Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 24. Nov. 2016 - 4 A 617/10

bei uns veröffentlicht am24.11.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin ficht einen Bescheid über einen Schmutzwasseranschlussbeitrag an.

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Sie ist Eigentümerin des Hausgrundstücks gemäß Rubrumsadresse, bestehend aus dem ….. m² großen Flurstück a der Flur b, Gemarkung A-Stadt.

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Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 2. Juni 2009, Bescheidnummer ……., erhob die Beklagte von der Klägerin einen entsprechenden Beitrag in Höhe von 2.250,60 €.

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Mit Formularschreiben vom 7. Juni 2009 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 zurückwies, wobei sie u. a. auf die neue Beitragssatzung vom 3. März 2010 hinwies.

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Am 12. Mai 2010 hat die Klägerin daraufhin Klage erhoben, mit der sie vorträgt:

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Sie wende sich sowohl gegen die Beitragshöhe als auch gegen die Beitragserhebung/-verpflichtung.

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1. Kalkulation

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a) Flächenermittlung

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Sie bezweifele eine ordnungsgemäße Flächenermittlung insbesondere im Nachgang zu der Änderung der Satzungsregelung des § 6 Abs. 2 Buchstabe b der Beitragssatzung Schmutzwasser. Diese Regelung sei Gegenstand des Klageverfahrens 8 A 1369/09 gewesen. In diesem Verfahren habe der damalige Prozessbevollmächtigte der Beklagten erläutert, dass die Regelung solche Grundstücke erfassen solle, die sowohl im Bebauungsplangebiet als auch im unbeplanten Innenbereich als auch im Außenbereich lägen und somit alle drei Kategorien rechtlich berücksichtigt werden sollten. Die Abgrenzung vom Innen- in den Außenbereich habe durch die hintere Bebauungsgrenze festgelegt werden sollen.

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Die bereits damals durch das Gericht mitgeteilten Bedenken im Hinblick auf die mögliche Ungleichbehandlung von Grundstückseigentümern, deren Grundstück ausschließlich im Innenbereich liege, mit den Grundstückseigentümern, die über die Regelung des § 6 Abs. 2 Buchstabe b veranlagt würden, sei durch die Erklärung der Beklagten nicht ausgeräumt worden. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich werde nicht durch die Bebauungstiefe eines einzelnen Grundstücks bestimmt, sondern durch einen Bebauungszusammenhang in einem Ortsteil. Insofern betreffe die Abgrenzung Innenbereich/Außenbereich denklogisch immer eine Mehrzahl von Grundstücken, wobei durchaus auch unbebaute Grundstücke als so genannte Baulückengrundstücke einem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein könnten. Wenn sich nach den durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen der Abgrenzung und der notwendigen Bestimmung des Innenbereichs gemäß § 34 BauGB eine Grundstücksfläche ergebe, so sei entsprechend der Satzungsregelung des § 6 Abs. 2 Buchstabe b unabhängig von der Tatsache, dass ein Teil des Grundstücks auch in einem B-Plangebiet liegen könne, die komplette Fläche anzusetzen, die sich im unbeplanten Innenbereich befinde. Die ehemalige Regelung habe im Zweifel dazu geführt, dass Flächen, die sich im Innenbereich befänden, nicht vollständig hätten berücksichtigt werden können, wenn sich die Gebäudegrenze vor der Innenbereichs-/Außenbereichsgrenze befunden habe. Dies hätte Grundstückseigentümer, deren Grundstücke sowohl im B-Plangebiet als auch im Innenbereich lägen, ohne nachvollziehbare Begründung denjenigen Grundstückseigentümern gegenüber bevorteilt, deren Grundstücke vollständig im Innenbereich lägen.

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Auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Greifswald habe bereits im Hinblick auf die Regelung zur Tiefenbegrenzung und zur Abgrenzung des Innen- zum Außenbereich deutlich gemacht, dass ein Bebauungszusammenhang nach § 34 BauGB eben nicht immer mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden müsse, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten auch die bauakzessorische Nutzung sowie topographische Verhältnisse berücksichtigen könne, in keinem Fall jedoch auf ein einzelnes Grundstück bezogen werden könne.

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Die gerichtlichen Bedenken seien offenbar durch den Zweckverband satzungsrechtlich geprüft worden, denn die hier zugrunde liegende Satzung enthalte die bestrittene Regelung nicht mehr.

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Trotzdem bleibe in tatsächlicher Hinsicht weiterhin das Problem der Abgrenzung von Innen- zum Außenbereich bestehen, das sich auf die Flächenermittlung auswirke. Aus dem Satzungsänderungsbericht ergebe sich, dass es vereinzelt Flächenanpassungen im Zweckverbandsgebiet gegeben habe. Es werde jedoch ausdrücklich bestritten, dass die Flächenermittlung im Hinblick auf die erhebliche Satzungsänderung – die Abgrenzung erfolge eben nicht grundstücksbezogen nach Baulichkeit, sondern im Bebauungszusammenhang eines Ortsteils – vollzogen worden sei. Es sei zu befürchten, dass Flächen, die sich im unbeplanten Innenbereich befänden, nicht oder nicht in der satzungsrechtlich erforderlichen Form herangezogen worden seien, so dass dies erhebliche Auswirkungen auf die Höhe des Beitragssatzes habe. Diesbezüglich werde ausdrücklich angezweifelt, dass die im Änderungsbericht benannten Flurstücke in E., Z. und K. W. nach Änderung der Satzungsregelungen nunmehr vom Innenbereich in den Außenbereich einbezogen werden müssten. Die Veränderung der Satzungsregelung in § 6 im Hinblick auf die Abgrenzung Innen- und Außenbereich könne bei der Beachtung der ehemaligen Satzungsregelung nur dazu führen, dass ein höherer Anteil an Flächen im Innenbereich habe festgestellt werden müssen.

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Deutlich werde dies zumindest nach dem in der Akte befindlichen Kartenmaterial für die Gemeinde Z. und die Flurstücke c, d und e der Flur f. Alle Grundstücke seien bebaut, die sich anschließenden Grundstücke dürften dieselbe Bebauungstiefe aufweisen, die Einschätzung der Grundstücksteile als Außenbereichsfläche verwundere insoweit.

