Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Apr. 2017 - 4 StR 244/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:250417B4STR244.16.0
bei uns veröffentlicht am25.04.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 244/16
vom
25. April 2017
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Zu den Voraussetzungen, unter denen die Hilflosigkeit einer Person auf einer
Bildaufnahme zur Schau gestellt wird.
BGH, Beschluss vom 25. April 2017 - 4 StR 244/16 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen
Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:250417B4STR244.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführer am 25. April 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten K. und Y. wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 2. Februar 2016, soweit es diese Angeklagten betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung , Nötigung und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Den Angeklagten Y. hat es wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Die Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg. Auf die vom Angeklagten K. erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

I.


3
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
1. Die jüngere Schwester des Angeklagten, E. K. , unterhielt bis etwa einen Monat vor dem Tatgeschehen eine geheim gehaltene Liebesbeziehung zu dem Nebenkläger, in deren Verlauf es auch mindestens einmal zum Geschlechtsverkehr kam, worüber der Nebenkläger in seinem Freundeskreis berichtete. Davon erfuhr der Angeklagte etwa eine Woche vor der Tat und verstand dies so, dass der Nebenkläger damit geprahlt habe, er habe „K. s Schwester gefickt“. Da er dies als Beleidigung nicht nur seiner Schwester, son- dern auch seiner eigenen Person verstand und er den Nebenkläger ferner für die schlechte psychische Verfassung seiner Schwester nach der Trennung der beiden verantwortlich machte, trug er sich mit Racheplänen. In Ausführung dieser Pläne veranlasste er den Nebenkläger am Abend des Tattages, dem 28. August 2015, unter einem Vorwand, in seinen PKW zu steigen, mit dem er ihn zu einer kleinen, von ihm zuvor ausgewählten Industrieruine auf einer abgelegenen Brachfläche verbrachte. In seiner Begleitung befanden sich der von ihm in groben Zügen in sein Vorhaben eingeweihte Angeklagte Y. sowie der Mitangeklagte Er. , der zunächst lediglich mit einer Prügelei zum Nachteil des Nebenklägers rechnete, an der er und Y. sich beteiligen müssten. Nach Eintreffen auf dem Ruinengelände musste sich der Nebenkläger auf einen Stuhl setzen, den der Angeklagte K. vorher dort hingestellt hatte. Sodann schlugen zunächst K. und nach ihm der Angeklagte Y. mit Fäusten, jeweils unter Todesdrohungen, auf den Nebenkläger ein; zu diesem Zweck hatten sie sich Handschuhe angezogen. Ferner brach K. dem Nebenkläger durch einen Stoß mit dem Knie das Nasenbein. Nachdem K. und Y. vom Nebenkläger abgelassen hatten, gab dieser zu, seinen Freunden von dem Geschlechtsverkehr mit der Schwester des K. erzählt zu haben. Dem Mitangeklagten Er. , der bis dahin mäßigend auf die beiden anderen einzuwirken versucht hatte, erschloss sich erst jetzt der genaue Anlass des Geschehens. Er beteiligte sich nunmehr mit Ohrfeigen an den Misshandlungen, bemühte sich jedoch weiter um Deeskalation. Vorwiegend um den Nebenkläger zu ängstigen, machte der Angeklagte K. sodann Anstalten, am Finger der von Y. festgehaltenen Hand des Nebenklägers eine Zange anzusetzen. Der Mitangeklagte Er. , der sich in der Zwischenzeit entfernt hatte, kehrte wegen der Hilfeschreie des Nebenklägers zum Ort des Geschehens zurück und nahm K. die Zange ab. Daraufhin kündigte K. an, dem Nebenkläger unter Einsatz einer mitgebrachten Spritze Urin zu injizieren, was diesen, wie vom Angeklagten vorausgesehen und gebilligt, in Todesangst versetzte. Danach setzte er mit der Ankündigung, nunmehr dessen Kniescheibe zu zerschlagen, mit einem Gummihammer zum Schlag an, schlug aber nach entsprechender Intervention des Mitangeklagten Er. nur mit mäßigem Kraftaufwand gegen die Wade, wasbei dem Nebenkläger heftige Schmerzen verursachte, aber keine länger wahrnehmbare Verletzung. Währenddessen bedrohte und beschimpfte der durchgehend anwesende Angeklagte Y. den Nebenkläger und hielt diesendadurch davon ab, sich K. zu widersetzen.
5
Der Angeklagte K. forderte sodann – wie von Anfang an geplant – vom Geschädigten die Zahlung von 2500 € für die operative Rekonstruktion des Hymens seiner Schwester, was der Angeklagte Y. ebenfalls billigte. Der Nebenkläger erklärte, er habe 200 € dabei, die er K. sofort geben könne, was dieser und die anderen jedoch ablehnten. Vielmehr setzte K. dem Nebenkläger eine Frist zur Zahlung der gesamten Summe bis Ende des Jahres. Erfolge keine Zahlung, werde er ihn nochmals herbringen.
6
2. Um den Nebenkläger noch einmal in besonderer Weise zu demütigen und sich ihm gegenüber ein Druckmittel zu verschaffen, verlangte er von diesem , sich eine leere 0,3 l-Flasche mit langem Hals rektal einzuführen. Anderenfalls werde er erneut den Gummihammer hervorholen. Nachdem es dem Mitangeklagten Er. nicht gelungen war, K. von diesem Vorhaben abzubringen , drohte der Angeklagte K. dem Nebenkläger, ihm die Knochen zu brechen , wenn er sich die Flasche nicht einführen würde. Der Angeklagte Y. , der K. bei der Tatausführung bis dahin unterstützt hatte, und der Mitangeklagte Er. verließen daraufhin auf Bitten des Nebenklägers „den Schauplatz“. Sodann führte sich der Nebenkläger den Hals der Flasche, den K. zuvor eingecremt hatte, unter Schmerzen in seinen Anus ein. K. filmte dieses Geschehen mit der Kamerafunktion des Mobiltelefons des Mitangeklagten Y. , zeichnete zunächst erkennbar das Gesicht des Nebenklägers auf und nahm sodann gezielt dessen Gesäß in den Fokus. Nach einiger Zeit gestattete er dem Nebenkläger aufzuhören und erklärte ihm, er werde das Video im Internet veröffentlichen , wenn er die 2500 € nicht erhalten oder wenn der Nebenkläger zur Polizei gehen würde.
7
Bevor der Angeklagte K. den Nebenkläger vor dessen elterlicher Wohnung absetzte, erinnerte er ihn nochmals daran, das Geld zu zahlen. Der Nebenkläger erstattete am darauffolgenden Tag Strafanzeige, wovon der Angeklagte K. nichts wusste. Auf Initiative der Familie des Nebenklägers kam es in der Folgezeit zu einem Treffen von Familienangehörigen des Angeklagten K. und des Nebenklägers in Anwesenheit des Angeklagten K. , bei dem u.a. der Vorfall erörtert wurde. Der Nebenkläger leistete auf die vom Angeklagten K. erhobene Forderung keinerlei Zahlung.

II.


