Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2011 - 1 StR 537/10

bei uns veröffentlicht am11.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 537/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 5. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe (D. ) bzw. zu einer Jugendstrafe (S. ) jeweils von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen drangen die beiden Angeklagten in der Tatnacht in das Haus des Geschädigten M. ein, um dort Geld und Drogen zu stehlen. Weil sie kein Bargeld finden konnten, misshandelten sie den bis dahin schlafenden Geschädigten. Während der Angeklagte S. ihn auf das Bett drückte, schlug der Angeklagte D. ihm mit einem Schlagstock wenigstens zwanzigmal auf Kopf und Oberkörper. Dabei handelten beide Angeklagten mit bedingtem Tötungsvorsatz. Anschließend fesselten sie den Geschädigten an Händen und Füßen und knebelten ihn. Als sie auch bei der wei- teren Durchsuchung der Wohnung kein Geld finden konnten, schlug der Angeklagte D. wieder mit dem Schlagstock auf den Geschädigten ein, bis dieser ihnen das Versteck preisgab, in dem er sein Geld aufbewahrte. Die Angeklagten fanden dort 1.000 €. Da sie in der Wohnung aber weiteres Geld vermuteten, versetzte der Angeklagte D. dem Geschädigten noch einen Schlag mit dem Schlagstock, woraufhin der Angeklagte S. zu ihm sagte: „Hör auf, du bringst ihn noch um.“ Weil sie den Geschädigten in den Keller sperren wollten, um zu verhindern, dass er nach ihrem Verlassen seines Hauses die Polizei ruft, brachten sie ihn zum Kellerabgang. Dort stieß ihn der Angeklagte S. , ohne dies zuvor mit dem Angeklagten D. abgesprochen zu haben, die aus steinernen Stufen bestehende Kellertreppe hinunter. Im Keller packte er den Geschädigten und zerrte ihn dann noch in einen Nebenraum. Anschließend verließen die beiden Angeklagten das Haus. Hierbei nahmen sie billigend in Kauf, dass der Geschädigte in dem Keller sterben könnte. Tatsächlich gelang es dem Geschädigten , der sich durch die Gewalthandlungen Platzwunden am Kopf sowie Prellungen und Schürfwunden am ganzen Körper zugezogen hatte, bereits nach kurzer Zeit, sich seiner Fesseln zu entledigen und Hilfe zu holen.
3
2. Die Feststellungen tragen die Verurteilung der beiden Angeklagten wegen versuchten Mordes nicht, da sich das Landgericht nur unzureichend mit den Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts auseinandergesetzt hat.
4
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es, wovon auch das Landgericht insoweit zutreffend ausgegangen ist, für die Abgrenzung eines beendeten vom unbeendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts maßgeblich auf die Vorstellungen der Täter nach der letzten Ausführungshandlung („Rücktrittshorizont“) an. Dies gilt insbesondere auch bei einem mehraktigen Tatgeschehen, das - wie hier - als eine Tat im Rechtssinne gewertet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2008 - 4 StR 233/08, StraFo 2009, 78 mwN). Halten die Täter nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung aufgrund der tatsächlichen Umstände den Tod ihres Opfers für möglich oder machen sie sich über die Folgen ihres Handelns - namentlich bei besonders schweren Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben - keine Gedanken, so ist der Versuch beendet (st. Rspr.; vgl. jew. mwN BGH, Urteil vom 10. November 2005 - 4 StR 337/05 Rz. 8; BGH, Beschluss vom 3. Februar 1999 - 2 StR 540/98 Rz. 4; BGH, Beschluss vom 11. Februar 1999 - 1 StR 694/98 Rz. 4). Ein strafbefreiender Rücktritt ist in diesem Fall bei mehreren Tätern nur unter den engen Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB möglich. Liegt dagegen ein unbeendeter Versuch vor, kommt ein strafbefreiender Rücktritt nach dieser Vorschrift auch dann in Betracht, wenn die Täter einvernehmlich nicht weiterhandelten , obwohl sie dies hätten tun können (BGH, Beschluss vom 9. Januar 2003 - 4 StR 410/02 Rz. 2, StraFo 2003, 207). Die äußeren Gegebenheiten sind bei der Abgrenzung eines beendeten von einem unbeendeten Versuch insoweit von Bedeutung, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters ermöglichen (BGH, Beschluss vom 1. Juli 1993 - 1 StR 337/93 Rz. 6, BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 22 mwN).