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Auch hinsichtlich der übrigen Flächen in den Ortschaften K. W. und E. werde man die Überprüfung der Frage des Innenbereichs zum Außenbereich weniger an Hand von Luftbildern oder Kartenmaterial verfolgen können als vielmehr durch eine tatsächliche und konkrete örtliche Überprüfung, weil der Bebauungszusammenhang auch in Verbindung mit der gebäudeakzessorischen Nutzung stehe und insoweit auch topographische Besonderheiten nicht durch Übersicht des Kartenmaterials vermittelt werden könnten. Es werde bestritten, dass der Zweckverband eine tatsächliche Überprüfung der Auswirkung der Satzungsänderung in der Flächenermittlung vorgenommen habe.

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Dieselbe Notwendigkeit zur tatsächlichen Überprüfung ergebe sich im Hinblick auf die landwirtschaftlichen Gebäude. Es gebe keine allgemein verbindliche Regel, dass Stallgebäude nicht an die Wasser- und Schmutzwasserkanalisation angeschlossen sein könnten. Insbesondere Grundstücke, die sich teilweise im B-Plangebiet, teilweise darüber hinaus erstreckten, könnten angeschlossen sein und mehrere Baulichkeiten, so unter anderem auch ein Stallgebäude, aufweisen, das ausgeschlossen sei. Insofern sei nicht nachvollziehbar, wie der Zweckverband festzustellen vermocht habe, dass ein solches nicht angeschlossen sei, wenn sich auf einem anderen Grundstücksteil ein angeschlossenes Gebäude befinde.

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Die Ermittlung der beitragspflichtigen Flächen anhand von Kartenmaterial scheine im Übrigen auch in weiteren Ortsteilen zweifelhaft. Beispielhaft sei der Plan des Ortsteils G. mit herangezogen. In G. werde im B-Plangebiet Nr. 6a eine öffentliche Grünfläche ausgewiesen, die bei der Beitragsbemessung unberücksichtigt bleiben müsse.

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In P. würden wiederum Grünflächen ausgewiesen, die nicht mit dem Attribut öffentlich versehen seien, so dass in Zweifel gezogen werde, dass es sich um eine nach dem entsprechenden Bebauungsplan festgesetzte nicht bebaubare und nicht gewerblich nutzbare Fläche handele.

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Auch in der Gemeinde Gä. würden Flächen lediglich als Grünflächen bezeichnet und in der Flächenberechnung nicht berücksichtigt.

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In H. ergebe sich aus dem Kartenmaterial für die Flurstücke g, h und i, dass es sich um Garagenbebauung handele, die insgesamt nicht berücksichtigt worden sei, obwohl die direkt davor liegenden Grundstücksteile bzw. Grundstücke bebaut seien. Diese Trennung zwischen Innen- und Außenbereich erkläre sich nicht, insbesondere wenn tatsächlich eine bauliche bzw. gewerbliche Nutzung erfolge.

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In H. gebe es eine rot markierte lackierte VE Plan Nr. 1 Fläche, die lediglich hinsichtlich ihres Flurstückteils j berücksichtigt worden sei. Warum dies nicht mit der vollständigen Fläche geschehen sei, erschließe sich nicht.

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b) Kostenermittlung/Einzelfall J.

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Die Gemeinde J. sei im Jahr 2005 der Schmutzwassersparte des Zweckverbands beigetreten. Zuvor habe sie durch das Amt W. und den Zweckverband selbst als so genannten Geschäftsbesorger für die Gemeinde Beiträge zur Schutzwasserbeseitigung aufgrund einer Satzung der Gemeinde vom 25. September 2000 in der geänderten Fassung vom 16. Dezember 2002 eingezogen. Aus einem Auszug aus einem Protokoll der Gemeindevertretersitzung vom 20. November 2002 sei zu erkennen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits 99 % der beitragspflichtigen Grundstücke der Gemeinde J. an die zentrale Abwasseranlage angeschlossen gewesen seien. Die Beitreibung der Beiträge habe der Zweckverband übernommen und die Anschlussbeiträge auch behalten. Diese Zahlungen seien insoweit nach Angaben des Bürgermeisters der Gemeinde J. in dieser Gemeindevertretersitzung nicht an die Gemeinde zurückgeflossen. Gleichzeitig werde mitgeteilt, dass die Gemeinde J. beim Zweckverband einen Antrag auf Aufnahme als Mitglied in der Sparte Abwasser gestellt gehabt habe.

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Zunächst einmal sei festzustellen, dass in den Kalkulationsunterlagen des Zweckverbands eine derartige Zahlung der Gemeinde nicht transparent auftauche. Darüber hinaus habe die Gemeinde J. für die Pumpenreparatur im Bereich des APW J. insgesamt 21.302,09 Euro im Zeitraum Februar 1998 und April 2001 aufgewendet.

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Darüber hinaus sei an der N. Kreuzung ein Abwasserpumpwerk errichtet worden. Die Arbeiten seien durch den Zweckverband vergeben worden, die Rechnung habe die Gemeinde J. gezahlt. Wenn die Gemeinde J. die in ihrem Gemeindegebiet vorhandenen Pumpwerke sowie Pumpen auf eigene Kosten ausgebaut habe, könnten diese Kosten nicht als solche des Zweckverbands in die Kalkulation eingeführt werden.

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Darüber hinaus habe die Beklagte nicht nur die eingetriebenen Beiträge der Gemeinde J. für sich behalten, ohne dies in der Kalkulation darzustellen, obwohl es sich für sie nicht um eigene Beitragseinnahmen gehandelt habe. Die Beitragszahler hätten das Geld aber zweckgebunden als Beitrag für die Kosten der Herstellung des Schmutzwasseranschlusses gezahlt. Wenn diese Gelder demnach nicht an die Gemeinde zurückgeflossen seien, hätten sie als kostenmindernder Faktor in die Kalkulation eingestellt werden müssen.

