worden ist, ist deshalb ohne Bedeutung, weil durch die Einbeziehung des Änderungsbescheids vom 16.3.2006 (nach § 86 SGG) auch der Ausgangsbescheid Gegenstand des Verfahrens geworden ist.

13

2. Nach den unangegriffenen und damit bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG lagen bei der Klägerin im streitigen Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 22.2.2006 die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg vor, weil sie in dieser Zeit arbeitslos war, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaft erfüllt hat (vgl § 118 Abs 1 SGB III).

14

3. Rechtsgrundlage einer - allein in Betracht kommenden - Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe ist § 144 SGB III(in der hier maßgeblichen, bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung, jetzt: § 159 SGB III). Nach § 144 Abs 1 S 1 SGB III aF ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich ein Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt nach § 144 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB III aF ua vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe).

15

a) Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Klägerin das Beschäftigungsverhältnis dadurch gelöst hat, dass sie mit ihrer Arbeitgeberin am 10.5.2004 mit Wirkung zum 30.11.2005 einen Aufhebungsvertrag geschlossen hat (vgl ua BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 31; BSGE 89, 250, 252 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24, mwN). Damit hat sie ihre Arbeitslosigkeit auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis, führt er nach der Rspr des BSG seine Arbeitslosigkeit jedenfalls grob fahrlässig herbei, wenn er nicht mindestens konkrete Aussichten auf einen Anschlussarbeitsplatz hat (vgl BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 10 RdNr 14 mwN). Eine solche Aussicht hatte die Klägerin, wie vom LSG festgestellt, nicht.

16

b) Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG hatte die Klägerin für ihr Verhalten einen wichtigen Grund. Unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung (hierzu im Folgenden unter aa) steht der Abschluss eines Aufhebungsvertrags bei drohender betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers (hierzu unter bb) auch bei Vereinbarung einer Abfindung der Annahme eines wichtigen Grunds nicht entgegen. Dabei ist in entsprechender Anwendung des § 1a KSchG nicht zu prüfen, ob die drohende Arbeitgeberkündigung rechtmäßig ist(hierzu unter cc). Insoweit entwickelt der Senat seine bisherige Rechtsprechung weiter (hierzu unter dd). Allerdings bleibt bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit Abfindung (hierzu unter ee) zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine Gesetzesumgehung zum Nachteil der Versichertengemeinschaft vorliegen (hierzu unter ff).

17

aa) Nach der stRspr des BSG ist über das Vorliegen eines wichtigen Grunds unter Berücksichtigung des Ziels der Sperrzeitregelung zu entscheiden. Diese soll die Versichertengemeinschaft vor Risikofällen schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat; eine Sperrzeit soll nur eintreten, wenn dem Versicherten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dies ist nicht nach den subjektiven Vorstellungen des Arbeitslosen zu beurteilen, sondern ein wichtiger Grund im Sinne des Sperrzeitrechts muss objektiv gegeben sein (vgl zuletzt BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 21 RdNr 12; BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 35).

18

bb) Einen wichtigen Grund für den Abschluss eines Aufhebungsvertrags hat der Arbeitnehmer nach der bisherigen Rspr dann, wenn der Arbeitgeber mit einer objektiv rechtmäßigen ordentlichen Kündigung gedroht hat und dem Arbeitnehmer die Hinnahme dieser Kündigung nicht zuzumuten war (vgl ua BSGE 97, 1, 3 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, RdNr 13 ff; BSGE 89, 243, 248 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24).

19

cc) Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen und daher bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat der Klägerin eine betriebsbedingte Kündigung zum gleichen Beendigungszeitpunkt gedroht. Die Rechtmäßigkeit der drohenden betriebsbedingten Kündigung, wie sie in der bisherigen Rspr des BSG stets als Voraussetzung für einen wichtigen Grund gefordert worden ist (vgl ua BSGE 89, 243, 246 = SozR 3-4100 § 119 Nr 24; zuletzt BSGE 104, 57 = BSG SozR 4-4300 § 144 Nr 20), brauchte das LSG hingegen nicht zu prüfen.

20

Nach § 1a Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 KSchG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 0,5 Monatsverdiensten für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs 2 S 1 KSchG kündigt, der Arbeitgeber in der schriftlichen Kündigungserklärung darauf hinweist, dass der Arbeitnehmer beim Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann, und der Arbeitnehmer die Klagefrist des § 4 S 1 KSchG tatsächlich hat verstreichen lassen. Dies führt - arbeitsrechtlich - dazu, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung seinen Arbeitsplatz nach festen Sätzen "abkaufen" kann und die Kündigung des Arbeitgebers nicht auf ihre materielle Rechtmäßigkeit hin (insbesondere in Bezug auf das Merkmal "wegen dringender betrieblicher Erfordernisse" iS des § 1 Abs 3 KSchG) zu überprüfen ist(vgl Eisemann in Küttner, Personalbuch 2011, 18. Aufl 2011, 1 Abfindung, RdNr 3).

21

Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1204 S 9; vgl auch BT-Drucks 15/1587 S 27) wollte der Gesetzgeber mit dieser neuartigen kündigungsschutzrechtlichen Regelung den Arbeitsvertragsparteien im Fall einer betriebsbedingten Kündigung eine einfache, effiziente und kostengünstige vorgerichtliche Klärung der Voraussetzungen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anbieten. Zu § 1a Abs 1 KSchG heißt es weiter: "Der gesetzliche Abfindungsanspruch kommt nur bei betriebsbedingten Kündigungen in Betracht, weil hier der Kündigungsgrund der Sphäre des Arbeitgebers zuzurechnen ist. Der Abfindungsanspruch ist auf ordentliche Kündigungen beschränkt". Zwar hat der Gesetzgeber mit § 1a KSchG unmittelbar nur das Kündigungsrecht geändert; diese Änderung hat jedoch Auswirkungen auch auf das Arbeitsförderungsrecht. Dass der Gesetzgeber dieses während des Gesetzgebungsverfahrens erkannt hat, wird - wie bereits das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - daran deutlich, dass im Blick auf das Sperrzeitrecht von einer ausdrücklichen gesetzlichen Klarstellung deshalb abgesehen worden ist, weil nach der Rspr des BSG die bloße Hinnahme einer Arbeitgeberkündigung keine Sperrzeit auslöse (vgl BT-Drucks 15/1587 S 27). Demgemäß hat der erkennende Senat in seiner bereits erwähnten Entscheidung vom 12.7.2006 (BSGE 97, 1, 5 f = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, RdNr 19 bis 20), die eine Fallgestaltung vor Inkrafttreten des § 1a KSchG am 1.1.2004 zum Gegenstand hatte, ausdrücklich erwogen, dass die unmittelbar nur auf das Arbeitsrecht bezogene "Öffnung" für eine Beendigung von Arbeitsverhältnissen "Veranlassung dafür geben (könnte), künftig einen wichtigen Grund bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags ohne die ausnahmslose Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung anzuerkennen". Diese Aussage hat der Senat in seiner Entscheidung vom 8.7.2009 (B 11 AL 17/08 R - BSGE 104, 57 = SozR 4-4300 § 144 Nr 20, RdNr 19) - ebenso wenig entscheidungstragend - wiederholt.

22

dd) Diese Ankündigungs-Rechtsprechung, die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat (vgl ua Winkler in Gagel, SGB III, § 144 RdNr 56, Stand Juli 2009; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 141, Stand Juni 2010) und der auch die Beklagte ansatzweise Rechnung getragen hat (vgl Durchführungsanweisungen der BA, Stand 11/2011 zu § 144 SGB III, Ziff 9.1.2, RdNr 144.103), wird - unter gleichzeitiger Berücksichtigung der in der Senatsentscheidung vom 17.10.2007 (B 11a AL 51/06 R - BSGE 99, 154, 161 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 42 und 43) genannten Maßstäbe - dahingehend vom Senat weiterentwickelt, dass bei einem Aufhebungsvertrag mit Abfindungsvereinbarung in den Grenzen des § 1a Abs 2 KSchG die Prüfung der Rechtmäßigkeit der drohenden Arbeitgeberkündigung entfällt und sich der Arbeitnehmer auf einen wichtigen Grund berufen kann, wenn keine Anhaltspunkte (zB offenkundig rechtswidrige Kündigung) für eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft vorliegen.

23

Gegen die entsprechende Anwendung des § 1a KSchG kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, der Gesetzgeber habe mit diesem Modell nur den sich bei einer Kündigung passiv verhaltenden Arbeitnehmer privilegieren wollen und auf eine Regelung im Arbeitsförderungsrecht - wie sich aus den Gesetzesmaterialien(BT-Drucks 15/1587 S 27) entnehmen lasse - auch nur deshalb verzichtet, weil nach der neueren Rechtsprechung des BSG nur die aktive Verursachung der Arbeitslosigkeit eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe auslösen könne; eine aktive Beteiligung des Arbeitnehmers sei jedoch jedenfalls bei einer nicht dem gesetzlichen Abfindungsanspruch entsprechenden Abfindungsangebot erforderlich. Denn dieser Einwand trägt dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 Grundgesetz ) und einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Versichertengemeinschaft einerseits und der Interessen des Versicherten andererseits nicht hinreichend Rechnung.

24

So hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 17.10.2007 (B 11a AL 51/06 R - BSGE 99, 154 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 36 f) entschieden, dass es einem Arbeitnehmer grundsätzlich nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn er nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen gerichtlichen Vergleich schließt (ebenso DA der BA, Stand 11/2011 zu § 144 SGB III, Ziff 1.2.1, RdNr 144.19). In diesem Fall ist der Frage nach der objektiven Rechtmäßigkeit der Kündigung nicht weiter nachzugehen, vorausgesetzt, es liegen keine Anhaltspunkte für eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft vor. Ebenso wie dort die aktive Beteiligung des Arbeitnehmers an der Lösung des Beschäftigungsverhältnisses nicht von vornherein der Annahme eines wichtigen Grunds entgegensteht, kann es einem Arbeitnehmer, der mit seinem Arbeitgeber bereits vor der Kündigung ein Verfahren nach § 1a KSchG und die Zahlung einer Abfindung in den Grenzen des § 1a Abs 2 KSchG vereinbart, nicht zum Nachteil gegenüber demjenigen gereichen, bei dem § 1a KSchG unmittelbar zur Anwendung kommt. Auch einem solchen Arbeitnehmer muss deshalb ein wichtiger Grund für die aus einer solchen Vereinbarung resultierenden Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zugestanden werden (vgl Eicher, SGb 2005, 553, 558; Gagel, NZA 2005, 1328, 1329 f; ders ZIP 2005, 332, 334; Voelzke NZS 2005, 281, 287; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 141, Stand Juni 2010). Offenbleiben kann hier, ob dies auch dann gelten soll, wenn der Aufhebungsvertrag nicht anstelle einer bereits ausgesprochenen oder drohenden Kündigung des Arbeitgebers geschlossen wird, sondern schon im Vorfeld eine Vereinbarung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung getroffen wird (vgl dazu Peters-Lange/Gagel, NZA 2005, 740, 741, 744; Voelzke, NZS 2005, 281, 287; kritisch Coseriu, aaO, RdNr 141; Eicher, SGb 2005, 553, 558 - unter Hinweis auf das Modell "§ 1a KSchG" und dessen Grenzen).

25

Anders als die Beklagte in ihrer Revisionsbegründung geltend macht, kann die entsprechende Anwendung des § 1a KSchG bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags nicht auf bestimmte Fallgruppen beschränkt werden und erfordert dies auch nicht der Schutz des schwerbehinderten Leistungsempfängers. Denn dessen Schutz wird - siehe im Folgenden unter ff) Ziff (3) - durch die Prüfung gewährleistet, wie im Fall einer - hypothetischen - Kündigung des Arbeitgebers das Integrationsamt zu entscheiden hätte. Ebenso kann im Anwendungsbereich des § 1a KSchG nicht auf das Alter des Leistungsempfängers und dessen berufliches Fortkommen abgestellt werden. Insofern bedarf es auch keines weiteren Eingehens auf die Frage, ob und inwieweit bei Aufhebungsverträgen eine Differenzierung bei dem Personenkreis der 58jährigen im Hinblick auf die Regelung des § 428 SGB III aF angezeigt sein könnte(vgl zuletzt BSGE 104, 57 = SozR 4-4300 § 144 Nr 20, RdNr 19 mwN zu Streitfällen vor dem 1.1.2004).

26

ee) Wie bereits durch die - zur Rechtsfrage vor Inkrafttreten der Regelung des § 1a KSchG ab 1.1.2004 ergangene - Rspr des Senats geklärt ist (vgl ua Urteil vom 17.10.2007 - B 11a AL 51/06 R - BSGE 99, 154, 160 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 38; Urteil vom 12.7.2006 - B 11a AL 47/05 R - BSGE 97, 1, 3 = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, RdNr 15 mwN), steht der Umstand, dass der Aufhebungsvertrag mit einer Abfindungsregelung verknüpft worden ist, grundsätzlich der Annahme eines wichtigen Grunds nicht entgegen. Zwar kann das Interesse am Erhalt der Abfindung für sich allein einen wichtigen Grund nicht rechtfertigen, jedoch schließt umgekehrt eine Abfindung diesen nicht aus. Vielmehr kann auch das Interesse schützenswert sein, sich bei einer ohnehin nicht zu vermeidenden Beschäftigungslosigkeit wenigstens eine Abfindung zu sichern (vgl BSGE 97, 1, 4 = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, RdNr 15).

27

Die vorliegende Fallgestaltung erfordert insoweit keine andere rechtliche Bewertung. Zutreffend ist das LSG von der Anwendung des KSchG ausgegangen, weil mehr als zehn Arbeitnehmer im Beschäftigungsbetrieb der Klägerin arbeiteten (vgl § 23 Abs 1 S 3 KSchG). Zwar unterschreitet die der Klägerin gezahlte Abfindung in Höhe von 47 000 Euro deutlich den sich nach den Feststellungen des LSG ergebenden Abfindungsanspruch nach § 1a Abs 2 KSchG in Höhe von rund 74 000 Euro. Die gesetzliche Regelung der Abfindung in § 1a KSchG schließt indes die Vereinbarung von höheren oder niedrigeren Abfindungen nicht aus(vgl BAG Urteil vom 10.7.2008 - 2 AZR 209/07 - AP Nr 8 zu § 1a KSchG 1969; Eisemann in Küttner, Personalbuch 2011, 18. Aufl 2011, 1 Abfindung, RdNr 5; auch nach den DA der BA, Stand 11/2011, zu § 144 SGB III, Ziff 9.1.2, RdNr 144.103 steht eine Abfindung von 0,25 Monatsgehältern für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses der entsprechenden Anwendung des § 1a KSchG nicht entgegen). Anders als bei Vereinbarung der gesetzlich vorgesehenen Abfindungshöhe kann allerdings bei frei vereinbarter Abfindungssumme, namentlich dann, wenn die Abfindungssumme die Grenzen des § 1a Abs 2 KSchG deutlich überschreitet, ein Anhaltspunkt für einen "Freikauf" gegeben sein(vgl BSGE 104, 57 = SozR 4-4300 § 144 Nr 20, RdNr 19; BSGE 99, 154, 161 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 42; BSGE 97, 1 = SozR 4-4300 § 144 Nr 13, RdNr 19). Das LSG hat jedoch insoweit zu Recht auf den niedrigeren Abfindungsanspruch der Klägerin hingewiesen.

28

ff) Ebenso wenig liegt eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft deswegen vor, weil die für den Fall des Nichtabschlusses des Aufhebungsvertrags drohende Kündigung der Klägerin offenkundig rechtswidrig gewesen wäre.

29

Bereits in seiner Entscheidung vom 17.10.2007 (B 11a AL 51/06 R - BSGE 99, 154, 160 = SozR 4-4300 § 144 Nr 17, RdNr 39) hat der Senat seine bisherige Rechtsprechung dahingehend weiterentwickelt, dass der Frage nach der objektiven Rechtmäßigkeit der Kündigung (dort: arbeitgeberseitige außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist) dann nicht weiter nachzugehen ist, ein wichtiger Grund also auch dann vorliegen kann, wenn die Beteiligten im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens die Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Beschäftigungsverhältnisses einvernehmlich außer Streit stellen und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit dem abgeschlossenen Vergleich zu Lasten der Versichertengemeinschaft manipuliert werden soll. Ein Anhaltspunkt für eine Gesetzesumgehung kann danach beispielsweise eine offenkundig rechtswidrige Kündigung sein. Diesen Prüfungsmaßstab hat das LSG zu Recht auch auf den vorliegenden Fall übertragen. Es ist von einer - bereits im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 29.11.2005 angesprochenen - tariflichen Unkündbarkeit der Klägerin, jedoch im Hinblick auf die einschlägige Rspr des BAG von der Berechtigung der Arbeitgeberin zur außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausgegangen. Durch die Rspr des BAG ist diese Kündigung weitgehend der ordentlichen betriebsbedingten Kündigung angenähert worden, sodass zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen, aber auch im Hinblick auf die besondere Schutzbedürftigkeit der betroffenen Arbeitnehmer, § 1a KSchG entsprechend anzuwenden ist(vgl Wennmacher, Das reformierte Arbeitsrecht, 2005, zu D II 2, S 13 mwN). Dabei ist das LSG im Wege einer Plausibilitätskontrolle rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass die der Klägerin in Aussicht gestellte Kündigung auch in Ansehung ihrer Schwerbehinderung nicht offensichtlich rechtswidrig gewesen wäre und demzufolge insoweit kein Anhaltspunkt für eine Gesetzesumgehung zu Lasten der Versichertengemeinschaft gegeben ist.