5
b) Das Landgericht ist bei seiner rechtlichen Würdigung des Tatgeschehens bei beiden Angeklagten von einem beendeten Versuch ausgegangen und hat in Ermangelung von Rettungsbemühungen die Voraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt jeweils verneint. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die beiden Angeklagten die weitere Tatausführung nicht freiwillig aufgegeben hätten, weil sie nach der letzten Ausführungshandlung, dem Zurücklassen des Geschädigten im Keller, dessen Tod - infolge der erlittenen Verletzungen (UA S. 15) bzw. wegen fehlender Befreiungsmöglichkeiten (UA S. 32) - gebilligt hätten. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand:
6
(1) Hinsichtlich des Angeklagten D. beschränken sich die Ausführungen des Landgerichts lediglich auf die Feststellung, dass dieser beim Zurücklassen des Geschädigten im Keller dessen Tod gebilligt habe. Diese Feststellung ist, soweit sie möglicherweise auch die Vorstellung des Angeklagten von einem möglichen Erfolgseintritt - hier dem Tod des Geschädigten - mitumfasst , in den Urteilsgründen nicht belegt. Der Angeklagte D. hat sich zu seinen Vorstellungen beim Zurücklassen des Geschädigten im Keller nicht eingelassen. Es ist im Urteil auch nicht dargetan, ob das Landgericht allein aus dem - insoweit rechtsfehlerfrei festgestellten - Umstand, dass der Angeklagte D. den Stoß durch den Angeklagten S. und den anschließenden Sturz des Geschädigten die Kellertreppe hinunter aus unmittelbarer Nähe beobachtet hat, auf dessen Vorstellungen von einem möglichen Todeseintritt beim Zurücklassen des Geschädigten geschlossen hat. Eine solche Schlussfolgerung wäre hier jedenfalls nicht ohne weiteres nahe liegend gewesen, da ein Treppensturz nicht unweigerlich zu lebensbedrohlichen Verletzungen führen muss und im vorliegenden Fall auch nicht zu solchen Verletzungen geführt hat.
7
(2) Hinsichtlich des Angeklagten S. hat das Landgericht seine Überzeugung , dass auch dieser den Tod des Geschädigten beim Verlassen des Tatorts für möglich gehalten habe, auf dessen spätere Äußerungen gegenüber Freunden gestützt, wonach er fürchte, „dass das Opfer versterben könnte.“ Zwar kann aus einer solchen Äußerung auf die Vorstellungen des Täters nach der letzten Ausführungshandlung geschlossen werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die einer solchen Äußerung zugrunde liegende Vorstellung von einem möglichen Todeseintritt schon unmittelbar nach der letzten Tathandlung vorhanden war (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2009 - 3 StR 384/09 Rz. 2, NStZ 2010, 146) und nicht erst durch später hinzu tretende Umstände entstanden ist. Dies hat das Landgericht bei seiner Würdigung nicht in ausreichendem Maß bedacht.
8
So hat es die Frage, ob der Angeklagte S. seine Befürchtung, der Geschädigte könne sterben, erst dann zum Ausdruck gebracht hat, nachdem ihm von einer Freundin mitgeteilt worden war, dass sich der Geschädigte im Krankenhaus befinde, ausdrücklich offen gelassen. Hiermit hätte sich das Landgericht aber auseinandersetzen müssen. Der Angeklagte S. war unmittelbar nach dem Sturz des Geschädigten bei diesem im Keller und zerrte ihn in einen Nebenraum. Dies wäre, was das Landgericht nicht erörtert hat, jedoch nicht nötig gewesen, wenn er davon ausgegangen wäre, dass sich der Geschädigte bereits durch den Sturz lebensgefährliche Verletzungen zugezogen hätte. In diesem Fall hätte er ihn einfach am Fuß der Kellertreppe liegen lassen und die Kellertür verschließen können. Dies hätte ausgereicht, um eine baldige Entdeckung der Tat zu verhindern.
9
In diesem Zusammenhang sind die Feststellungen zu dem tatsächlichen Geschehen im unmittelbaren Anschluss an den Sturz des Geschädigten zudem unklar. Im Urteil wird nicht ausgeführt, welche Reaktionen der Geschädigte hierbei zeigte. Wäre er für einige Augenblicke bewusstlos gewesen, könnte dies bei dem Angeklagten S. für die Vorstellung von einem möglichen Tod des Geschädigten sprechen. Dagegen könnte eine solche Vorstellung zweifelhaft sein, wenn der Geschädigte auch nach dem Sturz noch deutliche Lebensanzeichen gezeigt hätte, wenn er etwa laut geschrieen oder sich gegen das Verbringen in den Kellerraum trotz seiner Fesselung im Rahmen seiner Möglichkeiten zur Wehr gesetzt hätte. Auch hiermit hätte sich das Landgericht auseinandersetzen müssen.