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Darüber hinaus habe die Gemeinde J. insgesamt 2,1 Millionen Fördermittel erhalten, die für den Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband hätten verwendet werden sollen. Zu einem Teil seien mit diesen Fördermitteln die Kredite der Gemeinde zur Finanzierung des Klärwerks abgelöst worden. Zu einem anderen Teil von ca. 1,4 Millionen Euro seien die Mittel dem Zweckverband zugeflossen, wiederum ohne dass dieser dieses Geld vollständig in die Kalkulation eingestellt hätte. In dem betreffenden Fördermittelbescheid sei durchaus eine Zweckbindung enthalten. Unter Punkt IV werde deutlich, dass 1,4 Millionen Euro hätte verwendet werden sollen für „Zusatzkosten des ZV Wismar zur Anpassung Gem. J. ... an die Solidargebühr des Verbandes.“ Zu diesem Zeitpunkt sei offenbar davon ausgegangen worden, dass das Klärwerk J. habe weiterbetrieben und diesbezüglich saniert werden sollen. Dies gehe aus einem Schreiben des Geschäftsführers des Zweckverbandes vom 5. Oktober 2005 hervor. Zunächst habe die Abwasserbehandlungsanlage in Höhe von 841.769,00 Euro umgebaut und 593.084,53 Euro verwendet werden sollen für die zukünftigen Verluste des Zweckverbands beim Betrieb der sanierten Abwasserbehandlungsanlage der Gemeinde J.. Dadurch sollten alle Aufwendungen des Zweckverbandes abgegolten sein, so dass der Gebührenunterschied zwischen den tatsächlichen Gebühren in J. und den jetzigen Gebühren des Zweckverbandes nicht zu einer Schlechterstellung der Gebührenzahler des Verbandes führe. Grundlage dieser Überlegungen sei sicherlich gewesen, dass das Klärwerk J. bei weitem überdimensioniert gewesen sei und insoweit nur mit einem geringeren Kostenanteil in die Kalkulation des Zweckverbandes hätte einfließen können.

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Warum diese Planung nicht umgesetzt worden sei, ergebe sich nicht aus den Akten. Aus den Förderunterlagen ergebe sich jedoch klar und ersichtlich, dass der größte Teil der Fördergelder für Investitionsmaßnahmen im Hinblick auf die Einbindung des Abwasserklärsystems der Gemeinde J. in die Einrichtung des Zweckverbands gedacht gewesen sei. Das Klärwerk J. sei im Ergebnis vom Netz genommen worden, die Abwässer der Gemeinde würden in einem anderen Klärwerk des Zweckverbands behandelt. Wenn davon ausgegangen werde, dass es ansonsten im Verbandsgebiet keine Überkapazitäten gegeben habe, müsse das Klärwerk, in das die Gemeinde J. eingebunden gewesen sei, technisch erweitert worden sein. Wenn die Fördermittel der Gemeinde nicht für den Ausbau des Klärwerks J. hätten ausgegeben werden müssen, so hätten sie trotzdem dem Anschluss der Gemeinde gedient, so dass sie an der Stelle der notwendigen Erweiterungskosten des die Gemeinde J. aufnehmenden Klärwerks/Pumpen etc. kalkulatorisch hätte angesetzt und kostenmindernd hätten berücksichtigt werden müssten. Eine Schenkung in den allgemeinen Haushalt des Zweckverbands könne der Fördermittelempfänger in Anbetracht der Fördermittelrichtlinien wohl kaum darstellen, so habe es der Zweckverband angesichts des Schreibens vom 5. Oktober 2005 auch nicht verstanden. Insofern seien die Fördermittel, die nicht zur Schuldentilgung oder zum Rückbau der Kläranlage verwendet worden seien, in die Kalkulation einzustellen und darüber hinausgehend diejenigen Baumaßnahmen, die durch die Gemeinde selbst finanziert worden seien, aus der Kalkulation herauszurechnen.

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Wenn darüber hinaus der Zweckverband habe berechtigt sein sollen, die Grundstückseigentümer der Gemeinde J. erneut mit Beitragsbescheiden zu versehen, so sei wohl auch darüber nachzudenken, inwieweit die im Rahmen der Geschäftsbesorgung einbehaltenen Beiträge der Gemeinde ebenfalls kostenmindernd in die Kalkulation einzustellen sein würden bzw. hätten zurückfließen müssen.

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2. Recht zur Beitragserhebung

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a) Verwirkung

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Die Beitragserhebung sei Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltung und stelle insoweit eine verwaltungsrechtliche Berechtigung wie auch Verpflichtung für den jeweiligen Zweckverband als juristische Person des öffentlichen Rechts dar. In den allermeisten so genannten Altanliegerfällen gehe es um die Tatsache, dass seit Bestehen des Zweckverbands bis heute keine beitragsrechtliche Veranlagung erfolgt sei, obwohl es diverse im Zeitpunkt des Satzungserlasses für wirksam gehaltene Rechtsgrundlagen zur Veranlagung gegeben habe. Die Diskussion um die Beitragsverpflichtung derjenigen, die in unterschiedlichster Form und Art und Weise vor der Wende eine Gegenleistung für die Herstellung der Abwasserentsorgung erbracht hätten, sei so alt wie der Zweckverband selbst. Bereits im Jahr 2003 sei ein Urteil des OVG Magdeburg (Az: 1 L 226/03) mit der grundlegenden Überlegung ergangen, dass die Anschlussmöglichkeit für Grundstückseigentümer vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, so dass bereits zu diesem Zeitpunkt eine Vorteilslage bestanden habe. Diese Situation treffe insofern auch diejenigen Grundstückseigentümer, die diesen Status bereits vor der Wende innegehabt hätten. Diese Rechtsprechung habe seitdem die Rechtsansicht der so genannten Altanlieger gestützt, bis das OVG Greifswald mit Beschluss vom 4. September 2006 entschieden habe, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf Einrichtungen und Anlagen bezöge, die nach dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern beitragspflichtig seien und der Begriff der öffentlichen Einrichtung rechtlich, nicht jedoch faktisch zu sehen sei. Diese Entscheidung sei jedoch bereits angelegt gewesen in den früheren Beschlüssen des OVG Greifswald aus dem Jahre 1999, so dass zunächst die Voraussetzung der unangemessen langen zeitlichen Komponente zu bejahen sein werde.

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Der Zweckverband habe in dem genannten Zeitraum mehrfach Satzungsrecht geschaffen und die so genannten Altanlieger konsequent von der Veranlagung ausgenommen. Für diese Gruppe habe somit auch aufgrund der bekannten Rechtsprechungsdifferenzen, deren Grundlage weniger im Landesrecht als im Verfassungsrecht zu finden sein werde, Anlass dafür bestanden, darauf zu vertrauen, dass der Zweckverband B-Stadt sich der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern nicht anschließen werde. Dieses Vertrauen habe nicht auf der Inanspruchnahme eines rechtswidrigen Vorteils für eine bestimmte Gruppe von Grundstückseigentümern basiert, sondern auf der auch durch obergerichtliche Rechtsprechung gestützten Annahme, im Grundsatz nicht mehr verpflichtet zu sein.

