Bundesgerichtshof Urteil, 05. Nov. 2014 - 1 StR 327/14

bei uns veröffentlicht am05.11.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 S t R 3 2 7 / 1 4
vom
5. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. November
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Prof. Dr. Mosbacher,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 24. Februar 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Vom Vorwurf zweier weiterer Taten hat es ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
2
Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revision, gestützt auf die Sachrüge, die Beweiswürdigung.
Sie wendet sich sowohl gegen die Nichtverurteilung wegen eines Sexualdelikts, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, als auch gegen den Teilfreispruch. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
3
Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts, soweit er verurteilt wurde. Das in der Revisionshauptverhandlung auf den Strafausspruch beschränkte Rechtsmittel ist unbegründet.

A.

I.

Im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten hat das Landgericht im
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Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der im Jahr 1979 geborene ledige Angeklagte hatte bereits mehrfach feste Beziehungen für einen Zeitraum von maximal einem Jahr. Anfang des Jahres 2012 wurde er wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften und wegen Verbreitung kinderpornographischer Schriften in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat.
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2. Anfang September 2012 lernte der Angeklagte über die Internetplatt- form „friend-Scout24“ dieNebenklägerin kennen. Nach mehreren telefonischen Kontakten und weiterer Kommunikation mittels SMS verabredeten sich beide für den 14. September 2012 an der Wohnung des Angeklagten in S. .
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Am Nachmittag dieses Tages fragte die Nebenklägerin vor ihrer Abfahrt per SMS bei dem Angeklagten an, ob sie am Folgetag noch bei ihm duschen könne. Ebenfalls per SMS forderte der Angeklagte ein Foto von ihr in Unterwäsche , um überprüfen zu können, ob sie auch tatsächlich schlank sei. Die Ne- benklägerin lehnte dies ab, schickte ihm aber mittels MMS ein Bild von ihrem nackten Bauch sowie ein Ganzkörperfoto, jedoch in bekleidetem Zustand. Ihrer Mutter, die am 15. September 2012 gegen 15.00 Uhr einen Arzttermin hatte, versprach die Nebenklägerin, früh morgens wieder nach Hause zu fahren, sodass sie gegen Mittag spätestens wieder daheim sein werde.
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Nachdem die Nebenklägerin am 14. September 2012 gegen 20.00 Uhr bei der Wohnung des Angeklagten in S. angekommen war, fuhren beide zunächst mit dem PKW des Angeklagten zu einer Lounge in R. , wo sie sich bis etwa 23.00 Uhr aufhielten. Der Angeklagte konsumierte dort keinen Alkohol; die Nebenklägerin trank etwa einen halben Longdrink. Das Gespräch beider hatte alltägliche Dinge ohne sexuellen Hintergrund zum Gegenstand.
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Nach der gemeinsamen Rückkehr in seine Wohnung empfahl der Angeklagte der Nebenklägerin zur Entspannung und gegen den inneren Stress die Einnahme von Globuli. Die Nebenklägerin nahm daraufhin gegen Mitternacht fünf vom Angeklagten übergebene Tabletten mit Wasser ein. Er hatte diese zuvor aus dem oberen Fach des Wohnzimmerschranks geholt und als solche seiner Mutter bezeichnet, die als Heilpraktikerin tätig sei. Die Nebenklägerin machte sich über das Aussehen der Tabletten und die fehlende Verpackung keine Gedanken. Nach ihrer Meinung sahen die Tabletten wie Schüssler Salze aus; zudem hatte ihr der Angeklagte gesagt, „es sei nur etwas Pflanzliches“. Tatsächlich handelte es sich um benzodiazepinhaltige Tabletten wie Valium, deren Einnahme zu einer erheblich über dem therapeutischen Bereich von etwa 200 ng/ml liegenden Konzentration von insgesamt 700 ng/ml Diazepam im Blut führte.

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Aufgrund der Wirkung der Tabletten trat bei der Nebenklägerin eine plötzliche Müdigkeit auf. Sie legte sich auf die Couch im Wohnzimmer des Angeklagten. Zuvor hatte sie, da sie ihre eigene mitgebrachte Schlafhose nicht mehr finden konnte, die Jogginghose des Angeklagten als Schlafhose erhalten und angezogen. Die Nebenklägerin geriet sodann in einen sedierten, muskulaturentspannten unnatürlichen Schlafzustand, in dem die ordnungsgemäßen körperlichen Funktionen, wie die Wahrnehmungsfähigkeit, gestört waren.
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Als die Nebenklägerin nach Mitternacht im Bett des Angeklagten in dem beschriebenen Zustand „schlief“, fasste sie der Angeklagte massiv im Hüft-, Oberschenkel- sowie im gesamten Beinbereich an und verursachte dadurch insbesondere an ihrem linken Oberschenkel zwei schmerzhafte Hämatome und weitere Hämatome an ihren Beinen, sowie Hüftschmerzen. Desweiteren wurden ihr durch den Angeklagten die Beine auf die Brust gedrückt. Die Nebenklägerin spürte hierdurch einen länger anhaltenden Druck auf ihren Brustkorb. Die Handlungen des Angeklagten nahm die Nebenklägerin jeweils im Halbschlaf bei teilweisem Bewusstsein wahr.
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Durch die verabreichten Mittel bestand die Gefahr des Erbrechens sowie der Aspiration, sodass für die Nebenklägerin aufgrund des nicht kontrollierbaren Zustands Lebensgefahr durch die Gefahr des Erstickens an Erbrochenem bestand.
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Der Angeklagte wusste bei Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, dass diese eine schlafmittelähnliche Wirkung entfalteten, und wollte die Nebenklägerin in den unnatürlichen Schlafzustand bringen. Ihm war die gesundheitsschädliche Wirkung der Tabletten bewusst. Zudem erkannte er, dass deren Verabreichung zu einem für ihn nicht mehr kontrollierbaren Zustand der Nebenklägerin führen konnte mit der Möglichkeit einer Lebensgefahr in Form der Gefahr des Erstickens nach Erbrechen und Aspiration des Erbrochenen.
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3. Am nächsten Morgen wachte die Nebenklägerin im Bett des Angeklagten auf; sie hatte nur noch ihren Slip, ihren BH und ein Achsel-T-Shirt an. Die Nebenklägerin konnte kaum aufstehen bzw. stehen bleiben und hatte Schmerzen im Hüftbereich. Während der Heimfahrt fühlte sie sich sehr müde und stark benommen. Nach ihrer Rückkehr gegen 14.00 Uhr schlief sie nochmals ein. Auch danach und am Folgetag verblieb es bei der Benommenheit und Übelkeit bzw. einem gewissen Rauschzustand der Nebenklägerin. Sie verständigte deshalb den medizinischen Notdienst.
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4. Ein DNA-Vergleich der Spuren an dem von der Nebenklägerin in der Tatnacht getragenen Slip erbrachte am Bund (Außenseite sowie Innenseite) Y-chromosomale Merkmale, die in sieben von neun Merkmalen mit den Y-Chromosomen des Angeklagten übereinstimmten. Ein Spermatest im Zwickelbereich des Slips der Nebenklägerin sowie die Untersuchung eines Genitalabstrichs von ihr auf Spermien hin blieben negativ. Am Bett des Angeklagten befanden sich dessen Spermaspuren.
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5. Im Zusammenhang mit dem festgestellten Geschehen hat das Landgericht auch zwei Ermittlungsvorgänge der Polizeidirektion Nabburg in den Blick genommen. Am 4. März 2010 hatte eine junge Frau berichtet, sie sei stark alkoholisiert gewesen und sei nach einem Diskothekenbesuch von dem Angeklagten heimgefahren worden. Sie konnte noch in der Nacht im PKW des Angeklagten aufgefunden werden. Die junge Frau behauptete später, es habe sich nach zwei Monaten der Verdacht einer Geschlechtskrankheit ergeben, die nicht von ihrem Freund habe stammen können. Ende März 2010 hatte eine andere junge Frau gegenüber der Polizei angegeben, im Mai 2009 in einer Diskothek in N. gewesen zu sein, sich aber an nichts mehr erinnern zu können, bis sie in der Wohnung des Angeklagten erwacht sei. In beiden Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt.
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6. In der Hauptverhandlung schloss der Angeklagte mit der Nebenklägerin nach einer Entschuldigung für die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten einen Vergleich, in dem er sich im Hinblick auf Ansprüche aus Delikt zur Zahlung von 5.000 Euro in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro verpflichtete.
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7. Von dem festgestellten Tatgeschehen hat sich das Landgericht im Wesentlichen aufgrund eines Geständnisses des Angeklagten sowie der Angaben der Nebenklägerin überzeugt. Es hat die Richtigkeit des Geständnisses anhand von weiteren Zeugenaussagen sowie gestützt auf Sachverständigengutachten , insbesondere zur Konzentration der im Blut der Nebenklägerin festgestellten Benzodiazepine und der Wirkungen auf sie, überprüft.
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8. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten als gefährliche Körperverletzung durch Beibringen eines gesundheitsschädlichen Stoffes und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 StGB) gewertet. Die durch das Wenden und Drehen der Nebenklägerin entstandenen Hämatome hat das Landgericht als tateinheitlich begangene vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB eingestuft.
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Von der Vornahme sexueller Handlungen (§ 184g Nr. 1 StGB) des Angeklagten an der Nebenklägerin und damit einer Sexualstraftat konnte sich das Landgericht nicht überzeugen (UA S. 24 f.). Es sei nicht zweifelsfrei festgestellt, dass die DNA-Spuren am Bund des Slips der Nebenklägerin von dem Angeklagten stammten. Zudem würde selbst solches nicht zwingend eine sexuelle Handlung belegen, weil die Spuren auch beim bloßen Entfernen der Kleidung entstanden sein konnten. Das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin durch den Angeklagten und die von ihm verursachten Hämatome ließen nach Auffassung des Landgerichts ebenfalls keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen des Angeklagten an der Nebenklägerin zu. Dasselbe gelte im Hinblick auf die beiden von der Polizeidirektion Nabburg gegen den Angeklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen, die später eingestellt worden seien.
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9. Das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung lehnte das Landgericht auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände ab. Die Voraussetzungen eines Täter-OpferAusgleichs i.S.v. § 46a Nr. 1 StGB hielt das Landgericht nicht für gegeben.

II.

1. Aufgrund einer weiteren Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg
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(Az. 109 Js ) lagen dem Angeklagten darüber hinaus folgende Taten zur Last:
a) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2008,
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vermutlich am 22. Juni 2008, habe der Angeklagte in seiner Wohnung einer unbekannt gebliebenen Geschädigten Schlafmittel oder Ähnliches verabreicht, um sie zum Einschlafen zu bringen oder sie bewusstlos zu machen und um sich an ihr in diesem Zustand ohne ihr Einverständnis zu vergehen. Als die Geschädigte fest geschlafen habe oder bewusstlos gewesen sei
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und weder zu einer Willensentscheidung noch zu einer Gegenwehr fähig gewesen sei, habe sie der Angeklagte im Genitalbereich berührt, um sich sexuell zu befriedigen. Dabei habe er gewusst, dass die Geschädigte damit nicht einverstanden gewesen wäre.
b) Zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 2010 ha25 be der Angeklagte dieses Vorgehen in gleicher Weise gegenüber einer anderen unbekannten Geschädigten im Stadtgebiet von R. oder M. wiederholt.
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2. Zu diesen Tatvorwürfen hat das Landgericht Folgendes festgestellt:
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a) Der Angeklagte filmte eine unbekannte junge Frau, die sich nur mit einem Slip bekleidet auf dem Rücken oder seitwärts liegend auf einem Bett in seiner Wohnung befand. Ihre Augen waren geschlossen. Nach der Berührung von Gesicht, Händen und Fingern der Frau durch den Angeklagten fiel eine Hand der Frau nach unten, nachdem sie losgelassen wurde. Anschließend wurde das Geschlecht der Geschädigten durch Wegschieben des Slipzwickels sichtbar; die Hand des Angeklagten manipulierte am Genital der Geschädigten. Bei den Berührungen zeigte die Frau keine Reaktion.
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b) Zu einem weiteren Zeitpunkt filmte der Angeklagte wiederum eine unbekannte Frau, die bäuchlings auf einem Bett oder einer Couch lag und von dem Angeklagten berührt wurde. Zu sehen ist auch der unbekleidete Po der Frau und deren Genital, das von dem Angeklagten mit den Fingern berührt wurde. Ihr rechter Arm war um ihren Kopf gelegt. Bei der Berührung zeigte die Frau keine Reaktion. Auf dem Computer bzw. Mobiltelefon des Angeklagten befanden sich zudem vier Bilddateien dieser Frau, darunter ein Nacktbild von ihr.
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3. Für beide Sachverhalte gelangte der medizinische Sachverständige zu dem Ergebnis, dass sich die in den Videosequenzen erkennbaren jungen Frau- en in einem Zustand tiefer Bewusstseinsbeeinträchtigung, mithin – aus medizinischer Sicht – einer Widerstandsunfähigkeit, befunden hatten. Der Angeklagte gab zu diesen Vorwürfen an, die beiden Frauen seien mit seinen Handlungen einverstanden gewesen.
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4. Das Landgericht konnte sich nicht davon überzeugen, dass die unbekannten Frauen mit den sexuellen Manipulationen des Angeklagten nicht einverstanden gewesen seien. Zwar sei in der Stellungnahme seines Verteidigers zur Haftbeschwerde zunächst angegeben worden, es habe sich bei beiden Frauen um Gelegenheitsbekanntschaften gehandelt, an deren Einwilligung zu Foto- und Videoaufnahmen der Angeklagte keine Zweifel gehabt habe. Hierin liege jedoch kein Widerspruch zu der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung , die Frauen seien mit den Handlungen einverstanden gewesen. Die Einlassung gehe lediglich über die Erklärung seines Verteidigers im Zusammenhang mit der Haftbeschwerde hinaus.
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Wie die beiden Frauen in den auf den beiden kurzen Videoclips erkennbaren Zustand gekommen seien, sei völlig offen. Möglicherweise sei dies auf genossenen Alkohol zurückzuführen. Auch ihr Einverständnis mit den sexuellen Handlungen des Angeklagten könne nicht ausgeschlossen werden. Dass die eine Frau zumindest mit der Erstellung der aufgefundenen Fotoaufnahmen einverstanden gewesen sei, sei naheliegend (UA S. 35).

B.

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Die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.

I.

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Die Freisprechung des Angeklagten vom Vorwurf der ihm durch die Anklage der Staatsanwaltschaft Amberg vom 14. Oktober 2014 (Az. 109 Js ) zur Last gelegten Sexualdelikte zum Nachteil von zwei von ihm im bewusstlosen oder schlafenden Zustand gefilmten unbekannten Frauen hat keinen Bestand. Die tatgerichtliche Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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1. Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft oder, wie hier, am Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines strafbaren Verhaltens nicht zu überwinden vermag, ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich , unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen. Deshalb bedarf es einer Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15; vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9; vom 7. November 2012 – 5 StR 322/12 Rn. 10; vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 415/12 Rn. 28 [insoweit in BGHSt 58, 72 nicht abgedruckt].
35
2. Solche Rechtsfehler liegen hier vor.
36
a) Die Urteilsgründe lassen bereits besorgen, dass das Landgericht, das das Einverständnis der beiden unbekannten Frauen mit den an ihnen vorgenommenen sexuellen Handlungen nicht auszuschließen vermochte (UA S. 35), insoweit einen falschen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt hat.
37
Einlassungen, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen. Das Tatgericht hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen außer den nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 18. August 2009 – 1 StR 107/09, NStZ-RR 2010, 85 und vom 6. März 1986 – 4 StR 48/86, BGHSt 34, 29, 34).
38
Das Landgericht hätte deshalb das vom Angeklagten behauptete Einverständnis der von ihm gefilmten unbekannten jungen Frauen nicht ohne nähere Wiedergabe und Erörterung seiner Einlassung als nicht ausgeschlossen ansehen dürfen (UA S. 35). Es hätte sich jedenfalls mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass es sich um eine eher fernliegende Annahme handelt, die Frauen könnten damit einverstanden gewesen sein, dass sexuelle Handlungen an ihnen im Zustand tiefgreifender Bewusstseinsstörung vorgenommen und davon Fotoaufnahmen angefertigt werden.
39
b) Die Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft.
40
Angesichts der Feststellungen zur Verabreichung der Tabletten an die Nebenklägerin hätte das Landgericht näher erörtern müssen, ob die unbekannten Frauen damit einverstanden waren, dass an ihnen im schlafenden oder bewusstlosen Zustand sexuelle Handlungen vorgenommen werden. Zeigte sich nämlich im Fall der Nebenklägerin, dass es dem Angeklagten nicht wesensfremd war, eine Frau gegen deren Willen in einen Zustand der Bewusstlosigkeit oder der Widerstandsunfähigkeit zu versetzen, konnte dies jedenfalls ein Indiz dafür sein, dass auch die gefilmten Frauen nicht freiwillig in diesen Zustand geraten waren. Einer Erörterung hätte dieser Umstand auch deswegen bedurft, weil die Nebenklägerin geäußert hatte, sie habe im Halbschlaf wahrgenommen, dass der Angeklagte ihre Hand hochhob und wieder fallen ließ (UA S. 14). Eine solche Handlung ist auch auf einer der Filmaufnahmen zu sehen (UA S. 31).
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c) Schließlich fehlt es auch an der gebotenen Gesamtwürdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Die Beweiswürdigung der Strafkammer lässt nicht erkennen, dass sich das Landgericht des Umstandes bewusst war, dass einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatgerichts begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1986 – 2 StR 353/86; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1).