30

Dies ergibt sich aus seinen Erwägungen hinsichtlich der geltenden Kündigungsfrist (1), zur Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (2) sowie zur Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin (3).

31

(1) Wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des BAG entsprechend § 626 BGB die außerordentliche Kündigung eines tariflich unkündbaren Arbeitnehmers aus betriebsbedingten Gründen ausnahmsweise unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zulässig, wenn der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers weggefallen ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch unter Einsatz aller zumutbaren Mittel nicht weiter beschäftigen kann(BAG Urteil vom 5.2.1998 - 2 AZR 227/97 - BAGE 88, 10 - Juris RdNr 21 ff). Der Arbeitgeber hat auch bei einer danach zulässigen außerordentlichen Kündigung die gesetzliche oder tarifliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre (BAG, aaO, Juris RdNr 22). Nach den Feststellungen des LSG ist demgemäß der Aufhebungsvertrag unter Einhaltung der für die Klägerin geltenden ordentlichen Kündigungsfrist von 18 Monaten am 10.5.2004 mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2005 geschlossen worden. Dass der Aufhebungsvertrag seinem Wortlaut nach zur Vermeidung "einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung" geschlossen worden ist, obwohl nur eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist möglich gewesen wäre, steht seiner Wirksamkeit nicht entgegen (vgl Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Aufl 2012, 230 § 626 BGB RdNr 237 mwN).

32

(2) Die Weiterbeschäftigung der Klägerin war der Arbeitgeberin entsprechend § 626 Abs 1 BGB unzumutbar(vgl zuletzt BAG Urteil vom 18.3.2010 - 2 AZR 337/08 - AP Nr 228 zu § 626 BGB). Denn nach den Feststellungen des LSG ist der damalige Bereich Vertriebstechnik, in dem die Klägerin als Sachbearbeiterin/Sekretärin beschäftigt war, im Zuge von weitreichenden Umstrukturierungsmaßnahmen weggefallen und war keine anderweitige Beschäftigung der Klägerin im Unternehmen möglich.

33

(3) Zwar ist auch bei der nur ausnahmsweise zulässigen außerordentlichen Kündigung tariflich unkündbarer Arbeitnehmer der Arbeitgeber zu einer sozialen Auswahl entsprechend § 1 Abs 3 KSchG verpflichtet(BAG Urteil vom 5.2.1998 - 2 AZR 227/97 - BAGE 88, 10 - Juris RdNr 24; Mauer/Schüßler, BB 2001, 466, 468). Das LSG hat jedoch zu Recht Anhaltspunkte für eine offensichtlich unzutreffende Sozialauswahl der Arbeitgeberin, insbesondere im Hinblick auf die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin, verneint. Allerdings weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass durch das Gesetz vom 24.12.2003 (BGBl I 3002) nicht nur § 1a KSchG eingeführt ist, sondern gleichzeitig in § 1 Abs 3 S 1 KSchG die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers ausdrücklich bei den Basisdaten für die Sozialauswahl aufgeführt worden ist. Daraus folgt aber kein absolutes Kündigungsverbot. Vielmehr ist - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - zu prüfen, ob im Falle einer Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts für die ordentliche bzw hier die außerordentliche Beendigungskündigung erteilt worden wäre. Nach der einschlägigen Vorschrift des § 91 Abs 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Einen solchen Zusammenhang zwischen der - hypothetischen - Kündigung und der Schwerbehinderung der Klägerin hat das LSG verneint. Diese Feststellung ist von der Beklagten nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden und demzufolge für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Gemessen an den Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen für die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist ist demzufolge das Ergebnis des LSG nicht zu beanstanden, der Klägerin habe ein wichtiger Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrags zur Seite gestanden.

34

4. Schließlich ruht der Anspruch der Klägerin auf Alg in der Zeit vom 1.12.2005 bis 22.2.2006 nicht wegen der erhaltenen Abfindung (§ 143a Abs 1 S 1 SGB III aF).

35

Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist das Ruhen eines Anspruchs auf Alg nicht nur im Hinblick auf die Sperrzeitregelung in § 144 SGB III aF zu überprüfen, sondern auch anhand der Ruhensvorschrift nach § 143a Abs 1 S 1 SGB III aF. Danach ruht der Anspruch auf Alg von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen hat und das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet wurde. Gemäß § 143 Abs 1 S 3 Nr 2 Alternative 2 SGB III aF gilt die ordentliche Kündigungsfrist - als fiktive Kündigungsfrist - auch dann, wenn die ordentliche Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ausgeschlossen ist, jedoch die Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund vorliegen(vgl Henke in Eicher/Schlegel, SGB III, § 143a RdNr 124, Stand Juni 2006; Düe in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl 2010, § 143a RdNr 19 und 21). Diese Frist ist aber, wie oben dargestellt, im Fall der Klägerin eingehalten worden.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

(2) Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(3) Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist ist der Antrag unzulässig, außer wenn der Antrag vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.

(4) Über den Wiedereinsetzungsantrag entscheidet das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Der Beschluß, der die Wiedereinsetzung bewilligt, ist unanfechtbar.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 40 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird,
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird,
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird,
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird,
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird,
6.
die erforderliche Hinzuziehung eines Beteiligten nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 Nr. 2 bis 6 können bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger seit August 2007 vorzeitig gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig.

2

Der am 1947 geborene Kläger bezog vom 1.8.1996 bis 30.6.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Die Beklagte ermittelte für diese Rente 56,3265 Entgeltpunkte (EP). Abzüglich von 3,1838 EP aufgrund eines durchgeführten Versorgungsausgleichs ergaben sich - nach Multiplikation mit dem Zugangsfaktor 1,0 - 53,1427 persönliche EP (Bescheide vom 19.3.1997, 7.1.1998 und 24.2.1998). Nach Auslaufen der Rente war der Kläger wieder versicherungspflichtig beschäftigt und im Anschluss daran arbeitslos.

3

Im Oktober 2007 beantragte er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab August 2007, die die Beklagte mit Bescheid vom 30.10.2007 bewilligte. Insgesamt ermittelte sie für diese Rente 60,0784 EP. Abzüglich von 3,1838 EP für den durchgeführten Versorgungsausgleich ergaben sich 56,8946 EP. Der Rentenberechnung legte die Beklagte 56,3265 persönliche EP unter Berücksichtigung eines Zugangsfaktors von 1,0 zu Grunde, da diese bereits Grundlage der bis Juni 1998 bezogenen Rente wegen BU gewesen seien. Weitere 0,5681 EP multiplizierte sie wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem entsprechend geminderten Zugangsfaktor von 0,838, sodass sich (gerundet) 0,4761 persönliche EP errechneten. Die Summe der persönlichen EP von 56,8026 (= 56,3265 EP + 0,4761 EP) multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ergaben ab Dezember 2007 einen monatlichen Bruttorentenbetrag von 1492,20 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag nach Abzug der Beiträge bzw Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 1353,43 Euro, und für die Zeit von August bis November 2007 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5413,72 Euro.

4

Bereits zwei Tage später nahm die Beklagte diese Rentenbewilligung hinsichtlich der festgestellten Höhe mit Bescheid vom 1.11.2007 gestützt auf § 45 SGB X rückwirkend ab August 2007 zurück. Der Bescheid vom 30.10.2007 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Fälschlicherweise seien die EP, die bereits Grundlage der Rente wegen BU gewesen seien, bei der Berechnung der Altersrente voll berücksichtigt worden. Die Rücknahme des Bescheids sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft sei zulässig, weil sich der Kläger nicht auf Vertrauen in den Bestand des Bescheids vom 30.10.2007 berufen könne. Die ihr bekannten Umstände, die einer Rücknahme entgegenstehen könnten, seien bei der Prüfung des Vertrauensschutzes und bei der Ausübung des Ermessens beachtet worden. Diese seien jedoch nicht geeignet, von der Bescheidrücknahme abzusehen. Wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente seien alle dem Kläger (nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich) zustehenden 56,8946 EP (= 56,3265 EP + 0,5681 EP) - also auch die EP, die bereits als persönliche EP der Rente wegen BU zu Grunde lagen - nur unter Berücksichtigung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 heranzuziehen. Ausgehend von den sich danach ergebenden 47,6777 persönlichen EP (= 56,8946 EP x 0,838) ergab sich nach Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert von 26,27 Euro ab Dezember 2007 ein monatlicher Bruttorentenbetrag von 1252,49 Euro, entsprechend einem monatlichen Nettozahlbetrag von 1136,02 Euro. Die Nachzahlung für die Zeit von August bis November 2007 reduzierte sich auf 4544,08 Euro.

5

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 im Wesentlichen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids zurück. Zum Zeitpunkt der Bescheidrücknahme seien noch keine Rentenleistungen gezahlt worden, sodass ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers nicht habe entstehen können. Gesichtspunkte, die im Rahmen des Ermessens für eine Begrenzung der Rücknahme sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Dies gelte umso mehr, als die Rücknahme keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke. Zusammen mit der bewilligten Rente und der Rentenabschlagsausgleichszahlung aus der Seemannskasse seien ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden.

6

Die Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 28.5.2010). Das LSG hat die vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.12.2010). Die Beklagte sei nach Maßgabe des § 45 SGB X zur Teilrücknahme der Rentenbewilligung im Bescheid vom 30.10.2007 unter Heranziehung des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 für alle EP berechtigt gewesen, weil dieser Bescheid rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert habe und sich der Kläger gegenüber der damit korrespondierenden Teilrücknahme nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen könne. Die Beklagte habe das ihr durch § 45 SGB X eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Der Kläger könne sich für die 56,3265 EP nicht auf die Ausnahmevorschrift des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibe. Zwar könnte man dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI, der eigentlich gewährleisten solle, dass die über den Zugangsfaktor gesteuerten Rentenabschläge auch für alle Folgerenten gelten sollten, einen Bestandsschutz für den Zugangsfaktor 1,0 für diejenigen persönlichen EP, die der BU-Rente des Klägers zu Grunde lagen, auch bei der Berechnung der Altersrente entnehmen. Dies widerspräche jedoch der entsprechend heranzuziehenden Regelung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI, die für vergleichbare Fälle den Vertrauensschutz nur dann auf Folgerenten erstrecke, wenn diese längstens 24 Kalendermonate nach deren Auslaufen beginne. Eine entsprechende Frist finde sich auch in der Regelung des § 306 Abs 2 SGB VI. Diese Höchstfrist sei beim Kläger längst überschritten. Die vor Erlass des Rücknahmebescheids vom 1.11.2007 durch § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung des Klägers sei zwar unterblieben. Durch die Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren sei dieser Verfahrensfehler jedoch gemäß § 41 Abs 1 Nr 3 SGB X geheilt.

7

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 77, 88 und 306 SGB VI. § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI erfasse EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien. Hierfür bleibe nach dem Wortlaut grundsätzlich der frühere Zugangsfaktor maßgebend. Nur EP, die nach der letzten Feststellung des Rentenwerts erworben seien, würden mit einem neuen Zugangsfaktor bewertet. Weder aus den Materialien noch aus dem Wortlaut der Norm lasse sich entnehmen, dass dabei nach dem Zeitpunkt des Auslaufens der früheren Rente differenziert werden solle. Eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Eine analoge Anwendung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI verbiete sich. Ebenso wenig tauge der Hinweis des LSG auf § 306 Abs 2 SGB VI.

8

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 28. Mai 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 1. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2009 aufzuheben.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Es bestehe allerdings keine planwidrige Regelungslücke, die in entsprechender Anwendung der in § 88 Abs 1 Satz 2 und § 306 Abs 2 SGB VI jeweils normierten Frist von 24 Kalendermonaten zu schließen sei. Vielmehr sei von der Notwendigkeit des nahtlosen Übergangs von der Vorrente zur Altersrente auszugehen. Zwar bleibe gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI für EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente gewesen seien, der frühere Zugangsfaktor grundsätzlich maßgeblich. Dies gelte aber beim Wegfall der früheren Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nur dann, wenn die spätere Rente nahtlos an die vorherige Rente anschließe. Dies ergebe sich aus § 77 Abs 2 Satz 3 SGB VI, wonach die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme gelte. Für den Fall, dass die Rente wegen BU vor Vollendung des 60. Lebensjahres wegfalle und sich die Folgerente nicht nahtlos anschließe, sei der Zugangsfaktor für die Folgerente nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI zu bestimmen.

11

Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung im Wege eines Teilanerkenntnisses den Bescheid vom 1.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009 insoweit aufgehoben, als hierin der Bescheid vom 30.10.2007 für die Monate August bis November 2007 zurückgenommen wurde. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sich das Verfahren nicht durch das angenommene Anerkenntnis erledigt hat (vgl § 101 Abs 2 SGG), nicht begründet.

13

Streitig ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses durch die Beklagte und dessen Annahme durch den Kläger im Revisionsverfahren nur noch, ob die Beklagte berechtigt war, die mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgte Rentenbewilligung ab 1.12.2007 (teilweise) zurückzunehmen. Insoweit hat das LSG zu Recht entschieden, dass die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) unbegründet ist. Denn die im angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.9.2009) erfolgte Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung hinsichtlich der Rentenhöhe war rechtmäßig.

14

1. Der angefochtene Bescheid ist nicht mangels der nach § 24 Abs 1 SGB X gebotenen Anhörung aufzuheben. Zwar hat die Beklagte dem Kläger nicht vor Erlass des Bescheids vom 1.11.2007 Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dieser Verfahrensfehler ist hier aber nach § 41 Abs 1 Nr 3 und Abs 2 SGB X durch Nachholung der unterbliebenen Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden(vgl BSG vom 14.7.1994 - SozR 3-4100 § 117 Nr 11 S 72 f; BSG vom 30.4.1997 - BSGE 80, 215, 217 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 12). Der Kläger konnte aus dem Bescheid vom 1.11.2007 die entscheidungserheblichen Tatsachen für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 30.10.2007 erkennen; denn ihm war zu entnehmen, dass die Berücksichtigung der EP, die bereits Grundlage der persönlichen EP bei der Rente wegen BU waren, mit dem damals maßgebenden Zugangsfaktor 1,0 bei der Berechnung der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zur Rücknahme führte. Der Kläger hatte somit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Davon hat er Gebrauch gemacht. Auch hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass sie nach den ihr "bekannten Umständen" keinen Vertrauensschutz oder Ermessensgesichtspunkte zugunsten des Klägers sehe. Diese Ausführungen waren vor dem besonderen Hintergrund ausreichend, dass die Beklagte den Bescheid vom 30.10.2007 bereits zwei Tage später (also unmittelbar nach dessen Erlass) mit Bescheid vom 1.11.2007 zurückgenommen hat und der Kläger aufgrund des Bescheids vom 30.10.2007 noch keine Zahlungen erhalten hatte, die er hätte verbrauchen oder über die er hätte disponieren können. Soweit die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen erstmals im Widerspruchsbescheid vom 8.9.2009 ausgeführt hat, "dies gelte um so mehr", als die Rücknahme auch keine unzumutbare wirtschaftliche Härtesituation bewirke, da zusammen mit dem Rentenabschlagsausgleich aus der Seemannskasse ausreichend Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts vorhanden seien, handelt es sich - wie sich schon aus der Formulierung erschließt - um keine zuvor in einem gesonderten Anhörungsschreiben mitzuteilende, die Entscheidung tragende Tatsache.

15

2. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der mit Bescheid vom 30.10.2007 erfolgten Rentenbewilligung durch den angefochtenen Bescheid vom 1.11.2007 ist § 45 SGB X. Gemäß Abs 1 Satz 1 dieser Bestimmung darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Da vorliegend aufgrund des angenommenen Teilanerkenntnisses nur noch die Rücknahme der Rentenbewilligung ab 1.12.2007 durch den Bescheid vom 1.11.2007 streitig ist, ist im Revisionsverfahren lediglich die Rechtmäßigkeit einer in die Zukunft gerichteten Rücknahme zu prüfen (vgl Senatsurteil vom 24.4.1997 - BSGE 80, 186, 196 f = SozR 3-7140 § 1 Nr 1 S 13 mwN).

16

3. Der Rentenbescheid vom 30.10.2007 war von Anfang an rechtswidrig. Denn dem Kläger stand kein Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in der dort festgestellten Höhe zu, da bei der Rentenberechnung rechtsfehlerhaft 56,3265 EP mit einem (ungeminderten) Zugangsfaktor von 1,0 multipliziert wurden. Richtigerweise waren auch diese EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate nur nach Maßgabe des reduzierten Zugangsfaktors von 0,838 als persönliche EP zu berücksichtigen.

17

a) Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ist - neben der Erfüllung versicherungsrechtlicher Voraussetzungen (§ 237 Abs 1 Nr 3 bis 5 SGB VI) - grundsätzlich, dass der Versicherte vor dem 1.1.1952 geboren ist und das 60. Lebensjahr vollendet hat (§ 237 Abs 1 Nr 1 und 2 SGB VI). Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger.

