Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks …-Str. 26, Fl.Nr. …, Gemarkung … … …, wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 für das westlich benachbarte Grundstück … … Str. 14, Fl.Nr. …, Gemarkung … … …

Beide Grundstücke liegen im Umgriff des Bebauungsplans Nr. … vom 27. Oktober 1978, der hier „WA“ festsetzt.

Der Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 lag ein Bauantrag des Beigeladenen vom 18. Mai 2016 Plan-Nr. … zu Grunde, der „die Nutzungsänderung Gewerberäume in Zweifamilienhaus und Erstellen Meditationsraum auf dem Flachdach“ zum Gegenstand hatte. Nach den der Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 zu Grunde liegenden genehmigten Plänen sollte die Grundrisseinteilung sowohl im Erdgeschoss als auch im 1. Obergeschoss unverändert bleiben und hier Wohnräume bzw. Schlafräume und entsprechende Nebenräume wie Flur, Küche, Bad und WC eingerichtet werden. Auf der Dachterrasse auf dem 1. Obergeschoss, die bisher - jedenfalls teilweise - eine Umgrenzungsmauer mit einer Höhe von 1,80 m umgab, wird ein an der Ostseite um 1,20 m, an der Westseite um 1,50 m und an der Süd- und Nordseite um 2 m (abgegriffen, hier nicht vermaßt) zurückversetztes Terrassengeschoss errichtet. Die Wandhöhe dieses Terrassengeschosses beträgt ab der Oberkante des bisherigen Flachdachs 2,60 m (abgegriffen - nicht vermaßt). Die Firsthöhe beträgt 9,895 m (vermaßt mit 9,535 m bei einer Gebäudeoberkante von - 0,36 m), die Neigung des Walmdaches beträgt 15°. In dem neu errichteten Dachgeschoss soll der Meditationsraum untergebracht werden.

 

(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)

Der Bauantrag vom 18. Mai 2016 enthielt einen Antrag auf Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der GRZ und GFZ durch die Aufstockung des Zweifamilienhauses. Nach einer dem Bauantrag beigefügten Erklärung beabsichtigt der Beigeladene als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … eine Umnutzung der Gewerberäume in ein Zweifamilienhaus und die Erstellung eines Meditationsraumes für die buddhistischen Mönche.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag vom 18. Mai 2016 nach Plan-Nr. … mit Handeintragungen vom 25. Juli 2016 im vereinfachten Genehmigungsverfahren unter Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl.

Hinsichtlich der Nachbareinwendungen wurde festgestellt, dass das Bauvorhaben die geforderten Abstandsflächen zu den Grundstücken Fl.Nrn. … und … einhalte. Eine Reduzierung der Lichtverhältnisse erfolge nicht. Im Hinblick auf das Vorbringen zu der angespannten Parkplatzsituation werde entsprechend der Nutzungsbeschreibung vom 22. Juli 2016 und dem Anwesen selbst der Stellplatznachweis durch zwei bereits vorhandene Garagen geführt. Die geplante Nutzung spreche gegen Lärmbelästigungen zu ungewöhnlichen Zeiten. Da das Gebäude bereits bei Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. … bestanden habe, seien die festgelegte Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl bereits zu diesem Zeitpunkt im heutigen Umfang überschritten. Eine Erhöhung der Geschossflächenzahl sei zulässig, da die Dachterrasse bereits mit einer Höhe von 1,80 m umwehrt gewesen sei und damit keine wesentliche bauliche Veränderung ausgelöst werde. Nach der Nutzungsbeschreibung vom 22. Juli 2016 könne eine Nutzung als Veranstaltungsort nicht unterstellt werden. Im Baugenehmigungsverfahren könnten keine unterstellten Nutzungsabsichten geprüft werden, die sich nicht aus den konkret vorliegenden Plänen ergäben.

Die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 wurde den Antragstellern jeweils mit Postzustellungsurkunde vom 19. Oktober 2016 zugestellt.

Mit einem am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schreiben erhoben die Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 und beantragten,

die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 aufzuheben.

Gleichzeitig beantragten sie ebenfalls mit Schreiben vom 13. November 2016, das ebenfalls am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangen war, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 anzuordnen.

Zur Begründung von Klage (M 8 K 16.5110) und Antrag führten die Antragsteller aus: Das Bauvorhaben füge sich durch die Aufstockung nicht in die maßgebliche Umgebung ein, da es nicht überwiegend zu Wohnzwecken, sondern seit 1998 zur Durchführung religiöser Zeremonien mit zahlreichen Teilnehmern und Veranstaltungen aller Art genutzt werde. Die im Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl von 0,3 sei durch den bestehenden Bau bereits überschritten. Die Geschossflächenzahl von 0,6 werde durch den geplanten „Meditationsraum“ überschritten. Aus der Internetseite des Beigeladenen ergebe sich, dass keine Umwidmung in ein Zweifamilienhaus, sondern die Nutzung als Veranstaltungsort geplant sei. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt; auch sei der Lärmschutz nach Maßgabe der TA Lärm nicht sichergestellt und zwar weder im Hinblick auf ein Mischgebiet noch für ein Allgemeines Wohngebiet. Eine weitere Vergrößerung der Gemeinschaftsräume - im Bauantrag „Meditationsraum“ genannt - lasse noch höhere Emissionswerte erwarten. Bereits jetzt hielten sich viele Veranstaltungsteilnehmer ganzjährig im Außenbereich auf; hierzu werde ein Zelt im gesamten Gartenbereich verwendet, das direkt an die bestehenden Grundstücksgrenzen reiche. Das Bauvorhaben lasse auch eine weitere Verschärfung der bereits heute während der Veranstaltungen bestehenden Parkplatzsituation erwarten.

Mit Beschluss vom 15. November 2016 wurde die … … … … … e.V., …, zum Verfahren beigeladen.

Mit Schriftsatz vom 29. November 2016 beantragte die Antragsgegnerin, der Antrag der Antragsteller wird abgelehnt.

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei nicht möglich, da ein Widerspruch gegen die Baugenehmigung nicht mehr statthaft sei. Im Übrigen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg; hierzu wurden die Ausführungen hinsichtlich der Nachbarwürdigung im Bescheid vom 17. Oktober 2016 vertieft.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen verwiesen.

II.

I. Der Antrag der Antragsteller gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Zwar haben die Antragsteller in ihrem Antragsschriftsatz die Formulierung gebraucht, „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 anzuordnen“. Hierbei handelt es sich aber um ein offensichtliches Versehen, da die Antragsteller mit dem am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 13. November 2016 Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 erhoben haben. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Formulierung im Antragsschriftsatz vom 13. November 2016 um ein Versehen handelt und der Antrag gestellt werden sollte, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 14. November 2016 anzuordnen. Das Gericht legt daher in Anwendung von § 86 VwGO den Antrag der Antragsteller dahingehend aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 beantragt wurde und insoweit nur eine unschädliche Falschbezeichnung vorliegt.

II. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 bei summarischer Prüfung weder nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts noch solche des Bauordnungsrechts, die im Prüfumfang der Baugenehmigung enthalten sind, verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.

Bei dem Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgs-aussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (vgl. Schmidt a.a.O., § 80 Rn. 73 ff.).

2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben nicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit - zumindest auch - auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt (BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20) sowie vom Prüfumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren umfasst sind.

3. Das streitgegenständliche Grundstück und das Nachbargrundstück der Antragsteller liegen im Bereich des als „WA 2“ festgesetzten Gebietes des Bebauungsplanes Nr. … vom 27. Oktober 1978. Westlich und südlich schließt sich das „WA 1“ an. An der Wirksamkeit des Bebauungsplanes bestehen insoweit auch keine Zweifel, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 1982 - 2 N 1377/79 - den Bebauungsplan nur hinsichtlich der Baugrenzen und Maßfestsetzungen in den Gewerbegebieten (GE) 4 + 5 für unwirksam erklärt hat.

Im „WA 2“ sind Bauräume und bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung eine GRZ von 0,3 und eine GFZ von 0,6 festgesetzt.

4. Der - sinngemäß - erhobene Vorwurf der Antragsteller, das Bauvorhaben verletze ihren Gebietserhaltungsanspruch, greift nicht. Korrespondierend zu den eingereichten Bauvorlagen hat die Antragsgegnerin eine „Nutzungsänderung von Gewerberäumen in Zweifamilienwohnhaus und Erstellen eines Meditationsraumes auf dem Flachdach“ genehmigt. Ausweislich der genehmigten Pläne ist im Erdgeschoss ein 49,50 m² großer Wohnraum, ein 12 m² großes Esszimmer sowie eine Küche, eine Speisekammer, ein WC, eine Diele, ein Flur und zwei Garderoben und im 1. Obergeschoss zwei Schlafzimmer, zwei Wohnzimmer (eins mit kleinem Küchenbereich), zwei Bäder, ein Arbeitszimmer und zwei Dielen sowie im aufgestockten Dachgeschoss ein Mediationsraum vorgesehen. Da somit die genehmigten Pläne eindeutig eine Wohnnutzung ausweisen, ist auch nur eine solche genehmigt und Inhalt der Baugenehmigung geworden. Bei einer Anfechtung der Baugenehmigung kann nur diese bzw. deren Inhalt überprüft werden und nicht eine unterstellte planabweichende Nutzung. Diese Wohnnutzung wird auch nicht durch den Meditationsraum mit einer Grundfläche von 52,55 m² in Frage gestellt. Dieser mag zwar für ein übliches Wohnhaus eher ungewöhnlich sein; für ein Wohnhaus für buddhistische Mönche dürfte ein solcher Raum zum Wohnen gehören. Vor allem ergeben sich jedenfalls aus den Bauunterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Meditationsraum zur Nutzung für eine über die übliche Anzahl von Gästen hinausgehende Personenzahl bestimmt ist. Ähnliches ist auch für den Kellerraum festzustellen; auch hier befinden sich neben einer Sauna, einer Dusche, einem Waschkeller und einem Hobbyraum die üblichen haustechnischen Anlagen, auch wenn zu konstatieren ist, dass drei zusätzliche Lager mit einer Größe von 66 m², 25 m² und 17,50 m² für ein Wohnhaus eher ungewöhnlich sind. Eine gewerbliche oder sonstige Nutzung lässt sich jedenfalls dem Grundrissplan „Keller“ nicht entnehmen. Abgesehen davon sind sowohl nach der BauNVO 68 - bzw. 77 - die Geltung beanspruchen würde, wenn das dem Bebauungsplan Nr. … zugrunde liegende Verfahren bereits vor 1977 eingeleitet worden wäre, ebenso wie nach der BauNVO 77, nach deren jeweils gleichlautenden § 4 Abs. 2 Nr. 3 Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Auch eine Nutzung des Meditationsraums als Gebetsraum nicht nur für die Hausbewohner stünde daher nicht im Widerspruch zu einem Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller.

Anhaltspunkte, dass eine solche - gegenüber einer reinen Wohnnutzung - erweiterte Nutzung zu kirchlichen/religiösen Zwecken gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, wonach die in den §§ 2 - 14 BauNVO aufgeführten baulichen Anlagen im Einzelfall unzulässig sind, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes widersprechen, gebietsunverträglich ist, bestehen schon wegen des geringen Nutzungsumfangs, insbesondere auch der Größe des Meditationsraumes nicht. Auch Störungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach diese Anlagen auch unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, sind nicht zu erwarten, zumal derartige religiöse Meditationen in der Regel in entsprechender Ruhe stattzufinden haben.

5. Für die Aufstockung des bestehenden Gebäudes hat die Antragsgegnerin eine Befreiung von dem im Bebauungsplan Nr. … festgesetzten Maß der baulichen Nutzung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilt.

5.1 Grundsätzlich kann gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. grundlegend: BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8; BayVGH, B.v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris Rn. 3). Bei einer Befreiung von nicht drittschützenden Festsetzungen kann der Nachbar lediglich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung dann zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (BVerwG, B.v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8; BayVGH, B.v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris Rn. 22).

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hinsichtlich der hier erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Bedenken, da die Maßfestsetzungen im konkreten Fall keine nachbarschützende Wirkung entfalten.

Ob eine Festsetzung (zumindest auch) dem Schutz der Nachbarn dienen soll, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln (BVerwG, B.v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 - 15 CS 14.615 - juris Rn. 25), wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann (BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15; Söfker in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 55 ff.). Letztlich ausschlaggebend ist eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs (BayVGH, B.v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15 m.w.N.).

Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ-RR 1996, 170; B.v. 31.3.2005 - 2 ZB 04.2673 - juris; BayVGH, B.v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris Rn. 4), dass den Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukommt, sondern vielmehr im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen oder ausnahmsweise (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollen (BayVGH, B.v. 26.2.2014 - 2 ZB 14.101 - juris Rn. 4; B.v. 5.9.2016 - 15 CS 16.153 - juris Rn. 34 m.w.N.).

5.2 Im vorliegenden Fall sind weder aus dem Planinhalt noch aus dem Satzungstext und der Begründung des Bebauungsplanes Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die für das Vorhabengrundstück geltenden Festsetzungen des Bebauungsplanes nachbarschützenden Charakter haben sollen. Die Begründung des Bebauungsplanes setzt sich im Wesentlichen mit den Nutzungsmaßen der den überwiegenden Teil des Bebauungsplangebietes erfassenden Gewerbegebiete auseinander. Der untergeordnete Bereich der im Bebauungsplanumgriff als „Wohngebiet“ festgesetzt ist, findet dagegen keine Erwähnung in der Begründung. Die Konfigurierung der „WA 1“ und „WA 2“ in der Nord-Ost-Ecke der Kreuzung …-Straße/ …-Straße vor den südlich, südwestlich und westlich dahinter liegenden Gewerbegebieten mit dazwischen liegenden Grünstreifen lässt vielmehr darauf schließen, dass für die Festsetzung städtebauliche und wohl auch historische - vgl. S. 17, 2. Abs. der Begründung des Bebauungsplanes im Hinblick auf die Festsetzung des übergeleiteten Bebauungsplanes - ausschlaggebend waren.

6. Die Aufstockung des streitgegenständlichen Gebäudes ist auch nicht rücksichtlos.

6.1 Inhaltich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 - 4 C 8/11 - juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9).

6.2 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1/78 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34/85 - juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770 - juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 9.2.2015 - 2 CS 15.17 n.v.). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe es Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 19.3.2015 - 9 CS 14.2441 - juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9; B.v. 9.2.2015 - 2 CS 15.17 n.v.).

Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen dem Vorhabengebäude und dem Anwesen der Antragsteller. Die geplante Aufstockung auf dem Flachdach wirkt sich gegenüber dem Bestand nur geringfügig aus. Die die Dachterrasse im Bestand umgebende Mauer erreichte zum Teil eine Höhe von bis zu 1,90 m. Zwar war diese Terrassenumwehrung in ihrer Höhengestaltung und auch durch Unterbrechungen unterschiedlich ausgebildet. Gerade auf der den Antragstellern zugewandten Ostseite waren die Durchbrechungen der 1,80 m hohen Terrassen-umwehrung jedoch so geringfügig, dass hier bereits der Eindruck einer 3-geschossigen Außenwand vorhanden war. Der aufgestockte Meditationsraum ist gegenüber der vorhandenen Terrassenumwehrung auf der Ostseite um 1,20 m zurückgesetzt. Die Wandhöhe dieses zurückgesetzten Teils beträgt 8,40 m (abgegriffen); die Firsthöhe des flachgeneigten Walmdachs liegt bei 9,895 m (vermaßt). Der Rückversatz des aufgestockten Terrassengeschosses hinter der bereits bestehenden und bestehen bleibenden Umwehrungsmauer der Dachterrasse auf dem bisherigen Flachdach schließt eine „erdrückende“ Wirkung durch dieses gegenüber dem Grundstück der Antragsteller aus, zumal deren 2-geschossiges Gebäude - mit Walmdach - in einer Entfernung von 6 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze mit dem Beigeladenen liegt. Die Ostwand des Gebäudes des Beigeladenen weist einen Abstand von 3,50 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze auf, sodass von einer „erdrückenden“ Wirkung des Baukörpers nicht ausgegangen werden kann.

6.3 Das Vorhaben ist auch in Hinblick auf den zu erwartenden KFZ-Verkehr nicht rücksichtslos. Die mit einer Wohnnutzung verbundenen Immissionen von an- und abfahrenden Kraftfahrzeugen des Anwohnerverkehrs sind grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2008 - 1 ZB 06.2294 - juris Rn. 35). Das gilt auch für den mit der Wohnnutzung – bzw. sonstigen zulässigen Nutzung - verbundenen Besucherverkehr. Besonderheiten, die ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt erscheinen ließen, sind vorliegend schon wegen der ohnehin wenig geschützten Lage des Grundstücks der Antragsteller in der Südwestecke der Kreuzung …-Straße/ … …-Straße nicht ersichtlich.

7. Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da der Beigeladene keine Abweichungen von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Antragsgegnerin keine Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch nicht zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und sind daher grundsätzlich auch nicht im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfs zu prüfen (BayVGH, B.v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - juris Rn. 36; B.v. 5.11.2015 - 15 B 15.1371 - juris Rn. 15).

8. Eine Verletzung von sonstigen nachbarschützenden Vorschriften, die im Prüfprogramm der Baugenehmigung enthalten sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Es entspricht billigem Ermessen im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da dieser keinen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Dez. 2016 - M 8 SN 16.5109 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 27. Dez. 2016 - M 8 SN 16.5109 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 19. März 2015 - 9 CS 14.2441

bei uns veröffentlicht am 19.03.2015

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird für das Beschwerde

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Aug. 2014 - 15 CS 14.615

bei uns veröffentlicht am 29.08.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. III. Der Streitwert wird für das Beschwerde

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 29. Juli 2014 - 9 CS 14.1171

bei uns veröffentlicht am 29.07.2014

Tenor I. In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vo

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 05. Nov. 2015 - 15 B 15.1371

bei uns veröffentlicht am 05.11.2015

Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. II. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden. III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 29. Okt. 2015 - 2 B 15.1431

bei uns veröffentlicht am 29.10.2015

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 2 B 15.1431 Im Namen des Volkes Urteil vom 29. Oktober 2015 (VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084) 2. Senat H.-Z. als stellve

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 23. Apr. 2014 - 9 CS 14.222

bei uns veröffentlicht am 23.04.2014

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert für das Beschwerdev

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Feb. 2014 - 2 ZB 14.101

bei uns veröffentlicht am 26.02.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst. III. Der Streitwert wi

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 29. Nov. 2012 - 4 C 8/11

bei uns veröffentlicht am 29.11.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinhe

Referenzen

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens haben keine aufschiebende Wirkung.

(2) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsbetrags nach § 135a Absatz 3 sowie des Ausgleichsbetrags nach § 154 durch die Gemeinde haben keine aufschiebende Wirkung.

(1) Legt ein Dritter einen Rechtsbehelf gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt ein, kann die Behörde

1.
auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen,
2.
auf Antrag des Dritten nach § 80 Abs. 4 die Vollziehung aussetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung der Rechte des Dritten treffen.

(2) Legt ein Betroffener gegen einen an ihn gerichteten belastenden Verwaltungsakt, der einen Dritten begünstigt, einen Rechtsbehelf ein, kann die Behörde auf Antrag des Dritten nach § 80 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 die sofortige Vollziehung anordnen.

(3) Das Gericht kann auf Antrag Maßnahmen nach den Absätzen 1 und 2 ändern oder aufheben oder solche Maßnahmen treffen. § 80 Abs. 5 bis 8 gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit entsprechenden Nutzgärten und landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen.

(2) Zulässig sind

1.
Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäude mit entsprechenden Nutzgärten, landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen und Gartenbaubetriebe,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
sonstige Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen,
2.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
3.
Tankstellen,
4.
nicht störende Gewerbebetriebe.

(1) Die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen sind im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Sie sind auch unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden.

(2) Die Anwendung des Absatzes 1 hat nach den städtebaulichen Zielen und Grundsätzen des § 1 Absatz 5 des Baugesetzbuchs zu erfolgen.

(3) Die Zulässigkeit der Anlagen in den Baugebieten ist nicht allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen.

(1) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind.

(2) Von den Festsetzungen des Bebauungsplans kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

1.
Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, des Bedarfs an Anlagen für soziale Zwecke und des Bedarfs an einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien, die Befreiung erfordern oder
2.
die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3.
die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.

(3) In einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt, das nach § 201a bestimmt ist, kann mit Zustimmung der Gemeinde im Einzelfall von den Festsetzungen des Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus befreit werden, wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Von Satz 1 kann nur bis zum Ende der Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach § 201a Gebrauch gemacht werden. Die Befristung in Satz 2 bezieht sich nicht auf die Geltungsdauer einer Genehmigung, sondern auf den Zeitraum, bis zu dessen Ende im bauaufsichtlichen Verfahren von der Vorschrift Gebrauch gemacht werden kann. Für die Zustimmung der Gemeinde nach Satz 1 gilt § 36 Absatz 2 Satz 2 entsprechend.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann als Nachbar die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. grundlegend BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8). Bei einer Befreiung von nicht drittschützenden Festsetzungen kann der Nachbar lediglich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung dann zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ-RR 1996, 170; BayVGH, B. v. 31.3.2005 - 2 ZB 04.2673 - juris), dass den Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukommt, sondern vielmehr im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen oder ausnahmsweise (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollen.

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hinsichtlich der hier erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Bedenken, da keine der Festsetzungen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung entfaltet. Hierzu enthält die Begründung des Zulassungsantrags auch keine Ausführungen.

a) Erteilt wurde eine Befreiung von der Festsetzung A) 10.1 „Dachform im nördlichen Teil des Planes zwischen F.- und T-straße für die Atrium-Häuser Flachdach mit Innenentwässerung“. Diese Festsetzung steht bereits unter dem Titel „Äußere Gestaltung“. Der Feststellung des Erstgerichts, dass diese Festsetzung für sich gesehen lediglich gestalterischen Charakter hat, ist der Kläger in seiner Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht substantiiert entgegen getreten. Vielmehr beruft er sich insoweit lediglich darauf, dass eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO (wohl nach Art. 63 Abs. 1 BayBO) hätte erteilt werden müssen und dass das nunmehr genehmigte 18° geneigte Walmdach seinen Gebietsgewährleistungsanspruch verletze. Die Wahl der falschen Rechtsgrundlage ist hier jedoch nachbarrechtlich nicht relevant, da insoweit bei einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Nachbarrechtsverletzung ebenfalls nur in Betracht kommt, wenn von einer nachbarschützenden Festsetzung abgewichen werden soll (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.1999 - 2 B 96.1048 - BayVBl. 2000, 532), was hier gerade nicht der Fall ist.

Hinsichtlich des Carports sowie des Wintergartens erfolgten Befreiungen bezüglich der überbaubaren Fläche (A) 5.), da der Carport nach Osten die dort festgesetzte Baulinie und der Wintergarten nach Süden die dort festgesetzte Baugrenze überschreitet. Allenfalls der Baulinie nach Norden, welche die Grenzbebauung für die Atriumbauweise festsetzt, könnte eine nachbarschützende Wirkung zukommen. Diese wird aber nicht überschritten, so dass insoweit auch keine Befreiung erfolgte. Im Übrigen fehlt zu diesen Befreiungen jeglicher Vortrag des Klägers in der Begründung seines Berufungszulassungsantrags.