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Wesentlich komme es in den vorliegenden Fällen auf den Zeitfaktor an. Die Frage der Beitragspflicht für so genannte Altanlieger sei zwar durchaus umstritten, jedoch für das Oberverwaltungsgericht Greifswald zu einem frühen Zeitpunkt klar und deutlich entschieden worden. Die Verwaltung habe insofern unverzüglich ihren Regelungsanspruch verfolgen können. Sie habe dies nicht getan, obwohl sie von ihrer Berechtigung bei objektiver Beurteilung Kenntnis hätte haben können. Wenn man unterstelle, dass der Zweckverband nicht absichtlich nichtige Satzungen erlassen habe, so wäre für ihn zumindest die Festsetzungsverjährung eine zeitliche Begrenzung der möglichen Bescheidung der Altanlieger gewesen. Zwar könne die Befugnis zum Erlass einer Beitragssatzung nicht verwirkt werden, weil dies aus der Konnexität von Beitragserhebungspflicht und der Pflicht zum Erlass einer Beitragssatzung erfolge. In den vorliegenden Fällen hätten jedoch die so genannten Altanschließer aufgrund des Verhaltens des Satzungsgebers darauf vertrauen können, mit ihrer Rechtsansicht im Hinblick auf die einmalige Beitragserhebung zumindest im Verbandsgebiet des vorliegenden Zweckverbandes durchzudringen. Der Zweckverband formuliere erstmalig in seinen – damals - aktuellen Widerspruchsbescheiden im Hinblick auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts: „Diese Rechtsprechung bindet den ZvWis auch gegen seinen Willen.“

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Wenn man wie die Altanschließer und auch das OVG Magdeburg davon ausgehe, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung bereits bestanden habe und es dabei auf den faktischen Bestand ankomme, wäre zumindest gedanklich der Vergleich mit den Grundsätzen zum Wechsel eines Aufgabenträgers möglich. Zwar sei auch bei einem solchen Wechsel grundsätzlich die Erhebung eines Beitrags für die neue Einrichtung möglich. Allerdings seien nach der Rechtsprechung dabei die Anforderungen des Gleichheitssatzes und des Äquivalenzprinzips zu beachten, um die doppelte Beitragserhebung für eine Anlage im technischen Sinne zu vermeiden.

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Diejenigen Altanschließer, die bereits zu DDR-Zeiten an den damaligen Einrichtungsträger Investitionen refinanziert hätten, hätten darauf vertraut, den bereits vorhandenen Anschlussvorteil nicht noch einmal zahlen zu müssen. Dieses Vertrauen sei durch das Verhalten des Zweckverbandes Wismar in Kenntnis der Rechtsprechung des OVG Greifswald und darüber hinaus auch durch die differenzierte Rechtsprechung verschiedener Obergerichte gefestigt worden. Dabei gehe es nicht darum, dass ein Verzicht auf die Beitragserhebung oder auch eine Freistellung bzw. ein Erlass des Beitrages im Raum stünde, so dass Probleme mit dem Gesetzmäßigkeitsprinzip aufträten. Das Verhalten des Zweckverbands in Bezug auf die so genannten Altanliegergrundstücke trotz der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zur Frage der Beitragsfähigkeit von Nachwendeinvestitionen stelle einen besonderen Umstand dar, der die Geltendmachung des vermeintlichen Beitragsrechts zum heutigen Zeitpunkt als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließe. Die Altanschließer hätten sich darauf verlassen können, dass der Zweckverband Wismar in Kenntnis der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts die bereits vor der Wende bestehende Vorteilslage und die diesbezüglichen Aufwendungen anerkenne und keine Beiträge mehr erhebe. Dies habe offenkundig auch dem Willen des Zweckverbands entsprochen. Dieses Vertrauen sei im Übrigen dasselbe, das ein Beitragszahler aus dem Jahre 1992 oder dem Jahre 1993 besitzen dürfe. Der Zweckverband habe sich eindeutig positioniert und mitgeteilt, trotz der bis zu dem heutigen Tage regelmäßigen nichtigen Satzungen keine Nachveranlagung durchzuführen. Gleichzeitig sei der Zweckverband auch nicht bereit, denjenigen Beitragszahlern, die aufgrund nichtiger Rechtsgrundlagen höhere Beiträge bezahlt hätten als es die aktuelle Satzung ausweise, neu zu bescheiden bzw. die Differenz zurückzuzahlen. Nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch wohnten nur drei Grundstückseigentümer nebeneinander, deren Grundstücke jeweils 3.000 m² beitragsfähige Grundstücksfläche aufwiesen. Der eine habe im Jahr 1992 für den Anschluss an die Abwasseranlage insgesamt 2.000 DM gezahlt. Der zweite habe im Jahr 2001 insgesamt 13.380 Euro für denselben Anschlussvorteil gezahlt. Der dritte solle nur im Jahr 2010 9.930 Euro für diesen Vorteil zahlen, den er bereits zu DDR-Zeiten besessen und ausgeglichen habe. Angesichts dieser Vorstellung, die eine tatsächliche Situation widerspiegle, verdeutliche sich die Notwendigkeit des Rechtsinstituts des Vertrauensschutzes, das das Vertrauen des Bürgers in die Kontinuität und Berechenbarkeit staatlichen Handelns schützen solle.

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b) Gleichheitsgrundsatz

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Das OVG Greifswald habe diesbezüglich ausgeführt, dass der Gleichheitssatz das Verhältnis der Beitragsschuldner untereinander betreffe und das Äquivalenzprinzip das Verhältnis zwischen Beitragsschuldner und Gemeinde bzw. Zweckverband. Es argumentiere im Hinblick auf die Gesichtspunkte der gleichen Sachverhalte bei Anschlussbeiträgen bereits seit langem in Richtung des rechtlich gesicherten Vorteils für alle. Insoweit schließe es eine unterschiedliche Beitragssatzhöhe für altangeschlossene bzw. neuanschließbare Grundstücke aufgrund willkürlicher Ungleichbehandlung und insoweit wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz aus.