II.

42
Soweit das Landgericht bei der vom Angeklagten eingeräumten Tat zum Nachteil der Nebenklägerin sexuelle Handlungen und damit eine sexuelle Nöti- gung oder Vergewaltigung (§ 177 StGB) als nicht nachweisbar angesehen hat (UA S. 24 ff.), hält die Beweiswürdigung ebenso rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Zwar wurde der Angeklagte insoweit nicht freigesprochen, sondern wegen gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) sowie – insoweit rechtsfehlerhaft (vgl. MüKo-StGB/Joecks, 2. Aufl., § 223 Rn. 116, § 224 Rn. 52) – in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§ 223 StGB) verurteilt. Im Fall einer Nichtverurteilung wegen eines idealkonkurrierenden Delikts aus tatsächlichen Gründen gilt jedoch für das Revisionsgericht derselbe Prüfungsmaßstab wie bei Freisprüchen. Es hat auf die Sachrüge hin zu prüfen, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob die Beweise erschöpfend gewürdigt worden sind. Solche Rechtsfehler in der Beweiswürdigung liegen hier vor.
44
1. Das Landgericht hat bereits den Anwendungsbereich des Zweifelssat- zes verkannt. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ ist keine Beweis-, sondern eine Entscheidungsregel, die das Gericht erst dann zu befolgen hat, wenn es nach abgeschlossener Beweiswürdigung nicht die volle Überzeugung von der Täterschaft zu gewinnen vermag. Auf einzelne Elemente der Beweiswürdigung ist er grundsätzlich nicht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2007 – 1 StR 582/06).
45
Hier hat das Landgericht einzelne Indizien, wie etwa das Vorhandensein männlicher DNA am Bund des von der Nebenklägerin getragenen Slips oder das festgestellte Drehen und Wenden der Nebenklägerin jeweils isoliert mit der Begründung als Belastungsindiz ausgeschieden, dass sich daraus nicht zwingend eine sexuelle Handlung ergebe bzw. dies keine sichere Überzeugung von sexuellen Handlungen zulasse (UA S. 24). Dies ist rechtsfehlerhaft. Das Land- gericht hätte der DNA-Spur am Bund des Slips der Nebenklägerin nicht deshalb jegliche Indizwirkung absprechen dürfen, weil es Zweifel an ihrer Verursachung durch den Angeklagten hatte (UA S. 24). Vielmehr hätte es dieses Indiz, wenn auch mit eingeschränktem Beweiswert, in die gebotene Gesamtwürdigung einstellen müssen.
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2. Zudem werden wesentliche Umstände vom Landgericht nicht erörtert, obwohl dies nahegelegen hätte.
47
a) Die Urteilsgründe lassen nicht erkennen, an welchen Stellen genau die Nebenklägerin Hämatome erlitten hat und welche Handlungen des Angeklagten hierfür ursächlich gewesen sein können. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, um einen möglichen Sexualbezug der Gewaltanwendung beurteilen zu können. So lässt sich etwa der Umstand, dass der Angeklagte der Nebenklägerin ihre Knie auf die Brust drückte und diese daraufhin einen länger anhaltenden Druck auf dem Brustkorb verspürte (UA S. 9, 14), nicht ohne weiteres mit einem vom Landgericht in den Blick genommenen nicht sexualbezogenen „Entfernen der Kleidung“ (UA S. 24)erklären. Vielmehr legt dies eine der Nebenklägerin aufgezwungene unnatürliche Haltung nahe, bei der das Genital entblößt wird, was eine nachfolgende Manipulation, wie sie auf den Videos der unbekannten Frauen erkennbar ist, leicht ermöglicht.
48
b) Soweit sich das Landgericht nicht davon überzeugen konnte, dass der Angeklagte Spurenverursacher der DNA-Antragungen männlichen Ursprungs am Bund (Innen- und Außenseite) des Slips der Nebenklägerin war (UA S. 24), verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, ob überhaupt ein anderer Spurenverursacher in Betracht kommt.
49
c) Schließlich hätte das Landgericht erörtern müssen, dass die auf den Videosequenzen an den unbekannten Frauen dokumentierten sexuellen Hand- lungen ebenfalls nicht mit einem Eindringen verbunden waren, sodass – worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat – das Fehlen entsprechender medizinischer Befunde oder von Sperma vor dem Hintergrund der von dem Angeklagten geübten Praktiken sexuelle Handlungen nicht ausschließt.
50
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass in einer neuen tatgerichtlichen Hauptverhandlung eine Verurteilung des Angeklagten wegen Sexualdelikten möglich ist.

III.

51
Das Urteil ist somit auf die Revision der Staatsanwaltschaft insgesamt mit den Feststellungen aufzuheben; die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

C.

52
Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten ist unbegründet, die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
53
1. Entgegen der Auffassung der Revision des Angeklagten hat das Landgericht die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB als vertyptem Strafmilderungsgrund ohne Rechtsfehler verneint.
54
a) Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund muss bereits aus gesetzessystematischer Sicht der vertyp- te Strafmilderungsgrund des § 46a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, insoweit nicht abgedruckt in NStZ 2002, 646).
55
Nach § 46a Nr. 1 StGB kann zwar das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, das darauf gerichtet ist, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, genügen. Die Vorschrift setzt aber nach der gesetzgeberischen Intention (BT-Drucks. 12/6853, S. 21, 22) und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muss. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2002 - 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29). Wenn auch ein Wiedergutmachungserfolg nicht zwingende Voraussetzung ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2001 - 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29), so muss sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereitfinden und sich auf ihn einlassen. Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, dass das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert (vgl. BGH, Urteile vom 26. August 2003 – 1 StR 174/03, NStZRR 2003, 363 und vom 12. Januar 2012 – 4 StR 290/11, NStZ 2012, 439; jeweils mwN). Das ergibt sich aus der ratio und der Entstehungsgeschichte dieser Norm. Der Täter muss zudem mit dem ernsthaften Bestreben handeln, das Op- fer „zufriedenzustellen“. Ob dernach § 46a Nr. 1 StGB erforderliche kommunikative Prozess gegeben ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646, 647).

56
b) Hier hat das Landgericht ausgehend von zutreffenden Maßstäben das Vorliegen der Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
57
Zwar schloss der Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung mit der Nebenklägerin einen Vergleich über ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro, das ab dem 1. Januar 2015 in monatlichen Teilbeträgen von 250 Euro gezahlt werden sollte. Dies genügte für die Annahme eines TäterOpfer -Ausgleichs hier jedoch nicht.
58
Dem Vergleich fehlte bereits die für einen friedensstiftenden Ausgleich mit der Nebenklägerin erforderliche Einbeziehung des Sexualbezugs der dem Angeklagten vorgeworfenen Handlungen. Er bezog sich ersichtlich – ebenso wie die zuvor erfolgte Entschuldigung – allein auf die Verabreichung der benzodiazepinhaltigen Tabletten, nicht aber auf die Vornahme sexueller Handlungen (UA S. 11).
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Zudem hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass der in der Hauptverhandlung abgeschlossene Vergleich ohne vorherige Einbeziehung der Nebenklägerin in einen kommunikativen Prozess vorwiegend Mittel zur Vermeidung einer längeren Freiheitsstrafe für den Angeklagten sein sollte. Im Hinblick darauf, dass noch keinerlei Zahlungen geleistet waren und auch der in Aussicht gestellte Zahlungsbeginn erst zehn Monate in der Zukunft liegen sollte, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht dieses Verhalten gegenüber dem Opfer nicht als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung , sondern als prozesstaktisches Vorgehen des Angeklagten (UA S. 29) gewertet hat. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass auch in der Hauptverhandlung noch ein friedensstiftender Täter-Opfer-Ausgleich möglich ist. Es hat sich vielmehr davon überzeugt, dass die vom Angeklagten vorgenommenen Ausgleichsbemühungen nicht vom Willen zu einem friedensstiftenden Gesamtausgleich mit der Nebenklägerin getragen waren. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Somit fehlte es an einem Täter-OpferAusgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB.
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Der Angeklagte wird jedoch Gelegenheit haben, bis zur neuen Hauptverhandlung vor dem Tatgericht weitere Bemühungen um einen Täter-OpferAusgleich mit der Nebenklägerin zu unternehmen, um dadurch die Voraussetzungen einer Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB zu schaffen.

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2. Auch im Übrigen hält die Strafzumessung rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines minder schweren Falls der gefährlichen Körperverletzung ausgeschlossen. Rothfuß Graf Jäger Radtke Mosbacher

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Referenzen

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Wer der Prostitution

1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder
2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
in einer Weise nachgeht, die diese Personen sittlich gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 454/09
vom
27. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2009 aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einem Verkürzungsumfang von insgesamt mehr als 180.000 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Gegen diesen Teilfreispruch wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
In der Anklageschrift vom 22. Dezember 2008 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in 29 Fällen Umsatzsteuer und in 34 Fällen Lohnsteuer hinterzogen zu haben sowie in 35 Fällen im Sinne von § 266a StGB Arbeitsentgelt vorenthalten zu haben.
3
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, vom Jahr 2000 bis zum dritten Quartal des Jahres 2005 als Geschäftsführer der F. GmbH (im Folgenden: F. GmbH) fortlaufend Arbeitnehmer beschäftigt zu haben , die entweder überhaupt nicht zur Sozialversicherung gemeldet worden seien oder für die er den zuständigen Einzugsstellen niedrigere als tatsächlich gezahlte Löhne gemeldet habe. Die insoweit nicht gemeldeten Lohnaufwendungen habe er auch in den Lohnsteueranmeldungen der Gesellschaft nicht angegeben.
4
Um zu verschleiern, dass die von der F. GmbH gezahlten Löhne „schwarz“ ausgezahlt worden seien, habe der Angeklagte veranlasst, dass Scheinrechnungen (Abdeckrechnungen) der Firmen „D. “, „K. -Bau“, „I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ in die Buchhaltung der F. GmbH aufgenommen worden seien. Die in den Rechnungen enthaltenen Umsatzsteuern habe der Angeklagte zu Unrecht in die Umsatzsteuervoranmeldungen der GmbH aufgenommen.
5
Schließlich habe der Angeklagte von der F. GmbH an die Kl. GmbH sowie die Firma E. erbrachte Umsätze nicht gegenüber den Finanzbehörden angemeldet und dadurch Umsatzsteuern hinterzogen.
6
Insgesamt habe der Angeklagte hierdurch mehr als 316.000 Euro an Umsatzsteuern und 327.000 Euro an Lohnsteuern verkürzt sowie Beitragsanteile zur Sozialversicherung von mehr als 304.000 Euro nicht an die Einzugsstellen abgeführt.

II.

7
1. Das Landgericht hat den Angeklagten aufgrund seines Geständnisses wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen mit einer Gesamtverkürzungssumme von 180.000 Euro an Umsatzsteuern verurteilt. Die Verurteilung bezieht sich auf die Voranmeldungszeiträume November und Dezember 2003 und April bis Juli 2004 sowie auf das II. und III. Quartal 2005. Das Landgericht hat insoweit festgestellt , dass der Angeklagte in diesen Zeiträumen Ausgangsumsätze an die Kl. GmbH im Umfang von insgesamt mehr als 103.000 Euro und an die Firma E. in der Höhe von mehr als 1,2 Mio. Euro nicht in die für die F. GmbH beim Finanzamt einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen aufgenommen hatte.
8
2. Hinsichtlich der Voranmeldungszeiträume August bis Dezember 2004 und I. Quartal 2005 hat das Landgericht das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. Im Übrigen hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.
9
3. Bezüglich des Teilfreispruchs hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
10
Der Angeklagte ist seit der Gründung der F. GmbH im Jahr 2000 einziger Gesellschafter und eingetragener Geschäftsführer dieser Gesellschaft. Die F. GmbH wurde in den Jahren 2000 bis 2005 im Bereich Trockenbau tätig und erbrachte hierbei im Wesentlichen Trockenbau- und Verputzarbeiten. Dabei setzte die Gesellschaft sowohl eigene Arbeitnehmer als auch Subunternehmer ein. Dass der Angeklagte hierbei zu Unrecht Vorsteuern aus Scheinrechnungen der Firmen „D. “, „K. -Bau“, I. GmbH“ sowie der Firma „G. “ geltend gemacht habe, konnte das Landgericht „nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Sicherheit“ feststellen. Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Angeklagte habe die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an Arbeitnehmer der F. GmbH ausbezahlt. Vielmehr hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, dass die genannten Firmen nicht ausschließbar als Subunternehmer der F. GmbH tätig gewesen und die Rechnungsbeträge an diese Firmen auch ausbezahlt worden sind.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es ist der Ansicht, dass dem Angeklagten - abgesehen von der Umsatzsteuerhinterziehung hinsichtlich der nicht angemeldeten Ausgangsumsätze - die ihm vorgeworfenen Taten nicht mit der für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachgewiesen werden konnten.

III.

12
Die Staatsanwaltschaft hat die Revision wirksam auf den Teilfreispruch beschränkt. Damit sind auch die Strafaussprüche hinsichtlich der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer in den Voranmeldungszeiträumen November und Dezember 2003 sowie April bis Juli 2004 und das II. und III. Quartal 2005 vom Revisionsangriff ausgenommen. Denn die Hinterziehung von Umsatzsteuer durch Nichtanmeldung von Ausgangsumsätzen einerseits und durch unberechtigte Geltendmachung von Vorsteuern andererseits stellt für jeden Voranmeldungszeitraum eine einheitliche Tat der Steuerhinterziehung im materiell -rechtlichen Sinn dar. Maßgeblich für den materiell-rechtlichen Tatbegriff sind die steuerlichen Erklärungspflichten (vgl. zur Hinterziehung von Einkommensteuer BGH wistra 2009, 465). Die Abgabe jeder einzelnen unrichtigen Steuererklärung ist deshalb grundsätzlich als einheitliche, selbständige Tat im Sinne des § 53 StGB zu werten; bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen ist ebenfalls im Hinblick auf jede Steuerart, jeden Besteuerungszeitraum und jeden Steuerpflichtigen von einer selbständigen Tat auszugehen (vgl. BGH wistra 2005, 30 und wistra 2008, 266; Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 305).
13
Die Strafaussprüche werden hier auch nicht etwa deswegen vom Revisionsangriff umfasst, weil die von der Staatsanwaltschaft gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts vorgebrachten Einwände die von der Verurteilung erfassten Voranmeldungszeiträume ebenfalls betreffen. Denn der Wortlaut der Beschränkung der Revision auf den „Teilfreispruch“ ist eindeutig; zudem können die vom Teilfreispruch erfassten Tatvorwürfe losgelöst von den vom Schuldspruch umfassten Taten beurteilt werden.
14
Auch bei einer Tatserie von Steuerhinterziehungen bleiben die Einzeltaten rechtlich und tatsächlich selbständig und sind einer isolierten Bewertung zugänglich. Ist dies aber der Fall, gebietet die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte Gestaltungsmacht über den Verfahrensgegenstand, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Revisionsgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt geprüft und beurteilt werden kann (st. Rspr.; vgl. BGHSt 29, 359, 364). So verhält es sich auch hier.
15
Hätte die Staatsanwaltschaft neben den Teilfreisprüchen auch - soweit der Angeklagte verurteilt worden ist - die Strafaussprüche angreifen wollen, um im Hinblick auf ungerechtfertigte Vorsteueranmeldungen und damit einen größeren Schuldumfang höhere Einzelstrafen erreichen zu können (vgl. dazu BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 17), hätte sie dies bei der Revisionsbeschränkung klar zum Ausdruck bringen müssen.

IV.

