Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2016 - 2 StR 159/15

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:030216U2STR159.15.0
bei uns veröffentlicht am03.02.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 159/15
vom
3. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:030216U2STR159.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 3. Februar 2016, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Bartel,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung, Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten,
Rechtsanwältin als Vertreterin des Nebenklägers ,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
I. 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2014 aufgehoben, soweit die im Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2013 – 213 Js 22014/13 917 B-Cs – angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis des Angeklagten, die Einziehung seines Führerscheins und die Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis aufrechterhalten worden sind. Die Aufrechterhaltung der Maßregel entfällt.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet.
3. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten einschließlich der dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen bleibt einer abschließenden Entscheidung vorbehalten.
II. Die Revision des Nebenklägers gegen das vorgenannte Urteil wird verworfen.
Der Nebenkläger hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus drei Strafbefehlen und Aufrechterhaltung einer früheren Maßregel gemäß §§ 69, 69a StGB zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt, von denen sechs Monate als bereits vollstreckt gelten. Außerdem hat es den Angeklagten verurteilt, an den Nebenkläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro nebst Zinsen, abzüglich bereits gezahlter Beträge, zu zahlen. Darüber hinaus hat es festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, dem Nebenkläger sämtliche ihm aus der Tat vom 19. Juli 2009 künftig noch entstehenden materiellen oder weiteren immateriellen Schäden zu ersetzen, soweit nicht Ansprüche auf Dritte übergegangen sind. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Nebenklägers und des Angeklagten. Das Rechtsmittel des Angeklagten hat nur den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg. Die Revision des Nebenklägers ist unbegründet.

A.

2
I. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgendes festgestellt:
3
1. Der Angeklagte lernte im April 2005 Frau P. -C. kennen. Beide gingen eine Beziehung ein, die bis Ende 2008 andauerte und durch häufige Streitigkeiten, wechselseitige Eifersucht und gewalttätige Übergriffe des Angeklagten geprägt war. Kurz vor Beendigung der Beziehung kam es am Abend des 5. Dezember 2008 zu einer verbalen Auseinandersetzung in der gemeinsamen Wohnung. Der Angeklagte wollte Geschlechtsverkehr, den die Zeugin P. -C. ablehnte. Sie erklärte, für sie sei die Beziehung beendet. Der Angeklagte schlug ihr daraufhin aus Zorn mit der Hand auf das rechte Ohr. Dies führte zu einem Riss des Trommelfells (Fall II.1. der Urteilsgründe ).
4
2. Am Abend des 18. Juli 2009 besuchte der Angeklagte zusammen mit seinem Cousin A. und einem Bekannten, dem Zeugen Z. , mehrere Gaststätten. Er trank dort jeweils eine unbekannte Menge Whisky mit Cola. In den frühen Morgenstunden des 19. Juli 2009 fuhr ihn sein Bekannter Z. nach Hause. Der Angeklagte ließ sich in der Nähe der Wohnung der Zeugin P. -C. absetzen, die sich inzwischen von ihm getrennt hatte. Gegen 7.00 Uhr ging er zu deren Wohnung, um sie wegen seiner Vermutung, sie habe einen neuen Freund, zur Rede zu stellen. Er gelangte ins Treppenhaus und klopfte lautstark gegen die Wohnungstür, rief nach ihr und verlangte mit ihr zu sprechen. Frau P. -C. hatte mit C. die Nacht im Wohnzimmer verbracht. Sie wollte den Angeklagten im Treppenhaus hinhalten, während der Nebenkläger die Polizei rufen sollte. Daher verließ sie die Wohnung und zog die Wohnungstür hinter sich zu. Sie traf den Angeklagten im Hausflur an. Dieser hielt ihr vor, dass sie einen neuen Freund habe. Als der Angeklagte die Stimme des Nebenklägers durch die Wohnungstür hörte, geriet er in Wut. Er wollte diesem eine Abreibung verpassen und sich dadurch zugleich an der Zeugin P. -C. rächen. Deshalb brach er die Wohnungstür auf, nahm ein an die Wand gelehntes Bügelbrettgestänge und schlug es dem Nebenkläger mindestens zweimal wuchtig auf den Kopf. Dabei nahm er zwar nicht den Tod des Nebenklägers in Kauf, er handelte aber „in der Absicht, dem neuen Freund seiner früheren Lebensgefährtin erhebliche Verletzungen beizubringen, wobei er es für möglich hielt, dass der Nebenkläger durch die Schläge schwere Kopfverletzungen mit unter Umständen längerfristigen schwerwiegenden Folgen für die geistig-körperliche Gesundheit seines Opfers erleiden würde.“ Durch die Schläge wurde der Nebenkläger sofort bewusstlos.
Das Bügelbrettgestänge zerfiel in seine Einzelteile. Anschließend ließ der Angeklagte seine Wut weiter an der Wohnungseinrichtung aus.
5
Der Nebenkläger erlitt eine offene Schädel-Hirn-Verletzung mit Impressionsfraktur der Kalotte. Es kam zu Einblutungen in die Hirnoberfläche. Infolge dieser Verletzung leidet der Nebenkläger seit der Tat dauerhaft unter Epilepsie mit wiederkehrenden Krampfanfällen. Er ist zu 80 % schwerbehindert und hat nach Verlust seines Arbeitsplatzes kaum noch Aussichten, eine Arbeitsstelle zu finden (Fall II.2. der Urteilsgründe).
6
II. Das Landgericht hat zum Fall II.2. der Urteilsgründe angenommen, ein Tötungsvorsatz des Angeklagten sei nicht sicher festzustellen. Er habe aus Wut und Eifersucht gehandelt und dabei keine Sicherungsmaßnahmen gegen die Entdeckung seiner Täterschaft ergriffen. Ihm sei seine „Ehre“ wichtiger gewesen als die Belange anderer Menschen. Seine späteren SMS-Nachrichten an die Zeugin P. -C. offenbarten eine völlige Gleichgültigkeit gegenüber deren Befindlichkeit. Aggressive Übergriffe seien ihm nicht wesensfremd. Zur Tatzeit sei er alkoholbedingt enthemmt gewesen. Den Nebenkläger habe er dagegen nicht gekannt und gegen diesen persönlich keinen Groll gehegt. Es sei ihm in seiner Wut vor allem darum gegangen, seiner früheren Freundin eine Lektion zu erteilen, indem er sich an ihrem neuen Freund und der Wohnungseinrichtung vergriffen habe. Dabei habe er darauf vertraut, dass der Nebenkläger nicht sterben werde. Wäre ihm das Wohlergehen des Nebenklägers völlig gleichgültig gewesen, hätte er sich nicht nach der Tat nach ihm erkundigt.
7
III. Das Landgericht hat die Tat im Fall II.1. als vorsätzliche Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB, diejenige im Fall II.2. der Urteilsgründe als schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bewertet.

B.