Die Festsetzung A) 4.3 von „0,6 als maximale Grund- und Geschoßflächenzahl für die eingeschossigen Atriumhäuser (§ 17 Abs. 2 BauNVO)“ ist per se nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, B. v. 20.9.1984 - 4 B 202/84 - NVwZ 1985, 748). Abgesehen davon wurde eine Befreiung von dieser Festsetzung in der Baugenehmigung vom 19. September 2013 nicht erteilt.

Da im Ergebnis lediglich von nicht nachbarschützenden Festsetzungen Befreiungen erteilt wurden, kommt es auf alle übrigen denkbaren Fehler, die von Klägerseite vorgetragen wurden, wie Fehlen einer Atypik und Berührung der Grundzüge der Planung, nicht entscheidungserheblich an, weil diese Fehler, sollten sie denn vorliegen, die Rechte des Klägers nicht berühren würden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

b) Auch ein möglicher Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruch des Klägers ist nicht verletzt. Dieser wurde als neues Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151) und zunächst aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB hergeleitet, später dann direkt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; BayVGH, B. v. 26.5.2008 - 1 CS 08.881/882 - BauR 2008, 1556; U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013, 51; Stühler, BauR 2011, 1576/1577). Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzungen von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583; BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, U. v. 11.5.1989 - 4 C 1/88 - BVerwGE 82, 61; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Anwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundstückseigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Im Rahmen dieses nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Hinsichtlich der Frage, ob auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs Relevanz besitzen können, hat sich das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) klar geäußert. Zwar gilt auch insoweit, dass der Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht. Der Grundstückseigentümer kann deshalb grundsätzlich die Beachtung öffentlich-rechtlicher Beschränkungen auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen, weil und soweit er selbst in der Ausnutzung seines Grundstücks solchen Beschränkungen unterworfen ist. Allerdings werden die Planbetroffenen durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in der gleichen Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie das für die Festsetzungen der Art der Nutzung angenommen wird. Das spielt vor allem für die Frage eine Rolle, ob der Nachbarschutz eine spürbare Beeinträchtigung im Einzelfall voraussetzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgerichts bei der Anerkennung des Gebietserhaltungsanspruchs im Fall einer baugebietswidrigen Nutzungsart verneint, weil durch das baugebietswidrige Vorhaben, das zwar für sich gesehen noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führen mag, gleichwohl typischerweise eine „schleichende“ Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird. Mit dieser Situation sind jedoch Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht vergleichbar, weil diese in der Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Zum Schutz des Nachbarn ist daher das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme des § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Eine einzelne Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250), welche davon ausgeht, dass erst die Gesamtheit der Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung den Charakter eines geschützten Baugebiets schafft, setzt sich hingegen nicht damit auseinander, dass das Maß der baulichen Nutzung lediglich das Baugrundstück und die unmittelbar angrenzenden Grundstücke betrifft. In aller Regel setzt ein Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung für einen größeren Bereich des Plangebiets einheitlich fest, wohingegen das Maß der baulichen Nutzung kleinräumig variieren kann, wie es auch im vorliegenden Bebauungsplan der Fall ist, welcher hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung im Norden eingeschossige Atriumhäuser und im Süden zweigeschossige Reihenhäuser, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung das ganze, vergleichsweise kleine Baugebiet jedoch als reines Wohngebiet festsetzt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Gebietserhaltungsanspruch um ein von der Rechtsprechung entwickeltes Instrument zur Abwehr von Unbilligkeiten, welches nicht beliebig ausgeweitet werden kann und soll.

Im vorliegenden Fall bemüht der Kläger zudem im Wesentlichen die Festsetzung hinsichtlich des Flachdachs zur Begründung eines Gebietserhaltungsanspruchs. Insoweit handelt es sich um eine gestalterische Festsetzung und nicht um eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung, was der Kläger selbst vorträgt. Dies mag den architektonischen Charakter dieser Häusergruppe prägen, auf dessen Erhalt der Kläger jedoch keinen Anspruch hat. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auf gestalterische Festsetzungen eines Bebauungsplans fordert selbst die vom Kläger vorgetragene Literaturmeinung nicht. Insoweit ist zudem nicht erkennbar, wie die Nutzungsmöglichkeiten des klägerischen Grundstücks durch diese Festsetzung eingeschränkt werden sollten. Für den Charakter von Atrium- oder Gartenhäusern ist zudem die Dachform eines Flachdachs nicht zwingend und damit nicht allgemein prägend. Auch andere Dachformen sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich möglich. Darüber hinaus lässt sich dem Bebauungsplan entnehmen, dass zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits sechs der acht Atriumhäuser errichtet und als Bestand im Planteil eingezeichnet waren. Lediglich die Grundstücke FlNrn. 1827/9 und 1827/21 sind noch als unbebaut dargestellt. Ebenso war der südliche Reihenhausbereich bereits vollständig bebaut. Im Übrigen wirken sich auch gestalterische Festsetzungen in der Regel ebenso wie die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur auf die unmittelbare Umgebung eines Baugrundstücks aus. Dies zeigt auch der hier maßgebliche Bebauungsplan, der Flachdächer lediglich für die nördlichen Atriumhäuser, für die südlichen Reihenhausgruppen jedoch ein Satteldach mit einer maximalen Dachneigung von 40° und einer einheitlichen Farbgebung in rotbraun oder anthrazit innerhalb des einheitlichen reinen Wohngebiets festsetzt. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auch auf Festsetzungen, welche nur für Teilbereiche eines Baugebiets mit gleicher Art der baulichen Nutzung gelten, würde zudem die Abgrenzung der einzelnen Gebiete voneinander deutlich erschweren und zu teils sehr kleinteiligen Gebieten führen, da gestalterische Festsetzungen und Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung innerhalb eines Baugebiets stark variieren können. Dagegen wird die Art der baulichen Nutzung grundsätzlich für einen größeren Bereich festgesetzt und die Grenzen sind klar im Plan selbst z. B. durch entsprechende Planzeichen (sog. Knödellinie) klar definiert.

c) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist ebenso wenig gegeben. Auch hierzu fehlen substantiierte Ausführungen des Klägers in seiner Begründung des Zulassungsantrags. Das eingeholte Verschattungsgutachten (vgl. Bl. 36 der Bauakte) zeigt, dass eine zusätzliche geringfügige Verschattung des klägerischen Grundstücks durch das Walmdach mit einer Dachneigung von 18° lediglich in der Mittagszeit an einigen Tagen im Dezember zu erwarten ist. Eine solche geringfügige zusätzliche Verschattung stellt jedoch keine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Der Wintergarten wird im Süden des Baugrundstücks - außerhalb des Bauraums - errichtet. Dies tangiert den Kläger jedoch ebenfalls nicht, da es sich um die von seinem Grundstück abgewandte Gebäudeseite handelt. Der Carport wird an die Ostfassade des Gebäudes der Beigeladenen, unmittelbar an die Grenze zum klägerischen Grundstück angebaut, jedoch lediglich in einer Tiefe von 3 m. Durch die versetzt gebauten Baukörper wird der Carport teilweise durch das Gebäude des Klägers verdeckt und betrifft ansonsten den Vorgarten. Aufgrund der offenen Bauweise eines Carports ist auch insoweit nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob über den anerkannten Fall des Gebietserhaltungsanspruchs hinaus ein solcher Anspruch auch bei Verfremdung eines Gebietscharakters durch andere Abweichungen von wesentlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans anerkannt werden muss. Dabei beruft sich der Kläger auf eine Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250). Nach dieser Auffassung soll der abstrakt-generelle Gebietserhaltungsanspruch auf die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung ausgedehnt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) jedoch ausdrücklich abgelehnt und festgestellt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück selbst und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Daher seien die Planbetroffenen gerade nicht in gleicher Weise einer „Schicksalsgemeinschaft“ unterworfen wie bei den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Zum Schutz des Nachbarn ist deshalb hier das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, welches eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Der Kläger will den Gebietserhaltungsanspruch nun auch auf rein gestalterische Festsetzungen wie die Dachform ausdehnen. Eine vereinzelte Literaturmeinung begründet zum einen nicht erneut die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage, die bereits durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden ist (vgl. auch die Ausführungen unter Ziffer 1.). Zum anderen beschränkt sich die Literaturmeinung auf die Erweiterung des Gebietserhaltungsanspruchs auf Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, fordert aber nicht auch die Einbeziehung von gestalterischen Festsetzungen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl. 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Im Übrigen haben die Beigeladenen keinen Antrag gestellt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

Der Antragsteller ist Eigentümer des an der S.-straße gelegenen Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 Gemarkung H.. Im Westen grenzen das ebenfalls an die S.-straße grenzende Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) sowie nördlich davon - als Hinterliegergrundstück - das Grundstück Fl. Nr. 1142/5 der Beigeladenen an. Letzteres ist durch Teilung im Jahr 2011 aus dem Grundstück Fl. Nr. 1124 (alt) hervorgegangen und weist keinen unmittelbaren Zugang zu einer öffentlichen Straße auf. Sämtliche Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 4. November 2004 bekannt gemachten Bebauungsplans „Teil-Neuaufstellung des Bebauungsplanes ...‚Kapelle O. bis G. - Nachverdichtung 2003‘“ des Markts H.

Im Grundbuch ist zulasten der Grundstücke Fl. Nr. 1142 (neu) und Fl. Nr. 1142/5 ein Geh- und Fahrtrecht für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 gemäß Bewilligung vom 4. April 1929 und 10. Januar 1930 eingetragen. In Ziffer VI. und IX. der notariellen Vertragsurkunde vom 4. April 1929 haben die Rechtsvorgänger der Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142 (alt) den Käufern des Grundstücks Fl. Nr. 1142/2 im Wege von Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB) unentgeltlich ein Geh- und Fahrtrecht bzw. ein Gehrecht über das Restgrundstück Fl. Nr. 1142 (alt) eingeräumt. In der Nachtragsurkunde vom 10. Januar 1930 heißt es dazu wörtlich: „Die in Ziffer VI - sechs - und IX - neun - der Vorurkunde bestellten Grunddienstbarkeiten werden dahin berichtigt und ergänzt, dass die jeweiligen Eigentümer des vertragsgegenständigen Grundstücks Pl. Nr. 1142 ½ das Recht haben, von der Straße H. = O. aus über das der Frau E. verbleibende Restgrundstück Pl. Nr. 1142 Stgde. H. das ganze Jahr zu gehen und zu fahren, um von der Straße aus über das bezeichnete Restgrundstück zu dem auf Pl. Nr. 1142 ½ errichteten Neubau zu gelangen und umgekehrt. Der Geh- und Fahrtweg beginnt an der Straße H. = O. beim Hause Nr. 122 in O. der Frau E., welches an der Straße liegt. Die Unterhaltung des Weges obliegt den Eigentümern des berechtigten Grundstücks; diese haben auch die Kosten der Unterhaltung allein zu tragen.“

Mit notarieller Urkunde vom 15. Januar 2014 räumten die Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr. 1142 (neu) den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Fl. Nr. 1142/5 im Wege der Dienstbarkeit das Recht ein, „den auf dem dienenden Grundstück gelegenen Weg zum Gehen und zum Fahren mit Fahrzeugen aller Art mitzunutzen, zum vorstehenden Zweck zu belassen, auszubauen, zu unterhalten und gegebenenfalls zu erneuern.“ Ferner wurde festgelegt, dass auf dem Ausübungsbereich nicht geparkt werden darf. Das Geh- und Fahrtrecht wurde am 20. März 2014 im Rang nach dem Geh- und Fahrtrecht des Antragstellers ins Grundbuch eingetragen.

Mit Bescheid vom 20. Januar 2014 erteilte das Landratsamt Lindau den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Fl. Nr. 1142/5 unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen im Norden und im Westen.

Dagegen hat der Antragsteller am 28. Januar 2014 beim Verwaltungsgericht Augsburg Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 3. März 2014 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei unbegründet. Die Klage werde voraussichtlich keinen Erfolg haben. Das Bauvorhaben verletze keine nachbarschützenden Normen. Das Erfordernis einer gesicherten Erschließung des Baugrundstücks sei grundsätzlich nicht drittschützend. Eine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts des Antragstellers sei nicht zu prüfen, weil die Baugenehmigung unbeschadet der Rechte Dritter erteilt werde. Eine Ausnahme liege nicht vor. Dass der Antragsteller ein weiteres Geh- und Fahrtrecht über den fraglichen Weg dulden müsse, stelle keinen wesentlichen Eingriff in sein Eigentum dar. Wegen einer möglicherweise erforderlichen Neuregelung infolge eines hinzukommenden weiteren Unterhaltsverpflichteten für den Weg sei er im Streitfall auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Eine Verletzung der Rechte des Antragstellers komme auch nicht wegen der erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Baugrenzen im Norden und im Westen in Betracht, weil die Baugrenzen keinen Drittschutz vermittelten und das Grundstück des Antragstellers östlich des Bauvorhabens liege. Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen einer unzumutbaren Verschattung oder erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens gebe es keine Anhaltspunkte.

Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Die Baugenehmigung verletze sein durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschütztes Geh- und Fahrtrecht sowie die dadurch gesicherte, einzige vorhandene Zufahrt zu seinem Grundstück. Durch die fehlende Erschließung des Baugrundstücks werde sein Geh- und Fahrtrecht mit einem Notwegerecht oder einem weiteren Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen über das Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) belastet. Wegen der zu erwartenden und unvermeidbaren Zunahme der Nutzung des Wegs und wegen der Versperrung durch Baufahrzeuge sei die Beeinträchtigung seiner Rechte und die Einschränkung des ihm eingeräumten freien Nutzungsrechts auch erheblich. Auch die Zufahrt für Rettungswägen und andere Personen, die ihn erreichen wollten, sei beeinträchtigt. Da das Landratsamt die Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts von den Beigeladenen im Baugenehmigungsverfahren zur Erfüllung einer ausreichenden Erschließung des Baugrundstücks mit Schreiben vom 17. Dezember 2013 selbst gefordert habe, sei es widersprüchlich, wenn der Antragsteller auf den Zivilrechtsweg verwiesen werde. Dies verletze auch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Dass trotz Widerspruchs des Antragstellers beim Grundbuchamt am 10. März 2014 ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten der Beigeladenen in das Grundbuch eingetragen worden sei, sei unverständlich und rechtsfehlerhaft. Durch die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans werde der Antragsteller ebenfalls in seinen Rechten verletzt. Die Festsetzungen seien wegen der von der Gemeinde gewollten Nachverdichtung hier drittschützend.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 3. März 2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Lindau vom 20. Januar 2014 anzuordnen.

Der Antragsgegner und die Beigeladenen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner hält die Beschwerde für unbegründet. Die Beigeladenen verfügten aufgrund des ihnen eingeräumten Geh- und Fahrtrechts über die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so dass sie das Grundstück des Antragstellers nicht durch ein Notwegerecht in Anspruch nehmen müssten. Wenn sich dieser in seinem Geh- und Fahrtrecht beeinträchtigt sehe, sei er auf den Zivilrechtsweg zu verweisen. Das Erfordernis der Erschließung sei im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand.

Die Beigeladenen sind der Auffassung, dass sich der Antragsteller wegen des fehlenden Drittschutzes nicht auf eine unzureichende Erschließung berufen könne. Das Eigentumsrecht sei nicht verletzt. Sein Geh- und Fahrtrecht verleihe ihm nicht die Befugnis, den Weg alleine zu nutzen. Im Übrigen sei das zivilrechtlich eingeräumte Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen nicht Gegenstand der Baugenehmigung. Auf die Überschreitung der nördlichen und westlichen Baugrenzen durch das Bauvorhaben könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil sein Grundstück von diesen nicht betroffen sei. Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Dem gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgebenden Beschwerdevorbringen ist nach summarischer Prüfung nicht zu entnehmen, dass die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften verstößt, die in diesem Verfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfen sind und die nicht nur dem Schutz der Interessen der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz der Interessen des Antragstellers als Grundstücksnachbarn dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Antragsteller wird durch das in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des am 4. November 2004 bekannt gemachten Bebauungsplans „Teil-Neuaufstellung des Bebauungsplanes ‚Kapelle O. bis G. - Nachverdichtung 2003‘“ zu beurteilende Bauvorhaben der Beigeladenen aller Voraussicht nach nicht in seinen Rechten verletzt.

1. Der Einwand des Antragstellers, die Baugenehmigung sei schon deswegen rechtswidrig, weil das Bauvorhaben die Anforderungen an die straßenmäßige Erschließung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO nicht erfülle, greift schon deswegen nicht durch, weil die Einhaltung der Erfordernisse des Art. 4 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Abs. 1 BayBO nicht geprüft wird. Im Übrigen haben die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an die Erschließung nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 BayBO keine nachbarschützende Funktion. Das Erfordernis der ausreichenden Erschließung soll die Erreichbarkeit und ordnungsgemäße Benutzbarkeit des Baugrundstücks sicherstellen sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit vermeiden und ist deswegen nicht nachbarschützend (vgl. BayVGH, U. v. 22.3.1999 - 15 B 98.207 - BayVBl 1999, 662 = juris Rn.17; U. v. 22.1.2010 - 14 B 08.887 - juris Rn. 20; Wolf in Simon/Busse, BayBO, Stand Jan. 2014, Art. 4 Rn. 24).

2. Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung ist allerdings die Frage des bauplanungsrechtlichen Erschlossenseins nach § 30 Abs. 1 BauGB (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Eine Rechtsverletzung des Antragstellers wegen einer unzureichenden Erschließung des Baugrundstücks nach dieser Vorschrift scheidet indes ebenfalls aus, weil auch das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen dient und keine nachbarschützende Funktion hat (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krauzberger, BauGB, Stand Jan. 2014, § 30 Rn. 56; Wolf in Simon/Busse, a. a. O., Art. 4 Rn. 24). Gründe, die hier ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen, liegen entgegen der Auffassung des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor.

Soweit sich der Antragsteller wegen der unzureichenden Erschließung in seinem privaten, dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) beeinträchtigt sieht, muss er sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - auf den Zivilrechtsweg verweisen lassen. Die Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit diesem Recht ist nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung. Dies ergibt sich aus Art. 68 Abs. 4 BayBO, wonach die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Das bedeutet, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter mit dem Bauvorhaben - wie vorliegend das Geh- und Fahrtrecht des Antragstellers - im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie nicht aus. Daher begründet ein privates Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, sondern muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand April 2014, Art. 68 Rn. 63). Etwas anderes kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn im Einzelfall eine (wegen des Fehlens der Erschließung des Baugrundstücks rechtswidrige) Baugenehmigung dadurch in ein durch Art. 14 GG geschütztes Eigentumsrecht des Nachbarn eingreift, dass sie - wie bei der Entstehung eines Notwegerechts (§ 917 Abs. 1 BGB) über das Grundstück des Nachbarn - gleichsam im Wege einer „Automatik“ eine unmittelbare Verschlechterung seiner Rechte bewirkt und effektiver Rechtsschutz vor den Zivilgerichten nicht (mehr) erreicht werden kann, weil die Baugenehmigung (zuvor) in Bestandskraft erwächst und damit auch für die Zivilgerichte bindende Wirkung entfaltet (vgl. BVerwG, U. v. 26.3.1976 - BVerwGE 50, 282 = juris Rn. 25; U. v. 4.6.1996 - 4 C 15/95 - BauR 1996, 841 = juris Rn. 22; B. v. 11.5.1998 - 4 B 45/98 - NJW-RR 1999, 165 = juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 19.2.2007 - 1 ZB 06.92 - juris Rn. 15).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Zwar könnte im Zeitpunkt des Erlasses der Baugenehmigung vom 20. Januar 2014 zugunsten der Beigeladenen ein Notwegerecht nach § 917 Abs. 1 BGB über das Grundstück Fl. Nr. 1142 entstanden sein, weil zu diesem Zeitpunkt das (am 15. Januar 2014) vertraglich eingeräumte Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen grundbuchrechtlich noch nicht abgesichert war. Abgesehen davon, dass ein solches Notwegerecht mit der Eintragung des Geh- und Fahrtrechts der Beigeladenen ins Grundbuch am 20. März 2014 aber erloschen wäre mit der Folge, dass sich der Antragsteller als Nachbar insoweit auf die ursprüngliche Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nicht mehr berufen könnte (zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Baugenehmigung Rechte des Nachbarn verletzt, vgl. BVerwG, U. v. 20.8.2008 - 4 C 11/07 - BVerwGE 131, 352 Rn. 21; B. v. 8.11.2010 - 4 B 43/10 - ZfBR 2011, 164/165 = juris Rn. 9), hätte dieses Recht für den Antragsteller keine unmittelbare Verschlechterung seines Grundeigentums bewirkt. Denn das Notwegerecht hätte eine Duldungspflicht nach § 917 Abs. 1 BGB nicht auf seinem Grundstück Fl. Nr. 1142/2, sondern auf dem Grundstück Fl. Nr. 1142 (neu) begründet.

Eine unmittelbare Verschlechterung seines dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrechts wäre mit der Entstehung des Notwegerechts ebenfalls nicht verbunden gewesen, weil das Geh- und Fahrtrecht ausweislich der notariellen Urkunden vom 4. April 1929 und 10. Januar 1930 den Antragsteller nicht zu einer ausschließlichen Nutzung des Wegs berechtigt. Es kollidiert daher weder mit einem weiteren (Not-)Wegerecht noch schließt es eine Mitnutzung durch die Beigeladenen als weitere Berechtigte aus. Gleiches gilt in Bezug auf das vertraglich begründete Geh- und Fahrtrecht der Beigeladenen, zumal diese Berechtigung über ein Recht zum Gehen und Fahren nicht hinausgeht und die Beigeladenen insbesondere nicht zum Parken auf der Wegefläche berechtigt (vgl. notarielle Urkunde vom 15.1.2014, S. 8). Soweit sich der Antragsteller dagegen wendet, dass parkende Fahrzeuge - in unberechtigter Ausnutzung des Wegerechts - tatsächlich seine einzig vorhandene Grundstückszufahrt behindern und versperren, muss er mögliche Abwehrrechte vor den Zivilgerichten geltend machen. Eine vor dem Abschuss der zivilrechtlichen Verfahren eintretende Bestandskraft der Baugenehmigung steht dem nicht entgegen, weil die Frage der Berechtigung parkender Fahrzeuge von der Feststellungswirkung der Baugenehmigung nicht erfasst ist. Eine Verletzung der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG liegt ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

3. Durch die Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) von der festgesetzten westlichen und nördlichen Baugrenze, wird der Antragsteller voraussichtlich ebenfalls nicht in seinen Rechten verletzt.

Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist (vgl. BVerwG, B. v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3). Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - BauR 1998, 1206 = juris Rn. 5 f.; BayVGH, B. v. 17.3.2014 - 2 ZB 12.2238 - juris Rn. 3). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe verletzt die Befreiung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Rechte des Antragstellers.

a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Festsetzungen, von denen den Beigeladenen eine Befreiung erteilt wurde, aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nachbarschützend sind.

Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplans ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen (vgl. BVerwG, B. v. 27.8.2013 - 4 B 39/13 - ZfBR 2013, 783 = juris Rn. 3). Denn nur durch diese Festsetzungen wird ein auf jeweils wechselseitigen Berechtigungen und Verpflichtungen beruhendes Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis zwischen den Eigentümerinnen und Eigentümern der Grundstücke im Plangebiet begründet. Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) haben dagegen ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine entsprechende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie ausnahmsweise nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15; OVG NRW, B. v. 27.1.2014 - 2 A 1674/13 - BauR 2014, 969 = juris Rn. 11 ff.; OVG Saarl, B. v. 10.6.2013 - 2 B 29/13 - juris Rn. 38).

Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Fest-setzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln (vgl. BVerwG B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888 = juris Rn. 3), wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann (vgl. BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 9 CS 14.1171 - juris Rn. 15; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, a. a. O., § 16 BauNVO Rn. 51; Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bie-lenberg/Krautzberger, a. a. O., § 23 BauNVO Rn. 55 ff.). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 19.11.2004 - 15 ZB 04.288 - juris Rn. 8; VGH BW, B. v. 2.6.2003 - 8 S 1098/03 - VBlBW 2003, 470 = juris Rn. 2). Bei der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksfläche durch Baugrenzen und Baulinien (vgl. § 23 BauNVO) kann Letzteres etwa angenommen werden, wenn der Plangeber hierdurch faktisch einzuhaltende Grenzabstände festsetzt und damit explizit denselben nachbarschützenden Zweck verfolgt wie die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenregelungen des Art. 6 BayBO (vgl. OVG NW, B. v. 27.1.2014 - 2 A 1674/13 - BauR 2014, 969 = juris Rn. 16).

Nach diesem Maßstab dürften die festgesetzten Baugrenzen hier keinen Nachbarschutz vermitteln. Ein entsprechender Planungswille lässt sich weder dem Bebauungsplan noch dessen Begründung oder sonstigen Umständen entnehmen. Gegen ein vom Markt H. gewolltes nachbarliches Austauschverhältnis spricht im Gegenteil die Tatsache, dass im Plangebiet Baufenster in sehr unterschiedlichen Entfernungen zu den jeweiligen Grundstücksgrenzen ausgewiesen werden. Eine Verkürzung der Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO durch die Festsetzung der Baugrenzen ist nach Nr. 4.1 der textlichen Festsetzungen ausdrücklich nicht vorgesehen (vgl. auch Nr. 8.7.12 der Planbegründung). Auch der Begründung des Bebauungsplans, nach deren Nr. 8.7.7 durch die überbaubare Grundstücksfläche „für die Bauherrschaft zusätzliche Gestaltungsfreiheit (entstehen)“ und „der Abstand zum Uferbereich der Leiblach festgesetzt“ werden sollte, spricht dagegen, dass mit der Festsetzung der Baugrenzen über städtebauliche Gesichtspunkte hinaus Rechte der Nachbarn geschützt werden sollen. Dem steht nicht entgegen, dass der Bebauungsplan nach dem Willen der Gemeinde eine beschränkte Nachverdichtung des vorhandenen Wohnbaugebiets zum Ziel hat (vgl. Nr. 8.1.1 und 8.2.6 der Planbegründung), wie der Antragsteller meint. Die durch die Ausweisung der Bauräume im Plangebiet zugelassene „Wohndichte“ ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht so groß, dass wegen der besonderen Nähe nachbarlicher Grundstücke - wie etwa bei kleinräumigen Reihenhausgrundstücken (vgl. dazu OVG Bremen, U. v. 20.2.1996 - 1 BA 53/95 - NVwZ-RR 1997, 276 = juris Rn. 25 f.; B. v. 19.7.2011 - 1 B 128/11 - juris Rn. 7) - ein nachbarliches gegenseitiges Austauschverhältnis in dem genannten Sinn angenommen werden könnte. Im Übrigen ist dem Verwaltungsgericht auch darin zuzustimmen, dass die auf dem Baugrundstück festgesetzte westliche und nördliche Baugrenze jedenfalls nicht zugunsten des Antragstellers nachbarschützend sind, weil sie dessen östlich gelegenem Grundstück nicht gegenüberliegen (vgl. VGH BW, U. v. 26.1.2012 - 5 S 2233/11 - DVBl 2012, 508 = juris Rn. 42).

b) Dass durch die Erteilung der Befreiung gegenüber dem Antragsteller das Rücksichtnahmegebot verletzt wäre, weil er hierdurch unzumutbar beeinträchtigt würde, macht er weder geltend (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) noch ist dies sonst ersichtlich. Unzumutbare Auswirkungen auf sein Grundstücks dürften hier schon deswegen ausscheiden, weil die Befreiung eine Erweiterung der überbaubaren Grundstücksfläche lediglich nach Norden und Westen ermöglicht und das östlich gelegene Grundstück des Antragstellers davon offensichtlich nicht berührt wird.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil diese einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

(1) Die überbaubaren Grundstücksflächen können durch die Festsetzung von Baulinien, Baugrenzen oder Bebauungstiefen bestimmt werden. § 16 Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2) Ist eine Baulinie festgesetzt, so muss auf dieser Linie gebaut werden. Ein Vor- oder Zurücktreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Im Bebauungsplan können weitere nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen vorgesehen werden.

(3) Ist eine Baugrenze festgesetzt, so dürfen Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten. Ein Vortreten von Gebäudeteilen in geringfügigem Ausmaß kann zugelassen werden. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend.

(4) Ist eine Bebauungstiefe festgesetzt, so gilt Absatz 3 entsprechend. Die Bebauungstiefe ist von der tatsächlichen Straßengrenze ab zu ermitteln, sofern im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist.

(5) Wenn im Bebauungsplan nichts anderes festgesetzt ist, können auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen Nebenanlagen im Sinne des § 14 zugelassen werden. Das Gleiche gilt für bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig sind oder zugelassen werden können.

Tenor

I.

In Abänderung der Nummern 1 und 2 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 25. April 2014 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 angeordnet.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 519/3 Gemarkung W., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts Erlangen-Höchstadt vom 24. Februar 2014 erteilte Baugenehmigung zum Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Carport und Garage auf dem Grundstück FlNr. 519/18 Gemarkung W. (im Folgenden: Baugrundstück). Dieses Grundstück wurde aus dem nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. herausgemessen und grenzt im Nordosten auf eine Länge von ca. 5 m an das Grundstück der Antragstellerin an.

Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Auracher Berg“. Die Baugenehmigung enthält eine Befreiung von den Festsetzungen dieses Bebauungsplans gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hinsichtlich der Baugrenze im nördlichen Teil des Grundstücks FlNr. 519/2 Gemarkung W. und der Dachneigung. In der Begründung des Bescheids ist ausgeführt, die Befreiungen hätten erteilt werden können, da die Abweichungen städtebaulich vertretbar seien, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichungen unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Interessen vereinbar seien.

Die Antragstellerin hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Ferner hat sie beantragt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. April 2014 abgelehnt. Die erteilten Befreiungen verletzten die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Anhaltspunkte dafür, dass den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Baugrenze und der Dachneigung nachbarschützende Ziele zugrunde lägen, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Befreiungen seien gegenüber der Antragstellerin nicht rücksichtslos. Ein Anspruch eines Nachbarn auf den Fortbestand einer „faktischen Ruhezone“ bestehe nicht. Auf naturschutzrechtliche Belange könne sich ein Nachbar ebenso wenig berufen wie auf ein etwaiges Fehlen einer gesicherten Erschließung. Abgesehen davon, dass das Bebauungsplangebiet nicht innerhalb der vom Markt W. aufgestellten Gestaltungsrichtlinien liege, seien diese ausschließlich zur örtlichen Baugestaltungspflege erlassen worden. Zivilrechtliche Gesichtspunkte blieben im Baugenehmigungsverfahren außer Betracht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Durch die Befreiung hinsichtlich der Baugrenze werde ihr Grundstück erheblich beeinträchtigt. Es sei aus dem angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich, welche Gründe hierfür sprächen. Seitliche und hintere Baugrenzen hätten nach der Rechtsprechung einen nachbarschutzrechtlichen Charakter. Eine Hinterlandbebauung, wie sie durch den angefochtenen Bescheid genehmigt worden sei, liege im weiteren Baugebiet nicht vor. Sie stehe auch im Widerspruch zu den Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. April 2014 aufzuheben und die Vollziehung der Baugenehmigung vom 24. Februar 2014 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragstellerin habe keine konkreten Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der Festsetzungen im Bebauungsplan über die Baugrenzen und die Dachneigung dargelegt. Das Gebiet sei bereits in anderen Bereichen nachverdichtet. Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück lägen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W..

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichts (AN 3 K 14.00018, AN 3 S 14.00460 und AN 3 K 14.00461) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Im Hinblick auf die dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) sind die Erfolgsaussichten der Klage der Antragstellerin entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts derzeit als (zumindest) offen anzusehen. Angesichts dessen überwiegen hier die Interessen der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die gegenläufigen Interessen der Beigeladenen, das genehmigte Vorhaben schon vor der rechtskräftigen Entscheidung über die Nachbarklage verwirklichen zu können.

Dabei geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass das Vorhaben der Beigeladenen der Antragstellerin gegenüber nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und auch die Einwendungen der Antragstellerin hinsichtlich der Abstandsflächen, der Zuwegung, der Beeinträchtigung und der Beseitigung des auf dem Grundstück der Antragstellerin vorhandenen Baum- und Vegetationsbestands und der Gestaltungsrichtlinien des Marktes W. der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Indes lässt das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, die mit der Baugenehmigung erteilte Befreiung von der festgesetzten Baugrenze verletze sie in ihren Nachbarrechten, bei der hier nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage derzeit noch keine hinreichend sichere Prognose zu den Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu.

Die Frage, ob die im Bebauungsplan „Auracher Berg“ für das Baugrundstück festgesetzte (seitliche und rückwärtige) Baugrenze für das Baugrundstück FlNr. 519/2 Gemarkung W. nachbarschützende Wirkung entfaltet, lässt sich nach summarischer Prüfung nicht ohne weiteres beantworten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen (§ 23 BauNVO) - anders als die Festsetzung von Baugebieten - zwar nicht schon kraft Bundesrechts nachbarschützende Wirkung. Ob sie (auch) darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt vielmehr vom Willen der Gemeinde als Planungsträger ab (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95 - NVwZ 1996, 888). Es ist daher durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 28.5.2014 - 9 CS 14.84 - juris Rn. 17 m. w. N.). Anhaltspunkte für eine Nachbarschutz vermittelnde Festsetzung können sich hierbei aus der Bebauungsplanbegründung (§ 9 Abs. 8 BauGB) und den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, vor allem den Protokollen über die Gemeinderatssitzungen ergeben. Letztlich ausschlaggebend ist jedoch eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs. Ein Nachbarschutz vermittelndes „Austauschverhältnis“ kann etwa dann gegeben sein, wenn rückwärtige Baugrenzen in einem einheitlich bebauten Straßengeviert so festgesetzt sind, dass im Innern eine zusammenhängende, allen angrenzenden Grundstücken zugutekommende unbebaute („grüne“) Fläche entsteht (vgl. BayVGH, B. v. 27.4.2009 - 14 ZB 08.1172 - juris [„rückwärtiger Ruhebereich“]).

Im vorliegenden Fall liegen dem Senat weder die Bebauungsplanbegründung noch die Verfahrensakten zum Bebauungsplan „Auracher Berg“ vor. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass derartige Unterlagen auch dem Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht vorgelegen haben. Dem Verwaltungsgericht wurden nämlich ausweislich der Vorlageschreiben des Landratsamts nur die den Vorbescheid vom 5. Dezember 2013 und die verfahrensgegenständliche Baugenehmigung betreffenden Bauakten vorgelegt. Diese enthalten aber lediglich eine Kopie eines Ausschnitts aus der Bebauungsplanzeichnung mit einem Blatt „VERBINDLICHE FESTSETZUNG DES BEBAUUNGSPLANES“ (vgl. Bl. 26 und 27 Bauakt H2014-0057). Letzterem lässt sich aus dem Verweis auf die Geltung der BauNVO vom 26. Juni 1962 entnehmen, dass es sich beim Bebauungsplan „Auracher Berg“ offensichtlich um einen „relativ alten“ Bebauungsplan (so die Bezeichnung in der Niederschrift über die Sitzung des Bau- und Umweltausschusses des Marktes W. vom 15.7.2013, Bl. 46 des Bauakts H2013-0472) handelt. Nähere Angaben etwa zum Inkrafttreten dieses Bebauungsplans, zu seinem Geltungsbereich, zu den mit ihm allgemein verfolgten Zielen und konkret zu den Gründen für die im maßgeblichen Teilbereich festgesetzten Baufenster lassen sich aber auch dem verwaltungsgerichtlichen Beschluss nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat sich insoweit nämlich auf den bloßen Hinweis beschränkt, Anhaltspunkte dafür, dass die planende Gemeinde ihre Festsetzung einer Baugrenze zum Schutze benachbarter Grundstückseigentümer geschaffen hat, seien weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine nähere Prüfung, z. B. anhand der Begründung des Bebauungsplans oder den Akten über die Aufstellung des Bebauungsplans, hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht vorgenommen.

Dieser Einschätzung des Verwaltungsgerichts ist die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren in ausreichender Weise entgegengetreten. Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass es sich hier um eine seitliche Baugrenze zu ihrem Grundstück handle und seitlichen (und hinteren) Baugrenzen nach der Rechtsprechung eine nachbarschützende Wirkung zukommen könne. Das Beschwerdevorbringen beschränkt sich damit nicht auf pauschale oder formelhafte Rügen. Vielmehr werden in Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung substantiiert im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Gründe dafür dargelegt, weshalb die Entscheidung für unrichtig gehalten wird. Ein Eingehen auf die Aufstellungsunterlagen oder die Begründung des Bebauungsplans war entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht erforderlich, weil sich auch das Verwaltungsgericht nicht damit auseinandergesetzt hat. Art und Umfang der Beschwerdebegründung hängen nämlich von der Begründung des erstinstanzlichen Beschlusses ab. Je eingehender die dortige Argumentation ist, desto tiefer muss sich der Beschwerdeführer mit ihr befassen (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 76; Jeromin in Gärditz, VwGO, § 146 Rn. 32).

Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung der (seitlichen und rückwärtigen) Baugrenzen nicht auch zumindest zum Schutze der benachbarten Grundstückseigentümer erfolgt sei, seien nicht ersichtlich, ist auch in der Sache entgegenzutreten. Den in den Akten befindlichen Bebauungsplanfragmenten lässt sich nämlich jedenfalls das städtebauliche Ziel entnehmen, in dem von der Siedler- und Flurstraße sowie dem Finken- und Meisenweg gebildeten Geviert lediglich entlang dieser Straßen eine lockere 1- bis 1 1/2-geschossige Bebauung in Form einer „Bungalowsiedlung“ zu verwirklichen und den „Innenbereich“ dieses Gevierts von jeglicher Wohnbebauung freizuhalten. Darüber hinaus spricht unter Zugrundelegung der dem Senat bisher vorliegenden spärlichen Bebauungsplanunterlagen manches dafür, dass diese städtebauliche Konzeption auch den Belangen des Nachbarschutzes dienen sollte. Die Situierung der festgesetzten „Baufenster“ führt nämlich dazu, dass im Geviertsinnern eine zusammenhängende, unbebaute („grüne“) Fläche von ca. 40 - 60 m entsteht, deren Zweck es durchaus (auch) sein könnte, der umliegenden lockeren Bungalowbebauung als gemeinsamer „rückwärtiger Ruhebereich“ zu dienen. Ob dies tatsächlich der Fall ist, bedarf aber unter Zugrundelegung der eingangs dargestellten Grundsätze erst einer Würdigung der Bebauungsplanbegründung und der Akten des Aufstellungsverfahrens (insbesondere der entsprechenden Gemeinderatsbeschlüsse) und einer wertenden Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs.

Soweit das Verwaltungsgericht im angegriffenen Beschluss unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Februar 2010 - 2 AS 09.2907 und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2003 - 4 CN 3.02 darauf verwiesen hat, Nachbarn hätten keinen Anspruch auf den Fortbestand einer faktischen Ruhezone, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn der angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs lag ein Nachbarrechtsbehelf gegen eine nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilende Hinterlandbebauung zugrunde, wobei den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, dass die in der maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung sich nicht nur auf den straßenseitigen Bereich beschränkte, sondern auch den rückwärtigen Grundstücksraum einbezog (a. a. O. - juris Rn. 20). Auch soweit der Verwaltungsgerichtshof in dem von ihm entschiedenen Fall eine Nachbarrechtsverletzung durch die erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze des übergeleiteten Bebauungsplans verneint hat, hat er lediglich eine auch vom erkennenden Senat nicht in Frage gestellte Regel („in der Regel“) aufgestellt (a. a. O. Rn. 21). Seine Ausführungen zum „Wegfall der rückwärtigen Ruhezone“ stehen ersichtlich im Zusammenhang mit der Verneinung eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtname (a. a. O. Rn. 23). Darum geht es hier aber nicht. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18. September 2003 (a. a. O. juris Rn. 19) feststellt, dass ein Nachbar keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone hat, ist diese Aussage im Rahmen einer Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan getroffen worden, der für eine bisher im Wesentlichen unbebaute Freifläche mit Streuobstwiesennutzung, die von vorhandener Wohnbebauung umgeben war, Baurecht in Form der Festsetzung eines (eingeschränkten) allgemeinen Wohngebiets geschaffen hat. Es versteht sich von selbst, dass ein Nachbar eine derartige Festsetzung nicht abwehren kann, wenn sie den Anforderungen des Abwägungsgebots entspricht. Auch um diese Frage geht es im vorliegenden Fall aber nicht.

Bei dieser Sach- und Rechtslage fällt die im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorzunehmende Interessenabwägung daher zu Ungunsten der Beigeladenen aus.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Erstgerichts, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine drittschützenden Vorschriften verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann als Nachbar die Baugenehmigung mit dem Ziel ihrer Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die zumindest auch seinem Schutz dienen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. grundlegend BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8). Bei einer Befreiung von nicht drittschützenden Festsetzungen kann der Nachbar lediglich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung dann zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ-RR 1996, 170; BayVGH, B. v. 31.3.2005 - 2 ZB 04.2673 - juris), dass den Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukommt, sondern vielmehr im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen oder ausnahmsweise (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollen.

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hinsichtlich der hier erteilten Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Bedenken, da keine der Festsetzungen im konkreten Fall nachbarschützende Wirkung entfaltet. Hierzu enthält die Begründung des Zulassungsantrags auch keine Ausführungen.

a) Erteilt wurde eine Befreiung von der Festsetzung A) 10.1 „Dachform im nördlichen Teil des Planes zwischen F.- und T-straße für die Atrium-Häuser Flachdach mit Innenentwässerung“. Diese Festsetzung steht bereits unter dem Titel „Äußere Gestaltung“. Der Feststellung des Erstgerichts, dass diese Festsetzung für sich gesehen lediglich gestalterischen Charakter hat, ist der Kläger in seiner Begründung des Berufungszulassungsantrags nicht substantiiert entgegen getreten. Vielmehr beruft er sich insoweit lediglich darauf, dass eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO (wohl nach Art. 63 Abs. 1 BayBO) hätte erteilt werden müssen und dass das nunmehr genehmigte 18° geneigte Walmdach seinen Gebietsgewährleistungsanspruch verletze. Die Wahl der falschen Rechtsgrundlage ist hier jedoch nachbarrechtlich nicht relevant, da insoweit bei einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO eine Nachbarrechtsverletzung ebenfalls nur in Betracht kommt, wenn von einer nachbarschützenden Festsetzung abgewichen werden soll (vgl. BayVGH, U. v. 16.7.1999 - 2 B 96.1048 - BayVBl. 2000, 532), was hier gerade nicht der Fall ist.

Hinsichtlich des Carports sowie des Wintergartens erfolgten Befreiungen bezüglich der überbaubaren Fläche (A) 5.), da der Carport nach Osten die dort festgesetzte Baulinie und der Wintergarten nach Süden die dort festgesetzte Baugrenze überschreitet. Allenfalls der Baulinie nach Norden, welche die Grenzbebauung für die Atriumbauweise festsetzt, könnte eine nachbarschützende Wirkung zukommen. Diese wird aber nicht überschritten, so dass insoweit auch keine Befreiung erfolgte. Im Übrigen fehlt zu diesen Befreiungen jeglicher Vortrag des Klägers in der Begründung seines Berufungszulassungsantrags.

Die Festsetzung A) 4.3 von „0,6 als maximale Grund- und Geschoßflächenzahl für die eingeschossigen Atriumhäuser (§ 17 Abs. 2 BauNVO)“ ist per se nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, B. v. 20.9.1984 - 4 B 202/84 - NVwZ 1985, 748). Abgesehen davon wurde eine Befreiung von dieser Festsetzung in der Baugenehmigung vom 19. September 2013 nicht erteilt.

Da im Ergebnis lediglich von nicht nachbarschützenden Festsetzungen Befreiungen erteilt wurden, kommt es auf alle übrigen denkbaren Fehler, die von Klägerseite vorgetragen wurden, wie Fehlen einer Atypik und Berührung der Grundzüge der Planung, nicht entscheidungserheblich an, weil diese Fehler, sollten sie denn vorliegen, die Rechte des Klägers nicht berühren würden (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98 - NVwZ-RR 1999, 8).

b) Auch ein möglicher Gebietsbewahrungs- bzw. Gebietserhaltungsanspruch des Klägers ist nicht verletzt. Dieser wurde als neues Rechtsinstitut des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründet (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151) und zunächst aus dem Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB hergeleitet, später dann direkt aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; BayVGH, B. v. 26.5.2008 - 1 CS 08.881/882 - BauR 2008, 1556; U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013, 51; Stühler, BauR 2011, 1576/1577). Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. Stühler, BauR 2011, 1576/1577; Decker, JA 2007, 55/56). Denn die Festsetzungen von Baugebieten durch einen Bebauungsplan hat grundsätzlich nachbarschützende Wirkung zugunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet (vgl. BVerwG, BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; U. v. 23.8.1996 - 4 C 13/94 - BVerwGE 101, 364; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583; BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl. 2013). Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (vgl. BVerwG, U. v. 11.5.1989 - 4 C 1/88 - BVerwGE 82, 61; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Anwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeit des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundstückseigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.9.1993 - 4 C 28/91 - BVerwGE 94, 151; B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl. 2008, 583). Im Rahmen dieses nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können. Hinsichtlich der Frage, ob auch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs Relevanz besitzen können, hat sich das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) klar geäußert. Zwar gilt auch insoweit, dass der Nachbarschutz auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses beruht. Der Grundstückseigentümer kann deshalb grundsätzlich die Beachtung öffentlich-rechtlicher Beschränkungen auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen, weil und soweit er selbst in der Ausnutzung seines Grundstücks solchen Beschränkungen unterworfen ist. Allerdings werden die Planbetroffenen durch die Maßfestsetzungen eines Bebauungsplans nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts nicht in der gleichen Weise zu einer „Schicksalsgemeinschaft“ verbunden, wie das für die Festsetzungen der Art der Nutzung angenommen wird. Das spielt vor allem für die Frage eine Rolle, ob der Nachbarschutz eine spürbare Beeinträchtigung im Einzelfall voraussetzt. Dies hat das Bundesverwaltungsgerichts bei der Anerkennung des Gebietserhaltungsanspruchs im Fall einer baugebietswidrigen Nutzungsart verneint, weil durch das baugebietswidrige Vorhaben, das zwar für sich gesehen noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führen mag, gleichwohl typischerweise eine „schleichende“ Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird. Mit dieser Situation sind jedoch Abweichungen von den Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht vergleichbar, weil diese in der Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Zum Schutz des Nachbarn ist daher das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme des § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, das eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Eine einzelne Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250), welche davon ausgeht, dass erst die Gesamtheit der Festsetzungen über Art und Maß der baulichen Nutzung den Charakter eines geschützten Baugebiets schafft, setzt sich hingegen nicht damit auseinander, dass das Maß der baulichen Nutzung lediglich das Baugrundstück und die unmittelbar angrenzenden Grundstücke betrifft. In aller Regel setzt ein Bebauungsplan die Art der baulichen Nutzung für einen größeren Bereich des Plangebiets einheitlich fest, wohingegen das Maß der baulichen Nutzung kleinräumig variieren kann, wie es auch im vorliegenden Bebauungsplan der Fall ist, welcher hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung im Norden eingeschossige Atriumhäuser und im Süden zweigeschossige Reihenhäuser, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung das ganze, vergleichsweise kleine Baugebiet jedoch als reines Wohngebiet festsetzt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Gebietserhaltungsanspruch um ein von der Rechtsprechung entwickeltes Instrument zur Abwehr von Unbilligkeiten, welches nicht beliebig ausgeweitet werden kann und soll.