16
Der Teilfreispruch hat keinen Bestand; er leidet an durchgreifenden Rechtsfehlern.
17
Es kann dahinstehen, ob - was nahe liegt - das Urteil bereits den formellen Anforderungen, die an eine Freispruchsbegründung zu stellen sind (vgl. dazu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 5, 10) nicht genügt. Jedenfalls hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung nicht stand.
18
1. Allerdings muss es das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH wistra 2008, 22, 24; 2007, 18, 19; jew. m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1; BGH NStZ 1983, 133; jew. m.w.N.). Der revisionsge- richtlichen Überprüfung unterliegt auch, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; BGH NStZ-RR 2005, 147; NStZ 2004, 35, 36; wistra 1999, 338, 339; jew. m.w.N.).
19
2. Gemessen an diesen Maßstäben kann die Beweiswürdigung keinen Bestand haben.
20
a) In der Beweiswürdigung muss sich das Tatgericht mit allen festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen. Dabei muss sich aus den Urteilsgründen selbst ergeben, dass es die Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung einbezogen hat. Denn die Indizien können in ihrer Gesamtheit dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln, auch wenn eine Mehrzahl von Beweisanzeichen jeweils für sich allein nicht zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht (BGH NStZ-RR 2003, 369 f. m.w.N.).
21
Hier hat sich das Landgericht mit den einzelnen den Angeklagten belastenden Indizien lediglich isoliert auseinandergesetzt und dabei jeweils die Wertung getroffen, dass hiermit der Beweis für einen den Angeklagten belastenden Geschehensablauf nicht zu führen sei. Diese Vorgehensweise lässt besorgen, dass das Landgericht den Zweifelsgrundsatz rechtsfehlerhaft schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren hat, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45; BGH, Beschl. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09).
22
b) Die Beweiswürdigung ist auch deswegen durchgreifend rechtsfehlerhaft , weil das Landgericht mehrere dem Angeklagten günstige Umstände als „nicht ausschließbar“ unterstellt hat, obwohl hierfür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben waren. Zudem hat es auch Einlassungen des Angeklagten als „nicht zu widerlegen“ angesehen, für deren Richtigkeit keine Anhaltspunkte ersichtlich waren.
23
So hielt das Landgericht etwa für nicht ausschließbar, dass die Arbeiter der verschiedenen Gewerke jeweils nacheinander auf der Baustelle ihre Tätigkeiten verrichteten und sich daher auch nicht kannten (UA S. 36). Zudem hielt es für nicht ausgeschlossen, dass eine Person namens „Ka. oder auch ein anderer“ die Firma Kö. ohne das Wissen der Inhaberin dieser Firma für eigene Zwecke benutzt habe (UA S. 37). Auch sonst könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Namen der als „Scheinfirmen“ bezeichneten Firmen von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39). Der „Nachweis von Scheinrechnungen“ lasse sich auch nicht dadurch führen, dass auf dem Computer des Angeklagten Blankorechnungsformulare der Firma Kö. gefunden worden sind. Vielmehr sei die Einlassung des Angeklagten „nicht zu widerlegen“, er habe „aus Gefälligkeit“ Rechnungen für andere Firmen ausgedruckt (UA S. 27, 37). Ebenso sei dem Angeklagten „nicht zu widerlegen“, dass Mängelrügen bereits vor der Rechnungsstellung mit den Subunternehmern besprochen worden seien, so dass „ein Nachweis“ von Scheinrechnungen aufgrund unterlassener Korrekturen in diesen Rechnungen nicht zu führen sei (UA S. 38). Die Vermutung, die von der Staatsanwaltschaft als Scheinfirmen angesehenen Firmen hätten mit den bei den Sozialbehörden gemeldeten Arbeitnehmern die in der Buchhaltung der F. GmbH erfassten Umsätze nicht erwirtschaften können, könne „schon deshalb nicht bewiesen“ werden, weil „nicht ausgeschlossen“ sei, dass diese Firmen ihrerseits Subunternehmer oder Arbeitnehmer beschäftigten, die nicht bei den Sozialbehörden angemeldet ge- wesen seien (UA S. 38). Auch wenn sich bei Zugrundelegung tatsächlicher Fremdleistungen der Firmen Kö. und K. -Bau ein kalkulatorischer Verlust ergebe, sei dies „zum Nachweis“ der dem Angeklagten angelasteten Vorwürfe nicht geeignet; denn „unwiderlegt“ habe der Angeklagte sich eingelassen, es würden regelmäßig beim Arbeitsamt überhöhte Auftragssummen genannt, um ausländische Arbeitnehmer nicht nur bei den vom Arbeitsamt genehmigten, sondern auch an anderen Baustellen einsetzen zu können (UA S. 38).
24
Diese Ausführungen lassen besorgen, das Landgericht habe nicht beachtet , dass es weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten ist, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZRR 2003, 371; BGH, Urt. vom 21. Juni 2007 - 5 StR 532/06). Jedenfalls stellt es einen Rechtsfehler dar, wenn eine nach den Feststellungen nicht nahe liegende Schlussfolgerung gezogen wurde, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können (BGH, Urt. vom 16. Dezember 2009 - 1 StR 491/09). So verhält es sich hier. Insbesondere für die fernliegende Annahme des Landgerichts, alle vier verfahrensgegenständlichen vom Angeklagten als Subunternehmer bezeichneten Firmen könnten von Nichtberechtigten für eigene Zwecke verwendet worden seien (UA S. 39), sind vom Landgericht keine tatsächlichen Anhaltspunkte dargelegt worden.
25
c) Unter diesen Umständen ist auch die sehr knapp gehaltene Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände (UA S. 39) rechtsfehlerhaft.
26
Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt zwar nicht, dass das Tatgericht im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann. Verwirft es jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss in der Gesamtwürdigung erkennbar werden , dass sich das Tatgericht dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass das Tatgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 248 f.). So verhält es sich hier. Die Sache bedarf daher neuer tatgerichtlicher Prüfung und Entscheidung, soweit das Landgericht den Angeklagten freigesprochen hat. Nack Wahl Hebenstreit Graf Jäger
10
a) Allerdings hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt ferner, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 27. April 2010 – 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109, vom 1. Februar 2011 – 1 StR 408/10 Rn. 15 und vom 7. Juni 2011 – 5 StR 26/11 Rn. 9).
28
aa) Das Revisionsgericht hat es grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlichrechtlicher Hinsicht etwa der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Rechtsfehlerhaft ist es auch, wenn sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert zu erörtern und auf ihren jeweiligen Beweiswert zu prüfen, ohne eine Ge- samtabwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt zudem, ob überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt worden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 27. April 2010 - 1 StR 454/09, NStZ 2011, 108, 109; vom 1. Februar 2011 - 1 StR 408/10 Rn. 15, vom 7. Juni 2011 - 5 StR 26/11 Rn. 9 und vom 7. November 2012 - 5 StR 322/12 Rn. 10).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in dem Strafverfahren
gegen
wegen Verdachts des schweren Raubes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. August
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten betrifft. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Am 16. November 2007 wurde der damals 70 Jahre alte K. in seiner Wohnung in Holzkirchen von zwei Tätern überfallen und gefesselt. Die Täter entwendeten Uhren und Schmuck im Wert von über 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit. Anklage und Eröffnungsbeschluss gingen davon aus, dass der Angeklagte einer der Täter war, bei dem anderen Täter soll es sich um den gegenwärtig in Jordanien aufhältlichen gesondert verfolgten S. handeln. Die Strafkammer konnte sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung nicht von der Täterschaft des Angeklagten überzeugen und hat ihn freigesprochen.
2
Hiergegen wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg, da die Beweiswürdigung der Strafkammer rechtlicher Überprüfung nicht standhält.
3
1. Dem Tatverdacht gegen den Angeklagten liegen, ohne dass an dieser Stelle die Urteilsgründe vollständig nachzuzeichnen wären, nicht zuletzt folgende Beweisanzeichen zu Grunde:
4
a) Der Angeklagte wird von den beiden Mitangeklagten A. und B. (hinsichtlich derer die Staatsanwaltschaft keine Revision eingelegt hat) als Täter bezeichnet. Die Mitangeklagten waren an der Planung und Vorbereitung der Tat als Einbruch beteiligt. Die Gewalttätigkeiten waren nach der Beweiswürdigung der Strafkammer ein den Mitangeklagten nicht zurechenbarer Exzess. Sie wurden nach der Tat, wie sie angeben, vom Angeklagten und S. , über den Tatablauf im Detail informiert; die Beute wurde noch am gleichen Tag von A. verkauft.
5
b) Auf der Außenseite eines Teilstücks des Klebebandes, mit dem der Geschädigte gefesselt worden war, wurde eine Mischspur mit DNA-Merkmalen des Angeklagten gefunden.
6
c) In der Wohnung des Angeklagten wurden drei Schmuckschatullen gefunden , die aus der Tat stammen.
7
d) Zwischen dem Angeklagten und A. fanden am Tattag innerhalb von etwa zwei Stunden vier Telefongespräche statt.
8
e) Eine unbeteiligte, zufällige Zeugin (Frau Br. ) hat am Tattag in der Nähe des Tatorts zwei Männer beobachtet. In der Hauptverhandlung war sie „zu 80%“ sicher, dass es sich bei einem dieser Männer aus näher dargelegten Gründen (z. B. wegen der Nase, der hohen Stirn, der Statur) um den Angeklagten handelt.
9
2. Die Strafkammer hat diesen Erkenntnissen letztlich kein entscheidendes Gewicht beigemessen. Ohne dass auch insoweit die Urteilsgründe hier vollumfänglich nachzuzeichnen wären, hält sie die genannten Anhaltspunkte im Kern aus folgenden Gründen nicht für hinreichend tragfähig:
10
a) Es sprächen „starke“ Anhaltspunkte für eine Täterschaft von S. . Die entsprechenden Angaben der Mitangeklagten würden durch näher dargelegte objektive Beweismittel gestützt. Daraus folge jedoch nicht „zwangsläufig“, dass auch die Angaben der Mitangeklagten zur Tatbeteiligung des Angeklagten richtig seien.
11
b) Hinsichtlich der DNA-Spuren hat der Angeklagte angegeben, zwar am Tattag mit seinem Pkw und A. nach Holzkirchen gefahren zu sein, jedoch um ein Regal zu transportieren. Dort sei man zunächst zusammen in ein Cafe gegangen, dann habe ihn A. mit anderen, Unbekannten verlassen. Später sei er wieder gekommen und habe gesagt, mit dem Regal klappe es nicht. Dann sei man gemeinsam nach München zurückgefahren. Das Klebeband habe A. auf der Fahrt nach Holzkirchen auf der Mittelkonsole des Pkws abgelegt. Die Bedienung der Gangschaltung sei dadurch ausgeschlossen gewesen, weshalb er, H. , das Klebeband weggelegt habe. Dadurch müsse die DNA-Spur entstanden sein. Dieses Vorbringen, so die Strafkammer, sei nicht zu widerlegen.
12
c) Die Schmuckkassetten habe ihm A. im Rahmen eines Geschäfts über einen (aus der Tat stammenden) Ring überlassen, welches ihm A. angeboten habe, um den Ärger des Angeklagten über den nicht stattgefunden Transport des Regals zu besänftigen. Für diese Version, so die Strafkammer, spreche, dass ein Freund des Angeklagten sie bestätigt habe. Dieser Freund sei unmittelbar, nachdem der Angeklagte die entsprechende Aussage gemacht habe, in die Hauptverhandlung gerufen worden. Eine Absprache sei daher ausgeschlossen. Dass die Mutter des Angeklagten im Rahmen einer Hausdurchsuchung, bei der die Schatullen gefunden wurden , den Angeklagten mit der Lüge zu entlasten versucht hatte, die Schatullen gehörten ihr, ändere nichts.
13
d) Hinsichtlich der Telefongespräche am Tattag gibt der Angeklagte an, es sei dabei immer nur um Benzingeld für die Fahrt wegen des (letztlich gescheiterten ) Regaltransports gegangen. Dies bewertet die Strafkammer als nicht „vollkommen wirklichkeitsfremd“.
14
e) Die Strafkammer geht davon aus, dass es sich bei den von Frau Br. gesehenen Männern um die Täter handelt. Gegen ihre Annahme, bei einem dieser Männer habe es sich mit erheblicher - wenn auch nicht letzter - Sicherheit um den Angeklagten gehandelt, spreche, dass sie bei der Polizei gesagt habe, die Männer seien 30 bis 40 Jahre alt gewesen, eher 40 Jahre, während sie den Angeklagten in der Hauptverhandlung für 30 Jahre alt geschätzt habe. Ebenso spreche gegen die Zuverlässigkeit der Wiedererkennung, dass sie angegeben habe, der in Rede stehende Mann habe ausgewaschene blaue Jeans getragen; dies sei unvereinbar mit der Angabe A. s , wonach der Angeklagte bei der Tat dunkelblaue Jeans getragen habe.
15
3. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten überwunden hätte. Das Revisionsgericht prüft nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft , widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, oder wenn, im Falle eines Freispruchs, an das Maß der zur Verurteilung erforderlichen Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. zuletzt zusammenfassend BGH, Urt. vom 18. März 2009 - 1 StR 549/08 m.w.N.).
16
a) Die genannten Erwägungen der Strafkammer werden schon jeweils für sich genommen diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang gerecht:
17
(1) Die Strafkammer hält die Angaben der Mitangeklagten hinsichtlich S. für glaubhaft, hinsichtlich des Angeklagten letztlich nicht. Der Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, einer Auskunftsperson teilweise zu glauben und teilweise nicht. Dies verlangt jedoch eine nachvollziehbare Begründung, die sich mit allen wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzt (st. Rspr., vgl. d. Nachw. bei Gollwitzer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 83, Fußn. 358, 359). Daran fehlt es hier. Es wäre erkennbar in die Erwägungen einzubeziehen gewesen, dass die Angaben A. s insoweit vom Angeklagten bestätigt werden, als auch er angibt, am Tattag mit diesem nach Holzkirchen gefahren zu sein. A. wusste nach den Feststellungen, dass an diesem Tag dort die von ihm (mit) geplante und vorbereitete Tat durchgeführt werden sollte. Es wäre zu erörtern gewesen, ob und warum davon auszugehen ist, dass er in Holzkirchen zugleich ein Regal holen wollte und zu diesem Zweck sich der Hilfe eines nicht an der Tat Beteiligten bediente. Ebenso wäre zu erörtern gewesen, ob es ein nachvollziehbares Motiv für A. und den anderen Mitangeklagten gibt, hinsichtlich der nämlichen, von zwei Personen begangenen Tat bezüglich eines Mittäters (S. ) die Wahrheit zu sagen und eine andere Person als Mittäter frei zu erfinden und zudem den ihnen bekannten Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Ohne die Erörterung dieser Gesichtspunkte beruht die - nicht notwendig ausgeschlossene - Erwägung der Strafkammer zur nur teilweisen Glaubhaftigkeit der Angaben über die beiden Täter auf lückenhafter Grundlage.
18
(2) Diese Lücken gelten in gleicher Weise für die Angaben hinsichtlich des Klebebandes und den Zweck der Fahrt, bei der nach Angaben des Angeklagten die in Rede stehende Spur entstanden ist. Hinzu kommt, dass es sich jedenfalls ohne genaue Beschreibung des Klebebandes keinesfalls von selbst versteht, dass das Klebeband auf der Mittelkonsole die Bedienung der Gangschaltung ausgeschlossen (der Angeklagte habe nach seiner - nach Auffassung der Strafkammer nicht zu widerlegenden - Aussage wegen des Klebebandes „nicht schalten gekonnt“) oder jedenfalls nachhaltig erschwert hätte. Im Übrigen führt der Generalbundesanwalt (unter zutreffendem Hinweis auf die ständige Rechtsprechung, z.B. BGHSt 34, 29, 34; BGH NStZ-RR 2003, 371) zutreffend aus, dass Einlassungen des Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine objektiven Anhaltspunkte gibt, nicht ohne weiteres als „unwiderlegbar“ hinzunehmen und den Feststellungen zuGrunde zu legen sind. Der Tatrichter hat vielmehr auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses darüber zu entscheiden, ob derartige Angaben geeignet sind, seine Überzeu- gungsbildung zu beeinflussen. Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen , für deren Vorliegen es außer der nicht widerlegbaren, aber auch durch nichts gestützten Angaben des Angeklagten keine Anhaltspunkte bestehen.
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(3) Auch hinsichtlich der Schmuckschatullen ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Die Würdigung der Strafkammer stützt sich im Kern darauf, dass eine Absprache mit dem Zeugen nicht möglich gewesen wäre. Dies wäre nur dann ohne weitere Begründung tragfähig, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung , in der er die von seinem Freund dann bestätigten Angaben gemacht hat, erstmals erkannt hätte, dass die Frage nach den Schatullen Bedeutung haben kann. Dies wäre zu erörtern gewesen. Die Schatullen waren bei der Hausdurchsuchung gefunden worden, die Brisanz dieses Fundes war, ohne dass auch dies nachvollziehbar gewürdigt wäre, von der Mutter des Angeklagten offenbar sofort erkannt worden. Unter diesen Umständen versteht es sich nicht von selbst, dass dem Angeklagten der Fund der Schatullen unbekannt war oder dass er ihn für irrelevant gehalten hätte. Dann aber ist bei der Frage, ob die Möglichkeit einer Absprache mit seinem Freund bestand, nicht allein auf den Zeitraum zwischen der Angabe des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Schatullen und der Vernehmung des Freundes hierzu in der Hauptverhandlung abzustellen.
20
(4) Hinsichtlich der Telefongespräche fehlt es an der Erörterung der nahe liegenden Frage, warum über das doch eher einfach strukturierte Thema des Benzingeldes - nach Angaben des Angeklagten soll es um 20,-- € gegangen sein - kurz hintereinander gleich vier Gespräche erforderlich waren und warum dies nicht auf der gemeinsamen Rückfahrt besprochen worden ist.
21
(5) Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Zeugin Br. ist unklar. Die Zeugin beschreibt einen Mann, der am Tatort und nach Bewertung der Strafkammer ein Täter war. Die Aussage von A. , dass der Angeklagte am Tatort war, hält die Strafkammer im Ergebnis für falsch. Unter diesen Umständen wird nicht deutlich, warum gerade die Aussage A. s zum Farbton der Hose, die der Angeklagte „bei Begehung der Tat“ getragen habe, geeignet ist, die Würdigung der Aussage von Frau Br. zu beeinflussen.
22
b) Sind aber schon eine Reihe von Erwägungen der Strafkammer zu einzelnen Beweisanzeichen für sich genommen nicht tragfähig begründet, kann auch das auf einer - hier ohnehin etwas pauschalen - Gesamtwürdigung aller Erkenntnisse beruhende Ergebnis keinen Bestand haben. In diesem Zusammenhang weist der Senat auf Folgendes hin: Wie auch die Strafkammer nicht verkennt, deuten „gewichtige Gesichtspunkte“ auf den Angeklagten als Täter. Allein daraus, dass ein bestimmtes Ergebnis deshalb nicht fern oder sogar nahe liegt, folgt jedoch nicht, dass der Tatrichter im Einzelfall nicht auch rechtsfehlerfrei zu einem anderen Ergebnis kommen kann (BGH NStZ-RR 2009, 248, 249; NStZ 2009, 264). Verwirft er jedoch die nahe liegenden Deutungsmöglichkeiten und führt zur Begründung seiner Zweifel an der Täterschaft eines Angeklagten nur Schlussfolgerungen an, für die es nach der Beweisaufnahme entweder keine tatsächlichen Anhaltspunkte gibt, oder die (zwar nicht als denknotwendig ausgeschlossen, aber doch) als eher fern liegend zu betrachten sind, so muss im Rahmen der Gesamtwürdigung erkennbar werden, dass sich der Tatrichter dieser besonderen Konstellation bewusst ist. Andernfalls besteht nämlich die Besorgnis, dass er überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt hat (BGH NStZ–RR 2009, 248, 249).
23
Die Sache bedarf nach alledem neuer Verhandlung und Entscheidung, ohne dass es noch auf Weiteres ankäme.
Nack Wahl Elf Graf Jäger

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 582/06
vom
22. Mai 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2007,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin und
Rechtsanwältin
als Verteidigerinnen,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger H. C. , E. C. und
M. W. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers T. M. ,
die Nebenklägerin M. W. persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 21. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Stuttgart zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Mordes und des zweifachen Mordversuchs freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, am 7. Oktober 2004 die Sparkassenfiliale in S. ausgeraubt und dabei eine Sparkassenkundin erschossen und deren Ehemann sowie einen Sparkassenangestellten lebensgefährlich verletzt zu haben. Von seiner Täterschaft konnte sich das Landgericht nicht überzeugen.
2
Mit ihren Revisionen rügen die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden, haben mit der Sachrüge Erfolg, da die dem Freispruch zugrunde liegende Beweiswürdigung Rechtsmängel aufweist. Auf die Verfahrensrügen kommt es nicht mehr an.