8
Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Das Landgericht hat seine sachliche Zuständigkeit zu Recht angenommen.
9
I. Insoweit ist folgendes Prozessgeschehen zu erörtern:
10
Die Staatsanwaltschaft hatte am 5. Oktober 2009 Anklage zum Strafrichter bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main wegen vorsätzlicher Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung erhoben. Der Strafrichter hat das Hauptverfahren am 29. Januar 2010 eröffnet. In der Hauptverhandlung vom 25. Februar 2010 verwies er die Sache gemäß § 270 Abs. 1 StPO an das Schöffengericht. Dies sei erforderlich, weil sich nach der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ergeben habe, dass der Angeklagte hinreichend verdächtig sei, eine schwere Körperverletzung begangen zu haben.
11
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten durch Urteil vom 17. August 2011 wegen vorsätzlicher Körperverletzung und schwerer Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und erließ – nach einem Teilanerkenntnis – ein Feststellungsurteil im Adhäsionsverfahren. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein, die er später auf den Strafausspruch beschränkte. Auch der Nebenkläger legte Berufung ein, ohne zunächst einen Antrag zu stellen und die Zielrichtung seines Rechtsmittels zu begründen. Ihm wurde das Urteil des Schöffengerichts versehentlich nicht zugestellt. Unter dem 27. März 2012 beantragte er, die Sache wegen Verdachts des tateinheitlich versuchten Totschlags an die Schwurgerichtskammer beim Landgericht zu verweisen.
12
Durch Beschluss vom 26. April 2012 sprach der Vorsitzende der Berufungskammer aus, es bestehe der hinreichende Tatverdacht, dass der Angeklagte versucht habe, einen Menschen zu töten. Daher halte er gemäß „§ 270 Abs. 1 StPO“ die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für gegeben. Gegen diesen Beschluss legte der Angeklagte Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht verwarf die Beschwerde am 18. Juni 2012 als unstatthaft und führte aus, der Sache nach handele es sich um eine Vorlage entsprechend § 225a Abs. 1 Satz 1 StPO. Diese sei nicht mit der Beschwerde anfechtbar.
13
Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts übernahm durch Beschluss vom 8. Oktober 2012 das Verfahren, formulierte den Anklagesatz zu Fall II.2. dahin neu, dass bezüglich der Tat vom 19. Juli 2009 versuchter Totschlag in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung und mit gefährlicher Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung in Betracht komme und eröffnete das Hauptverfahren.
14
II. Aus diesem Prozessgeschehen ergibt sich kein Verfahrenshindernis.
15
Die Beschwerdeführer haben insoweit keine Verfahrensrüge erhoben. Die umstrittene Frage, ob eine solche erforderlich ist, kann aber offenbleiben, weil auch im Fall einer Überprüfung von Amts wegen kein Verfahrenshindernis festzustellen ist.
16
Gemäß § 6 StPO ist die sachliche Zuständigkeit des zur Urteilsfindung berufenen Strafgerichts von Amts wegen zu prüfen. Nach § 269 StPO bleibt es aber im Hauptverfahren bei der Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung, nachdem die Sache dort rechtshängig geworden ist. Die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung schließt nämlich diejenige eines Gerichts niederer Ordnung ein. Eine Ausnahme hiervon nimmt die Rechtsprechung nur dann an, wenn eine die Rechtshängigkeit begründende Gerichtsentscheidung objektiv willkürlich ergangen ist und dadurch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt wurde (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1997 – 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 55 f.).
17
Streitig ist die Frage, ob ein solcher Ausnahmefall, der zur Unanwendbarkeit von § 269 StPO führt, gemäß § 6 StPO vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (so BGH, Beschluss vom 12. Dezember 1991 – 4 StR 506/91, BGHSt 38, 172, 176; Urteil vom 27. Februar 1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212; Beschluss vom 21. April 1994 – 4 StR 136/94, BGHSt 40, 120, 122 ff.), oder ob eine solche Überprüfung nur aufgrund einer Verfahrensrüge erfolgt (so BGH, Beschluss vom 30. Juli 1996 – 5 StR 288/95, BGHSt 42, 205, 212 ff.; Urteil vom 22. April 1997 – 1 StR 701/96, BGHSt 43, 53, 56).
18
Der Senat kann offen lassen, welcher Auffassung zu folgen ist, weil hier objektive Willkür offensichtlich nicht vorliegt:
19
1. Objektiv fiel die Aburteilung des angeklagten Lebenssachverhalts in die Zuständigkeit der Schwurgerichtskammer, da hier ein hinreichender Tatverdacht für ein tateinheitlich begangenes versuchtes Tötungsdelikt gegeben war. So hatte der Angeklagte nach der Tat den Bruder der Zeugin P. - C. aufgefordert nachzusehen, „ob der Typ tot sei“. Außerdem hatte der Angeklagte geäußert, dass er sich der Polizei stellen werde, wenn der Geschädigte die Tatfolgen überleben würde. Daraus könnte rückblickend darauf geschlossen werden, dass der Angeklagte auch bei der Begehung der Tat mit tödlichen Folgen seiner Handlung gerechnet hatte. Hinzu kommt, dass die wuchtigen Schläge des Angeklagten mit dem Gestänge auf den Kopf des Geschädigten äußerst gefährliche Gewalthandlungen waren. Dies ist nach der Rechtsprechung ein Indiz dafür, dass der Täter die Möglichkeit der Tötung des Opfers auch ernsthaft in Betracht gezogen und billigend in Kauf genommen hat (BeckOK-StGB/Eschelbach, StGB, 30. Ed., § 212 Rn. 21; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 212 Rn. 8 jew. mwN).
20
2. Ob die Übernahme des Verfahrens durch das Landgericht auf Vorlage des Vorsitzenden der Berufungskammer eine Rechtsgrundlage in § 225 Abs. 1 StPO findet, kann ebenfalls dahinstehen.
21
§ 225a StPO gestattet es den Gerichten im Stadium der Hauptverhandlung eine Änderung der sachlichen Zuständigkeit herbeizuführen. § 323 Abs. 1 StPO verweist für die Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung jedoch nur auf die §§ 214 und 216 bis 225 StPO, hingegen nicht auf § 225a StPO. Für den Fall, dass das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen hat, sieht § 328 Abs. 2 StPO vor, dass das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht verweist.
22
Daraus wird in der Literatur zum Teil gefolgert, dass eine entsprechende Anwendung des § 225a StPO im Berufungsverfahren ausscheide (so BeckOKStPO /Eschelbach, StPO, 24. Ed., § 328 Rn. 1; LR/Gollwitzer, StPO, 25. Aufl., § 225a Rn. 6; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 226a Rn. 2).
23
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 306/02, BGHR StPO § 225a Anwendungsbereich
1) und nach der herrschenden Ansicht in der Literatur (vgl. Britz in Radtke/ Hohmann, StPO 2011, § 225a Rn. 1; SK/Deiters/Albrecht, StPO, 5. Aufl., § 225a Rn. 3; KK/Gmel, StPO, 7. Aufl., § 225a Rn. 4; SSW/Grube, StPO, 2. Aufl., § 225a Rn. 4; Hegmann NStZ 2000, 574, 575; LR/Jäger, StPO, 26. Aufl., § 225a Rn. 6) ist § 225a StPO im Berufungsverfahren entsprechend anwendbar. Dass der Gesetzgeber diese Vorschrift in § 323 Abs. 1 StPO nicht erwähnt hat, sei ein Redaktionsversehen. Für die entsprechende Anwendung des § 225a StPO im Stadium der Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung spreche das Interesse an einem beschleunigten und prozesswirtschaftlichen Verfahren.
24
Soweit das Landgericht der Sache nach entsprechend § 225a StPO verfahren ist, hat es sich an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs orientiert. Dies ist offensichtlich nicht willkürlich.
25
3. Unschädlich ist, dass die Schwurgerichtskammer auch die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen hat. Ein solcher Eröffnungsbeschluss ist im Verfahren entsprechend § 225a StPO entbehrlich, weil die Eröffnung des Hauptverfahrens bereits durch das Amtsgericht beschlossen worden ist (LR/Jäger, StPO, § 225a Rn. 21). Der gleichwohl ergangene Eröffnungsbeschluss des Landgerichts führt nicht zu einer doppelten Rechtshängigkeit der Sache.

C.

26
Die Revision des Angeklagten ist – mit Ausnahme der Einbeziehung einer früher verhängten Maßregel gemäß §§ 69, 69a StGB – unbegründet, soweit sie den strafrechtlichen Teil des Urteils betrifft. Die Entscheidung über den Rechtsmittelangriff des Angeklagten gegen den Adhäsionsausspruch stellt der Senat zurück.
27
I. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2015 genannten Gründen unbegründet.
28
II. Die Sachrüge hat keinen Erfolg, soweit sie sich gegen den Schuldund Strafausspruch richtet.
29
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch auch im Fall II.2. der Urteilsgründe.
30
Die Epilepsie des Nebenklägers ist eine geistige Krankheit oder Behinderung im Sinne von § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2007 – 1 StR 429/06, NStZ 2007, 325; BeckOK-StGB/Eschelbach, StGB, 30. Ed., § 226 Rn. 27; Fischer, StGB, § 226 Rn. 10; MünchKomm/Hardtung, StGB, 2. Aufl., § 226 Rn. 40; a.A. NK/Paeffgen, StGB, 4. Aufl., § 226 Rn. 35). Diese schwere Folge hat der Angeklagte durch die vorsätzliche Körperverletzung jedenfalls fahrlässig verursacht (§ 18 StGB).
31
Die Annahme von Tateinheit zwischen der gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und der schweren Körperverletzung (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 StR 408/08, BGHSt 53, 23, 24).
32
2. Gegen die Strafzumessungsentscheidung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
33
a) Das Landgericht hat durch Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte einen minderschweren Fall der schweren Körperverletzung verneint. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
34
Ein vertypter Milderungsgrund greift nicht ein.
35
aa) Das Landgericht hat eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der Tat vom 19. Juli 2009 im Sinne von § 21 StGB rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
36
(1) Nachdem Feststellungen zum Umfang der Alkoholaufnahme vor der Tat nicht getroffen werden konnten, durfte das Landgericht die Frage einer alkoholbedingten Verringerung des Hemmungsvermögens allein anhand des Leistungsverhaltens des Angeklagten überprüfen. Insoweit hat es unter anderem auf die Einschätzung der Zeugin P. -C. abgestellt, die den Angeklagten kannte und bei diesem keine Ausfallerscheinungen bemerkt hat.
Ferner hat es die Alkoholgewöhnung des Angeklagten berücksichtigt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
37
(2) Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Landgericht unter Berücksichtigung der anerkannten Beurteilungskriterien (vgl. BGH, Beschluss vom 3. August 1993 – 4 StR 138/93, StV 1993, 637; Sass in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 351 ff.) eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung infolge eines Affektsturms ausgeschlossen.
38
bb) Trotz der vom Angeklagten geleisteten Schmerzensgeldzahlungen kommt eine Anwendung von § 46a Nr. 1 StGB nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an dem erforderlichen kommunikativen Prozess.
39
§ 46a Nr. 1 StGB setzt nach seiner gesetzgeberischen Intention (BTDrucks. 12/6853, S. 21 f.) einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (BGH, Urteil vom 5. November 2014 – 1 StR 327/14, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 12; SSW/Eschelbach, StGB, 2. Aufl., § 46a Rn. 24; Fischer, StGB, § 46a Rn. 10a). Eine irgendwie geartete Kommunikation zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten hat es nach den Feststellungen des Landgerichts nicht gegeben.
40
b) Eine Verletzung des Verschlechterungsverbots aus § 331 Abs. 1 StPO liegt nicht vor, obwohl das Schwurgericht im Fall II.2. eine höhere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hat, als dies zuvor durch das Schöffengericht beim Amtsgericht geschehen war. Zwar ist diese Vorschrift nach vorherrschender Auffassung auch dann zu beachten, wenn das ursprüngliche Berufungsverfahren durch Übernahme des Verfahrens durch das Gericht höherer Ordnung oder Verweisungsurteil in ein erstinstanzliches Verfahren umgewandelt wurde (vgl.
BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 − 4 StR 452/04; BeckOK-StPO/ Eschelbach, StPO, 24. Ed., § 331 Rn. 2; SK-StPO/Frisch, StPO, 4. Aufl., § 331 Rn. 30; LR/Gössel, StPO, § 331 Rn. 17; a.A. Meyer-Goßner, Prozessvoraussetzungen und Prozesshindernisse, 2011, S. 81 ff.). Das Verschlechterungsverbot gilt aber nur, wenn ausschließlich der Angeklagte eine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts eingelegt hat; es ist ohne Bedeutung , wenn die Staatsanwaltschaft oder – wie hier – ein Nebenkläger das Urteil zuungunsten des Angeklagten angegriffen hat.
41
3. Keinen Bestand hat die Aufrechterhaltung der aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 16. Juli 2013 einbezogenen Maßregel gemäß §§ 69, 69a StPO. Sie ist – wie vom Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt – durch Ablauf der Sperrfrist erledigt. Der Ausspruch über die Aufrechterhaltung der Maßregel muss daher entfallen.
42
III. Die Entscheidung über die Revision des Angeklagten gegen den Adhäsionsausspruch bleibt einer abschließenden Entscheidung des Senats vorbehalten.
43
Der Senat hat mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14 – bei den anderen Strafsenaten sowie beim Großen Senat für Zivilsachen gemäß § 132 GVG angefragt, ob an der Rechtsprechung, die bei der Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Schädigers und des Geschädigten erfordert, festgehalten wird. Er beabsichtigt diese Rechtsprechung aufzugeben. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen. Der Senat sieht sich mit Blick auf die vorgenannte Entscheidung gehindert, über die Revision des Angeklagten , soweit der Adhäsionsausspruch betroffen ist, zu entscheiden. Im Hinblick darauf, dass über diesen Teil der Revision des Angeklagten in absehbarer Zeit nicht entschieden werden kann, war es geboten, über den strafrechtlichen Teil des angefochtenen Urteils vorab zu entscheiden. Eine solche Teilerledigung des Rechtsmittels war hier ausnahmsweise zulässig (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14).

D.