8
Die Überprüfung des Schuldspruchs hält hinsichtlich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägung des Landgerichts, ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung bzw. der Beihilfe dazu sei schon deshalb ausgeschlossen, weil der Angeklagte K. seine Forderung gegenüber dem Nebenkläger zu keinem Zeitpunkt aufgegeben habe, begegnet in zweifacher Hinsicht durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Es ist insoweit zu besorgen, dass die Strafkammer an die nach § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB erforderliche Rücktrittshandlung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab angelegt hat.
10
a) Bei der im vorliegenden Fall festgestellten Tatbeteiligung mehrerer werden gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB wegen Versuchs diejenigen Beteiligten nicht bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Zwar wirkt der Rücktritt eines Mittäters nicht ohne Weiteres zugunsten der anderen Beteiligten; es kann hierfür jedoch genügen, wenn diese im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiter handeln, obwohl sie dies könnten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 – 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; Beschluss vom 17. Januar 2013 – 2 StR 396/12, NStZ 2013, 521; Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 383/14, StV 2015, 687; vgl. auch SSW-StGB/Kudlich/ Schuhr, 3. Aufl., § 24 Rn. 59). Dies gilt nicht nur bei mittäterschaftlichem Zusammenwirken , sondern auch im Verhältnis von Täter und Gehilfe (Senats- beschluss vom 26. September 2006 – 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91 f.). Im Falle einer versuchten räuberischen Erpressung ist es daher ausreichend, wenn freiwillig davon abgesehen wird, das Nötigungs- bzw. Erpressungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen. Nicht erforderlich ist hingegen ein vollständiger Verzicht auf die Herbeiführung des angestrebten Nötigungs - bzw. Erpressungserfolgs, also ein Verzicht auf die Handlung, Duldung oder Unterlassung, die zu einem Vermögensnachteil führt (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2013 aaO).
11
b) Gemessen daran erweist sich die von der Strafkammer herangezogene Erwägung für die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts als nicht tragfähig. Maßgebend für die Voraussetzungen eines Rücktritts vom Versuch ist hier nicht, ob die Angeklagten K. und Y. auf die Weiterverfolgung der Forderung als solcher, sondern vielmehr, ob sie auf deren Durchsetzung mit Nötigungsmitteln verzichteten, was für jeden der Angeklagten gesondert zu prüfen war. Dies hat das Landgericht übersehen.
12
2. Die Erwägungen des Landgerichts zu einem möglichen Rücktritt vom unbeendeten Versuch sind auch im Übrigen nicht frei von Rechtsfehlern.
13
a) Für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 1. Variante StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet. Der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 2. Variante StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 – GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Da ein Rücktritt unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB auch schon dann in Betracht kommt, wenn es die Beteiligten einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln, hängt die Entscheidung der Frage, ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, wiederum entscheidend vom Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist, liegt also ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, im maßgeblichen Zeitpunkt den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2016 – 3 StR 5/16 mwN).
14
b) So verhält es sich hier. Den Feststellungen lässt sich auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe nicht entnehmen , welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Erreichen des von ihnen erstrebten Taterfolgs machten, als sie den Nebenkläger vor der Wohnung seiner Eltern absetzten und der Angeklagte K. ihn nochmals an die Geldforderung erinnerte, so dass schon unklar bleibt, ob ein beendeter oder ein unbe- endeter Versuch vorlag. Hätten die Angeklagten die Vorstellung gehabt, noch nicht alles zur Herbeiführung der Zahlung des geforderten Geldbetrages durch den Nebenkläger getan zu haben, wäre wegen der durch K. ausgesprochenen Fristsetzung auch das Ergebnis der nach der Tat erfolgten Besprechung der beiden beteiligten Familien in den Blick zu nehmen gewesen. Bei dieser Unterredung war der Angeklagte K. nach den Urteilsfeststellungen anwesend und äußerte sich auch zum Tatgeschehen. Aus dem Inhalt dieser Äußerungen lassen sich gegebenenfalls Rückschlüsse auf die innere Einstellung der Angeklagten ziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 StR 537/10, NStZ 2011, 337, 338). Auch dazu verhalten sich die Urteilsgründe nicht.
15
3. Die Sache bedarf insgesamt schon deshalb hinsichtlich beider Angeklagter neuer Verhandlung und Entscheidung, weil von der Urteilsaufhebung auch die jeweils tateinheitlich ausgeurteilten weiteren Straftatbestände erfasst werden.
16
4. Es kommt hinzu, dass auch die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten K. wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch Bildaufnahmen der dem Geschädigten abverlangten rektalen Einführung der Flasche von den bisherigen Feststellungen nicht getragen wird. Mit Blick darauf, dass die genannte Strafvorschrift die Herstellung solcher Bildaufnahmen voraussetzt, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellen, gilt Folgendes:
17
a) Was das Gesetz mit dem Begriff „Hilflosigkeit“ meint, wird in § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht näher erläutert. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird darunter ein Zustand verstanden, in dem eine Person sich – objektiv und im weitesten Sinne – selbst nicht helfen kann und auf Hilfe angewiesen ist, ohne sie zu erhalten (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2002). Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und dem in ihr zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willen ergeben sich weder Anhaltspunkte noch Kriterien für eine nähere Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals. Die Begehungsvariante des § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB in ihrer jetzigen Fassung ist erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in die Vorschrift eingefügt worden , weshalb die Gesetzesmaterialien im Hinblick auf die aufgeworfene Frage wenig aussagekräftig sind. Der entsprechenden Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 18/3202) ist aber unter Berücksichtigung des mit der Vorschrift insgesamt beabsichtigten umfassenden Schutzes des höchstpersönlichen Lebensbereichs vor Bildaufnahmen auch außerhalb von Wohnungen oder sonstigen besonders geschützten Räumen – der ursprüngliche Gesetzentwurf erfasste insoweit lediglich bloßstellende Aufnahmen (vgl. dazu BT-Drucks. 18/2601, S. 36) – zu entnehmen, dass der Gesetzgeber einen eher weiten Begriff der Hilflosigkeit vor Augen hatte. Ein Indiz dafür sind auch die schon im ursprünglichen Gesetzentwurf beispielhaft erwähnten Fallkonstellationen , etwa die betrunkene Person auf dem Heimweg oder das verletzt am Boden liegende Opfer einer Gewalttat (BT-Drucks. 18/2601 aaO). Auch die systematische Auslegung unter Rückgriff auf das (enger gefasste) Tatbestandsmerkmal der hilflosen Lage in § 221 StGB (so Eisele/Sieber, StV 2015, 312, 313) bzw. den (ebenfalls engeren, weil gewahrsamsbezogenen) Hilflosigkeitsbegriff in § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StGB ergibt hier schon wegen des unterschiedlichen Schutzzwecks der jeweiligen Vorschriften keine Anhaltspunkte für eine nähere Eingrenzung des Merkmals der Hilflosigkeit. Gleichwohl können nach Auffassung des Senats gegen diese begriffliche Weite des Tatbestandsmerkmals (vgl. dazu auch SSW-StGB/Bosch, 3. Aufl., § 201a Rn. 11; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 201a Rn. 10a; Busch, NJW 2015, 977, 978; Seidl/Wiedmer, jurisPR-ITR 17/2015, Anm. 2) verfassungsrechtliche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht erhoben werden (insoweit aber krit. Bosch aaO, Rn. 14). Denn in jedem Einzelfall muss eine Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch den Bildinhalt hinzutreten. § 201a Abs. 4 StGB enthält zudem eine die Sozialadäquanz betreffende Ausnahmeregelung.
18
Unbeschadet weiterer denkbarer, am Wortsinn orientierter Sachverhaltskonstellationen , deren Herausbildung der Gesetzgeber damit der fachgerichtlichen Rechtsprechung überantwortet hat (vgl. dazu BVerfGE 126, 170, 208 f.; BVerfG, Beschluss vom 1. November 2012 – 2 BvR 1235/11, NJW 2013, 365, 367), ist das Tatbestandsmerkmal der Hilflosigkeit nach dem Wortsinn und dem gesetzgeberischen Willen jedenfalls dann gegeben, wenn ein Mensch aktuell Opfer einer mit Gewalt oder unter Drohungen gegen Leib oder Leben ausgeübten Straftat ist und deshalb der Hilfe bedarf oder sich in einer Entführungs- oder Bemächtigungssituation befindet. Dies liegt nach den getroffenen Feststellungen hier vor.
19
b) Indes bestehen auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen durchgreifende Zweifel daran, dass die Hilflosigkeit des Nebenklägers auf der Bildauf- nahme auch „zur Schau“ gestellt wird.
20
aa) Hinsichtlich der Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „ZurSchau -Stellen“ in § 201a Abs. 1 Nr. 2 StGB teilt der Senat die Auffassung im Schrifttum, wonach der Wortlaut der Regelung hier eine besondere Hervorhebung der Hilflosigkeit als Bildinhalt voraussetzt, so dass diese für einen Betrachter allein aus der Bildaufnahme erkennbar wird (ebenso Bosch aaO, Rn. 12; Fischer aaO, Rn. 10b). In Fällen der bloßen Abbildung der Vornahme einer Handlung durch eine Person (als Tatopfer) bedarf dies in der Regel näherer Darlegung, wenn die abgebildete Handlung nicht schon ohne Weiteres die Hilflosigkeit der sie vornehmenden Person impliziert. Gibt erst der Gesamtkontext der Bildaufnahme – etwa bei ambivalenten Handlungen – zu erkennen, dass die abgebildete Person sie im Zustand der Hilflosigkeit vornimmt, beispielsweise in einer Bemächtigungssituation, bedarf es dazu eingehender tatrichterlicher Feststellungen.
21
bb) Gemessen an diesem Verständnis des Tatbestandsmerkmals des Zur-Schau-Stellens ermöglichen die bisher getroffenen Feststellungen dem Senat nicht die Prüfung der Frage, ob der Bildinhalt die Hilflosigkeit des Tatopfers im dargelegten Sinne zu erkennen gibt. Dem angefochtenen Urteil ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass der Angeklagte das betreffende Geschehen, hier die rektale Einführung der Flasche, mit der Kamerafunktion des Mobiltelefons des Mitangeklagten Y. aufzeichnete. Ob diese Bildaufzeichnung auch die Bedrohungssituation widerspiegelt, ergeben die Urteilsfeststellungen nicht. Der Umstand, dass sich der Geschädigte die Flasche rektal einführte, sagt aber für sich genommen noch nichts über den Kontext aus, in dem die Handlung ausgeführt wurde.

III.


22
Für den Fall, dass der neue Tatrichter zum Tathergang der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung Feststellungen treffen sollte, die denen des angefochtenen Urteils entsprechen, wird ferner Folgendes zu bedenken sein:
23
1. Wegen der dem Geschädigten vom Angeklagten K. gesetzten „Zahlungsfrist“wird der Tatrichter genauer als bisher geschehen die Anforderungen an den Finalzusammenhang sowie das Tatbestandsmerkmal der Gegenwärtigkeit der Drohung mit Lebens- bzw. Leibesgefahr im Sinne des § 255 StGB in den Blick zu nehmen haben. Zwischen dem Nötigungsmittel der Gewalt und der beabsichtigten Vermögensverfügung dürfte es nach den bisherigen Feststellungen am erforderlichen Finalzusammenhang fehlen, da die Forderung nach Zahlung der 2500 € erst nach dem Gewalteinsatz (Gummihammer, Schläge ) erhoben wurde und der Nebenkläger die Summe auch nicht unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit der Gewaltanwendung zahlen sollte. Soweit das Landgericht zur Begründung der Finalität auf das Nötigungsmittel der Drohung abgestellt hat, versteht sich unter Berücksichtigung der dem Geschädigten gesetzten „Zahlungsfrist“ bis Jahresende die Gegenwärtigkeit der Gefahr nicht von selbst. Nach ständiger Rechtsprechung liegt diese regelmäßig nur bei fehlender Fristsetzung oder einer solchen von einigen Tagen vor, wobei es indes maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalles ankommt, die zu beurteilen in erster Linie Aufgabe des Tatrichters ist (vgl. BGH, Urteile vom 28. August 1996 – 3 StR 180/96, NJW 1997, 265, 266, und vom 27. August 1998 – 4 StR 332/98, NStZ-RR 1999, 266, 267).
24
2. Im Zusammenhang mit dem rektalen Einführen der Flasche wird gegebenenfalls zu erwägen sein, ob die Feststellungen eine Verurteilung wegen Geiselnahme (§ 239b StGB) rechtfertigen können (vgl. dazu jüngst BGH, Beschluss vom 27. Januar 2017 – 1 StR 532/16, Tz. 10 f.).
25
3. Zur Frage, ob der Schlag mit dem Gummihammer gegen die Wade des Geschädigten rechtlich als gefährliche Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu würdigen sein kann, verweist der Senat auf seinen Beschluss vom 12. März 2015 – 4 StR 538/14, BGHR StPO § 224 Abs. 1 Nr. 2 Werkzeug 10).
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Quentin Feilcke

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Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 607/16

bei uns veröffentlicht am 08.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 607/16 vom 8. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR607.16.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2017 - 4 StR 116/17

bei uns veröffentlicht am 29.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 116/17 vom 29. August 2017 in der Strafsache gegen wegen räuberischer Erpressung u.a. ECLI:DE:BGH:2017:290817B4STR116.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Juni 2017 - 4 StR 19/17

bei uns veröffentlicht am 08.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 19/17 vom 8. Juni 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. ECLI:DE:BGH:2017:080617B4STR19.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesa

Referenzen

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 396/12
vom
17. Januar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter räuberischer Erpressung u. a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 17. Januar 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Mai 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten T. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und den Angeklagten K. wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. neun Monaten verurteilt , die sie jeweils zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revisionen haben mit der Sachrüge jeweils vollen Erfolg.

I.

2
Die Überprüfung des Schuldspruchs hält hinsichtlich beider Angeklagter rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
3
Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208, BGH NStZ 2007, 91, 92). Im Falle einer versuchten räuberischen Erpressung bzw. einer versuchten Nötigung ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, ihr Nötigungs- bzw. Erpressungsziel weiter mit den tatbestandlichen Nötigungsmitteln zu verfolgen. Nicht erforderlich ist es hingegen, dass sie ganz darauf verzichten , den angestrebten Nötigungs- bzw. Erpressungserfolg, die Handlung, Duldung oder Unterlassung, die zu einem Vermögensnachteil führt, herbeizuführen.
4
Dies hat das Landgericht übersehen. Es hat bei der Prüfung des § 24 StGB allein darauf abgestellt, dass der Angeklagte T. auf die Geltendmachung der 750 €, die er von dem Zeugen N. erpressen wollte, nicht endgültig verzichtet hat (UA S. 21/22, 26); nicht geprüft hat es hingegen, ob die Angeklagten - ohne auf die Forderung selbst zu verzichten - jedenfalls ihre Durchsetzung mit Nötigungsmitteln endgültig und freiwillig nicht weiter verfolgen. Dazu hätte auch Anlass bestanden. Denn der Angeklagte T. rief dem Mitangeklagten K. zu, es "sei schon o.k.", woraufhin dieser, nachdem er zuvor in seine Jacke gegriffen hatte, (in der sich ein Tierabwehrspray und ein Taschenmesser befanden), davon absah, in das Geschehen einzugreifen (UA S. 13). Ob darin, nachdem der Angeklagte dem Zeugen weitere Schläge zur Erlangung der 750 € angedroht hatte und zwischenzeitlich die Lebensgefährtin des Zeugen hinzugekommen war und gedroht hatte, die Polizei zu rufen, ein freiwilliges Abstandnehmen vom Tatentschluss liegt, hätte das Landgericht prüfen müssen. Dabei wäre zu erörtern gewesen, ob der Versuch des Angeklagten , von dem Zeugen 750 € zu erpressen, angesichts des Erscheinens seiner Lebensgefährtin fehlgeschlagen ist oder ob sie gleichwohl weiter davon ausgingen , die Tat könne noch mit anderen nahe liegenden und zur Verfügung stehenden Mitteln vollbracht werden. Zu den danach maßgeblichen Vorstellungen des Angeklagten nach Misslingen des zunächst ins Auge gefassten Tatablaufs teilt das Urteil nichts mit. Zwar könnte das Erscheinen der Lebensgefährtin des bedrohten Tatopfers dazu geführt haben, dass den Angeklagten aufgrund der veränderten Handlungssituation das Erreichen ihres Ziels nicht mehr möglich erschien. Dass die Angeklagten keine weitere Handlungsalternative mehr sahen , mit der die Tatvollendung im unmittelbaren Fortgang erreicht werden konnte , versteht sich schon angesichts des Griffs in die Jacke aber nicht von selbst. Aus diesem Grund kann der Senat nicht ausschließen, dass eine Prüfung der Voraussetzungen des § 24 StGB zur Annahme eines strafbefreienden Rücktritts geführt hätte.

II.