I.

3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
4
Am 7. Oktober 2004 versah in der Sparkassenfiliale S. der Bankkaufmann T. M. den Dienst. Während der von 12.00 Uhr bis 14.00 Uhr dauernden Mittagspause nahm T. M. eine Verabredung in N. mit Kollegen anderer Filialen wahr. Zwischen 13.46 Uhr und spätestens 13.54 Uhr kehrte er in die Filiale S. zurück. Unter nicht näher geklärten Umständen wurde er dort vor 13.56 Uhr von einem unmaskierten und mit einer Pistole bewaffneten Mann gezwungen, im Kassenraum den Banktresor zu öffnen und Geldscheine sowie Münzgeld im Werte von 33.514 € herauszugeben. Anschließend musste sich T. M. in dem benachbarten Beratungsraum hinknien und erhielt von dem Täter mit einem stumpfkantigen Gegenstand bis zu zwölf wuchtige Schläge auf den Kopf, die zu einem lebensgefährlichen Schädel-Hirn-Trauma mit einer handtellergroßen Trümmerfraktur des Schädeldachs und zu Trümmerfrakturen im Bereich der Augenhöhlen sowie Kontasionen des Hirngewebes führten.
5
Um 13.55 Uhr betraten die Eheleute C. die Sparkassenfiliale, um ein Bankgeschäft zu erledigen. Vom Kundenschalterraum aus hörten sie Stöhngeräusche , ohne jemand zu sehen. Mit den Worten "Schnell raus, hier stimmt was nicht" zog H. C. seine Ehefrau in den Windfang und wollte mit ihr die Bank verlassen. Noch bevor sie die Eingangstür erreicht hatten, kam ein Mann aus dem Beratungsraum und drängte sie mit vorgehaltener Pistole zurück in den Kundenschalterraum. Er drückte den Zeugen H. C. bäuchlings über die Sitzfläche eines Stuhles, setzte die Pistole im Nacken des Zeugen an und drückte ab. Das Projektil drang im linken Nackenbereich ein und trat unterhalb des linken Unterkiefers wieder aus. Nunmehr richtete der Täter die Waffe gegen G. C. und gab von vorn zwei Schüsse auf deren Kopf ab mit der Folge, dass G. C. innerhalb weniger Sekunden verstarb. Der Täter flüchtete mit der Beute. Die Verletzungen des T. M. und des H. C. waren lebensgefährlich. Beide überlebten nach Notoperationen, wobei T. M. bis zum 16. Oktober 2004 in ein künstliches Koma versetzt wurde.
6
2. Auf den Angeklagten fiel der Tatverdacht insbesondere aufgrund folgender Erkenntnisse:
7
a) Die beiden die Tat überlebenden Geschädigten T. M. und H. C. haben den Angeklagten als Täter bezeichnet.
8
b) Der Angeklagte fuhr im Tatzeitraum mit seinem Kraftfahrzeug in der Nähe des Tatorts.
9
c) Der Angeklagte befand sich in finanziellen Schwierigkeiten. Am Nachmittag des Tattages zahlte er bei der Volksbankfiliale S. 10.000 € ein, darunter 14 Scheine im Wert von je 500 € - die Tatbeute enthielt 15 Scheine in diesem Wert. Am folgenden Tag zahlte seine Lebensgefährtin dort weitere 4.600 € ein. Bei Durchsuchungen seines Anwesens wurden ca. 20.000 € sichergestellt.
10
d) Im Kniekehlenbereich des Fahrersitzes des von dem Angeklagten benutzten Fahrzeugs wurde eine Blutantragung gesichert, deren molekulargenetische Untersuchung ein DNA-Teilmuster ergab, welches mit einem Häufigkeitswert von 1:10.130 mit den Merkmalen des Geschädigten M. übereinstimmt.
11
e) In einem alten Steinbruch von S. wurde im weiteren Verlauf des Tattages ein Feuer entzündet, das eine starke schwarze Rauchsäule entfaltete. Im Brandschutt dieser Feuerstelle wurden Adressaufkleber des Angeklag- ten, diesem zuzuordnende Rundhölzer und - etwa 13 Monate nach diesem Brand - eine Kautschukmischung aus einem Produkt des französischen Stiefelherstellers Le Chameau sichergestellt. Der Angeklagte hatte zweimal ein paar Gummistiefel dieser Marke gekauft und trug am Tattag Stiefel. Zwei am Tatort gesicherte Schuhabdruckfragmente wurden von einem Gummistiefel der Marke Le Chameau verursacht.
12
3. Das Landgericht hat sich gleichwohl von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht.
13
Hinsichtlich des Zeugen M. bestünden wegen der erheblichen Verletzungen im Gehirnbereich Bedenken an der Aussagetüchtigkeit. Der Zeuge C. habe unmittelbar nach der Tat gegenüber verschiedenen Zeugen lediglich geäußert, der Täter habe dem Angeklagten ähnlich gesehen. Die finanzielle Situation des Angeklagten sei nicht ganz aussichtslos gewesen. Hinsichtlich der Blutspur im Fahrzeug des Angeklagten liege das Analyseergebnis im Bereich der unteren Nachweisgrenze; insbesondere sei nicht nachvollziehbar, dass angesichts des äußerst blutigen Geschehens in der Sparkasse in dem nichtgereinigten Fahrzeug des Angeklagten keine weiteren Blutspuren gefunden wurden. Es bestünden aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran, dass es dem Angeklagten überhaupt möglich war, das Feuer in dem Steinbruch zu entzünden. Darüber hinaus lasse sich nicht feststellen, dass die im Brandschutt gefundenen Gegenstände auch tatsächlich aus dem Brand des Tattages stammen.
14
Im Übrigen bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass es dem Angeklagten in zeitlicher Hinsicht möglich war, die Tat zu begehen. Die Kammer hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten um genau 13.54 Uhr mit seinem Fahrzeug ca. 100 Meter von der Sparkasse entfernt in die H. straße einbiegen und ortsauswärts fahren sehen. Da die Eheleute C. die Sparkasse um 13.55 Uhr betreten hätten, hätte um 13.54 Uhr - auch wenn die Tat zum Nachteil des Zeugen M. in nicht mehr als eineinhalb Minuten begangen werden konnte - der Täter sich bereits in der Sparkasse befinden müssen.
15
Schließlich gebe es Hinweise auf andere Täter. Die Zeugin G. habe gegen 12.30 Uhr, als T. M. die Sparkasse bereits verlassen gehabt und der Angeklagte sich noch zuhause befunden hätte, eine männliche Stimme aus dem Bankinneren gehört. Im Tatzeitraum habe vor der Sparkasse ein dunkelfarbenes Fahrzeug gestanden, das keinem der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen zugeordnet werden konnte.

II.

16
Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.
17
1. Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn eine vom Tatrichter getroffene Feststellung "lebensfremd" erscheinen mag. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Richters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht.
18
Demgegenüber ist eine Beweiswürdigung etwa dann rechtsfehlerhaft, wenn sie schon von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, z.B. hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht erörtert, wenn sie wider- sprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Verfahrenssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2005, 1727; BGH NStZ-RR 2003, 371; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33, jew. m.w.N.).
19
2. Das Landgericht hat umfänglich und detailliert eine Vielzahl den Angeklagten belastender Indizien sowie die ihn entlastenden Umstände aufgelistet und gewürdigt. Die Abwägungen werden gleichwohl den vorstehenden Grundsätzen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Die Strafkammer hat bei der Gesamtwürdigung wichtige belastende Indizien nicht hinreichend einbezogen, denen sie für sich gesehen keinen "zwingenden" Beweiswert beigemessen hat (Buchst. a). Sie sieht erhebliche konkrete Verdachtsmomente aufgrund nicht tragfähiger Hypothesen und bloß denktheoretischer Möglichkeiten als entwertet an (Buchst. b). Einzelne belastende Beweisanzeichen hat sie überhaupt nicht erörtert (Buchst. c). Schließlich liegen Erörterungsmängel hinsichtlich entlastender Beweismittel vor (Buchst. d).
20
a) Die Strafkammer hatte zu prüfen, ob die beiden die Tat überlebenden Opfer, H. C. und T. M. den Angeklagten überzeugungskräftig als Täter identifiziert haben. Sie kam - sachverständig beraten - jeweils zu dem Ergebnis, dass sie wegen verbleibender Zweifel nicht feststellen könne, die Zeugen hätten den Angeklagten "sicher" als Täter erkannt. Sie hat damit zwei wesentliche Beweisanzeichen für die Täteridentifikation einzeln unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes als letztlich nicht überzeugend erachtet. Der Zweifelssatz, der eine Entscheidungs- und keine Beweisregel ist, darf jedoch nicht auf einzelne Indiztatsachen angewendet werden, sondern kann erst bei der Gesamtbetrachtung zum Tragen kommen (vgl. BGH NStZ 2001, 609 m.w.N.). Es ist deshalb zu besorgen, dass die Kammer nicht hinreichend be- dacht hat, dass diese wichtigen Indizien, auch wenn sie sie - einzeln für sich betrachtet - nicht zum Nachweis der Täterschaft für ausreichend zu erachten vermochte, doch mit ihrem verbleibenden erheblichen Beweiswert in der Gesamtheit aller belastenden Indizien dem Gericht die entsprechende Überzeugung vermitteln könnten (st. Rspr., vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2, 20 m.w.N.). Gerade angesichts der Häufung und gegenseitigen Durchdringung der den Angeklagten belastenden Umstände erscheint es möglich, dass die Kammer bei einer sachgerechten Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft gewonnen hätte. Der formelhafte Hinweis, nach einer "Auseinandersetzung mit allen für den Tathergang wesentlichen Umständen und Indizien" verblieben vernünftige Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten, vermag die gebotene Gesamtwürdigung unter Gewichtung der einzelnen Beweise nicht zu ersetzen (vgl. BGH NStZ 1998, 475).
21
b) Das Landgericht lässt der molekulargenetisch untersuchten Blutspur aus dem Fahrzeug des Angeklagten insbesondere deshalb "allenfalls Indizwirkung" zukommen, weil weder an den Kleidungsstücken des Angeklagten noch in seinem Fahrzeug weitere entsprechende Blutspuren festgestellt wurden. Die Kammer stellt ihre Erwägung unter den Vorbehalt, dass die betroffenen Kleidungsstücke des Angeklagten gewaschen oder beseitigt worden sein könnten. Entgegen ihrer Ankündigung (UA S. 97) ist sie auf diesen Vorbehalt aber nicht mehr eingegangen. Der Senat kann daher aufgrund dieser Lücke der Urteilsfeststellungen nicht prüfen, ob diese von der Strafkammer selbst als wesentlich angesehene Möglichkeit mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen wurde. Im Übrigen ändert die Tatsache, dass keine weiteren Blutspuren festgestellt wurden, grundsätzlich nichts an dem Beweiswert der tatsächlich gefundenen Spur mit ihrem molekulargenetisch festgestellten Aussagewert.
22
Weiterhin hat das Landgericht den Beweiswert des nach der Tat in einem Steinbruch abgebrannten Feuers in Frage gestellt, weil aus zeitlichen Gründen erhebliche Zweifel daran bestünden, dass es dem Angeklagten möglich gewesen sein könnte, das Feuer zu entzünden. Die Kammer hat sich jedoch bei dieser eher nachrangigen Frage den Blick dafür verstellt, dass in dem Brandschutt tatsächlich sowohl Reste von Gegenständen des Angeklagten als auch Reste eines Jagdgummistiefels der Marke Le Chameau gefunden wurden. Nimmt man hinzu, dass der Angeklagte zweimal ein Paar dieser wenig verbreiteten Stiefel erworben hatte, am Tattage Stiefel trug und dass die am Tatort gefundenen Abdruckfragmente von einem Stiefel der Marke Le Chameau stammen, wird auch hier deutlich, dass gerade in der Kombination dieser einzelnen Fakten ein besonderer Beweiswert liegt. Dem hat die Kammer nicht hinreichend Rechnung getragen, indem sie isoliert auf die Einzelindizien abgestellt hat. Wenn die Kammer im Übrigen angesichts des Umstandes, dass die Stiefelreste erst 13 Monate nach der Tat an der Brandstelle gefunden wurden, die Gefahr einer Manipulation durch Dritte in Rechnung stellt, wird nicht erkennbar, warum es sich dabei um mehr als eine nur theoretische Erwägung handeln könnte, die keinen realen Anknüpfungspunkt hat. Die Kammer stellt selbst fest (UA S. 166), dass der Stiefel verbrannt worden war, bevor die Öffentlichkeit über die Bedeutung von Stiefeln der Marke Le Chameau für das vorliegende Verfahren erfahren hatte.
23
c) Die Beweiswürdigung weist zudem Lücken auf.
24
Allerdings können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maß der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalles ab. Dieser kann so beschaffen sein, dass sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erüb- rigt. Um einen solchen Fall handelt es sich hier aber nicht. Das Tatgericht hat vielmehr auf Freispruch erkannt, obwohl eine Fülle erheblicher Belastungsindizien vorlag. Bei solcher Sachlage muss es in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung alle wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (vgl. BGH NStZ-RR 2002, 338 m.w.N.). Dem wird das angefochtene Urteil trotz der umfangreichen Beweiserwägungen nicht gerecht:
25
Die Würdigung der Belastungsindizien erstreckt sich zum einen nicht auf den Umstand, dass der Angeklagte nach mehreren mit Nachdruck ausgesprochenen Mahnungen des Filialleiters der Volksbank selbst davon ausging, bis spätestens zu dem von ihm als "Endtermin" angesehenen 7. Oktober 2004 - dem Tattag - eine größere Summe einzahlen zu müssen.
26
Darüber hinaus ist nicht erkennbar in die Beweiswürdigung einbezogen, dass die Tatbeute 15 Scheine im Wert von je 500 € enthielt und der Angeklagte bei der Volksbank 14 Scheine in diesem Wert eingezahlt hat. Der Angeklagte will das eingezahlte Geld in nebenher durchgeführten Schwarzgeldgeschäften - Verkauf von Wild und Ausschlachtungsarbeiten auf einer staatlichen Liegenschaft - verdient haben. Es erscheint nicht ohne weiteres plausibel, dass er aus diesen Geschäften weit überwiegend allein 500-Euro-Scheine erlangt hat.
27
Nicht erörtert ist auch - gerade vor dem Hintergrund der von der Strafkammer erörterten These, ein Fremder hätte die Bank überfallen können -, dass es dem nicht maskierten Täter darum ging, die in der Bank anwesenden Personen zu töten, und er zu diesem Zweck sogar die Eheleute C. vom Eingangsbereich zurück in den Kundenraum drängte, um sie dort geradezu hinrichtungsartig zu töten. Dies legt den erörterungsbedürftigen Schluss sehr nahe, dass die Opfer den Täter gekannt haben und dieser von seiner Identifizierung ausgehen musste, wenn sie am Leben blieben.
28
d) Von der Zuverlässigkeit der Aussage des Alibizeugen B. - dem zentralen Entlastungsbeweismittel - hat sich das Landgericht in einer für den Senat nicht nachprüfbaren Weise vorschnell überzeugt. Daher hat es auch dessen Zeitangabe bei der Abwägung mit den übrigen Beweisanzeichen rechtsfehlerhaft als bereits feststehend behandelt.
29
aa) Das Landgericht hält die Angabe des Zeugen B. für glaubhaft, er habe den Angeklagten mit seinem Fahrzeug um exakt 13.54 Uhr gesehen, als dieser - aus der L. gasse kommend - nach rechts stadtauswärts abgebogen sei. Die Zeitangabe habe der Zeuge deshalb so präzise machen können, weil er dabei von seinem Hofeingangsbereich aus auf die katholische Kirchturmuhr gesehen habe, die er immer kontrolliere. Wäre diese Zeitangabe des Zeugen auf die Minute genau zuverlässig, dann wäre es - wie das Landgericht ausgehend von dieser Prämisse zu Recht folgert - dem Angeklagten in der Tat zeitlich nicht möglich gewesen, vor dem Eintreffen der Eheleute C. um 13.55 Uhr die Bank zu betreten und es wäre auch ausgeschlossen, dass der Angeklagte zu dem davor liegenden Zeitpunkt, als der Bankangestellte M. die Bank betrat, schon an der Bank gewesen sein konnte.
30
bb) Von dem Blick auf die Kirchturmuhr hat der Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, jedoch ergibt sich aus dem Urteil nicht, wie er sich dazu bei seinen polizeilichen Vernehmungen geäußert hatte. Das Landgericht bewertet die Aussageentstehung jedenfalls dahin, dass "keine gravierenden Widersprüche hinsichtlich seiner Angaben in der Hauptverhandlung und bei seinen polizeilichen Vernehmungen" vorhanden seien.
31
Ob diese Bewertung zutrifft, kann der Senat anhand der Urteilsausführungen (vgl. UA S. 144 ff.) nicht überprüfen: Bei seiner ersten Befragung am 8. Oktober 2004 (dem Tag nach der Tat) hatte der Zeuge offenbar nur bekundet , er sei "kurz vor zwei" losgefahren; dass er den Angeklagten zuvor gesehen habe, scheint er nicht erwähnt zu haben ("Ansonsten sei ihm im Bereich der Sparkasse nichts aufgefallen."). Bei der zweiten Vernehmung, am Vormittag des 9. Oktober 2004, berichtete er davon, den Angeklagten "fünf bis sechs Minuten vor 14.00 Uhr" gesehen zu haben. Bei seiner dritten Vernehmung, am Nachmittag dieses Tages, präzisierte er den Zeitpunkt auf 13.54 Uhr. Unklar bleibt danach, ob, wann und wie der Zeuge bei diesen polizeilichen Vernehmungen seine Erinnerung mit dem Blick auf die Kirchturmuhr begründet oder den Zeitpunkt, zu dem er den Angeklagten sah, gar anderweitig rekonstruiert hat (etwa allein durch den mitgeteilten Blick auf die Küchenuhr um 13.45 Uhr).
32
cc) Bei der zentralen Bedeutung der Aussage des Entlastungszeugen B. hätte die Aussageentstehung - offenbar von einer zunächst vagen zu einer schließlich ganz präzisen Zeitangabe - näherer Wiedergabe und Erörterung bedurft. Es erscheint nämlich eher fern liegend, dass der zeitnah zur Tat vernommene Zeuge eine derart markante Besonderheit - wie den Kontrollblick auf die Kirchturmuhr - zunächst nicht erwähnt, obwohl es schon bei der ersten Befragung auf minutengenaue Zeitangaben angekommen war. Danach kommt ernsthaft in Betracht, dass der Zeuge, der sich darauf festgelegt hat, dass der Angeklagte nicht der Täter sein könne (UA S. 147), sich nicht konkret an die Uhrzeit erinnert, sondern diesen Zeitpunkt lediglich rekonstruiert hat.
33
Wegen dieses Erörterungsmangels besorgt der Senat, dass das Landgericht die - möglicherweise nur scheinbar präzise - Zeitangabe des Zeugen B. allein aufgrund dessen eigener Aussage, also vorschnell und damit rechtsfehlerhaft , als feststehenden zeitlichen Fixpunkt im Beweisgebäude angesehen hat. Die Frage, ob die Zeitangabe des Zeugen B. zur Überzeugung des Landgerichts zuverlässig war, durfte vielmehr erst im Rahmen der abschließenden Gesamtschau mit den übrigen Beweisanzeichen beantwortet werden. Wäre dies geschehen, dann ist nicht auszuschließen, dass die Alibibekundung des Zeugen B. als nicht hinreichend zuverlässig eingestuft worden wäre. In diesem Fall wäre es dem Angeklagten zeitlich doch möglich gewesen, die Tat zu begehen.