44
Die Revision des Nebenklägers ist unbegründet.
45
I. Die Verfahrensrüge, mit welcher der Nebenkläger die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, weil das Landgericht nach erfolgter Übernahme des Verfahrens im Verlauf der Hauptverhandlung nicht darauf hingewiesen habe, dass eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags im Fall II.2. der Urteilsgründe unter Umständen nicht erfolgen werde, hat keinen Erfolg.
46
Der Angeklagte war zuvor durch das Schöffengericht unter anderem wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Der Nebenkläger musste danach auch mit der Möglichkeit rechnen, dass es damit sein Bewenden haben könnte, wenn die Schwurgerichtskammer nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Tat gelangen würde. Die zugelassene Anklage der Staatsanwaltschaft wegen gefährlicher Körperverletzung, der rechtliche Hinweis des Amtsgerichts darauf, dass auch eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung in Betracht komme, und dessen – später gegenstandslos gewordenes – Urteil erfüllten insoweit in ausreichendem Maße die vom Gesetz geforderte Informationsfunktion.
47
II. Soweit sich die Sachrüge des Nebenklägers dagegen richtet, dass das Landgericht den Angeklagten nicht auch wegen versuchten Totschlags zu seinem Nachteil verurteilt hat, ist die Revision ebenfalls unbegründet.
48
Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat die Art, Zielrichtung und Wirkung der Gewalthandlungen und mögliche Indizien für die Vorsatzrichtung des Angeklag- ten und auch dessen Verfassung zur Tatzeit sowie sein Handlungsmotiv be- rücksichtigt und ausführlich erörtert. Wenn es danach „einen Tötungsvorsatz nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen“ konnte, liegt darin kein Rechtsfehler.
49
III. Der Revisionsangriff des Nebenklägers auf die Adhäsionsentscheidung ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 10. Juni 2015 genannten Gründen unzulässig. Appl Eschelbach Ott Zeng Bartel

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Strafprozeßordnung - StPO | § 225a Zuständigkeitsänderung vor der Hauptverhandlung


(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das

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(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen. (2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungs

Strafprozeßordnung - StPO | § 69 Vernehmung zur Sache


(1) Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorh

Strafprozeßordnung - StPO | § 269 Verbot der Verweisung bei Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung


Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

Strafprozeßordnung - StPO | § 214 Ladungen durch den Vorsitzenden; Herbeischaffung der Beweismittel


(1) Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende an. Zugleich veranlasst er die nach § 397 Absatz 2 Satz 3, § 406d Absatz 1 und § 406h Absatz 2 Satz 2 erforderlichen Benachrichtigungen vom Termin; § 406d Absatz 4 gilt entsp

Strafprozeßordnung - StPO | § 216 Ladung des Angeklagten


(1) Die Ladung eines auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten geschieht schriftlich unter der Warnung, daß im Falle seines unentschuldigten Ausbleibens seine Verhaftung oder Vorführung erfolgen werde. Die Warnung kann in den Fällen des § 232 unterblei

Strafprozeßordnung - StPO | § 225 Einnahme des richterlichen Augenscheins durch beauftragte oder ersuchte Richter


Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch ein richterlicher Augenschein einzunehmen, so sind die Vorschriften des § 224 anzuwenden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 323 Vorbereitung der Berufungshauptverhandlung


(1) Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 214 und 216 bis 225a. In der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen. (2) Die Ladung der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen

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Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2016 - 2 StR 159/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Feb. 2016 - 2 StR 159/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2014 - 2 StR 337/14

bei uns veröffentlicht am 08.10.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 S t R 1 3 7 / 1 4 2 S t R 3 3 7 / 1 4 vom 8. Oktober 2014 in den Strafsachen gegen 1. 2. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a. hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG Der 2. Strafsenat des Bundesge

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2014 - 2 StR 137/14

bei uns veröffentlicht am 08.10.2014

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Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Okt. 2008 - 3 StR 408/08

bei uns veröffentlicht am 21.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 408/08 vom 21. Oktober 2008 Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja ___________________________________ StGB § 224 Abs. 1 Nr. 5, § 226 Die gefährliche Körperverletzung in der Qualifikationsform der.

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2014 - 1 StR 327/14

bei uns veröffentlicht am 05.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 3 2 7 / 1 4 vom 5. November 2014 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November 2014, an der teilge

Referenzen

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Hält ein Gericht nach Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Ebenso ist zu verfahren, wenn das Gericht einen rechtzeitig geltend gemachten Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält.

(2) In dem Beschluß bezeichnet das Gericht den Angeklagten und die Tat gemäß § 200 Abs. 1 Satz 1.

(3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach § 210.

(4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen worden ist.

(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.

(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.

Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre.

Das Gericht hat seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen.

Ist zur Vorbereitung der Hauptverhandlung noch ein richterlicher Augenschein einzunehmen, so sind die Vorschriften des § 224 anzuwenden.

(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.

(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.

(1) Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 214 und 216 bis 225a. In der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen.

(2) Die Ladung der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann unterbleiben, wenn ihre wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. Sofern es erforderlich erscheint, ordnet das Berufungsgericht die Übertragung einer als Tonaufzeichnung zur Akte genommenen Vernehmung gemäß § 273 Abs. 2 Satz 2 in ein Protokoll an. Wer die Übertragung hergestellt hat, versieht diese mit dem Vermerk, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird. Der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und dem Angeklagten ist eine Abschrift des Protokolls zu erteilen. Der Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung ist zulässig. Das Protokoll kann nach Maßgabe des § 325 verlesen werden.

(3) Neue Beweismittel sind zulässig.

(4) Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist auf die von dem Angeklagten zur Rechtfertigung der Berufung benannten Personen Rücksicht zu nehmen.

(1) Die zur Hauptverhandlung erforderlichen Ladungen ordnet der Vorsitzende an. Zugleich veranlasst er die nach § 397 Absatz 2 Satz 3, § 406d Absatz 1 und § 406h Absatz 2 Satz 2 erforderlichen Benachrichtigungen vom Termin; § 406d Absatz 4 gilt entsprechend. Die Geschäftsstelle sorgt dafür, dass die Ladungen bewirkt und die Mitteilungen versandt werden.

(2) Ist anzunehmen, daß sich die Hauptverhandlung auf längere Zeit erstreckt, so soll der Vorsitzende die Ladung sämtlicher oder einzelner Zeugen und Sachverständigen zu einem späteren Zeitpunkt als dem Beginn der Hauptverhandlung anordnen.

(3) Der Staatsanwaltschaft steht das Recht der unmittelbaren Ladung weiterer Personen zu.

(4) Die Staatsanwaltschaft bewirkt die Herbeischaffung der als Beweismittel dienenden Gegenstände. Diese kann auch vom Gericht bewirkt werden.

(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.

(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.

(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen.

(2) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.

(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.

(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.

(1) Für die Vorbereitung der Hauptverhandlung gelten die Vorschriften der §§ 214 und 216 bis 225a. In der Ladung ist der Angeklagte auf die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen.

(2) Die Ladung der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann unterbleiben, wenn ihre wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. Sofern es erforderlich erscheint, ordnet das Berufungsgericht die Übertragung einer als Tonaufzeichnung zur Akte genommenen Vernehmung gemäß § 273 Abs. 2 Satz 2 in ein Protokoll an. Wer die Übertragung hergestellt hat, versieht diese mit dem Vermerk, dass die Richtigkeit der Übertragung bestätigt wird. Der Staatsanwaltschaft, dem Verteidiger und dem Angeklagten ist eine Abschrift des Protokolls zu erteilen. Der Nachweis der Unrichtigkeit der Übertragung ist zulässig. Das Protokoll kann nach Maßgabe des § 325 verlesen werden.

(3) Neue Beweismittel sind zulässig.

(4) Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist auf die von dem Angeklagten zur Rechtfertigung der Berufung benannten Personen Rücksicht zu nehmen.

(1) Hält ein Gericht vor Beginn einer Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so legt es die Akten durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft diesem vor; § 209a Nr. 2 Buchstabe a gilt entsprechend. Das Gericht, dem die Sache vorgelegt worden ist, entscheidet durch Beschluß darüber, ob es die Sache übernimmt.

(2) Werden die Akten von einem Strafrichter oder einem Schöffengericht einem Gericht höherer Ordnung vorgelegt, so kann der Angeklagte innerhalb einer bei der Vorlage zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, dem die Sache vorgelegt worden ist.

(3) In dem Übernahmebeschluß sind der Angeklagte und das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, zu bezeichnen. § 207 Abs. 2 Nr. 2 bis 4, Abs. 3 und 4 gilt entsprechend. Die Anfechtbarkeit des Beschlusses bestimmt sich nach § 210.

(4) Nach den Absätzen 1 bis 3 ist auch zu verfahren, wenn das Gericht vor Beginn der Hauptverhandlung einen Einwand des Angeklagten nach § 6a für begründet hält und eine besondere Strafkammer zuständig wäre, der nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zukommt. Kommt dem Gericht, das die Zuständigkeit einer anderen Strafkammer für begründet hält, vor dieser nach § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes der Vorrang zu, so verweist es die Sache an diese mit bindender Wirkung; die Anfechtbarkeit des Verweisungsbeschlusses bestimmt sich nach § 210.

(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Einer weiteren Prüfung nach § 62 bedarf es nicht.

(2) Ist die rechtswidrige Tat in den Fällen des Absatzes 1 ein Vergehen

1.
der Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315c),
1a.
des verbotenen Kraftfahrzeugrennens (§ 315d),
2.
der Trunkenheit im Verkehr (§ 316),
3.
des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142), obwohl der Täter weiß oder wissen kann, daß bei dem Unfall ein Mensch getötet oder nicht unerheblich verletzt worden oder an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist, oder
4.
des Vollrausches (§ 323a), der sich auf eine der Taten nach den Nummern 1 bis 3 bezieht,
so ist der Täter in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen.

(3) Die Fahrerlaubnis erlischt mit der Rechtskraft des Urteils. Ein von einer deutschen Behörde ausgestellter Führerschein wird im Urteil eingezogen.

(1) Entzieht das Gericht die Fahrerlaubnis, so bestimmt es zugleich, daß für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf (Sperre). Die Sperre kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht. Hat der Täter keine Fahrerlaubnis, so wird nur die Sperre angeordnet.

(2) Das Gericht kann von der Sperre bestimmte Arten von Kraftfahrzeugen ausnehmen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß der Zweck der Maßregel dadurch nicht gefährdet wird.

(3) Das Mindestmaß der Sperre beträgt ein Jahr, wenn gegen den Täter in den letzten drei Jahren vor der Tat bereits einmal eine Sperre angeordnet worden ist.

(4) War dem Täter die Fahrerlaubnis wegen der Tat vorläufig entzogen (§ 111a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Sperre um die Zeit, in der die vorläufige Entziehung wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.