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Wenn diese Argumentation richtig sei, so verbiete sich die tatsächliche Ungleichbehandlung zwischen den bereits zu 90 % abgerechneten Anschlussnehmern im Bereich des Zweckverbands und den verbleibenden 10 % so genannter Alteigentümer genau in der dargestellten Form. Derjenige, der bereits im Jahre 1992 Eigentümer seines Grundstücks gewesen sei und erst heute beschieden werde, habe einen Anspruch darauf, mit seinem Nachbarn gleichbehandelt zu werden. Die Differenz zwischen den Beiträgen 1992 und 2011 betrage bei einem Grundstück vom 3.000 m² fast das 10fache, der rechtliche Vorteil sei derselbe. Wenn der Zweckverband eine neue Beitragserhebung für den gesamten Zeitraum seiner ohne Rechtsgrundlage und damit gesetzeswidrig ausgeübten Tätigkeit ablehne (sowohl für die Fälle des zu geringen Beitrages als auch für die Fälle des zu hohen Beitrages), könne aus dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nur folgen, dass die nunmehr veranlagten Altanschließer aus dem Beitragssatz des Jahres 1992 veranlagt würden. Ansonsten stelle die 10fache Beitragshöhe für denselben grundstücksrechtlichen Vorteil ohne eine nachvollziehbare Begründung eine willkürliche Ungleichbehandlung dar, die auch vor dem Hintergrund der Wirkungen der Bestandskraft von Verwaltungsakten nicht in dieser Form hingenommen werden könne. Sämtliche Verjährungsfristen verlören ihre Bedeutung, wenn der Staat, wie im vorliegenden Fall, 90 % seiner hoheitlichen Tätigkeit ohne Ermächtigungsgrundlage durchführe. Darüber hinaus könne dem Zweckverband nicht ernsthaft zugutekommen, dass er erst in 20 Jahren und zahlreichen Anläufen nicht erreicht habe, eine rechtsgültige Satzung als Grundlage für seine Hoheitsrechte vorzulegen und trotzdem fast das gesamte Beitragsgebiet mit rechtswidrigen Bescheiden überzogen habe.

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Selbst wenn man der Ansicht folge, dass der Zweckverband nicht verpflichtet wäre, gleich nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu versenden, erscheine es im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht nachvollziehbar, diejenigen Grundstückseigentümer, die bereits zum Entstehungszeitpunkt des Zweckverbands angeschlossen gewesen seien, anders zu behandeln als diejenigen, die erst 1992 angeschlossen worden seien, wenn der Argumentation im Hinblick auf die Verwirkung nicht gefolgt werden könne.

41

Das Verwaltungsgericht Schwerin habe zur zugrundeliegenden Satzung bereits ein erstinstanzliches Urteil zum Aktenzeichen 4 A 1587/10 gesprochen, das sich in der Überprüfung durch das OVG zum Aktenzeichen 1 L 233/13 befinde. Es werde die Berufungsbegründung – insoweit wird auf die näheren Ausführungen im Schriftsatz vom 26. Februar 2015 ab Seite 13 Bezug genommen - ebenfalls zum Inhalt dieser Klagebegründung gemacht.

42

Nachdem der Vorteilsausgleich zwischen 1992 und 2011 fast 10fach auseinanderklaffe, der Zweckverband die rechtliche Möglichkeit der Nachveranlagung jedoch tatsächlich ausschließe, führe dies im Ergebnis zu einem Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser der Beklagten vom 2. Juni 2009, Bescheidnummer S 274/09, und ihren Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen,

47

und trägt dazu vor:

48

Es werde zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.

49

Zum Vortrag im Schriftsatz der Klägerin vom 26. Februar 2015 bis Seite 13 verhalte sich das Urteil des Gerichts vom 20. August 2013 zum Aktenzeichen 4 A 1587/10. Hierauf sei vollumfänglich Bezug zu nehmen.

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Der weitere Vortrag sei hinsichtlich der „J.-Problematik“ insbesondere Gegenstand der Entscheidung des Gerichts zum Aktenzeichen 8 A 1369/09.

51

Im Übrigen bleibe der Vortrag stellenweise unverständlich. Nach wie vor bleibe dunkel, inwiefern die Flächenermittlung fehlerhaft sei. Diese sei diesseits mehrfach durch Karten und - im Einzelfall – Nachprüfung vor Ort überprüft und für zutreffend erachtet.

52

Eine fehlerhafte Abgrenzung von Innen- und Außenbereich werde nicht substantiiert dargelegt.

53

Erhebliche Ausführungen hinsichtlich der „J.-Problematik“ im Lichte der bereits gefällten Entscheidungen des Gerichts blieben aus. Die Gemeinde J. habe zunächst die von ihr erhobenen Beiträge selbst einziehen wollen und auch eingezogen, danach sei der Zweckverband als Geschäftsbesorger eingeschaltet worden. Die in diesem Zusammenhang von dem Zweckverband eingezogenen Beiträge seien aber auch an die Gemeinde abgeführt worden. Schließlich habe, bevor die Aufgabe endgültig zum Zweckverband gekommen sei, die Gemeinde aber auch selbst wieder ihre Beitragserhebung und die Einziehung dieser Beiträge durchgeführt. Einvernehmlich seien bis im Jahr 2005 vereinnahmte Mittel auf die vom Zweckverband als Geschäftsbesorger für die Gemeinde „mitbetriebene“ Anlage verwendet und hierüber abgerechnet worden.

54

Es seien alle Bebauungspläne nochmals überprüft und dort seien zum Teil die Flächen abgeändert worden. Dies sei im Hinblick auf die aktuelle Beitragssatzung vom 3. März 2010 geschehen. Es werde insoweit auf den Ergänzungsbericht zur Schmutzwasserkalkulation 2010 (Beiakte 1 zu 4 A 3/12) verwiesen. Es seien zu diesem Zwecke die Bebauungspläne noch einmal überprüft und geschaut worden, ob hinter dem jeweiligen Bebauungsgebiet noch Gebäude auf den jeweiligen Grundstücken stünden.

55

Für die Frage der Abgrenzung des Innen- zum Außenbereich sei zunächst anhand des Kartenmaterials die jeweilige Ortslage angeschaut worden. Dort sei dann ermittelt worden, ob hinter der Mehrzahl der Bebauungstiefen sich etwa eine Ackerfläche oder eine Wiesenfläche oder ein Bahngelände oder Ähnliches befinde. All dies indiziere das Vorliegen von Außenbereich. In Einzelfällen, wo man anhand des Kartenmaterials zu keinem Schluss gekommen sei, sei man dann auch vor Ort gewesen und habe sich nicht nur dieses Grundstück, sondern auch links und rechts die benachbarte Bebauung bzw. die benachbarten Grundstücke angeschaut.