Im vorliegenden Fall bemüht der Kläger zudem im Wesentlichen die Festsetzung hinsichtlich des Flachdachs zur Begründung eines Gebietserhaltungsanspruchs. Insoweit handelt es sich um eine gestalterische Festsetzung und nicht um eine Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung, was der Kläger selbst vorträgt. Dies mag den architektonischen Charakter dieser Häusergruppe prägen, auf dessen Erhalt der Kläger jedoch keinen Anspruch hat. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auf gestalterische Festsetzungen eines Bebauungsplans fordert selbst die vom Kläger vorgetragene Literaturmeinung nicht. Insoweit ist zudem nicht erkennbar, wie die Nutzungsmöglichkeiten des klägerischen Grundstücks durch diese Festsetzung eingeschränkt werden sollten. Für den Charakter von Atrium- oder Gartenhäusern ist zudem die Dachform eines Flachdachs nicht zwingend und damit nicht allgemein prägend. Auch andere Dachformen sind in diesem Zusammenhang grundsätzlich möglich. Darüber hinaus lässt sich dem Bebauungsplan entnehmen, dass zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits sechs der acht Atriumhäuser errichtet und als Bestand im Planteil eingezeichnet waren. Lediglich die Grundstücke FlNrn. 1827/9 und 1827/21 sind noch als unbebaut dargestellt. Ebenso war der südliche Reihenhausbereich bereits vollständig bebaut. Im Übrigen wirken sich auch gestalterische Festsetzungen in der Regel ebenso wie die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nur auf die unmittelbare Umgebung eines Baugrundstücks aus. Dies zeigt auch der hier maßgebliche Bebauungsplan, der Flachdächer lediglich für die nördlichen Atriumhäuser, für die südlichen Reihenhausgruppen jedoch ein Satteldach mit einer maximalen Dachneigung von 40° und einer einheitlichen Farbgebung in rotbraun oder anthrazit innerhalb des einheitlichen reinen Wohngebiets festsetzt. Eine Ausdehnung des Gebietserhaltungsanspruchs auch auf Festsetzungen, welche nur für Teilbereiche eines Baugebiets mit gleicher Art der baulichen Nutzung gelten, würde zudem die Abgrenzung der einzelnen Gebiete voneinander deutlich erschweren und zu teils sehr kleinteiligen Gebieten führen, da gestalterische Festsetzungen und Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung innerhalb eines Baugebiets stark variieren können. Dagegen wird die Art der baulichen Nutzung grundsätzlich für einen größeren Bereich festgesetzt und die Grenzen sind klar im Plan selbst z. B. durch entsprechende Planzeichen (sog. Knödellinie) klar definiert.

c) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist ebenso wenig gegeben. Auch hierzu fehlen substantiierte Ausführungen des Klägers in seiner Begründung des Zulassungsantrags. Das eingeholte Verschattungsgutachten (vgl. Bl. 36 der Bauakte) zeigt, dass eine zusätzliche geringfügige Verschattung des klägerischen Grundstücks durch das Walmdach mit einer Dachneigung von 18° lediglich in der Mittagszeit an einigen Tagen im Dezember zu erwarten ist. Eine solche geringfügige zusätzliche Verschattung stellt jedoch keine unzumutbare Beeinträchtigung dar. Der Wintergarten wird im Süden des Baugrundstücks - außerhalb des Bauraums - errichtet. Dies tangiert den Kläger jedoch ebenfalls nicht, da es sich um die von seinem Grundstück abgewandte Gebäudeseite handelt. Der Carport wird an die Ostfassade des Gebäudes der Beigeladenen, unmittelbar an die Grenze zum klägerischen Grundstück angebaut, jedoch lediglich in einer Tiefe von 3 m. Durch die versetzt gebauten Baukörper wird der Carport teilweise durch das Gebäude des Klägers verdeckt und betrifft ansonsten den Vorgarten. Aufgrund der offenen Bauweise eines Carports ist auch insoweit nicht von einer unzumutbaren Beeinträchtigung auszugehen.

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d. h. überdurchschnittlichen, das normale Maß nicht unerheblich übersteigenden Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird (vgl. BayVGH, B. v. 12.4.2000 - 23 ZB 00.643 - juris). Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Im Übrigen wird auf die Ausführungen unter Ziffer 1. verwiesen.

3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Kläger hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob über den anerkannten Fall des Gebietserhaltungsanspruchs hinaus ein solcher Anspruch auch bei Verfremdung eines Gebietscharakters durch andere Abweichungen von wesentlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans anerkannt werden muss. Dabei beruft sich der Kläger auf eine Literaturmeinung (vgl. Wolf NVwZ 2013, 247/250). Nach dieser Auffassung soll der abstrakt-generelle Gebietserhaltungsanspruch auf die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung ausgedehnt werden. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. B. v. 23.6.1995 - 4 B 52/95 - NVwZ 1996, 170) jedoch ausdrücklich abgelehnt und festgestellt, dass Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und nur Auswirkungen auf das Baugrundstück selbst und die unmittelbar anschließenden Nachbargrundstücke haben. Daher seien die Planbetroffenen gerade nicht in gleicher Weise einer „Schicksalsgemeinschaft“ unterworfen wie bei den Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung. Zum Schutz des Nachbarn ist deshalb hier das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme aus § 31 Abs. 2 BauGB ausreichend, welches eine Abwägung der nachbarlichen Interessen ermöglicht und den Nachbarn vor unzumutbaren Beeinträchtigungen schützt. Der Kläger will den Gebietserhaltungsanspruch nun auch auf rein gestalterische Festsetzungen wie die Dachform ausdehnen. Eine vereinzelte Literaturmeinung begründet zum einen nicht erneut die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage, die bereits durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden ist (vgl. auch die Ausführungen unter Ziffer 1.). Zum anderen beschränkt sich die Literaturmeinung auf die Erweiterung des Gebietserhaltungsanspruchs auf Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, fordert aber nicht auch die Einbeziehung von gestalterischen Festsetzungen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO). Im Berufungszulassungsverfahren sind die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen in der Regel nicht aus Billigkeitsgründen der unterliegenden Partei aufzuerlegen (vgl. BayVGH, B. v. 11.10.2001 - 8 ZB 01.1789 - BayVBl. 2002, 378). Ein Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Im Übrigen haben die Beigeladenen keinen Antrag gestellt.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung einer Fabrikhalle in ein Mehrfamilienhaus mit fünf Wohneinheiten.

2

Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem er ein Holzbearbeitungsunternehmen betreibt. Auf dem angrenzenden Vorhabengrundstück des Beigeladenen steht eine nicht mehr genutzte Fabrikhalle, die mit dem Betriebsgebäude des Klägers baulich verbunden ist. Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans der Beklagten, der ein allgemeines Wohngebiet ausweist und für die Grundstücke des Klägers und des Beigeladenen erweiterten "Bestandsschutz gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO für bestehende Nutzung" festsetzt. Aus einem von der Beklagten im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachten ergibt sich, dass die im Betrieb des Klägers vorhandenen Schallquellen an der nächstgelegenen Seite des Gebäudes des Beigeladenen Beurteilungspegel bis 70 dB(A) hervorrufen.

3

Die Baugenehmigung erteilte die Beklagte "nach Maßgabe der beigefügten geprüften Bauvorlagen". In einer mit einem Grünstempel versehenen schalltechnischen Untersuchung eines Ingenieurbüros heißt es, zur Beurteilung der Geräuschimmissionen des Betriebs des Klägers würden in Abstimmung mit der Beklagten die Beurteilungspegel des im Planaufstellungsverfahren eingeholten Gutachtens herangezogen. In Abstimmung mit der Beklagten würden im Hinblick auf die ausschließlich an einer Seite des Gebäudes des Beigeladenen auftretende Überschreitung des Immissionsrichtwerts tags um 10 dB(A) keine aktiven Schallschutzmaßnahmen, sondern passive in Form von Schallschutzfenstern mit Belüftungseinrichtungen und einem Schalldämmmaß von mindestens 41 dB(A) für alle schutzbedürftigen Räume ausgearbeitet. Damit würden die Anhaltswerte für Innenschallpegel eingehalten. In einem ebenfalls grüngestempelten Schreiben des vom Beigeladenen beauftragten Planungsbüros an die Beklagte wird zur Ergänzung der Baubeschreibung ausgeführt, die Schallschutzmaßnahmen der schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurbüros würden eingebaut und unterhalten.

4

Das die Baugenehmigung aufhebende Urteil des Verwaltungsgerichts hat das Oberverwaltungsgericht auf die Berufungen der Beklagten und des Beigeladenen geändert und die Klage abgewiesen. Weder bei unterstellter Wirksamkeit des Bebauungsplans noch bei unterstellter Unwirksamkeit bestehe ein Aufhebungsanspruch des Klägers. Die genehmigte Wohnnutzung sei jedenfalls zulässig und verstoße nicht zum Nachteil des Klägers gegen das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme, das auch im Fall der Wirksamkeit des Bebauungsplans anwendbar sei, weil der Bebauungsplan den konkreten Immissionskonflikt nicht abschließend bewältige. Ob dem betroffenen Nachbarn Geräuschimmissionen zuzumuten seien, sei grundsätzlich anhand der TA Lärm zu bestimmen. Nach ihrer Nr. 6.1 sei am Wohnbauvorhaben des Beigeladenen an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden grundsätzlich der hier allein maßgebliche Tag-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) einzuhalten. Dieser Wert sei in Anwendung von Nr. 6.1 c und Nr. 6.7 der TA Lärm auf einen "Mittelwert" von tagsüber 60 dB(A) zu erhöhen, weil sich das Wohnbauvorhaben in einer faktischen Gemengelage befinde. Ein solcher Wert lasse sich zwar nicht vollumfänglich einhalten. Das Rücksichtnahmegebot ermögliche und gebiete aber zusätzliche Differenzierungen mit der Folge, dass die grobmaschigen baugebietsbezogenen Richtwerte je nach Lage des Einzelfalls durch situationsbezogene Zumutbarkeitskriterien zu ergänzen seien. So sei ein Wohnbauvorhaben auf einem durch gewerblichen Lärm erheblich vorbelasteten Grundstück rücksichtslos und daher unzulässig, wenn bei seiner Verwirklichung auf naheliegende, technisch mögliche und wirtschaftlich vertretbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen verzichtet werde, welche eine erhebliche Lärmbetroffenheit der Wohnnutzung spürbar mindern würden. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO begründe insoweit eine Obliegenheit des Bauherrn zu "architektonischer Selbsthilfe", verlange aber auch vom Betreiber des - bestands-geschützten - emittierenden Gewerbebetriebs, auf die für das Nachbargrundstück festgesetzte (heranrückende) Wohnbebauung Rücksicht zu nehmen. Welche Maßnahmen dem zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarschaft verpflichteten Anlagenbetreiber zumutbar seien, bestimme sich nach den (dynamischen) Betreiberpflichten des § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Auch passiver Schallschutz könne ein zu berücksichtigender Baustein der "architektonischen Selbsthilfe" sein. Die im Gutachten des Ingenieurbüros vorgesehenen passiven Schallschutzmaßnahmen, die Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien und ausweislich der Erklärung von Beklagter und Beigeladenem in der mündlichen Verhandlung für alle schutzbedürftigen Räume einschließlich Loggia gälten, sicherten, dass die Anhaltswerte für Innenschallpegel in Wohnräumen von tags 30 bis 35 dB(A) und in Schlafräumen von 25 bis 30 dB(A) (Mittelungspegel) von schutzbedürftigen Räumen nach VDI 2179 eingehalten werden könnten.

5

Zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, die Vorinstanz gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass das Vorhaben trotz einer Überschreitung der (Außen-)Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 und Nr. 6.7 der TA Lärm aufgrund der festgesetzten passiven Schallschutzmaßnahmen zulässig sei. Passive Schallschutzmaßnahmen führten nicht zu einer Reduzierung des maßgeblichen Außen-Immissionsrichtwertes und seien nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Ohnehin sei das Rücksichtnahmegebot bereits in der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung aufgegangen, weil auch für den Konflikt zwischen den streitbefangenen Grundstücken der für andere Grundstücke festgesetzte Immissionswert von 60 dB(A) gelte. Außerdem verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung gegen das Bestimmtheitsgebot. Schließlich habe das Oberverwaltungsgericht unter Verletzung der Aufklärungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör den unter Beweis gestellten Sachvortrag, dass die Immissionsrichtwerte im Gebäudeinneren gemäß Nr. 6.2 der TA Lärm aufgrund der vorhandenen Gebäudeverbindung nicht eingehalten würden, zu Unrecht unbeachtet gelassen.

6

Beklagte und Beigeladener verteidigen das angegriffene Urteil.

7

Nach Ansicht der Beklagten zählen passive Schallschutzmaßnahmen zu den Mitteln der "architektonischen Selbsthilfe". Das ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Je nach den Umständen des Einzelfalls könne es - zumal wenn wie hier Außenwohnbereiche nicht betroffen seien - abwägungsfehlerfrei sein, eine Minderung der Immissionen durch eine Kombination von passivem Schallschutz, Stellung und Gestaltung von Gebäuden sowie Anordnung der Wohn- und Schlafräume zu erreichen.

8

Der Beigeladene hält den Bebauungsplan für unwirksam, weil er keine Konfliktlösung in Bezug auf sein Grundstück biete. Deswegen sei sein Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen. Es halte sich im vorgezeichneten Rahmen und verstoße auch nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Zum einen seien die Lärmgutachten von Betriebszuständen ausgegangen, die nicht dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprächen und die, würden sie real ausgeführt, nach § 22 BImSchG untersagt werden könnten. Zum anderen seien die von ihm angebotenen und damit zum Bestandteil der Baugenehmigung gewordenen Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe prinzipiell geeignet, im Rahmen einer Bewertung anhand des Gebotes der Rücksichtnahme Berücksichtigung zu finden. So würden die unmittelbar dem Grundstück des Klägers zugewandten Aufenthaltsräume während der Betriebszeiten ständig geschlossen gehalten und Fenster mit einem Schalldämmmaß ausgestattet, das die Einhaltung der Nr. 6.2 TA Lärm (Innenraumschutz) sicherstelle. Die Außenwohnbereiche befänden sich im Lärmschatten des Gebäudes.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verstößt gegen Bundesrecht.

10

1. Die Verfahrensrügen des Klägers greifen allerdings nicht durch. Sie genügen nicht den Darlegungsanforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.

11

a) Mit seiner Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) macht der Kläger geltend, das Gericht hätte die Beschaffenheit des Verbindungstunnels zwischen den Gebäuden des Klägers und des Beigeladenen weiter aufklären müssen. Da er hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er mit der Revision darlegen müssen, aus welchen Gründen sich der Vorinstanz die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. hierzu etwa Urteil vom 11. Juli 2002 - BVerwG 4 C 9.00 - Buchholz 451.17 § 12 EnergG Nr. 1 S. 12 f.). Das ist nicht geschehen. Aufgrund des - auch auf Nachfrage der Vorinstanz - lediglich allgemein gehaltenen und nicht gebäudebezogenen privatgutachterlichen Vorbringens des Klägers und der Feststellungen des Berichterstatters im Rahmen der Ortsbesichtigung ist für den Senat auch nicht erkennbar, dass sich solche Aufklärungsmaßnahmen aufgedrängt hätten.

12

b) Die Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nicht erheben, wer sich rechtliches Gehör durch entsprechende Beweis- oder Vertagungsanträge in der mündlichen Verhandlung hätte verschaffen können (Beschluss vom 4. August 2008 - BVerwG 1 B 3.08 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Nr. 70 Rn. 9 m.w.N.). Es ist weder dargelegt noch erkennbar, warum der Kläger dies im Hinblick auf die nach seiner Ansicht zeitlich und inhaltlich unzumutbare Aufforderung des Oberverwaltungsgerichts zur Substantiierung seines Vorbringens zum Verbindungstunnel nicht getan hat.

13

2. Dass das Oberverwaltungsgericht die Bestimmtheit der angegriffenen Baugenehmigung auf der Grundlage seiner Auslegung dieses Verwaltungsakts bejaht hat, lässt ebenfalls keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen. Mit seiner Rüge eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz setzt der Kläger dieser Auslegung lediglich eine eigene Auslegung der Baugenehmigung gegenüber, aus der er ihre unzureichende Bestimmtheit ableitet. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist jedoch Sache des Tatsachengerichts und jedenfalls dann, wenn dieses sich - wie hier - dazu verhalten hat (Beschluss vom 6. April 2004 - BVerwG 4 B 2.04 - juris Rn. 8) und die Auslegung keinen Rechtsirrtum oder einen Verstoß gegen allgemeine Erfahrungssätze, Denkgesetze oder Auslegungsregeln erkennen lässt (Urteil vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 6 C 36.11 - juris Rn. 26), der revisionsgerichtlichen Prüfung entzogen. Die Anforderungen des - revisiblen - Bestimmtheitsgebots (dazu etwa Urteil vom 2. Juli 2008 - BVerwG 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11) hat das Oberverwaltungsgericht nicht verkannt. Soweit es dabei die Einbeziehung von grüngestempelten und damit eindeutig von der Behörde gekennzeichneten Antragsunterlagen des Beigeladenen sowie in der mündlichen Verhandlung abgegebenen und somit dem Kläger bekannten Erklärungen der Beklagten und des Beigeladenen als zulässig angesehen hat, ist dies bundesrechtlich nicht zu beanstanden.

14

3. Das Oberverwaltungsgericht durfte jedoch das Rücksichtnahmegebot des § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO nicht deswegen als gewahrt ansehen, weil der Beigeladene im Wege der architektonischen Selbsthilfe passive Schallschutzmaßnahmen für die ihm genehmigte Wohnnutzung vorgesehen hat.

15

a) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Rücksichtnahmegebot im vorliegenden Fall unabhängig von der Wirksamkeit des Bebauungsplans Anwendung findet. Der Einwand des Klägers, das Rücksichtnahmegebot sei im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans bereits aufgrund der den Feststellungen des Bebauungsplans zugrundeliegenden Abwägung des Ortsgesetzgebers "aufgezehrt" (vgl. hierzu Beschluss vom 11. Juli 1983 - BVerwG 4 B 123.81 - Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 54), greift nicht durch. Auch insoweit stellt der Kläger der bindenden und irrevisiblen Auslegung durch das Oberverwaltungsgericht (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) lediglich seine eigene Auslegung gegenüber.

16

b) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <318 f.> und vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <243>) stellt sich § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO als eine besondere Ausprägung des Rücksichtnahmegebots und als eine zulässige Bestimmung des Eigentumsinhalts (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) dar. Diese Vorschrift soll ebenso wie die übrigen Tatbestandsalternativen des § 15 Abs. 1 BauNVO gewährleisten, Nutzungen, die geeignet sind, Spannungen und Störungen hervorzurufen, einander so zuzuordnen, dass Konflikte möglichst vermieden werden. Welche Anforderungen sich hieraus im Einzelnen ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Ist die Grundstücksnutzung aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten mit einer spezifischen gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, so führt dies nicht nur zu einer Pflichtigkeit desjenigen, der Immissionen verursacht, sondern auch zu einer Duldungspflicht desjenigen, der sich solchen Immissionen aussetzt. Von diesen Grundsätzen ist das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend ausgegangen.

17

c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberverwaltungsgericht als Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Störung die TA Lärm herangezogen. Obwohl aber nach seinen bindenden Feststellungen das genehmigte Wohnbauvorhaben gemessen an den Immissionsrichtwerten der Nr. 6.1 einschließlich Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 der TA Lärm an Immissionsorten außerhalb von Gebäuden unzumutbaren Geräuschimmissionen ausgesetzt ist, hat das Oberverwaltungsgericht eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots verneint, weil es angesichts der Vorbelastung des Vorhabengrundstücks durch gewerblichen Lärm noch Raum lasse, den gebotenen Interessenausgleich im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch passive Schallschutzmaßnahmen zu bewirken. Diese Annahme verstößt gegen Bundesrecht.

18

aa) Als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift kommt der TA Lärm, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z.B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z.B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (Urteil vom 29. August 2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 m.w.N.).

19

Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319 f.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die TA Lärm enthalte lediglich Anforderungen an die Errichtung und den Betrieb von emittierenden Anlagen, regele aber nicht den Konflikt mit einer an eine latent störende gewerbliche Nutzung heranrückenden Wohnbebauung und sei deswegen für deren bauaufsichtliche Genehmigung nicht maßgeblich (so aber VGH Mannheim, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - 5 S 1904/06 - NVwZ-RR 2007, 168 <169 f.>). Aus der Spiegelbildlichkeit der dargelegten gegenseitigen Verpflichtungen aus dem Rücksichtnahmegebot für die konfligierenden Nutzungen ergibt sich vielmehr, dass mit der Bestimmung der Anforderungen an den emittierenden Betrieb auf der Grundlage der TA Lärm zugleich das Maß der vom Nachbarn zu duldenden Umwelteinwirkungen und mithin die - gemeinsame - Zumutbarkeitsgrenze im Nutzungskonflikt feststeht. Dass etwaige Lärmminderungspflichten, die sich aus der Anwendung der TA Lärm für den emittierenden Gewerbebetrieb ergeben können, nicht - etwa in Form einer Auflage - zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht werden können, steht nicht entgegen. Denn als Teil der vom Rücksichtnahmegebot geforderten Zuordnung der Nutzungen gehören die gebotenen Lärmminderungsmaßnahmen zur Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung und sind gegebenenfalls im Wege der §§ 24 und 22 BImSchG gegen den Gewerbebetrieb durchzusetzen. Auch aus der in der früheren Rechtsprechung des Senats verwendeten Formulierung, die TA Lärm gelte in diesen Fällen "nicht unmittelbar" (Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 319), folgt nichts anderes. Der Senat hat hiermit keine Abstriche am Umfang ihrer Anwendbarkeit und Bindungswirkung verbunden.