(5) Die Sperre beginnt mit der Rechtskraft des Urteils. In die Frist wird die Zeit einer wegen der Tat angeordneten vorläufigen Entziehung eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(6) Im Sinne der Absätze 4 und 5 steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

(7) Ergibt sich Grund zu der Annahme, daß der Täter zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr ungeeignet ist, so kann das Gericht die Sperre vorzeitig aufheben. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, wenn die Sperre drei Monate, in den Fällen des Absatzes 3 ein Jahr gedauert hat; Absatz 5 Satz 2 und Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

Knüpft das Gesetz an eine besondere Folge der Tat eine schwerere Strafe, so trifft sie den Täter oder den Teilnehmer nur, wenn ihm hinsichtlich dieser Folge wenigstens Fahrlässigkeit zur Last fällt.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Hat die Körperverletzung zur Folge, daß die verletzte Person

1.
das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2.
ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3.
in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in Siechtum, Lähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(2) Verursacht der Täter eine der in Absatz 1 bezeichneten Folgen absichtlich oder wissentlich, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(3) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 408/08
vom
21. Oktober 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Die gefährliche Körperverletzung in der Qualifikationsform der lebensgefährdenden
Behandlung steht in Tateinheit mit der durch die Tathandlung verursachten
schweren Körperverletzung.
BGH, Beschl. vom 21. Oktober 2008 - 3 StR 408/08 - LG Düsseldorf
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer Körperverletzung u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. Oktober 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 19. Mai 2008 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Zutreffend hat das Landgericht bei der Tat 3 Tateinheit zwischen der schweren Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung angenommen.
3
Nach den Feststellungen des Landgerichts geriet der angetrunkene Angeklagte mit seiner Ehefrau in einen Streit. Er bespritzte ihr Kopftuch und ihre Kleidung im Bereich des Halses und des Oberkörpers mit flüssigem Grillanzünder und setzte sie mit einem Feuerzeug in Brand. Dabei nahm er schmerzhafte und lebensgefährliche Brandverletzungen sowie lebenslang sichtbare Spuren an Gesicht und Oberkörper des Opfers zumindest billigend in Kauf. Die Ehefrau erlitt an Gesicht, Hals und Händen sowie im oberen Brustbereich Verbrennungen zweiten und dritten Grades. Sie musste einen Monat lang auf der Intensivstation für Schwerbrandverletzte behandelt werden. Trotz mehrerer Operationen hat sie in allen Transplantatbereichen bleibende, schmerzhafte Narben. Diese sind einen halben bis einen Zentimeter dick und wulstig sowie von deutlich roter Farbgebung, so dass das Opfer selbst auf eine Entfernung von mehreren Metern mit bloßem Auge als Brandverletzte erscheint. Eine Korrektur des Erscheinungsbildes ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht möglich.
4
Damit hat der Angeklagte eine schwere Körperverletzung in der Form der dauerhaften erheblichen Entstellung des Opfers (§ 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB) sowie eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) begangen. In dieser Begehungsform steht die gefährliche Körperverletzung zur schweren Körperverletzung in Tateinheit. Die Annahme von Gesetzeskonkurrenz (so Hirsch in LK 11. Aufl. § 226 Rdn. 39; Fischer in Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 226 Rdn. 20) würde das gesonderte Unrecht, das - über die schwere Folge der Körperverletzung hinausgehend - in der lebensgefährlichen Handlung liegt, nicht zum Ausdruck bringen (Lilie in LK 11. Aufl. § 224 Rdn. 41; Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 224 Rdn. 16; Horn/Wolters in SK-StGB § 226 Rdn. 27; so jetzt auch Fischer, StGB 55. Aufl. § 226 Rdn. 20 für die Variante des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB; noch offen gelassen von BGH, Beschl. vom 25. Juli 2007 - 2 StR 252/07); denn diese Folge wird, insbesondere auch in der Qualifikationsform der erheblichen dauerhaften Entstellung, weder regelmäßig noch gar notwendig durch eine das Leben (abstrakt) gefährdende Handlung bewirkt.
Becker Miebach Pfister Hubert Schäfer

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 2 7 / 1 4
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 24. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf zweier weiterer Taten hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, gestützt auf die Sachrüge, die Beweiswürdigung.
Sie wendet sich sowohl gegen die Nichtverurteilung wegen eines Sexualdelikts, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, als auch gegen den Teilfreispruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts, soweit er verurteilt wurde. Das in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel ist unbegründet.

A.

I.

Im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten hat das Landgericht im
4
Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der im Jahr 1979 geborene ledige Angeklagte hatte bereits mehrfach feste Beziehungen für einen Zeitraum von maximal einem Jahr. Anfang des Jahres 2012 wurde er wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat.
6
2. Anfang September 2012 lernte der Angeklagte über die Internetplatt- form „friend-Scout24“ dieNebenklägerin kennen. Nach mehreren telefonischen Kontakten und weiterer Kommunikation mittels SMS verabredeten sich beide für den 14. September 2012 an der Wohnung des Angeklagten in S. .
7
Am Nachmittag dieses Tages fragte die Nebenklägerin vor ihrer Abfahrt per SMS bei dem Angeklagten an, ob sie am Folgetag noch bei ihm duschen könne. Ebenfalls per SMS forderte der Angeklagte ein Foto von ihr in Unterwäsche , um überprüfen zu können, ob sie auch tatsächlich schlank sei. Die Ne- benklägerin lehnte dies ab, schickte ihm aber mittels MMS ein Bild von ihrem nackten Bauch sowie ein Ganzkörperfoto, jedoch in bekleidetem Zustand. Ihrer Mutter, die am 15. September 2012 gegen 15.00 Uhr einen Arzttermin hatte, versprach die Nebenklägerin, früh morgens wieder nach Hause zu fahren, sodass sie gegen Mittag spätestens wieder daheim sein werde.
8
Nachdem die Nebenklägerin am 14. September 2012 gegen 20.00 Uhr bei der Wohnung des Angeklagten in S. angekommen war, fuhren beide zunächst mit dem PKW des Angeklagten zu einer Lounge in R. , wo sie sich bis etwa 23.00 Uhr aufhielten. Der Angeklagte konsumierte dort keinen Alkohol; die Nebenklägerin trank etwa einen halben Longdrink. Das Gespräch beider hatte alltägliche Dinge ohne sexuellen Hintergrund zum Gegenstand.
9
Nach der gemeinsamen Rückkehr in seine Wohnung empfahl der Angeklagte der Nebenklägerin zur Entspannung und gegen den inneren Stress die Einnahme von Globuli. Die Nebenklägerin nahm daraufhin gegen Mitternacht fünf vom Angeklagten übergebene Tabletten mit Wasser ein. Er hatte diese zuvor aus dem oberen Fach des Wohnzimmerschranks geholt und als solche seiner Mutter bezeichnet, die als Heilpraktikerin tätig sei. Die Nebenklägerin machte sich über das Aussehen der Tabletten und die fehlende Verpackung keine Gedanken. Nach ihrer Meinung sahen die Tabletten wie Schüssler Salze aus; zudem hatte ihr der Angeklagte gesagt, „es sei nur etwas Pflanzliches“. Tatsächlich handelte es sich um benzodiazepinhaltige Tabletten wie Valium, deren Einnahme zu einer erheblich über dem therapeutischen Bereich von etwa 200 ng/ml liegenden Konzentration von insgesamt 700 ng/ml Diazepam im Blut führte.

10
Aufgrund der Wirkung der Tabletten trat bei der Nebenklägerin eine plötzliche Müdigkeit auf. Sie legte sich auf die Couch im Wohnzimmer des Angeklagten. Zuvor hatte sie, da sie ihre eigene mitgebrachte Schlafhose nicht mehr finden konnte, die Jogginghose des Angeklagten als Schlafhose erhalten und angezogen. Die Nebenklägerin geriet sodann in einen sedierten, muskulaturentspannten unnatürlichen Schlafzustand, in dem die ordnungsgemäßen körperlichen Funktionen, wie die Wahrnehmungsfähigkeit, gestört waren.
11
Als die Nebenklägerin nach Mitternacht im Bett des Angeklagten in dem beschriebenen Zustand „schlief“, fasste sie der Angeklagte massiv im Hüft-, Oberschenkel- sowie im gesamten Beinbereich an und verursachte dadurch insbesondere an ihrem linken Oberschenkel zwei schmerzhafte Hämatome und weitere Hämatome an ihren Beinen, sowie Hüftschmerzen. Desweiteren wurden ihr durch den Angeklagten die Beine auf die Brust gedrückt. Die Nebenklägerin spürte hierdurch einen länger anhaltenden Druck auf ihren Brustkorb. Die Handlungen des Angeklagten nahm die Nebenklägerin jeweils im Halbschlaf bei teilweisem Bewusstsein wahr.
12
Durch die verabreichten Mittel bestand die Gefahr des Erbrechens sowie der Aspiration, sodass für die Nebenklägerin aufgrund des nicht kontrollierbaren Zustands Lebensgefahr durch die Gefahr des Erstickens an Erbrochenem bestand.
13
Der Angeklagte wusste bei Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, dass diese eine schlafmittelähnliche Wirkung entfalteten, und wollte die Nebenklägerin in den unnatürlichen Schlafzustand bringen. Ihm war die gesundheitsschädliche Wirkung der Tabletten bewusst. Zudem erkannte er, dass deren Verabreichung zu einem für ihn nicht mehr kontrollierbaren Zustand der Nebenklägerin führen konnte mit der Möglichkeit einer Lebensgefahr in Form der Gefahr des Erstickens nach Erbrechen und Aspiration des Erbrochenen.
14
3. Am nächsten Morgen wachte die Nebenklägerin im Bett des Angeklagten auf; sie hatte nur noch ihren Slip, ihren BH und ein Achsel-T-Shirt an. Die Nebenklägerin konnte kaum aufstehen bzw. stehen bleiben und hatte Schmerzen im Hüftbereich. Während der Heimfahrt fühlte sie sich sehr müde und stark benommen. Nach ihrer Rückkehr gegen 14.00 Uhr schlief sie nochmals ein. Auch danach und am Folgetag verblieb es bei der Benommenheit und Übelkeit bzw. einem gewissen Rauschzustand der Nebenklägerin. Sie verständigte deshalb den medizinischen Notdienst.
15
4. Ein DNA-Vergleich der Spuren an dem von der Nebenklägerin in der Tatnacht getragenen Slip erbrachte am Bund (Außenseite sowie Innenseite) Y-chromosomale Merkmale, die in sieben von neun Merkmalen mit den Y-Chromosomen des Angeklagten übereinstimmten. Ein Spermatest im Zwickelbereich des Slips der Nebenklägerin sowie die Untersuchung eines Genitalabstrichs von ihr auf Spermien hin blieben negativ. Am Bett des Angeklagten befanden sich dessen Spermaspuren.
16
5. Im Zusammenhang mit dem festgestellten Geschehen hat das Landgericht auch zwei Ermittlungsvorgänge der Polizeidirektion Nabburg in den Blick genommen. Am 4. März 2010 hatte eine junge Frau berichtet, sie sei stark alkoholisiert gewesen und sei nach einem Diskothekenbesuch von dem Angeklagten heimgefahren worden. Sie konnte noch in der Nacht im PKW des Angeklagten aufgefunden werden. Die junge Frau behauptete später, es habe sich nach zwei Monaten der Verdacht einer Geschlechtskrankheit ergeben, die nicht von ihrem Freund habe stammen können. Ende März 2010 hatte eine andere junge Frau gegenüber der Polizei angegeben, im Mai 2009 in einer Diskothek in N. gewesen zu sein, sich aber an nichts mehr erinnern zu können, bis sie in der Wohnung des Angeklagten erwacht sei. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt.
17
6. In der Hauptverhandlung schloss der Angeklagte mit der Nebenklägerin nach einer Entschuldigung für die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten einen Vergleich, in dem er sich im Hinblick auf Ansprüche aus Delikt zur Zahlung von 5.000 Euro in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro verpflichtete.
18
7. Von dem festgestellten Tatgeschehen hat sich das Landgericht im Wesentlichen aufgrund eines Geständnisses des Angeklagten sowie der Angaben der Nebenklägerin überzeugt. Es hat die Richtigkeit des Geständnisses anhand von weiteren Zeugenaussagen sowie gestützt auf Sachverständigengutachten , insbesondere zur Konzentration der im Blut der Nebenklägerin festgestellten Benzodiazepine und der Wirkungen auf sie, überprüft.
19
8. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung durch Beibringen eines gesundheitsschädlichen Stoffes und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 StGB) gewertet. Die durch das Wenden und Drehen der Nebenklägerin entstandenen Hämatome hat das Landgericht als tateinheitlich begangene vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB eingestuft.
20
Von der Vornahme sexueller Handlungen (§ 184g Nr. 1 StGB) des Angeklagten an der Nebenklägerin und damit einer Sexualstraftat konnte sich das Landgericht nicht überzeugen (UA S. 24 f.). Es sei nicht zweifelsfrei festgestellt, dass die DNA-Spuren am Bund des Slips der Nebenklägerin von dem Angeklagten stammten. Zudem würde selbst solches nicht zwingend eine sexuelle Handlung belegen, weil die Spuren auch beim bloßen Entfernen der Kleidung entstanden sein konnten. Das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin durch den Angeklagten und die von ihm verursachten Hämatome ließen nach Auffassung des Landgerichts ebenfalls keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen des Angeklagten an der Nebenklägerin zu. Dasselbe gelte im Hinblick auf die beiden von der Polizeidirektion Nabburg gegen den Angeklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, die später eingestellt worden seien.
21
9. Das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung lehnte das Landgericht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände ab. Die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleichs i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB hielt das Landgericht nicht für gegeben.