10
Hinzu kommt, dass die Feststellungen auch die Annahme nicht hinreichend nahe legen, der Angeklagte S. sei hinsichtlich der Folgen seiner Handlungen, insbesondere eines möglichen Todes des Geschädigten, gleichgültig gewesen. Denn der Angeklagte S. hatte noch wenige Augenblicke, bevor er den Geschädigten die Treppe hinunter stieß, weitere schwerwiegende Gewalthandlungen durch den Angeklagten D. noch mit den Worten „Hör auf, du bringst ihn noch um“ verhindert. Warum der Angeklagte S. nun innerhalb kurzer Zeit seine Meinung geändert haben und sich nach dem Stoß keine Gedanken mehr um das Überleben des Geschädigten gemacht haben sollte, ist aus den Urteilsgründen nicht ersichtlich. Angesichts der dargelegten Umstände kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die von dem Angeklagten S. geäußerte Befürchtung, der Geschädigte könne sterben, erst nachträglich durch die Kenntnis von dem Krankenhausaufenthalt des Geschädigten entstanden ist und nicht die Vorstellungen des Angeklagten unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung wiedergibt. Dies hätte das Landgericht bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigen müssen.

11
3. Die Verurteilung der beiden Angeklagten wegen versuchten Mordes hat demnach keinen Bestand. Der Senat kann den Schuldspruch nicht auf einen besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung umstellen. Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass aufgrund neuer Feststellungen ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch rechtsfehlerfrei verneint werden kann. Nack Wahl Graf Jäger Sander

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

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gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Oktober 2008 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt an der Oder vom 21. Dezember 2007 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen im dritten Tatkomplex einschließlich derjenigen zu den Verletzungen des Tatopfers, dem Zustand des Tatfahrzeugs und zu der Fahrtstrecke (UA S. 10 bis 11, Zeile 18) aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe sowie wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von vier Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt.
2
Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Spätestens während der Fahrt durch ein Waldgebiet fasste der Angeklagte den Entschluss, den im Range Rover neben ihm sitzenden Zeugen Jörg B. zu töten, „wobei seine Motivlage nicht geklärt werden konnte.“ Der Angeklagte hielt den Range Rover gegen 11:30Uhr unter einem Vorwand auf dem Randstreifen der Landstraße an und verließ das Fahrzeug. Unbemerkt von Jörg B. , der im Range Rover wartete, kehrte der Angeklagte zu dem Fahrzeug zurück, öffnete die Fahrertür und schoss mit seiner Pistole vom Typ Beretta auf Jörg B. , um diesen unter Ausnutzung seiner Arg- und Wehrlosigkeit zu töten. Das Projektil durchdrang die Muskulatur des Geschädigten oberhalb des linken Schlüsselbeins. Jörg B. verließ den Range Rover und rannte im Zick Zack auf die Straße und von dort aus in den Wald. Die weiteren drei Schüsse, die der Angeklagte auf den fliehenden Jörg B. abgab, verfehlten diesen. „Er geriet aus dem Blickfeld des Angeklagten, der dem Zeugen nicht in den Wald folgte, sondern bei seinem Fahrzeug verblieb und sein Tötungsvorhaben als gescheitert ansah.“
4
Der Angeklagte wendete den Range Rover und verblieb am Tatort. Als Jörg B. "nach einiger Zeit" aus dem Wald herauskam und versuchte, den Fahrer eines etwa 40 m vor dem Range Rover haltenden BMW zu veranlassen, ihn mitzunehmen, beugte sich der Angeklagte aus seinem Fahrzeug heraus und schoss erneut auf Jörg B. , ohne diesen zu treffen. Der Angeklagte folgte Jörg B. , der wegzulaufen versuchte, mit dem Range Rover. Als er diesen erreicht hatte, hielt er sein Fahrzeug an und rief Jörg B. zu: “Was hab ich getan , was hab ich getan, steig ein.“ Jörg B. forderte den Angeklagten auf, die Waffe wegzuwerfen, was dieser tat, stieg in den Range Rover ein und bat den Angeklagten, ihn ins Krankenhaus zu fahren.