20

bb) Passive Lärmschutzmaßnahmen als Mittel der Konfliktlösung zwischen Gewerbe und Wohnen sieht die TA Lärm nicht vor. Nach ihrer Nr. 6.1 sind für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbeeinträchtigung außerhalb der betroffenen Gebäude gelegene Immissionsorte maßgeblich. Sie können durch passive Schallschutzmaßnahmen, wie sie die angefochtene Baugenehmigung vorschreibt, nicht beeinflusst werden. Aus Nr. 6.2 der TA Lärm folgt nichts anderes. Die Vorschrift regelt den Sonderfall der Körperschallübertragung und kann deswegen nicht als "Auffangregelung" verstanden werden, aus der abzuleiten wäre, dass letztlich maßgeblich auf - durch passive Schallschutzmaßnahmen beeinflussbare - Innen-Immissionswerte abzustellen ist. Soweit es - wie hier - um die Beurteilung von Luftschall geht, der über die Außenfassade einwirkt, sind die Außen-Immissionsrichtwerte der Nr. 6.1 anzuwenden (vgl. auch Feldhaus, Bundesimmissionsrecht, Bd. 4, Stand August 2012, Rn. 29 zu Nr. 6 TA Lärm).

21

cc) Auch die von der TA Lärm belassenen Spielräume bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze eröffnen nicht die Möglichkeit, der Überschreitung der Außen-Immissionsrichtwerte durch Anordnung von passivem Lärmschutz zu begegnen.

22

Entgegen der Ansicht des Beigeladenen kann insoweit nicht Nr. 3.2.2 der TA Lärm herangezogen werden, die eine ergänzende Prüfung im Sonderfall ermöglicht. Die Voraussetzungen der in Buchstaben a bis d genannten Umstände, bei deren Vorliegen eine solche Sonderfallprüfung "insbesondere" in Betracht kommt, sind nicht gegeben. Namentlich sind besondere Gesichtspunkte der Herkömmlichkeit und der sozialen Adäquanz der Geräuschimmission (Buchst. d) nicht schon dann zu bejahen, wenn sie von einer bestandskräftigen Genehmigung des emittierenden Gewerbebetriebs gedeckt ist. Auch begründet wegen des anzulegenden strengen Maßstabs für eine Sonderfallprüfung (Feldhaus a.a.O. Rn. 63 zu Nr. 3 TA Lärm) allein der Umstand, dass der Konflikt durch eine Gemengelage bedingt ist, noch keine besondere Standortbindung (Buchst. b).

23

Ein unbenannter Anwendungsfall der Regelung ist auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auszuschließen. Das folgt schon daraus, dass die insoweit allein in Betracht kommenden Umstände (Gemengelage, Vorbelastung, Prioritätsprinzip, konkrete Schutzwürdigkeit und Gebietsprägung) bereits Gegenstand der Regelung in Nr. 6.7 sind, die mit der Zwischenwertbildung eine auf die Gemengelagesituation und die genannten Umstände zugeschnittene Lösung enthält (vgl. auch Feldhaus a.a.O. m.w.N.). Es liegt fern, dass die TA Lärm für den Fall, dass - wie hier - trotz Zwischenwertbildung die Zumutbarkeit des Vorhabens nicht gewährleistet werden kann, aus denselben Gesichtspunkten einen zusätzlichen Spielraum für eine Lösung eröffnet, die, wie das Oberverwaltungsgericht nicht verkennt, die Rechtsordnung nur in gesetzlich ausdrücklich normierten Fällen unter strengen Voraussetzungen vorsieht.

24

Die Möglichkeit, einer Überschreitung der nach Nr. 6.1 und Nr. 6.7 maßgeblichen Immissionsrichtwerte mit passivem Lärmschutz zu begegnen, müsste auch das Schutzziel der TA Lärm verfehlen. Aus der Maßgeblichkeit der Außen-Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 und der Definition des maßgeblichen Immissionsortes in A.1.3 des Anhangs der TA Lärm - bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes - ergibt sich, dass dieses Regelungswerk - anders als etwa für Verkehrsanlagen die 16. und 24. BImSchV - den Lärmkonflikt zwischen Gewerbe und schutzwürdiger (insbesondere Wohn-) Nutzung bereits an deren Außenwand und damit unabhängig von der Möglichkeit und Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen gelöst wissen will. Damit sichert die TA Lärm von vornherein für Wohnnutzungen einen Mindestwohnkomfort, der darin besteht, Fenster trotz der vorhandenen Lärmquellen öffnen zu können und eine natürliche Belüftung sowie einen erweiterten Sichtkontakt nach außen zu ermöglichen, ohne dass die Kommunikationssituation im Innern oder das Ruhebedürfnis und der Schlaf nachhaltig gestört werden können. Soweit andere Regelwerke wie die schon genannte 16. und 24. BImSchV passiven Lärmschutz zur Lösung des Nutzungskonflikts zulassen und damit einen geringeren Mindestwohnkomfort als Schutzziel zugrundelegen, beruht dies auf dem öffentlichen Interesse, das an den von diesen Regelungen erfassten (Verkehrs-)Anlagen besteht und weiterreichende Beschränkungen des Eigentumsinhalts zulasten der von Immissionen betroffenen Anliegern rechtfertigt.

25

Der von der TA Lärm gewährte Schutzstandard steht auch nicht zur Disposition des Lärmbetroffenen und kann nicht durch dessen Einverständnis mit passiven Schallschutzmaßnahmen suspendiert werden. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung. Das schließt es aus, das bei objektiver Betrachtung maßgebliche Schutzniveau auf das Maß zu senken, das der lärmbetroffene Bauwillige nach seiner persönlichen Einstellung bereit ist hinzunehmen (Urteil vom 23. September 1999 - BVerwG 4 C 6.98 - BVerwGE 109, 314 <324>).

26

dd) Schließlich bietet auch der Gesichtspunkt der architektonischen Selbsthilfe keine Rechtfertigung für die vom Oberverwaltungsgericht für zulässig angesehene Konfliktlösung mit Mitteln des passiven Lärmschutzes. Zwar trifft es im Ausgangspunkt zu, dass sich aus dem Rücksichtnahmegebot die Obliegenheit des Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm aber nur mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen abverlangt werden. Das schließt immissionsreduzierende Maßnahmen wie Veränderungen der Stellung des Gebäudes, des äußeren Zuschnitts des Hauses oder der Anordnung der Wohnräume und der notwendigen Fenster, ohne Weiteres mit ein (vgl. Urteil vom 23. September 1999 a.a.O. S. 323). Dasselbe gilt, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. Beschluss vom 7. Juni 2012 - BVerwG 4 BN 6.12 - juris), die keine relevanten Messpunkte im Sinne von Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 ihres Anhangs darstellen. Passiver Lärmschutz als Mittel der architektonischen Selbsthilfe kann daher nur außerhalb des Anwendungsbereichs der TA Lärm und bei - hier nicht einschlägiger - Anwendung solcher Regelwerke in Betracht kommen, die diese Möglichkeit zulassen (vgl. Urteil vom 22. März 2007 - BVerwG 4 CN 2.06 - BVerwGE 128, 238 Rn. 16 f.).

27

4. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann der Senat nicht entscheiden, ob sich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts aus anderen Gründen als richtig darstellt (vgl. § 144 Abs. 4 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - die nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze mit Blick auf die Bereitschaft des Beigeladenen, passiven Lärmschutz vorzusehen, unter Zugrundelegung derjenigen Lärmimmissionen ermittelt, die für das Grundstück des Beigeladenen im ungünstigsten Fall zu erwarten sind. Der Frage, welche Lärmminderungsmaßnahmen dem Kläger nach den (unter 3. b) dargelegten Vorgaben des Rücksichtnahmegebots obliegen, ist das Oberverwaltungsgericht nicht nachgegangen. Das wird es nachzuholen haben. Die dem zur Rücksichtnahme verpflichteten Kläger insoweit zumutbaren Maßnahmen bestimmen sich nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (Urteil vom 18. Mai 1995 - BVerwG 4 C 20.94 - BVerwGE 98, 235 <246 f.> m.w.N). Dass Möglichkeiten der Lärmminderung beim Gewerbebetrieb des Klägers, mit denen der nach den bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts maßgebliche Außen-Immissionswert von 60 dB(A) eingehalten werden könnte, schon aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen wären, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Auf die bestandskräftige Genehmigung seines Betriebs kann sich der Kläger gegenüber seinen dynamisch angelegten Grundpflichten aus § 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht berufen (vgl. Urteil vom 18. Mai 1995 a.a.O). Anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 21 f.) offenbar annimmt, sind diese Pflichten gegenüber - wie hier - heranrückender Wohnbebauung nicht von vornherein auf solche Lärmminderungsmaßnahmen beschränkt, zu denen der Gewerbebetrieb bereits gegenüber der vorhandenen Wohnbebauung verpflichtet gewesen wäre.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines mehrgeschossigen Wohngebäudes mit Tiefgarage.

Mit Bescheid vom 14. August 2014 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Genehmigung zum „Neubau einer Wohnanlage mit 87 Wohneinheiten und 129 Tiefgaragenstellplätzen, Fahrrad- und Kinderwagenabstellräumen, Kinderspielplatz sowie Blockheizkraftwerk mit 39 kW und Niedertemperaturkessel mit 200 kW“ auf dem Grundstück Fl. Nr. 3645 Gemarkung W. Die Baugenehmigung beinhaltet verschiedene immissionsschutzrechtliche Auflagen sowie eine Abweichung von der gesetzlich vorgeschriebenen Rettungsweglänge hinsichtlich einiger Tiefgaragenstellplätze. Sie wurde am 20. August 2014 öffentlich bekannt gemacht.

Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Wohngebiet Platz’scher Garten“ vom 26. Februar 2014. Über die hiergegen vom Antragsteller erhobene Normenkontrolle (Az. 9 N 14.429) ist noch nicht entschieden; ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde mit Beschluss des Senats vom 24. April 2014 (Az. 9 NE 14.430) abgelehnt.

Der Antragsteller ist Wohnungserbbauberechtigter und Miteigentümer einer Wohnung im 3. Obergeschoss des Gebäudes auf Fl. Nr. 3505/6 Gemarkung Würzburg, die nach Norden zur St.-Benedikt-Straße hin orientiert ist. Dieses Grundstück liegt, getrennt durch die St.-Benedikt-Straße, dem Baugrundstück auf einer Länge von ca. 4 m gegenüber und im Übrigen nach Westen versetzt, südwestlich des Baugrundstücks. Die genehmigte Wohnanlage besteht aus insgesamt sechs, in geschlossener Bauweise errichteten Häusern, die sich von der St.-Benedikt-Straße in östlicher Richtung bis zur Dürerstraße, dann in nördlicher Richtung bis zur Rottendorfer Straße und anschließend in nordwestlicher Richtung entlang der Rottendorfer Straße erstrecken. Die Zufahrt zur Tiefgarage befindet sich in der südwestlichen Ecke von „Haus 1“ in der St.-Benedikt-Straße schräg gegenüber des Gebäudes auf Fl. Nr. 3505/6 Gemarkung W.

Am 29. August 2014 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig ließ er einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen. Diesen lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Oktober 2014 ab. Die angefochtene Baugenehmigung verletze den Antragsteller weder unter Zugrundelegung des Bebauungsplans noch bei Annahme der Unwirksamkeit des Bebauungsplans in nachbarschützenden Rechten; insbesondere sei das Bauvorhaben ihm gegenüber nicht rücksichtslos.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, dass das Bauvorhaben im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht im Innenbereich, sondern im Außenbereich liege, da der „Platz’sche Garten“ keine Baulücke, sondern eine Außenbereichsinsel sei. Dementsprechend sei das Vorhaben nur nach dem Bebauungsplan zulässig, der aber - wie die Ausführungen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren zeigten - unwirksam sei.

Das Bauvorhaben sei jedoch auch im Innenbereich nicht zulässig, da es sich nicht einfüge. Dies belege die Nichteinhaltung der Abstandsflächen, die Überschreitung der Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung und die Blockrandbebauung, die in der Umgebung nicht vorhanden sei und zur Entstehung einer Straßenschlucht führe. Das Vorhaben verletze das Gebot der Rücksichtnahme, in dem es gegenüber dem Antragsteller eine erdrückende Wirkung entfalte und zu unzumutbaren Immissionen führe. Die Stellungnahme des Dipl.-Physikers P. vom 19. November 2014 zeige, dass es zu Mehrbelastungen des Antragstellers komme und die Lärmsituation fehlerhaft berücksichtigt worden sei. Dementsprechend sei es auch zu einer fehlerhaften Abwägung mit seinen Interessen gekommen.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 13. Oktober 2014, bekannt gegeben am 24. Oktober 2014, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 14. August 2014 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Bauvorhaben sei sowohl unter Zugrundelegung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Wohngebiet Platz’scher Garten“ als auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans zulässig. Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor.

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Bauvorhaben sei sowohl bei Wirksamkeit als auch bei Unwirksamkeit des Bebauungsplans bauplanungsrechtlich zulässig. Auch bei Annahme einer - nicht vorliegenden - Außenbereichsinsel könne der Antragsteller allein eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen, die jedoch nicht vorliege.

Die Abstandsflächen seien für die Frage des Einfügens nicht maßgeblich. Zudem werde der Kläger aufgrund der Grundstückssituation hiervon gar nicht betroffen. Das Bauvorhaben halte die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung ein und liege unter den Höchstgrenzen des § 17 BauNVO. Unabhängig davon seien die Umgebung deutlich dichter bebaut und gewisse Überschreitungen gesetzlich zulässig. Blockrandbebauung befinde sich zudem beispielsweise im Bestand entlang der St.-Benedikt-Straße und im nördlichen Teil der Rottendorfer Straße.

Das Bauvorhaben führe zu keiner abriegelnden oder erdrückenden Wirkung gegenüber dem Gebäude, in dem der Antragsteller seine Wohnung habe. Die straßenraumprägende Gebäudefront entspreche der umliegenden Bebauung und die Gesamthöhe liege unterhalb der Gesamthöhe der Umgebungsbebauung. Zudem weise das Bauvorhaben zum Gebäude auf Fl. Nr. 3505/6 der Gemarkung Würzburg einen Abstand von über 17 m auf. Das Vorhaben führe auch zu keiner unzumutbaren Immissionsbelastung des Antragstellers, wie das Schallgutachten der Firma A. vom 9. Mai 2012 im Rahmen des Bauleitplanverfahrens belege. Trotz unzutreffender Darstellung der Eingangsdaten würden die Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm jedenfalls deutlich unterschritten. Wohngebietstypische Emissionen seien berücksichtigt und vom Antragsteller hinzunehmen.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 9. Januar 2015 wurde der Bevollmächtigte des Antragstellers darauf hingewiesen, dass die Begründungsfrist für die Beschwerde nicht eingehalten worden sei. Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2015 hat der Bevollmächtigte sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung wurde dargelegt, dass das Einschreiben mit dem Begründungsschriftsatz, der bei Gericht erst am 25. Oktober 2014 einging, bereits am 21. Oktober 2014 zur Post gegeben worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten sowie Planakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Dem Antragsteller war hinsichtlich der Versäumung der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO um einen Tag wegen einer Überschreitung der normalen Postlaufzeit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da die Laufzeitvorgabe nach der Produktbeschreibung des in Anspruch genommenen Zustelldienstes E+1 beträgt und der Bevollmächtigte sich grundsätzlich auf die normale Postlaufzeit und die postamtlichen Auskünfte zur Postbeförderungsdauer verlassen darf (VGH BW, U. v. 10.3.1997 - 6 S 210/97 - VBlBW 1997, 297 = juris Rn. 14; BVerwG, B. v. 15.10.1997 - 6 BN 51/97 - juris Rn. 11; BVerwG, B. v. 28.12.1989 - 5 B 13/89 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 166 = juris Rn. 3; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 60 Rn. 9). Anhaltspunkte, die eine hiervon abweichende Beurteilung zulassen, liegen im vorliegenden Fall nicht vor.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Antragsteller voraussichtlich nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller als Wohnungseigentümer auf die Geltendmachung einer Beeinträchtigung seines Sondereigentums beschränkt ist (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 42 Rn. 121).

Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss darauf abgestellt, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen sowohl unter Zugrundelegung des Bebauungsplans „Wohngebiet Platz’scher Garten“ als auch bei dessen Unwirksamkeit bauplanungsrechtlich zulässig und gegenüber dem Antragsteller nicht rücksichtslos ist. In einem solchen Fall muss der Antragsteller Beschwerdegründe gegen jeden tragenden Grundsatz im Beschluss des Verwaltungsgerichts darlegen (vgl. Happ in Eyermann, a. a. O., § 146 Rn. 22 und § 124a Rn. 61). Der Antrag bleibt jedoch nach jeder Variante erfolglos.

1. Im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans „Wohngebiet Platz’scher Garten“ vom 26. Februar 2014 richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens der Beigeladenen nach § 30 Abs. 2 i. V. m. § 12 BauGB. Das Bauvorhaben hält - vom Antragsteller nicht bestritten - die Festsetzungen dieses vorhabenbezogenen Bebauungsplans ein, so dass eine Verletzung drittschützender Festsetzungen von vornherein nicht in Betracht kommt. Eine Abweichung (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) wurde lediglich hinsichtlich der Rettungsweglänge gem. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GaStellV beantragt und erteilt, die jedoch - abgesehen davon, dass der Antragsteller dies nicht rügt - nicht drittschützend ist (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2014, Art. 66 Rn. 284). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Gebäude mit der Wohnung des Antragstellers nicht im Geltungsbereich des Bebauungsplans liegt und grundsätzlich kein plangebietsübergreifender Nachbarschutz besteht, so dass er daher vorliegend auf die Geltendmachung einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme beschränkt ist (BVerwG, B. v. 18.12.2007 - 4 B 55/07 - BayVBl 2008, 765 = juris Rn. 6). Da der Antragsteller, wie sich im Folgenden zeigt, auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nur eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen kann und sich der Prüfungsmaßstab insoweit nicht unterscheidet (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - juris Rn. 26), kann hier dahingestellt bleiben, ob der Bebauungsplan „Wohngebiet Platz’scher Garten“ wirksam ist oder nicht.

2. Dahingestellt bleiben kann auch, ob sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nach § 34 BauGB für den Innenbereich oder nach § 35 BauGB für den Außenbereich richtet. Denn der Antrag bleibt in jedem Fall erfolglos.

Soweit der Antragsteller behauptet, im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans richte sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 35 BauGB, lässt sich allein aus einer eventuellen fehlerhaften Gebietseinstufung kein Drittschutz ableiten (vgl. BayVGH, B. v. 18.9.2008 - 1 ZB 06.2294 - juris Rn. 38). Vielmehr ergibt sich der Nachbarschutz auch im Falle des § 35 BauGB aus dem in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 1 BImSchG enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - DVBl 1994, 697 = juris Rn. 15, 19). Zwar ist im Falle des § 35 BauGB auch das Erfordernis einer förmlichen Planung ein ungeschriebener öffentlicher Belang i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB. Eine Beeinträchtigung kommt insoweit jedoch nur bei einer Konfliktlage mit hoher Intensität für die berührten öffentlichen und privaten Belange in Betracht und ist im Übrigen für eine Rechtsverletzung des Nachbarn auch nur bei einer erdrückenden Wirkung oder einer unzumutbaren Lärmbelastung, wie sie im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme zu prüfen sind, denkbar (vgl. BayVGH, B. v. 18.9.2008 - 1 ZB 06.2294 - juris Rn. 37).

Mangels Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen die Art der baulichen Nutzung ergibt sich auch im Falle des § 34 BauGB ein Drittschutz hier nur über das im Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Dabei kann sowohl ein Rahmen wahrendes Vorhaben ausnahmsweise unzulässig sein, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die Bebauung in der Nachbarschaft nimmt (vgl. BVerwG, U. v. 5.12.2013 - 4 C 5/12 - DVBl 2014, 530 = juris Rn. 21) als auch umgekehrt ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ausnahmsweise zulässig sein, wenn es trotz der Überschreitung keine städtebaulichen Spannungen hervorruft (BVerwG v. 26.5.1978 - 4 C 9/77 - juris Rn. 46 f). Im vorliegenden Fall wird im Beschwerdevorbringen nicht ausreichend dargelegt, dass der Rahmen der Eigenart der näheren Umgebung i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, wie ihn das Verwaltungsgericht zugrunde gelegt hat (Rn. 40 ff), nicht eingehalten ist. Unabhängig davon, dass die Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung auch im Rahmen des § 34 BauGB grundsätzlich nicht drittschützend sind (vgl. BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12; Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Auflage 2014, Vorb. §§ 29 - 38 Rn. 69), werden substantiierte Einwendungen betreffend das Maß der baulichen Nutzung nicht erhoben und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben unabhängig von seiner Nutzungsart den vorhandenen Rahmen in unangemessener Weise überschreitet (vgl. BVerwG, B. v. 21.6.2007 - 4 B 8/07 - juris Rn. 6; BayVGH, B. v. 13.3.2014 - 15 ZB 13.1017 - juris Rn. 7 m. w. N.). Die Obergrenzen des § 17 BauNVO sind im Rahmen des § 34 BauGB nicht maßgeblich, da es allein auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt (vgl. BayVGH, B. v. 7.1.1992 - 2 B 90.1394 - BayVBl 1992, 589; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1.7.2014, § 34 Rn. 45 und § 17 BauNVO Rn. 3, 15). Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts hierzu werden vom Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Eine „Blockrandbebauung“, wie sie der Antragsteller vorträgt, betrifft - unabhängig davon, ob diese gegenüber dem Antragsteller, der kein seitlicher Grenznachbar des Bauvorhabens ist, überhaupt drittschützende Wirkung hätte (vgl. Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a. a. O., § 22 BauNVO Rn. 48 f) - den Antragsteller allenfalls hinsichtlich des ihm unmittelbar schräg gegenüberliegenden Teil des Gebäudekomplexes mit „Haus 1“ und teilweise „Haus 2“, nicht jedoch mit dem gesamten Baukörper der Wohnanlage. Insbesondere Haus 3 bis 5 entlang der Dürerstraße und der Rottendorfer Straße sind vom Antragsteller aufgrund der baulichen Gegebenheiten und der abschirmenden Wirkung des Gebäudeteils entlang der St.-Benedikt-Straße im Falle der Realisierung des Bauvorhabens aber gar nicht wahrnehmbar. Abgesehen davon befindet sich gerade auf der nördlichen Seite der St.-Benedikt-Straße, auf der auch das Bauvorhaben ausgeführt werden soll, im westlichen Anschluss an das Baugrundstück eine geschlossene Bebauung, so dass die nähere Umgebung nicht ausschließlich durch offene Bauweise geprägt ist.

3. Nach dem hier - entsprechend den obigen Ausführungen - allein maßgeblichen Gebot der Rücksichtnahme, liegt eine Rechtsverletzung des Antragstellers, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, aller Voraussicht nach nicht vor. Dabei kommt es im Einzelfall wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 354 = juris Rn. 17; BVerwG, U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04 - DVBl 2005, 702 = juris Rn. 22).

a) Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ergibt sich hier nicht aus der vorgetragenen Verletzung der Abstandsflächenvorschriften.