II.

1. Aufgrund einer weiteren Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg
22
(Az. 109 Js ) lagen dem Angeklagten darüber hinaus folgende Taten zur Last:
a) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2008,
23
vermutlich am 22. Juni 2008, habe der Angeklagte in seiner Wohnung einer unbekannt gebliebenen Geschädigten Schlafmittel oder Ähnliches verabreicht, um sie zum Einschlafen zu bringen oder sie bewusstlos zu machen und um sich an ihr in diesem Zustand ohne ihr Einverständnis zu vergehen. Als die Geschädigte fest geschlafen habe oder bewusstlos gewesen sei
24
und weder zu einer Willensentscheidung noch zu einer Gegenwehr fähig gewesen sei, habe sie der Angeklagte im Genitalbereich berührt, um sich sexuell zu befriedigen. Dabei habe er gewusst, dass die Geschädigte damit nicht einverstanden gewesen wäre.
b) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2010 ha25 be der Angeklagte dieses Vorgehen in gleicher Weise gegenüber einer anderen unbekannten Geschädigten im Stadtgebiet von R. oder M. wiederholt.
26
2. Zu diesen Tatvorwürfen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
27
a) Der Angeklagte filmte eine unbekannte junge Frau, die sich nur mit einem Slip bekleidet auf dem Rücken oder seitwärts liegend auf einem Bett in seiner Wohnung befand. Ihre Augen waren geschlossen. Nach der Berührung von Gesicht, Händen und Fingern der Frau durch den Angeklagten fiel eine Hand der Frau nach unten, nachdem sie losgelassen wurde. Anschließend wurde das Geschlecht der Geschädigten durch Wegschieben des Slipzwickels sichtbar; die Hand des Angeklagten manipulierte am Genital der Geschädigten. Bei den Berührungen zeigte die Frau keine Reaktion.
28
b) Zu einem weiteren Zeitpunkt filmte der Angeklagte wiederum eine unbekannte Frau, die bäuchlings auf einem Bett oder einer Couch lag und von dem Angeklagten berührt wurde. Zu sehen ist auch der unbekleidete Po der Frau und deren Genital, das von dem Angeklagten mit den Fingern berührt wurde. Ihr rechter Arm war um ihren Kopf gelegt. Bei der Berührung zeigte die Frau keine Reaktion. Auf dem Computer bzw. Mobiltelefon des Angeklagten befanden sich zudem vier Bilddateien dieser Frau, darunter ein Nacktbild von ihr.
29
3. Für beide Sachverhalte gelangte der medizinische Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich die in den Videosequenzen erkennbaren jungen Frau- en in einem Zustand tiefer Bewusstseinsbeeinträchtigung, mithin – aus medizinischer Sicht – einer Widerstandsunfähigkeit, befunden hatten. Der Angeklagte gab zu diesen Vorwürfen an, die beiden Frauen seien mit seinen Handlungen einverstanden gewesen.
30
4. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die unbekannten Frauen mit den sexuellen Manipulationen des Angeklagten nicht einverstanden gewesen seien. Zwar sei in der Stellungnahme seines Verteidigers zur Haftbeschwerde zunächst angegeben worden, es habe sich bei beiden Frauen um Gelegenheitsbekanntschaften gehandelt, an deren Einwilligung zu Foto- und Videoaufnahmen der Angeklagte keine Zweifel gehabt habe. Hierin liege jedoch kein Widerspruch zu der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung , die Frauen seien mit den Handlungen einverstanden gewesen. Die Einlassung gehe lediglich über die Erklärung seines Verteidigers im Zusammenhang mit der Haftbeschwerde hinaus.
31
Wie die beiden Frauen in den auf den beiden kurzen Videoclips erkennbaren Zustand gekommen seien, sei völlig offen. Möglicherweise sei dies auf genossenen Alkohol zurückzuführen. Auch ihr Einverständnis mit den sexuellen Handlungen des Angeklagten könne nicht ausgeschlossen werden. Dass die eine Frau zumindest mit der Erstellung der aufgefundenen Fotoaufnahmen einverstanden gewesen sei, sei naheliegend (UA S. 35).

B.

32
Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

33
Die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der ihm durch die Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg vom 14. Oktober 2014 (Az. 109 Js ) zur Last gelegten Sexualdelikte zum Nachteil von zwei von ihm im bewusstlosen oder schlafenden Zustand gefilmten unbekannten Frauen hat keinen Bestand. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
34
1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft oder, wie hier, am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15; vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt].
35
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
36
a) Die Urteilsgründe lassen bereits besorgen, dass das Landgericht, das das Einverständnis der beiden unbekannten Frauen mit den an ihnen vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht auszuschließen vermochte (UA S. 35), insoweit einen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt hat.
37
Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer den nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85 und vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34).
38
Das Landgericht hätte deshalb das vom Angeklagten behauptete Einverständnis der von ihm gefilmten unbekannten jungen Frauen nicht ohne nähere Wiedergabe und Erörterung seiner Einlassung als nicht ausgeschlossen ansehen dürfen (UA S. 35). Es hätte sich jedenfalls mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass es sich um eine eher fernliegende Annahme handelt, die Frauen könnten damit einverstanden gewesen sein, dass sexuelle Handlungen an ihnen im Zustand tiefgreifender Bewusstseinsstörung vorgenommen und davon Fotoaufnahmen angefertigt werden.
39
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft.
40
Angesichts der Feststellungen zur Verabreichung der Tabletten an die Nebenklägerin hätte das Landgericht näher erörtern müssen, ob die unbekannten Frauen damit einverstanden waren, dass an ihnen im schlafenden oder bewusstlosen Zustand sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Zeigte sich nämlich im Fall der Nebenklägerin, dass es dem Angeklagten nicht wesensfremd war, eine Frau gegen deren Willen in einen Zustand der Bewusstlosigkeit oder der Widerstandsunfähigkeit zu versetzen, konnte dies jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass auch die gefilmten Frauen nicht freiwillig in diesen Zustand geraten waren. Einer Erörterung hätte dieser Umstand auch deswegen bedurft, weil die Nebenklägerin geäußert hatte, sie habe im Halbschlaf wahrgenommen, dass der Angeklagte ihre Hand hochhob und wieder fallen ließ (UA S. 14). Eine solche Handlung ist auch auf einer der Filmaufnahmen zu sehen (UA S. 31).
41
c) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1).

II.