5
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs, auch soweit das Landgericht an sich rechtsfehlerfrei eine (tateinheitliche) gefährliche Körperverletzung angenommen hat. Der Senat hebt auch die Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu neuer Prüfung aufgrund widerspruchsfreier Feststellungen zu geben. Sollte das neue Tatgericht wieder einen strafbefreienden Rücktritt ausschließen können, wird es sich mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob der Mitangeklagte K. Mittäter an der von dem Angeklagten T. initiierten und weitgehend allein durchgeführten Tat ist oder ob insoweit nicht lediglich von Beihilfe auszugehen wäre. Becker Fischer Berger Krehl Eschelbach

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 S t R 3 8 3 / 1 4
vom
22. April 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. April 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 25. März 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, sowie im Ausspruch über die Einheitsjugendstrafe. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Beleidigung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer weiteren Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerichtete Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch wegen Beleidigung in zwei Fällen hält rechtlicher Nachprüfung stand. Hingegen begegnet die Verurteilung wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Angeklagte zusammen mit seinem Mittäter strafbefreiend vom Versuch des versuchten Totschlags zurückgetreten sind.
3
a) Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB werden bei Tatbeteiligung mehrerer diejenigen Beteiligten nicht wegen Versuchs bestraft, die freiwillig die Tatvollendung verhindern. Hierfür kann es genügen, wenn Mittäter im Falle eines unbeendeten Versuchs einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies tun könnten (vgl. BGH StV 2014, 286, 287; NStZ-RR 2012, 167, 168; NStZ 2007, 91, 92; BGHSt 44, 158, 162). Im Falle eines versuchten Totschlags ist es insoweit ausreichend, wenn die Täter freiwillig davon absehen, die Tötung des Opfers mit den verfügbaren Tatmitteln weiter zu verfolgen.
4
b) Das Urteil verhält sich hierzu nicht, obwohl nach den getroffenen Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten vom Versuch des Totschlags nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint.
5
aa) Der Angeklagte und sein unbekannt gebliebener Mittäter, die beide ein Messer mit sich führten, überfielen am Abend des 24. Juni 2013 gegen 22.40 Uhr das Tatopfer in der Absicht, es zu töten. Sie erwarteten es vor dem Eingangsbereich des Hauses, in dem es wohnte, und versetzten ihm unvermittelt einen Stich in den oberen Nackenbereich und sodann ins Bein, so dass es zu Boden fiel. Es folgten Schläge, Tritte und weitere Messerstiche und -schnitte von beiden Angreifern. Dem Überfallenen gelang es nicht, wieder auf die Beine zu kommen oder sich der Angreifer zu entledigen. Er verlagerte das Geschehen aber so in den Hofbereich vor dem Haus, dass Nachbarn auf seine Schreie nach Hilfe und nach der Polizei aufmerksam wurden. Ein Nachbar rief am Fenster stehend: "Verpisst Euch, sonst rufe ich die Polizei", eine andere Nachbarin forderte die Täter auf aufzuhören. Dem Angeklagten und seinem Mittäter wurde hierdurch klar, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen und festgenommen zu werden. Sie versetzten dem Opfer einen letzten Stich in den Nackenbereich, ließen dann von ihm ab und rannten eilig davon. Mehrere Nachbarn begaben sich nun in den Hof und fanden den Angegriffenen kaum noch ansprechbar und stark blutend vor. Der Notruf bei der Polizei ging um 22.43 Uhr ein. Das Tatopfer wurde in die Klinik verbracht und dort notfallmäßig versorgt. Dabei wurden insgesamt fünf Stichverletzungen festgestellt, darunter eine im Rippenbereich mit einem Stichkanal von 8 cm Tiefe.
6
Der Angeklagte und sein Mittäter ließen - nachdem sie im Anschluss an die Rufe der Nachbarn einen letzten Stich in den Nackenbereich gesetzt hatten, über dessen Länge und Tiefe die Urteilsgründe keine Angaben enthalten - von dem Opfer ab und rannten davon.
7
bb) Dies könnte für einen strafbefreienden Rücktritt genügen, falls es sich aus Sicht des Angeklagten um einen unbeendeten Versuch handeln würde und der Verzicht auf ein Weiterhandeln freiwillig erfolgt wäre.
8
Den Urteilsausführungen ist nicht zu entnehmen, ob der Angeklagte davon ausging, bereits die beigefügten Verletzungen seien dazu geeignet gewesen , den Tod des Opfers herbeizuführen, oder ob er der Ansicht war, dazu wären weitere Stiche mit dem Messer erforderlich gewesen. Angaben dazu waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Annahme eines beendeten Versuchs auf der Hand gelegen hätte. Zwar hatte das Opfer "in seiner Gesamtheit" lebensgefährliche Verletzungen erlitten; ob das der Angeklagte aber erkannt hatte , könnte immerhin fraglich sein, nachdem das Opfer das Geschehen in den Hofbereich verlagerte und um Hilfe rief.
9
Der Rücktritt wäre auch nicht von vornherein ausgeschlossen, weil der Angeklagte nicht freiwillig von seinem Tun abgelassen hätte. Die Strafkammer ist zwar davon ausgegangen, dass den Angreifern durch die Rufe der Nachbarn bewusst geworden sei, dass sie bei weiterer Fortsetzung ihres Angriffs Gefahr laufen würden, von der Polizei angetroffen zu werden. Es ist aber schon unklar, worauf das Landgericht diese Annahme im Einzelnen gestützt hat. Vor allem aber könnten allein der Umstand der Entdeckung und die sich anschließende Flucht die Annahme unfreiwilliger Tataufgabe nicht tragen. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des Täters hiervon (vgl. nur BGH NStZ-RR 2014, 9). Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von vornherein entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt (BGH NStZ-RR 2010, 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem Einwirken eines Dritten erfolgt (s. BGH NStZ 1988, 69 f.). Entscheidend für die Annahme von Freiwilligkeit ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetzten Motiven nicht mehr erreichen will (BGH NStZ-RR 2014, 241).
10
Ob der Angeklagte die Ausführung seines Plans, die Tötung des Opfers, noch für möglich gehalten oder ob er sich nach den Rufen der Nachbarn außerstande gesehen hat, sein Ziel noch zu erreichen, hätte das Landgericht erörtern müssen. Denn es lag - angesichts des Umstands, dass lediglich ein Nachbar für den Fall, dass die Täter sich nicht "verpissen" würden, die Anrufung der Polizei angedroht hatte, und mit Blick darauf, dass der Angeklagte vor Verlassen des Tatorts noch einen weiteren Stich setzte - auch nicht auf der Hand, dass sich der Angeklagte in dieser Situation ohne Weiteres gehindert sah, den Tod des Opfers noch herbeizuführen.
11
2. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Totschlags; erfasst wird auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Dies entzieht ohne Weiteres dem Strafausspruch die Grundlage.
12
3. Die (teilweise) Aufhebung des Urteils erfasst nicht den Adhäsionsausspruch ; eine Aufhebung der Adhäsionsentscheidung ist dem Tatrichter vorbehalten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Februar 2015 - 2 StR 388/14). Auf den Anfragebeschluss des Senats vom 8. Oktober 2014 - 2 StR 137/14 u.a. wird hingewiesen. Krehl Eschelbach Ott Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 347/06
vom
26. September 2006
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
zu Ziff. 1. und 2.: wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
zu Ziff. 3.: wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 26. September 2006 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 5. April 2006 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wie folgt verurteilt:
2
- den Angeklagten H. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren;
3
- den Angeklagten N. wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung und mit Beihilfe zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und
4
- den Angeklagten M. wegen Beihilfe zur versuchten schweren räuberischen Erpressung und zum unerlaubten Führen einer verbotenen Waffe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
5
Ferner hat es die Einziehung eines Kraftfahrzeugs des Angeklagten H. angeordnet.
6
Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
7
Die Verneinung eines strafbefreienden Rücktritts der Angeklagten H. und N. von dem mittäterschaftlich begangenen Versuch der schweren räuberischen Erpressung und des Angeklagten M. von der hierzu geleisteten Beihilfe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
8
1. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte H. - notfalls mit Gewalt - die Herausgabe eines Spielautomaten erzwingen, obwohl er entgegen den getroffenen Vereinbarungen den Kaufpreis nicht bezahlt hatte. Die Angeklagten N. und M. fuhren mit dem Angeklagten H. zu der Halle der Spielautomatenfirma, um den Angeklagten H. bei seinem Vorhaben zu unterstützen. Die zuvor vom Angeklagten H. beschaffte funktionsfähige Pumpgun, die mit mindestens sechs Plastikschrotpatronen geladen und gesichert war, sollte lediglich als Drohmittel eingesetzt werden. Während der Angeklagte M. zunächst in dem Pkw des Angeklagten H. , in dem die Pumpgun verblieb, wartete, gingen die Angeklagten H. und N. in die Halle. Gemeinsam versuchten sie den Verkäufer Serkan A. zur Herausgabe des Spielautomaten zu veranlassen. Der Angeklagte H. bedrohte Serkan A. und Sinan Ö. , der beschwichtigen wollte, mit einem Klappmesser. Nachdem der Angeklagte H. das Messer beiseite geworfen hatte, veranlasste er den Angeklagten N. , die Pumpgun zu holen. Als dieser mit der Waffe in die Halle zurückkehrte und sie dem Angeklagten H. aushändigte , kam der Angeklagte M. in die Halle, um durch seine Anwesenheit dazu beizutragen, dass der Angeklagte H. sein Vorhaben durchsetzen konnte. Der Angeklagte H. richtete die Waffe auf Serkan A. und Sinan Ö. . Er repetierte dreimal, so dass jeweils eine Schrotpatrone aus der Waffe ausgeworfen wurde, und schlug auf Sinan Ö. , der ihm die Waffe aus der Hand reißen wollte, mit dem Griffstück der Pumpgun ein. Um sich weiterer Angriffe zu erwehren, ergriff Sinan Ö. einen Monitor und warf ihn in Richtung des Angeklagten H. . Danach verließen die Angeklagten unter Mitnahme der noch mit mindestens drei Patronen geladenen Pumpgun die Halle.
9
2. Die Frage eines strafbefreienden Rücktritts hat das Landgericht im Rahmen der rechtlichen Würdigung nur hinsichtlich des Angeklagten H. näher erörtert und einen Rücktritt "entsprechend § 24 StGB" verneint, weil "alleiniger Grund für die Aufgabe der weiteren Tatausführung war, dass der Angeklagte H. erkennen musste und auch erkannt hat, dass er allein durch Drohungen den Automaten nicht erhalten würde. Der Zeuge Sinan Ö. , der dem Verkäufer A. zu Hilfe geeilt war, ließ sich weder durch das Messer noch die Pumpgun nachhaltig beeindrucken. Ein möglicher scharfer Schusswaffengebrauch, um doch noch das Geldspielgerät zu bekommen, war vom Angeklagten H. aber nicht beabsichtigt und gewollt. Der Versuch der Erpressung war damit mit den zur Verfügung stehenden Tatmitteln gescheitert und fehlgeschlagen".
10
Diese Begründung lässt besorgen, dass die Strafkammer dem Tatplan für die Beurteilung der Rücktrittsfrage eine Bedeutung zugemessen hat, die ihr nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr zukommt (vgl. BGHSt 31, 170, 175; 35, 90, 93; 39, 221, 227). Entscheidend ist danach nicht, ob der Angeklagte seinen ursprünglichen Tatplan nicht verwirklichen konnte, sondern ob ihm infolge einer Veränderung der Handlungssituation oder aufkommender innerer Hemmungen das Erreichen seines Zieles nicht mehr möglich erschien. War der Angeklagte aber noch Herr seiner Entschlüsse, hielt er die Ausführung der Tat - wenn auch mit anderen Mitteln - noch für möglich , dann ist der Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Angeklagte aus sittlich billigenswerten Motiven oder aus anderen Gründen von weiteren Angriffen absah (vgl. BGH StV 1993, 189; StV 2003, 217, jew. m.w.N.).
11
Die Frage, ob nach den vorgenannten Grundsätzen ein fehlgeschlagener Versuch, oder was nach den bisherigen Feststellungen nahe liegt, ein unbeendeter Versuch vorliegt, hätte gemäß § 28 Abs. 2 StGB für jeden Angeklagten gesonderter Prüfung bedurft. Zwar haben die Angeklagten H. und N. als Mittäter und der Angeklagte M. als Gehilfe gehandelt, so dass die Vorschrift des § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war. Auch wenn danach der Rücktritt eines Tatbeteiligten nicht ohne Weiteres zu Gunsten anderer Tatbeteiligter wirkt, kann es hierfür jedoch ausreichen, wenn die Tatbeteiligten nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht mehr weiterhandeln, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH StraFo 2003, 207), wobei es ausreicht, dass ein Tatbeteiligter mit dem die Tatvollendung verhindernden Rücktritt eines anderen Tatbeteiligten einverstanden ist (vgl. BGHSt 44, 204, 208 m.w.N.). Da nach den bisherigen Feststellungen, auch soweit es die Angeklagten N. und M. betrifft, die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts in Betracht kommt, bedarf die Sache insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien RiBGH Maatz ist Athing ist krankheitsbedingt an der urlaubsbedingt an der Unterzeichnung gehindert. Unterzeichnung gehindert. Athing Athing
Solin-Stojanović Ernemann