56

Auch ein paar hundert ggf. „falsch“ berücksichtigte Quadratmeter, die es im Übrigen nicht gebe, würden nicht ausreichen, um einen methodischen Fehler der Kalkulation anzunehmen. Dazu sei der Beitragssatz zu maßgeblich im Verhältnis zum rechnerisch maximal möglichen abgesenkt worden.

57

Grundstücke, die teils im B-Plangebiet, teil im unbeplanten Innenbereich und teils im Außenbereich lägen, gäbe es im Verbandsgebiet nicht.

58

Zur angeblichen Verwirkung fehle es hier am Umstandselement.

59

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 21. Juni 2013 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

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Der Bescheid der Beklagten über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 2. Juni 2009 ist – ebenso wie ihr Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 – rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

61

A) Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Problematik des Beitragsrechts verweist das Gericht auf das kurz zuvor gefällte Urteil der Kammer vom 21. November 2016 in der Sache 4 A 94/11, an deren grundlegenden Ausführungen es auch im vorliegenden Fall festhält:

62

„…

63

A) Die Kammer hat keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Rechtsgrundlagen der dem hier angegriffenen Beitragsbescheid zugrunde liegenden Schmutzwasserbeitragssatzung im Kommunalabgabengesetz, weder im Hinblick auf § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V in der Fassung des Ersten Änderungsgesetzes vom 14. März 2005 (dazu unter I.) noch im Hinblick auf § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung des – nach Neubekanntmachung des Gesetzes vom 12. April 2005 – Ersten Änderungsgesetzes vom 14. Juli 2016 (dazu unter II.).

64

I. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V in der seit dem 31. März 2005 geltenden Fassung ist verfassungsgemäß. Entgegen der Auffassung der Kläger liegt mit dem damaligen Änderungsgesetz keine (echte, aber auch keine unechte) Rückwirkung vor.

65

1. Durch dieses Gesetz vom 14. März 2005 wurde das damalige Kommunalabgabengesetz in mancher Hinsicht zwar grundlegend überarbeitet. So nahm der Gesetzgeber Abschied von der Vorstellung einer „einheitlichen“ Beitragserhebungsvorschrift (§ 8 KAG vom 1. Juni 1993 bzw. zuvor auch § 8 KAG vom 11. April 1991) und scheidet seither die Straßenbaubeiträge nach § 8 KAG M-V von den Anschlussbeiträgen nach § 9 KAG M-V und fasst in § 7 KAG M-V für beide Beitragsarten geltende allgemeine Regelungen zusammen.

66

Die vergleichbare Vorgängerregelung im Kommunalabgabengesetz vom 1. Juni 1993 (KAG 1993) in § 8 Abs. 7 Satz 2 lautete folgt:

67

„Wird ein Anschlussbeitrag erhoben, entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung.“

68

Durch das Gesetz vom 14. März 2005 erhielt diese nunmehr in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V angesiedelte Gesetzesbestimmung folgenden Wortlaut:

69

„Die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung.“

70

2. Dem zwei Verfassungsbeschwerden stattgebenden Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 – (NVwZ 2016, 300 und etwa juris) zum Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg liegt eine andere Sach- und Rechtslage zugrunde und er bindet die Kammer allein deswegen schon nicht. Dort ging es um Fragen der gesetzlichen Rückwirkung einer Änderung des Brandenburgischen Kommunalabgabengesetzes. Das hiesige Landesrecht beinhaltet aber im Hinblick auf die Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch Einfügung des Wortes „wirksam(en)“ keine – weder eine echte noch eine unechte – Rückwirkung.

71

Die hiesige zuvor geltende gesetzliche Vorschrift des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 wurde nicht mit dem Ersten Änderungsgesetz vom 14. März 2005 im nunmehr geltenden § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V in dem Sinne geändert, dass dadurch („wieder“) Anschlussbeiträge erhoben werden konnten, die nach der vormals geltenden Vorschrift bzw. deren Auslegung – etwa wegen zwischenzeitlich bereits eingetretener Festsetzungsverjährung – nicht mehr hätten erhoben werden dürfen. Ebenso wenig wurde in eine laufende Frist, etwa in den Lauf der Festsetzungsverjährung, eingegriffen.

72

a) Anders als im Kommunalabgabenrecht des Landes Brandenburg entsprach es schon vor dem genannten Ersten Änderungsgesetz vom 14. März 2005 der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (und der erstinstanzlichen Gerichte), die sachliche Anschlussbeitragspflicht unter der Geltung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 frühestens dann entstehen zu lassen, wenn eine wirksame Anschlussbeitragssatzung vorliegt (obergerichtlich, soweit ersichtlich, erstmals im Beschluss vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 – ausgesprochen, siehe danach etwa OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 65, Urteil vom 2. Juni 2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 76 m. w. N.; vgl. die weiteren obergerichtlichen Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung, in: ders./Siemers/Holz/Seppelt, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, 33. Ergänzungslieferung November 2015, § 9 Erl. 7.2).

73

Soweit man juristisch überhaupt davon sprechen kann, wäre mithin schon zuvor durch die (ober)verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung die Rechtslage geprägt gewesen. Der Landesgesetzgeber hat lediglich zur („wahren“, wenngleich – dazu sogleich – juristisch überflüssigen) Klarstellung ausdrücklich in den seit Ende März 2005 geltenden § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V das hineingeschrieben, was nach der landesobergerichtlichen Rechtsprechung gegolten hat (ebenso für das Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt das OVG Magdeburg, Beschl. v. 17. Febr. 2016 – 4 L 119/15 -, LKV 2016, 186, 191; OVG Weimar, Urt. v. 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48-56 für das Kommunalabgabengesetz des Landes Thüringen).