III.

34
Da diese sachlich-rechtlichen Mängel bereits zur Aufhebung führen, kommt es auf die übrigen Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger nicht an.

IV.

35
Mit der Aufhebung des Urteils entfällt der an den Freispruch anknüpfende Ausspruch über die Entschädigung des Angeklagten für erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen , sodass die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegenstandslos ist.

V.

36
Die Sache muss somit neu verhandelt und entschieden werden. Der Senat verweist sie gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 (2. Alt.) StPO an ein anderes Landgericht zurück. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 73/02
vom
31. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2002 in der Sitzung vom 31. Mai 2002, an denen teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Oktober 2001 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts; die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat er von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol konsumierte, am Tattag nach dem Abendessen ab 19.00 Uhr 1,5 l Kölsch getrunken, als er sich um etwa 21.00 Uhr mit seinem Freund H. traf. Die beiden begegneten dem späteren Tatopfer Sch. und ihrer Freundin; sie versuchten, die beiden Mädchen zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu ihrer
Freundin entschloû sich Sch. , die früher einmal mit H. befreundet gewesen war, den jungen Männern Gesellschaft zu leisten, da der Angeklagte ihr einredete, sein Freund wolle sich wieder mit ihr versöhnen. Während man sich unterhielt, teilten die beiden Männer sich eine halbe Flasche Wodka. Als der Angeklagte seine Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer schwinden sah, wollte er von seinem Freund nach Hause gefahren werden. In der Hoffnung auf Versöhnung mit H. begleitete Sch. die beiden. Vor dem Haus des Angeklagten ging die Unterhaltung auf dem Parkplatz weiter, und der Angeklagte holte aus seiner Wohnung eine Flasche Wein. Diese leerte er gemeinsam mit Sch. , welche zwei Gläser trank. Nachdem der Angeklagte noch eine Flasche Sekt herbeigebracht hatte, von der die junge Frau ein Glas und er den Rest konsumierte, wollte Sch. nach Hause. Der Angeklagte hatte sein Interesse an ihr noch nicht aufgegeben und erklärte, sie zu begleiten. Trotz seiner Alkoholisierung steuerte der Angeklagte den Pkw selbst. An einer Grünfläche hielt er auf einem Parkplatz an und faûte den Entschluû , mit Sch. an Ort und Stelle notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er zog die Frau, die sich widersetzte und vergeblich nach ihrem früheren Freund rief, in das nahegelegene Waldstück. Um sie zum Schweigen zu bringen, schlug der Angeklagte sie so heftig in das Gesicht, daû sie einen Schneidezahn verlor. Im Wald stieû er Sch. zu Boden, so daû sie mit dem Rücken über einem Holzbalken lag, und entkleidete sie teilweise. Als sie wiederum um Hilfe schrie, würgte er sie mit beiden Händen so stark, daû sie kaum noch atmen konnte, und drehte ihr Gesicht auf die Erde, wodurch sie noch weniger Luft bekam. Dabei drohte er ihr, sie zu erwürgen , wenn sie sich nicht ruhig verhalte. Sch. gab schlieûlich aus Furcht jeden weiteren Widerstand auf, und der Angeklagte führte gegen ihren
Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr und Oralverkehr aus. Nachdem er in die Hand der Zeugin ejakuliert hatte, gingen beide zurück zum Auto. Der Angeklagte forderte seinen Freund auf, zu fahren und zunächst Sch. nach Hause zu bringen, was diese aber nicht wollte. Als der Angeklagte sich von Sch. verabschiedete, kündigte er an, sie von nun an noch oft zu besuchen. Zu Hause wusch er sich, machte sich für seine Arbeit als Müllsortierer fertig und ging dieser Tätigkeit, ohne geschlafen zu haben, von 5.30 Uhr bis 10.00 Uhr nach. Übermüdet brach er dann die Arbeit ab. Sch. erlitt u.a. Würgemale am Hals und leidet seit der Tat unter Angstzuständen. Sie stimmte einer als "Täter-Opfer-Ausgleich" bezeichneten Vereinbarung vom 25./26. Oktober 2001 zu, die der Verteidiger des Angeklagten und ihr Rechtsanwalt unterzeichneten. Darin verpflichtete sich der Angeklagte, an die Geschädigte ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM zu zahlen, die Kosten für das notwendig werdende Zahnimplantat zu übernehmen sowie die Kosten der Vereinbarung nebst den entstandenen Anwaltskosten zu tragen. Die Vereinbarung enthält ferner einen Passus, wonach der Angeklagte die Geschädigte um Verzeihung bittet und sie seine Entschuldigung annimmt. Vor der Hauptverhandlung leistete der Angeklagte eine erste Zahlung von 10.000 DM, die er durch den Verkauf seines Autos und über Familienangehörige finanzierte. Von diesem Betrag behielt der Rechtsanwalt der Geschädigten 2.000 DM für Anwaltskosten ein. Für weitere 5.000 DM und die Zahnarztkosten bestehen Zahlungsfrist zum 1. Juli und 31. Dezember 2002. Die Geschädigte, die ihre Nebenklage vereinbarungsgemäû zurücknahm , war zum Abschluû des Vergleichs nur deshalb bereit, weil sie befürchtete , ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten,
und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld zur Finanzierung des Zahnimplantats benötigte. 2. Das Landgericht hat angenommen, daû der Angeklagte bei Begehung der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,6 %o aufwies und sich - bei im übrigen voll vorhandener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befand. Die Strafe hat die Kammer dem gemäû §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen; eine weitere Strafmilderung nach §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB hat sie abgelehnt.

II.

Die Revision des Angeklagten war zu verwerfen. 1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dadurch verletzt, daû es von weiteren Beweiserhebungen zur Alkoholisierung des Angeklagten abgesehen hat. Eine Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie seines Freundes H. dazu, daû der Angeklagte nicht 1,5 l, sondern 3 l Kölsch konsumierte und die halbvolle Flasche Wodka allein leerte, drängte sich nicht auf. Denn diese von dem Angeklagten behaupteten Trinkmengen hätten im Zusammenwirken mit dem weiteren Konsum von Wein und Sekt, wie er vom Landgericht festgestellt wurde, zu einer unglaubhaft hohen Blutalkoholkonzentration von weit über 4 %o zur Tatzeit geführt. Eine solche war mit dem Leistungsverhalten des Angeklagten unmittelbar vor, während und nach der Tat nicht vereinbar. Die sachverständig beratene Strafkammer hat vielmehr - worauf im folgenden noch einzugehen sein wird - in nicht zu bean-
standender Weise aus diversen Kriterien im Verhalten des Angeklagten den Schluû gezogen, daû seine Schuldfähigkeit nicht aufgehoben war.
b) Auch ein Verstoû gegen § 261 StPO liegt nicht vor. Durch die nur zum überwiegenden Teil und nicht in vollem Wortlaut erfolgte Wiedergabe der als Täter-Opfer-Ausgleich bezeichneten Vereinbarung stellt sich die Beweiswürdigung nicht als lückenhaft oder widersprüchlich dar. Die in der Vereinbarung enthaltene Erklärung der Geschädigten, sie habe an der Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten kein Interesse mehr, wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Dies läût aber nicht besorgen, die Strafkammer habe den Inhalt der Abrede unvollständig oder unrichtig gewürdigt. Eine wörtliche Wiedergabe dieses Gesichtspunkts war nicht zwingend; es kann vielmehr ausgeschlossen werden, daû das Landgericht sich damit nicht auseinandergesetzt hat. So wird unter anderem die Tatsache, daû die Geschädigte ihre Anschluûerklärung zurückgenommen hat, vom Tatgericht ausdrücklich gewürdigt; dieses Verhalten dokumentiert den Verzicht auf eine aktive eigene Beteiligung am Prozeû und läût bereits auf geringeres Strafverfolgungsinteresse schlieûen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher Überprüfung stand. aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht - sachverständig beraten - bei dem 65 kg schweren Angeklagten zu Recht einen Reduktionsfaktor von 0,8
angenommen hat. Ein derartiges Abweichen von dem im Regelfall bei Männern anzusetzenden Faktor von 0,7 kann bei mageren, schmalwüchsigen Personen in Betracht kommen, da der Reduktionsfaktor von der individuellen körperlichen Konstitution, insbesondere vom Fettgewebsanteil, abhängt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 2; BGH NStZ 1992, 277; Beschl. v. 25. Mai 1993 - 2 StR 153/93; Forster, Praxis der Rechtsmedizin (1986), S. 451; Schütz, Alkohol im Blut (1983), S. 59). Mangels näherer Angaben zum Körperbau des Angeklagten, auch seiner Gröûe, kann der Senat jedoch nicht überprüfen, ob die zu Ungunsten des Angeklagten erfolgte Abweichung vom Durchschnittswert berechtigt war. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich ebensowenig wie die Tatsache, daû das Landgericht die gebotene Kontrollrechnung zur Überprüfung der Trinkmengenangaben (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 1, 7, 18; § 20 Blutalkoholkonzentration 19; BGH NStZ-RR 1997, 226; 1998, 359) nicht vorgenommen hat. Denn der Senat schlieût aus, daû das Landgericht bei rechnerischer Ermittlung anderer Blutalkoholwerte Schuldunfähigkeit des Angeklagten angenommen hätte. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat einer Gesamtwürdigung unterzogen und im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise den Schluû gezogen, daû die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Rechtsfehlerfrei stellt das Landgericht im wesentlichen darauf ab, daû der Angeklagte ein zielgerichtetes und durchdachtes Leistungsverhalten (Autofahren, situationsadäquate Reaktionen und Gespräche, diverse Sexualpraktiken, anschlieûendes Arbeiten ) zeigte und - auch nach seinen eigenen Angaben - keine Ausfallerschei-
nungen aufwies. Gegenüber diesen aussagekräftigen psychodiagnostischen Kriterien, einhergehend mit Alkoholgewöhnung und weitgehend erhaltenem Erinnerungsvermögen des Angeklagten, hat das Landgericht dem Blutalkoholwert , der hier lediglich anhand der Trinkmengen über einen Zeitraum von 7 1/2 Stunden ermittelt werden konnte, zu Recht keine ausschlaggebende Beweisbedeutung beigemessen (vgl. BGHSt 43, 66; BGH NStZ 1998, 457; Beschl. v. 23. November 2000 - 3 StR 413/00). bb) Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angenommen. Das Würgen des Tatopfers durch den Angeklagten ist als eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu werten. Festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241). Zwar reicht insoweit nicht jeder Griff aus, der zu Würgemalen führt, ebensowenig bloûe Atemnot (vgl. BGH StV 1993, 26; BGH, Urt. v. 11. April 2000 - 1 StR 55/00); andererseits kann Würgen bis zur Bewuûtlosigkeit oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 - 3 StR 324/95; BGH JZ 1986, 963). Von maûgeblicher Bedeutung sind demnach Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muû, das Leben des Opfers zu gefährden. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt nicht voraus, daû das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist. Nach den vom Landgericht festgestellten Gesamtumständen gingen die von dem Angeklagten vorgenommenen Würgegriffe über ein nur kurzzeitiges Zudrücken mit vorübergehender Luftnot weit hinaus und waren nach Art und Umfang abstrakt geeignet, bei der Geschädigten eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Daû der Angeklagte in subjektiver Hinsicht die Umstände erkannt hatte, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit
seines Tuns ergab (vgl. BGH NJW 1990, 3156), wird durch seine Äuûerung belegt, er werde sein Opfer erwürgen, wenn es nicht still sei.
b) Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Ablehnung einer weiteren Strafmilderung gemäû §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB hier im Ergebnis zu verneinen. Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, daû der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein muû (vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 a Rdn. 4; Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft , S. 309, 323). Die Vorschrift des § 46 a Nr. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen Intention einen kommunikativen Prozeû zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muû (vgl. BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; BT-Drs. 12/6853, S. 21). Dafür ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen Dritten erforderlich (obwohl die Gesetzesinitiative von einer solchen ausging, vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 22), noch ein - nicht immer ratsamer - persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer (vgl. BGH StV 1999, 89, 2001, 448). Unverzichtbar ist jedoch nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte , ernsthaft mitgetragene Regelung. An einer solchen fehlt es hier, obwohl
die von den Anwälten beider Seiten unterzeichnete schriftliche Vereinbarung rein formal gesehen die Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB indiziert. Das Tatgericht , das durch die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung der Vereinbarung als "Täter-Opfer-Ausgleich" in keiner Weise gebunden war, hat zu Recht die Gesamtumstände in seine Beurteilung mit einbezogen. Aus diesen ergibt sich, daû im vorliegenden Fall - wie er sich in der maûgeblichen Hauptverhandlung darstellte - ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat. Mit Einführung des § 46 a StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz sollten die Belange des Opfers in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden (vgl. Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drs. 12/6853, S. 21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4). Bei der Verankerung des Täter -Opfer-Ausgleichs in Nr. 1 dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG angelehnt und somit den förmlichen , tatsächlich praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich vor Augen gehabt (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21; ebenso König/Seitz NStZ 1995, 1, 2; Kilchling NStZ 1996, 309, 312). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daû das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Das ergibt sich aus ratio und Entstehungsgeschichte dieser Norm. Ob der von § 46 a Nr. 1 StGB angestrebte kommunikative Prozeû zu bejahen ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen. Bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt , wie es hier vorliegt, wird eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. auch BGH NStZ 1995, 492; StV 2000, 129).
Hier hat die Geschädigte nach den Feststellungen des Landgerichts die Vereinbarung nicht als friedensstiftende Konfliktregelung innerlich akzeptiert. Sie stimmte der Abrede vielmehr nur zu, weil sie befürchtete, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld benötigte, um das Zahnimplantat finanzieren zu können. Da das Tatopfer sich demnach allein aus faktischen Zwängen heraus notgedrungen mit der schriftlichen Vereinbarung einverstanden erklärte, liegt im Ergebnis ein umfassender Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB nicht vor. Allerdings kann die fehlende Einwilligung des Opfers im Rahmen des § 46 a Nr. 1 StGB dann unerheblich sein, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll demnach nicht ausschlieûlich vom Willen des Opfers abhängen; nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dem Täter in den Fällen, in denen eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich wäre, eine realistische Chance eingeräumt werden, in den Genuû der Strafmilderung zu gelangen, etwa bei Verweigerung der Mitwirkung durch das Opfer oder bei Eintritt eines hohen Schadens durch relativ geringes Verschulden. Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift aber das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, als Rahmenbedingung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21). Das bedeutet , daû das Bemühen des Täters gerade darauf gerichtet sein muû, zu e inem friedensstiftenden Ausgleich mit dem Verletzten zu gelangen; der Täter muû demnach in dem ernsthaften Bestreben handeln, das Opfer "zufriedenzustellen". Dies war bei dem Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Er kannte die finanzielle Situation der Geschädigten; ihm war bewuût, daû sie die schriftliche Vereinbarung nur aus der Not heraus annahm, ohne
darin tatsächlich eine Konfliktregelung zu sehen. Daû es dem Angeklagten aber selbst gerade um einen friedensstiftenden Ausgleich ging, ist nicht ersichtlich. Nach alledem muûte bei dieser Sachlage eine Strafmilderung gemäû § 46 a Nr. 1 StGB ausscheiden. Die - auch - auf diese Überlegungen gestützte Ablehnung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB erfolgte demnach ohne Rechtsfehler. Auf den teilweise rechtlich bedenklichen weiteren Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendung des § 46 a StGB beruht der Strafausspruch daher nicht. Rechtsfehlerfrei und der Gesetzessystematik entsprechend hat das Landgericht nach Verneinung der Strafmilderung gemäû § 46 a StGB das Verhalten des Angeklagten strafmildernd gemäû § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigt. Vizepräsident des Bundes- Otten Rothfuû gerichtshofs Dr. Jähnke ist infolge Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert. Otten Fischer Elf