18

Nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI in der zu Rentenbeginn des Klägers am 1.8.2007 anzuwendenden Fassung (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI)des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz - RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 1791) wird jedoch die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit für nach dem 31.12.1936 geborene Versicherte angehoben, wobei die vorzeitige Inanspruchnahme (unter Inkaufnahme eines Abschlags für jeden Monat des vorzeitigen Bezugs) möglich ist.

19

Nach Anlage 19 zum SGB VI wird für im Januar 1947 geborene Versicherte - wie der Kläger - die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit für eine abschlagsfreie Gewährung um 60 Monate auf 65 Jahre angehoben; die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente, die für den Kläger wegen seiner bereits vor Januar 2004 bestehenden Arbeitslosigkeit (vgl S 3 der Anlage 2 des Bescheids vom 1.11.2007) gemäß § 237 Abs 5 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der ab 1.1.2006 geltenden Fassung des RVNG noch ab Vollendung des 60. Lebensjahres möglich war, führt zu Abzügen nach § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI. Eine abschlagsfreie Inanspruchnahme der Altersrente wäre für den Kläger nach § 237 Abs 3 iVm Anlage 19 zum SGB VI erst ab 1.2.2012 möglich gewesen. Tatsächlich hat er sie aber bereits zum 1.8.2007 mit 60 Jahren und 6 Monaten - und damit 54 Monate vorzeitig - in Anspruch genommen.

20

Die vorzeitige Inanspruchnahme der Rente mit Absenkung des Zugangsfaktors führt zu einem geringeren Rentenbetrag. Denn der Zugangsfaktor als Berechnungselement der persönlichen EP (vgl § 63 Abs 6, § 64 Nr 1 SGB VI)beträgt für EP, die noch nicht Grundlage von persönlichen EP einer Rente waren, gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI bei Renten wegen Alters grundsätzlich 1,0. Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor hingegen gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0. Mit der um 54 Monate vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente war der Zugangsfaktor daher - wie mit dem angefochtenen Bescheid geschehen - um 54 x 0,003 auf 0,838, insgesamt also um einen Abzug von 0,162 (entsprechend einem "Rentenabschlag" von 16,2 vH), zu mindern.

21

Dass die Rentenabschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit verfassungsgemäß sind, haben sowohl das BSG (Urteil vom 25.2.2004 - BSGE 92, 206 = SozR 4-2600 § 237 Nr 1, RdNr 14 ff; Senatsurteil vom 5.8.2004 - SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 28 ff; Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 18/09 R - Juris RdNr 19 ff) als auch das BVerfG (Senatsbeschluss vom 11.11.2008 - BVerfGE 122, 151 = SozR 4-2600 § 237 Nr 6 RdNr 75 ff; Kammerbeschluss vom 5.2.2009 - 1 BvR 1631/04 - Juris RdNr 11 ff) bereits entschieden.

22

b) Der Kläger kann sich für sein Begehren auf eine höhere Altersrente nicht auf die Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI berufen, wonach für diejenigen EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt. Denn die Heranziehung eines ungekürzten Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früher (vor dem 1.1.2001) bezogenen (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kommt bei Berechnung einer nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann in Betracht, wenn - wie das LSG zu Recht entschieden hat - die Unterbrechung im Rentenbezug höchstens 24 Kalendermonate gedauert hat. Diese Frist ist hier weit überschritten. Im vorliegenden Fall lagen mehr als neun Jahre zwischen dem Auslaufen der BU-Rente zum 30.6.1998 und dem Beginn der Altersrente am 1.8.2007.

23

aa) Mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) vom 18.12.1989 (BGBl I 2261) hatte der Gesetzgeber ab 1.1.1992 zur Kosteneinsparung in der gesetzlichen Rentenversicherung begonnen, die Altersgrenzen für den Bezug von vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten anzuheben. Die weiter bestehende Möglichkeit, ab dem 60. Lebensjahr eine Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, wurde mit Rentenabschlägen verbunden. Der erstmals mit dem RRG 1992 eingeführte Zugangsfaktor bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche EP zu berücksichtigen sind (§ 77 Abs 1 SGB VI). Während der Zugangsfaktor bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, mit 1,0 anzusetzen ist, wird der Zugangsfaktor für jeden Monat, für den eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen wird, um 0,003 gekürzt (§ 77 Abs 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992, ab 1.1.2001 inhaltsgleich: § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI). Die dadurch verursachte Kürzung kann je nach Geburtsjahr, Rentenart und Rentenbeginn bis zu 18 vH betragen.

24

Mit der bereits durch das RRG 1992 mit Wirkung zum 1.1.1992 eingefügten Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass die mit einem "vorzeitigen" Rentenbezug gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 SGB VI einhergehende (sich auf die gesamte Dauer des Rentenbezugs erstreckende) Kürzung des Zugangsfaktors grundsätzlich auch bei Bezug einer oder mehrerer aufeinander folgender Renten wirksam bleibt. Denn bei den Folgerenten handelt es sich um eigenständige (neue) Leistungsansprüche mit eigenen, ggf neu zu ermittelnden Berechnungsfaktoren, ua auch mit einem neuen Zugangsfaktor, abgestimmt auf den späteren Rentenbeginn (vgl BSG vom 29.1.2008 - B 5a/5 R 32/07 R - Juris RdNr 24). Damit die - vom Gesetzgeber gewollte - Dauerwirkung des über den Zugangsfaktor gesteuerten Abschlags aus der Vorrente wegen deren vorzeitigen Inanspruchnahme auch bei Folgerenten gewährleistet bleibt, ordnet § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI die Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Folgerente an(BSG vom 29.1.2008 - aaO). Dies hat zur Folge, dass für alle mit der früheren Rente vorzeitig in Anspruch genommenen persönlichen EP der bisherige (gekürzte) Zugangsfaktor auch dann (weiterhin) maßgebend bleibt, wenn eine neue (Folge-)Rente festzustellen ist. Der eigene, neue Zugangsfaktor ist damit nur noch für zusätzliche (neu hinzugekommene) EP in der Folgerente maßgebend, die bisher noch nicht in Anspruch genommen wurden und somit der früheren Rente noch nicht zu Grunde lagen, die also bei der Berechnung der neuen Rente erstmals zu berücksichtigen sind (vgl Einzelbegründung zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 zu § 76 des Entwurfs - Zugangsfaktor).

25

Grundsätzlich verfolgt der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI also die Perpetuierung des reduzierten Zugangsfaktors für EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Rente auf Folgerenten zu Lasten des Versicherten (zur "Durchbrechung" der Perpetuierung des abgesenkten Zugangsfaktors einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres nach dem seit 1.1.2001 geltenden Recht des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 bei einer nach Unterbrechung im Rentenbezug folgenden Altersrente zu Gunsten des Versicherten iS eines Schutzes vor einem "immerwährenden Abschlag": BSG vom 14.8.2008 - BSGE 101, 193 = SozR 4-2600 § 77 Nr 5, RdNr 17 f; BSG vom 25.11.2008 - B 5 R 112/08 R - Juris RdNr 22 f). Dies entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, der mit einem gekürzten Zugangsfaktor längere Rentenlaufzeiten ausgleichen will, damit aus einem vorzeitigen Rentenbezug kein finanzieller Vorteil gegenüber anderen Versicherten entsteht, die eine Rente nicht oder erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzeitig in Anspruch nehmen (vgl Begründung zum Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 144 zu VII. Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit).

26

bb) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI auch dann gilt, wenn - wie im vorliegenden Fall - die persönlichen EP einer späteren Rente nach einem niedrigeren Zugangsfaktor(hier: Altersrente mit Zugangsfaktor 0,838 gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen vorzeitiger Inanspruchnahme um 54 Monate) zu errechnen sind als die einer zuvor bezogenen Rente (hier: Rente wegen BU mit Zugangsfaktor 1,0 gemäß § 77 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB VI idF des RRG 1992) und ob sich diese Norm in diesen Fällen wie eine "Bestandsschutzregelung" in dem Sinne auswirken kann, dass der Versicherte bei der Festsetzung der Höhe der späteren Rente den höheren Zugangsfaktor für die EP, die bereits Grundlage von persönlichen EP der früheren Rente waren, "behalten" darf; eine Kürzung dieser EP aus der früher bezogenen Rente also nicht erfolgt.

27

Selbst dann, wenn man § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine bestandsschützende Wirkung iS der Perpetuierung des ungekürzten Zugangsfaktors für persönliche EP aus einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (nach dem bis zum 31.12.2000 geltenden Recht) auf eine nachfolgend vorzeitig in Anspruch genommene Altersrente beimessen wollte, gälte diese zeitlich nur beschränkt.

28

cc) Zwar lässt sich dem Wortlaut des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine zeitliche Beschränkung für die Heranziehung eines höheren Zugangsfaktors aus einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht entnehmen. Andererseits ergeben sich aus den Gesetzesmaterialien aber auch keine Hinweise dafür, dass der Gesetzgeber mit der Regelung in § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI eine Begünstigung des Versicherten durch einen höheren Zugangsfaktor aus einer Vorrente bei einer später vorzeitig beanspruchten Rente ohne jegliche Begrenzung der Dauer einer zwischenzeitlichen Unterbrechung im Rentenbezug einführen wollte(vgl Einzelbegründungen zu § 77 SGB VI im Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 172 und im Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum RRErwerbG, BT-Drucks 14/4230, S 26 zu Nr 22<§ 77>).

29

Dies stünde auch im Gegensatz dazu, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 SGB VI ausdrücklich geregelt hat, in welchem Umfang persönliche EP(als Produkt aus Zugangsfaktor und EP, § 66 Abs 1 SGB VI) aus einer früheren Rente bei einer späteren Rente noch zu berücksichtigen sind. Für den hier vorliegenden Fall einer zuvor bezogenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gilt nach Satz 2 der Bestimmung Folgendes: Hat ein Versicherter eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente erneut eine Rente, sind dem Versicherten für diese Rente mindestens die bisherigen persönlichen EP zu Grunde zu legen. Insoweit handelt es sich um eine Besitzschutzregelung für persönliche EP einer vorausgegangenen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (vgl Senatsurteil vom 22.10.1996 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2 S 5; BSG vom 11.6.2003 - SozR 4-2600 § 88 Nr 1 RdNr 8; vgl auch Gesetzentwurf des RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, S 173 ).

30

Die persönlichen EP der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind also bei der Berechnung der Folgerente zu berücksichtigen, wenn diese Rente spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach dem Ende des Bezugs der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beginnt, zB auch dann, wenn sich wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente der Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI)verringert, sodass sich bei der Berechnung der Altersrente weniger persönliche EP als bei der früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ergeben (vgl Kommentar zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung , § 88 SGB VI Anm 6 mit Berechnungsbeispiel, Stand Einzelkommentierung Februar 2005).

31

Im Umkehrschluss folgt daraus aber zugleich, dass sich der Versicherte bei einer Folgerente auch mit einer geringeren Zahl an persönlichen EP zu begnügen hat, wenn die Unterbrechung des Rentenbezugs mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat und sich bei der Bewilligung der Folgerente nach Maßgabe der dann bei Rentenbeginn geltenden gesetzlichen Vorschriften (etwa aufgrund eines niedrigeren Zugangsfaktors) eine entsprechend verminderte Zahl an persönlichen EP ergibt. Die persönlichen EP der Vorrente sind dann (dh 24 Kalendermonate nach Ende des Bezugs der Vorrente) nicht mehr besitzgeschützt.

32

Die von § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI geregelte Interessenlage des Versicherten stimmt mit der eines Versicherten überein, der eine für ihn günstige Bemessung des Zugangsfaktors für persönliche EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit waren, nach dem Wegfall dieser Rente bei einer späteren (vorzeitig in Anspruch genommenen) Altersrente gemäß § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI fortgeschrieben sehen will. In beiden Fällen will der Versicherte (mindestens) die der bisherigen Rentenberechnung zu Grunde liegenden persönlichen EP auch für den Bezug der Folgerente behalten. Den Schutz des Versicherten hat der Gesetzgeber in § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI aber lediglich auf eine Dauer von 24 Kalendermonaten begrenzt. Angesichts der insoweit übereinstimmenden Interessenlagen ist es gerechtfertigt, die Wertung des § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI hinsichtlich der Dauer der Schutzbedürftigkeit des Versicherten an der Beibehaltung von (höheren) persönlichen EP aus einer früheren Rente bei Unterbrechungen im Rentenbezug auf § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI zu übertragen. Daraus folgt, dass ein Versicherter eine für ihn günstigere Bemessung des Zugangsfaktors für die persönlichen EP aus einer früheren (abschlagsfreien) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach einer Rentenunterbrechung bei der Feststellung der persönlichen EP einer vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrente allenfalls dann beanspruchen kann, wenn die Unterbrechung im Rentenbezug nicht mehr als 24 Kalendermonate gedauert hat. Wird diese Frist überschritten, ist der (höhere) Zugangsfaktor der früheren Rente nicht mehr "bestandsgeschützt".

33

dd) Diese Höchstfrist ist vorliegend um ein Mehrfaches überschritten, sodass die der BU-Rente des Klägers zu Grunde liegenden persönlichen EP weder nach § 88 Abs 1 Satz 2 SGB VI noch im Rahmen der Bestimmung des § 77 Abs 3 Satz 1 SGB VI über den Zugangsfaktor "besitzgeschützt" waren. Die Beklagte hat daher bei der Festsetzung der Höhe der Altersrente zu Recht alle vom Kläger bis zum Rentenbeginn am 1.8.2007 erworbenen EP gemäß § 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2 Buchst a SGB VI wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente um 54 Monate mit einem Zugangsfaktor von 0,838 multipliziert und die sich aus diesem Rechenvorgang ergebenden persönlichen EP (0,838 x 56,8946 EP =§ 121 abs 2 sgb vi> 47,6777 persönliche EP) der Rente zu Grunde gelegt.

34

Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass es für den Kläger bezogen auf die Höhe seines Anspruchs auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit günstiger gewesen wäre, wenn sich sein Gesundheitszustand nicht gebessert hätte, er also dauerhaft berufsunfähig geblieben wäre und eine entsprechende Rente bis zum Beginn der Altersrente bezogen hätte. Denn eine solche Begünstigung wäre - worauf das LSG zu Recht hingewiesen hat - als Ausdruck dessen zu werten gewesen, dass der Gesetzgeber die Einführung eines reduzierten Zugangsfaktors (auch) für Erwerbsminderungsrenten zum 1.1.2001 auf neu zu bewilligende Renten begrenzt und insbesondere unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes keine vergleichbaren Kürzungen für Bestandsrenten vorgesehen hat. Zur Zeit der Gesetzesänderung bezog der Kläger aber schon längst keine Rente wegen BU mehr. Es ist kein Grund ersichtlich, dem Kläger den ungeminderten Zugangsfaktor nur deshalb zu belassen, weil er früher einmal eine abschlagsfreie Rente bezogen hat, und ihn auf diese Weise zeitlich unbegrenzt besser zu stellen als einen Rentner, der erstmals eine Rente (vorzeitig) in Anspruch genommen hat.

35

4. Das LSG hat auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht entschieden, dass der Kläger für sich keinen Vertrauensschutz beanspruchen konnte. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt darf (auch für die Zukunft) nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an der Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs 2 Satz 1 SGB X). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

36

Nach den unangefochtenen und insoweit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der Kläger den Differenzbetrag zwischen den mit dem Bescheid vom 30.10.2007 zuerkannten Rentenleistungen und den mit dem (Teil-)Rücknahmebescheid vom 1.11.2007 noch festgestellten Leistungen nie erhalten, sodass er ihn nicht hat verbrauchen können. Auch hatte der Kläger insoweit noch keine Vermögensdispositionen getroffen.

37

Die Beklagte hat das ihr durch § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt. Gesichtspunkte, die Anlass zu einer anderweitigen Ermessensausübung hätten geben können, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

38

Da die weiteren Voraussetzungen für die (Teil-)Rücknahme des Bescheids vom 30.10.2007 (Einhaltung der Zwei-Jahres-Frist nach § 45 Abs 3 Satz 1 SGB X) ebenfalls gegeben sind, war die (Teil-)Rücknahme der Rentenbewilligung mit Wirkung für die Zukunft ab 1.12.2007 rechtmäßig.

39

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Die Agentur für Arbeit hat unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden die für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung festzustellen (Potenzialanalyse). Die Potenzialanalyse erstreckt sich auch auf die Feststellung, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird.

(2) In einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden trifft, werden für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt

1.
das Eingliederungsziel,
2.
die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit,
3.
welche Eigenbemühungen zur beruflichen Eingliederung die oder der Ausbildungsuchende oder die oder der Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese nachzuweisen sind,
4.
die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung.
Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden.

(3) Der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden ist eine Ausfertigung der Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen. Die Eingliederungsvereinbarung ist sich ändernden Verhältnissen anzupassen; sie ist fortzuschreiben, wenn in dem Zeitraum, für den sie zunächst galt, die Ausbildungssuche oder Arbeitsuche nicht beendet wurde. Sie ist spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, bei arbeitslosen und ausbildungsuchenden jungen Menschen spätestens nach drei Monaten, zu überprüfen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

(1) Die Agentur für Arbeit hat unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden die für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung festzustellen (Potenzialanalyse). Die Potenzialanalyse erstreckt sich auch auf die Feststellung, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird.