74

Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in dem nach hiesiger Urteilsfällung entschiedenen Normenkontrollurteil vom 5. Dezember 2016 (a. a. O., S. 12 f. des amtlichen Umdrucks) ergänzend Folgendes ausgeführt:

75

„… Dass das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Anschlussbeitragspflicht nicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lässt, liegt im rechtlichen Charakter der sachlichen Beitragspflicht begründet. Das Landesrecht geht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Das setzt voraus, dass der Beitrag, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird und der als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V) ruht, auch der Höhe nach ausgeprägt ist. Die sachliche Beitragspflicht steht der Höhe nach unveränderlich fest und begründet mit diesem Inhalt ein abstraktes Beitragsschuldverhältnis. Da die Höhe des Beitrags unter anderem von den Maßstabsregeln und dem Beitragssatz abhängt, die in der Beitragssatzung normiert sind, ist ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 - 1 L 323/06 -, juris Rn. 50 f.). Zu einem früheren Zeitpunkt kann die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen. Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen …“

76

b) Aber nicht einmal um die Frage einer durch Rechtsprechung zu klärenden Gesetzesauslegung und ihrem späteren textlichen Einfließen in das ausgelegte Gesetz ging und geht es hier bei genauerer Betrachtung des geltenden Landesrechts im Lichte des Grundgesetzes wie auch der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern letztlich.

77

Das Kommunalabgabengesetz ist – wie wohl mindestens ganz überwiegend auch die entsprechenden Gesetze anderer Bundesländer - dadurch geprägt, dass es nicht bereits auf der Ebene dieses Parlamentsgesetzes das Entstehen der sachlichen („abstrakten“) Beitragspflicht normiert, sondern dazu zwingend eine satzungsrechtliche Entscheidung des Ortsgesetzgebers fordert (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, so auch in den Vorgängerfassungen, vorliegend i. V. m. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V).

78

Letztlich hat der Landesgesetzgeber – wie bereits zuvor mit ebensolcher Selbstverständlichkeit und deshalb wohl ohne nähere Darlegung der dahinstehenden juristischen Dogmatik die Verwaltungsgerichte – schlicht einen verfassungsrechtlichen Allgemeinplatz in das Kommunalabgabengesetz geschrieben, der auch ohne ausdrückliche einfachgesetzliche Vorschrift gilt; wohl treffender, wenn er denn unbedingt gesetzlich – im Sinne eines Pleonasmus, vergleichbar etwa mit einer Zeitungsmeldung über eine „tote Leiche“ – erwähnt werden soll, wäre der Hinweis auf die erforderliche Gültigkeit einer Abgabensatzung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu geben: Abgaben dürfen nur aufgrund einerwirksamen Satzung erhoben werden (vgl. auch das erst nach hiesiger Urteilsfällung ergangene Normenkontrollurteil des OVG Greifswald vom 5. Dez. 2016, a. a. O., S. 7 des amtlichen Umdrucks, wo ebenfalls betont wird, dass „… ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 … KAG M-V … nicht erhoben werden dürfen ….“).

79

Aus dem Rechtsstaatsprinzip und vor allem dem Wesen der Grundrechte, soweit dies im jeweiligen Grundrecht nicht sogar explizit gefordert wird, ist die rechtliche Selbstverständlichkeit, dass die sachliche Beitragspflicht eine gültige Beitragssatzung erfordert, wie folgt abzuleiten: Ein staatlicher Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts muss durch Schranken dieses Grundrechts legitimiert sein. Mit anderen Worten muss eine Behörde, will sie den Schutzbereich des Grundrechtsträgers beeinträchtigen, dafür eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung haben. Ein staatlicher Eingriff in das hier einschlägige Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 (1. HS) GG, vorliegend verkörpert durch den erlassenen Beitragsbescheid der Beklagten, ist daher nur legitimiert, wenn er Ausdruck der verfassungsrechtlichen Schranke dieses Grundrechts ist.

80

Eine Schranke der Freiheit eines jeden im Geltungsbereich des Grundgesetzes lebenden Menschen, mit seinen Vermögenswerten im Sinne einer wirtschaftlichen Handlungsfreiheit tun und lassen zu können, was er will, setzt bei dem hier einschlägigen Grundrecht (neben den Rechten anderer und dem Sittengesetz) insbesondere die „verfassungsmäßige Ordnung“ (Art. 2 Abs. 1 [HS 2] GG). Stützt sich ein die allgemeine Handlungsfreiheit berührender Akt der öffentlichen Gewalt auf eine Rechtsnorm, so ist zu prüfen, ob diese Norm zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört, d. h. formell und materiell mit den Normen der Verfassung in Einklang steht (ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, etwa BVerfG, Beschl. v. 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 –, BVerfGE 80, 137 ff., juris Rn. 62 m. w. N.). Nur, wenn dies bei der – hier – den Grundrechtseingriff rechtfertigenden Beitragssatzung mit seinen materiell-rechtlichen Regelungen der Fall ist und auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird, bildet die wirksame Satzung eine wirksame Schranke für die Grundrechtsausübung. Mit anderen Worten zwingt das höherrangige Verfassungsrecht auch im Rahmen von Anfechtungsklagen gegen Beitragsbescheide zur Prüfung, ob die Beitragssatzung formell und materiell (gesamt-)wirksam ist, da die in dem Grundrecht beschriebene Freiheit des Grundrechtinhabers nur mit einem Verwaltungsakt, der sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen kann, eingeengt werden darf und kann.

81

Dass dies nichts stets in dieser Ausführlichkeit ausdrücklich angesprochen wird, ändert nichts. Von daher ist auch eine etwaige Begründung des Landesgesetzgebers, in dem der verfassungsrechtliche Umstand einer wirksamen/gültigen Beitragssatzung nicht ausdrücklich erwähnt wird, ohne Bedeutung. Es ist im Übrigen juristisch absurd, aus dieser Nichterwähnung in den historischen Dokumenten den Willen des damaligen Landesgesetzgebers zu extrahieren, damit sei erkennbar, dass er bei der Beschlussfassung über das damalige Kommunalabgabengesetz (1991 und 1993) besonderen Wert darauf gelegt habe, dass jede Satzung, die erstmals den Anschlussbeitrag nach neuem Recht regle, die Anschlussbeitragspflicht entstehen lasse und eine Rechtswirksamkeit keine Voraussetzung für die Beitragspflicht sein solle.

82

c) Divergierende Auslegungen des jeweiligen Landesrechts durch andere Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer, wie sie die Kläger näher darlegen, führt auch nicht zur Annahme, es habe bundesweit Verwirrungen im Recht gegeben, die der (hiesige) Landesgesetzgeber zum Anlass für eine Änderung seines Landesrechts genommen habe, die dann auf dem Prüfstand einer gesetzlichen Rückwirkung zu stellen wäre.