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 204/02
vom
27. August 2002
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. August
2002, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Nack
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Dr. Kolz,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 29. Januar 2002 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs eines Kindes, wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen in vier Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Sie erstrebt im Ergebnis eine höhere, zu vollstreckende Strafe. Ihr Rechtsmittel bleibt erfolglos.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts streichelte der Angeklagte im Jahr 1987 seine aus erster Ehe stammende, in seinem Haushalt lebende
damals 13jährige Tochter N. im Bereich der Vagina, führte für wenige Sekunden einen Finger leicht in die Scheide ein und ließ N. kurz sein entblößtes , erigiertes Glied anfassen. Er onanierte sodann vor dem Kind bis zum Samenerguß und zeigte die Samenflüssigkeit seiner Tochter mit den Worten: "Schau' mal, wie sich das anfühlt!" (Fall II. 1., sexueller Mißbrauch eines Kindes nach § 176 Abs. 1 StGB aF; die Gesetzesverletzung nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB war verjährt). Im Juli oder August 1998 veranlaßte der Angeklagte die seinerzeit 8jährige Tochter I. seiner nunmehrigen Lebensgefährtin J. K. , sein nicht erigiertes Glied für wenige Sekunden in den Mund zu nehmen und daran zu lutschen, als er I. zu Bett brachte. Er war in diesem Zeitraum auch mit der Erziehung des Kindes befaßt. Ein bis zwei Wochen später wiederholte sich dieser Vorgang. Etwa ein bis drei Wochen darauf führte der Angeklagte einen Finger in die Scheide des Mädchens ein und bewegte ihn. Aufforderungsgemäß leckte das Kind den Finger sodann ab. Er streichelte es schließlich im Bereich der Scheide und küßte diese. Wenige Tage später kam es erneut zu den gleichen Handlungen; zudem gab der Angeklagte jetzt dem Kind einen Zungenkuß (Fälle II. 2. a) bis d), schwerer sexueller Mißbrauch eines Kindes in vier Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch eines Schutzbefohlenen, § 176 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Am 18. Juni 2000 würgte der Angeklagte seine Lebensgefährtin J. K. im Zuge der Trennung beider, so daß diese zwei Tage lang unter Schluckbeschwerden litt (Fall II. 3., vorsätzliche Körperverletzung, § 223 Abs. 1 StGB). 2. Das Landgericht hat für die erste Tat - zum Nachteil von N. , Fall II.1. - eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, für die vier Taten zum
Nachteil von I. - Fälle II. 2. - je eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und für die Körperverletzung zum Nachteil der J. K. - Fall II.3. - eine Geldstrafe ! "! $# % & von 120 Tagessätzen á 40 sstrafe von zwei Jahren gebildet. Deren Vollstreckung hat es zur Bewährung ausgesetzt. In den ersten beiden Komplexen (zum Nachteil N. und I. ) hat es jeweils minder schwere Fälle angenommen und dabei ausdrücklich darauf abgestellt, daß die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien. Bei der Bemessung der Geldstrafe für das Körperverletzungsdelikt hat es ebenso die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bejaht und den Strafrahmen über § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Strafkammer hat dies damit begründet, daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung an sei- %' )(+*, "- . / '10 / ' 2 354 6 '1 1*, 7 98/4 70 ne Tochter N. 260 zivilrechtlichen Verjährung eines im Adhäsionsverfahren anhängigen Schmerzensgeldanspruchs ausgegangen war. Zur Abgeltung weiterer, ebenfalls im Adhäsionsverfahren geltend gemachter Ansprüche der Geschädigten I. und J. K. hat er sich im Wege eines in der Hauptverhandlung protokol- # 0 1;: ,< = *, 8/4 ?> lierten Vergleichs zur Zahlung von 3.000 ver- 6@ pflichtet, die bei ratenweiser Zahlung in Höhe von insgesamt 2.000 zehn Monaten als vollständig erfüllt gelten sollten. J. K. hat er im Vergleichswege sämtliche im ehemals gemeinsamen Haushalt verbliebenen gemeinschaftlichen Möbel und Hausratsgegenstände zu Alleineigentum überlassen ; diese ging dabei von einem Wert der Gegenstände in Höhe von 3.500 aus. Der Angeklagte bezog zuletzt Übergangsgeld vom Arbeitsamt; er hat Unterhaltsverpflichtungen und ist hoch verschuldet.

II.

Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. 1. Die Bejahung der Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs (gemäß § 46a Nr. 1 StGB) durch das Landgericht begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) § 46a Nr. 1 StGB verlangt, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; es ist aber auch ausreichend, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden , friedensstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt dazu nicht (BGH NStZ 1995, 492; NJW 2001, 2557; NStZ 2002, 29). Wenngleich ein "Wiedergutmachungserfolg" nicht zwingende Voraussetzung ist (BGH aaO), so muß sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Ebensowenig wie allein die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen genügt, ist andererseits bei einem auf Ausgleich angelegten Verhalten des Täters, das sich als "Ausdruck der Übernahme von Verantwortung" erweist, die vollständige Erfüllung der bestehenden Ersatzansprüche erforderlich ; die strafrechtliche Wiedergutmachung im Sinne von § 46a StGB darf mit dem zivilrechtlichen Schadensersatz nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden (so zu § 46a Nr. 2 StGB: BGH NJW 2001, 2557). Der Anwendbarkeit steht zudem nicht von vornherein entgegen, daß der Täter den finanziellen Ausgleich durch seinen Verteidiger und etwa erst zu einem Zeitpunkt veranlaßt hat oder sich dazu verpflichtet hat, zudem ihn das Opfer bereits auf Zahlung in An-
spruch genommen hat (BGH StV 2000, 129 = NStZ-RR 2000, 364; StV 1999, 89; NStZ 1995, 284). Regelmäßig sind aber tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (BGH NStZ 2002, 29; BGH, Beschluß vom 22. Januar 2002 - 1 StR 500/01). Auf dieser Grundlage hat der Tatrichter in "wertender Betrachtung" und schließlich nach Ermessensgesichtspunkten zu entscheiden, ob er die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs annimmt und danach von der so eröffneten Milderungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dabei gilt es, das gesetzgeberische Anliegen im Blick zu behalten, mit der Vorschrift für den Täter einen als "vertypten Strafmilderungsgrund" ausgestalteten Anreiz für entsprechende Ausgleichsbemühungen zu schaffen. Das verbietet nach Auffassung des Senats ein allzu enges Verständnis der Vorschrift jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen ein kommunikativer Prozeß zwischen Täter und Opfer stattgefunden hat; dies wird vornehmlich für Taten im Familienverbund oder innerhalb sonstiger persönlicher Beziehungen zu gelten haben.
b) Das Landgericht hat diese Maßstäbe im Ergebnis beachtet. Die Urteilsgründe belegen in ihrem Zusammenhang noch hinreichend die Voraussetzungen eines stattgefundenen Täter-Opfer-Ausgleichs, den die Beschwerdeführerin namentlich hinsichtlich der ersten beiden Tatkomplexe (Taten zum Nachteil der Kinder) in Frage stellt. Die Feststellungen ergeben, daß der Angeklagte versucht hat, die Tatopfer in seine Ausgleichsbemühungen einzubeziehen und daß ein friedensstiftender "kommunikativer Prozeß" stattgefunden hat. So nahm der Angeklagte im zweiten Fallkomplex (zum Nachteil von I. ) nach Offenlegung des Kindesmißbrauchs durch die Geschädigte gegenüber ihrer Mutter um die Jahreswende 1998/99 mit der Telefonseelsorge Kontakt
auf; die Mutter ließ sich ebenfalls beraten. In Absprache mit der Mutter kam es danach zu einem - ersichtlich auch von der Beratungsstelle für sinnvoll erachteten - Gespräch zwischen Angeklagtem und dem Kind. Im Einvernehmen des Angeklagten, des Kindes und der Mutter lebten alle drei mit einer weiteren, jüngeren Tochter der Mutter seit Frühjahr 1999 wieder zusammen und zogen im Herbst 1999 gemeinsam nach Ku. , wo der Angeklagte und seine Lebensgefährtin ein Haus kauften (UA S. 13). Daß dieser ersichtlich einstweilen erfolgreiche Versuch einer "Aufarbeitung" der Taten zeitlich vor der Einleitung des Ermittlungsverfahrens lag, hindert den Tatrichter nicht, ihn - jedenfalls im Ergebnis - mit in Betracht zu ziehen. Ähnlich lag es auch beim ersten Fall (zum Nachteil von N. ). Nachdem sich das Opfer seiner Stiefmutter, der zweiten Ehefrau des Angeklagten, anvertraut und diese dem Angeklagten deshalb Vorhaltungen gemacht hatte, gab der Angeklagte die Tat zu. Da er N. versprach , derartiges nie mehr zu tun, hielt diese auch in der Folgezeit weiter Kontakt zu ihm. Dies blieb so, bis im Jahr 2000 die Vorwürfe des Mißbrauchs von I. bekannt wurden. Aus Empörung darüber brach N. nun den Kontakt mit ihrem Vater ab und erstattete ihrerseits Anzeige. Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung ein Schmerzensgeld an N. gezahlt hat und im übrigen im Wege eines protokollierten Vergleichs entsprechende Verpflichtungen zur Ersatzleistung eingegangen ist (UA S. 7, 8/9, 11), belegt unter diesen Umständen noch genügend, daß die Ausgleichsbemühungen auch in der Folge jedenfalls eine gewisse friedensstiftende Wirkung gezeitigt oder jedenfalls angebahnt haben; die Annahme der Vergleiche und der vergleichsweisen Zahlung setzt eine entsprechende Bereitschaft seitens der Opfer voraus. Ein gerichtlich protokollierter Vergleich ist ein Vollstrekkungstitel (vgl. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Auswirkungen der erfolgten und der zu erbringenden Zahlungen für den hoch verschuldeten Angeklagten erge-
ben sich noch genügend aus dem Zusammenhang mit den Feststellungen zu seinen finanziellen und persönlichen Verhältnissen. Unter all diesen Umständen ist jedenfalls von Rechts wegen nichts dagegen zu erinnern, daß die Strafkammer die Voraussetzungen des Täter-Opfer-Ausgleichs in wertender Betrachtung für alle Fälle bejaht und von ihrer Straffindungskompetenz in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise Gebrauch gemacht hat. Im ersten Fall steht der ersichtlichen Annahme "überwiegender Wiedergutmachung" von Rechts wegen nicht die eher geringe Höhe des gezahlten Schmerzensgeldes entgegen. Denn die Tat lag lange zurück. Die Geschädigte hatte nach Aussprache weiter Kontakt mit dem Angeklagten, ihrem Vater, gepflegt, und fortdauernde erhebliche psychische Folgen des Tatgeschehens sind im Urteil nicht festgestellt. Sie liegen angesichts des Zeitablaufs und des Lebensalters der Geschädigten zur Tatzeit sowie zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung auch nicht nahe.
c) Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich auch kein Anhalt dafür, daß die Geschädigten den Täter-Opfer-Ausgleich etwa nicht "ernsthaft mitgetragen" und nicht als friedensstiftende Konfliktregelung "innerlich akzeptiert" hätten. Deshalb kann der Senat dahinstellen, ob ein solcher innerer Vorbehalt des Opfers der Annahme der Voraussetzungen eines Ausgleichs entgegenstünde (so der 2. Strafsenat, Urteil vom 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02).
2. Die Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin zeigt auch sonst einen Rechtsfehler nicht auf. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Kolz

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 333/01
vom
22. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22. August 2001 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen vom 23. März 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen , sowie des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in weiteren 22 Fällen schuldig ist,
b) im gesamten Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 44 Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, die die Verletzung von
Verfahrensrecht und sachlichem Recht rügt, hat teilweise Erfolg. Sie führt zu einer Ä nderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs ; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen tateinheitlichen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 21 Fällen (Fallgruppen II B.1 bis II B.3 der Urteilsgründe; § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB) kann keinen Bestand haben, weil hinsichtlich dieser Gesetzesverletzungen Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zu Recht hervorhebt , hat der Angeklagte die insoweit festgestellten Taten (II B.1 bis II B.3 der Urteilsgründe) in der Zeit von Herbst 1992 bis Sommer 1995 begangen. Die Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch von Schutzbefohlenen beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Die erste zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung lag in dem richterlichen Durchsuchungsbeschluß vom 24. Januar 2000 (Bd. I Bl. 53 der Strafakte). Die nach dem 24. Januar 1995 beendeten Vergehen nach § 174 StGB können mithin nicht mehr verfolgt werden. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung (st.Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1990, 80, 81). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann danach lediglich für eine Tat des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in den genannten Tatkomplexen davon ausgegangen werden, daß sie in unverjährter Zeit begangen wurde. Das Landgericht hat festgestellt (Fallgruppe II B.2), daß es ab Herbst 1992 bis zum Sommer 1995 in mindestens 20 Fällen zu sexuellen Handlungen des Angeklagten an seiner von ihm adoptierten Stieftochter kam. Diese seien in einem Abstand von jeweils höchstens drei Wochen erfolgt (UA S. 7). Im Rahmen der Beweiswürdigung (UA S. 20) hat die Strafkammer jedoch
für die Berechnung der Gesamtzahl einen "großzügigen Sicherheitsabschlag" vorgenommen. Nachdem sie zunächst eine Tat pro Monat zugrunde gelegt und 36 Einzelfälle errechnet hat, ist sie dann - um sicher zu gehen, daß der Angeklagte durch die summarische Feststellung nicht beschwert wird - von lediglich 20 Fällen ausgegangen, ohne diese zeitlich genauer zu konkretisieren (vgl. dazu BGH NStZ 1994, 502). Bei dieser Sachlage kann aufgrund der Begrenzung des Tatzeitraumes bis zum Sommer 1995 lediglich sicher davon ausgegangen werden, daß in der unverjährten Zeit, also nach dem 24. Januar 1995, wenigstens eine Tat begangen wurde. Da der Senat ausschließt, daß in diesem Punkte eine weitere Klärung des Sachverhalts erfolgen kann, vermag er den Schuldspruch selbst zu ändern. 2. Schon die Schuldspruchänderung wegen teilweiser Verjährung muß zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und die Einzelstrafen in den Fallgruppen II B.1 bis 3 führen. Das Landgericht hat bei der Zumessung der Strafen für diese Taten (Fallgruppen II B.1 bis 3) aus dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausdrücklich berücksichtigt, daß der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat (UA S. 28). Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, daß dieser Gesichtspunkt die Straffindung mit beeinflußt hat. Darüber hinaus unterliegen auch die Einzelstrafen in den Fallgruppen II B.4 bis 6 der Aufhebung, weil die Überprüfung der Ablehnung einer Strafrahmenverschiebung nach den Grundsätzen des Täter-Opfer-Ausgleichs durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (UA S. 30). Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, daß das Landgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB ausgegangen ist, sich jedoch vor allem die Vorschrift des § 46a Nr. 1 StGB auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat bezieht (BGH NStZ 1999, 610; 2000, 205 f.; BGH, Beschluß vom
25. Mai 2001 - 2 StR 78/01). Nach § 46a Nr. 1 StGB genügt das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, wobei die Vorschrift als Rahmenbedingung fordert, daß das Bemühen darauf gerichtet sein muß, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, was das Gesetz mit dem Klammerzusatz "Täter-Opfer-Ausgleich" stichwortartig charakterisiert. Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht. Durch die engen Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB soll eine Privilegierung reicher Täter verhindert werden, die jederzeit zur Wiedergutmachung in der Lage sind und sich ohne weiteres - auch ohne Berücksichtigung der Opferinteressen - "freikaufen" könnten. § 46a Nr. 1 StGB verlangt allerdings keinen "Wiedergutmachungserfolg". Erforderlich ist, daß der Täter im Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" wiedergutgemacht hat; ausreichend ist aber auch, daß der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt (st.Rspr.; BGH NStZ 1995, 492, 493; BGH, Beschlüsse vom 20. Februar 2001 - 4 StR 551/00 - und vom 25. Mai 2001 - 2 StR 78/01). Das Landgericht geht zwar davon aus, daß die Voraussetzungen des § 46a (Nr. 2) StGB gegeben sind, erläutert dies aber nicht näher. Es hebt lediglich hervor, der Angeklagte habe mit seiner Verpflichtung zur Leistung von Schmerzensgeld auf einen Teil seiner Alterssicherung verzichtet. Demgegenüber wögen die zu Lasten des Angeklagten wirkenden Gesichtspunkte derart schwer, daß eine Schadenswiedergutmachung sie "nicht aufwiegen" könne (UA S. 30 unten). Dies läßt besorgen, daß das Landgericht zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB gestellt hat, zumal Feststellungen dazu fehlen, wie sich die Geschädigte zu den Bemühun-
gen des Angeklagten stellt und welche Folgen die Schmerzensgeldverpflichtung für den Angeklagten hat, aber auch wie sicher deren Erfüllung ist. 3. Die getroffenen Feststellungen können bestehenbleiben, da lediglich Wertungsfehler in Rede stehen. Ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig. Dies wird in der neuen Hauptverhandlung namentlich hinsichtlich des Täter-Opfer-Ausgleichs in Betracht zu ziehen sein. Schäfer Wahl Schluckebier Kolz Schaal