5
Während der Fahrt auf der Landstraße telefonierte Jörg B. mit seinem Bruder. Der Angeklagte entschloss sich, Jörg B. zu töten, weil er befürchtete, dieser werde seinem Bruder den wirklichen Tathergang schildern. Er beschleunigte den Range Rover auf etwa 100 km/h und lenkte ihn „kurz nach 11:51" Uhr gezielt nach rechts mit der rechten Vorderfront gegen einen am Randstreifen stehenden Baum. Jörg B. überlebte den Unfall.
6
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte den fünften Schuss auf Jörg B. aufgrund eines neuen Tatenschlusses abgeben und hat danach freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben. Der strafbefreiende Rücktritt gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB erstrecke sich aber nicht auf den vorangegangenen Mordversuch, weil der Angeklagte diesen als fehlgeschlagen angesehen habe. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
Bei einem mehraktigen Geschehen ist der Rücktritt hinsichtlich des ersten Tatabschnitts allerdings dann ausgeschlossen, wenn dieser als ein bereits fehlgeschlagener Versuch zu erachten ist (vgl. BGHSt 34, 53, 55; 41, 368, 369; 44, 91, 94). Von einem solchen, auch durch spätere Handlungen nicht mehr rücktrittsfähigen fehlgeschlagenen Versuch ist - bei aktivem Tun - jedoch nur dann auszugehen, wenn der Täter nach dem Misslingen des vorgestellten Tatablaufs zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten oder anderen bereitliegenden Mitteln vollen- den, so dass ein erneutes Ansetzen notwendig sei, um zum gewünschten Ziel zu gelangen (BGHSt 41, 368, 369 m.w.N.). Zwar hat der Angeklagte nach den bisherigen Feststellungen sein Vorhaben, den Jörg B. zu töten, nach dessen Flucht in den Wald als gescheitert angesehen. Diese Feststellung findet aber in der Beweiswürdigung des Landgerichts keine Grundlage. Vielmehr lässt die – entgegen der Auffassung der Revision – rechtsfehlerfrei festgestellte objektive Sachlage, die insoweit von Bedeutung ist, als sie Rückschlüsse auf die innere Einstellung des Täters gestattet (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Freiwilligkeit 7), nicht ohne Weiteres den Schluss zu, der Angeklagte habe den Mordversuch nach Abgabe des vierten Schusses als gescheitert angesehen. Nach den bisherigen Feststellungen hatte der Angeklagte auch nach Abgabe des vierten Schusses objektiv weiterhin die Möglichkeit, die Tat ohne zeitliche Zäsur mit dem bereits eingesetzten Mittel zu vollenden. In seiner funktionstüchtigen Pistole befanden sich noch zwei Patronen, so dass er das Tatopfer hätte verfolgen können, um in eine günstigere Schussposition zu gelangen. Anhaltspunkte dafür , dass der Angeklagte hierzu – etwa aus physischen Gründen – nicht in der Lage gewesen wäre, enthält das Urteil nicht.
8
Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte nach dem vierten Schuss die ihm möglich erscheinende weitere Ausführung der Tat freiwillig aufgegeben hat und dass er sowohl von dem Mordversuch als auch von dem dann rechtlich selbständigen nachfolgenden weiteren Tötungsversuch strafbefreiend zurückgetreten ist. Nach den bisherigen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen kommt aber, worauf die Revision zutreffend hingewiesen hat, auch in Betracht, dass der Angeklagte von der Verfolgung Jörg B. s deshalb absah, weil er mit dessen alsbaldiger Rückkehr zur Straße rechnete und die Tat dann vollenden wollte. Insoweit hätte der Prüfung bedurft, ob die dann durch einen fortbestehenden Tötungsvorsatz verbundenen Einzelakte bis zum Weg- werfen der Pistole in einem derart unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, dass das gesamte Handeln des Angeklagten in diesen Handlungsabschnitten auch für einen Dritten als einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. BGH NStZ 2005, 263; 2007, 399, jew. m. w. N.).