42
Soweit das Landgericht bei der vom Angeklagten eingeräumten Tat zum Nachteil der Nebenklägerin sexuelle Handlungen und damit eine sexuelle Nöti- gung oder Vergewaltigung (§ 177 StGB) als nicht nachweisbar angesehen hat (UA S. 24 ff.), hält die Beweiswürdigung ebenso rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
43
Zwar wurde der Angeklagte insoweit nicht freigesprochen, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) sowie – insoweit rechtsfehlerhaft (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 223 Rn. 116, § 224 Rn. 52) – in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt. Im Fall einer Nichtverurteilung wegen eines idealkonkurrierenden Delikts aus tatsächlichen Gründen gilt jedoch für das Revisionsgericht derselbe Prüfungsmaßstab wie bei Freisprüchen. Es hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob die Beweise erschöpfend gewürdigt worden sind. Solche Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor.
44
1. Das Landgericht hat bereits den Anwendungsbereich des Zweifelssat- zes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06).
45
Hier hat das Landgericht einzelne Indizien, wie etwa das Vorhandensein männlicher DNA am Bund des von der Nebenklägerin getragenen Slips oder das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin jeweils isoliert mit der Begründung als Belastungsindiz ausgeschieden, dass sich daraus nicht zwingend eine sexuelle Handlung ergebe bzw. dies keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen zulasse (UA S. 24). Dies ist rechtsfehlerhaft. Das Land- gericht hätte der DNA-Spur am Bund des Slips der Nebenklägerin nicht deshalb jegliche Indizwirkung absprechen dürfen, weil es Zweifel an ihrer Verursachung durch den Angeklagten hatte (UA S. 24). Vielmehr hätte es dieses Indiz, wenn auch mit eingeschränktem Beweiswert, in die gebotene Gesamtwürdigung einstellen müssen.
46
2. Zudem werden wesentliche Umstände vom Landgericht nicht erörtert, obwohl dies nahegelegen hätte.
47
a) Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, an welchen Stellen genau die Nebenklägerin Hämatome erlitten hat und welche Handlungen des Angeklagten hierfür ursächlich gewesen sein können. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um einen möglichen Sexualbezug der Gewaltanwendung beurteilen zu können. So lässt sich etwa der Umstand, dass der Angeklagte der Nebenklägerin ihre Knie auf die Brust drückte und diese daraufhin einen länger anhaltenden Druck auf dem Brustkorb verspürte (UA S. 9, 14), nicht ohne weiteres mit einem vom Landgericht in den Blick genommenen nicht sexualbezogenen „Entfernen der Kleidung“ (UA S. 24)erklären. Vielmehr legt dies eine der Nebenklägerin aufgezwungene unnatürliche Haltung nahe, bei der das Genital entblößt wird, was eine nachfolgende Manipulation, wie sie auf den Videos der unbekannten Frauen erkennbar ist, leicht ermöglicht.
48
b) Soweit sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte Spurenverursacher der DNA-Antragungen männlichen Ursprungs am Bund (Innen- und Außenseite) des Slips der Nebenklägerin war (UA S. 24), verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob überhaupt ein anderer Spurenverursacher in Betracht kommt.
49
c) Schließlich hätte das Landgericht erörtern müssen, dass die auf den Videosequenzen an den unbekannten Frauen dokumentierten sexuellen Hand- lungen ebenfalls nicht mit einem Eindringen verbunden waren, sodass – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – das Fehlen entsprechender medizinischer Befunde oder von Sperma vor dem Hintergrund der von dem Angeklagten geübten Praktiken sexuelle Handlungen nicht ausschließt.
50
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen tatgerichtlichen Hauptverhandlung eine Verurteilung des Angeklagten wegen Sexualdelikten möglich ist.

III.

51
Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

C.

52
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist unbegründet, die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
53
1. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB als vertyptem Strafmilderungsgrund ohne Rechtsfehler verneint.
54
a) Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund muss bereits aus gesetzessystematischer Sicht der vertyp- te Strafmilderungsgrund des § 46a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2002, 646).
55
Nach § 46a Nr. 1 StGB kann zwar das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, das darauf gerichtet ist, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, genügen. Die Vorschrift setzt aber nach der gesetzgeberischen Intention (BT-Drucks. 12/6853, S. 21, 22) und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29). Wenn auch ein Wiedergutmachungserfolg nicht zwingende Voraussetzung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29), so muss sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereitfinden und sich auf ihn einlassen. Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 2003 – 1 StR 174/03, NStZRR 2003, 363 und vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; jeweils mwN). Das ergibt sich aus der ratio und der Entstehungsgeschichte dieser Norm. Der Täter muss zudem mit dem ernsthaften Bestreben handeln, das Op- fer „zufriedenzustellen“. Ob dernach § 46a Nr. 1 StGB erforderliche kommunikative Prozess gegeben ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646, 647).

56
b) Hier hat das Landgericht ausgehend von zutreffenden Maßstäben das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
57
Zwar schloss der Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung mit der Nebenklägerin einen Vergleich über ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro, das ab dem 1. Januar 2015 in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro gezahlt werden sollte. Dies genügte für die Annahme eines TäterOpfer -Ausgleichs hier jedoch nicht.
58
Dem Vergleich fehlte bereits die für einen friedensstiftenden Ausgleich mit der Nebenklägerin erforderliche Einbeziehung des Sexualbezugs der dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen. Er bezog sich ersichtlich – ebenso wie die zuvor erfolgte Entschuldigung – allein auf die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, nicht aber auf die Vornahme sexueller Handlungen (UA S. 11).
59
Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der in der Hauptverhandlung abgeschlossene Vergleich ohne vorherige Einbeziehung der Nebenklägerin in einen kommunikativen Prozess vorwiegend Mittel zur Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den Angeklagten sein sollte. Im Hinblick darauf, dass noch keinerlei Zahlungen geleistet waren und auch der in Aussicht gestellte Zahlungsbeginn erst zehn Monate in der Zukunft liegen sollte, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht dieses Verhalten gegenüber dem Opfer nicht als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung , sondern als prozesstaktisches Vorgehen des Angeklagten (UA S. 29) gewertet hat. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass auch in der Hauptverhandlung noch ein friedensstiftender Täter-Opfer-Ausgleich möglich ist. Es hat sich vielmehr davon überzeugt, dass die vom Angeklagten vorgenommenen Ausgleichsbemühungen nicht vom Willen zu einem friedensstiftenden Gesamtausgleich mit der Nebenklägerin getragen waren. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Somit fehlte es an einem Täter-OpferAusgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB.
60
Der Angeklagte wird jedoch Gelegenheit haben, bis zur neuen Hauptverhandlung vor dem Tatgericht weitere Bemühungen um einen Täter-OpferAusgleich mit der Nebenklägerin zu unternehmen, um dadurch die Voraussetzungen einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu schaffen.

61
2. Auch im Übrigen hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung ausgeschlossen. Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

(1) Der Zeuge ist zu veranlassen, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Vor seiner Vernehmung ist dem Zeugen der Gegenstand der Untersuchung und die Person des Beschuldigten, sofern ein solcher vorhanden ist, zu bezeichnen.

(2) Zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere Fragen zu stellen. Zeugen, die durch die Straftat verletzt sind, ist insbesondere Gelegenheit zu geben, sich zu den Auswirkungen, die die Tat auf sie hatte, zu äußern.

(3) Die Vorschrift des § 136a gilt für die Vernehmung des Zeugen entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 7 / 1 4
2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
32
d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
34
a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
36
c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 7 / 1 4
2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
32
d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
34
a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
36
c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 7 / 1 4
2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
32
d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
34
a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
36
c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 1 3 7 / 1 4
2 S t R 3 3 7 / 1 4
vom
8. Oktober 2014
in den Strafsachen
gegen
1.
2.
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
hier: Anfrage gemäß § 132 Abs. 3, 4 GVG
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Oktober 2014 beschlossen:
1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden: Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB) sind weder die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten noch die des Schädigers zu berücksichtigen. 2. Der Senat fragt bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

Gründe:

I.

1
1. Das Verfahren 2 StR 137/14
2
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Nebenklägerin S. S. 12.000 Euro sowie an die Nebenklägerinnen A. S. und M. je 5.000 Euro, jeweils nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14. November 2013, zu zahlen, und dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.
3
Bei der Bemessung der Höhe der Schmerzensgelder hat das Landgericht auf die Tatumstände und die Folgen der Taten für die Geschädigten abgestellt. Dagegen ist dem Urteil weder erkennbar zu entnehmen, dass das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten berücksichtigt hat, der nach den Feststellungen ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 Euro hat, von dem 500 Euro an Mietkosten aufzubringen sind, noch die der Nebenklägerinnen.
4
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Der Generalbundesanwalt hat beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Urteil nicht erkennen lasse, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer gebührend berücksichtigt worden seien. Im Übrigen hat er Verwerfung des Rechtsmittels beantragt (§ 349 Abs. 2 StPO).
5
2. Das Verfahren 2 StR 337/14
6
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, und wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es den Angeklagten verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6. Februar 2014 zu zahlen, dieses Urteil gegen eine Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt sowie festgestellt, dass der Angeklagte verpflichtet ist, "sämtliche zukünftig noch entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den obigen Taten zu ersetzen, soweit diese nicht auf den Sozialversicherungsträger übergegangen sind".
7
Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes hat das Landgericht neben den Tatumständen und den Folgen der Taten für die Geschädigte ausdrücklich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten , der nach den Feststellungen als Montierer angestellt ist und 860 Euro monatlich netto verdient, und, wenn auch nicht näher erläutert, die des Opfers berücksichtigt.
8
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Der Generalbundesanwalt hat auch in diesem Verfahren beantragt, die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechtzuerhalten und von einer weiteren Entscheidung über die Adhäsionsanträge abzusehen, da das Landgericht nur unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigten getroffen habe. Im Übrigen sei das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
9
3. In beiden Fällen hat der Senat die Revision des Angeklagten entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwaltes als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtet, und die Entscheidung über den Adhäsionsausspruch zurückgestellt (Beschlüsse vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 und 2 StR 337/14). Insoweit geben die Rechtsmittel der Angeklagten und die Antragsschriften des Generalbundesanwalts dem Senat Anlass, die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§ 253 Abs. 2 BGB), des sogenannten Schmerzensgeldes (vgl. § 406 Abs. 1 Satz 6 StPO), zu überdenken und diese Frage im Wege des Anfrage- und Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 und 3 GVG zu klären; er hält dies auch für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 4 GVG.
10
Der Senat ist insoweit der Ansicht, dass es entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (nachfolgend II.) bei der Bemessung der Entschädigung nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten und des Schädigers ankommen darf (nachfolgend III.). Er hat die beiden Verfahren zur Durchführung des Anfrage- und Vorlageverfahrens verbunden, um durch die Zugrundelegung der verschiedenen Fallgestaltungen eine breitere Beurteilungsgrundlage zu schaffen. Im Verfahren 2 StR 137/14, in dem das Landgericht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt hat, vermag der Senat auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Erörterungspflicht , die sich zu Gunsten des Angeklagten auswirken könnte, nicht zu verneinen. Im Verfahren 2 StR 337/14 hat das Landgericht dagegen die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und des Opfers ausdrücklich berücksichtigt, allerdings ohne dass erkennbar wäre, ob es ihnen anspruchserhöhende oder anspruchsmindernde Wirkung zugebilligt hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass auf ein niedrigeres Schmerzensgeld erkannt worden wäre, wenn das Landgericht die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht berücksichtigt hätte.

II.