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 174/03
vom
26. August 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. August
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten B. S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten N. S. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 20. Dezember 2002 hinsichtlich beider Angeklagten im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und gegen den Angeklagten B. S. sen. eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie gegen den Angeklagten N. S. jun. eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafen wurde zur Bewährung ausgesetzt und das sichergestellte Tatwerkzeug eingezogen. Hiergegen wenden sich die wirksam auf den Strafausspruch beschränkten Revisionen der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie erstreben im Ergebnis höhere, zu vollstreckende Strafen. Unter anderem beanstanden sie die Strafrahmenmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB bei beiden Angeklagten. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts gehören die Angeklagten einerseits und der verletzte Nebenkläger A. H. andererseits zwei seit Jahren verfeindeten Sinti-Familien an. Am Tattag, dem 27. September 1999 kam es zwischen der Ehefrau des Angeklagten S. sen. und F. , der angeblichen Geliebten des Nebenklägers, zu massiven Beleidigungen , die sich auch auf die Familien erstreckten, und einer tätlichen Auseinandersetzung auf offener Straße, ausgelöst durch das Gerücht über die angebliche außereheliche Beziehung des Nebenklägers. Als dieser davon hörte, fuhr er sogleich dorthin. Er traf dort auf die beiden Angeklagten, die gerade ihre geparkten Fahrzeuge besteigen wollten. Auch sie waren über das Geschehen unterrichtet. Der Nebenkläger lief mit einem geöffneten Springmesser in der Hand auf den Angeklagten S. sen. schimpfend und mit drohender Gebärde zu. Dieser bewaffnete sich mit einem Dachdeckerbeil aus seinem Pkw. Auf Zuruf seines Vaters holte der Angeklagte S. jun. einen Säbel mit einer Klinge von 70 bis 80 cm Länge und ein Fischermesser aus seinem Fahrzeug. Als der Nebenkläger und sein Vater sich bewaffnet gegenüberstanden , schlug der Junior mit dem Säbel auf H. s Rücken. Dieser ergriff , vorwärts rennend, die Flucht. Die beiden Angeklagten setzten nach. Als der Nebenkläger erkannte, daß die Flucht nicht gelang, blieb er stehen und drehte sich um. Der Angeklagte S. jun. schlug mit dem Säbel wahllos auf den Oberkörper, insbesondere auf die Arme H. s, die dieser schützend vor das Gesicht hielt. Der Vater attackierte ihn mit der Axt. In Todesangst versetzte H. dem Angeklagten S. jun. mit dem Messer einen Stich in den Unterbauch. Das hatte zur Folge, daß der Vater in unbändiger Wut mit der Axt wild auf ihn eindrosch. Als S. jun. sich etwas erholt hatte, stach er nun mit dem Fischermesser auf den zurückweichenden Nebenkläger ein, bis
dieser zu Boden ging. Nach einigen Fußtritten durch den Vater ließen die Angeklagten von ihrem Opfer ab. Der Nebenkläger erlitt massive Verletzungen, eine Vielzahl von Schnitt-, Schürfwunden und Hämatomen. Ohne ärztliche Hilfe hätte er verbluten können infolge einer Durchtrennung der Arterie zur Elle. Aufgrund dessen war die Beweglichkeit der linken Hand zur Zeit der erstinstanzlichen Hauptverhandlung noch leicht eingeschränkt. Nachoperationen, Abszesse und Blutgerinnsel führten zu einem langwierigen Krankheitsverlauf. 2. Zur Anwendung des § 46a Nr. 1 StGB hat das Landgericht folgendes ausgeführt: Die Angeklagten, die im wesentlichen geständig waren, haben am vorletzten Hauptverhandlungstag sich beim Nebenkläger für das Geschehene entschuldigt und ein ernstgemeintes Versöhnungsangebot vor zahlreich vertretenen Volkszugehörigen im Zuhörerraum erklärt sowie ihre Bereitschaft ausgesprochen , zusammen ein Schmerzensgeld von 10.000 äger zu zahlen und dem Gerücht über ihn und F. entgegenzuwirken. Der Geschädigte hatte noch eine Woche vor der Hauptverhandlung die Angeklagten wissen lassen, er billige eine Verfahrensbeendigung nach § 153a StPO, wenn sie ihm ein bestimmtes Schmerzensgeld zahlen. In der Hauptverhandlung erklärte er, er nehme die Entschuldigung und das angebotene Schmerzensgeld nicht an. Zur Begründung führte er aus, die Angeklagten hätten drei Jahre lang Zeit gehabt, auf ihn zuzukommen. Die Strafkammer wertet das Verhalten der Angeklagten dahin, es sei ihnen um einen friedenstiftenden umfassenden Ausgleich und eine ernsthaft erstrebte Wiedergutmachung gegangen. Die verweigerte Mitwirkung an der Aussöhnung durch den Verletzten sieht sie als unerheblich an.

II.

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind begründet. Die Strafaussprüche hinsichtlich beider Angeklagten halten sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu deren Aufhebung führt jedoch allein die vom Landgericht jeweils zu Unrecht vorgenommene Strafrahmenmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB, was sich insbesondere aus dem Urteil des Senats vom 19. Dezember 2002 - 1 StR 405/02 - , NJW 2003, 1466, ergibt, das der Kammer noch nicht bekannt sein konnte. 1. Nach § 46a Nr. 1 StGB kann zwar das ernsthafte Bemühen des Täters um Wiedergutmachung, das darauf gerichtet ist, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, genügen. Die Vorschrift setzt aber nach der gesetzgeberischen Intention (BTDrucks. 12/6853, S. 21, 22) und nach ständiger Rechtsprechung einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden, friedenstiftenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen angelegt sein muß. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben ohne den Versuch der Einbeziehung des Opfers genügt nicht (BGH, aaO; Urt. v. 27. August 2002 - 1 StR 204/02 -, NStZ 2003, 29). Wenn auch ein Wiedergutmachungserfolg nicht zwingende Voraussetzung ist (BGH, Beschl. v. 22. August 2001 - 1 StR 333/01 -, NStZ 2002, 29), so muß sich doch das Opfer auf freiwilliger Grundlage zu einem Ausgleich bereit finden und sich auf ihn einlassen. Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daß das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptiert. Gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten darf die Eignung des Verfahrens für die
Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs nicht angenommen werden, wie § 155a Satz 3 StPO ausdrücklich klarstellt. 2. An diesen Maßstäben gemessen sind die Voraussetzungen des Täter -Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB durch die Urteilsgründe nicht belegt. Die Angeklagten sind auf das vor der Hauptverhandlung abgegebene Angebot des Verletzten, er billige eine Verfahrensbeendigung nach § 153a StPO, wenn sie eine bestimmte Geldsumme an ihn als Schmerzensgeld zahlen , nicht eingegangen. Die Feststellungen ergeben nicht, daß die Angeklagten in der Hauptverhandlung versucht haben, den Nebenkläger in einen Dialog über die zur Wiedergutmachung erforderlichen Leistungen einzubeziehen. Das einseitige Wiedergutmachungsbestreben beider Angeklagten am vorletzten Verhandlungstag hat das Opfer einer massiven Gewalttat als friedenstiftenden Ausgleich ausdrücklich nicht akzeptiert durch die Erklärung des Nebenklägers, er nehme die Entschuldigung und das angebotene Schmerzensgeld nicht an. Die einseitigen, späten bloßen Bemühungen ca. drei Jahre nach der Tat waren für ihn keine Genugtuung. Die Bewertung der verweigerten Mitwirkung an der Aussöhnung durch den Verletzten als unerheblich ist rechtsfehlerhaft. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der Strafaussprüche. Der Senat kann nicht ausschließen, daß die jeweilige Strafzumessung von der zu Unrecht vorgenommenen Strafrahmenverschiebung gemäß § 46a Nr. 1 StGB i.V.m. § 49 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 StGB zum Vorteil der Angeklagten beeinflußt worden ist.
Die Ausführungen auf S. 30 oben des Urteils geben dem Senat Anlaß, darauf hinzuweisen, daß der neue Tatrichter Gelegenheit haben wird, einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu prüfen. Nack Boetticher Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 290/11
vom
12. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten C. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 21. Dezember 2010 in den Strafaussprüchen mit den jeweils zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen (besonders) schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Vollstreckung der Strafe bei beiden Angeklagten zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, jeweils auf die Sachrüge gestützten und wirksam auf die Strafaussprüche beschränkten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen überfielen die Angeklagten am Abend des 12. Januar 2010 einem gemeinsamen Tatplan folgend einen Verkaufskiosk in M. . Sie warteten, bis der einzige Kunde den Kiosk verlassen hatte, maskierten sich und betraten sodann den Kiosk, wobei die Angeklagte C. in Ausführung des gemeinsamen Tatentschlusses ein Steakmesser mit einer Klingenlänge von ca. 15 cm in der rechten Hand hielt. Das Messer war einseitig scharf- kantig „gezackt“. Die als Verkäuferin im Kiosk beschäftigte Nebenklägerin kniete , mit Reinigungsarbeiten beschäftigt, mit dem Rücken zur Eingangstür vor dem Kühlschrank. Die Angeklagte C. umfasste deren Oberkörper mit dem linken Arm und zog sie hoch. Mit der rechten Hand drückte sie der Nebenklägerin das Messer mit der stumpfen Seite an den Hals. Die Angeklagte F. blieb an der Eingangstür stehen und gab Kommandos.
3
Um den Druck am Hals zu lindern, griff die Nebenklägerin an das Messer und zog sich hierbei Schnittverletzungen am Mittelfinger und am Handballen der linken Hand zu. Die Angeklagte C. schob sie um die Verkaufstheke herum zur Kasse. Die Nebenklägerin öffnete die Kassenschublade, woraufhin die Angeklagte C. das darin befindliche Geld - bis auf kleinere Centmünzen - in ihre Jackentasche steckte. Die Angeklagte F. , die während der ganzen Zeit abwechselnd den Thekenbereich und die vor dem Kiosk befindliche Straße beobachtete , rief zu der Angeklagten C. : "Pass auf, die macht was. Die drückt irgendwo auf den Knopf. Mach was." Obwohl die Nebenklägerin diese Äußerung als Aufforderung, mit dem Messer zuzustechen, auffasste und dieserhalb Todesangst verspürte, vermochte sie beruhigend auf die Angeklagte C. einzuwirken , so dass es zu keinen Weiterungen kam. Insgesamt erbeuteten die Angeklagten einen Betrag in Höhe von etwa 800 €.
4
In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht haben die geständigen Angeklagten mit der Nebenklägerin, die an erheblichen psychischen Tatfolgen leidet, einen Vergleich geschlossen und darin anerkannt, ihr als Gesamtschuldnerinnen dem Grunde nach zum Ersatz der aus dem Vorfall resultierenden materiellen und immateriellen Schäden verpflichtet zu sein. Darüber hinaus haben sie sich zur Zahlung eines verzinslichen Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € verpflichtet.
5
Das Landgericht hat für beide Angeklagte einen minder schweren Fall des (besonders) schweren Raubes bejaht und die Strafen dem nach „§§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB“ gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB entnommen.
6
2. Der Senat ist ordnungsgemäß besetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2012 – 4 StR 523/11).
7
3. Die Strafaussprüche können auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft nicht bestehen bleiben. Sie weisen Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf.
8
a) Das Landgericht ist sowohl bei der Strafrahmenwahl (§ 250 Abs. 3 StGB) als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn von einem zu geringen Schuldumfang ausgegangen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober2011 – 4 StR 455/11). Es hat nicht bedacht, dass die Angeklagten - neben der Erfül- lung der Voraussetzungen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB - auch die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB verwirklicht haben. Dieser Qualifikationstatbestand setzt voraus, dass mindestens zwei Personen bei der Körperverletzung bewusst zusammenwirken. Nicht erforderlich ist die eigenhändige Mitwirkung jedes einzelnen an der Verletzungshandlung. Vielmehr genügt es, dass eine am Tatort anwesende Person den unmittelbar Tatausführenden aktiv - physisch oder psychisch - unterstützt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 3. September 2002 – 5 StR 210/02, BGHSt 47, 383, 386 f.; Beschluss vom 14. Oktober 1999 – 4 StR 312/99, NStZ 2000, 194, 195; Urteil vom 22. Dezember 2005 – 4 StR 347/05, BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 4 gemeinschaftlich 3). So verhält es sich hier. Die Angeklagte F. befand sich im unmittelbaren Tatortbereich. Sie hat mit der Angeklagten C. , die auf Grund des zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans das Messer gegen die Nebenklägerin einsetzte und diese damit verletzte, täterschaftlich zusammengewirkt, indem sie das Tatobjekt durch ständige Beobachtung absicherte, durch verbale Ausrufe mit ihrer Tatgenossin kommunizierte und nach der Tat das Fluchtfahrzeug steuerte; auch teilten die Angeklagten die Beute anschließend hälftig unter sich auf.
9
b) Die Annahme des Landgerichts, die Voraussetzungen des TäterOpfer -Ausgleichs seien erfüllt, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
10
aa) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, muss, wenn wie hier durch eine Tat mehrere Opfer betroffen sind, hinsichtlich jedes Geschädigten jedenfalls eine Alternative des § 46 a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365 f. mit Anm. Dölling/Hartmann; Theune in LK-StGB, 12. Aufl., § 46 a Rn. 47 m.w.N.). Neben der Nebenklägerin war der Betreiber des Kiosks Opfer der Tat; das von den Angeklagten erbeutete Geld stand in seinem Eigentum. Das Urteil verhält sich jedoch nicht dazu, ob und ggf. wie die Angeklagten den Inhaber des Kiosks in ihre Ausgleichsbemühungen einbezogen haben.
11
bb) Aber auch die Bejahung der Voraussetzungen eines erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleichs im Verhältnis nur zur Nebenklägerin begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
12
Das Urteil bezeichnet schon die Fallgruppe des § 46 a StGB, die das Landgericht hier annehmen wollte, nicht eindeutig. § 46 a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, die auch bei Vermögensdelikten denkbar sind, während § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft. Da durch die Straftat der Angeklagten bei der Nebenklägerin vor allem immaterielle Schäden hervorgerufen worden sind, bestimmt sich der für eine Strafrahmenmilderung erforderliche Ausgleich - jedenfalls vorrangig - nach § 46 a Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2001 – 2 StR 78/01, NStZ 2002, 364, 365).
13
Diese Bestimmung verlangt, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht hat;es ist aber auch ausreichend, dass der Täter dieses Ziel ernsthaft erstrebt. Das Bemühen des Täters setzt grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss (BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646). Dafür ist eine von beiden Seiten akzeptierte, ernsthaft mitgetragene Regelung Voraussetzung. Das ernsthafte Bemühen des Täters muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein, und das Opfer muss die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren (BGH, Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30). Regelmäßig sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat, wie sicher die Erfüllung einer etwaigen Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist und welche Folgen diese Verpflichtung für den Täter haben wird (vgl. BGH aaO sowie Beschlüsse vom 22. August 2001 – 1 StR 333/01, NStZ 2002, 29, und vom 9. September 2004 - 4 StR 199/04, insoweit in NStZ 2005, 97 nicht abgedr.).
14
Das Landgericht hat diese Maßstäbe nicht beachtet. Zwar hat die Nebenklägerin mit den Angeklagten einen Vergleich geschlossen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 - 2 StR 344/11). Das Urteil trifft aber insbesondere keine Feststellungen zu der Frage, wie wahrscheinlich die ratenweise Zahlung des vereinbarten Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000 € durch die Angeklagten ist. Beide Angeklagte leben von staatlichen Transferleistungen. Sie sind alleinerziehend und erhalten für ihre Kinder keine Unterhaltszahlungen, sondern lediglich Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Beide Angeklagte sind verschuldet. Anlass für die abgeurteilte Straftat waren Rechnungen, welche die Angeklagten am Tattag jeweils erhalten hatten und nicht bezahlen konnten. Von dem erbeuteten Geld kauften beide Angeklagte am nächsten Tag Lebensmittel; die Angeklagte C. beglich außerdem einen Teil einer offenen Stromrechnung. Anhaltspunkte dafür, dass sich die finanzielle Situation der Angeklagten zwischen der Tat und der Urteilsverkündung grundlegend geändert hätte, sind nicht vorhanden. Außerdem folgt entgegen der Auffassung des Landgerichts (UA 17) aus der Tatsache des Vergleichsschlusses allein noch nicht, dass die Nebenklägerin die „Leistungen“ der Angeklagten als friedensstif- tenden Ausgleich akzeptiert hat (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, BGHSt 48, 134, 147, und vom 6. Februar 2008 – 2 StR 561/07, BGHR StGB § 46 a Voraussetzungen 1). Den Urteilsfeststellungen kann nicht entnommen werden, ob es sich bei dem in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich um ein "ernsthaftes Bemühen" um Schadenswiedergutmachung oder um ein taktisches Vorgehen in der Hoffnung auf eine mildere Strafe gehandelt hat.
15
4. Auf die weiteren Angriffe der Revisionsführerin kommt es nach allem nicht mehr an. Auch braucht der Senat nicht der Frage nachzugehen, ob sich die verhängten – nach Tatbild und Tatfolgen sehr milden – Strafen nach unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit lösen, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegen (vgl. BGH, Urteile vom 27. Oktober 1970 – 1 StR 423/70, BGHSt 24, 132, 133 f., vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321, vom 8. November 1989 – 3 StR 368/89, NStZ 1990, 84 f., und vom 21. Mai 1992 – 4 StR 577/ 91, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurteilungsrahmen 13).
16
Der nunmehr zur Entscheidung berufene Tatrichter wird Gelegenheit haben , den vom Generalbundesanwalt in seiner Terminszuschrift erhobenen Bedenken wegen einer unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Hinblick auf die Angeklagte F. nachzugehen. Dabei wird er zu beachten haben, dass nach Aufhebung des Strafausspruchs in der erneuten Verhandlung eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB grundsätzlich nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 10. November 2011 – 3 StR 355/11 m.w.N.). Ernemann Roggenbuck Cierniak Mutzbauer Bender