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 647/12
vom
19. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. März
2013, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Radtke,
Zeng,
Richter
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 3. Juli 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben:
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung verurteilt worden ist und
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung (in Tateinheit) mit Freiheitsberaubung sowie wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist auf die Anfechtung der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung beschränkt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt hinsichtlich der Gewalthandlungen vom 28./29. August 2011 jedenfalls die Verurteilung wegen eines versuchten Tötungsdelikts. Die weitergehende Verurteilung (wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen und wegen versuchter Nötigung) ist vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.
3
Die insoweit wirksam beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg, sodass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf.

II.

4
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
5
1. Der Angeklagte unterhielt mit der Nebenklägerin (im Folgenden: N.) seit etwa 2008 eine Beziehung. Aus dieser Beziehung ging der gemeinsame Sohn L. hervor. Nachdem es zwischen den Partnern immer öfter Streitigkeiten gab, trennte sich N. im Juli 2011 vom Angeklagten. Trotz der Trennung wohnten sie und der Angeklagte weiter zusammen in der gemeinsamen Wohnung und schliefen im gleichen Zimmer. Der Angeklagte sowie N. beabsichtigten, zur Absicherung ihres Sohnes eine gemeinsame Lebensversicherung abzuschließen. Versicherungsnehmer sollten sie beide sein. Die Vertragsformalitäten sollten vom Angeklagten übernommen werden.
6
Nachdem der Angeklagte erkannte, dass die Trennung von N. endgültig ist, beschloss er zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt, N. zu töten. In diesem Zusammenhang wollte er die Versicherungsleistung aus der geplanten, noch abzuschließenden Lebensversicherung zu Unrecht selbst vereinnahmen. Den Tod der N. wollte er so herbeiführen, dass sich der Geschehensablauf als häuslicher Unfall darstellt.
7
In Ausführung dieses Planes füllte er am 1. Juli 2011 in seiner Wohnung einen Antrag auf Abschluss einer Lebensversicherung bei der C.-Versicherung aus. Als Versicherungsnehmer und als die zu versichernde Person trug er entgegen der Absprache mit N. in das Formular diese als alleinige Versicherungsnehmerin ein, versah den Antrag mit deren nachgemachter Unterschrift und trug sich selbst als Begünstigter im Todesfall der N. ein. Im Antrag bezifferte er die Versicherungsleistung, die im Todesfall der N. an ihn selbst ausgezahlt werden sollte, mit 1.340.000 €. Dieser Antrag ging am 4. Juli 2011 bei der C.-Versicherung ein. Mit der nachgemachten Unterschrift wollte er die Versicherung über den tatsächlichen Antragsteller täuschen. N. wusste hiervon nichts.
8
Entgegen der Vorstellung des Angeklagten lehnte die Versicherungsgesellschaft eine Deckung in der beantragten Höhe ab, erklärte sich aber zum Vertragsschluss in Höhe von 500.000 € entsprechend einer von der Versicherung durchgeführten Bedarfsberechnung bereit. Am 13. August 2011 unterschrieb der Angeklagte aufgrund eines neuen Tatentschlusses erneut in seiner Wohnung eine Erklärung über den Erhalt von Unterlagen sowie einen Zusatzantrag zur Hinterbliebenenabsicherung, in dem der Versicherungsbeginn 1. August 2011 und die Versicherungssumme mit 500.000 € vereinbart wurde.
9
Die vorgenannten Urkunden versah er wiederum mit der von ihm nachgemachten Unterschrift der N., um die Versicherung erneut darüber zu täuschen , dass diese die Antragsunterlagen - wie nicht - erhalten und unterschrieben hätte, und reichte sie bei der C.-Versicherung ein. Im Vertrauen auf die Echtheit der Urkunden bestätigte die C.-Versicherung das Zustandekommen des Versicherungsvertrages mit Versicherungspolice vom 16. August 2011, die der Angeklagte tags darauf zugestellt bekam. Auch davon bekam N. nichts mit. Versichert war der Tod der N. unabhängig davon, ob es sich um einen natürlichen oder um einen gewaltsamen Tod handelte. Dies wusste der Angeklagte.
10
Nachdem der Angeklagte die vertraglichen Voraussetzungen geschaffen und erfahren hatte, dass N. sich mit einem anderen Mann trifft, entschloss er sich schließlich am 28. August 2011, seinen Tötungsplan in die Tat umzusetzen.
11
Der Angeklagte wollte den Eindruck erwecken, N. sei beim Ausstieg aus der nassen Dusche auf dem Boden des Badezimmers ausgerutscht und mit dem Kopf auf einen harten Gegenstand aufgeschlagen, wobei sie sich tödliche Verletzungen zugezogen habe. Hierzu verstreute er am Abend vorher auf dem Boden Waschpulver und legte sich Geschirrtücher sowie Kabelbinder unter dem Kopfkissen zurecht, um damit N. zu fesseln. Den gemeinsamen Sohn L. verbrachte er zu seinen Eltern, damit dieser von der Tat nichts mitbekomme. Um sich selbst ein Alibi zu verschaffen, verbrachte er den Abend bei seinen Eltern und legte sich, nachdem sein Vater zu Bett ging, zum Schein auf die Couch, um den Eindruck zu erwecken, er werde die ganze Nacht bei seinen Eltern verbringen.
12
Tatsächlich begab er sich jedoch heimlich zurück in seine Wohnung, wo er im Bett liegend auf die Rückkehr von N. wartete. Diese kehrte etwa gegen 2.30 Uhr zurück und legte sich nur mit einer Unterhose bekleidet neben den Angeklagten in ihre Betthälfte. Zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 3.15 Uhr und 5.30 Uhr begann der Angeklagte, die schlafende, wehrlose N. zu fesseln. Er drehte sie dazu auf den Bauch und fesselte ihr zuerst mit einem stabilen Klebeband die Hände auf dem Rücken, wickelte ihr dann die bereits vorher dazu ebenfalls bereitgelegten Geschirrtücher um die Handgelenke und fixierte diese dann über den zur Polsterung und Striemenvermeidung dienenden Tüchern mit den bereitliegenden Kabelbindern. Hierdurch wurde N. wach, worauf der Angeklagte ihr sogleich den Mund mit Klebeband verklebte. Damit wollte der Angeklagte jeglichen Fluchtversuch der N. von vornherein verhindern.
13
Anschließend nahm er eine nicht näher identifizierte Pistole, hielt sie an ihren Mund und sagte, er würde sie wahnsinnig gerne erschießen. Tatsächlich beabsichtigte er dies nicht, sondern wollte sie einschüchtern und in Todesangst versetzen, was ihm auch gelang. Anschließend fesselte er N. mit dem Klebeband noch an den Beinen, um sie ohne Gegenwehr in das Badezimmer verbringen zu können. Entsprechend seinem Plan verbrachte er die verängstigte und wehrlose N. gegen ihren Willen ins Badezimmer und bespritzte dort das schon am Abend zuvor auf dem Boden verstreute Waschpulver mit Wasser, um einen Schmierfilm zu erzeugen. Anschließend verbrachte er sie nochmals ins Schlafzimmer und gleich wieder zurück ins Bad. Er stellte N. nun unter die laufende Dusche, um sie nass zu machen.
14
Dann zog er sie aus der Dusche, fasste sie mit den Händen an den Kopf, zog diesen zuerst nach vorne und schleuderte die gefesselte N. dann mit aller Kraft nach hinten, um ihr durch den Sturz möglichst tödliche Kopfverletzungen zuzufügen. Die aufgrund der Fesselung völlig wehrlose N. stürzte und schlug mit der linken Schulter und dem Hinterkopf auf dem gefliesten Boden auf. Sie blieb zwar auf dem Rücken liegen, war jedoch nicht schwer verletzt. Der Angeklagte war von diesem vergleichsweise harmlosen Verlauf überrascht, da er zumindest mit dem Eintreten der Bewusstlosigkeit der N. rechnete. Er entschloss sich nunmehr, N. dadurch zu töten, dass er ihr das Genick bricht. Er setzte sich dazu auf die Hüfte auf der am Boden liegenden N., nahm ihren Kopf in seine Hände und versuchte, durch gewaltsames Überdrehen des Kopfes nach hinten dieser tödliche Genickverletzungen zuzufügen. Als dies aufgrund Muskelanspannung der N. misslang, fasste er mit einer Hand unter die rechte Schulter der N., zog sie nach oben und drückte mit der anderen Hand gleichzeitig ihren Kopf nach unten. Da auch dies nicht zu tödlichen Verletzungen führte, kniete er sich nunmehr neben N., fasste mit einer Hand an ihren Hinterkopf und mit der anderen an ihr Kinn, um den Kopf kraftvoll drehen zu können. Er zog sodann gleichzeitig ihren Hinterkopf seitlich nach vorne und drückte ihr Kinn nach hinten. Aber auch hierdurch gelang es ihm nicht, N. erhebliche bzw. tödliche Verletzungen zuzufügen, weil diese ihren Körper mitdrehen konnte.
15
Er ließ nun von N. ab und fing an, diese zu beschimpfen. Er warf ihr vor, sie sei schuld am Scheitern der Beziehung und auch an dem was nunmehr passiere, weil sie egoistisch sei und nur an sich selbst denke. N. antwortete auf die Beschimpfungen und Vorhalte des Angeklagten trotz verklebtem Mund so gut sie konnte, worauf der Angeklagte ihr mehrfach mit der flachen Hand auf die Wange schlug, um damit zum Ausdruck zu bringen, dass ihm ihre Antwort nicht gefiel.
16
Nunmehr entschloss er sich, die Gegenwehr der N. dadurch auszuschalten , dass er sie bis zur Ohnmacht knebelte, um ihren Kopf dann ohne Widerstand auf den Boden schleudern zu können bzw. ihr durch gewaltsames Verdrehen des Kopfes tödliche Verletzungen zuzufügen. Hierzu drückte er zunächst ihren Mund und ihre Nase mit der Hand zu. Infolge dieser Behandlung löste sich das Klebeband von ihrem Mund und N. schrie so laut sie konnte um Hilfe. Dies geschah ca. um 6.00 Uhr früh. Nun drückte er ihr ein im Badezimmer in unmittelbarer Reichweite befindliches Handtuch tief in den Mund- und Rachenraum und hielt ihr gleichzeitig die Nase zu. Damit gelang es ihm, die Luftzufuhr der N. vollständig zu unterbinden, sodass N. nicht mehr atmen konn- te, ihre Gegenwehr aufgab und dachte, sie werde nun sterben. Erst als sie langsam kraftlos wurde und, wie er erkannte, kurz vor der Bewusstlosigkeit stand, ließ der Angeklagte wortlos von seinem Vorhaben ab und nahm den Knebel aus ihrem Mund, sodass sie schließlich wieder Luft bekam und sich erholte.
17
Anschließend trug er die immer noch am Boden liegende, gefesselte halbnackte N. zurück in das Schlafzimmer und zwang sie, auf dem Bett liegen zu bleiben. Als er bemerkte, dass es ihr zwischenzeitlich gelungen war, der Fesselung der Hände durch die Kabelbinder teilweise zu entkommen, drehte er sie gewaltsam in Bauchlage und legte ihr neue Kabelbinder an, die er so fest zuzog, dass sie Schmerzen erlitt. Im weiteren Verlauf bot N. dem Angeklagten aus Angst um ihr Leben eine Übertragung des Sorgerechts für den gemeinsamen Sohn an und versprach ihm, sie werde nicht zur Polizei gehen, wenn er sie frei lasse.
18
Schließlich nahm der Angeklagte N. gegen 8.30 Uhr die Fesselung ab und ließ sie gegen 9.15 Uhr aus der Wohnung. Der Angeklagte bedrohte sie kurz vor Verlassen der Wohnung noch, dass er sie umbringen werde, wenn sie den Vorfall der Polizei melde.
19
Dennoch erstattete N. nach einer Überlegungsphase und erst nach Aufforderung durch ihre Mutter am 29. August 2011 abends Anzeige gegen den Angeklagten.
20
N. erlitt durch den Erstickungsversuch Petechien im Auge, durch den Aufprall auf dem gefliesten Boden eine 4 cm große Beule am Hinterkopf, durch die Misshandlungen starke Schmerzen am Hals und durch die Fesselung an den Hand- und Sprunggelenken Hautreizungen und Schmerzen. Dies hatte der Angeklagte zumindest billigend in Kauf genommen.
21
N. ist seit diesem Vorfall in psychiatrischer Behandlung. Ob und in welchem Umfang psychische Dauerfolgen verbleiben, steht nicht fest. Sie hat nach wie vor schon bei alltäglichen Berührungen Angstzustände.
22
2. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) das Vorliegen eines fehlgeschlagenen Tötungsversuchs verneint und bei der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) einen freiwilligen Rücktritt vom unbeendeten Versuch bejaht. Es hat bei dem Tatgeschehen vom 28./29. August 2011 eine Zäsur nur im Hinblick auf die abschließende versuchte Nötigung angenommen und ist davon ausgegangen, dass das Dauerdelikt der Freiheitsberaubung "die übrigen Körperverletzungsdelikte" verklammere.

