Ersatzerbenberufung nach Ausschlagung Nacherbschaft & Pflichtteilsverlangen

published on 24/09/2014 17:45
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Sandra Ruppin

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Alte Rechtsprechung angesichts vieler Patchwork-Familien höchst aktuell. Es geht um die Frage, was ist, wenn der Nacherbe die Nacherbschaft ausschlägt und seinen Pflichtteil verlangt.

Bereits 1960 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass § 2069 BGB* nicht anzuwenden ist, wenn der als Nacherbe berufene Abkömmling die Nacherbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. (V ZR 64/59)

*§ 2069 BGB Hat der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht und fällt dieser nach der Errichtung des Testaments weg, so ist im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge insoweit bedacht sind, als sie bei der gesetzlichen Erbfolge an dessen Stelle treten würden.  (d.h. die Enkel wären bei Wegfall des ursprünglich Bedachten seine Ersatzerben)

Diese Rechtsprechung gilt bis heute. Angesichts der Vielzahl von Patchwork-Familien ist dieses Problem weiterhin höchst aktuell, weil sich für die letztwilligen Verfügungen bei Patchwork-Familien u.a. die Vor- und Nacherbschaft für die Verwirklichung der Ziele des Erblassers anbietet.

Vor-und Nacherbschaft?

Bei der Vor-und Nacherbschaft setzen sich die Ehepartner gegenseitig als (befreiten) Vorerben ein und die Kinder als Nacherben. Mit dem Tod eines Ehepartners wird der überlebende Ehepartner in Bezug auf das vom Ehegatten hinterlassene Vermögen (nur) Vorerbe. Er verwaltet quasi den Nachlass für die Nacherben, kann über diesen zwar verfügen, unterliegt zugunsten der Nacherben allerdings einigen Beschränkungen, von denen der Erblasser aber weitestgehend befreien kann. Mit dem Tod des Vorerben tritt dann der Nacherbenfall ein.

Die Problematik

Aktuell hatte sich das Oberlandesgericht Bamberg mit dem Problem zu beschäftigen, ob der Erblasser den zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch ungeborenen Enkel als Ersatznacherben „nachgerückt“ sehen wollte, wenn er gewusst hätte, dass seine Tochter die Nacherbschaft ausschlägt und ihren Pflichtteil verlangt.

Der Sachverhalt: 

Eine Patchwork-Familie mit einer ehegemeinschaftlichen Tochter und einem mütterlicherseits mitgebrachten Stiefsohn. Auf Seiten der Tochter gibt es noch einen Sohn (Enkel des Erblassers), der sechs Jahre nach dem Tod des Erblassers geboren wurde. Der Erblasser (Vater der Tochter) hatte ein Testament errichtet, indem er seine Ehefrau als Vorerbin einsetzte und seine Tochter neben seinem Stiefsohn zu gleichen Teilen als Nacherben.

Zugleich enthielt das Testament noch eine Klausel, die besagte, dass bei Wegfall eines Nacherben oder einer Nichtannahme dessen Abkömmlinge zu gleichen Teilen an dessen Stelle treten sollen und wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind, Anwachsung erfolgen soll.

Der Erblasser starb und seine Tochter schlug die Nacherbschaft aus und verlangte ihren Pflichtteil.

Nach dem Tod der Vorerbin sah sich der Enkelsohn als Ersatznacherbe neben dem Stiefsohn als Nacherbe an, so dass der Streit die Gerichte beschäftigte. Das Oberlandesgericht hatte nunmehr zu klären, ob der Enkel - trotz der Ausschlagung der Nacherbschaft und der Auszahlung des Pflichtteils an seine Mutter seinerzeit - Ersatznacherbe des Erblassers wurde oder der Stiefsohn der alleinige Nacherbe ist.

Im Zweifel kein Nachrücken eines Ersatz-Nacherben wegen "Doppelbegünstigung" Gemäß der 54 Jahre alten Rechtsprechung gilt im Zweifel die Vermutung, dass Nacherben, die die Nacherbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen, störend in die vom Erblasser vorgesehene Nachlassabwicklung eingreifen und bei einer Anwendung von § 2069 BGB - also der Annahme, dass eine Ersatznacherbenberufung gewollt ist - die ausschlagende und den Pflichtteil verlangende Seite zudem doppelt begünstigt wäre, was kein Erblasser wolle. Deshalb kann nicht angenommen werden, dass in derartigen Fällen die Abkömmlinge des ursprünglichen Nacherben (also der Enkel) als Ersatznacherben gewollt sind.

Es sei denn, diese Vermutung lässt sich durch einen entgegengesetzten Willen des Erblassers widerlegen.

Was bedeutet Doppelbegünstigung? 

Der Nacherbe (hier die Tochter) hat seinen Pflichtteil von dem Vorerben (Ehefrau) erhalten und der Ersatznacherbe, unser Enkelsohn, würde also entsprechend des Testaments nach dem Tod des Vorerben die Hälfte des Erbes neben dem Stiefsohn bekommen. Damit wäre der Stamm der Tochter (sie erhält den Pflichtteil und der Sohn das Erbe) doppelt begünstigt.

Die Entscheidung: 

In dem Fall ließ sich der Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei feststellen – weder ausdrücklich noch durch Auslegung des Testaments. Die oben erwähnte Klausel war nach Auffassung des Gerichts nicht auf den Fall der Ausschlagung nebst Pflichtteilsverlangen gerichtet. Folglich wurde die Vermutung der 54 Jahre alten Rechtsprechung angewandt und der Stiefsohn erbte als alleiniger Nacherbe.

Anmerkung: Häufig können sich die Erblasser tatsächlich bei Errichtung des Testaments nicht vorstellen, dass ihre Kinder die Nacherbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen – obgleich die Gründe hierfür vielfältig sein können, wie z.B. plötzliche Liquiditätsengpässe.

Hätte der Erblasser in dem Fall seine leibliche Tochter und seinen Stiefsohn nicht zu gleichen Teilen bedacht, hätte sich ggfs. ein anderer Erblasserwillen dahingehend ableiten lassen, dass er seinen biologischen „Stamm“ (Blutsverwandtschaft) stets bedacht wissen wollte. Dass er keinen Unterschied zwischen seinem Stiefsohn und der leiblichen Tochter machte und damit die familiäre Verbundenheit dieser Patchwork-Familie zeigte, fiel letztendlich zum Nachteil seiner biologischen Verwandtschaft aus – ob das tatsächlich dem Erblasserwillen entsprach… (?) oder er doch eher seinen Enkelsohn als Ersatznacherben unter Abzug des erhaltenen Pflichtteils der Tocher (ausschlagende Nacherbin) berücksichtigt wissen wollte, bleibt ungewiss.

Gewiss ist jedoch, dass diese Problematik sehr deutlich zeigt, wie wichtig es bei der Testamentsgestaltung ist sämtliche Szenarien zu bedenken und dementsprechend zu regeln und schriftlich festzuhalten - ansonsten entscheiden "Dritte" wie in diesem Fall über den vermeintlich eigenen Willen.

Quelle: Urteil des Oberlandesgericht Bamberg vom 23.04.2013, Az.: 5 U 34/12

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