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 73/02
vom
31. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2002 in der Sitzung vom 31. Mai 2002, an denen teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Oktober 2001 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts; die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat er von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol konsumierte, am Tattag nach dem Abendessen ab 19.00 Uhr 1,5 l Kölsch getrunken, als er sich um etwa 21.00 Uhr mit seinem Freund H. traf. Die beiden begegneten dem späteren Tatopfer Sch. und ihrer Freundin; sie versuchten, die beiden Mädchen zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu ihrer
Freundin entschloû sich Sch. , die früher einmal mit H. befreundet gewesen war, den jungen Männern Gesellschaft zu leisten, da der Angeklagte ihr einredete, sein Freund wolle sich wieder mit ihr versöhnen. Während man sich unterhielt, teilten die beiden Männer sich eine halbe Flasche Wodka. Als der Angeklagte seine Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer schwinden sah, wollte er von seinem Freund nach Hause gefahren werden. In der Hoffnung auf Versöhnung mit H. begleitete Sch. die beiden. Vor dem Haus des Angeklagten ging die Unterhaltung auf dem Parkplatz weiter, und der Angeklagte holte aus seiner Wohnung eine Flasche Wein. Diese leerte er gemeinsam mit Sch. , welche zwei Gläser trank. Nachdem der Angeklagte noch eine Flasche Sekt herbeigebracht hatte, von der die junge Frau ein Glas und er den Rest konsumierte, wollte Sch. nach Hause. Der Angeklagte hatte sein Interesse an ihr noch nicht aufgegeben und erklärte, sie zu begleiten. Trotz seiner Alkoholisierung steuerte der Angeklagte den Pkw selbst. An einer Grünfläche hielt er auf einem Parkplatz an und faûte den Entschluû , mit Sch. an Ort und Stelle notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er zog die Frau, die sich widersetzte und vergeblich nach ihrem früheren Freund rief, in das nahegelegene Waldstück. Um sie zum Schweigen zu bringen, schlug der Angeklagte sie so heftig in das Gesicht, daû sie einen Schneidezahn verlor. Im Wald stieû er Sch. zu Boden, so daû sie mit dem Rücken über einem Holzbalken lag, und entkleidete sie teilweise. Als sie wiederum um Hilfe schrie, würgte er sie mit beiden Händen so stark, daû sie kaum noch atmen konnte, und drehte ihr Gesicht auf die Erde, wodurch sie noch weniger Luft bekam. Dabei drohte er ihr, sie zu erwürgen , wenn sie sich nicht ruhig verhalte. Sch. gab schlieûlich aus Furcht jeden weiteren Widerstand auf, und der Angeklagte führte gegen ihren
Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr und Oralverkehr aus. Nachdem er in die Hand der Zeugin ejakuliert hatte, gingen beide zurück zum Auto. Der Angeklagte forderte seinen Freund auf, zu fahren und zunächst Sch. nach Hause zu bringen, was diese aber nicht wollte. Als der Angeklagte sich von Sch. verabschiedete, kündigte er an, sie von nun an noch oft zu besuchen. Zu Hause wusch er sich, machte sich für seine Arbeit als Müllsortierer fertig und ging dieser Tätigkeit, ohne geschlafen zu haben, von 5.30 Uhr bis 10.00 Uhr nach. Übermüdet brach er dann die Arbeit ab. Sch. erlitt u.a. Würgemale am Hals und leidet seit der Tat unter Angstzuständen. Sie stimmte einer als "Täter-Opfer-Ausgleich" bezeichneten Vereinbarung vom 25./26. Oktober 2001 zu, die der Verteidiger des Angeklagten und ihr Rechtsanwalt unterzeichneten. Darin verpflichtete sich der Angeklagte, an die Geschädigte ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM zu zahlen, die Kosten für das notwendig werdende Zahnimplantat zu übernehmen sowie die Kosten der Vereinbarung nebst den entstandenen Anwaltskosten zu tragen. Die Vereinbarung enthält ferner einen Passus, wonach der Angeklagte die Geschädigte um Verzeihung bittet und sie seine Entschuldigung annimmt. Vor der Hauptverhandlung leistete der Angeklagte eine erste Zahlung von 10.000 DM, die er durch den Verkauf seines Autos und über Familienangehörige finanzierte. Von diesem Betrag behielt der Rechtsanwalt der Geschädigten 2.000 DM für Anwaltskosten ein. Für weitere 5.000 DM und die Zahnarztkosten bestehen Zahlungsfrist zum 1. Juli und 31. Dezember 2002. Die Geschädigte, die ihre Nebenklage vereinbarungsgemäû zurücknahm , war zum Abschluû des Vergleichs nur deshalb bereit, weil sie befürchtete , ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten,
und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld zur Finanzierung des Zahnimplantats benötigte. 2. Das Landgericht hat angenommen, daû der Angeklagte bei Begehung der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,6 %o aufwies und sich - bei im übrigen voll vorhandener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befand. Die Strafe hat die Kammer dem gemäû §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen; eine weitere Strafmilderung nach §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB hat sie abgelehnt.

II.

Die Revision des Angeklagten war zu verwerfen. 1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dadurch verletzt, daû es von weiteren Beweiserhebungen zur Alkoholisierung des Angeklagten abgesehen hat. Eine Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie seines Freundes H. dazu, daû der Angeklagte nicht 1,5 l, sondern 3 l Kölsch konsumierte und die halbvolle Flasche Wodka allein leerte, drängte sich nicht auf. Denn diese von dem Angeklagten behaupteten Trinkmengen hätten im Zusammenwirken mit dem weiteren Konsum von Wein und Sekt, wie er vom Landgericht festgestellt wurde, zu einer unglaubhaft hohen Blutalkoholkonzentration von weit über 4 %o zur Tatzeit geführt. Eine solche war mit dem Leistungsverhalten des Angeklagten unmittelbar vor, während und nach der Tat nicht vereinbar. Die sachverständig beratene Strafkammer hat vielmehr - worauf im folgenden noch einzugehen sein wird - in nicht zu bean-
standender Weise aus diversen Kriterien im Verhalten des Angeklagten den Schluû gezogen, daû seine Schuldfähigkeit nicht aufgehoben war.
b) Auch ein Verstoû gegen § 261 StPO liegt nicht vor. Durch die nur zum überwiegenden Teil und nicht in vollem Wortlaut erfolgte Wiedergabe der als Täter-Opfer-Ausgleich bezeichneten Vereinbarung stellt sich die Beweiswürdigung nicht als lückenhaft oder widersprüchlich dar. Die in der Vereinbarung enthaltene Erklärung der Geschädigten, sie habe an der Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten kein Interesse mehr, wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Dies läût aber nicht besorgen, die Strafkammer habe den Inhalt der Abrede unvollständig oder unrichtig gewürdigt. Eine wörtliche Wiedergabe dieses Gesichtspunkts war nicht zwingend; es kann vielmehr ausgeschlossen werden, daû das Landgericht sich damit nicht auseinandergesetzt hat. So wird unter anderem die Tatsache, daû die Geschädigte ihre Anschluûerklärung zurückgenommen hat, vom Tatgericht ausdrücklich gewürdigt; dieses Verhalten dokumentiert den Verzicht auf eine aktive eigene Beteiligung am Prozeû und läût bereits auf geringeres Strafverfolgungsinteresse schlieûen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher Überprüfung stand. aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht - sachverständig beraten - bei dem 65 kg schweren Angeklagten zu Recht einen Reduktionsfaktor von 0,8
angenommen hat. Ein derartiges Abweichen von dem im Regelfall bei Männern anzusetzenden Faktor von 0,7 kann bei mageren, schmalwüchsigen Personen in Betracht kommen, da der Reduktionsfaktor von der individuellen körperlichen Konstitution, insbesondere vom Fettgewebsanteil, abhängt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 2; BGH NStZ 1992, 277; Beschl. v. 25. Mai 1993 - 2 StR 153/93; Forster, Praxis der Rechtsmedizin (1986), S. 451; Schütz, Alkohol im Blut (1983), S. 59). Mangels näherer Angaben zum Körperbau des Angeklagten, auch seiner Gröûe, kann der Senat jedoch nicht überprüfen, ob die zu Ungunsten des Angeklagten erfolgte Abweichung vom Durchschnittswert berechtigt war. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich ebensowenig wie die Tatsache, daû das Landgericht die gebotene Kontrollrechnung zur Überprüfung der Trinkmengenangaben (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 1, 7, 18; § 20 Blutalkoholkonzentration 19; BGH NStZ-RR 1997, 226; 1998, 359) nicht vorgenommen hat. Denn der Senat schlieût aus, daû das Landgericht bei rechnerischer Ermittlung anderer Blutalkoholwerte Schuldunfähigkeit des Angeklagten angenommen hätte. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat einer Gesamtwürdigung unterzogen und im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise den Schluû gezogen, daû die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Rechtsfehlerfrei stellt das Landgericht im wesentlichen darauf ab, daû der Angeklagte ein zielgerichtetes und durchdachtes Leistungsverhalten (Autofahren, situationsadäquate Reaktionen und Gespräche, diverse Sexualpraktiken, anschlieûendes Arbeiten ) zeigte und - auch nach seinen eigenen Angaben - keine Ausfallerschei-
nungen aufwies. Gegenüber diesen aussagekräftigen psychodiagnostischen Kriterien, einhergehend mit Alkoholgewöhnung und weitgehend erhaltenem Erinnerungsvermögen des Angeklagten, hat das Landgericht dem Blutalkoholwert , der hier lediglich anhand der Trinkmengen über einen Zeitraum von 7 1/2 Stunden ermittelt werden konnte, zu Recht keine ausschlaggebende Beweisbedeutung beigemessen (vgl. BGHSt 43, 66; BGH NStZ 1998, 457; Beschl. v. 23. November 2000 - 3 StR 413/00). bb) Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angenommen. Das Würgen des Tatopfers durch den Angeklagten ist als eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu werten. Festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241). Zwar reicht insoweit nicht jeder Griff aus, der zu Würgemalen führt, ebensowenig bloûe Atemnot (vgl. BGH StV 1993, 26; BGH, Urt. v. 11. April 2000 - 1 StR 55/00); andererseits kann Würgen bis zur Bewuûtlosigkeit oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 - 3 StR 324/95; BGH JZ 1986, 963). Von maûgeblicher Bedeutung sind demnach Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muû, das Leben des Opfers zu gefährden. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt nicht voraus, daû das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist. Nach den vom Landgericht festgestellten Gesamtumständen gingen die von dem Angeklagten vorgenommenen Würgegriffe über ein nur kurzzeitiges Zudrücken mit vorübergehender Luftnot weit hinaus und waren nach Art und Umfang abstrakt geeignet, bei der Geschädigten eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Daû der Angeklagte in subjektiver Hinsicht die Umstände erkannt hatte, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit
seines Tuns ergab (vgl. BGH NJW 1990, 3156), wird durch seine Äuûerung belegt, er werde sein Opfer erwürgen, wenn es nicht still sei.
b) Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Ablehnung einer weiteren Strafmilderung gemäû §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB hier im Ergebnis zu verneinen. Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, daû der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein muû (vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 a Rdn. 4; Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft , S. 309, 323). Die Vorschrift des § 46 a Nr. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen Intention einen kommunikativen Prozeû zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muû (vgl. BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; BT-Drs. 12/6853, S. 21). Dafür ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen Dritten erforderlich (obwohl die Gesetzesinitiative von einer solchen ausging, vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 22), noch ein - nicht immer ratsamer - persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer (vgl. BGH StV 1999, 89, 2001, 448). Unverzichtbar ist jedoch nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte , ernsthaft mitgetragene Regelung. An einer solchen fehlt es hier, obwohl
die von den Anwälten beider Seiten unterzeichnete schriftliche Vereinbarung rein formal gesehen die Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB indiziert. Das Tatgericht , das durch die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung der Vereinbarung als "Täter-Opfer-Ausgleich" in keiner Weise gebunden war, hat zu Recht die Gesamtumstände in seine Beurteilung mit einbezogen. Aus diesen ergibt sich, daû im vorliegenden Fall - wie er sich in der maûgeblichen Hauptverhandlung darstellte - ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat. Mit Einführung des § 46 a StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz sollten die Belange des Opfers in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden (vgl. Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drs. 12/6853, S. 21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4). Bei der Verankerung des Täter -Opfer-Ausgleichs in Nr. 1 dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG angelehnt und somit den förmlichen , tatsächlich praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich vor Augen gehabt (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21; ebenso König/Seitz NStZ 1995, 1, 2; Kilchling NStZ 1996, 309, 312). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daû das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Das ergibt sich aus ratio und Entstehungsgeschichte dieser Norm. Ob der von § 46 a Nr. 1 StGB angestrebte kommunikative Prozeû zu bejahen ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen. Bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt , wie es hier vorliegt, wird eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. auch BGH NStZ 1995, 492; StV 2000, 129).
Hier hat die Geschädigte nach den Feststellungen des Landgerichts die Vereinbarung nicht als friedensstiftende Konfliktregelung innerlich akzeptiert. Sie stimmte der Abrede vielmehr nur zu, weil sie befürchtete, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld benötigte, um das Zahnimplantat finanzieren zu können. Da das Tatopfer sich demnach allein aus faktischen Zwängen heraus notgedrungen mit der schriftlichen Vereinbarung einverstanden erklärte, liegt im Ergebnis ein umfassender Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB nicht vor. Allerdings kann die fehlende Einwilligung des Opfers im Rahmen des § 46 a Nr. 1 StGB dann unerheblich sein, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll demnach nicht ausschlieûlich vom Willen des Opfers abhängen; nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dem Täter in den Fällen, in denen eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich wäre, eine realistische Chance eingeräumt werden, in den Genuû der Strafmilderung zu gelangen, etwa bei Verweigerung der Mitwirkung durch das Opfer oder bei Eintritt eines hohen Schadens durch relativ geringes Verschulden. Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift aber das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, als Rahmenbedingung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21). Das bedeutet , daû das Bemühen des Täters gerade darauf gerichtet sein muû, zu e inem friedensstiftenden Ausgleich mit dem Verletzten zu gelangen; der Täter muû demnach in dem ernsthaften Bestreben handeln, das Opfer "zufriedenzustellen". Dies war bei dem Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Er kannte die finanzielle Situation der Geschädigten; ihm war bewuût, daû sie die schriftliche Vereinbarung nur aus der Not heraus annahm, ohne
darin tatsächlich eine Konfliktregelung zu sehen. Daû es dem Angeklagten aber selbst gerade um einen friedensstiftenden Ausgleich ging, ist nicht ersichtlich. Nach alledem muûte bei dieser Sachlage eine Strafmilderung gemäû § 46 a Nr. 1 StGB ausscheiden. Die - auch - auf diese Überlegungen gestützte Ablehnung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB erfolgte demnach ohne Rechtsfehler. Auf den teilweise rechtlich bedenklichen weiteren Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendung des § 46 a StGB beruht der Strafausspruch daher nicht. Rechtsfehlerfrei und der Gesetzessystematik entsprechend hat das Landgericht nach Verneinung der Strafmilderung gemäû § 46 a StGB das Verhalten des Angeklagten strafmildernd gemäû § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigt. Vizepräsident des Bundes- Otten Rothfuû gerichtshofs Dr. Jähnke ist infolge Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert. Otten Fischer Elf

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.