III.

23
Das angefochtene Urteil leidet an durchgreifenden materiell-rechtlichen Fehlern.
24
1. Insbesondere ist den getroffenen Feststellungen nicht das Vorstellungsbild des Täters nach Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung , der sogenannte Rücktrittshorizont, zu entnehmen. Bei Vorliegen einer Zäsur müssen zudem die Vorstellungen des Angeklagten jeweils nach der (vorläufig) letzten Ausführungshandlung dargetan werden.
25
Auf den Rücktrittshorizont des Angeklagten kann hier nicht aus dem Urteil in seiner Gesamtheit geschlossen werden, wenn auch im Rahmen der Beweiswürdigung (III. 6 = UA S. 10-12) und der rechtlichen Würdigung (IV. 1 = UA S. 12) rudimentär Rücktrittselemente angesprochen werden. Hier wird jeweils in erster Linie mitgeteilt, was nicht festgestellt werden konnte, ohne dass - ergänzend heranzuziehende - klare und eindeutige Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach den verschiedenen Tathandlungen getroffen wurden. Ohnehin konnte N. zum jeweiligen Vorstellungsbild des Angeklagten schon deshalb keine Angaben machen, weil er sich hierzu nicht geäußert hat. Die entsprechenden Feststellungen sind aber unerlässlich; denn auf den Rücktrittshorizont kommt es bei der Beurteilung, ob ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch vorliegt, entscheidend an.
26
Das ergibt sich aus Folgendem:
27
Die Abgrenzung zwischen unbeendetem und beendeten Versuch bestimmt sich nach dem Vorstellungsbild des Täters nach dem Abschluss der letzten von ihm vorgenommenen Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont. Bei einem Tötungsdelikt liegt demgemäß ein unbeendeter Versuch vor, bei dem allein der Abbruch der begonnenen Tathandlung zum strafbefreienden Rücktritt vom Versuch führt, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt noch nicht alles getan hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Todes erforderlich oder zumindest ausreichend ist.
28
Ein beendeter Tötungsversuch, bei dem der Täter für einen strafbefreienden Rücktritt vom Versuch den Tod des Opfers durch eigene Rettungsbemühungen verhindern oder sich darum zumindest freiwillig und ernsthaft bemühen muss, ist hingegen anzunehmen, wenn er den Eintritt des Todes bereits für möglich hält oder sich keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns macht.
29
Eine Korrektur des Rücktrittshorizonts ist in engen Grenzen möglich. Der Versuch eines Tötungsdelikts ist daher nicht beendet, wenn der Täter zunächst irrtümlich den Eintritt des Todes für möglich hält, aber nach alsbaldiger Erkenntnis seines Irrtums von weiteren Ausführungshandlungen Abstand nimmt.
30
Rechnet der Täter dagegen zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang, so liegt eine umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizonts vor, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat.
31
In diesem Fall ist ein beendeter Versuch gegeben, wenn sich die Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser ändert (st. Rspr. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 - 3 StR 337/11 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - 3 StR 401/11; BGH, Urteil vom 8. Mai 2012 - 5 StR 528/11).
32
Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält. Dabei kommt es auf die Sicht des Täters nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung an (Rücktrittshorizont). Wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt erkennt oder die subjektive Vorstellung hat, dass es zur Herbeiführung des Erfolgs eines erneuten Aussetzens bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zäsur und einer Unterbrechung des unmittelbaren Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag vor (st. Rspr. vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 4 StR 346/12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
33
Liegt ein Fehlschlag vor, scheidet ein Rücktritt vom Versuch nach allen Varianten des § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB aus; umgekehrt kommt es nur dann, wenn ein Fehlschlag nicht gegeben ist, auf die Unterscheidung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch an, die für die vom Täter zu erbringende Rücktrittsleistung in Fällen des § 24 Abs. 1 StGB stets, in solchen des § 24 Abs. 2 StGB mittelbar dann von Bedeutung ist, wenn sich die (gemeinsame) Verhinderungsleistung von Versuchsbeteiligten in einem einverständlichen Unterlassen des Weiterhandelns erschöpfen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09 mwN).
34
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es auf das Vorstellungsbild des Täters im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ankommt. Diese Vorstellung ist gegebenenfalls auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 - 4 StR 216/05 mwN).
35
Lässt sich den Urteilsfeststellungen das entsprechende Vorstellungsbild des Angeklagten, das zur revisionsrechtlichen Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts vom Versuch unerlässlich ist, nicht hinreichend entnehmen , hält das Urteil sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12; BGH, Beschluss vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2003 - 4 StR 8/03).
36
Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil es sich um ein mehrstündiges und mehraktiges Tatgeschehen handelt und auch die Prüfung der Annahme nur einer Tat im Rechtssinne vorzunehmen ist. Denn würde man, was hier nicht fern liegt, eine oder mehrere Zäsuren (hinsichtlich der abschließenden versuchten Nötigung ist der Tatrichter selbst davon ausgegangen [UA S. 13]) annehmen, ist die Mitteilung des Vorstellungsbildes des Angeklagten nach der jeweils letzten Ausführungshandlung geboten.
37
Die Annahme des Landgerichts, das Dauerdelikt der (einfachen) Freiheitsberaubung verklammere auch gefährliche Körperverletzungen (die konkrete Fesselung kann ebenfalls eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellen; vgl. u.a. BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 - 1 StR 364/03 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., Rn. 9b zu § 224), begegnet rechtlichen Bedenken; denn das im Strafrahmen des § 224 StGB zum Ausdruck kommende Gewicht übersteigt das des Dauerdelikts (§ 239 StGB) erheblich (vgl. Fischer aaO Rn. 32 vor § 52).
38
Zu denken ist aber an eine natürliche Handlungseinheit. Eine solche und damit eine Tat im materiell-rechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nach der Rechtsprechung nur dann vor, wenn die einzelne Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.
39
Für die Beurteilung einzelner Versuchshandlungen als eine natürliche Handlungseinheit ist deshalb eine solche Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Dabei begründet der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres eine die Annahme einer Handlungseinheit ausschließende Zäsur. Eine tatbestandliche Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlagen des Versuchs (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 25. November 2004 - 4 StR 326/04 mwN).
40
Auch für die Beurteilung, ob die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, ist die (jeweils rechtsfehlerfreie ) Feststellung der subjektiven Tatseite erforderlich.
41
An all diesem fehlt es hier.
42
Die Urteilsgründe lassen weiter nicht eindeutig erkennen, ob der Angeklagte durchgehend davon ausging, den Tod der N. (als außertatbestandliches Ziel) als Unfall darstellen zu können oder nur noch ihren gewaltsamen Tod erstrebte , obwohl dafür das Risiko für ihn größer wurde, als Täter in Verdacht zu geraten und deshalb die Versicherungssumme nicht ausbezahlt zu erhalten. Denn es ist naheliegend, dass bei einem offensichtlich gewaltsamen Tod der N. in der Wohnung des Angeklagten kurz nach Abschluss einer entsprechenden Lebensversicherung und bei einem möglichen Sorgerechtsstreit (UA S. 7) der Tatverdacht auf den Angeklagten fallen würde.
43
Die Urteilsgründe lassen offen, ob der Angeklagte möglicherweise nur noch weiterhandelte, um seine vorausgehende Tat zu verdecken.
44
Das Fehlen entsprechender Feststellungen und Erörterungen lässt eine abschließende Prüfung durch das Revisionsgericht nicht zu.
45
Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung des Urteils im angefochtenen Umfang.
46
Die zugrundeliegenden Feststellungen waren ebenfalls aufzuheben, da der Senat nicht ausschließen kann, dass auch insoweit neue Feststellungen getroffen werden können, die sich auf das Vorstellungsbild des Angeklagten im jeweiligen rechtserheblichen Zeitpunkt ausgewirkt haben.
47
2. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung hatte im Übrigen schon deshalb keinen Bestand, weil die Strafkammer übersehen hat, dass tateinheitlich begangen auch eine Bedrohung (mit der Pistole; § 241 StGB) vorliegt. Ob diese hinter einem versuchten Tötungsdelikt zurücktreten würde, kann hier offenbleiben; sie würde aber nicht hinter der vom Landgericht lediglich angenommenen gefährlichen Körperverletzung zurücktreten (vgl. zur Problematik u.a. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2002 - 2 StR 523/01; auch BGH, Beschluss vom 9. Februar 2000 - 2 StR 639/99). Wahl Rothfuß Jäger Radtke Zeng