Soweit sich der Antragsteller auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen des Art. 6 BayBO beruft, kann dies bereits deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde führen, da die angefochtene Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art 59 BayBO erteilt wurde. Die Feststellungswirkung der Genehmigung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 - 4 B 244/96 - NVwZ 1998, 58 = juris Rn. 3). Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht vorgesehen; eine Abweichung (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften wurde weder beantragt noch erteilt. Den beschränkten Prüfungsmaßstab des Art. 59 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde außer im Fall der Versagung der Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO nicht selbst erweitern. Eine Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers durch die angefochtene Baugenehmigung wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen kommt deshalb nicht in Betracht (BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 11 m. w. N.). Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine - unterstellte - Verletzung der Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots indizieren würde (vgl. BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).

b) Die vom Antragsteller vorgetragene erdrückende Wirkung hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint.

Maßgeblich für die Frage, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt, ist eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BayVGH, B. v. 23.4.2014 - 9 CS 14.222 - juris Rn. 12 m. w. N.) Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens gegenüber dem Antragsteller nicht vor.

Bereits die Lage und die Entfernung der beiden Baukörper sprechen vorliegend gegen eine erdrückende Wirkung. Denn das Gebäude, in dem der Antragsteller seine Wohnung im 3. Obergeschoß hat, liegt dem Bauvorhaben getrennt durch die ca. 10 m breite St.-Benedikt-Straße schräg gegenüber und ist von diesem insgesamt ca. 17 m entfernt (vgl. zu einer vergleichbaren Entfernung: BayVGH, B. v. 29.7.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Die vom Antragsteller immer wieder angeführte Gesamtgebäudelänge spielt hierbei mangels Betroffenheit des Antragstellers - wie oben bereits ausgeführt - keine Rolle. Auch gibt es ausweislich der Lagepläne und Luftbilder entlang der St.-Benedikt-Straße keine durchgehend geschlossene Bebauung. Vielmehr besteht ein Abstand von ca. 8 m zwischen dem Bauvorhaben auf Fl. Nr. 3645 Gemarkung W. und der westlich folgenden Bestandsbebauung auf Fl. Nr. 3644 Gemarkung W., deren östlicher Gebäudeteil der Wohnung des Antragstellers gegenüberliegt. Sowohl das geplante Gebäude als auch das Gebäude mit der Wohnung des Antragstellers sind zudem durchaus vergleichbar. Das mehrgeschossige Gebäude, in dem der Antragsteller seine Wohnung hat, weist eine Traufhöhe von 16,10 m und eine Gesamthöhe von 206,92 m üNN auf, das geplante Bauvorhaben eine Traufhöhe von 14,53 m bzw. 18,24 m des zurückversetzten Geschoßes bei einer Gesamthöhe von 211,60 m üNN. Die vom Antragsteller angeführte Wirkung einer übermächtigen Erscheinung des genehmigten Bauvorhabens gegenüber dem Gebäude mit der Wohnung des Antragstellers auf Fl. Nr. 3505/6 Gemarkung Würzburg, mit der Folge, dass dieses überwiegend wie eine von einem „herrschenden“ Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen werde (vgl. OVG NW, B. v. 9.2.2009 - 10 B 1713/08 - NVwZ-RR 2009, 374 = juris Rn. 25), ist angesichts dieser Umstände und der weiteren in der St.-Benedikt-Straße vorhandenen Bebauung nicht nachvollziehbar. Aufgrund der Lage des Bauvorhabens im Nordosten der Wohnung des Antragstellers ist darüber hinaus der pauschale Einwand gegen die Verschattungsstudie der A. Ingenieur GmbH im Rahmen des Bauleitplanverfahrens für die Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Antragstellers nicht ausreichend.

c) Die Darlegungen des Antragstellers zur vorhabenbedingten Immissionsbelastung, die sich allein auf eine sein Sondereigentum beeinträchtigende Wirkung beziehen können, führen ebenfalls zu keiner vom Verwaltungsgericht abweichenden Beurteilung.

Der Antragsteller wendet sich im Wesentlichen gegen den durch den Zu- und Abfahrtsverkehr verursachten Lärm, bedingt durch die Situierung der Tiefgaragenzufahrt am südwestlichen Gebäudeteil des Bauvorhabens in der St.-Benedikt-Straße schräg gegenüber der Wohnung des Antragstellers. Über diese Zufahrt wird die gesamte Tiefgarage mit 129 Auto-, 12 Motorrad- und 131 Fahrradstellplätzen erschlossen. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass 11 Tiefgaragenstellplätze dinglich für die Errichtung eines Neubaus auf der Fl. Nr. 3645/4 Gemarkung W. gesichert werden, ist keine den Antragsteller beeinträchtigende Überschreitung des Ausmaßes des Bedürfnisses des sich auf dem Baugrundstück zulässigerweise verwirklichten Wohnbestandes ersichtlich (vgl. BayVGH, B. v. 11.8.1999 - 27 ZS 99.1717 - juris Rn. 7). Die für die zugelassene Nutzung notwendigen Stellplätze sind einschließlich der mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen grundsätzlich hinzunehmen und als sozialadäquat zu dulden; insoweit besteht eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit (vgl. BayVGH, B. v. 18.9.2008 - 1 ZB 06.2294 - juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 13.3.2014 - 15 ZB 13.1017 - juris Rn. 14). Zu berücksichtigen ist ferner, dass - worauf bereits das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - zugunsten des Antragstellers zur Beurteilung hinsichtlich seines Schutzniveaus trotz möglicher gegenteiliger Anhaltspunkte ein allgemeines Wohngebiet angenommen wurde und dem Schallgutachten der Firma A. Ingenieure GmbH vom 9. Mai 2012 eine deutlich höhere Zahl an Stellplätzen (147 statt 129) zugrunde liegt. Nach diesem Gutachten kommt es bereits im Erdgeschoß des Gebäudes auf Fl. Nr. 3505/6 Gemarkung Würzburg, in dem die Wohnung des Antragstellers liegt, zu keiner Überschreitung der zulässigen Immissionsrichtwerte und ist für die Wohnung im 3. Obergeschoß von einer weiteren Reduzierung auszugehen. Nach den korrigierten Angaben des Beigeladenen beträgt der Beurteilungspegel an der Fassade des Gebäudes Fl. Nr. 3506/6 Gemarkung Würzburg („St.-Benedikt-Straße 9“ - richtig wohl „6“) bereits im 1. Obergeschoß zur Nachtzeit 38 dB(A) und liegt damit unter dem maßgeblichen Immissionsrichtwert von 40 dB(A). Für das für den Antragsteller maßgebliche 3. Obergeschoß reduziert sich der Beurteilungspegel um 1 dB(A) und beträgt nur 37 dB(A). Auch unter Berücksichtigung der - vom Antragsteller angeführten und vom Beigeladenen korrigierten - fehlerhaften Eingangsdaten, wird im Beschwerdevorbringen nicht ausreichend dargelegt, dass es an der Wohnung des Antragstellers im 3. Obergeschoß des Gebäudes auf Fl. Nr. 3505/6 Gemarkung W. entgegen dem Ergebnis dieses Gutachtens zu einer Überschreitung der maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm kommt. Die vom Antragsteller vorgelegte Stellungnahme des Dipl.-Physikers P. vom 19. November 2014 ist nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu kommen. Denn die Stellungnahme führt zahlreiche Punkte an, die sich nicht auf die Immissionsbelastung des Antragstellers auswirken bzw. nicht durch das Bauvorhaben bedingt sind (z. B. Verkehrszunahme in der Rottendorfer Straße unter Außerachtlassung der Abschirmwirkung der geplanten Gebäude, Eignung des „Platz’schen Gartens“ als Wohngebiet aufgrund darauf einwirkender Immissionen, Schallimmissionen auf das Bauvorhaben durch die Bäckerei und den Lebensmittelmarkt). Auch der angeführte Zuschlag für Straßenschluchten nach der Städtebaulichen Lärmfibel des Ministeriums für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg 2013 (S. 69) führt zu keiner anderen Beurteilung, da es sich bei der Bebauung in der St.-Benedikt-Straße auch unter Einbeziehung des geplanten Vorhabens nicht um eine beidseitig mehrgeschossige und geschlossene Bebauung handelt. Abgesehen davon, dass die Nordseite der St.-Benedikt-Straße zwischen den Fl. Nrn. 3644 und 3645 Gemarkung W. nicht durchgehend geschlossen ist, ist jedenfalls die Südseite der St.-Benedikt-Straße nicht mit einer geschlossenen Gebäudeflucht bebaut. Eine vom Antragsteller beanstandete fehlende Berücksichtigung wohngebietstypischer Immissionen ist weder ausreichend dargelegt noch sonst ersichtlich. Schließlich kann sich der Antragsteller auch nicht mit Erfolg auf eine durch das Bauvorhaben steigende Feinstaubbelastung wegen entfallender Bäume und verlorengehender Frischluftschneise berufen. Nach dem lufthygienischen Gutachten der Firma s. vom 11. Dezember 2013 zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan „Wohngebiet Platz’scher Garten“ werden - unter Berücksichtigung der zum Luftreinhalteplan W. veröffentlichten NO2-Hintergrundbelastung, der Eingriffe in den Baumbestand und der Bebauungsvarianten sowie unter Auswertung der Feinstaub-Messwerte umliegender Messstationen - die für NO2, PM10 und PM2,5 relevanten Grenzwerte der 39. BImSchV im gesamten Untersuchungsgebiet in allen beurteilungsrelevanten Bereichen eingehalten. Diesem Ergebnis wird durch den bloßen Hinweis auf die Überschreitung der Feinstaubbelastung an der ca. 200 m entfernt liegenden Messstation Süd des Landesamtes für Umwelt nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 154 Abs. 3‚ § 162 Abs. 3 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Verwaltungsgericht).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller, (Mit-)Eigentümer des Grundstücks FlNr. 757/13 Gemarkung F., wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. November 2013 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses mit fünf Wohneinheiten und fünf Stellplätzen auf dem südlichen Nachbargrundstück FlNr. 757/48 Gemarkung F. Er hat gegen die Baugenehmigung Klage erhoben. Ferner hat er beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2014 abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er macht geltend, das Vorhaben verletze wegen der Nichteinhaltung der Abstandsfläche gemäß Art. 6 BayBO das in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme. Das Vorhaben übe eine erdrückende Wirkung auf sein Anwesen aus, das 2,50 m tiefer liege als die Gehsteigoberfläche. Die Wohnräume und der Garten seines Anwesens würden nicht mehr sachgerecht belichtet. Der Antragsteller sei in seinem Garten immer den Blicken der Bewohner des Vorhabens ausgesetzt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 13. Januar 2014 abzuändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung vom 26. November 2013 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Gebot der Rücksichtnahme werde durch das Vorhaben nicht verletzt. Dieses füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Von ihm gehe auch keine erdrückende Wirkung auf das Wohngebäude des Antragstellers aus. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren seien Abstandsflächen nicht zu prüfen gewesen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie verweist darauf, dass die Abstandsflächen nach der Bayerischen Bauordnung eingehalten seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

Soweit sich der Antragsteller auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen des Art. 6 BayBO beruft, führt dies nicht zum Erfolg der Beschwerde. Hier wurde die angefochtene Baugenehmigung, worauf in H 001 der Auflagen (Nebenbestimmungen) und Hinweise ausdrücklich hingewiesen wurde, im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO erteilt. Die Feststellungswirkung der Genehmigung ist deshalb auf die in Art. 59 Satz 1 BayBO genannten Kriterien beschränkt. Die Prüfung der Abstandsflächenvorschriften ist darin nicht vorgesehen; eine Abweichung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften wurde weder beantragt noch erteilt. Den beschränkten Prüfungsmaßstab des Art. 59 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde außer im Fall der Versagung der Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO nicht selbst erweitern. Eine Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers durch die angefochtene Baugenehmigung wegen Nichteinhaltung von Abstandsflächen kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 17.3.2014 - 15 CS 13.2648 - juris Rn. 14 jeweils m. w. N.). Dass der von der Beigeladenen eingereichte Abstandsflächenplan einen Genehmigungsstempel trägt, ist somit ohne Belang. Im Übrigen kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine - unterstellte - Verletzung der Abstandsflächenvorschriften auch eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots indizieren würde (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17).

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das Maß der baulichen Nutzung i. S. des § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich keine nachbarschützende Wirkung entfaltet und es entscheidend für die Verletzung von nachbarlichen Rechten allein darauf ankommt, ob das Vorhaben die mit dem Gebot des Einfügens (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) geforderte Rücksichtnahme auf den Antragsteller einhält (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 4). Dieses Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbar nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung seines Grundstücks verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls ist maßgeblich dafür, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt. (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 5). Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016 - juris Rn. 6). Das Verwaltungsgericht hat hier eine solche Gesamtschau vorgenommen und dabei auch unterstellt, dass das im Miteigentum des Antragstellers stehende Grundstück an der gemeinsamen Grundstücksgrenze um ca. 2,50 m tiefer liegen sollte. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das Verwaltungsgericht dabei von falschen tatsächlichen Annahmen ausgegangen ist.

Der Antragsteller muss auch die Möglichkeit der Einsichtnahme in sein Grundstück hinnehmen. Das öffentliche Baurecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart, des Nutzungsmaßes, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - darin nicht angesprochen (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 - 4 B 72/89 - juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris Rn. 6 m. w. N.). Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall lassen sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen. Soweit der Senat im Einzelfall die Möglichkeit der Einsichtnahme für erheblich gehalten hat (vgl. B.v. 2.7.2010 - 9 CS 10.894 - juris Rn. 5 ), lagen dem im Vergleich zur Lage des Antragstellers völlig andere tatsächliche Verhältnisse zugrunde (Durchbrechung einer profilgleichen Reihenhausbauweise durch einen massiven Queranbau an ein Reiheneckhaus in den Ruhe- und Gartenbereich der Reihenhauszeile hinein).

Kosten: § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München

2 B 15.1431

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 29. Oktober 2015

(VG München, Entscheidung vom 11. November 2013, Az.: M 8 K 12.3084)

2. Senat

H.-Z. als stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Sachgebietsschlüssel: 920

Hauptpunkte: Baugenehmigung, Prüfungsumfang, Abstandsflächen, Abweichung

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Landeshauptstadt München,

vertreten durch den Oberbürgermeister, Lokalbaukommission, Blumenstr. 19, München,

- Beklagte -

beigeladen:

1. ...,

vertreten durch den Geschäftsführer, ...

2. ...

bevollmächtigt zu 1 und 2: Rechtsanwälte ...

beteiligt:

Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses, Ludwigstr. 23, München,

wegen Baugenehmigung ..., Fl. Nr. 17139 Gemarkung ...

hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dösing, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Bauer, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Winkler aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung, mit der unter anderem die Errichtung eines dreigeschossigen Wohngebäudes im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. 17139 der Gemarkung M. zugelassen wurde. Dort befindet sich bislang ein Garagengebäude mit einer Länge von ca. 18 m, das zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17159 und 17158 grenzständig errichtet wurde.

Das Nachbargrundstück Fl. Nr. 17157 steht im Eigentum einer Gemeinschaft nach dem Wohnungseigentumsgesetz. Die Kläger sind Sondereigentümer mehrerer Wohneinheiten im fünfgeschossigen Vordergebäude sowie Teileigentümer einer Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft. Die für den Betrieb genutzten Räume befinden sich im Erdgeschoss des Vordergebäudes sowie in im rückwärtigen Bereich gelegenen eingeschossigen Anbauten, die teilweise zum Vorhabensgrundstück hin grenzständig stehen.

Das Grundstück Fl. Nr. 17159, das im rückwärtigen Bereich bedingt durch einen unregelmäßigen Grenzverlauf auch eine gemeinsame Grenze auf einer Länge von ca. 11 m im Bereich der Garagen mit dem Vorhabensgrundstück aufweist, steht im Miteigentum der Kläger. Das Vordergebäude auf dem Grundstück ist dreigeschossig, während die rückwärtige Bebauung ein- und zweigeschossig errichtet wurde. Die Gebäude werden zum Teil zu Wohnzwecken und zum Teil für den Betrieb der Konditorei genutzt.

1. Mit Bescheid vom 8. Juni 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Sanierung des Anwesens und die Errichtung eines dreigeschossigen Rückgebäudes. Es wurden Abweichungen hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsflächen zugelassen, unter anderem im Hinblick darauf, dass sich die Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude überdecken.

Das Rückgebäude soll grenzständig zu den Grundstücken Fl. Nrn. 17157, 17158 und 17159 unter Abbruch des vorhandenen Garagengebäudes errichtet werden, weist jedoch größere Gebäudetiefen von ca. 15 m im Westen und ca. 8 m im Osten auf. Die unterschiedlichen Tiefen ergeben sich aus einer Verschwenkung der Gebäudefronten nach Süden hin.

Mit Bescheid vom 12. Oktober 2012 genehmigte die Beklagte der Beigeladenen zu 1 eine Änderung, die die Schaffung von zwei Wohneinheiten im Rückgebäude zum Gegenstand hat. Eine Änderung der Kubatur des Gebäudes gegenüber der bisherigen Planung ist im grenzständigen Bereich nicht vorgesehen.

Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 wurde mit Schreiben vom 25. Oktober 2012 ein Bauherrenwechsel auf den Beigeladenen zu 2 angezeigt.

Auf die Anfechtungsklage der Kläger hin hob das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. November 2013 die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 insoweit auf, als mit ihr die Errichtung eines Wohngebäudes im rückwärtigen Grundstücksbereich genehmigt wurde. Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und die Kläger könnten deren Aufhebung beanspruchen, weil die Genehmigung zu ihren Lasten gegen die im Verfahren zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoße, soweit mit ihr nach Norden hin eine Grenzbebauung zugelassen werde.

2. Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass das Abstandsflächenrecht vorliegend in vollem Umfang und bezüglich sämtlicher Außenwände des strittigen Rückgebäudes vom Regelungsgehalt der angefochtenen Bescheide umfasst sei. Tatsächlich beschränke sich der abstandsflächenrechtliche Regelungsgehalt der Baugenehmigungsbescheide hinsichtlich des Rückgebäudes auf die Überschneidung der Abstandsflächen von Vorder- und Rückgebäude. Die Ermessenserwägungen sowie die Prüfung der übrigen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Abweichungen bedürften keiner Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Situation vor den anderen Gebäudeseiten. Durch die in Richtung Süden erteilten Abweichungen würden Nachbarbelange der Kläger nicht berührt. Dass mit der Abstandsflächenverkürzung in Richtung Süden gerade die Voraussetzungen für die Situierung des Rückgebäudes geschaffen worden seien, sei unzutreffend. Mit dem Grenzabstand zu den Grundstücken der Kläger habe die erteilte Abweichung nichts zu tun. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Behandlung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO im Rahmen der Baugenehmigungsbescheide.

Es könne zwar sein, dass im Einzelfall die Rechtmäßigkeit einer abstandsflächenrechtlichen Abweichung für eine Gebäudeaußenwand auch von der Situation vor den übrigen Außenwänden abhängen kann. Dies wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn die Frage nach dem Verhältnis abstandsflächenrechtlicher Abweichungen einerseits und der gegebenenfalls zweimaligen Anwendung des 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO andererseits im Raum stehe. Im vorliegenden Fall stehe die erteilte Abweichung von den abstandsflächenrechtlichen Vorgaben jedoch in keinerlei Zusammenhang mit der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung der übrigen Außenwände. Auch auf der Ebene der Ermessensausübung für die Erteilung der beantragten Abweichung für die südliche Außenwand des strittigen Rückgebäudes spiele die Situation vor den übrigen Außenwänden nicht die geringste Rolle. Der vermeintliche Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei daher für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen nicht entscheidend.

Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen zulässigen Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Diese Privilegierung greife nicht nur dann, wenn das zu beurteilende Vorhaben im abstandsflächenrelevanten Bereich unter allen planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO räume dem Städtebaurecht vielmehr nur den Vorrang ein, soweit es die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand regele. Zu den in diesem Rahmen zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorgaben gehörten daher ausschließlich solche, die unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpften. Die Prüfung sämtlicher bauplanungsrechtlicher Vorgaben scheide im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO dagegen aus.

Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO bezwecke die Sicherstellung, dass dem Vorrang des Bauplanungsrechts vor dem Bauordnungsrecht auch im Bereich des Abstandsflächenrechts Rechnung getragen werde. Aus diesem Grund könne er sich nur auf solche bauplanungsrechtlichen Vorgaben beziehen, die spezifisch die Gestattung oder die Verpflichtung zum Grenzanbau vorsehen. Andernfalls hätte der klagende Nachbar über die drittschützende Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO die Möglichkeit, sich auf einen Verstoß gegen sämtliche Vorgaben des Bauplanungsrechts zu berufen. Hierzu gehörten dann auch solche Vorgaben, die ihrerseits nicht drittschützend seien, sondern ausschließlich städtebaulichen Zwecken dienten. So würde in Fällen einer durch Bebauungsplan festgesetzten Bebauungstiefe, der nach dem planerischen Willen der planenden Gemeinde kein Drittschutz zukommen soll, gerade dieser Bebauungstiefe Drittschutz verliehen. Dagegen rechtfertige im Fall der Bauweise gerade der Umstand, dass es sich beim Kriterium der Bauweise um eine spezifisch den Grenzanbau regelnde Materie handle, die Berücksichtigung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Die von Seiten des Verwaltungsgerichts vertretene Ansicht weise vor dem Hintergrund des Systems des öffentlich-rechtlichen Nachbarschutzes Wertungswidersprüche auf. Sie erweitere die nachbarliche Rechtsstellung in systemwidriger Weise.

Falls die Bebauungstiefe als Teil des bauplanungsrechtlichen Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche keine bauplanungsrechtliche Vorgabe sei, die Drittschutz vermittelt und/oder spezifisch und unmittelbar an die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Anbaus an die Grundstücksgrenze anknüpft, könnten sich die Kläger auf eine vermeintliche Überschreitung einer faktisch vorhandenen Bebauungstiefe nicht berufen. Bei der Beurteilung der Frage, ob sich ein Bauvorhaben im Innenbereich hinsichtlich der Grundstücksfläche die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, komme es auf die Grundstücksgrenzen gerade nicht an. Drittschutz entfalte eine Bebauungstiefe regelmäßig ebenfalls nicht. Im Ergebnis sei die Bebauungstiefe daher kein bauplanungsrechtliches Kriterium, das im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu prüfen wäre. Ein vermeintlicher Verstoß gegen eine vorliegend bestehende faktische Bebauungstiefe, könne daher dem streitgegenständlichen Vorhaben nicht entgegengehalten werden. Richtig sei es vielmehr, allein auf die Bauweise abzustellen.

Ebenso wenig führe die abstandsflächenrechtliche Situation in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 zur Rechtswidrigkeit der angegriffenen Baugenehmigungen. Auch diese westliche Abstandsflächensituation sei nicht von der Feststellungswirkung der Baugenehmigungen umfasst. Zudem könnten sich die Antragsteller als Sondereigentümer einiger Wohnungen nur insoweit auf einen Abstandsflächenverstoß berufen, als ihr Sondereigentum betroffen sei. Ferner verstoße das Gebäude S.-straße 27 selbst in Ansehung seiner Geschossigkeit in erheblichem Umfang gegen abstandsflächenrechtliche Vorgaben, so dass sich die Kläger insoweit nach Treu und Glauben nicht auf einen vermeintlichen Abstandsflächenverstoß des geplanten Rückgebäudes berufen könnten.