9
Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
10
3. Soweit der Angeklagte im dritten Handlungsabschnitt des Tatgeschehens versucht hat, Jörg B. zu töten, indem er mit dem Range Rover mit hoher Geschwindigkeit gezielt mit der Beifahrerseite des Fahrzeugs gegen einen Straßenbaum fuhr, ist der Schuldspruch wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zwar für sich genommen im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Der Senat hebt das Urteil aber gleichwohl auch insoweit auf, um dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu geben, zu den Motiven des Angeklagten - und damit auch zu den in Betracht kommenden Mordmerkmalen - widerspruchsfreie Feststellungen zu treffen. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen in diesem Handlungsabschnitt können jedoch bestehen bleiben. Die ihnen zu Grunde liegende Beweiswürdigung ist entgegen der Auffassung der Revision rechtlich nicht zu beanstanden; insbesondere weist sie auch keine Lücken auf.
11
4. Die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung geben Anlass auf Folgendes hinzuweisen:
12
a) Wer die tatsächliche Gewalt über eine Waffe außerhalb der eigenen Wohnung, Geschäftsräume oder des eigenen befriedeten Besitztums ausübt, führt eine Waffe (Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 WaffG Abschnitt 2 Nr. 4). Der gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 WaffG strafbare unerlaubte Besitz und das nach dieser Vor- schrift strafbare unerlaubte Führen einer Waffe stehen in Tateinheit (vgl. BGH NStZ 2001, 101).
13
b) Soweit das Landgericht neben einer das Leben gefährdenden Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB auch die Tatbestandsvariante des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB bejaht und das eingesetzte Kraftfahrzeug als gefährliches Werkzeug angesehen hat, wird vorsorglich auf die Entscheidung des Senats vom 16. Januar 2007 - 4 StR 524/06 (BGHR StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. des 6. StrRG Werkzeug 3) hingewiesen.
14
c) Die Gefährdung des vom Täter geführten, ihm aber nicht gehörenden Fahrzeugs scheidet aus dem Schutzbereich des § 315 b StGB aus (vgl. BGHSt 27, 40; Fischer StGB 55. Aufl. § 315 c Rdn. 15 b m.w.N.).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 337/05
vom
10. November 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. November
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 25. Januar 2005 werden verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Nebenklägerin. Beide rügen die Verletzung sachlichen Rechts, die Nebenklägerin beanstandet die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts vom versuchten Mord. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

Revision der Nebenklägerin 1. Nach den Feststellungen fügte der Angeklagte der ihm flüchtig bekannten Nebenklägerin nach gemeinsamem erheblichem Alkoholkonsum aus ungeklärter Motivation in deren Wohnung in der Zeit zwischen 12.30/13.00 Uhr und 20.00 Uhr vorsätzlich vielfältige Verletzungen zu, wobei er unter anderem ein Messer und eine leere Weinbrandflasche einsetzte. Das Opfer erlitt massiv blutende Kopfverletzungen und eine 9 cm lange Schnittwunde im oberen Halsbereich , die weit auseinanderklaffte und ebenfalls stark blutete; außerdem trug es durch stumpfe Gewaltanwendung einen Nasenbeinbruch und Prellungen im Augen- und Brustbereich davon. Hilferufe unterband der Angeklagte dadurch,
dass er der Frau mittels eines Kopfkissens so lange die Möglichkeit zum Atmen nahm, bis sie bewusstlos wurde und Unterblutungen in der Mundhöhle sowie unter den Ohren erlitt. Während des gesamten Tatgeschehens verlor das Opfer mehrfach das Bewusstsein. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt stellte der Angeklagte seine Übergriffe auf die Frau ein. Schließlich erklärte er, er werde ihr nichts mehr tun, und forderte sie auf, ein Bad zu nehmen, was diese aus Angst vor ihm ablehnte. Gegen 20.00 Uhr gelang es der Nebenklägerin, aus der in einem Mehrfamilienhaus gelegenen Wohnung zu fliehen und an einer Wohnungstür zu klingeln ; danach brach sie auf einem Treppenabsatz zusammen. Der Angeklagte hatte mittlerweile die Flucht seines Opfers bemerkt und verließ an der am Boden Liegenden vorbeigehend das Haus. Nahezu zeitgleich sorgten Hausbewohner für ärztliche Hilfe, so dass die Nebenklägerin gerettet werden konnte. 