Strafrecht: Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Jugendstrafverfahren

bei uns veröffentlicht am06.06.2019

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Film-, Medien- und Urheberrecht

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Für die Entscheidung, ob in einem Jugendstrafverfahren ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, sind jugendspezifische Maßstäbe bei der Auslegung des § 140 Abs. 2 StPO anzulegen, um dem Ziel einer fairen Interessenwahrnehmung vor Gericht gerecht zu werden – BSP Rechtsanwälte – Anwalt für Strafrecht Berlin

Als Angeklagter vor Gericht zu stehen, ist für fast jeden eine unheimliche Erfahrung. Da ist man froh, wenn man neben sich den Strafverteidiger seines Vertrauens sitzen hat, der mit allen legalen Mitteln versucht, das beste für einen rauszuholen. Aber vor allem im Vorfeld eines Verfahrens vor Gericht spielt der Strafverteidiger eine entscheidende Rolle. Er ist insbesondere derjenige, der die Akten anfordert und eine Strategie für das Vorgehen vor Gericht ausarbeitet.
Nun hat nicht jeder das Glück bzw. Geld, sich mit einer Wahlverteidigung auszustatten, obwohl eine von dieser ausgehenden Unterstützung im Strafverfahren so gut wie immer sinnvoll oder sogar notwendig wäre. Dafür gibt es das Modell der Pflichtverteidigung.

Die Pflichtverteidigung bzw. die Bestellung eines Verteidigers durch das Gericht gem. § 140 Abs. 2 StPO ist integraler Bestandteil unseres Rechtsstaates und soll verhindern, dass ein Angeklagter in schwierigen Fällen schutzlos dem Gericht gegenüber steht.

Der § 140 Abs. 2 StPO legt zunächst die Grundsteine für die Beurteilung, ob ein Verteidiger für ein Strafverfahren bestellt werden muss oder nicht. Das ist grundsätzlich der Fall, „wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann“ (LG Dresden, Beschluss vom 09.05.2018 2 - Qs 13/18).

Im hier vorliegenden Fall handelte es sich jedoch um ein Jugendstrafverfahren. Grundsätzlich ist auch für Jugendliche gem. § 68 Nr. 1 JGG ein Pflichtverteidiger zu bestellen, wenn dies für Erwachsene geboten wäre.
Das Gericht entschied aber darüber hinaus, dass für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Pflichtverteidigung im Jugendverfahren andere Maßstäbe anzusetzen seien.

Das Gericht führt aus, dass es bei der Interpretation von § 140 II StPO einer „jugendspezifischen Auslegung“ bedarf, die zu berücksichtigen hätte, „dass der Jugendliche oder Heranwachsende insbesondere in der Regel unerfahren ist im Umgang mit staatlichen Instanzen, eingeschränkte sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten hat und dadurch in seiner Interessenwahrnehmung vor Gericht gehandicapt sein könnte“.

Um dem Schutzbedürfnis von Minderjährigen bzw. Heranwachsenden gerecht zu werden, muss also die Entscheidung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers aus einer anderen Perspektive heraus gefällt werden, als bei einem Erwachsenen.

Das LG Dresden  hat mit Beschluss vom 09.05.2018 2 (Qs 13/18) entschieden:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde vom 25.04.2018 wird der Beschluss des Amtsgerichts Pima vom 17.04.2018 aufgehoben.

2. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beigeordnet.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Beschwerde des Angeklagten vom 25.04.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Pirna vom 17.04.2018, mit dem die beantragte Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt wurde, ist zulässig und begründet.

Dem Angeklagten ist gemäß §§ 109 Abs. 1 Satz 1, 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Ein Pflichtverteidiger ist gemäß §§ 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO dann zu bestellen, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Für die Beurteilung der Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung gelten zunächst die Grundsätze, wie sie auch bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafverfahren gegen Erwachsene gelten. Jedoch bedarf § 140 Abs. 2 StPO einer jugendspezifischen Auslegung, die zu berücksichtigen hat, dass der Jugendliche oder Heranwachsende insbesondere in der Regel unerfahren ist im Umgang mit staatlichen Instanzen, eingeschränkte sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten hat und dadurch in seiner Interessenwahrnehmung vor Gericht gehandicapt sein könnte.

Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze ist es geboten, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beizuordnen. Zum einen ist für eine effektive Rechtsverteidigung eine Akteneinsicht geboten, um sich mit dem von der Staatsanwaltschaft eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten auseinanderzusetzen, dessen Inhalt dem Angeklagten nicht bekannt ist. Zum anderen stellen § 176 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 4 StGB Straftatbestände dar, die erst zum 27.01.2015 neu gefasst wurden und deren Subsumtion nicht einfach erscheint. So hat der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 22.01.2015, Az. 3 StR 490/14 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Einwirken auf ein Kind mit pornografischen Abbildungen im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art bedarf.

Bei einer erfolgreichen Beschwerde trägt die Staatskasse die Kosten und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers.

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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,2. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer d

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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;2. dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last g

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(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 68 Notwendige Verteidigung


Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn 1. im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde,2. den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen

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(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde,
2.
den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind,
3.
die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 2 von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) oder die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person nicht hinreichend ausgeglichen werden kann,
4.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder
5.
die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist.

(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.

Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde,
2.
den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind,
3.
die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 2 von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) oder die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person nicht hinreichend ausgeglichen werden kann,
4.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder
5.
die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist.

(1) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn

1.
zu erwarten ist, dass die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht, dem Landgericht oder dem Schöffengericht stattfindet;
2.
dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird;
3.
das Verfahren zu einem Berufsverbot führen kann;
4.
der Beschuldigte nach den §§ 115, 115a, 128 Absatz 1 oder § 129 einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorzuführen ist;
5.
der Beschuldigte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet;
6.
zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Beschuldigten seine Unterbringung nach § 81 in Frage kommt;
7.
zu erwarten ist, dass ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird;
8.
der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist;
9.
dem Verletzten nach den §§ 397a und 406h Absatz 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist;
10.
bei einer richterlichen Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers auf Grund der Bedeutung der Vernehmung zur Wahrung der Rechte des Beschuldigten geboten erscheint;
11.
ein seh-, hör- oder sprachbehinderter Beschuldigter die Bestellung beantragt.

(2) Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt auch vor, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.

(3) (weggefallen)

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 S t R 4 9 0 / 1 4
vom
22. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
hier: Revision des Nebenklägers N.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Januar 2015 gemäß
§ 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 30. April 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen des Angeklagten im Revisionsverfahren findet nicht statt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Bezüglich zum Nachteil des Nebenklägers begangener Missbrauchstaten hat es das Verfahren in der Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 154 Abs. 1, 2 StPO eingestellt. In einem zur Verurteilung gelangten Fall hat es den Angeklagten wegen Anstiftung des Nebenklägers zum sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit der Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
2
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, ist die Revision unzulässig.
3
Die von dem Nebenkläger erhobenen Verfahrensbeanstandungen sowie die ausgeführte Sachrüge betreffen ausschließlich die Fälle, hinsichtlich derer die Strafkammer durch Beschlüsse vom 19. Februar 2014 und 30. April 2014 das Verfahren vorläufig eingestellt hat. Gegen Einstellungsentscheidungen nach den §§ 153 ff. StPO steht der Nebenklage aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 400 Abs. 2 Satz 2 StPO aber selbst dann kein Rechtsmittel zu, wenn diese rechtsfehlerhaft ergangen sind (BGH, Urteil vom 22. März 2002 - 4 StR 485/01, JR 2003, 125 mwN; Beschluss vom 8. November 2010 - 5 StR 478/10, juris).
4
Soweit die Sachrüge auch die ausgeurteilte Tat vom 13. April 2013 betreffen könnte, ist sie nicht ausgeführt und lässt deshalb eine Begründung vermissen , die deutlich macht, dass der Nebenkläger mit seiner Revision die Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedelikts begehrt. Bleibt aufgrund der Revisionsbegründung offen, ob die Nebenklage solch ein zulässiges Ziel verfolgt oder aber entgegen § 400 Abs. 1 StPO lediglich die Rechtsfolgenentscheidung beanstanden will, ist ihre Revision als unzulässig zu verwerfen (BGH, Beschluss vom 11. März 2004 - 3 StR 493/03, NStZ-RR 2005, 262 bei Becker).
5
Dem Nebenkläger waren die dem Angeklagten durch das unzulässige Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen nicht aufzuerlegen, weil dessen Revision ebenfalls ohne Erfolg geblieben ist (BGH aaO, insoweit in NStZ-RR 2005, 262 nicht abgedruckt).
Becker RiBGH Pfister befindet sich Hubert im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Mayer Gericke

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt,
2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt,
3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.