Anhaltspunkte für eine Rücksichtslosigkeit des geplanten Rückgebäudes bestünden nicht. Unzumutbare Auswirkungen im Hinblick auf die Belichtung der Wohnungen des Anwesens S.-straße 27 seien nicht zu besorgen. Soweit sich die Kläger auf unzumutbare Einwirkungen durch Lärm und Geruch beriefen, sei der Vortrag unsubstantiiert. Zudem seien die Räumlichkeiten des Rückgebäudes und gerade die Fenster ausschließlich in Richtung Süden geplant, also von der Bäckerei der Kläger weg ausgerichtet. Nach dem Vortrag der Kläger seien die maßgeblichen Geräuschquellen auch erst ab 6.00 Uhr morgens zu besorgen, so dass diese nur in den Tageszeitraum fielen.

Die Beigeladenen beantragen:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Zu Unrecht seien die Beigeladenen der Auffassung, dass bei Erteilung einer Abweichung von den Abstandsflächen im Sinn von Art. 59 BayBO nur die konkreten Abstandsflächen, von denen abgewichen wird, Gegenstand der behördlichen Prüfung seien. Art. 59 BayBO erweitere jedoch den Prüfungsumfang der Baubehörde auf beantragte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 und 2 Satz 2 BayBO. Damit bringe das Gesetz zum Ausdruck, dass der Prüfungsumfang durch die beantragte Abweichung bestimmt werde, d. h. alle im Abweichungsverfahren zu beachtende Gesichtspunkte Gegenstand der Prüfung seien. Die Beurteilung, ob eine Abweichung von den Abstandsflächen gewährt werden könne, erfordere eine Gesamtbeurteilung der abstandsflächenrechtlichen Situation in Bezug auf die Mindestabstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO.

Zu Unrecht behaupteten die Beigeladenen, dass hier das streitgegenständliche Bauvorhaben im abstandsrelevanten Bereich unter planungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig sei. Allein das Vorhandensein grenzständiger Gebäude sei planungsrechtlich nicht ausreichend für die Beurteilung, ob hier - auch in Bezug auf das streitgegenständliche Bauvorhaben - auf die Beachtung von Abstandsflächen verzichtet werden könne. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO beschränke den Prüfungsumfang der hier relevanten planungsrechtlichen Vorschriften nicht auf diejenigen, welche im Zusammenhang einer etwaigen zulässigen Grenzbebauung stünden.

Das Maß der baulichen Nutzung bestimme sich durch eine Vielzahl von möglichen planungsrechtlichen Vorgaben. Insbesondere könne durch Baulinien der Anbau an die Grundstücksgrenze gefordert werden. Eine im inneren Bauquartier nachvollziehbare Baulinie sei jedoch nicht zu erkennen. Ferner könne durch Bauräume, die über Grundstücksgrenzen hinweg gehen, im Zusammenhang mit der Festsetzung von geschlossener oder halb offener Bauweise, eine planungsrechtliche Vorgabe für eine grenzständige Bebauung gegeben werden. Die vorhandene städtebauliche Struktur gebe dies offensichtlich für die straßenbegleitende Bebauung als Blockrandbebauung vor, jedoch nicht im Blockinneren.

Fänden sich die vorgenannten Kriterien hier nicht, so sei zu fragen, ob durch entsprechende sonstige planungsrechtliche Vorgaben städtebaulich veranlasste grenzständige Bebauungen im Blockinneren zulässig sein sollen. Nachvollziehbar habe das Erstgericht das Bauquartier städtebaulich durch rückwärtige Baulinien bzw. Bebauungstiefen konkretisiert. Insofern werde ein städtebauliches Element zur Anwendung gebracht, welches planungsrechtlich auch im Zusammenhang mit einer etwaigen grenzständigen Bebauung stehe. Es werde deshalb bestritten, dass hier die Frage der Bebauungstiefe keine planungsrechtliche Vorschrift sei, wonach beurteilt werden könne, ob an die Grenze gebaut werden müsse oder gebaut werden dürfe.

Hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme führen die Kläger aus, dass an der Grundstücksgrenze ein 8,13 m hoher und ca. 15 m langer Baukörper geplant sei, der das Terrassen-Niveau des klägerischen Anwesens um 4,05 m überrage. Werde als Maßstab zulässiger Grenzbebauung Art. 6 Abs. 9 BayBO heranzogen, so werde das Höhenmaß um 1,05 m und das Längenmaß um 6 m überschritten. Insofern besitze das Bauvorhaben in Bezug auf das klägerische Grundstück, hier in Bezug auf die Terrassennutzung, erdrückende Wirkung. Hinzu komme, dass durch die Grenzbebauung der Betrieb des Sohnes der Kläger eine erhebliche Einschränkung erfahren werde. Im erdgeschossigen Anbau auf dem klägerischen Grundstück befinde sich eine Backstube mit entsprechenden Abluftanlagen über der darüber befindlichen Terrasse. Aufgrund der unmittelbaren Nähe sei daher mit Geruchsbelästigungen in Bezug auf die Bewohner des streitgegenständlichen Neubaus zu rechnen.

Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses vertritt die Auffassung, dass zum notwendigen Prüfprogramm des Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur die tatsächlich beantragten Abweichungen zählen. Voraussetzung für die ordnungsgemäße Ermessensausübung hierbei sei aber die vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen. Im Rahmen von Abweichungen im Abstandsflächenrecht dürfe dabei nicht nur die nachbarliche Beziehung betrachtet werden, sondern die Bauaufsichtsbehörde müsse sich ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben. Auch die Ermessenserwägungen könnten sich aber nur auf die beantragte Abweichung beziehen, so dass nicht alle öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Interessen berücksichtigt, sondern vielmehr die Belange gewürdigt werden, die von der Vorschrift, von der abgewichen werden soll, geschützt werden. Abgewichen werde vorliegend nur von der Einhaltung der Abstandsflächen der südlichen Gebäudewand des Rückgebäudes, so dass sich die Betrachtung hierauf beschränke.

In Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO komme der planungsrechtliche Vorbehalt, unter dem das Abstandsflächenrecht stehe, zum Ausdruck. Das Planungsrecht genieße den Vorrang vor den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften, wenn nach Planungsrecht an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Dieser planungsrechtliche Vorbehalt könne aber nur den Vorhaben eingeräumt werden, die auch dem Planungsrecht entsprechen. Die planungsrechtliche Privilegierung solle demnach nur ein Vorhaben in Anspruch nehmen können, das danach auch insgesamt zulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschriften über die Einnahme eines Augenscheins vom 25. August 2015 und die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung (§ 124 Abs. 1 VwGO) der Beigeladenen ist begründet. Die angefochtene Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 12. Oktober 2012, soweit mit ihr die Errichtung eines Rückgebäudes zugelassen wird, verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2013 ist somit die Klage abzuweisen.

1. Die Kläger sind als Miteigentümer des Nachbargrundstücks Fl. Nr. 17159 gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Hinsichtlich des Grundstücks Fl. Nr. 17157 sind sie als Sondereigentümer insoweit klagebefugt, als die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung vom 12. Oktober 2012 ihre Rechte aus dem Sondereigentum verletzen kann. Dies ist dann der Fall, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft (vgl. BayVGH, U. v. 12.7.2012 - 2 B 12.1211 - BayVBl 2013, 51). Die Kläger sind insoweit betroffen, als sie die Sondereigentümer einer Wohneinheit im fünfgeschossigen Vordergebäude sind, die eine Terrasse zum Bauvorhaben hin aufweist. Ferner sind sie als Teileigentümer der Gewerbeeinheit für den Betrieb einer Bäckerei mit Ladengeschäft klagebefugt, soweit das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot inmitten steht.

2. Die Anfechtungsklage der Kläger ist jedoch nicht begründet. Soweit der Prüfungsumfang des Art. 59 BayBO reicht, verletzt die Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12. Oktober 2012 hinsichtlich des strittigen Rückgebäudes die Kläger nicht in ihren Rechten. Nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts sind insoweit nicht zu ihren Lasten betroffen. Ebenso wenig wird das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot verletzt.

2.1. Im vorliegenden Fall wurde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt. In dessen Rahmen sind neben den bauplanungsrechtlichen Vorschriften die Anforderungen des Abstandsflächenrechts nur zu prüfen, soweit Abweichungen nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragt wurden.

Hier wurden hinsichtlich des allein noch strittigen Rückgebäudes im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO nur bezüglich des Verhältnisses zum Vordergebäude auf dem Baugrundstück und bezüglich gegenüberliegender Gebäudeteile des Rückgebäudes auf dem Baugrundstück beantragt und erteilt. Sonstige Abweichungen nach Art. 63 Abs. 2 Satz 1 BayBO wurden im Hinblick auf das Rückgebäude nicht erteilt. Die das Vordergebäude betreffenden Abweichungsentscheidungen im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 haben Bestandskraft erlangt. Die Frage nach der abstandsflächenrechtlichen Situation des Vordergebäudes stellt sich damit hier nicht mehr.

Die vorliegend hinsichtlich des geplanten Rückgebäudes erteilten Abweichungen betreffen nicht die nachbarliche Situation zum Grundstück der Kläger bzw. zu ihrem Sonder- oder Teileigentum hin. Eine Nachbarrechtsverletzung ist mithin insoweit auszuschließen. Ob die Beigeladenen zu Unrecht weitere Abweichungen hinsichtlich der Pflicht zur Freihaltung von Abstandsflächen nicht beantragt haben, kann hier dahinstehen. Denn zum Prüfprogramm im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO gehören ausschließlich vom Bauherrn tatsächlich beantragte Abweichungen. Eine Pflicht des Bauherrn, bauordnungsrechtliche Abweichungen zu beantragen, kann aus dieser Vorschrift nicht hergeleitet werden (vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.8.2015, Art. 59 Rn. 15a). Auch die Sätze 1 und 2 des Art. 63 Abs. 2 BayBO betreffen lediglich das Wie und nicht das Ob eines Abweichungsantrags (vgl. Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 53). Bei einer anderen Handhabung des Zusammenspiels von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und Art. 63 Abs. 2 BayBO würde die Beschränkung des Prüfungsmaßstabs aus Art. 59 BayBO aufgegeben werden (vgl. Shirvani in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 65 Rn. 178). Stellt der Bauherr daher keinen entsprechenden Antrag, bleibt nicht nur das Prüfprogramm entsprechend beschränkt, sondern auch der Regelungsinhalt der Baugenehmigung und damit der Nutzen der Baugenehmigung für den Bauherrn sind beschränkt (vgl. Molodovsky a. a. O. Art. 59 Rn. 15a). Die Bauaufsichtsbehörde kann jedoch, falls sie im Zug des Genehmigungsverfahrens beiläufig die fehlende Vereinbarkeit des Bauvorhabens mit bauordnungsrechtlichen Anforderungen feststellt, nach Art. 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BayBO vorgehen. Auf ein solches Tätigwerden der Bauaufsichtsbehörde haben die betroffenen Nachbarn aber keinen Anspruch (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147).

Angesichts dessen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass im vorliegenden Fall die Abstandsflächen vollumfänglich zum Prüfprogramm gehören könnten. Die Vollprüfung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen würde vielmehr dem gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfungsumfangs zuwiderlaufen (vgl. hierzu bereits BayVGH, U. v. 19.1.2009 - 2 BV 08.2567 - BayVBl 2009, 507; U. v. 1.7.2009 - 2 BV 08.2465 - BayVBl 2009, 727). Der Gesetzgeber geht eindeutig davon aus, dass gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO nur Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO zu prüfen sind, die vom Bauherrn ausdrücklich beantragt wurden (vgl. Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Auflage 2012, Art. 59 Rn. 9 f.; Molodovsky a. a. O., Art. 59 Rn. 15; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: 1.2.2015, Art. 59 Rn. 36). Diese sind gesondert für jede Außenwand zu beantragen, zu prüfen und gegebenenfalls zu erteilen (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - Gr.S. 1/1999 - 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89/92). Ebenso kann jede Verkürzung einer Abstandsflächentiefe nur den Nachbarn in seinen Rechten verletzen, dessen Grundstück der betreffenden Außenwand gegenüberliegt (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 - a. a. O., S. 95 f.; Schwarzer/König a. a. O., Art. 6 Rn. 110). Ebenso wenig kann aber ein betroffener Nachbar verlangen, dass Abweichungen in Bezug auf die Abstandsflächentiefe geprüft werden, die nicht im Sinn von Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO beantragt worden sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger kann auch nichts Gegenteiliges aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum sogenannten 16-m-Privileg (Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO) gefolgert werden. Hierbei handelt es sich um eine unmittelbar kraft Gesetzes geltende Abweichung, die eigenen Regeln folgt (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Auflage 2015, Rn. 708). Daraus folgt bei der Inanspruchnahme dieses Privilegs, dass an den übrigen Gebäudeseiten dann 1 H eingehalten werden muss und davon keine Abweichung erteilt werden kann. Bereits dem Regelungssystem des Art. 6 Abs. 6 BayBO kann dabei entnommen werden, dass in diesen Fällen keine Abweichung erteilt werden darf. Denn die Vorschrift baut darauf auf, dass die Abstandsfläche auf zwei Seiten auf 0,5 H verkürzt werden kann, und geht davon aus, dass für die übrigen Gebäude Außenwände 1 H einzuhalten ist (vgl. BayVGH, B. v. 17.4.2000 a. a. O. S. 90 f). Die Einhaltung von 1 H ist danach Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift. Ermessenserwägungen wie bei der Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO sind hier nicht anzustellen. Die Frage des 16-m-Privilegs stellt sich vorliegend ohnehin nicht.

Aus der Tatsache, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Erteilung einer Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO eine Ermessensentscheidung zu treffen hat, ergibt sich vorliegend ebenso wenig anderes. Es handelt sich um ein tatbestandlich intendiertes Ermessen. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen gegeben, so ist die Abweichung in der Regel zuzulassen, es sei denn, es lägen ausnahmsweise dem entgegenstehende besondere Umstände vor (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 12 m. w. N.). Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Ermessensausübung ist aber eine vollständige Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und dessen Einstellung in die Ermessenserwägungen (vgl. Jäde a. a. O., Art. 63 Rn. 18; Molodovsky a. a. O., Art. 63 Rn. 41). Bei Abweichungen von den Abstandsflächenanforderungen muss sich die Bauaufsichtsbehörde auch ein Gesamtbild der von dem Vorhaben in Anspruch genommenen Abweichungen gemacht haben (vgl. Jäde a. a. O. Art. 63 Rn. 19). Hierbei kann es sich jedoch nur um beantragte und erteilte Abweichungen im Sinn von Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO handeln. Der Nachbar kann die Nichteinhaltung der Abstandsflächen zu seinem Grundstück hin nur rügen, soweit eine Abweichung erteilt wurde (vgl. BayVGH, B. v. 28.9.2010 - 2 CS 10.1760 - BayVBl 2011, 147/148). Soweit vorliegend eine Abweichung nicht beantragt und erteilt wurde, scheidet somit eine Prüfung des Abstandsflächenrechts aus. Eine solche Prüfung ist auch nicht im Hinblick auf Art. 65 Abs. 2 BayBO geboten. Der vereinzelt gebliebenen und von der Rechtsprechung nicht aufgegriffenen Literaturmeinung (Koehl, BayVBl 2009, 645), die von einer nachbarschützenden Wirkung der allein den Bauherrn betreffenden, reinen Verfahrensvorschriften des Art. 65 Abs. 2 BayBO ausgeht, ist nicht zu folgen (vgl. BayVGH, B. v. 17.8.2015 - 2 ZB 13.2522 - juris). Vielmehr ergeben sich Verpflichtungen Dritten gegenüber hieraus auch dann nicht, wenn die Vorschrift von der das Vorhaben abweicht, Rechte Dritter schützt (vgl. Schwarzer/König a. a. O., Art. 65 Rn. 20; Jäde a. a. O., Art. 65 Rn. 49b).

Nach allem ist festzuhalten, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung in Bezug auf eine konkret beantragte Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften allenfalls in den Blick zu nehmen hat, welche sonstigen Abweichungen von den Anforderungen des Abstandsflächenrechts in Richtung auf das betreffende Nachbargrundstück außerdem beantragt und erteilt wurden. Dies ist vorliegend in der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 weder in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17157 noch in Bezug auf das Grundstück Fl. Nr. 17159 geschehen. Weder für das hier nur noch strittige geplante Rückgebäude auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 noch für das dortige Vordergebäude, hinsichtlich dessen die Baugenehmigung inzwischen bestandskräftig ist, sind solche Abweichungen zulasten des Grundstücks bzw. des Sonder- oder Teileigentums der Kläger beantragt und erteilt worden. Mithin sind außer den lediglich das Baugrundstück betreffenden Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften für das Verhältnis zwischen Rückgebäude und Vordergebäude sowie für das Verhältnis zwischen gegenüberliegenden Gebäudeteilen des Rückgebäudes keine weiteren Abstandsflächen zu prüfen bzw. von der Bauaufsichtsbehörde bei ihrer Ermessensentscheidung in den Blick zu nehmen gewesen. Die Frage eines zulässigen Grenzanbaus durch das Gebäude im Sinn von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO wurde somit nicht vom Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 BayBO erfasst. Die Ausführungen der Beklagten im Bescheid vom 8. Juni 2012 nehmen deshalb nicht an der Feststellungswirkung der Baugenehmigung teil (vgl. BayVGH, B. v. 12.12.2013 - 2 ZB 12.1513 - juris).

2.2. Durch das Bauvorhaben wird auch das Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht verletzt. Das strittige Rückgebäude hat - soweit die Kläger dies rügen können - keine erdrückende Wirkung gegenüber der Bebauung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157. Es wird zwar ein ca. 15 m langer Baukörper entstehen, der das Terrassenniveau des betroffenen Nachbargrundstücks um rund 4 m überragen wird. Die genannte Terrasse hat jedoch sogar an der schmalsten Stelle eine Breite von rund 7 m. Das strittige gebaute Bauvorhaben ist im Osten des Grundstücks Fl. Nr. 17157 situiert, so dass insbesondere die vormittägliche Sonneneinstrahlung etwas behindert wird. Unbestritten ist jedoch ein Lichteinfallswinkel von 45 Grad nicht nur in Bezug auf die Fenster im ersten Obergeschoß des Nachbargebäudes, sondern sogar zu einem gewissen Teil in Bezug auf die Dachterrasse in ihrem schmalsten Bereich eingehalten. Eine einmauernde Wirkung der geplanten Bebauung gegenüber der in Höhe des ersten Obergeschosses befindlichen Terrasse am Anwesen der Kläger ist damit nicht zu erkennen.

Im Ergebnis kann daher dahinstehen, ob die Beklagte bei Erteilung der Baugenehmigung vom 8. Juni 2012 die Terrassennutzung auf dem Grundstück Fl. Nr. 17157 überhaupt berücksichtigen musste. Nach dem Vortrag der Beigeladenen ist die Terrassennutzung erst im Jahr 2014 genehmigt worden, wobei ein Grenzabstand zum Grundstück der Beigeladenen von 3 m eingehalten werden müsse.

Hinsichtlich möglicher Lärmbelastungen durch die Bäckerei und Konditorei haben die Kläger nichts von Substanz vorgetragen. Der Lieferverkehr soll in den Morgenstunden erst ab 6.00 Uhr stattfinden (vgl. BayVGH, B. v. 19.6.2013 - 2 CS 13.845). Auch beim vormittäglichen Ortstermin durch den Senat konnten keine Lärmbelastungen festgestellt werden. Nachdem das geplante Rückgebäude weder zum Grundstück Fl. Nr. 17157 noch zum Grundstück Fl. Nr. 17159 Fenster aufweisen wird, ist nicht zu erkennen, dass hier unzumutbare Lärmbelastungen auftreten könnten.

Bezüglich der ferner von Klägerseite angeführten möglichen Geruchsbelästigungen für die Bewohner des strittigen Neubaus auf dem Grundstück Fl. Nr. 17139 hat die Beklagte schon im Baugenehmigungsbescheid vom 8. Juni 2012 ausgeführt, dass bereits der bauliche Bestand im Quartier von der direkten Nachbarschaft zwischen Wohnnutzung und der Bäckerei als gewerblicher Nutzung geprägt sei. Hier seien gravierende Konflikte aus der bestehenden Nutzungsmischung heraus nicht bekannt. Mit der Neuerrichtung des Rückgebäudes und der dort geplanten Wohnnutzung rücke diese zwar näher an die gewerbliche Nutzung heran, aber nicht in einer Weise, die den Bestand der Bäckerei unter Berücksichtigung der vorhandenen Nutzungsmischung beeinträchtigen oder gefährden könnte. Dem sind die Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr ist auch hier zu berücksichtigen, dass das geplante Rückgebäude keine Fensteröffnungen zur Bäckerei und Konditorei hin aufweisen wird. Auch beim vormittäglichen Ortstermin des Senats konnten insoweit keine Geruchsbelästigungen festgestellt werden. Es kann somit dahinstehen, ob Gerüche aus einer Bäckerei oder Konditorei überhaupt als unzumutbar für die umgebende Wohnnachbarschaft eingestuft werden könnten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2013 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Streitwert war für beide Rechtszüge auf jeweils 10.000 Euro angemessen zu erhöhen, da hier auch wirtschaftliche Interessen der Kläger inmitten stehen.

Tenor

I.

Das Verfahren wird eingestellt.

II.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 25. September 2014 ist wirkungslos geworden.

III.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

IV.

In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 3.750,-- Euro festgesetzt. Dieser Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren festgesetzt.

Gründe

1. Nachdem der Beklagte und der Kläger mit Schriftsätzen vom 29. September und 19. Oktober 2015 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren einzustellen und das erstinstanzliche Urteil vom 25. September 2014 für wirkungslos zu erklären (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 3 Satz 1 VwGO entsprechend; § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).

2. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen.

Den Gegenstand dieses Rechtstreits (zur parallelen Klage gegen einen nachfolgenden Ergänzungsbescheid vom 11.9.2014 für dasselbe Vorhaben vgl. den Beschluss im Verfahren 15 B 15.1372 vom heutigen Tag) bildete die Nachbarklage gegen eine im vereinfachten Genehmigungsverfahren erteilte Bauerlaubnis des Beklagten vom 28. Mai 2014 für den Wohnhausan- und -umbau eines auf dem westlich an das Klägergrundstück angrenzenden Baugrundstück stehenden Gebäudes (Gesamtlänge des ursprünglichen Bestandes: 22,74 m). Im südlichen Bereich des Baugrundstücks - an der Grenze zum Grundstück des Klägers - wurde die Errichtung einer neuen, an das Hauptgebäude angebauten Grenzgarage genehmigt. Im Norden des Baugrundstücks befindet sich bereits eine giebelständige Grenzbebauung, die - nach dem Abbruch eines Schuppens - auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite mit ihrer Traufseite künftig einen Abstand von 3 m einhalten soll.

Wie im Zulassungsbeschluss vom 16. Juli 2015 angedeutet, war die Klage nach summarischer Prüfung begründet; im Fall einer streitigen Entscheidung hätte die erstinstanzliche Entscheidung voraussichtlich abgeändert werden müssen. Die Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 dürfte rechtswidrig sein und den Kläger in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzen.