2. Das Schwurgericht hat den Angeklagten nur der gefährlichen Körperverletzung und nicht auch, wie angeklagt, des versuchten Mordes für schuldig befunden. Dabei hat es letztlich dahinstehen lassen, ob der Angeklagte - insbesondere beim Zufügen der Schnittverletzung am Hals - mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt habe, da er jedenfalls durch freiwilliges Absehen von weiteren , ihm möglichen Tathandlungen von dem unbeendeten Versuch mit strafbefreiender Wirkung zurückgetreten sei. 3. Diese Würdigung ist, wie auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht konnte die Frage des (bedingten) Tötungsvorsatzes, der bei einer so gefährlichen Gewalthandlung, wie sie ein Schnitt in den Hals darstellt , allerdings nahe liegt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 42), offen lassen, weil es auf Grund einer möglichen Beweiswürdigung einen
strafbefreienden Rücktritt von einem etwa vorliegenden Tötungsversuch angenommen hat. Die Erwägungen, auf Grund derer das Landgericht von einem unbeendeten Versuch ausgegangen ist, von dem der Angeklagte durch bloßes Unterlassen weiterer Tathandlungen zurücktreten konnte, weisen letztlich keinen Rechtsfehler auf. Ein unbeendeter Versuch ist nach ständiger Rechtsprechung dann gegeben, wenn der Täter nach der letzten Ausführungshandlung nicht mit dem Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges rechnet und die Vollendung aus seiner Sicht noch möglich erscheint (vgl. BGHSt 39, 221, 227 m.w.N.; BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 31); ein beendeter Versuch liegt dagegen vor, wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt in seiner subjektiven Vorstellung den Erfolgseintritt für möglich hält (vgl. BGHSt aaO; 31, 170, 171) oder sich - namentlich nach besonders gefährlichen Gewaltanwendungen, die zu schweren Verletzungen geführt haben - keine Vorstellungen über die Folgen seines Handelns macht (vgl. BGHSt 40, 304 f.). Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte zu dem Zeitpunkt, als er die Gewalthandlungen einstellte und der Nebenklägerin erklärte, er werde ihr nichts mehr tun, davon ausgegangen ist, sie werde ohnehin an den ihr zugefügten Verletzungen sterben. Es hat dabei berücksichtigt , dass diese Verletzungen nicht so schwerwiegend waren, dass sie unverzüglich oder innerhalb kürzester Frist zum Tode führen mussten, sondern dass die konkrete Gefahr des Todes erst durch den kontinuierlichen Blutverlust eingetreten ist. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass das Landgericht nicht festzustellen vermochte, zu welchem Zeitpunkt innerhalb des insgesamt etwa siebenstündigen Aufenthalts in der Tatwohnung die einzelnen Verletzungshandlungen vorgenommen wurden. Es hat, wenngleich an anderer Stelle des Urteils, zu Gunsten des Angeklagten nicht ausgeschlossen, dass
dieser seinem Opfer alle schweren Verletzungen bereits in der Anfangsphase zugefügt hat [UA 92]. Hiervon ausgehend, hätte der Angeklagte bereits zu einem Zeitpunkt von weiteren Verletzungshandlungen abgesehen, zu dem die Auswirkungen seiner Tat für ihn als medizinischem Laien möglicherweise noch nicht erkennbar waren, weil der lebensgefährliche Blutverlust erst allmählich eintrat. Schließlich kann zwar die Tatsache, dass der Angeklagte sich beim Verlassen des Wohnhauses nicht um das erneut zusammengebrochene Opfer kümmerte, auf eine gewisse Gleichgültigkeit diesem gegenüber hindeuten; den Schluss, er habe sich auch bei und nach Einstellung der Tätlichkeiten aus Gleichgültigkeit keine Vorstellungen über die - möglicherweise tödlichen - Folgen seines vorangegangenen Tuns gemacht, musste das Gericht entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin daraus allerdings nicht ziehen. Die Annahme eines strafbefreienden Rücktritts beruht somit auf einer rechtsfehlerfreien Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Tatgericht. Diese ist vom Revisionsgericht hinzunehmen, auch wenn eine andere Würdigung möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte.

II.