(2) In einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden trifft, werden für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt

1.
das Eingliederungsziel,
2.
die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit,
3.
welche Eigenbemühungen zur beruflichen Eingliederung die oder der Ausbildungsuchende oder die oder der Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese nachzuweisen sind,
4.
die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung.
Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden.

(3) Der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden ist eine Ausfertigung der Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen. Die Eingliederungsvereinbarung ist sich ändernden Verhältnissen anzupassen; sie ist fortzuschreiben, wenn in dem Zeitraum, für den sie zunächst galt, die Ausbildungssuche oder Arbeitsuche nicht beendet wurde. Sie ist spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, bei arbeitslosen und ausbildungsuchenden jungen Menschen spätestens nach drei Monaten, zu überprüfen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit aufgrund unzureichender Eigenbemühungen und die Minderung der Anspruchsdauer.

2

Die 1964 geborene Klägerin meldete sich im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung ihrer Beschäftigung als kaufmännische Angestellte am 14.8.2014 mit Wirkung zum 1.9.2014 bei der beklagten Agentur für Arbeit arbeitslos und beantragte Alg, das ihr für den Zeitraum vom 1.9.2014 bis 30.11.2015 in Höhe von 44,83 Euro täglich bewilligt wurde (Bescheid vom 2.9.2014). In einer am 28.8.2014 zwischen der Klägerin und einem Vertreter der Beklagten geschlossenen Eingliederungsvereinbarung war ua geregelt, dass sie - beginnend ab 1.9.2014 für September 2014 - pro Kalendermonat mindestens sechs Bewerbungsaktivitäten um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse im kaufmännischen Bereich unternehmen und diese in einer Auflistung dokumentieren sollte. Diese Dokumentation sollte - falls kein Termin vereinbart war - für jeden Kalendermonat unaufgefordert immer bis spätestens zum 5. des Folgemonats eingereicht werden. Eine Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten und/oder von Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht.

3

Nachdem die Klägerin Mitte Oktober 2014 an einem Beratungsgespräch bei der Beklagten teilgenommen hatte, übersandte sie erstmals am 16.11.2014 ihre Bewerbungslisten. Im Rahmen der Anhörung zur verspäteten Übersendung der dokumentierten Eigenbemühungen teilte sie der Beklagten mit, sie habe die Liste versandt, jedoch ein Fehlerprotokoll nicht bemerkt und die Unterlagen erneut übermittelt. Die Beklagte hob die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit und Ruhen des Anspruchs vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 auf und stellte eine Minderung des Alg-Anspruchs um 14 Tage fest (Bescheid vom 19.11.2014; Widerspruchsbescheid vom 28.11.2014). Mit dem Änderungsbescheid vom 19.11.2014 bewilligte sie für den Sperrzeitzeitraum vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 keine Leistungen und für den Zeitraum vom 20.11.2014 bis 30.11.2015 Alg in bisheriger Höhe.

4

Das SG hat den Bescheid vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2014 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, es stehe fest, dass die geforderten Eigenbemühungen für den Monat Oktober 2014 stattgefunden hätten. Die Klägerin habe aber fahrlässig und ohne wichtigen Grund die fristgerechte Vorlage der geforderten Bewerbungsliste versäumt. Dies löse dennoch keine Sperrzeit aus, weil Eigenbemühungen nur dann konkret nachgewiesen werden müssten, wenn die Agentur für Arbeit zuvor die Nachprüfung konkreter Pflichten und deren Zeitpunkt angekündigt sowie die Form des Nachweises in einer konkreten Aufforderung mitgeteilt habe. Diesen Kriterien genüge der in der Eingliederungsvereinbarung geforderte Nachweis nicht. Geeignete Nachweisunterlagen, wie zB Kopien abgesandter schriftlicher Bewerbungen, Absageschreiben und die Angabe von Zeugen würden von der Klägerin nicht gefordert.

5

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB II. Es bestehe ein weiter Spielraum der Arbeitsverwaltung bei der Frage, welche Form des Nachweises von Eigenbemühungen sie für geeignet halte. Unerheblich sei, ob sie mit der gewünschten Auflistung einen sog Vollbeweis, den Beweis der hinreichenden Wahrscheinlichkeit oder nur eine Glaubhaftmachung fordere. Entgegen der Ansicht des LSG sei die Aufforderung der Arbeitsverwaltung, innerhalb einer gesetzten Frist den Nachweis zureichender Eigenbemühungen zu erbringen, einer Regelung durch eine Eingliederungsvereinbarung zugänglich.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 18. März 2016 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 29. April 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie verweist auf die Gründe der vorangegangenen Entscheidungen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

10

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19.11.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.11.2014. Mit diesem hat die Beklagte die Bewilligung von Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit und Ruhen des Anspruchs auf Alg vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 aufgehoben und eine Minderung des Alg-Anspruchs um 14 Tage verfügt (Sperrzeitbescheid). Weiter einbezogen ist der Bescheid vom 19.11.2014, mit dem die Beklagte in Abänderung der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung vom 2.9.2014 für den Zeitraum vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 kein Alg bewilligte. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass auch dieser Bescheid in das Verfahren einbezogen ist, weil das Klagebegehren einer Wiederherstellung der Wirksamkeit der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung für den streitigen Zeitraum nur durch die Anfechtung auch dieses weiteren Bescheids erreichbar war. Beide Bescheide bilden eine rechtliche Einheit (zur einheitlichen rechtlichen Regelung von Sperrzeitbescheid und Leistungsablehnung: BSG vom 16.9.1999 - B 7 AL 32/98 R - BSGE 84, 270, 271 = SozR 3-4100 § 119 Nr 19 S 93 und BSG vom 9.2.2006 - B 7a/7 AL 48/04 R - juris RdNr 12).

11

2. a) Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alg-Bewilligung für den streitigen Zeitraum misst sich an § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III. Nach diesen Vorschriften ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der Leistung auswirkt (vgl nur BSG vom 21.3.1996 - 11 RAr 101/94 - BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48 mwN). Hier kommt ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit nach § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III in Betracht. Nach § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) liegt versicherungswidriges Verhalten vor, wenn die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen).

12

b) Ein Aufhebungsanspruch der Klägerin folgt auf dieser Grundlage nicht bereits aus einer formellen Rechtswidrigkeit nach § 42 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB X, wonach die Aufhebung eines Verwaltungsakts allein deshalb beansprucht werden kann, weil die erforderliche Anhörung unterblieben oder nicht wirksam nachgeholt worden ist. Nach § 24 Abs 1 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Erhebliche Tatsachen sind alle Tatsachen, auf die die handelnde Verwaltungsbehörde den Verfügungssatz des Bescheids zumindest auch gestützt hat oder auf die es nach ihrer materiell-rechtlichen Ansicht objektiv ankommt. Dies erfasst ua diejenigen Tatsachen, die - im Falle der Aufhebung einer Leistungsbewilligung - die besonderen subjektiven Rücknahmevoraussetzungen beschreiben (vgl BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 9/11 R - SozR 4-2600 § 77 Nr 10 RdNr 14; BSG vom 20.12.2012 - B 10 LW 2/11 R - SozR 4-5868 § 12 Nr 1; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - SozR 4-1500 § 114 Nr 2 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen mwN).

13

Zwar hat die Beklagte die Klägerin vor Erlass der Bescheide vom 19.11.2014 zu dem Umstand der verspäteten Übersendung der Auflistung aller Bewerbungsaktivitäten und den Gründen dieses Verhaltens angehört, nicht jedoch zu den subjektiven Aufhebungsvoraussetzungen. In dem Bescheid vom 19.11.2014 hat die Beklagte jedoch ausgeführt, dass die Klägerin gewusst habe oder habe wissen müssen, dass der ihr zuerkannte Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit wegen unzureichender Eigenbemühungen zum Ruhen komme. Die Klägerin hat aufgrund dieser Ausführungen der Beklagten in dem Aufhebungsbescheid erkennen können, dass es hierauf ankam und hat auch zu subjektiven Gesichtspunkten vorgetragen.

14

c) Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Zwar hat bei isolierter Betrachtung eine Pflichtverletzung der Klägerin iS des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III vorgelegen. Die Eingliederungsvereinbarung vom 28.8.2014 vermittelt jedoch keine Grundlage einer Sanktionsentscheidung, weil diese als öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig war.

15

aa) Die Sperrzeit des § 159 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB III bei unzureichenden Eigenbemühungen tritt auch ein, wenn - wie vorliegend - zwar Eigenbemühungen unternommen wurden, es aber an deren zeitgerechten Nachweis fehlt. Die Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III ist ein Instrument, mit dem die Eigenbemühungen auch bezogen auf die Nachweispflichten und die Rechtsfolgenbelehrung so konkretisiert werden können, dass diese von der Beklagten gefordert werden können (vgl zur Möglichkeit der Regelung von Nachweispflichten in einer Eingliederungsvereinbarung im Einzelnen Urteil des Senats vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R). Insofern bestimmt § 37 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB III, dass in einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden trifft, für einen zu bestimmenden Zeitraum neben weiteren Punkten ua festgelegt wird, welche Eigenbemühungen zur beruflichen Eingliederung die oder der Ausbildungsuchende oder die oder der Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese nachzuweisen sind.

16

Hier sind die Nachweispflichten für die geforderten Eigenbemühungen bereits in der konkreten Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III vom 28.8.2014 näher und abschließend in zulässiger Weise umschrieben worden. Insofern sieht Ziff 2.3. der Eingliederungsvereinbarung vom 28.8.2014 vor, dass die Klägerin - beginnend ab 1.9.2014 - mindestens sechs im Einzelnen konkretisierte Bewerbungsaktivitäten im kaufmännischen Bereich unternehmen und diese nachweisen sollte. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat sie diese Eigenbemühungen unternommen, indem sie sich bei zwölf verschiedenen Firmen für eine Stelle im kaufmännischen Bereich beworben hat. Es fehlt jedoch an einem in zulässiger Weise in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Nachweis dieser Eigenbemühungen, obgleich die Klägerin auch den Inhalt ihrer konkreten Nachweispflichten, insbesondere den geforderten Zeitpunkt der Vorlage ihrer Bewerbungen, der Eingliederungsvereinbarung entnehmen konnte (zur Auslegung der Eingliederungsvereinbarung nach dem objektiven Empfängerhorizont durch das Revisionsgericht BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 18/05 R - BSGE 95, 176 ff = SozR 4-4300 § 119 Nr 3, RdNr 28). Die Klägerin hat ihre Eigenbemühungen nicht bis zum 5.11.2014, sondern erst verspätet am 16.11.2014 durch Übersendung der Bewerbungslisten dargelegt. Anders als das Berufungsgericht angenommen hat, sind grundsätzlich keine weiteren konkreten Aufforderungen zu Eigenbemühungen erforderlich, um vom Eintritt einer Sperrzeit bei einer Verletzung der nach dieser Vorschrift festgelegten Obliegenheiten ausgehen zu können.

17

bb) Eine Rechtsfolge nach § 159 SGB III - also eine Sanktion wegen nicht ausreichenden Nachweises von Eigenbemühungen - kann die Bestimmung einer ausschließlich in einer Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III festgelegten Pflicht jedoch nur nach sich ziehen, wenn die Nachweisobliegenheit wirksam vereinbart wurde(vgl zum SGB II bereits BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 5 RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Eingliederungsvereinbarung vom 28.8.2014 - trotz Vorliegens der insofern geforderten formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen (vgl hierzu BSG vom 6.12.2012 - B 11 AL 15/11 R - BSGE 112, 241 ff = SozR 4-1300 § 59 Nr 1; vgl zur Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB II: BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 5 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) - nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Vertrags nichtig war.

18

cc) Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus dem Recht der öffentlichen Verträge nach den §§ 53 ff SGB X, denn auch die Eingliederungsvereinbarungen nach § 37 Abs 2 SGB III sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 SGB X. Hinsichtlich der Einordnung der Eingliederungsvereinbarung nach dem SGB III gilt nichts anderes als für die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB II, die das BSG bereits als öffentlich-rechtlichen Vertrag angesehen hat(vgl grundlegend zum SGB II: BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 5 - zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; einer Einordnung als öffentlich-rechtlichen Vertrag zuneigend bereits Urteil des Senats vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 = SozR 4-4200 § 15 Nr 3 mwN; s auch Urteil des Senats vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R).

19

Zwar hatte der Gesetzgeber mit der Schaffung des Instruments der Eingliederungsvereinbarung im SGB III durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 10.12.2010 (BGBl I 3443) in § 35 SGB III aF ursprünglich verbunden, dass kein neues Rechtsverhältnis zwischen der Arbeitsverwaltung und dem Arbeitslosen begründet werden sollte(BT-Drucks 14/6944, S 31). Dies spricht jedoch nicht gegen die Einordnung als öffentlich-rechtlicher Vertrag, denn durch die Rechtsänderungen des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) sind in der nunmehr in § 37 Abs 2 SGB III geregelten Eingliederungsvereinbarung deren Gegenstände genauer festgelegt und zudem die Sanktionen bei Verletzung dieser Pflichten des Arbeitsuchenden geregelt worden. In Angleichung an die Vorschriften des SGB II muss seitdem auch im SGB III verbindlich festgelegt werden, welche konkreten Eigenbemühungen erforderlich sind und welche Nachweise hierzu vorzulegen sind (vgl BT-Drucks 16/10810, S 29 zu § 37 Abs 2 nF). Der im Wortlaut des § 37 Abs 2 und Abs 3 SGB III zum Ausdruck kommende hohe Grad einer Verbindlichkeit spricht in gleicher Weise für eine konkretere Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben durch verbindlichen subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrag anstelle lediglich einer Zielvereinbarung(für eine Qualifizierung als öffentlich-rechtlicher Vertrag Banafsche in SR 2013, 121 ff, 127; Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 159 RdNr 367, Stand September 2013; Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 RdNr 292, Stand März 2015; aA Peters-Lange in Gagel, SGB II/SGB III, § 37 RdNr 7f, Stand 12/2013; Schön in LPK-SGB III, 2. Aufl 2015, § 37 RdNr 6; Jüttner in Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, GK-SGB III, 6. Aufl 2017, § 37 RdNr 9 ff "bloßes vertragsähnliches Konstrukt").

20

Die Unterschiede zwischen dem SGB II und dem SGB III rechtfertigen keine abweichende Einordnung des Rechtscharakters der Eingliederungsvereinbarung. Zwar enthält das SGB III - anders als das SGB II - in § 138 Abs 1 Nr 2 SGB III als Bestandteil des Begriffs der Arbeitslosigkeit das Erfordernis von Eigenbemühungen, um die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden. In § 138 Abs 4 Satz 2 SGB III wird konkreter umschrieben, dass zu Eigenbemühungen insbesondere die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung (Nr 1), die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte (Nr 2) und die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit (Nr 3) gehören. Der Umstand, dass das Sozialrechtsverhältnis im SGB III bereits konkreter als im SGB II geregelt ist, schließt jedoch eine daran anknüpfende weitere vertragliche Konkretisierung nicht aus. Es findet eine Bestimmung des Eingliederungsziels, der auf die konkrete Person bezogenen Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur, der jeweiligen Eigenbemühungen der Leistungsberechtigten und der auf den Einzelfall bezogenen Gegenleistungen der Arbeitsverwaltung statt. Die verschiedenen in § 37 Abs 2 SGB III nur in den Grundzügen vorgegebenen Pflichten der Arbeitsverwaltung und des Arbeitsuchenden werden insofern in ein Gegenseitigkeitsverhältnis gebracht. Erst durch die Inhalte der Eingliederungsvereinbarung findet eine konsensuale allgemeine Umschreibung und Konkretisierung der zumutbaren Eigenbemühungen statt, die dann Grundlage für eine Entscheidung über eine fehlende Arbeitslosigkeit oder den Eintritt einer Sperrzeit werden kann (Coseriu in Eicher/Schlegel, SGB III, § 159 RdNr 367, Stand September 2013).

21

Der Umstand, dass der Teilbereich der erforderlichen Eigenbemühungen bei Nichtzustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt festgesetzt werden kann (§ 37 Abs 3 Satz 4 SGB III), unterstreicht auch für das SGB III die Ausgestaltung als öffentlich-rechtlichen Vertrag. Im Übrigen sieht § 53 Abs 1 Satz 2 SGB X vor, dass die Behörde, statt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen kann, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

22

dd) Bei einer Gesamtbetrachtung der vom LSG festgestellten Einzelfallumstände und der Inhalte der Eingliederungsvereinbarung ergibt sich, dass die Eigenbemühungen der Klägerin ab 1.9.2014 regelnde Vereinbarung vom 28.8.2014 mit ihrer Wirkung bis zur weiteren, am 24.9.2015 unterzeichneten Folgevereinbarung keine Grundlage für eine Sperrzeitfeststellung sein kann. Die Nichtigkeit des Vertrags im Ganzen - also hier der Eingliederungsvereinbarung - ist bereits dann iS des § 58 Abs 3 SGB X anzunehmen, wenn diese nur einen Teil des Vertrags betrifft. Hier beruht die Nichtigkeit auf einem Verstoß gegen das sog Koppelungsverbot nach § 58 Abs 2 Nr 4 SGB X, wonach ein Vertrag nichtig ist, wenn sich die Behörde eine nach § 55 SGB X unzulässige Gegenleistung versprechen lässt. § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X bestimmt insofern, dass die Gegenleistung den gesamten Umständen nach angemessen sein muss und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen muss.