Wie im Folgenden näher zu erläutern ist, hat bereits die streitgegenständliche Genehmigung vom 28. Mai 2014 die Zulässigkeit des Vorhabens auf der gesamten Ostseite des Gebäudes einschließlich der neuen Grenzgarage festgestellt, obwohl die Vorgaben des Art. 6 Abs. 6 und 9 BayBO nicht eingehalten werden. Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 2 BayBO darf bei einem Gebäude, das mit einer Außenwand an eine Grundstücksgrenze gebaut wird, eine zweite Außenwand nur bis zu einer Länge von nicht mehr als 16 m die volle Abstandsfläche bis auf die Hälfte unterschreiten. Gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO darf eine in ihren Abmessungen selbst gesetzeskonforme Grenzgarage nur dann an ein Hauptgebäude angebaut werden, wenn dieses die eigenen Abstandsflächen einhält. Das genehmigte Vorhaben verfehlt beide Anforderungen.

2.1 Das Erstgericht ist davon ausgegangen, dass die Bauherren nur eine Abweichung in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen hinsichtlich des nördlich benachbarten Grundstücks beantragt hätten und nur darüber in der Genehmigung vom 28. Mai 2014 entschieden worden sei. Hierdurch werde der östlich benachbarte Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt.

Bereits die erste Annahme überzeugt nicht. Das im Streit gewesene Vorhaben umfasste neben dem „Wohnhausan- und -umbau in ein Zweifamilienhaus“ auch die Errichtung einer neuen Grenzgarage. Sie ist nach der Eintragung auf dem Grundriss für das Kellergeschoss - einschließlich eines auf beiden Seiten durchgängig mit Mauern versehenen und überdachten, nach Angaben 2,49 m tiefen Vorplatzes, der in seinem westlichen Teil zugleich zu einem neu zu schaffenden Hauseingang/Treppenhaus führt - 8,74 m lang. Dieses Gebäude befindet sich im Südosten des Baugrundstücks und damit auf der dem Grundstück des Klägers zugewandten Seite.

Erst diese Maßnahme führt dazu, dass die Gesamtlänge der auf dem Baugrundstück an den Grenzen insgesamt vorhandenen Bebauung die in Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO für höchstens zulässig erklärten 15 m überschreitet. Warum bei einer derartigen zeitlichen Abfolge nur für den an der Nordgrenze bereits vorhandenen Altbestand (Länge des Garagenteils rund 6,80 m, die Länge der giebelständigen Grenzwand insgesamt wird auf den Bauvorlagen mit 9,23 m angegeben) eine Abweichung in Bezug auf die Überschreitung der Höchstlänge beantragt worden sein soll, ergibt sich - jedenfalls auch - nicht aus dem Wortlaut des Abweichungsantrags. Danach bezog sich dieser Antrag seinem Wortlaut nach nur allgemein auf die „bebaute Grenzlänge“. In der Bauakte ist zudem an keiner Stelle ein Hinweis darauf zu finden, dass der Antrag auf Abweichung nur auf das bereits vorhandene Grenzgebäude beschränkt worden wäre. Vielmehr wird zur Begründung dieses Antrags (vgl. Bl. 40 der Bauakte) ausgeführt, dass der neue, als Kleingarage mit einem Flachdach auszuführende Stellplatz nur an der Ostseite platziert werden könne. Daran schließt sich die Feststellung an, dass die maximale Länge der Grenzbebauung von 15 m überschritten werde.

2.2 In jedem Fall aber wäre der Umstand, dass es sich bei dem an der Nordgrenze stehenden Bauwerk nicht nur um eine Garage, sondern im Obergeschoss um einen Teil des Hauptgebäudes handelt, zu berücksichtigen gewesen. Eine Garage verliert ihre gesetzliche Privilegierung als an der Grenze zulässiges Bauwerk, wenn ihr „Nebenraum“ funktional nicht der Garagennutzung zugeordnet ist (VG München, U. v. 24.2.2014 - M 8 K 13.922 - juris Rn. 21 m. zahlr. w. N.). Das ist hier der Fall. Im Grundriss für das Obergeschoss dieser baulichen Anlage findet sich u. a. die Eintragung „Mögliche Wohnnutzung“. Die mit einer Grundfläche von 29,81 qm ausgewiesene zweite Ebene dieses Gebäudeteils ist nur über eine neu einzusetzende Tür vom Dachgeschoss des südlich direkt anschließenden Wohnhauses aus zu erreichen. Das „Wohngaragen-Satteldach“ hat auf der Westseite eine rund 2,70 m breite und mit ihrem First bis zu einer Höhe von etwa 1,90 m aus der Dachfläche heraustretende Gaube.

Bei zutreffender Annahme eines dort grenzständigen Hauptgebäudes hätte sich die untere Bauaufsichtsbehörde - auch unabhängig von der Formulierung des Abweichungsantrags durch die Bauherren (so zutreffend VG München, B. v. 14.8.2009 - M 8 SN 09.3344 - n. v.; vgl. dazu BayVGH, B. v. 26.10.2009 - 2 CS 09.2121 - juris) - im Rahmen der sich nach dem Sachverhalt unmittelbar aufdrängenden Prüfung der Voraussetzungen des 16m-Privilegs (Art. 6 Abs. 6 BayBO) bereits anlässlich der Genehmigung vom 28. Mai 2014 mit der abstandsrechtlichen Situation der Außenwand des Vorhabens auf der zum Grundstück des Klägers weisenden Ostseite befassen müssen. Das gilt in gleicher Weise für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht. Bereits dieses Unterlassen indiziert die Rechtswidrigkeit der im Streit stehenden Genehmigung und zugleich die Fehlerhaftigkeit des Urteils vom 25. September 2014.

Die im Lauf des Rechtstreits vorgelegte Genehmigung vom 25. März 1991 („Bauvorhaben Garagendach“) hat keinen Einfluss auf die negative abstandsrechtliche Gesamtbeurteilung des Vorhabens. Das auf den zur Genehmigung zum Aufbau eines Satteldachs auf die jetzige „Wohngarage“ gehörenden Bauvorlagen eingezeichnete Vorhaben hält mit seiner östlichen, schon damals als vorhandener Bestand eingetragenen, Außenwand nur eine Entfernung von 2,50 m (Maßangaben: 2,26 m zuzüglich 0,24 m) zum Grundstück des Klägers ein. Nun soll diese Wand 3 m von der Grenze abrücken. Darüber hinaus wird jetzt ein zuvor zwischen der Garage und dem Wohnhaus vorhandener, 1,10 m breiter Durchgang auf der Ost- wie auch auf der Westseite zugemauert. Insgesamt handelt es sich dabei um die Identität des verhältnismäßig kleinen Anbaus berührende Maßnahmen, die ersichtlich nicht von jener, ohnehin nur die Aufbringung eines Dachs beinhaltenden, Genehmigung gedeckt sind. Daneben soll das Obergeschoss der Garage, eben unter diesem Dach, eine neue Zweckbestimmung erhalten, wodurch die Genehmigungsfrage für diesen Gebäudeteil insgesamt neu aufgeworfen wird. Dass die in den aktuellen Bauvorlagen als Bestand ausgegebene Gaube auf der Westseite des Dachs in ihren Abmessungen deutlich größer ausgefallen ist als der in der Genehmigung aus dem Jahr 1991 vorzufindende Dachaufbau sei nur am Rande erwähnt. Ebenso wenig kommt es noch darauf an, dass die Bauvorlagen zur Genehmigung vom 28. Mai 2014 im Grundriss für das Erdgeschoss die ursprüngliche Lage der Ostwand nicht in einer der früheren Genehmigung entsprechenden Distanz von der Grenze - nämlich 2,50 m -, sondern ganz im Norden in 2,80 m und im weiteren Verlauf in 3,00 m Abstand von der Grenze zum Grundstück des Klägers darstellen. Der Widerspruch zum Schnitt C-C, der mitten durch das Bauwerk gelegt ist und an dieser Stelle für die Wand einen Grenzabstand von - allenfalls - 2,65 m zeigt, ist leicht erkennbar aber im Baugenehmigungsverfahren ebenfalls folgenlos geblieben.

2.3 Bei einer vollständigen Prüfung des Bauantrags in dem von der Sache her gebotenen Umfang wäre darüber hinaus ohne Weiteres feststellbar gewesen, dass die Wand des Bauvorhabens auf der Ostseite in einem wegen ihrer Lage und den erreichten Höhen kritischen, insgesamt 17,49 m langen Bereich („Wohngarage“: 6,75 m; Wandteil des Hauptgebäudes: 10,74 m) an keiner Stelle die vollen Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhält. Der Anbau der neuen Grenzgarage an das Hauptgebäude und der Abriss des früheren Schuppens neben der „Wohngarage“ samt der Zurückverlegung von deren östlicher Außenwand um (angeblich?) einen halben Meter samt dem direkten Anschluss an das Hauptgebäude vermitteln dem Vorhaben in diesem Bereich ein Erscheinungsbild, das eine abstandsrechtliche Neubeurteilung erfordert (vgl. BayVGH, U. v. 11.11.2014 - 15 B 12.2672 - juris Rn. 35 m. w. N.). Die „Wohngarage“ verfügt nach der Ansicht Osten und dem Schnitt C-C über eine traufseitige Wandhöhe (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) von rund 4,20 m. Diese Anlage ist jedoch nach dem Grundrissplan für das Erdgeschoss nur 3 m von der Grenze zum Klägergrundstück entfernt; auf dem zitierten Schnitt lässt sich - wie bereits erwähnt - nur eine Distanz von 2,65 cm (entspricht 2,65 m) abgreifen. Für die daran nach Süden hin anschließende, unveränderte Giebelwand des Hauptgebäudes errechnet sich das Maß H auf der Grundlage der Ansicht Osten mit 5,63 m (4,60 m plus 1/3 aus 3,10 m, vgl. Art. 6 Abs. 4 Satz 2, 4 und 6 BayBO). Hier stehen auf dem Baugrundstück infolge der leicht schräg zur Grenze stehenden Wand zwischen 4,40 m im nördlichen und 4,60 m im südlichen Bereich zur Verfügung. Die Vorgaben des 16m-Privilegs werden angesichts der Länge dieser Außenwand des Hauptgebäudes von knapp 17,50 m offensichtlich verfehlt. Zur Rechtswidrigkeit der Genehmigung auch im Hinblick auf die neue Grenzgarage wird auf unten 2.5 verwiesen.

2.4 Der bereits angesprochene und im Angesicht des Falles zu verfolgende rechtliche Ansatz hat zum Ergebnis, dass die Bauaufsichtsbehörde mit ihrer Genehmigung vom 28. Mai 2014 - unabhängig von einem nach seinem Wortlaut konkret auch darauf bezogenen Antrag und ob sie es nun wollte oder nicht - jedenfalls tatsächlich die in den Bauvorlagen dargestellte abstandsrechtliche Lage auch auf der Ostseite des Vorhabens gebilligt hat. Die vom Kläger angegriffene Baugenehmigung hat die Rechtmäßigkeit des Vorhabens auch in diesem Punkt festgestellt.

Für die Frage, ob ein Vorhaben die Abstandsflächen einhält, gibt das Gesetz durch die in Art. 6 Abs. 6 BayBO enthaltenen inhaltlichen Maßgaben zugleich den Prüfumfang im Genehmigungsverfahren vor. Ohne die Überprüfung der Lage an allen Seiten eines Gebäudes kann, wie der vorliegende Fall nachdrücklich vor Augen führt, keine den Anforderungen des Gesetzes Genüge leistende Aussage getroffen werden. Diese Vorgaben des materiellen Abstandsflächenrechts sind nicht disponibel, sie können insbesondere nicht durch einen nur auf eine entsprechend ausgewählte Seite oder nur einen ganz bestimmten Teil eines Vorhabens bezogenen Abweichungsantrag eingeschränkt werden. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Rechtmäßigkeit eines Vorhabens, das das 16m-Privileg bereits vollständig in Anspruch nimmt, nicht mit einer weiteren Abweichung von der Einhaltung der vollen Abstandsflächen auf einer dritten Seite hergestellt werden könne. Eine Antwort dazu, ob ein solcher Fall gegeben ist, kann - wie gesagt - sinnvollerweise stets erst nach einer Prüfung der Situation des zur Genehmigung gestellten Vorhabens an allen Seiten erfolgen. Nur so wird ferner sichergestellt, dass ein Bauherr den gegen eine Genehmigung für sein die gesetzlichen Abstandsflächen an einer oder mehreren Seiten nicht oder nicht voll einhaltendes Vorhaben möglichen Nachbarrechtsschutz nicht alleine nach seinen Vorstellungen steuern kann. Dieser Rechtsgedanke bildete im Übrigen auch eine wesentliche Überlegung in der Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. April 2000 zum Anwendungsbereich des 16m-Privilegs (GrS 1/1999, 14 B 97.2901 - VGH n. F. 53, 89 ff. = juris Rn. 18). Ein als einheitliches Ganzes zur Genehmigung beantragtes Vorhaben, das - wie hier zumindest hinsichtlich der baulich unmittelbar mit dem Haupthaus verbundenen „Wohngarage“ - auch objektiv nicht teilbar ist, kann nicht nach dem Belieben der am Verfahren Beteiligten in, obendrein nur dem jeweiligen Gutdünken folgende, mutmaßlich abweichungsfähige Einzelteile zerlegt werden.

Wollte man in dem hier streitig gewesenen Fall die Feststellungswirkung der Genehmigung gleichwohl nur auf die ausdrücklich beantragte Abweichung beschränken, wie es der Leitsatz einer Entscheidung vom 29. Oktober 2015 (BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 -, das 16m-Privileg spielte dort allerdings keine Rolle, vgl. Rn. 37 a.E.) einschränkungslos postuliert, hätte das im vorliegenden Fall folgendes Ergebnis: Weil es an der Nordgrenze des Baugrundstücks in Wirklichkeit keine privilegierte Grenzbebauung gibt, geht die mit der Bauerlaubnis verbundene Abweichungsentscheidung „hinsichtlich der Nichteinhaltung der Abstandsflächen zum Grundstück FlNr. ...“, die nach der dazu gegebenen Begründung nur die „bestehende Garage“ betreffen sollte, ins Leere. Der Nutzen einer solchen, hier noch dazu nicht einmal „strikt antragsgemäßen“ (siehe oben 2.1) Baugenehmigung für den Bauherrn wäre also nicht etwa nur beschränkt (vgl. zu diesem Argument BayVGH, U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 35), sondern fehlte mangels Deckungsgleichheit mit dem Vorhaben von vorneherein. Eine so verstandene Baugenehmigung wäre auch nicht in der Lage, irgendetwas zu regeln, weil „das auf Antrag Geregelte“ gar nicht existiert. Der von dieser Abweichungsentscheidung formal nicht berührte Nachbar könnte dagegen nicht mit einer Anfechtungsklage vorgehen, obgleich er mit dem Vorhaben nicht einverstanden und von diesem „in seiner neuen Gestalt“ materiell unübersehbar betroffen ist. Für keinen der Beteiligten wäre aus dieser Betrachtungsweise ein rechtlicher Nutzen ableitbar: Der Bauherr verfügte auch nach der Durchführung des von ihm veranlassten Baugenehmigungsverfahrens über ein formell und materiell illegales Vorhaben; der Nachbar könnte im Hinblick darauf den Wunsch auf Einschreiten an die Bauaufsichtsbehörde herantragen und damit ein neues bauaufsichtliches Verfahren in Gang setzen. In Anbetracht dessen bedarf es keiner Vertiefung, dass ein alle Fälle erfassendes einseitiges Abstellen auf den „gesetzgeberischen Willen zur Einschränkung des Prüfumfangs“ (vgl. BayVGH. U. v. 29.10.2015 - 2 B 15.1431 - Rn. 36 m. w. N. aus der eigenen Rechtsprechung) neben der (vom Gesetzgeber so beabsichtigten?) Herbeiführung in jeder Hinsicht offensichtlich rechtswidriger Zustände auch nicht geeignet wäre, die Arbeit der Bauaufsichtsbehörden zu erleichtern oder zu vereinfachen.

Es sind nicht zuletzt Fälle wie dieser, die Zweifel daran begründen, inwieweit die durch Art. 59 Satz 1 BayBO mit Wirkung zum 1. Januar 2008 eingeführte, gezielte Eliminierung des Bauordnungsrechts aus dem Prüfungskatalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens sinnvolle und vertretbare Ergebnisse zu liefern imstande ist und die die Erwartung wecken, dass eine künftige Novelle hier die im Interesse aller Beteiligten zu wünschenden, die Rechtslage eindeutig klärenden Korrekturen vornimmt. Bis dahin lässt sich der mit Wirkung vom 1. August 2009 in das Gesetz eingefügten Ablehnungsbefugnis eines Bauantrags aus nicht zum Prüfumfang gehörenden, aber „zufällig entdeckten“ Gründen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO) der Wunsch des Gesetzgebers entnehmen, dass trotz des im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich eingeschränkten Prüfumfangs möglichst wenige rechtswidrige Baugenehmigungen zustande kommen mögen. Soll der Zweck eines jeden Baugenehmigungsverfahrens, die Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse und der mit der Klärung der Rechtslage am Ende herbeigeführte Rechtsfrieden, nicht handgreiflich verfehlt werden, bleibt bis auf Weiteres nichts Anderes übrig, als in einem Einzelfall wie hier unvollständig gestellte oder ihrem Wortlaut nach an der Sache vorbeigehende Anträge auf Abweichung von den Abstandsflächen im Verfahren ergänzend auszulegen und damit einen dem Vorhaben gerecht werdenden Prüfumfang im Genehmigungsverfahren zu eröffnen.

2.5 Die Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 28. Mai 2014 ergibt sich hier nach alledem aus der bereits unter 2.3 am Ende getroffenen Feststellung.

Die an die dort beschriebene östliche Außenwand des Hauptgebäudes im Süden anschließende neue Grenzgarage verschärft den Widerspruch des Vorhabens mit den Abstandsflächenvorschriften auf dieser Seite zusätzlich. Diese Garage darf gemäß Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO nicht an das die eigenen Abstandsflächen nicht einhaltende Hauptgebäude angebaut werden.

Die in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 BayBO 1998 noch ausdrücklich enthaltene Anforderung, dass die Verbindung der nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 BayBO zulässigen Grenzbebauung mit einem Hauptgebäude zulässig ist, soweit dieses Gebäude für sich betrachtet die auf es selbst treffenden Abstandflächen einhält, ist - verklausuliert - in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO 2008 aufgegangen. Danach sind die dort aufgezählten Vorhaben, damit auch Garagen, in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden. Der Bezugnahme auf die Abstandsflächen eines (Haupt-)Gebäudes ist zu entnehmen, dass dieses selbst auch im Fall des Anbaus einer Garage „in dessen Abstandsflächen“ die eigenen Abstandsflächen einhalten muss, wenn das privilegierte Grenzgebäude an Ort und Stelle die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO erfüllen soll (ebenso: Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand 1. August 2015, Art. 6 Rn. 262). Das ist hier nicht der Fall.

In dem Bereich des Hauptgebäudes, in dem die Grenzgarage angebaut werden soll, springt die Außenwand des hier unveränderten Hauptgebäudes um 0,50 m zurück. Sie hält - bei dem bereits erwähnten leicht schrägen Verlauf - zur Grundstücksgrenze nach der Angabe auf den Bauvorlagen einen Abstand von mindestens 5,195 m ein. Dieser Teil der Wand ist 5,25 m lang. Auf der Ansicht von Süden lässt sich auf der rechten (östlichen) Seite für den Schnitt dieser Wand mit der Haut des hier von Nord nach Süd verlaufenden Satteldachs ein Maß von rund 4,7 cm (entspricht 4,70 m) abgreifen. In diesem Teilbereich hält die Außenwand des Hauptgebäudes damit die Abstandsflächen zum Grundstück des Klägers zwar ein. Andererseits verlängert die grenzständige neue Garage infolge ihres nach Süden versetzten Anbaus an das Hauptgebäude die Gesamtlänge der grenznahen bzw. grenzständigen Bebauung auf dem Baugrundstück von bisher 22,74 m (Wohnhaus samt „Wohngarage“) auf nunmehr 27,24 m (17,49 m plus 1,01 m plus 8,74 m). Mit ihren weit überwiegenden Teilen unterschreitet die gegliederte Außenwand des Hauptgebäudes jedoch die gesetzlichen Abstandsflächen, weshalb der genehmigte Anbau so nicht zulässig ist.

2.6 Mangels der Voraussetzungen hierfür dürfte die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO ausscheiden.

Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, worin - wenn man von dem deutlich hervortretenden Wunsch der Bauherren, den eigenen Grund und Boden baulich möglichst umfangreich auszunutzen und im Süden und Westen des Baugrundstücks vorhandene Freiflächen beizubehalten, einmal absieht - das Besondere dieses Falles, die „Atypik“ bestehen soll (vgl. zu dieser Voraussetzung näher: König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2014, Rn. 865 mit zahlreichen Beispielen in Fn. 443 sowie BayVGH, B. v. 15.9.2015 - 2 CS 15.1792 - juris Rn. 4; B. v. 21.7.2015 - 22 ZB 14.2340 - juris Rn. 24 bis 26; B. v. 9.2.2015 - 15 ZB 12.1152 - juris Rn. 16).

Rechtmäßige Verhältnisse könnten eventuell dadurch hergestellt werden, dass die neuen Eigentümer des ehemals klägerischen Grundstücks im Norden auf einer von eigenen Gebäuden freien Länge von rund 5 m die für die „Wohngarage“ auf dem Baugrundstück fehlende Abstandsfläche auf ihr Grundstück übernehmen (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 3. Var. BayBO). Diese Lösung wurde zuletzt in einer Mitteilung des Beklagten vom 29./25. September 2015 ins Gespräch gebracht.

2.6 Um nach seiner Auffassung die Rechtsschutzmöglichkeiten aller durch Grenzbauten auf dem Baugrundstück betroffenen Nachbarn zu wahren, hat der Beklagte im vorliegenden Fall im Übrigen mit einem Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 in Bezug auf die Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch die - nach dem Hinzutreten der neuen, 8,74 m langen Garage im Südosten - sich an den Grenzen des Baugrundstücks nach seiner Berechnung über insgesamt 17,73 m erstreckenden baulichen Anlagen eine Abweichung auch gegenüber dem Grundstück des Klägers erteilt. Wie eingangs erwähnt, wurde dieser Bescheid Gegenstand eines eigenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und Urteils (RO 7 K 14.1553, vgl. dazu den unter dem Aktenzeichen 15 B 15.1372 ergangenen Beschluss von heutigen Tag).

Da sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben, tragen die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst, § 154 Abs. 3 Halbs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

3. Streitwert: § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nachdem das Verwaltungsgericht für die Klagen gegen die Genehmigung vom 28. Mai 2014 und gegen den dasselbe Vorhaben betreffenden Ergänzungsbescheid vom 11. September 2014 jeweils eigene Verfahren angelegt hat und dies auch im Berufungsverfahren geschehen ist, andererseits aber keine Anhaltspunkte für ein Abweichen von der Regelempfehlung von 7.500,-- Euro erkennbar sind, wurde die erstinstanzliche Festsetzung halbiert und auch für das Berufungsverfahren nur die Hälfte festgesetzt.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 4 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.