Revision des Angeklagten Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Seine Revision hat daher ebenfalls keinen Erfolg. Tepperwien Maatz Kuckein Solin-Stojanović Sost-Scheible

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 410/02
vom
9. Januar 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 9. Januar 2003 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 31. Januar 2002 mit den Feststellungen aufgehoben,
a) insgesamt, soweit es den Angeklagten G. betrifft,
b) im Fall II 2 der Urteilsgründe (Tat vom 24. Mai 2001) sowie im gesamten Rechtsfolgenausspruch, mit Ausnahme der Einzelstrafe wegen Körperverletzung (Fall II 1), soweit es den Angeklagten S. betrifft. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II 2), den Angeklagten S. darüber hinaus wegen einer weiteren Körperverletzung (Fall II 1) zur Jugendstrafe
von fünf Jahren und sechs Monaten (G. ) bzw. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten (S. ) verurteilt. Außerdem hat es die Unterbringung des Angeklagten S. in der Sicherungsverwahrung angeordnet und ihn verurteilt, Schmerzensgeld zu zahlen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. hat insgesamt Erfolg, das des Angeklagten S. den aus der Beschlußformel ersichtlichen Teilerfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Wie der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften vom 2. Oktober 2002 im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, kann der Schuldspruch im Fall II 2 der Urteilsgründe keinen Bestand haben, weil das Landgericht - im Hinblick auf beide Tatopfer (die Eheleute W. ) - nicht zureichend geprüft hat, ob die Angeklagten von den Tötungsversuchen strafbefreiend zurückgetreten sind. Zwar haben die Angeklagten nach den Feststellungen als Mittäter gehandelt , so daß nicht – wie der Generalbundesanwalt meint - § 24 Abs. 1 StGB, sondern § 24 Abs. 2 StGB zu erörtern war; jedoch kommt auch nach dieser Vorschrift ein strafbefreiender Rücktritt in Betracht, wenn die Angeklagten nämlich – was nach den Feststellungen nicht fernliegt – nach unbeendetem Versuch einvernehmlich nicht weiterhandelten, obwohl sie dies hätten tun können (vgl. BGHSt 42, 158, 162; 44, 204, 208; BGH NStZ 1989, 317, 318; 1999, 449 f.; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 24 Rdn. 41).
2. Mit der Aufhebung des Urteils im Fall II 2 der Urteilsgründe entfällt beim Angeklagten G. der Strafausspruch insgesamt, beim Angeklagten S. die für diese Tat verhängte Einzelstrafe (sechs Jahre Freiheitsstrafe), der Ausspruch über die Gesamtstrafe, die Anordnung der Sicherungsverwahrung und
die Verurteilung zu Schmerzensgeldzahlung. Die im Fall II 1 verhängte Einzel- strafe (ein Jahr Freiheitsstrafe) kann dagegen bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt wird.
3. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

a) Falls der nunmehr entscheidende Tatrichter zu Feststellungen gelangen sollte, wie sie dem angefochtenen Urteil im Fall II 2 zugrunde liegen, muß im Schuldspruch zum Ausdruck kommen, daß sich die Tat gegen zwei Tatopfer gerichtet hat (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 260 Rdn. 26). Bei Tateinheit wird § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB zu beachten sein (vgl. UA 38).

b) Bei der Prüfung der Frage, ob gegen den Angeklagten S. die Sicherungsverwahrung anzuordnen ist, wird zu bedenken sein, daß bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegenüber jungen Tätern, die bisher nur nach Jugendrecht verurteilt wurden, grundsätzlich Zurückhaltung geboten ist (vgl. BGHSt 26, 152, 155; BGH StV 2000, 254, 255). Im Hinblick auf die Vorverurteilungen wird zu beachten sein, daß die pauschale Bezugnahme auf in einer früheren Verurteilung zu (Einheits-) Jugendstrafe angeführte Strafzumessungserwägungen (vgl. UA 41) eine revisionsrechtliche Überprüfung nicht ermöglicht , ob der Richter in dem früheren Verfahren wenigstens bei einer der einheitlich geahndeten Vortaten eine Jugendstrafe von mindestens einem Jahr
verhängt hätte, wenn er diese Tat als Einzeltat gesondert abgeurteilt hätte (BGH NStZ 1996, 331 f.; 2002, 29; BGHR StGB § 66 Abs. 1 Vorverurteilungen 6; vgl. hierzu auch Brunner/Dölling JGG 11. Aufl. § 31 Rdn. 18).
Tepperwien Maatz Kuckein

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 384/09
vom
6. Oktober 2009
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 6. Oktober 2009 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 22. Juni 2009 mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, die sie auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Soweit das Landgericht auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen einen strafbefreienden Rücktritt vom versuchten Totschlag verneint hat, da der Versuch beendet gewesen sei (UA S. 37 f.), hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzungen strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält (Senat, Beschluss vom 21.03.2001 - 3 StR 535/00; BGHSt 39, 221, 227 m.w.N.). Darüber hinaus ist anerkannt, dass ein beendeter Versuch auch dann vorliegt, wenn der Täter sich nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung keine Gedanken darüber macht, ob sein bisheriges Verhalten ausreicht, um den Erfolg herbeizuführen (BGHSt 40, 304, 306; vgl. Lilie/Albrecht in LK 12. Aufl. § 24 Rdn. 175 m.w.N.).