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 5/16
vom
23. Februar 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2016:230216B3STR5.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 23. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 4, § 357 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 6. Oktober 2015, auch soweit es den Mitangeklagten B. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter "gemeinschaftlicher" räuberischer Erpressung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die sich hiergegen richtende Revision des Angeklagten, die auf die allgemein erhobene Sachbeschwerde gestützt ist, hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat das Folgende festgestellt:
3
1. Der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte B. hatten dem Zeugen H. Ende des Jahres 2013 zur Besorgung von Mari- huana je 450 € gegeben, welche dieser jedoch für sich verbrauchte. Nachdem der Zeuge mehreren Aufforderungen der Angeklagten, die Geldbeträge zurückzuzahlen , nicht nachgekommen war, entschlossen sich diese am 26. März 2015, sich "ihr Geld zurückzuholen". Am Abend begaben sie sich daher zu dem Mehrfamilienhaus, in dem sich die Wohnung des Zeugen S. befand; in dieser wohnte auch der Zeuge H. . Sie führten in einer Tasche einen Spachtel, ein Brecheisen sowie zwei ungeladene Schreckschusswaffen der Marken Umarex und SM mit sich, verschafften sich mit Hilfe des Spachtels Zugang zum Haus und klingelten an der Wohnung des Zeugen S. , der daraufhin öffnete. Da sie die Auskunft des S. , der Zeuge H. sei nicht anwesend, nicht glaubten, drängte der Mitangeklagte B. den Zeugen S. in die Wohnung, wobei er diesem mit der einen Hand an den Hals griff und mit der anderen Hand die Schreckschusswaffe der Marke SM an den Kopf hielt. Da der Zeuge H. anschließend der Aufforderung der Angeklagten, seine verschlossene Zimmertür zu öffnen, nicht nachkam, brach der Mitangeklagte B. diese mit dem Brecheisen auf. Sodann forderten beide Angeklagte von dem Zeugen - unter Vorhalt der ungeladenen Schreckschusspistole Umarex durch den Angeklagten N. - die Herausgabe von 1.000 € in bar. Als der Zeuge H. kein Geld aushändigte, drohten sie ihm, in vier Wochen wiederzukommen und verließen anschließend die Wohnung.
4
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hätte das Landgericht prüfen und erörtern müssen, ob die Angeklagten strafbefreiend von der versuchten Tat zurückgetreten sind; denn sie belegen weder, dass der Versuch fehlgeschlagen war, noch schließen sie es aus, dass die Angeklagten freiwillig vom unbeendeten Versuch der Tat zurückgetreten sind.
5
a) Ein Versuch ist fehlgeschlagen, wenn der Täter nach der letzten von ihm vorgenommenen Tathandlung erkennt, dass mit den bereits eingesetzten oder den ihm sonst zur Hand liegenden Mitteln der erstrebte Taterfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, ohne dass er eine neue Handlungs- und Kausalkette in Gang setzt (s. etwa nur BGH, Urteile vom 30. November 1995 - 5 StR 465/95, BGHSt 41, 368, 369; vom 19. Mai 2010 - 2 StR 278/09, NStZ 2010, 690, 691 mwN). Die subjektive Sicht des Täters ist auch dann maßgeblich , wenn der Versuch zwar objektiv fehlgeschlagen ist, der Täter dies aber nicht erkennt; zumindest soll ein freiwilliger Verzicht auf weitere Tathandlungen zur Straffreiheit nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB führen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2004 - 5 StR 239/04, NStZ-RR 2005, 70, 71).
6
Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe einen fehlgeschlagenen Versuch nicht. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ergibt sich auch daraus, dass die Angeklagten - nach der erfolglosen Forderung an den Zeugen H. , 1.000 € Bargeld herauszugeben - äußerten, in vier Wochen wiederzukommen, nicht hinreichend, dass zu diesem Zeitpunkt der Taterfolg nicht mehr eintreten konnte und die Angeklagten dies erkannt hatten. Zu den Vorstellungen der Angeklagten in Bezug zu dem von ihnen erstrebten Taterfolg in dem Zeitpunkt, als sie den Zeugen H. verließen, verhalten sich die Urteilsgründe auch im Rahmen der rechtlichen Würdigung nicht. Sie lassen auch offen, wie sich die Sache weiterentwickelte und aus welchen Gründen es dazu kam, dass die Angeklagten entgegen ihrer Ankündigung nicht zu einem späteren Zeitpunkt zurückkehrten, um ihr Vorhaben weiter zu verfolgen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 15. Mai 2014 - 3 StR 149/14, NStZ-RR 2015, 8).
7
b) Auch für die Frage, ob ein Versuch unbeendet oder beendet ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Vorstellung der Täter nach seiner letzten Ausführungshandlung von der Tat hat (sog. Rücktrittshorizont; s. nur BGH, Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Danach liegt ein unbeendeter Versuch vor, wenn der Täter nach seiner Vorstellung noch nicht alles getan hat, was zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich ist; in diesem Fall kann er allein durch das freiwillige Unterlassen weiterer auf den Taterfolg abzielender Handlungen strafbefreiend vom Versuch zurücktreten (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 StGB). Hält er dagegen den Eintritt des Taterfolgs für möglich, so ist der Versuch beendet; der strafbefreiende Rücktritt setzt dann voraus, dass der Täter den Taterfolg freiwillig durch aktives Tun verhindert (§ 24 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 StGB) oder zumindest entsprechende ernsthafte Bemühungen entfaltet, wenn der Erfolg ohne sein Zutun ausbleibt (§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB; s. BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 mwN). Sind an einer Tat mehrere beteiligt, so wird gemäß § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Diese Verhinderungsleistung kann indes schon darin zu sehen sein, dass die Beteiligten es einvernehmlich unterlassen, weiter zu handeln (st. Rspr.; s. BGH, Beschlüsse vom 4. April 1989 - 4 StR 125/89, BGHR StGB § 24 Abs. 2 Verhinderung 2; vom 19. Juni 1991 - 3 StR 481/90, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Rücktritt 4, sowie Urteil vom 19. März 2013 - 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274 mwN). Ob darin ein freiwilliger Rücktritt vom Versuch gesehen werden kann, hängt wiederum entscheidend von dem Vorstellungsbild der Täter nach der letzten von ihnen vorgenommenen Ausführungshandlung ab: Gehen sie zu diesem Zeitpunkt davon aus, noch nicht alles getan zu haben, was nach ihrer Vorstellung zur Herbeiführung des Taterfolgs erforderlich oder zumindest ausreichend ist und liegt mithin ein unbeendeter Versuch vor, so können sie durch bloßes Nichtweiterhandeln zurücktreten. Lässt sich das Vorstellungsbild der Täter im maßgeblichen Zeitpunkt, das auch für die Beurteilung der Freiwilligkeit eines Rücktritts von Bedeutung ist, den Feststellungen nicht entnehmen, so hält das Urteil insoweit sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand, weil es die revisionsrechtliche Prüfung des Vorliegens eines freiwilligen Rücktritts nicht ermöglicht (BGH aaO, vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 13. November 2012 - 3 StR 411/12, juris Rn. 3; vom 29. September 2011 - 3 StR 298/11, NStZ 2012, 263, und Urteil vom 12. Juni 2014 - 3 StR 154/14,NStZ 2014, 507, 509 mwN).
8
So liegt es auch hier. Nach den getroffenen Feststellungen ist bereits ein freiwilliger Rücktritt der Angeklagten vom unbeendeten Versuch nicht ausgeschlossen. Ihnen lässt sich insbesondere nicht entnehmen, welche Vorstellungen sich die Angeklagten vom Erreichen des von ihnen erstrebten Taterfolgs machten, als sie die Wohnung verließen. Die bisherigen Feststellungen schließen auch die Freiwilligkeit eines Rücktritts nicht aus.
9
Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

II.