23

Die Festlegung einer unzulässigen Gegenleistung ist hier darin zu sehen, dass sich die Beklagte von der Klägerin mit der Androhung einer Sperrzeit verbundene Obliegenheiten in Form von Bewerbungsaktivitäten hat versprechen lassen, ohne hiermit individuelle, konkrete und verbindliche Unterstützungsleistungen zu verbinden. Da es insgesamt an der Vereinbarung einer Gegenleistung der Beklagten zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses aus dem Vermittlungsbudget im Verhältnis zu den hierzu festgelegten Eigenbemühungen der Klägerin um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse fehlt, liegt bereits aus diesem Grund eine Nichtigkeit nach § 58 Abs 2 Nr 4 SGB X vor.

24

Nach § 44 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854) sollen Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose aus dem Vermittlungsbudget der Agentur für Arbeit bei der Anbahnung oder Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gefördert werden, wenn dies für die berufliche Entwicklung notwendig ist. Sie sollen insbesondere bei der Erreichung der in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Eingliederungsziele unterstützt werden (§ 44 Abs 1 Satz 2 SGB III). Die jeweilige Agentur für Arbeit entscheidet über den Umfang der zu erbringenden Leistungen; sie kann Pauschalen festlegen (§ 44 Abs 3 Satz 1 SGB III). Geht es um Eingliederungsleistungen zur Anbahnung einer Beschäftigung, sind verschiedene Gestaltungen denkbar, also zB die Zusage der Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen sowie für Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, Pauschalierungen oder Höchstbetragsregelungen (BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - SozR 4-4200 § 15 Nr 6 RdNr 20 mwN, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Ausreichend kann es ggf auch sein, wenn die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen und Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen lediglich dem Grunde nach bezeichnet ist (BSG aaO). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich bei der Übernahme von Bewerbungs- und/oder Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen - finanziert durch eigene Beiträge - als Leistungen bei Arbeitslosigkeit neben dem Alg als Lohnersatzleistung (vgl § 4 Abs 1 SGB III) um typische vermittlungsunterstützende Leistungen handelt, die aus dem Vermittlungsbudget zu erbringen sind. Bis zu den Änderungen durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917) waren diese Leistungen ausdrücklich in § 45 SGB III aufgenommen. Trotz der "Umstellung" auf ein Vermittlungsbudget (§ 45 SGB III aF, § 44 SGB III nF) sind für Bewerbungs- und Reisekosten weiterhin Leistungen zu erbringen (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 44 SGB III, RdNr 63 f, Stand Februar 2013).

25

Die fehlende Zusage von Eingliederungsleistungen für Bewerbungsaktivitäten zur Anbahnung einer Beschäftigung in einer Eingliederungsvereinbarung bewirkt daher regelmäßig ein Ungleichgewicht von Leistung und Gegenleistung. So liegt der Fall hier. Ein vom Regelfall abweichender atypischer Ausnahmefall, in dem die Vereinbarung von Eigenbemühungen in einer Eingliederungsvereinbarung ohne Zusage einer zumindest teilweisen Übernahme von Bewerbungskosten und/oder Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen als noch als ausgewogen angesehen werden kann, ist nach den vom LSG festgestellten Einzelfallumständen nicht gegeben. Insofern kann das Vorhandensein eigener Mittel nur im Ausnahmefall zur Ablehnung von Eingliederungsleistungen speziell zur Anbahnung einer Beschäftigung führen. Zu berücksichtigen ist, dass bereits mit Wirkung zum 1.1.2003 durch Art 1 Nr 7 des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2002 (BGBl I 4607) eine wesentliche Änderung des § 45 SGB III aF dergestalt erfolgte, dass der bis dahin geltende Vorrang eigener Mittel bei Bewerbungs- und Reisekosten entfallen ist. Unter Berücksichtigung des Lebensalters der Klägerin bei Beginn der Arbeitslosigkeit und der Höhe ihres Alg-Anspruchs und weiterer persönlicher Umstände (Aufnahme des pflegebedürftigen Vaters im eigenen Haushalt, Verrentung des Ehemannes) liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass im Falle der Klägerin trotz der Begründung einer Obliegenheit zur Bewerbung in der Eingliederungsvereinbarung von einer Zusage von Bewerbungs- und Reiskosten hätte abgesehen werden können. Entsprechend hat auch die Beklagte in den nachfolgenden Eingliederungsvereinbarungen jeweils die Übernahme von Reise- und Bewerbungskosten zugesagt.

26

ee) Der Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte in der Eingliederungsvereinbarung vom 28.8.2014 zugesagt hatte, dass sie der Klägerin im Einzelfall eine Maßnahme beim Arbeitgeber (Probearbeit) bis maximal sechs Wochen nach vorheriger Anmeldung bewillige. Die Zusage der Beklagten steht im Zusammenhang mit dem von der Klägerin zugesagten Angebot von Probearbeit bei Bedarf an einen potentiellen Arbeitgeber. Diese Förderleistungen betreffen die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, nicht jedoch die hiervon zu unterscheidenden Förderleistungen zur Anbahnung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit (vgl zur Unterscheidung von Förderleistungen zur Anbahnung und zur Aufnahme einer Beschäftigung bereits BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 30/15 R - RdNr 21).

27

3. Tritt demnach ein Ruhen des Anspruchs auf Alg wegen des Fehlens der Voraussetzungen einer Sperrzeit nicht ein, liegt schon keine wesentliche Änderung der Verhältnisse bezogen auf den Arbeitslosengeld bewilligenden Bescheid vom 2.9.2014 vor. Auch die hiervon abhängigen Verfügungen zur Aufhebung der Bewilligung in dem Zeitraum vom 6.11.2014 bis 19.11.2014 und zur Minderung des Anspruchs auf Alg sind daher vom SG, bestätigt durch das LSG, zu Recht aufgehoben worden.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

(2) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2, in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet, kann geschlossen werden, wenn die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient. Die Gegenleistung muss den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen.

(2) Besteht auf die Leistung der Behörde ein Anspruch, kann nur eine solche Gegenleistung vereinbart werden, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes Inhalt einer Nebenbestimmung nach § 32 sein könnte.

(3) § 53 Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 1 und 2 nicht.

Soweit sich aus den §§ 53 bis 60 nichts Abweichendes ergibt, gelten die übrigen Vorschriften dieses Gesetzbuches. Ergänzend gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend.

Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2015 - L 6 AS 134/14 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung und des vollständigen Entfallens von Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012.

2

Der 1977 geborene, alleinstehende Kläger bezog vom beklagten Jobcenter Alg II und schloss unter dem 17.6.2011 mit dem Beklagten erneut eine Eingliederungsvereinbarung. Nach deren Ziffer 2 hatte er als Eigenbemühungen zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorzulegen. Der Beklagte bot dem Kläger in Ziffer 1 der Eingliederungsvereinbarung als Unterstützungsleistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, ESG" an, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine gesonderte Antragstellung erfolgt. Eine ausdrückliche Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht. In ihrer Rechtsfolgenbelehrung wurde unter Bezugnahme auf eine zuletzt erfolgte Leistungsminderung in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs darauf hingewiesen, dass jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß des Klägers bis zum 18.11.2011 den vollständigen Wegfall des Alg II zur Folge haben werde.

3

Durch Anhörungsschreiben vom 20.10.2011 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er seiner Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung im Zeitraum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 nicht nachgekommen sei und der Tatbestand einer Sanktion nach § 31 SGB II eingetreten sein könne. Hierauf trug der Kläger ua vor, dass er selbst keinen Computer habe, er deshalb ins Internet-Café müsse und hierfür "erstmal" Geld für die Fahrkarte und das Internet brauche. Durch Bescheid vom 22.11.2011 stellte der Beklagte für die Zeit vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 einen vollständigen Wegfall des Alg II des Klägers fest, da dieser wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei; der Kläger habe die für den Zeitraum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 geforderten Eigenbemühungen nicht erbracht bzw nicht nachweisen können. Auf die Gewährung ergänzender Sachleistungen - Lebensmittelgutscheine im Wert von 167 Euro monatlich - wies der Beklagte hin. Durch Bescheid vom 8.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Alg II für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.5.2012; für den Zeitraum vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 sah dieser Bescheid keine Leistungen vor. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2011 wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2012).

4

Das SG hob den angefochtenen Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.1.2012 auf (Urteil vom 23.1.2014): Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, denn die Eingliederungsvereinbarung sei jedenfalls im Hinblick auf den vereinbarten Nachweis von monatlich zehn Eigenbemühungen nichtig, weil damit vom Kläger kostenträchtige Maßnahmen verlangt seien, ohne konkrete Regelungen zur Übernahme dieser Kosten durch den Beklagten zu treffen. Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 13.5.2015): Die Eingliederungsvereinbarung sei zwar als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht nichtig, unterliege mit ihren Formularklauseln aber der Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB. Gemessen hieran erweise sich die Regelung von mindestens zehn Bewerbungen pro Monat, der keine Regelung einer Kostenerstattung gegenüberstehe, als unwirksam. Denn es widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 15 SGB II, Pflichten des Leistungsberechtigten zur Eingliederung in Arbeit ohne gleichzeitig korrespondierende Unterstützungsleistungen des Jobcenters zu regeln. Die Eingliederungsvereinbarung könne daher nicht Grundlage einer Sanktionsentscheidung nach §§ 31 ff SGB II sein.

5

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 15 Abs 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2, § 31a SGB II sowie des § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB geltend. Die Eingliederungsvereinbarung sei weder nichtig noch unterliege sie einer Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB. Im Übrigen sei die Regelung zu Eingliederungsbemühungen auch gemessen hieran nicht unwirksam, denn die Erstattung von Bewerbungskosten sei bereits gesetzlich geregelt und müsse deshalb nicht zum Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung gemacht werden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2015 - L 6 AS 134/14 - und des Sozialgerichts Kassel vom 23. Januar 2014 - S 13 AS 133/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die angefochtene Sanktionsentscheidung rechtswidrig ist. Der Kläger war zu Bewerbungsbemühungen durch die Eingliederungsvereinbarung nicht verpflichtet, weil diese insgesamt nichtig ist.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des LSG und das Urteil des SG, durch das der Bescheid des Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.1.2012 aufgehoben worden ist, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klage gegen diese Bescheide abzuweisen.

10

2. Richtige Klageart ist vorliegend die vom Kläger erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl insoweit zu Grundsätzen, Ausnahmen und Folgen näher BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 13 ff). Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist die Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung des Klägers und des sich daraus ergebenden vollständigen Entfallens des Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012. Nicht Regelungsgegenstand dieser Bescheide ist der Alg II-Anspruch des Klägers in diesem Zeitraum, dh das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7 ff SGB II und die Höhe eines Leistungsanspruchs nach §§ 19 ff SGB II. Auch der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 8.12.2011 für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 berücksichtigte lediglich das zuvor festgestellte vollständige Entfallen des Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 und sah für diesen Zeitraum keine Leistungen vor, ohne insoweit eine eigenständige leistungsrechtliche Umsetzungsregelung zu enthalten; er war deshalb vorliegend nicht als streitbefangen mit einzubeziehen.

11

3. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 31a Abs 1 Satz 3, § 31b Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II(idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850). Danach ziehen Pflichtverletzungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II die Rechtsfolgen nach § 31a SGB II nach sich. Bei einer Pflichtverletzung mindert sich das Alg II in einer ersten Stufe um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs (§ 31a Abs 1 Satz 1 SGB II), bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung um 60 % (§ 31a Abs 1 Satz 2 SGB II) und bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II entfällt das Alg II vollständig(§ 31a Abs 1 Satz 3 SGB II) für drei Monate beginnend mit dem Monat, der auf das Wirksamwerden des die Pflichtverletzung und die Rechtsfolge feststellenden Verwaltungsakts folgt (§ 31b Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II).

12

4. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.

13

a) Zwar erfüllen sie die formellen Voraussetzungen. Insbesondere ist der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 22.11.2011 angehört worden (§ 24 Abs 1 SGB X). Auch ist der Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, in der wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung für die Zeit vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 ein vollständiger Wegfall des Alg II festgestellt wird, inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

14

b) Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Es liegt bereits keine Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II vor. Danach verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.

15

aa) Nach Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 sollte der Kläger als Eigenbemühungen zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorlegen. Zwar soll nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II zu den Bestimmungen einer Eingliederungsvereinbarung gehören, welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind. Eine Rechtsfolge nach § 31a SGB II - "Pflichtverletzung" führt zu "Sanktion" - kann die Bestimmung einer in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflicht, die ihrer Rechtsqualität nach eine Obliegenheit ist(vgl BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 20, 47, 52), indes nur nach sich ziehen, wenn sich im Rahmen der Prüfung einer angefochtenen Sanktionsentscheidung bei einer inzidenten Prüfung der in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit erweist, dass diese Grundlage einer Sanktion bei ihrer Verletzung sein kann (vgl Harich in BeckOK SozR, § 15 SGB II RdNr 26, 38, Stand: 1.12.2015; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 15 RdNr 157).

16

Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach §§ 53 ff SGB X, denn Eingliederungsvereinbarungen sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 SGB X(vgl dieser Einordnung schon zuneigend BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 = SozR 4-4200 § 15 Nr 3, RdNr 33). Danach ist eine Eingliederungsvereinbarung wirksam, wenn sie nicht nichtig ist. Sie ist über die Prüfung, ob Nichtigkeitsgründe vorliegen, hinaus nicht auch darauf hin zu prüfen, ob sie rechtswidrig ist (zu den Maßstäben bei einem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzendem Verwaltungsakt vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 12 ff).

17

bb) Nach diesem Maßstab ist die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 zwar wirksam zustande gekommen, denn die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien liegen vor (§ 61 Satz 2 SGB X iVm §§ 145 ff BGB); das Schriftformerfordernis ist eingehalten (§ 56 SGB X); es geht um die Erbringung von Ermessensleistungen zur Eingliederung in Arbeit (§ 53 Abs 2 SGB X, § 3 Abs 1 Satz 1 SGB II, § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm SGB III, § 16b SGB II). Die Eingliederungsvereinbarung ist indes insgesamt nichtig (vgl zu diesem Prüfprogramm BSG Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 15/11 R - BSGE 112, 241 = SozR 4-1300 § 59 Nr 1, RdNr 23). Damit fehlt es vorliegend an einer Obliegenheit des Klägers zu Bewerbungsbemühungen aufgrund der Eingliederungsvereinbarung und so an der Grundlage für die angefochtene Sanktionsentscheidung.

18

(1) Es liegt bereits die Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung wegen eines qualifizierten Rechtsverstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iS des § 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 BGB(zum Erfordernis des qualifizierten Rechtsverstoßes vgl BSG Urteil vom 13.2.2014 - B 8 SO 11/12 R - SozR 4-3500 § 106 Nr 1 RdNr 31) durch einen Formenmissbrauch nahe, weil durch sie faktisch in der Form eines einseitig regelnden Verwaltungsakts gehandelt wird (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 15 RdNr 17). Denn sie bedient sich zwar der Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags, sie lässt aber nach ihrem Inhalt nicht erkennen, dass sie dem mit § 15 Abs 1 SGB II verfolgten gesetzgeberischen Regelungskonzept entspricht. Nach diesem "konkretisiert" eine Eingliederungsvereinbarung das Sozialrechtsverhältnis und enthält "verbindliche Aussagen" zum Fördern und Fordern einschließlich der abgesprochenen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit; durch die Befristung von Eingliederungsvereinbarungen soll eine "intensive Betreuung" und zeitnahe "kritische Überprüfung" der Eignung der für die berufliche Eingliederung eingesetzten Mittel sichergestellt werden (BT-Drucks 15/1516, S 54). Damit dienen Eingliederungsvereinbarungen dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik im Sinne einer "maßgeschneiderten Ausrichtung" der Eingliederungsleistungen auf den Leistungsberechtigten, bei der aufbauend auf die "konkrete Bedarfslage" ein "individuelles Angebot" unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten geplant und gesteuert wird (BT-Drucks 15/1516, S 44).

19

Weder ist ersichtlich, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 auf den Leistungsgrundsätzen des § 3 Abs 1 Satz 2 SGB II beruht, insbesondere bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit die Eignung und individuelle Lebenssituation des Klägers berücksichtigt(zu individuellen Festlegungen in der Eingliederungsvereinbarung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse vgl BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 25). Noch ist ersichtlich, dass sie außer der Zusage des Beklagten, bei Vorliegen geeigneter Stellenangebote Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, individuelle, konkrete und verbindliche Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit iS des § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II als die grundsätzlich notwendigen Bestandteile einer Eingliederungsvereinbarung enthält(zu dieser Anforderung vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 21). Der Eingliederungsvereinbarung ist weder zu entnehmen, ob und inwieweit eine Eignungsanalyse unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Klägers durchgeführt und die bisher gewonnenen Erfahrungen bei der Eingliederungsvereinbarung iS des § 15 Abs 1 Satz 5 SGB II berücksichtigt wurden(vgl dazu, dass aufgrund der Sechs-Monats-Frist des § 15 Abs 1 Satz 3 und 4 SGB II durch kontinuierliche Beobachtung garantiert ist, an Zielen nicht starr festzuhalten, die sich als erfolglos erwiesen haben, BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 195/11 R - BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2, RdNr 21). Noch ist ihr zu entnehmen, ob und ggf warum es vorliegend kein Verstoß gegen § 15 Abs 1 SGB II und das hiermit verfolgte Regelungskonzept sein könnte, in der Eingliederungsvereinbarung außer der Zusage von Vermittlungsvorschlägen bei Stellenangeboten keine individuellen, konkreten und verbindlichen Leistungsangebote des Beklagten zur Eingliederung des Klägers in Arbeit zu vereinbaren.