Die Strafkammer hat hierzu jedoch keine eindeutigen Feststellungen getroffen. Während sie zunächst festgestellt hat, die Angeklagte habe sich 'nach der Tat zunächst gar keine Gedanken über den Gesundheitszustand' des Opfers gemacht (UA S. 14), heißt es an anderer Stelle, dass die Angeklagte aufgrund der fortbestehenden Handlungsfähigkeit des Opfers 'unmittelbar im Anschluss an die Messerstiche noch nicht mit einem tödlichen Ausgang ihrer Messerattacke' rechnete (UA S. 37). Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass die Angeklagte spätestens als die Zeugin S. die Wohnung etwa 15 Minuten nach den Messerstichen verließ, erkannte, dass die Verletzungen zum Tode des Zeugen W. führen könnten (UA S. 14).
Im Ansatz zutreffend geht die Strafkammer zwar davon aus, dass auch wenn der Täter zunächst nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnet, eine sogenannte umgekehrte Korrektur des Rücktrittshorizontes möglich ist, wenn er unmittelbar darauf erkennt, dass er sich insoweit geirrt hat (UA S. 37 f.). In diesem Fall liegt ein beendeter Versuch vor. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Korrektur der Vorstellung des Täters bei fortbestehender Handlungsmöglichkeit sogleich nach der letzten Tathandlung in engstem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dieser erfolgt (BGHSt 36, 224, 226; BGH StraFo 2008, 212; vgl. Lilie/Albrecht aaO Rdn. 179, 181).
Einen solchen engen Zusammenhang hat das Landgericht gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt. Die letzte Ausführungshandlung war gegen 19:20 Uhr der vierte Messerstich, nach dem die Beschwerdeführerin noch nicht mit einem tödlichen Ausgang rechnete. Im Anschluss kam es zunächst aufgrund der Gegenwehr des Opfers zu einem heftigen Gerangel, welches sich aus dem Wohnungs- in den Hausflur verlagerte (UA S. 13). Der Zeuge W. konnte sich der Angeklagten schließlich entziehen, kehrte in die Wohnung zurück und setzte sich dort auf einen Sessel im Wohnzimmer. Die Angeklagte folgte dem Zeugen, baute sich drohend vor ihm auf, ließ aber von ihm ab und begab sich in das Badezimmer, um sich zu reinigen. Der Zeuge folgte ihr dorthin, kehrte aber in das Wohnzimmer zurück, wo er sich erneut hinsetzte. Auf Nachfrage der Zeugin S. lehnte der Zeuge W. es ab, dass ein Rettungswagen gerufen werde. Um 19:35 Uhr verließ die Zeugin S. die Wohnung, um Hilfe zu holen. Spätestens in diesem Zeitpunkt - etwa 15 Minuten nach der letzten Ausführungshandlung - realisierte die Angeklagte die Möglichkeit des Er-
folgseintritts, da der Zeuge W. immer schwächer wurde (UA S. 14). Angesichts des zeitlichen Ablaufs, der wiederholten räumlichen Verlagerung sowie der Handlungsfähigkeit des Opfers liegt es aufgrund der bisherigen Feststellungen nahe, dass der ursprüngliche Tötungsversuch abgeschlossen und der Rücktritt durch bloßes Nichtweiterhandeln bereits vollzogen war, als die Angeklagte die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs erkannte (vgl. für den Fall einer zehnminütigen Zäsur BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, unbeendeter 15).
Da die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf durch die fehlerhafte rechtliche Wertung nicht berührt werden, können sie bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird weitere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten im unmittelbaren Anschluss an die letzte Tathandlung und angesichts der Gegenwehr des Opfers auch zu den fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten der Angeklagten - insoweit in Ergänzung zu den aufrechterhaltenen Feststellungen zum äußeren Ablauf - treffen müssen. Soweit auf dieser Grundlage ein freiwilliger Rücktritt bejaht wird, wird ein versuchter Totschlag durch Unterlassen zu prüfen sein, da die Angeklagte das von ihr verletzte Opfer seinem Schicksal überließ, obwohl sie die Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs spätestens in diesem Zeitpunkt erkannt hatte."
3
Dem schließt sich der Senat an. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer Mayer