11
1. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts waren bei Bemessung der billigen Entschädigung in Geld gemäß § 847 BGB a.F. die persönlichen und Vermögensverhältnisse beider Teile in Betracht zu ziehen (vgl. etwa RGZ 63, 104, 105; 76, 174, 175; vgl. auch RGZ 136, 60, 61). Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied dagegen mit Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, dass es jedenfalls auf die Vermögensverhältnisse des Schädigers nicht ankommen dürfe. Auf Vorlage des VI. Zivilsenats (vgl. hierzu Knöpfel, AcP 155, 135 f. mwN) entschied jedoch der Große Senat für Zivilsachen (Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149 ff.), dass bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles einschließlich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürften. Dies begründete er im Wesentlichen wie folgt:
12
a) Ein Vergleich mit den anderen Vorschriften des BGB, in denen das Ausmaß einer Leistung nach "billigem Ermessen" bestimmt oder eine "billige Entschädigung" gewährt werde, zeige, dass das Gesetz in der Regel sämtliche in Betracht kommenden Umstände und insbesondere die Verhältnisse aller Beteiligten berücksichtigt wissen wolle; insbesondere ergebe sich aus § 829 BGB und der Entstehungsgeschichte des "Kranzgeldes" (§ 1300 BGB, aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4. Mai 1998, BGBl. I S. 833), dass der Richter bei der Bemessung einer billigen Entschädigung in Geld nicht gebunden sein soll, bestimmte Umstände nicht zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 153 f.).
13
b) Dasselbe ergebe sich aus der doppelten Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes. Dieses solle dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es solle aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schulde. Denn auch wenn dem Schmerzensgeldanspruch kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohne, so schwinge in dem Ausgleichsgedanken doch etwas vom Charakter der Buße oder Genugtuung mit, da er sich aus dem Strafrecht entwickelt habe.
14
Im Vordergrund stehe der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung: der Schädiger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, soll durch seine Leistung dazu helfen, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung hänge die Bemessung der Entschädigung in erster Linie von Größe, Heftigkeit und Dauer der erlittenen Schmerzen, Leiden und Entstellungen ab. Der Schmerzensgeldanspruch sei zwar vom Gesetzgeber formal als bürgerlich-rechtlicher Schadensersatzanspruch konstruiert worden, die Wiederherstellungsfunktion lasse sich indes nicht wie bei Vermögensschäden verwirklichen. Das alleinige Abstellen auf den Ausgleichsgedanken sei unmöglich, weil immaterielle Schäden sich nie und Ausgleichsmöglichkeiten sich nur beschränkt in Geld ausdrücken ließen. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen der immaterielle Schaden so groß sei, dass ein Ausgleich überhaupt kaum denkbar sei, etwa bei weitgehender physischer Zerstörung des Körpers, oder in denen der Geschädigte wegen einer erlittenen psychischen Störung subjektiv kein Bewusstsein der Schädigung besitze. Ähnlich sei es, wenn der Verletzte wirtschaftlich so gestellt sei, dass bei ihm durch keinerlei Geldbeträge ein Lustgefühl zum Ausgleich für die erlittenen Schäden hervorgerufen werden könnte. Gerade für diese Gruppen gewinne die Genugtuungsfunktion ihre besondere Bedeutung (BGHZ 18, 149, 154 ff.).
15
c) Danach könnten - neben dem in erster Linie zu beachtenden Umfang der Lebensbeeinträchtigung - bei der Bemessung alle Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge gäben. Dazu gehörten der Grad des Verschuldens des Schädigers sowie - möglicherweise - auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten. So könne bei besonders günstigen Vermögensverhältnissen des Verletzten die Ausgleichsfunktion zurücktreten, wenn diesem durch Geldbeträge ein Ausgleich für die erlittenen Schäden kaum geboten werden könne. In diesen Fällen trete die Genugtuungsfunktion in den Vordergrund. Andererseits könne im Einzelfall der gewohnte höhere Lebensstandard des Verletzten auch zu einer Erhöhung des Schmerzensgeldes führen (BGHZ 18, 149, 157 ff.).
16
Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers könnten danach ebenfalls bei der Bemessung berücksichtigt werden. Der Ausgleichsgedanke dürfe im Allgemeinen nicht dazu führen, dass der Schädiger in schwere oder nachhaltige Not gerate. Allerdings stünden auch hier die Notwendigkeit einer Genugtuung und des Ausgleichs im Vordergrund. Die schlechte Wirtschaftslage des Schädigers werde daher, je nach Anlass des Schadensereignisses, insbesondere nach dem Grad des Verschuldens, stärkeres oder schwächeres Gewicht haben; so könne besonders verwerfliches Verhalten des Schädigers den Gedanken , ihn vor wirtschaftlicher Not zu bewahren, weitgehend zurückdrängen. Andererseits könne es bei besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen billig erscheinen, die Entschädigung höher festzusetzen. Auch könne, je geringer der zum Ausgleich benötigte Betrag sei, umso eher von der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse vor allem des Schädigers abgesehen werden (BGHZ 18, 149, 159 f.). Schließlich könne dabei auch der Umstand, dass der Schädiger haftpflichtversichert sei und in Höhe der Versicherungssumme gegen den Versicherer einen Anspruch auf Freistellung habe, bei der Bemessung berücksichtigt werden, da sein durch Prämienzahlung erworbener Anspruch sich als Vermögenswert darstelle (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
17
In ähnlicher Weise könnten in diesem Zusammenhang (wiederum) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten Bedeutung gewinnen. Wenn dieser in guten wirtschaftlichen Verhältnissen sei, so könne es bei wirtschaftli- cher Schwäche des Schädigers billig erscheinen, dies innerhalb der gegebenen Ermessensmöglichkeiten zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen; bei schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des Geschädigten hingegen in geringerem Maße. Jedoch dürfe die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nie dazu führen, dass der vermögenslose Schädiger von der Entrichtung eines Schmerzensgeldes befreit werde, denn es handele sich dabei nur um einen Umstand unter zahlreichen (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
18
d) Zwar gelte für Vermögensschäden der Grundsatz, dass der Umfang der Verpflichtung regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Schuldners unabhängig sei. Dies gelte jedoch nicht für die Bemessung von Nichtvermögensschäden , bei der § 847 BGB a.F. eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verlange. Bei der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers handele es sich nicht um eine Kürzung einer "an sich" angemessenen Entschädigung, sondern es werde durch die Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gehörten , überhaupt erst die "billige Entschädigung" ermittelt. Diese bildeten daher einen Teil des zu beurteilenden Sachverhalts. Damit liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, soweit zwischen Schädigern, die in unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen lebten, differenziert werde (BGHZ 18, 149, 160 ff.).
19
2. Vor diesem Hintergrund erachten die Zivilsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als bei Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigende Umstände (vgl. etwa Urteil vom 16. Mai 1961 - VI ZR 112/60, VersR 1961, 727, 728; BGH, Urteil vom 13. Januar 1964 - III ZR 48/63, VersR 1964, 389, 390; Urteile vom 25. September 1964 - VI ZR 137/63 und VI ZR 139/63, VersR 1964, 1299, 1302; Urteil vom 16. Februar 1993 - VI ZR 29/92, NJW 1993, 1531, 1532; vgl.
auch BGH, Beschlüsse vom 10. Januar 2006 - VI ZB 26/05, NJW 2006, 1068, 1069, sowie die Parallelbeschlüsse vom selben Tag - VI ZB 27/05 und VI ZB 28/05). Dementsprechend werden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten in der obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig, wenn auch nicht immer , im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung erörtert (vgl. aus neuerer Zeit etwa OLG Celle, Urteil vom 28. Mai 2014 - 14 U 165/13 juris Rn. 24; OLG München , Urteil vom 11. April 2014 - 10 U 4757/13 juris Rn. 42 ff.; OLG Zweibrücken , NJW-RR 2014, 33).
20
Dem folgend erachten auch die Strafsenate des Bundesgerichtshofs die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten als für die Bemessung des Schmerzensgeldes regelmäßig bedeutsame Umstände, mit der Folge, dass eine fehlende Erörterung in den Urteilsgründen einen durchgreifenden Rechtsfehler darstellen kann, der auf die Sachrüge zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4, vom 21. August 1996 - 2 StR 263/96, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 5, und vom 26. August 1998 - 2 StR 151/98, BGHR StPO § 403 Anspruch 6; Urteil vom 5. März 2014 - 2 StR 503/13, insoweit in NStZ-RR 2014, 185 nicht abgedruckt; BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3, vom 5. Januar 1999 - 3 StR 602/98, NJW 1999, 1123, 1124, vom 2. September 2014 - 3 StR 325/14 juris Rn. 3 und vom 18. Juni 2014 - 4 StR 217/14 juris Rn. 3). Begründet wird dies hinsichtlich des Schädigers regelmäßig damit, dass die Verpflichtung zur Schmerzensgeldzahlung für diesen nicht zu einer unbilligen Härte werden dürfe (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 1992 - 3 StR 478/92, BGHR StPO § 403 Anspruch 3; Senat, Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 StR 232/93, BGHR StPO § 403 Anspruch 4). Eine Erörterungspflicht wurde verneint, wenn nach Auffassung des jeweiligen Senats die Feststellungen nicht dazu drängten (vgl. nur BGH, Urteil vom 7. Februar 1995 - 1 StR 668/94, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3 und Urteil vom 27. September 1995 - 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4; vgl. auch Beschluss vom 2. September 2014 - 3 StR 346/14), ohne dass hier eine klare Linie erkennbar wäre.
21
3. Durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) wurde der Anspruch auf Ersatz von Nichtvermögensschäden (Schmerzensgeld) unter Aufhebung des § 847 BGB a.F. und unter Erweiterung auf die Vertrags- und Gefährdungshaftung in § 253 Abs. 2 BGB geregelt. Eine Änderung der Auslegung des Begriffs der "billigen Entschädigung" war damit nicht verbunden (vgl. BT-Drucks. 14/7752 S. 14 ff., und BT-Drucks. 14/8780, S. 21).

III.