20

Insoweit genügen indes die tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) insbesondere zu den individuellen Verhältnissen des Klägers und zu den Erfahrungen aus bisherigen Eingliederungsvereinbarungen nicht, um abschließend entscheiden zu können. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Verhältnisse und die bisher gewonnenen Erfahrungen so sind, dass selbst eine so knappe Eingliederungsvereinbarung wie hier nicht als Formenmissbrauch und qualifizierter Rechtsverstoß zu bewerten ist.

21

(2) Gleichwohl bedarf es hier keiner Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur Nachholung dieser Feststellungen, denn die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 ist jedenfalls deshalb insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 SGB X, weil sich der Beklagte entgegen dem sog Koppelungsverbot nach § 58 Abs 2 Nr 4 SGB X vom Kläger eine unzulässige Gegenleistung iS des § 55 SGB X hat versprechen lassen. Die sanktionsbewehrte Obliegenheit des Klägers zu den in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Bewerbungsbemühungen ist iS des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X unangemessen im Verhältnis zu den vom Beklagten insoweit übernommenen Leistungsverpflichtungen. Denn die Eingliederungsvereinbarung sieht keine Regelung zu individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die in ihr bestimmten individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen des Klägers vor; insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten enthält die Eingliederungsvereinbarung keine ausdrückliche Regelung. Sie lässt sich ihr auch nicht dadurch entnehmen, dass in ihr als Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "weitere Leistungen" angeboten werden. Denn ungeachtet dieser mangelnden Konkretisierung der Leistungen unterscheidet das Gesetz zwischen Förderungsleistungen bei der Anbahnung oder der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 16 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 SGB III); die Förderung durch Übernahme von Bewerbungskosten betrifft die Anbahnung einer solchen Beschäftigung, die Eingliederungsvereinbarung indes greift nur Leistungen für die Aufnahme einer solchen Beschäftigung auf und stellt "weitere Leistungen" neben Mobilitätshilfen und Einstiegsgeld in diesen Zusammenhang.

22

Dass gesetzliche Vorschriften die Übernahme von Bewerbungskosten ermöglichen (siehe die Regelungen zur Förderung aus dem Vermittlungsbudget in § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 SGB III - im maßgeblichen Zeitraum: § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 45 SGB III -, die auch die Bewerbungskostenübernahme als Ermessensleistung erfassen; vgl nur Herbst in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 44<2. Fassung> RdNr 148 ff, 192; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16 RdNr 116 f, Stand: 5/15), ändert nichts daran, dass Eingliederungsvereinbarungen ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen aufzuweisen haben und ohne dieses insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 SGB X sind. Diese Wechselseitigkeit und Ausgewogenheit der vereinbarten Regelungen ist zum einen ein wesentliches Element des mit der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 SGB II verfolgten gesetzgeberischen Regelungskonzepts. Für strenge Anforderungen insoweit spricht zum anderen, dass die Verletzung der vereinbarten Obliegenheit des Leistungsberechtigten zu Eigenbemühungen sanktionsbewehrt ist und zu Minderungen oder zum Wegfall der existenzsichernden Leistungen trotz Hilfebedürftigkeit führen kann, weshalb sie nur eine angemessene Gegenleistung ist, wenn das Jobcenter individuelle und konkrete Unterstützungsleistungen zu ihrer Erfüllung verspricht (vgl Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 RdNr 84, Stand: 2/16). Dies knüpft an die Rechtsprechung des BSG zum Sperrzeitrecht an, die beim Angebot einer beruflichen Bildungsmaßnahme verlangt, dass dem Arbeitslosen über die beabsichtigten Förderungsleistungen eine schriftliche Zusage erteilt wird, damit er auf dieser Grundlage die Zumutbarkeit einer Teilnahme prüfen kann (vgl dazu Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16d RdNr 33, Stand: 5/14, mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

23

Die Vereinbarung von Eigenbemühungen, insbesondere von individuell bestimmten und sanktionsbewehrten Bewerbungsbemühungen, ist nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters, insbesondere durch die Übernahme von Bewerbungskosten, in der Eingliederungsvereinbarung konkret und verbindlich bestimmt ist (eine klare Regelung zu den Bewerbungskosten fordern Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 15 RdNr 29; Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 15 RdNr 52; Lahne in GK-SGB II, § 15 RdNr 33 f, Stand: Dezember 2013; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 31 SGB II RdNr 34, Stand: Dezember 2015).

24

Anzuerkennende Probleme einer konkreten Bestimmung von Leistungen zur Kostenübernahme bereits vor dem Anfall von Bewerbungskosten machen eine verbindliche Bestimmung nicht von vornherein unmöglich; so kommt die Zusage dem Grunde nach in Betracht, dass Bewerbungsaktivitäten auf Antrag und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen sowie für Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen unterstützt werden; Einzelheiten können dem Antragsverfahren überlassen bleiben (vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 20). Auch Pauschalierungen (vgl A. Loose in GK-SGB II, § 31 RdNr 38.1, Stand: Oktober 2014) oder Höchstbetragsregelungen (vgl Stark in Estelmann, SGB II, § 15 RdNr 55, Stand: Mai 2015) kommen in Betracht.

25

c) Aufgrund der Gesamtnichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und ggf nach welchen Maßstäben bei Formularklauseln in Eingliederungsvereinbarungen eine Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm §§ 305 ff BGB durchzuführen ist.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt.

(2) Ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn

1.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
2.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war,
3.
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre,
4.
sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

(3) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrages, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2015 - L 6 AS 134/14 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung und des vollständigen Entfallens von Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012.

2

Der 1977 geborene, alleinstehende Kläger bezog vom beklagten Jobcenter Alg II und schloss unter dem 17.6.2011 mit dem Beklagten erneut eine Eingliederungsvereinbarung. Nach deren Ziffer 2 hatte er als Eigenbemühungen zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorzulegen. Der Beklagte bot dem Kläger in Ziffer 1 der Eingliederungsvereinbarung als Unterstützungsleistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "Mobilitätshilfen, weitere Leistungen, ESG" an, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und zuvor eine gesonderte Antragstellung erfolgt. Eine ausdrückliche Regelung zur Übernahme von Bewerbungskosten enthielt die Eingliederungsvereinbarung nicht. In ihrer Rechtsfolgenbelehrung wurde unter Bezugnahme auf eine zuletzt erfolgte Leistungsminderung in Höhe von 60 % des maßgebenden Regelbedarfs darauf hingewiesen, dass jeder weitere wiederholte Pflichtverstoß des Klägers bis zum 18.11.2011 den vollständigen Wegfall des Alg II zur Folge haben werde.

3

Durch Anhörungsschreiben vom 20.10.2011 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass er seiner Pflicht aus der Eingliederungsvereinbarung im Zeitraum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 nicht nachgekommen sei und der Tatbestand einer Sanktion nach § 31 SGB II eingetreten sein könne. Hierauf trug der Kläger ua vor, dass er selbst keinen Computer habe, er deshalb ins Internet-Café müsse und hierfür "erstmal" Geld für die Fahrkarte und das Internet brauche. Durch Bescheid vom 22.11.2011 stellte der Beklagte für die Zeit vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 einen vollständigen Wegfall des Alg II des Klägers fest, da dieser wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen sei; der Kläger habe die für den Zeitraum vom 17.9.2011 bis 16.10.2011 geforderten Eigenbemühungen nicht erbracht bzw nicht nachweisen können. Auf die Gewährung ergänzender Sachleistungen - Lebensmittelgutscheine im Wert von 167 Euro monatlich - wies der Beklagte hin. Durch Bescheid vom 8.12.2011 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Alg II für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.5.2012; für den Zeitraum vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 sah dieser Bescheid keine Leistungen vor. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.11.2011 wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2012).

4

Das SG hob den angefochtenen Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.1.2012 auf (Urteil vom 23.1.2014): Es fehle bereits an einer Pflichtverletzung, denn die Eingliederungsvereinbarung sei jedenfalls im Hinblick auf den vereinbarten Nachweis von monatlich zehn Eigenbemühungen nichtig, weil damit vom Kläger kostenträchtige Maßnahmen verlangt seien, ohne konkrete Regelungen zur Übernahme dieser Kosten durch den Beklagten zu treffen. Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 13.5.2015): Die Eingliederungsvereinbarung sei zwar als öffentlich-rechtlicher Vertrag nicht nichtig, unterliege mit ihren Formularklauseln aber der Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB. Gemessen hieran erweise sich die Regelung von mindestens zehn Bewerbungen pro Monat, der keine Regelung einer Kostenerstattung gegenüberstehe, als unwirksam. Denn es widerspreche dem gesetzlichen Leitbild des § 15 SGB II, Pflichten des Leistungsberechtigten zur Eingliederung in Arbeit ohne gleichzeitig korrespondierende Unterstützungsleistungen des Jobcenters zu regeln. Die Eingliederungsvereinbarung könne daher nicht Grundlage einer Sanktionsentscheidung nach §§ 31 ff SGB II sein.

5

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Beklagte eine Verletzung von § 15 Abs 1 Satz 1 und 2, § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, Satz 2, § 31a SGB II sowie des § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB geltend. Die Eingliederungsvereinbarung sei weder nichtig noch unterliege sie einer Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm § 307 BGB. Im Übrigen sei die Regelung zu Eingliederungsbemühungen auch gemessen hieran nicht unwirksam, denn die Erstattung von Bewerbungskosten sei bereits gesetzlich geregelt und müsse deshalb nicht zum Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung gemacht werden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 2015 - L 6 AS 134/14 - und des Sozialgerichts Kassel vom 23. Januar 2014 - S 13 AS 133/12 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die angefochtene Sanktionsentscheidung rechtswidrig ist. Der Kläger war zu Bewerbungsbemühungen durch die Eingliederungsvereinbarung nicht verpflichtet, weil diese insgesamt nichtig ist.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des LSG und das Urteil des SG, durch das der Bescheid des Beklagten vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.1.2012 aufgehoben worden ist, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klage gegen diese Bescheide abzuweisen.

10

2. Richtige Klageart ist vorliegend die vom Kläger erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl insoweit zu Grundsätzen, Ausnahmen und Folgen näher BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 13 ff). Regelungsgegenstand der streitbefangenen Bescheide ist die Feststellung einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung des Klägers und des sich daraus ergebenden vollständigen Entfallens des Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012. Nicht Regelungsgegenstand dieser Bescheide ist der Alg II-Anspruch des Klägers in diesem Zeitraum, dh das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7 ff SGB II und die Höhe eines Leistungsanspruchs nach §§ 19 ff SGB II. Auch der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 8.12.2011 für die Zeit vom 1.12.2011 bis 31.5.2012 berücksichtigte lediglich das zuvor festgestellte vollständige Entfallen des Alg II vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 und sah für diesen Zeitraum keine Leistungen vor, ohne insoweit eine eigenständige leistungsrechtliche Umsetzungsregelung zu enthalten; er war deshalb vorliegend nicht als streitbefangen mit einzubeziehen.

11

3. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1, § 31a Abs 1 Satz 3, § 31b Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II(idF der ab 1.4.2011 geltenden Neubekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850). Danach ziehen Pflichtverletzungen nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II die Rechtsfolgen nach § 31a SGB II nach sich. Bei einer Pflichtverletzung mindert sich das Alg II in einer ersten Stufe um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs (§ 31a Abs 1 Satz 1 SGB II), bei der ersten wiederholten Pflichtverletzung um 60 % (§ 31a Abs 1 Satz 2 SGB II) und bei jeder weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II entfällt das Alg II vollständig(§ 31a Abs 1 Satz 3 SGB II) für drei Monate beginnend mit dem Monat, der auf das Wirksamwerden des die Pflichtverletzung und die Rechtsfolge feststellenden Verwaltungsakts folgt (§ 31b Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II).

12

4. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig.

13

a) Zwar erfüllen sie die formellen Voraussetzungen. Insbesondere ist der Kläger vor Erlass des Bescheides vom 22.11.2011 angehört worden (§ 24 Abs 1 SGB X). Auch ist der Bescheid vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides, in der wegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung für die Zeit vom 1.12.2011 bis 29.2.2012 ein vollständiger Wegfall des Alg II festgestellt wird, inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X).

14

b) Die angefochtenen Bescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Es liegt bereits keine Pflichtverletzung nach § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II vor. Danach verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis sich weigern, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.

15

aa) Nach Ziffer 2 der Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 sollte der Kläger als Eigenbemühungen zur Eingliederung in Arbeit vom 17.6.2011 bis 16.12.2011 mindestens zehn Bewerbungsbemühungen pro Monat um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse unternehmen und diese bis zum 16. eines jeden Monats, durch Kopien der schriftlichen Bewerbungen und/oder durch Antwortschreiben der Arbeitgeber, unaufgefordert vorlegen. Zwar soll nach § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II zu den Bestimmungen einer Eingliederungsvereinbarung gehören, welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind. Eine Rechtsfolge nach § 31a SGB II - "Pflichtverletzung" führt zu "Sanktion" - kann die Bestimmung einer in einer Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflicht, die ihrer Rechtsqualität nach eine Obliegenheit ist(vgl BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 31a Nr 1, RdNr 20, 47, 52), indes nur nach sich ziehen, wenn sich im Rahmen der Prüfung einer angefochtenen Sanktionsentscheidung bei einer inzidenten Prüfung der in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit erweist, dass diese Grundlage einer Sanktion bei ihrer Verletzung sein kann (vgl Harich in BeckOK SozR, § 15 SGB II RdNr 26, 38, Stand: 1.12.2015; Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 15 RdNr 157).

16

Der Maßstab für die Prüfung einer in einer Eingliederungsvereinbarung bestimmten Obliegenheit folgt aus § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm dem Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge nach §§ 53 ff SGB X, denn Eingliederungsvereinbarungen sind ihrer Rechtsqualität nach öffentlich-rechtliche Verträge in der Form des subordinationsrechtlichen Austauschvertrags nach § 53 Abs 1 Satz 2, § 55 SGB X(vgl dieser Einordnung schon zuneigend BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 = SozR 4-4200 § 15 Nr 3, RdNr 33). Danach ist eine Eingliederungsvereinbarung wirksam, wenn sie nicht nichtig ist. Sie ist über die Prüfung, ob Nichtigkeitsgründe vorliegen, hinaus nicht auch darauf hin zu prüfen, ob sie rechtswidrig ist (zu den Maßstäben bei einem eine Eingliederungsvereinbarung ersetzendem Verwaltungsakt vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 12 ff).

17

bb) Nach diesem Maßstab ist die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 zwar wirksam zustande gekommen, denn die für einen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien liegen vor (§ 61 Satz 2 SGB X iVm §§ 145 ff BGB); das Schriftformerfordernis ist eingehalten (§ 56 SGB X); es geht um die Erbringung von Ermessensleistungen zur Eingliederung in Arbeit (§ 53 Abs 2 SGB X, § 3 Abs 1 Satz 1 SGB II, § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm SGB III, § 16b SGB II). Die Eingliederungsvereinbarung ist indes insgesamt nichtig (vgl zu diesem Prüfprogramm BSG Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 15/11 R - BSGE 112, 241 = SozR 4-1300 § 59 Nr 1, RdNr 23). Damit fehlt es vorliegend an einer Obliegenheit des Klägers zu Bewerbungsbemühungen aufgrund der Eingliederungsvereinbarung und so an der Grundlage für die angefochtene Sanktionsentscheidung.

18

(1) Es liegt bereits die Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung wegen eines qualifizierten Rechtsverstoßes gegen ein gesetzliches Verbot iS des § 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 BGB(zum Erfordernis des qualifizierten Rechtsverstoßes vgl BSG Urteil vom 13.2.2014 - B 8 SO 11/12 R - SozR 4-3500 § 106 Nr 1 RdNr 31) durch einen Formenmissbrauch nahe, weil durch sie faktisch in der Form eines einseitig regelnden Verwaltungsakts gehandelt wird (vgl Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 15 RdNr 17). Denn sie bedient sich zwar der Form des öffentlich-rechtlichen Vertrags, sie lässt aber nach ihrem Inhalt nicht erkennen, dass sie dem mit § 15 Abs 1 SGB II verfolgten gesetzgeberischen Regelungskonzept entspricht. Nach diesem "konkretisiert" eine Eingliederungsvereinbarung das Sozialrechtsverhältnis und enthält "verbindliche Aussagen" zum Fördern und Fordern einschließlich der abgesprochenen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit; durch die Befristung von Eingliederungsvereinbarungen soll eine "intensive Betreuung" und zeitnahe "kritische Überprüfung" der Eignung der für die berufliche Eingliederung eingesetzten Mittel sichergestellt werden (BT-Drucks 15/1516, S 54). Damit dienen Eingliederungsvereinbarungen dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik im Sinne einer "maßgeschneiderten Ausrichtung" der Eingliederungsleistungen auf den Leistungsberechtigten, bei der aufbauend auf die "konkrete Bedarfslage" ein "individuelles Angebot" unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten geplant und gesteuert wird (BT-Drucks 15/1516, S 44).