10
1. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Revisionsentscheidung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten B. zu erstrecken, da insoweit das Urteil auf demselben sachlich-rechtlichen Mangel beruht.
11
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass nach der bisheri- gen Feststellung, es könne über den Betrag von 900 € hinaus ein zusätzlicher Zinsanspruch der Angeklagten bestanden haben (UA S. 8), unklar geblieben ist, welche genaue Geldsumme der Zeuge H. den Angeklagten schuldete und wovon die Angeklagten insofern ausgegangen sind. Auch wenn sie sich irrig ein Recht auf eigenmächtige Befriedigung ihrer (berechtigten) Geldforderungen nur vorgestellt haben sollten, hätten sie sich im Hinblick auf die räuberische Erpressung gemäß §§ 253, 255 StGB in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 - 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87, 90 f.; Beschlüsse vom 17. Juni 1999 - 4 StR 12/99, StV 2000, 79 und vom 28. August 2003 - 4 StR 318/03, NStZ-RR 2004, 45).
12
3. Ferner könnte nach den bisherigen Feststellungen, wonach der Angeklagte N. infolge eines länger dauernden Konsums von Cannabisprodukten "in einem gewissen Grad abhängig" gewesen sei und "die verfahrensgegenständliche Tataufgrund dieser Betäubungsmittelabhängigkeit begangen" habe (UA S. 4), Anlass bestehen, die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB - unter Heranziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 StPO) - zu prüfen und zu erörtern.
Becker Hubert Schäfer Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 537/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 5. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe (D. ) bzw. zu einer Jugendstrafe (S. ) jeweils von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen drangen die beiden Angeklagten in der Tatnacht in das Haus des Geschädigten M. ein, um dort Geld und Drogen zu stehlen. Weil sie kein Bargeld finden konnten, misshandelten sie den bis dahin schlafenden Geschädigten. Während der Angeklagte S. ihn auf das Bett drückte, schlug der Angeklagte D. ihm mit einem Schlagstock wenigstens zwanzigmal auf Kopf und Oberkörper. Dabei handelten beide Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz. Anschließend fesselten sie den Geschädigten an Händen und Füßen und knebelten ihn. Als sie auch bei der wei- teren Durchsuchung der Wohnung kein Geld finden konnten, schlug der Angeklagte D. wieder mit dem Schlagstock auf den Geschädigten ein, bis dieser ihnen das Versteck preisgab, in dem er sein Geld aufbewahrte. Die Angeklagten fanden dort 1.000 €. Da sie in der Wohnung aber weiteres Geld vermuteten, versetzte der Angeklagte D. dem Geschädigten noch einen Schlag mit dem Schlagstock, woraufhin der Angeklagte S. zu ihm sagte: „Hör auf, du bringst ihn noch um.“ Weil sie den Geschädigten in den Keller sperren wollten, um zu verhindern, dass er nach ihrem Verlassen seines Hauses die Polizei ruft, brachten sie ihn zum Kellerabgang. Dort stieß ihn der Angeklagte S. , ohne dies zuvor mit dem Angeklagten D. abgesprochen zu haben, die aus steinernen Stufen bestehende Kellertreppe hinunter. Im Keller packte er den Geschädigten und zerrte ihn dann noch in einen Nebenraum. Anschließend verließen die beiden Angeklagten das Haus. Hierbei nahmen sie billigend in Kauf, dass der Geschädigte in dem Keller sterben könnte. Tatsächlich gelang es dem Geschädigten , der sich durch die Gewalthandlungen Platzwunden am Kopf sowie Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper zugezogen hatte, bereits nach kurzer Zeit, sich seiner Fesseln zu entledigen und Hilfe zu holen.
3
2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung der beiden Angeklagten wegen versuchten Mordes nicht, da sich das Landgericht nur unzureichend mit den Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts auseinandergesetzt hat.
4
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es, wovon auch das Landgericht insoweit zutreffend ausgegangen ist, für die Abgrenzung eines beendeten vom unbeendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts maßgeblich auf die Vorstellungen der Täter nach der letzten Ausführungshandlung („Rücktrittshorizont“) an. Dies gilt insbesondere auch bei einem mehraktigen Tatgeschehen, das - wie hier - als eine Tat im Rechtssinne gewertet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - 4 StR 233/08, StraFo 2009, 78 mwN). Halten die Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung aufgrund der tatsächlichen Umstände den Tod ihres Opfers für möglich oder machen sie sich über die Folgen ihres Handelns - namentlich bei besonders schweren Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben - keine Gedanken, so ist der Versuch beendet (st. Rspr.; vgl. jew. mwN BGH, Urteil vom 10. November 2005 - 4 StR 337/05 Rz. 8; BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 2 StR 540/98 Rz. 4; BGH, Beschluss vom 11. Februar 1999 - 1 StR 694/98 Rz. 4). Ein strafbefreiender Rücktritt ist in diesem Fall bei mehreren Tätern nur unter den engen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB möglich. Liegt dagegen ein unbeendeter Versuch vor, kommt ein strafbefreiender Rücktritt nach dieser Vorschrift auch dann in Betracht, wenn die Täter einvernehmlich nicht weiterhandelten , obwohl sie dies hätten tun können (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2003 - 4 StR 410/02 Rz. 2, StraFo 2003, 207). Die äußeren Gegebenheiten sind bei der Abgrenzung eines beendeten von einem unbeendeten Versuch insoweit von Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters ermöglichen (BGH, Beschluss vom 1. Juli 1993 - 1 StR 337/93 Rz. 6, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 22 mwN).
5
b) Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung des Tatgeschehens bei beiden Angeklagten von einem beendeten Versuch ausgegangen und hat in Ermangelung von Rettungsbemühungen die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt jeweils verneint. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die beiden Angeklagten die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben hätten, weil sie nach der letzten Ausführungshandlung, dem Zurücklassen des Geschädigten im Keller, dessen Tod - infolge der erlittenen Verletzungen (UA S. 15) bzw. wegen fehlender Befreiungsmöglichkeiten (UA S. 32) - gebilligt hätten. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand:
6
(1) Hinsichtlich des Angeklagten D. beschränken sich die Ausführungen des Landgerichts lediglich auf die Feststellung, dass dieser beim Zurücklassen des Geschädigten im Keller dessen Tod gebilligt habe. Diese Feststellung ist, soweit sie möglicherweise auch die Vorstellung des Angeklagten von einem möglichen Erfolgseintritt - hier dem Tod des Geschädigten - mitumfasst , in den Urteilsgründen nicht belegt. Der Angeklagte D. hat sich zu seinen Vorstellungen beim Zurücklassen des Geschädigten im Keller nicht eingelassen. Es ist im Urteil auch nicht dargetan, ob das Landgericht allein aus dem - insoweit rechtsfehlerfrei festgestellten - Umstand, dass der Angeklagte D. den Stoß durch den Angeklagten S. und den anschließenden Sturz des Geschädigten die Kellertreppe hinunter aus unmittelbarer Nähe beobachtet hat, auf dessen Vorstellungen von einem möglichen Todeseintritt beim Zurücklassen des Geschädigten geschlossen hat. Eine solche Schlussfolgerung wäre hier jedenfalls nicht ohne weiteres nahe liegend gewesen, da ein Treppensturz nicht unweigerlich zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen muss und im vorliegenden Fall auch nicht zu solchen Verletzungen geführt hat.
7
(2) Hinsichtlich des Angeklagten S. hat das Landgericht seine Überzeugung , dass auch dieser den Tod des Geschädigten beim Verlassen des Tatorts für möglich gehalten habe, auf dessen spätere Äußerungen gegenüber Freunden gestützt, wonach er fürchte, „dass das Opfer versterben könnte.“ Zwar kann aus einer solchen Äußerung auf die Vorstellungen des Täters nach der letzten Ausführungshandlung geschlossen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die einer solchen Äußerung zugrunde liegende Vorstellung von einem möglichen Todeseintritt schon unmittelbar nach der letzten Tathandlung vorhanden war (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 384/09 Rz. 2, NStZ 2010, 146) und nicht erst durch später hinzu tretende Umstände entstanden ist. Dies hat das Landgericht bei seiner Würdigung nicht in ausreichendem Maß bedacht.
8
So hat es die Frage, ob der Angeklagte S. seine Befürchtung, der Geschädigte könne sterben, erst dann zum Ausdruck gebracht hat, nachdem ihm von einer Freundin mitgeteilt worden war, dass sich der Geschädigte im Krankenhaus befinde, ausdrücklich offen gelassen. Hiermit hätte sich das Landgericht aber auseinandersetzen müssen. Der Angeklagte S. war unmittelbar nach dem Sturz des Geschädigten bei diesem im Keller und zerrte ihn in einen Nebenraum. Dies wäre, was das Landgericht nicht erörtert hat, jedoch nicht nötig gewesen, wenn er davon ausgegangen wäre, dass sich der Geschädigte bereits durch den Sturz lebensgefährliche Verletzungen zugezogen hätte. In diesem Fall hätte er ihn einfach am Fuß der Kellertreppe liegen lassen und die Kellertür verschließen können. Dies hätte ausgereicht, um eine baldige Entdeckung der Tat zu verhindern.
9
In diesem Zusammenhang sind die Feststellungen zu dem tatsächlichen Geschehen im unmittelbaren Anschluss an den Sturz des Geschädigten zudem unklar. Im Urteil wird nicht ausgeführt, welche Reaktionen der Geschädigte hierbei zeigte. Wäre er für einige Augenblicke bewusstlos gewesen, könnte dies bei dem Angeklagten S. für die Vorstellung von einem möglichen Tod des Geschädigten sprechen. Dagegen könnte eine solche Vorstellung zweifelhaft sein, wenn der Geschädigte auch nach dem Sturz noch deutliche Lebensanzeichen gezeigt hätte, wenn er etwa laut geschrieen oder sich gegen das Verbringen in den Kellerraum trotz seiner Fesselung im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Wehr gesetzt hätte. Auch hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
10
Hinzu kommt, dass die Feststellungen auch die Annahme nicht hinreichend nahe legen, der Angeklagte S. sei hinsichtlich der Folgen seiner Handlungen, insbesondere eines möglichen Todes des Geschädigten, gleichgültig gewesen. Denn der Angeklagte S. hatte noch wenige Augenblicke, bevor er den Geschädigten die Treppe hinunter stieß, weitere schwerwiegende Gewalthandlungen durch den Angeklagten D. noch mit den Worten „Hör auf, du bringst ihn noch um“ verhindert. Warum der Angeklagte S. nun innerhalb kurzer Zeit seine Meinung geändert haben und sich nach dem Stoß keine Gedanken mehr um das Überleben des Geschädigten gemacht haben sollte, ist aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich. Angesichts der dargelegten Umstände kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die von dem Angeklagten S. geäußerte Befürchtung, der Geschädigte könne sterben, erst nachträglich durch die Kenntnis von dem Krankenhausaufenthalt des Geschädigten entstanden ist und nicht die Vorstellungen des Angeklagten unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung wiedergibt. Dies hätte das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigen müssen.

11
3. Die Verurteilung der beiden Angeklagten wegen versuchten Mordes hat demnach keinen Bestand. Der Senat kann den Schuldspruch nicht auf einen besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung umstellen. Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass aufgrund neuer Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch rechtsfehlerfrei verneint werden kann. Nack Wahl Graf Jäger Sander

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

(1) Wer einen Menschen

1.
in eine hilflose Lage versetzt oder
2.
in einer hilflosen Lage im Stich läßt, obwohl er ihn in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist,
und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
die Tat gegen sein Kind oder eine Person begeht, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, oder
2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht.

(3) Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 2 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält,
2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist,
3.
gewerbsmäßig stiehlt,
4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient,
5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist,
6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder
7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
2.
eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt,
3.
eine Bildaufnahme, die in grob anstößiger Weise eine verstorbene Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt,
4.
eine durch eine Tat nach den Nummern 1 bis 3 hergestellte Bildaufnahme gebraucht oder einer dritten Person zugänglich macht oder
5.
eine befugt hergestellte Bildaufnahme der in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten Art wissentlich unbefugt einer dritten Person zugänglich macht und in den Fällen der Nummern 1 und 2 dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt.

(2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt von einer anderen Person eine Bildaufnahme, die geeignet ist, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden, einer dritten Person zugänglich macht. Dies gilt unter den gleichen Voraussetzungen auch für eine Bildaufnahme von einer verstorbenen Person.

(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,

1.
herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2.
sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.

(4) Absatz 1 Nummer 2 und 3, auch in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 4 oder 5, Absatz 2 und 3 gelten nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(5) Die Bildträger sowie Bildaufnahmegeräte oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer einen Menschen entführt oder sich eines Menschen bemächtigt, um ihn oder einen Dritten durch die Drohung mit dem Tod oder einer schweren Körperverletzung (§ 226) des Opfers oder mit dessen Freiheitsentziehung von über einer Woche Dauer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, oder wer die von ihm durch eine solche Handlung geschaffene Lage eines Menschen zu einer solchen Nötigung ausnutzt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) § 239a Abs. 2 bis 4 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 532/16
vom
27. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270117B1STR532.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2017 nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 18. Juli 2016 mit den Feststellungen aufgehoben ,
a) soweit der Angeklagte wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt worden ist (Tat 5. der Urteilsgründe ), hiervon ausgenommen sind die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, die bestehen bleiben,
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung , Vergewaltigung, Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung sowie Bedrohung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung von Verfah- rensrecht und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg, ist aber im Übrigen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der Angeklagte und die Geschädigte K. begannen in der Silvesternacht 2015/2016 eine Liebesbeziehung. Nachdem es zwischen ihnen zahlreiche Male zum Geschlechtsverkehr gekommen war, wollte die Geschädigte in den frühen Morgenstunden des 3. Januar 2016 wegen Schmerzen keinen weiteren Vaginalverkehr mehr. Dies wollte der Angeklagte nicht hinnehmen , beleidigte die Geschädigte und beschloss seinen diesbezüglichen Willen mit Gewalt durchzusetzen. Er legte sich auf die Geschädigte, hielt ihre Arme fest und drückte ihre Beine auseinander, um sodann den ungeschützten Vaginalverkehr mit ihr zu vollziehen. Sowohl den entgegenstehenden Willen als auch ihre ersichtlichen Schmerzen ignorierend, äußerte er, er wisse, dass es wehtue, aber er müsse sie „so rannehmen“. Anschließend setzte er sich mit seinen Beinen auf ihre Oberarme und würgte sie mit beiden Händen. Er forderte von ihr die Durchführung des Oralverkehrs. Auf ihre Bitten aufzuhören, ließ er von ihr ab.
4
2. Nach dem Geschehen umwarb der Angeklagte die Geschädigte und gelobte inständig, sich zu bessern. Die Geschädigte ging hierauf ein und beide setzten die Beziehung fort. Der Angeklagte reagierte zunehmend eifersüchtig auf Kontakte der Geschädigten zu anderen Männern. Als sie am 13. Januar 2016 einen Anruf erhielt, riss der Angeklagte ihr das Telefon aus der Hand. Er stieß sie auf die Couch, warf sich mit seinem ganzen Körpergewicht auf sie und zog sie aus. Die Geschädigte wehrte sich durch Tritte dagegen, konnte aber gegen die körperliche Übermacht des Angeklagten nichts ausrichten. Er ergriff ihre Arme, drückte mit seinen Beinen ihre Beine auseinander und führte sein Glied in ihre Scheide ein. Sie bat ihn, damit aufzuhören. Da ihn ihr Flehen störte , ergriff er ein neben der Couch liegendes Küchenmesser und drückte es ihr an den Hals. Er sagte zu ihr, sie wolle „das“ doch auch, sie liebe ihn und wolle mit ihm zwei Kinder, deren Namen er nannte. Er drückte ihr die Klingenspitze gegen die Wange und drohte, er werde ihr „Gesicht kaputt schneiden“, damit sie nur noch bei ihm bleibe.
5
3. Am Abend dieses Tages geriet der Angeklagte mit der Geschädigten wegen des Geschehens zu 2. in Streit. Sie erklärte ihm, ein solches Verhalten nicht mehr hinnehmen zu wollen. Er holte daraufhin ein Tapeziermesser und hielt es der Geschädigten vor das Gesicht. Hierbei schrie er, er werde sie umbringen und sodann sich selbst töten. Sodann versetzte er ihr fünf Schläge mit seinem Ledergürtel.
6
4. In den folgenden Tagen bemühte sich der Angeklagte intensiv um die Geschädigte und gelobte Besserung. Er bat sie flehentlich, ihn nicht allein zu lassen. Als die Geschädigte mit ihren Freundinnen am 23. Januar 2016 einen Ausflug nach Würzburg unternehmen wollte, drängte er sich mit in das Fahrzeug. Da er Angst hatte, dass sich die Geschädigte mit anderen Männern treffen werde, war er verärgert, als die Geschädigte ihm in Würzburg entkommen war. Auf der Rückfahrt saß er neben der Geschädigten auf dem Rücksitz und flüsterte ihr zu, er habe ein Messer dabei, damit werde er ihr Gesicht aufschlitzen. An einem Halt zerrte er sie aus dem Auto, hielt ihr das Messer an den Hals und vor ihr Gesicht, um seine Ankündigung zu unterstreichen. Er beschimpfte sie, ließ aber schließlich von ihr ab, als die Freundinnen drohten, die Polizei zu rufen und ein Passant dazwischentrat.
7
5. In den folgenden Tagen söhnte sich die Geschädigte mit dem Angeklagten aus und setzte die Beziehung mit ihm gegen den Rat ihrer Eltern fort. Darüber war ihre Mutter sehr verärgert und verwies sie der von der Geschädigten bewohnten Wohnung. Daraufhin beschloss die Geschädigte vorübergehend bei dem Angeklagten zu übernachten. Zwei Tage später erzählte sie ihm von ihrem Plan, zu ihrer Freundin nach Frankfurt zu ziehen und sich sodann dort eine eigene Wohnung zu suchen. Der Angeklagte befürchtete, seinen Einfluss auf die Geschädigte zu verlieren und verbot ihr den Umzug. Die Geschädigte schloss sich aus Angst vor Übergriffen im Bad ein. Der Angeklagte verließ kurz die Wohnung, schloss bei seiner Rückkehr von ihr unbemerkt die Wohnungstür von innen ab und nahm den Schlüssel an sich, um die vollständige Herrschaft über die Geschädigte zu erlangen. Deswegen hatte er nunmehr auch eine Pistole bei sich. Er wollte ihr damit drohen, damit sie unter dem Eindruck der Drohung , ihren Plan nach Frankfurt zu ziehen, aufgibt. Auf seine Aufforderung öffnete sie die Badezimmertür, er richtete die Waffe auf sie und sagte, er bringe sie jetzt um. Er drückte ihr die Pistole an verschiedene Stellen des Kopfes, um seine Macht über sie auszukosten. Er gab mit der Pistole zweimal einen Schuss ab. Als die Geschädigte fliehen wollte, bemerkte sie die verschlossene Wohnungstür. Der Angeklagte schrie, er werde sie nicht gehen lassen. Als die Geschädigte überlegte, ob sie aus dem Fenster springen sollte, zog er sie vom Fenster weg, hielt ihr die Pistole vor das Gesicht und schrie: „Friedhof oder Frankfurt?“. Erwusste, dass ihm die Geschädigte hilflos ausgeliefert war und wollte dies nutzen, damit sie von ihren Umzugsplänen Abstand nimmt. Er rief eine Bekannte von ihm an, um diese um die Vermittlung einer Wohnung zu bitten. Sodann brachte er die Geschädigte durch die vorgehaltene Pistole dazu, dieser Bekannten gegenüber am Telefon zu bestätigen, mit dem Angeklagten zusammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen. Anschließend zog er sie in das Schlafzimmer, stieß sie auf das Bett und versetzte ihr mit seiner beringten Faust einen Schlag in das Gesicht. Als die Geschädigte schrie, ließ er von ihr ab und öffnete nach etwa 45 Minuten die Wohnungstür.