22
Der Senat beabsichtigt, die Rechtsprechung, wonach bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten berücksichtigt werden dürfen, aufzugeben.
23
1. Nach seiner Auffassung darf es auf die Vermögenslage des Geschädigten nicht ankommen.
24
a) Zwar verlangt der Begriff der "Billigkeit" im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB die Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände des Falles. Was danach "in Betracht kommt", bedarf jedoch der Konkretisierung am Maßstab von Wertvorstellungen, die in erster Linie von den Grundsatzentscheidungen der Verfassung bestimmt werden. Bei der Auslegung und Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln haben daher die Gerichte die Grundrechte als "Richtlinien" zu beachten (vgl. BVerfGE 89, 214, 229 f. mwN; speziell zum Schmerzensgeld auch BGH, Urteil vom 13. Oktober 1992 - VI ZR 201/91, BGHZ 120, 1, 5 f.); auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 84, 197, 199 mwN).
25
b) Vor diesem Hintergrund lässt sich eine unterschiedliche Bewertung von körperlichen oder seelischen Leiden danach, ob der Betroffene finanziell besser oder schlechter gestellt ist, nicht rechtfertigen.
26
aa) Eine solche Anknüpfung an die Vermögensverhältnisse ist mit dem sich aus Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG ergebenden, jeden Menschen in gleichem Maße, ohne Rücksicht auf seine Eigenschaften, seine Leistungen und seinen sozialen Status zukommenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch (vgl. BVerfGE 87, 209, 228) und dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG) nicht vereinbar (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 43; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1375 ff., Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 129; Vieweg/Lorz in jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75; vgl. auch Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge 2014, 32. Aufl., S. 18).
27
Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass nicht die erlittene körperliche oder seelische Beeinträchtigung selbst, sondern nur der Ausgleich hierfür unterschiedlich bemessen wird (vgl. Schneider, ZAP 2004 [Beilage 2], S. 7; Jaeger/Luckey aaO Rn. 1377). Denn nach den dargestellten verfassungsrechtlichen Grundsatzentscheidungen hat weder der Wohlhabende ein rechtlich anerkennenswertes größeres finanzielles Interesse an einem Ausgleich einer erlittenen Beeinträchtigung, noch der Arme ein geringeres. Danach geht es umgekehrt aber auch fehl, bei im Wesentlichen gleichen körperlichen oder seeli- schen Leiden die schlechte Vermögenslage des Armen als anspruchserhöhend oder den Reichtum des Wohlhabenden als anspruchsmindernd anzusetzen. Denn die in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechte und Rechtsgüter stehen dem Betroffenen nicht nach Maßgabe seiner Vermögensverhältnisse zu, sondern unabhängig davon (so im Ergebnis auch die überwiegende Ansicht im Schrifttum , vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 253 Rn. 16; Staudinger /Schiemann aaO; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 96; MünchKommBGB /Oetker, 6. Aufl., § 253 Rn. 38; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 42; Vieweg/Lorz aaO; Jaeger/Luckey, aaO Rn. 1375 ff., 1386; Pardey in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., S. 220 f.; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 126 f., 146 ff.; Pecher, AcP 171, 44, 69; aA etwa Soergel/Zeuner, BGB, 12. Aufl., § 847 Rn. 30; RGRKBGB /Kreft, 12. Aufl., § 847 Rn. 43).
28
bb) Wollte man demgegenüber den wirtschaftlichen Verhältnissen einen Einfluss auf das Maß der auszugleichenden Beeinträchtigung zugestehen, müsste man dies konsequenterweise im Einzelfall durch eine Beweisaufnahme zum Lebensstil des Verletzten verifizieren. Denn auch der wirtschaftliche gut Situierte kann bescheiden leben, während ein anderer trotz schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse einen aufwendigen Lebensstil pflegen mag; zudem wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung des sparsamen gegenüber dem verschwenderischen Verletzten zu vermeiden (vgl. OLG Schleswig, NJW-RR 1990, 470, 471; Knöpfel, AcP 155, 145 f.). Eine solche Beweisaufnahme ließe sich indes mit dem - verfassungsrechtlich verbürgten (vgl. BVerfGE 38, 105, 114) - Schutz des persönlichen Lebensbereiches des (Opfer-)Zeugen (vgl. § 68a Abs. 1 StPO für den Strafprozess) nur schwerlich vereinbaren (vgl. auch Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 52 f.). Im Zivilprozess gilt zwar die Erleichterung des § 287 ZPO; dies ändert aber nichts daran, dass der Tatrichter sich im Urteil mit allen für die Bemessung des Schmerzensgelds maßgeblichen Umständen hinreichend auseinandersetzen muss und nicht jedes diesbezügliche Beweisangebot zurückweisen darf (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1998 - VI ZR 182/97, BGHZ 138, 388, 391; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 287 Rn. 6, 8 mwN).
29
Hinzu kommt, dass auch nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen unklar bleibt, in welchen konkreten "Einzelfällen" die Vermögensverhältnisse des Geschädigten überhaupt zu einer Erhöhung oder Verminderung des Schmerzensgeldes führen könnten (vgl. auch Vieweg/Lorz in jurisPKBGB , 7. Aufl. 2014, § 253 Rn. 75); denn auch wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Geschädigten bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden dürften, bedürfte es eines Maßstabs, inwieweit diese Umstände anspruchsmindernd, anspruchserhöhend oder wertneutral wirken sollten. Ein solcher Maßstab ist weder der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen zu entnehmen noch sonst erkennbar.
30
cc) Schließlich ist zu besorgen, dass die Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse jedenfalls im Endeffekt zu einer Taxierung des Schmerzensgeldes nach sozialen Klassen führen kann (vgl. OLG Schleswig NJW-RR 1990, 470, 471; Slizyk, Systematische Kommentierung des Schmerzensgeldrechts, 10. Aufl. [2014], Rn. 12), gegen die sich schon das Reichsgericht aussprach (vgl. RGZ 76, 174, 176).
31
c) Danach scheiden die Vermögensverhältnisse des Geschädigten als legitime Rechtfertigungsgründe für eine Ungleichbehandlung bei der Bemessung des Schmerzensgeldes aus. Nichts anderes gilt, wenn wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten nicht eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird, sondern diese von vornherein in die Abwägung eingestellt werden (vgl. BGHZ 18, 149, 160 f.). Denn auch durch die- sen dogmatischen "Kunstgriff" verlieren sie nicht ihren Charakter als das Schmerzensgeld erhöhende oder mindernde Umstände, der ihnen aber nach den dargestellten Maßstäben nicht zukommen darf.
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d) Soweit der Große Senat für Zivilsachen im Wege der systematischen Auslegung die Vorschriften der §§ 829, 1300 BGB als Beleg dafür herangezogen hat, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse als in Betracht zu ziehende Umstände des Einzelfalls anzusehen sind (vgl. auch Lorenz aaO S. 157), steht dies im Widerspruch zu dem der Verfassung zu Grunde liegenden und vom Bundesverfassungsgericht zwischenzeitlich weiter konkretisierten Menschenbild, das wesentlich von dem jedem Menschen in gleichem Maße zustehenden sozialen Wert- und Achtungsanspruch geprägt wird (vgl. oben III.1.b.aa); auch wurde § 1300 BGB durch den Gesetzgeber inzwischen als rechtspolitisch überholt aufgehoben (vgl. BT-Drucks. 13/4898 S. 14).
33
2. Nach Ansicht des Senats sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers nicht zu berücksichtigen.
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a) Der Schmerzensgeldanspruch ist vom Gesetzgeber gerade nicht als Strafe, sondern als Schadensersatzanspruch ausgestaltet worden (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 224 ff.; BGH, Beschluss vom 6. Juli 1955 - GZ 1/55, BGHZ 18, 149, 151, 156; vgl. auch Staudinger /Schiemann, BGB, Neubearb. 2005, § 253 Rn. 28, 43; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Müller, VersR 1993, 909 f.; Knöpfel, AcP 155, 139 ff.; Pecher AcP 171, 44, 70). Schon dies spricht dafür, dass die wirtschaftliche Lage des Schädigers entsprechend dem allgemeinen Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. nur Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 276 Rn. 28 mwN) bei der Bemessung der Entschädigung, auch und gerade im Rahmen der Ausgleichsfunktion, keine Rolle spielen darf (so auch Palandt/Grüneberg aaO § 253 Rn. 17).
35
b) Zu einer anderen Betrachtung zwingt auch nicht die Genugtuungsfunktion der Entschädigung. Denn der Gedanke der Genugtuung kann, ungeachtet seiner im Schrifttum umstrittenen Funktion (vgl. statt aller Staudinger /Schiemann aaO Rn. 30 ff. mwN), innerhalb eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches nicht bezwecken, dem Schädiger ein zu bemessendes Übel zuzufügen (mit der Folge, dass unbillige Härten zu vermeiden wären). Vielmehr soll der Geschädigte durch die - ihm selbst und nicht etwa dem Staat oder einer gemeinnützigen Einrichtung zufließende - "billige Entschädigung" Genugtuung für den ihm zugefügten immateriellen Schaden erfahren, wozu auch die Verletzung des Rechtsgefühls zählt (vgl. Knöpfel, aaO, 150, 154 f.). Im Blick haben daher auch hier der Geschädigte und dessen Beeinträchtigung zu stehen (vgl. Pecher, aaO, 70). Art und Ausmaß des vom Schädiger wiedergutzumachenden Unrechts sind aber von seinen Vermögensverhältnissen gänzlich unabhängig (vgl. Knöpfel aaO).
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c) Das dagegen vorgebrachte Argument, bei Nichtvermögensschäden seien nach dem gesetzgeberischen Willen alle Umstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 18, 149, 160 f.), vermag gleichfalls nicht mehr zu überzeugen. Vor dem Hintergrund der unter III.1.b dargestellten verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen ist es nicht zu rechtfertigen, dass die Höhe einer Entschädigung für ein- und dasselbe körperliche oder seelische Leiden - wenn auch nur als einem unter mehreren Gesichtspunkten - möglicherweise davon abhängig ist, ob der Schädiger Hilfsarbeiter oder Millionär ist. Insbesondere ist es für die Frage, ob eine solche Differenzierung mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG sachlich gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung, ob die wirtschaftlichen Verhältnisse von vornherein in die Abwägung eingestellt werden oder eine "an sich" angemessene Entschädigung gekürzt oder erhöht wird (vgl. oben III.1.c).
37
d) Etwaige unbillige Härten für den Schädiger können zudem sachgerecht im Zwangsvollstreckungs- oder Insolvenzverfahren berücksichtigt werden (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Ermann/Ebert, BGB, 14. Aufl., § 253 Rn. 27; NK-BGB/Huber, 2. Aufl., § 253 Rn. 119; Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 7. Aufl., Rn. 1371 ff.). In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass durch das Abstellen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Urteils dem Geschädigten die ihm bei allen anderen Schadensersatzansprüchen zustehende Möglichkeit genommen wird, bei nachträglicher Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers zur Befriedigung seines Schadensersatzes zu kommen (vgl. schon BGH, Urteil vom 29. September 1952 - III ZR 340/51, BGHZ 7, 223, 228; Lorenz, Immaterieller Schaden und "billige Entschädigung in Geld", 1981, S. 154 f.).
38
e) Vor diesem Hintergrund kann es auch keine Rolle spielen, ob der Schädiger haftpflichtversichert ist, zumal dann die Höhe der Entschädigung von einem für die geschädigte Person zufälligen Umstand abhängen würde (vgl. Spindler in Bamberger/Roth, BGB, § 253 Rn. 43; NK-BGB/Huber aaO).
39
3. Der Senat fragt deshalb bei dem Großen Senat für Zivilsachen und den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs an, ob an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.