19

Weder ist ersichtlich, dass die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 auf den Leistungsgrundsätzen des § 3 Abs 1 Satz 2 SGB II beruht, insbesondere bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit die Eignung und individuelle Lebenssituation des Klägers berücksichtigt(zu individuellen Festlegungen in der Eingliederungsvereinbarung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse vgl BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 = SozR 4-4200 § 16 Nr 4, RdNr 25). Noch ist ersichtlich, dass sie außer der Zusage des Beklagten, bei Vorliegen geeigneter Stellenangebote Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, individuelle, konkrete und verbindliche Leistungsangebote zur Eingliederung in Arbeit iS des § 15 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II als die grundsätzlich notwendigen Bestandteile einer Eingliederungsvereinbarung enthält(zu dieser Anforderung vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 21). Der Eingliederungsvereinbarung ist weder zu entnehmen, ob und inwieweit eine Eignungsanalyse unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse des Klägers durchgeführt und die bisher gewonnenen Erfahrungen bei der Eingliederungsvereinbarung iS des § 15 Abs 1 Satz 5 SGB II berücksichtigt wurden(vgl dazu, dass aufgrund der Sechs-Monats-Frist des § 15 Abs 1 Satz 3 und 4 SGB II durch kontinuierliche Beobachtung garantiert ist, an Zielen nicht starr festzuhalten, die sich als erfolglos erwiesen haben, BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 195/11 R - BSGE 113, 70 = SozR 4-4200 § 15 Nr 2, RdNr 21). Noch ist ihr zu entnehmen, ob und ggf warum es vorliegend kein Verstoß gegen § 15 Abs 1 SGB II und das hiermit verfolgte Regelungskonzept sein könnte, in der Eingliederungsvereinbarung außer der Zusage von Vermittlungsvorschlägen bei Stellenangeboten keine individuellen, konkreten und verbindlichen Leistungsangebote des Beklagten zur Eingliederung des Klägers in Arbeit zu vereinbaren.

20

Insoweit genügen indes die tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) insbesondere zu den individuellen Verhältnissen des Klägers und zu den Erfahrungen aus bisherigen Eingliederungsvereinbarungen nicht, um abschließend entscheiden zu können. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Verhältnisse und die bisher gewonnenen Erfahrungen so sind, dass selbst eine so knappe Eingliederungsvereinbarung wie hier nicht als Formenmissbrauch und qualifizierter Rechtsverstoß zu bewerten ist.

21

(2) Gleichwohl bedarf es hier keiner Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur Nachholung dieser Feststellungen, denn die Eingliederungsvereinbarung vom 17.6.2011 ist jedenfalls deshalb insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 SGB X, weil sich der Beklagte entgegen dem sog Koppelungsverbot nach § 58 Abs 2 Nr 4 SGB X vom Kläger eine unzulässige Gegenleistung iS des § 55 SGB X hat versprechen lassen. Die sanktionsbewehrte Obliegenheit des Klägers zu den in der Eingliederungsvereinbarung bestimmten Bewerbungsbemühungen ist iS des § 55 Abs 1 Satz 2 SGB X unangemessen im Verhältnis zu den vom Beklagten insoweit übernommenen Leistungsverpflichtungen. Denn die Eingliederungsvereinbarung sieht keine Regelung zu individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die in ihr bestimmten individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen des Klägers vor; insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten enthält die Eingliederungsvereinbarung keine ausdrückliche Regelung. Sie lässt sich ihr auch nicht dadurch entnehmen, dass in ihr als Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung "weitere Leistungen" angeboten werden. Denn ungeachtet dieser mangelnden Konkretisierung der Leistungen unterscheidet das Gesetz zwischen Förderungsleistungen bei der Anbahnung oder der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 16 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 SGB III); die Förderung durch Übernahme von Bewerbungskosten betrifft die Anbahnung einer solchen Beschäftigung, die Eingliederungsvereinbarung indes greift nur Leistungen für die Aufnahme einer solchen Beschäftigung auf und stellt "weitere Leistungen" neben Mobilitätshilfen und Einstiegsgeld in diesen Zusammenhang.

22

Dass gesetzliche Vorschriften die Übernahme von Bewerbungskosten ermöglichen (siehe die Regelungen zur Förderung aus dem Vermittlungsbudget in § 16 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 44 SGB III - im maßgeblichen Zeitraum: § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II iVm § 45 SGB III -, die auch die Bewerbungskostenübernahme als Ermessensleistung erfassen; vgl nur Herbst in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 44<2. Fassung> RdNr 148 ff, 192; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16 RdNr 116 f, Stand: 5/15), ändert nichts daran, dass Eingliederungsvereinbarungen ein ausgewogenes Verhältnis der wechselseitigen Verpflichtungen aufzuweisen haben und ohne dieses insgesamt nichtig iS des § 58 Abs 3 SGB X sind. Diese Wechselseitigkeit und Ausgewogenheit der vereinbarten Regelungen ist zum einen ein wesentliches Element des mit der Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs 1 SGB II verfolgten gesetzgeberischen Regelungskonzepts. Für strenge Anforderungen insoweit spricht zum anderen, dass die Verletzung der vereinbarten Obliegenheit des Leistungsberechtigten zu Eigenbemühungen sanktionsbewehrt ist und zu Minderungen oder zum Wegfall der existenzsichernden Leistungen trotz Hilfebedürftigkeit führen kann, weshalb sie nur eine angemessene Gegenleistung ist, wenn das Jobcenter individuelle und konkrete Unterstützungsleistungen zu ihrer Erfüllung verspricht (vgl Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 31 RdNr 84, Stand: 2/16). Dies knüpft an die Rechtsprechung des BSG zum Sperrzeitrecht an, die beim Angebot einer beruflichen Bildungsmaßnahme verlangt, dass dem Arbeitslosen über die beabsichtigten Förderungsleistungen eine schriftliche Zusage erteilt wird, damit er auf dieser Grundlage die Zumutbarkeit einer Teilnahme prüfen kann (vgl dazu Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16d RdNr 33, Stand: 5/14, mit Nachweisen zur Rechtsprechung).

23

Die Vereinbarung von Eigenbemühungen, insbesondere von individuell bestimmten und sanktionsbewehrten Bewerbungsbemühungen, ist nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters, insbesondere durch die Übernahme von Bewerbungskosten, in der Eingliederungsvereinbarung konkret und verbindlich bestimmt ist (eine klare Regelung zu den Bewerbungskosten fordern Berlit in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, § 15 RdNr 29; Kador in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 15 RdNr 52; Lahne in GK-SGB II, § 15 RdNr 33 f, Stand: Dezember 2013; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 31 SGB II RdNr 34, Stand: Dezember 2015).

24

Anzuerkennende Probleme einer konkreten Bestimmung von Leistungen zur Kostenübernahme bereits vor dem Anfall von Bewerbungskosten machen eine verbindliche Bestimmung nicht von vornherein unmöglich; so kommt die Zusage dem Grunde nach in Betracht, dass Bewerbungsaktivitäten auf Antrag und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften durch Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Kosten für schriftliche Bewerbungen sowie für Fahrkosten zu Vorstellungsgesprächen unterstützt werden; Einzelheiten können dem Antragsverfahren überlassen bleiben (vgl Urteil vom heutigen Tag, BSG Urteil vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R - RdNr 20). Auch Pauschalierungen (vgl A. Loose in GK-SGB II, § 31 RdNr 38.1, Stand: Oktober 2014) oder Höchstbetragsregelungen (vgl Stark in Estelmann, SGB II, § 15 RdNr 55, Stand: Mai 2015) kommen in Betracht.

25

c) Aufgrund der Gesamtnichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung kommt es vorliegend nicht darauf an, ob und ggf nach welchen Maßstäben bei Formularklauseln in Eingliederungsvereinbarungen eine Inhaltskontrolle nach § 61 Satz 2 SGB X iVm §§ 305 ff BGB durchzuführen ist.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches ergibt.

(2) Ein Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn

1.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
2.
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war,
3.
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrages nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 42 rechtswidrig wäre,
4.
sich die Behörde eine nach § 55 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.

(3) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrages, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.

(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich

1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt

1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.

(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

Gründe

I.

1

1. Das Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dem sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin eingelegt wurde, betraf die vom Bundesgerichtshof zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte neue Rechtsprechung zu den "wandelbaren Lebensverhältnissen", verbunden mit der Berechnungsmethode der sogenannten Dreiteilung zur Feststellung des nachehelichen Unterhaltsbedarfs.

2

2. Mit Beschluss vom 25. Januar 2011 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die zur Auslegung des § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB entwickelte Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet und daher Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Es hat das mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene, auf dieser Rechtsprechung beruhende Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts aufgehoben und dem Saarland aufgegeben, der Beschwerdeführerin deren notwendige Auslagen zu erstatten.

3

3. Daraufhin hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 53.668 € beantragt. Er hat dies damit begründet, dass sich zwar das subjektive Interesse der Beschwerdeführerin lediglich nach dem im Ausgangsverfahren auf 13.417 € festgesetzten Streitwert bemesse, dieser Wert allerdings wegen der objektiven Bedeutung der Sache sowie der besonderen Schwierigkeit der anwaltlichen Bearbeitung zu vervierfachen sei.

4

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat den Gegenstandswert sodann gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG nach billigem Ermessen auf 45.000 € festgesetzt.

5

4. a) Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin die Festsetzung von Kosten in Höhe von 2.689,64 € beantragt. Seiner Kostenrechnung hat er hinsichtlich der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3208 VVRVG einen Gebührensatz von 2,3 zugrunde gelegt.

6

Zur Begründung hat er darauf verwiesen, angesichts der Bedeutung des verfassungsrechtlichen Verfahrens erscheine es angezeigt, die Verweisung des § 37 Abs. 2 RVG auf die Gebührentatbestände in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses nicht auf die Verfahrensgebühr der Nr. 3206 VVRVG, sondern der Nr. 3208 VVRVG zu beziehen. Nach Nr. 3208 VVRVG sei die Verfahrensgebühr um den Faktor 2,3 zu erhöhen, wenn sich die Beteiligten im Verfahren nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Aufgrund der Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts als oberstes Gericht müsse dies für Verfassungsbeschwerdeverfahren ebenfalls gelten, selbst wenn der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers - wie er selbst - nicht beim Bundesgerichtshof zugelassen sei.

7

Wie sich aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 12. August 2004 ergebe (Hinweis auf BGH, Beschluss vom 12. August 2004 - I ZB 6/04 -, JurBüro 2005, S. 34 f.), rechtfertige sich die Erhöhung der Verfahrensgebühr für lediglich beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte nicht wegen deren Singularzulassung, sondern wegen des mit der Reduzierung der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesgerichtshof einhergegangenen regelmäßigen Entfalls der Verhandlungsgebühr in Verfahren vor dem Bundesgerichtshof. Diese Erwägung gelte im Verfassungsbeschwerdeverfahren gleichermaßen.

8

b) Das Saarland ist dem Kostenfestsetzungsantrag mit der Begründung entgegen getreten, gemäß § 37 Abs. 2 RVG in Verbindung mit Nr. 3206 VVRVG sei die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren lediglich nach dem Faktor 1,6 zu berechnen. Die erhöhte Verfahrensgebühr nach Nr. 3208 VVRVG sei alleine für Verfahren vorgesehen, in denen sich die Beteiligten nur durch einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Im Ausgangsverfahren sei jedoch weder eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt erforderlich gewesen noch sei eine Vertretung durch einen solchen Rechtsanwalt erfolgt. Die erhöhte Gebühr für beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte bezwecke einen Ausgleich dafür, dass diese bei keinen anderen Gerichten tätig werden dürften. Dieser Ausgleich sei in Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht erforderlich.

9

c) Die Rechtspflegerin hat die erstattungsfähigen Kosten gemäß §§ 104 ff. ZPO in Verbindung mit Nr. 3206 VVRVG nach einer um den Faktor von 1,6 erhöhten Verfahrensgebühr auf 1.878,30 € festgesetzt und den Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdeführerin im Übrigen zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen sofortigen Beschwerde hat sie nicht abgeholfen.

II.

10

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat die Kosten zu Recht nach der Verfahrensgebühr der Nr. 3206 VVRVG angesetzt.

11

1. Über die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 2 ZPO und § 11 Abs. 1 RPflG - im Hinblick auf die über 200 € hinausgehende Beschwer -statthafte sofortige Beschwerde hat der Senat zu entscheiden.

12

2. Für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht verweist § 37 Abs. 2 Satz 1 RVG auf die Vorschriften in Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses für Verfahren insbesondere der Berufung und der Revision (Nr. 3206 ff. VVRVG). Nach Nr. 3206 VVRVG berechnet sich die Verfahrensgebühr in diesen Verfahren grundsätzlich nach dem 1,6-fachen der nach § 13 RVG bestimmten Gebühr. Eine Abrechnung nach einer um den Faktor 2,3 erhöhten Gebühr gemäß Nr. 3208 VVRVG ist dagegen für Verfahren vorgesehen, in denen sich die Beteiligten nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen konnten.

13

a) Da sich Beteiligte in Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht lediglich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen können, der Kreis der Vertretungsberechtigten sich vielmehr nach § 22 Abs. 1 BVerfGG bestimmt, wird überwiegend davon ausgegangen, dass sich die Verweisung des § 37 Abs. 2 Satz 1 RVG nur auf Nr. 3206 VVRVG und nicht auf Nr. 3208 VVRVG beziehe und damit die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren nach dem Gebührensatz von 1,6 abzurechnen sei (vgl. Jungbauer, in: Bischof/Jungbauer, Kommentar zum RVG, 4. Auflage 2011, § 37 RVG, Rn. 19; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, § 37 RVG, Rn. 9; Mayer/Kroiß, Handkommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 5. Auflage 2012, § 37 RVG, Rn. 15; Wahlen, in: Schneider/Wolf, Anwaltskommentar zum RVG, 6. Auflage 2012, § 37 RVG, Rn. 16).

14

b) Zum Teil wird allerdings angenommen, in Verfassungsbeschwerdeverfahren sei der Gebührensatz der Nr. 3208 VVRVG, also der 2,3-fache Wert, anzusetzen. Zwar sei Nr. 3208 VVRVG dem Wortlaut nach nicht auf Verfassungsbeschwerdeverfahren anwendbar, in denen die Beteiligten sich nicht ausschließlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen könnten. Doch rechtfertige die besondere Bedeutung vor dem Bundesverfassungsgericht geführter Verfahren, die in § 37 Abs. 2 Satz 1 RVG enthaltene Verweisung entgegen dem Wortlaut auf den Gebührensatz der Nr. 3208 VVRVG zu erstrecken (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 41. Auflage 2011, § 37 RVG, Rn. 5; Hartung, in: Hartung/Römermann/Schons, Praxiskommentar zum RVG, 2. Auflage 2006, § 37 RVG, Rn. 13; ders., in: Hartung/Schons/Enders, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 1. Auflage 2011, § 37 RVG, Rn. 11 ff.; Schneider, in: Riedel/Sußbauer/Schneider, Kommentar zum RVG, 9. Auflage 2005, § 37 RVG, Rn. 10).

15

c) Letzterer Ansicht kann nicht gefolgt werden. Sie widerspricht dem Wortlaut der Nr. 3208 VVRVG (aa) und dem hinter dieser Regelung stehenden Willen des Gesetzgebers (bb). Sie lässt sich außerdem weder mit der besonderen Bedeutung vor dem Bundesverfassungsgericht geführter Verfahren (cc) noch mit der seitens der Beschwerdeführerin angeführten geringen Anzahl mündlicher Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht rechtfertigen (dd).

16

(aa) Dem Wortlaut der Bestimmung nach kommt der Gebührensatz der Nr. 3208 VVRVG nur in Verfahren zur Anwendung, in denen sich die Beteiligten ausschließlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen konnten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 - V ZB 110/06 -, NJW 2007, S. 1461 <1462>; Mathias, in: Bischof/Jungbauer, Kommentar zum RVG, 4. Auflage 2011, Nr. 3206 ff. VVRVG, Rn. 7; Madert, in: Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, Kommentar zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage 2002, § 11 BRAGO, Rn. 10; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 19. Auflage 2010, VVRVG 3208, Rn. 11). Dieser Wortlaut steht der Anwendung der Nr. 3208 VVRVG in Verfassungsbeschwerdeverfahren entgegen, in denen gemäß § 22 Abs. 1 BVerfGG eine Vertretung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist.

17

(bb) Eine vom Wortlaut abweichende Auslegung der Nr. 3208 VVRVG verbunden mit der Anwendung des dort vorgesehenen Gebührensatzes in Verfassungsbeschwerdeverfahren lässt sich nicht mit einem dahingehenden Willen des Gesetzgebers begründen. Aus dem Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 geht vielmehr hervor, dass die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren nach dem 1,6-fachen Gebührensatz bemessen werden soll.

18

Bereits in § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO war bestimmt, dass sich die Verfahrensgebühr (damals gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO als Prozessgebühr bezeichnet) in Berufungs- und Revisionsverfahren auf 13/10 des Gebührensatzes belaufen sollte. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO sollte sich diese Gebühr auf 20/10 erhöhen, wenn für ein Verfahren Kosten abzurechnen waren, in dem sich die Parteien durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt hatten vertreten lassen müssen. § 113 Abs. 2 Satz 2 BRAGO verwies für die in Verfassungsbeschwerdeverfahren festzusetzenden Gebühren nicht auf § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO, sondern lediglich auf § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO. Die Verfahrensgebühr in Verfassungsbeschwerdeverfahren war danach auf 13/10 des Gebührensatzes festzusetzen.