II.


8
1. Den Verfahrensrügen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift aufgezeigten Gründen der Erfolg versagt.
9
2. Während der Schuldspruch wegen besonders schwerer Vergewaltigung (Tat 2.), Vergewaltigung (Tat 1.) und Bedrohung in zwei Fällen (Taten 3. und 4.) keinen Rechtsfehler aufzeigt, kann die Verurteilung wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Bedrohung (Tat 5.) keinen Bestand haben.
10
Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte der Geschädigten bemächtigt und sie mit dem Tode bedroht hatte. Die Urteilsgründe belegen jedoch nicht, dass der Angeklagte sich der Geschädigten bemächtigt hatte, um die von ihm geschaffene Lage zu einer Nötigung auszunutzen. Zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Nötigung muss ein funktionaler und zeitlicher Zusammenhang in der Weise bestehen , dass der Täter das Opfer während der Dauer der Zwangslage nötigen will und die abgenötigte Handlung während der Dauer der Zwangslage vorgenommen werden soll (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 mwN; Beschluss vom 12. September 2013 – 2 StR 236/13, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 2). Soweit der Angeklagte also die Absicht verfolgte, die Zeugin durch die Bemächtigungssituation und die qualifizierte Drohung dazu zu bestimmen, erst nach Beendigung der Zwangslage ihre Umzugspläne aufzugeben, wäre der Tatbestand nicht erfüllt.
11
Ob der erforderliche funktionale Zusammenhang angenommen werden könnte, weil der Angeklagte nach seiner Vorstellung mit dem während der Bemächtigungslage erzwungenen Telefonat der Geschädigten einen Teilerfolg erreichen wollte, der mit Blick auf das erstrebte Endziel vorbereitend wirken sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 – 1 StR 444/14, StV 2015, 765 und vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36), lässt sich dem Urteil nicht hinreichend sicher entnehmen. Es fehlt an tragfähigen Feststellungen dazu, ob das telefonische Bekenntnis zu Plänen für eine gemeinsame Wohnung nach der Vorstellung des Angeklagten eine eigenständig bedeutsame Vorstufe des gewollten Endzwecks darstellen sollte (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 20. September 2005 – 1 StR 86/05, NStZ 2006, 36 und vom 14. Januar 1997 – 1 StR 507/96, BGHR StGB § 239b Nötigungserfolg 1; Beschluss vom 2. Oktober 1996 – 3 StR 378/96, BGHR StGB § 239b Entführen 4). Das Landgericht stellt – tragfähig belegt durch die Äußerung „Friedhof oder Frankfurt“ – mehrfach darauf ab,dass der Angeklagte von der Geschädigten die Aufgabe der Umzugspläne, mithin ein auf die Zukunft bezogenes Unterlassen erreichen wollte. Hierzu passt auch, dass es die Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB, mithin einen Verzicht auf die erstrebte Leistung angenommen hat. Ob der Angeklagte in dem Bekenntnis der Geschädigten gegenüber seiner Bekannten, nämlich mit dem Angeklagten zu- sammen sein und eine gemeinsame Wohnung mit ihm haben zu wollen, eine eigenständig bedeutsame Vorstufe mit einer gesteigerten Verbindlichkeit für dieses Ziel gesehen hat, hat das Landgericht weder erwogen noch lässt es sich aus dem Gesamtzusammenhang entnehmen. Dagegen spricht bereits die Annahme der Voraussetzungen des § 239b Abs. 2, § 239a Abs. 4 Satz 1 StGB. Allein durch die – zudem beweiswürdigend nicht unterlegte – Feststellung, der Angeklagte habe dies getan, um „sicher zu erreichen, dass K. ihre Umzugspläne aufgibt“, wirddies nicht tragfähig belegt. Denn es versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte davon ausging, durch die Bekräftigung der Pläne für eine gemeinsame Wohnung gegenüber seiner Bekannten, würde sich die Geschädigte verlässlich gebunden fühlen.
12
Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs hinsichtlich Tat 5. der Urteilsgründe; erfasst wird auch die – konkurrenzrechtlich ohnehin im Hinblick auf den Einsatz der Todesdrohungen zur Erreichung des Endzieles bedenkliche (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322) – tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung. Der Aufhebung von Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bedurfte es nicht, da diese rechtsfehlerfrei getroffen sind.
13
3. Der gesamte Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand. Denn die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme voller Schuldfähigkeit begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
14
a) Sachverständig beraten ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ mit deutlichen Borderline-Zügen leide, die den Schweregrad des Eingangsmerkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB erfülle. Die Störung zeige sich in der Neigung zu impulsivem Handeln ohne die Folgen des Handelns in den Blick zu nehmen und Verlassensängsten. Insbesondere bei affektiven Einbrüchen komme es zu einer defizitären Impulskontrolle. Zudem liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor. Trotz des Vorliegens des Eingangsmerkmals sei die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei den Taten nicht beeinträchtigt gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen , dass sich der Tatzeitraum über einen Monat hingezogen habe und der Angeklagte während dieses Zeitraums zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen sei. Unbeeinflusst von akuten Erregungsmomenten habe ausreichend Zeit zur Reflexion bestanden; schließlich sei es ihm auch immer wieder gelungen, sich in diesem Zeitraum gegenüber der Geschädigten fürsorglich zu zeigen und keine Gewalt auszuüben.
15
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
16
aa) Indem das Landgericht – dem Sachverständigen folgend – eine Störung angenommen hat, deren Schweregrad ausreichend ist, um sie unter das Eingangsmerkmal schwere andere seelische Abartigkeit des § 20 StGB zu fassen , musste es davon ausgehen, dass die Störung Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben des Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie krankhafte seelische Störungen (vgl. hierzu nur BGH, Beschlüsse vom 11. Februar 2015 – 4 StR 498/14, NStZ-RR 2015, 137 und vom 21. September 2004 – 3 StR 333/04, NStZ 2005, 326, 327; Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f.; Beschluss vom 21. Oktober 1998 – 3 StR 416/98, NStZ-RR 1999, 136 mwN). Denn für die Bewertung der Schwere der Persönlichkeitsstörung ist es maßgebend , ob es im Alltag außerhalb des angeklagten Deliktes zu Einschränkungen des beruflichen und sozialen Handlungsvermögens gekommen ist (BGH, Urteil vom 21. Januar 2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 52 f. mwN).
17
Angesichts dessen, dass die Einschränkungen durch die Persönlichkeitsstörung einerseits schwer genug sein sollen, um zur Annahme eines Eingangsmerkmals im Sinne der §§ 20, 21 StGB zu führen, kommt der – hiermit zudem in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis stehenden – Erwägung, der Angeklagte sei zu einem geregelten Alltagsleben in der Lage gewesen, keine relevante Aussagekraft zu.
18
bb) Zudem lassen die mehrmaligen Bezugnahmen auf den Zeitraum eines Monats besorgen, dass das Landgericht für die Frage, ob die festgestellte schwere andere seelische Abartigkeit zu einer relevanten Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit geführt hat, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung verfehlt hat. Maßgebend für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist die Begehung der Tat (§ 20 StGB), bei aktivem Tun mithin die Zeit, zu welcher der Täter gehandelt hat(§ 8 Satz 1 StGB; vgl. auch BGH, Beschluss vom 17. Juni 2015 – 4StR 196/15, NStZ-RR 2015, 275). Danach war hier auf die jeweilige Tathandlung , die nicht mehr als eine Stunde betragen hat, abzustellen und nicht auf den gesamten Zeitraum, in dem der Angeklagte verschiedene Delikte begangen hat. Ob der Angeklagte in den Zeiträumen zwischen den Taten zu fürsorglichem Handeln und Unrechtsreflektion in der Lage war, kommt daher keine maßgebliche Bedeutung zu.
19
cc) Eine Erörterung, ob sich die Symptome der den Grad einer schweren anderen seelischen Abartigkeit erreichenden Persönlichkeitsstörung, nämlich eine defizitäre Impulskontrolle bei affektiven Einbrüchen und Verlassensängsten , bei den jeweiligen Tatbegehungen ausgewirkt haben könnten, lässt sich dem Urteil hingegen nicht entnehmen. Hierzu hätte aber insbesondere deswegen Anlass bestanden, da diese Taten ausweislich der Feststellungen durch impulsives Verhalten und Verlassensängste beeinflusst waren.
20
c) Der Rechtsfehler lässt den verbleibenden Schuldspruch unberührt, der Senat kann ausschließen, dass die Schuldfähigkeit bei Begehung der Taten vollständig aufgehoben war. Er führt aber zur Aufhebung des Strafausspruchs mit den zugrunde liegenden Feststellungen. Die Sache bedarf auch insoweit – naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen – neuer Verhandlung und Entscheidung.
Raum Graf Jäger Cirener Fischer

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Von den zum Zweck dieser Vernehmung anberaumten Terminen sind die Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und der Verteidiger vorher zu benachrichtigen; ihrer Anwesenheit bei der Vernehmung bedarf es nicht. Die Benachrichtigung unterbleibt, wenn sie den Untersuchungserfolg gefährden würde. Das aufgenommene Protokoll ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger vorzulegen.

(2) Hat ein nicht in Freiheit befindlicher Angeklagter einen Verteidiger, so steht ihm ein Anspruch auf Anwesenheit nur bei solchen Terminen zu, die an der Gerichtsstelle des Ortes abgehalten werden, wo er in Haft ist.