19

Diese Differenzierung wollte der Gesetzgeber im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ausdrücklich fortschreiben. Im Entwurf zum Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 11. November 2003 hat er zur Festlegung der Gebühren im Berufungs- und Revisionsverfahren ausgeführt, die Neuregelungen des RVG sowie des VVRVG sollten insoweit die Regelungen der BRAGO übernehmen (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 197). Zum Gebührensatz Nr. 3206 VVRVG-E hat er im Gesetzentwurf betont, wie im geltenden Recht (das heißt § 11 Abs. 1 Satz 4 BRAGO) seien für Revisionsverfahren, in denen sich die Beteiligten nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen müssten, die gleichen Gebühren wie im Berufungsrechtszug vorgesehen. Dagegen hat er zum Gebührensatz Nr. 3208 VVRVG-E ausgeführt, dieser trete an die Stelle des § 11 Abs. 1 Satz 5 BRAGO, wonach im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof der nur dort zugelassene Rechtsanwalt eine erhöhte Verfahrensgebühr erhalten solle (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 214).

20

Aus dem Gesetzentwurf geht danach unmissverständlich hervor, dass der Gesetzgeber die erhöhte Verfahrensgebühr der Nr. 3208 VVRVG lediglich beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten wollte, für alle anderen Rechtsanwälte aber - unverändert - eine Abrechnung nach dem Gebührensatz der Nr. 3206 VVRVG erfolgen sollte. Diese Differenzierung hat er auf Verfassungsbeschwerdeverfahren erstreckt, für die er über § 37 Abs. 2 RVG-E eine Verweisung auf diese Vorschriften vorgesehen und dies damit begründet hat, § 37 Abs. 2 RVG-E solle die Regelungen des § 113 Abs. 2 BRAGO übernehmen (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 197).

21

(cc) Die Anwendung des nach Nr. 3208 VVRVG erhöhten Gebührensatzes lässt sich des Weiteren nicht mit der besonderen Bedeutung vor dem Bundesverfassungsgericht geführter Verfahren rechtfertigen, da diese bereits bei der Festsetzung des Gegenstandswertes nach § 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG angemessene und abschließende Berücksichtigung findet.

22

Während sich der Streitwert in Unterhaltsverfahren vor den Fachgerichten gemäß § 42 GKG a.F. beziehungsweise § 51 FamGKG allein nach dem Wert der Forderung bestimmt, sind bei der Festsetzung des Gegenstandswertes in Verfassungsbeschwerdeverfahren gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG alle Umstände des konkreten Einzelfalls nach billigem Ermessen zu würdigen, wobei nicht nur das subjektive Interesse des Beschwerdeführers an der Sache und der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, sondern insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen sind (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Oktober 2010 - 1 BvR 2736/08 -, juris Rn. 8). Dementsprechend wurde der Streitwert im Ausgangsverfahren von den Fachgerichten lediglich auf 13.417 € festgesetzt, während sich der Gegenstandswert im Verfassungsbeschwerdeverfahren unter Berücksichtigung dieser Kriterien auf 45.000 € beläuft. Dementsprechend hat auch der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin seine Gebühren im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren nach einem Gegenstandswert geltend machen können, der weit höher war als der Streitwert, nach dem im Falle der Revision ein ausschließlich beim Bundesgerichtshof zugelassener Rechtsanwalt seine Kosten hätte ansetzen können.

23

(dd) Die Erstreckung der Anwendung des nach Nr. 3208 VVRVG erhöhten Gebührensatzes auf in Verfassungsbeschwerdeverfahren tätige Rechtsanwälte lässt sich schließlich entgegen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin nicht mit der geringen Anzahl mündlicher Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht rechtfertigen. In dem von dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zur Begründung dieser Ansicht in Bezug genommenen Beschluss vom 1. Juli 2004 hat der Bundesgerichtshof sich mit der Frage der Zubilligung des erhöhten Gebührensatzes an nicht lediglich beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte befasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2004 - I ZB 6/04 -, JurBüro 2005, S. 34 f.). Seiner Entscheidung lag zwar noch eine Gebührenbemessung nach § 11 Abs. 1 Satz 4 und Satz 5 BRAGO zugrunde. Seine Erwägungen können jedoch auf die Gebührensätze Nr. 3206 und Nr. 3208 VVRVG übertragen werden, führen diese doch die Regelungen des § 11 BRAGO inhaltlich fort (vgl. BTDrucks 15/1971, S. 214).

24

In dem Beschluss hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Erhöhung der Verfahrensgebühr in Verfahren vor dem Bundesgerichtshof für lediglich beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte ihrer besonderen Stellung und ihrem besonderen Aufgabenbereich geschuldet sei (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2004 - I ZB 6/04 -, JurBüro 2005, S. 34 <34>). Zwar hat der Bundesgerichtshof - wie seitens des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin insoweit zutreffend angeführt - darauf hingewiesen, dass die Änderungen durch das Gesetz zur Entlastung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen vom 15. August 1969 zu einer erheblichen Reduzierung mündlicher Verhandlungen und damit zu einem regelmäßigen Entfall der Verhandlungsgebühr geführt hätten, welche durch die Erhöhung der Verfahrensgebühr auszugleichen sei (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2004 - I ZB 6/04 -, JurBüro 2005, S. 34 <35>). Doch hat er diesen Ausgleich ausdrücklich allein beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten vorbehalten. Da ihr Tätigkeitsfeld eng begrenzt sei, müssten ihre Einkommenseinbußen ausgeglichen werden, um beim Bundesgerichtshof eine leistungsfähige Anwaltschaft zu erhalten. Diese Erwägung kann für nicht ausschließlich beim Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte nicht fruchtbar gemacht werden, deren sonstiger beruflicher Wirkungskreis durch die Übernahme eines Mandats in einem Verfassungsbeschwerdeverfahren keine Einschränkung erfährt.

Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(1) Für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind.

(3) Als Mittel der Glaubhaftmachung können auch eidesstattliche Versicherungen zugelassen werden. Der mit der Durchführung des Verfahrens befaßte Versicherungsträger ist für die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig; er gilt als Behörde im Sinne des § 156 des Strafgesetzbuchs.

(1) Den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz ist für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nach der Anlage 3 zugrunde zu legen. Abweichend von Satz 1 ist während der Zugehörigkeit zu einem Sonderversorgungssystem nach dem 30. Juni 1990 bis zum 31. Dezember 1990 der Betrag von 2 700 Deutsche Mark im Monat, vom 1. Januar 1991 bis zum 30. Juni 1991 der Betrag von 3 000 Deutsche Mark im Monat und vom 1. Juli 1991 bis zum 31. Dezember 1991 der Betrag vom 3 400 Deutsche Mark im Monat maßgebend. Satz 1 und 2 gilt auch, wenn die Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach den §§ 67 und 68 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder durch andere Träger der Teilhabe am Arbeitsleben nach den für diese geltenden Vorschriften aus einem Einkommen vor dem 1. Juli 1990 ermittelt wird.

(2) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

1.
Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2.
Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3.
Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4.
Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5.
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6.
Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7.
Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8.
Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9.
Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.

(3) (weggefallen)

(4) Für Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit wird neben Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen weiteres im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit bezogenes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt. Für Zeiten nach Satz 1 wird ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nicht berücksichtigt, wenn für denselben Zeitraum Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zu berücksichtigen sind. Soweit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde gelegt wird, gelten diese Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 4.

(5) Für Zeiten, für die der Verdienst nicht mehr nachgewiesen werden kann, gelten § 256b Abs. 1 und § 256c Abs. 1 und 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sinngemäß. Der maßgebende Verdienst ist zu ermitteln, indem der jeweilige, im Falle des § 256c Abs. 3 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch der um ein Fünftel erhöhte Wert der Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch durch den Faktor der Anlage 10 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch desselben Jahres geteilt wird. Der maßgebende Verdienst ist höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3, in den Fällen des Absatzes 2 oder 3 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag, der sich nach Anwendung von Absatz 2 ergibt, und in den Fällen des § 7 höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zu berücksichtigen.

(6) Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

(7) Für die Feststellung des berücksichtigungsfähigen Verdienstes sind die Pflichtbeitragszeiten dem Versorgungssystem zuzuordnen, in dem sie zurückgelegt worden sind. Dies gilt auch, soweit während der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung gezahlt worden sind oder Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem später in die freiwillige Zusatzrentenversicherung überführt worden sind.

(8) Für die Zuordnung der Zeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung sind die Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch anzuwenden. Im übrigen werden die Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung zugeordnet.

(9) Die Berechnungsgrundsätze des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch sind anzuwenden.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.

(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich

1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt

1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.

(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Sind Menschen mit Behinderungen auswärtig untergebracht, aber nicht in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen mit voller Verpflegung, so wird ein Betrag nach § 86 zuzüglich der behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbracht.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen.

(2) Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(3) Liegen die in § 48 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vor, ist dieser mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben. Abweichend von § 48 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches ist mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an ein Verwaltungsakt auch aufzuheben, soweit sich das Bemessungsentgelt auf Grund einer Absenkung nach § 200 Abs. 3 zu Ungunsten der Betroffenen oder des Betroffenen ändert.

(4) Liegen die Voraussetzungen für die Rücknahme eines Verwaltungsaktes vor, mit dem ein Anspruch auf Erstattung des Arbeitslosengeldes durch Arbeitgeber geltend gemacht wird, ist dieser mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

(5) (weggefallen)

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

Sind Menschen mit Behinderungen auswärtig untergebracht, aber nicht in einem Wohnheim, einem Internat oder einer besonderen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen mit voller Verpflegung, so wird ein Betrag nach § 86 zuzüglich der behinderungsbedingten Mehraufwendungen erbracht.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt vor, wenn

1.
die oder der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe),
2.
die bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldete (§ 38 Absatz 1) oder die arbeitslose Person trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine von der Agentur für Arbeit unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht annimmt oder nicht antritt oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch ihr Verhalten verhindert (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung),
3.
die oder der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die von der Agentur für Arbeit geforderten Eigenbemühungen nicht nachweist (Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen),
4.
die oder der Arbeitslose sich weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung (§ 45) oder einer Maßnahme zur beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung oder einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben teilzunehmen (Sperrzeit bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
5.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einer in Nummer 4 genannten Maßnahme abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einer dieser Maßnahmen gibt (Sperrzeit bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme),
6.
die oder der Arbeitslose sich nach einer Aufforderung der Agentur für Arbeit weigert, trotz Belehrung über die Rechtsfolgen an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes oder an einem Kurs der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a des Aufenthaltsgesetzes teilzunehmen, der jeweils für die dauerhafte berufliche Eingliederung notwendig ist (Sperrzeit bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
7.
die oder der Arbeitslose die Teilnahme an einem in Nummer 6 genannten Kurs abbricht oder durch maßnahmewidriges Verhalten Anlass für den Ausschluss aus einem dieser Kurse gibt (Sperrzeit bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung),
8.
die oder der Arbeitslose einer Aufforderung der Agentur für Arbeit, sich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen (§ 309), trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht nachkommt oder nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei Meldeversäumnis),
9.
die oder der Arbeitslose der Meldepflicht nach § 38 Absatz 1 nicht nachgekommen ist (Sperrzeit bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung).
Die Person, die sich versicherungswidrig verhalten hat, hat die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese Tatsachen in ihrer Sphäre oder in ihrem Verantwortungsbereich liegen.

(2) Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit fällt, mit dem Ende dieser Sperrzeit. Werden mehrere Sperrzeiten durch dasselbe Ereignis begründet, folgen sie in der Reihenfolge des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 1 bis 9 einander nach.

(3) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe beträgt zwölf Wochen. Sie verkürzt sich

1.
auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von sechs Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte,
2.
auf sechs Wochen, wenn
a)
das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwölf Wochen nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet, ohne eine Sperrzeit geendet hätte oder
b)
eine Sperrzeit von zwölf Wochen für die arbeitslose Person nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten würde.

(4) Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, bei Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Abbruch einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme, bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung oder bei Abbruch eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung beträgt

1.
im Fall des erstmaligen versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art drei Wochen,
2.
im Fall des zweiten versicherungswidrigen Verhaltens dieser Art sechs Wochen,
3.
in den übrigen Fällen zwölf Wochen.
Im Fall der Arbeitsablehnung oder der Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme nach der Meldung zur frühzeitigen Arbeitsuche (§ 38 Absatz 1) im Zusammenhang mit der Entstehung des Anspruchs gilt Satz 1 entsprechend.

(5) Die Dauer einer Sperrzeit bei unzureichenden Eigenbemühungen beträgt zwei Wochen.

(6) Die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis oder bei verspäteter Arbeitsuchendmeldung beträgt eine Woche.

(1) Anspruch auf Arbeitslosengeld hat auch, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt.

(2) Bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer, die oder der vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war, gelten die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit als erfüllt, wenn sie oder er

1.
bei Eintritt in die Maßnahme einen Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit hätte, der weder ausgeschöpft noch erloschen ist, oder
2.
die Anwartschaftszeit im Fall von Arbeitslosigkeit am Tag des Eintritts in die Maßnahme der beruflichen Weiterbildung erfüllt hätte; insoweit gilt der Tag des Eintritts in die Maßnahme als Tag der Arbeitslosmeldung.

(1) Arbeitslos ist, wer Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer ist und

1.
nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit),
2.
sich bemüht, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen), und
3.
den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

(2) Eine ehrenamtliche Betätigung schließt Arbeitslosigkeit nicht aus, wenn dadurch die berufliche Eingliederung der oder des Arbeitslosen nicht beeinträchtigt wird.

(3) Die Ausübung einer Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit, Tätigkeit als mithelfende Familienangehörige oder mithelfender Familienangehöriger (Erwerbstätigkeit) schließt die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wenn die Arbeits- oder Tätigkeitszeit (Arbeitszeit) weniger als 15 Stunden wöchentlich umfasst; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet.

(4) Im Rahmen der Eigenbemühungen hat die oder der Arbeitslose alle Möglichkeiten zur beruflichen Eingliederung zu nutzen. Hierzu gehören insbesondere

1.
die Wahrnehmung der Verpflichtungen aus der Eingliederungsvereinbarung,
2.
die Mitwirkung bei der Vermittlung durch Dritte und
3.
die Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit.

(5) Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht zur Verfügung, wer

1.
eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf,
2.
Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann,
3.
bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und
4.
bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen.

Menschen mit Behinderungen haben Anspruch auf Übergangsgeld, wenn

1.
die Voraussetzung der Vorbeschäftigungszeit für das Übergangsgeld erfüllt ist und
2.
sie an einer Maßnahme der Berufsausbildung, der Berufsvorbereitung einschließlich einer wegen der Behinderung erforderlichen Grundausbildung, der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches, einer Maßnahme im Eingangsverfahren oder Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung teilnehmen, für die die besonderen Leistungen erbracht werden.
Im Übrigen gelten die Vorschriften des Kapitels 11 des Teils 1 des Neunten Buches, soweit in diesem Buch nichts Abweichendes bestimmt ist. Besteht bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die allgemeinen Leistungen erbracht werden, kein Anspruch auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, erhalten Menschen mit Behinderungen Übergangsgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes, wenn sie bei Teilnahme an einer Maßnahme, für die die besonderen Leistungen erbracht werden, Übergangsgeld erhalten würden.

(1) Die Agentur für Arbeit hat unverzüglich nach der Ausbildungsuchendmeldung oder Arbeitsuchendmeldung zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden die für die Vermittlung erforderlichen beruflichen und persönlichen Merkmale, beruflichen Fähigkeiten und die Eignung festzustellen (Potenzialanalyse). Die Potenzialanalyse erstreckt sich auch auf die Feststellung, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird.

(2) In einer Eingliederungsvereinbarung, die die Agentur für Arbeit zusammen mit der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden trifft, werden für einen zu bestimmenden Zeitraum festgelegt

1.
das Eingliederungsziel,
2.
die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit,
3.
welche Eigenbemühungen zur beruflichen Eingliederung die oder der Ausbildungsuchende oder die oder der Arbeitsuchende in welcher Häufigkeit mindestens unternehmen muss und in welcher Form diese nachzuweisen sind,
4.
die vorgesehenen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung.
Die besonderen Bedürfnisse behinderter und schwerbehinderter Menschen sollen angemessen berücksichtigt werden.

(3) Der oder dem Ausbildungsuchenden oder der oder dem Arbeitsuchenden ist eine Ausfertigung der Eingliederungsvereinbarung auszuhändigen. Die Eingliederungsvereinbarung ist sich ändernden Verhältnissen anzupassen; sie ist fortzuschreiben, wenn in dem Zeitraum, für den sie zunächst galt, die Ausbildungssuche oder Arbeitsuche nicht beendet wurde. Sie ist spätestens nach sechsmonatiger Arbeitslosigkeit, bei arbeitslosen und ausbildungsuchenden jungen Menschen spätestens nach drei Monaten, zu überprüfen. Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die nach Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 erforderlichen Eigenbemühungen durch Verwaltungsakt festgesetzt werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.