83

Wie bereits im Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 31. März 2016 ausgeführt, verkennen die Kläger insoweit, dass es in Mecklenburg-Vorpommern – und nur darauf kommt es an – vor dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 keine Divergenzen in der Auslegung des zuvor geltenden § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 bzw. 1991 gegeben hat; insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Vorliegend handelt es sich um Landesrecht. Zur Auslegung von Landesrecht, hier des Kommunalabgabengesetzes des Bundeslands Mecklenburg-Vorpommern, sind die dortigen Landesfachgerichte, insoweit vorliegend die beiden Verwaltungsgerichte in Schwerin und Greifswald und vor allem das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in Greifswald berufen, niemals aber die Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer. Der Hinweis, wie andere (Ober-)Ge-richte anderer Bundesländer „ihr“ dort jeweils geltendes Landesrecht, mag es auch wortlautidentisch sein, auslegen, ist nicht geeignet, eine kontroverse Auslegungslage in Mecklenburg-Vorpommern für das nur hier geltende Kommunalabgabengesetz (dieses Bundeslandes) herbeizureden. Die Kläger ignorieren den föderalen Staatsaufbau der Bundesrepublik nach Art. 20 Abs. 1 GG („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialerBundesstaat.“, Hervorhebung durch die Kammer). Eine „länderübergreifende“ Übereinstimmung oder Homogenität in der Auslegung wortgleichen Landesrechts mehrerer Bundesländer ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht erforderlich. Dies gilt auch mit Blick auf das Grundrecht in Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu et al., GG Kommentar zum Grundgesetz, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 27 m. w. N.). Der allgemeine Gleichheitssatz wird nicht deshalb verletzt, weil ein Bundesland den gleichen Sachverhalt anders behandelt als ein anderes Bundesland, eine Landesbehörde „ihr“ Landesrecht anders anwendet als Landesbehörden anderer Bundesländer „ihr“ jeweiliges Landesrecht oder ein Gericht das dort geltende Landesrecht nicht so auslegt, wie es andere Gerichte in anderen Bundesländern für deren Landesrecht judizieren (vgl. Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 14. Aufl. 2014, Rn. 9 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Das Grundrecht fordert die Einhaltung des allgemeinen Gleichheitssatzes nur innerhalb der (hier: Landes-)Grenzen des jeweiligen Rechtssystems bzw. bindet – aus grundrechtlicher Perspektive betrachtet – nur den jeweiligen Träger öffentlicher Gewalt innerhalb des von ihm geschaffenen oder anzuwendenden (hier: Landes-)Rechts für den Kreis der dadurch rechtsunterworfenen Grundrechtsträger.

84

d) Auch die von den Klägern suggerierte Verknüpfung der Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 zum hiesigen Kommunalabgabengesetz mit den angeblich „bis dahin“ (korrekt: auch weiterhin) in den einzelnen Bundesländern existierenden unterschiedlichen Auslegungen des einfachen (korrekt: Landes-)Rechts ist juristisch aus den dargelegten Gründen nicht tragfähig.

85

II. Die Kammer hat auch keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit des Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 14. Juli 2016, insbesondere soweit es die Neufassung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V betrifft.

86

1. Zwar hatte die Kammer nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (veröffentlicht ist beispielhaft die Sache 9 C 19.14, NVwZ-RR 2015, 786 = juris) zwischenzeitlich die Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V in Beitragsfällen nach dem Jahr 2008 als verfassungswidrig angesehen und auch ein konkretes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet (Beschl. v. 31. März 2016, a. a. O.).

87

2. Diese Auffassung ist aber nicht mehr aufrecht zu erhalten, nachdem der Landesgesetzgeber mit dem sog. Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 (GVOBl. S. 584), in Kraft getreten am 30. Juli 2016, in dem geänderten § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V die verfassungsrechtlich geforderte absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung gesetzt hat:

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88

Die vormals bestehende verfassungswidrige Unvollständigkeit des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern ist dadurch beseitigt worden. Dem Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 ff.; ebenso etwa Beschl. v. 21. Juli 2016 – 1 BvR 3092/15 –, NVwZ-RR 2016, 889 ff., Rn. 5 f.) ist damit Genüge getan.

89

3. Gegen die vom Landesgesetzgeber getroffene zeitliche Obergrenze einer Beitragserhebung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. hat das Gericht keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (ebenso OVG Greifswald, Urteile v. 6. September 2016 – 1 L 212/13 und 1 L 1 L 217/13 –, juris, Rn. 75 ff. bzw. 74 ff., noch einmal bestätigt in dem nach hiesiger Urteilsfällung entschiedenen Normenkontrollurteil vom 5. Dezember 2016 – 1 K 8/13 –, S. 12 f. des amtlichen Umdrucks; zur ähnlichen Regelung in Sachsen, § 3a Abs. 3 SächsKAG, ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016 – 5 A 493/14 –, LKV 2016, 313 ff. = juris Rn. 12; ebenso für die – allerdings kürzere – Obergrenze nach §§ 13b, 18 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes des Landes Sachsen-Anhalt das OVG Magdeburg, Beschl. v. 17. Febr. 2016, a. a. O., S. 189; vgl. auch für das Kommunalabgabengesetz des Freistaats Thüringen OVG Weimar, Urt. v. 12. Januar 2016, a. a. O., Rn. 44 ff.).

90

a) Der Landesgesetzgeber hat insoweit einen weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum, um die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit bei kommunalabgabenrechtlichen Vorteilslagen durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21. Juli 2016, a. a. O., Rn. 8). Diesen Spielraum überschreitet der Landesgesetzgeber nicht, mag er für die seit dem 3. Oktober 1990 bzw. dem – wohl maßgeblichen – Inkrafttreten des (ersten) Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 (KAG 1991) möglichen Anschlussbeitragserhebungsfälle mit den „10+20“-Jahren auch am äußeren (aber „diesseitigen“) zeitlichen Rand der gesetzgeberischen Regelungsalternativen liegen. Hierbei sind – gerade mit Blick auf die circa ersten zehn Jahre vom 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 (Inkrafttreten des KAG 1991) bis Ende des Jahres 2000, die nach der gesetzlichen Vorschrift noch nicht den Lauf der 20jährigen Obergrenze für eine Beitragserhebung in Gang setzen sollen – die besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung zu berücksichtigen, die nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben (grundlegender Verwaltungsumbau, Herstellung kommunaler Strukturen und dafür nötiger Rechtsgrundlagen, Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur) geprägt waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015 – 9 C 19/14 u. a. – juris Rn. 17; OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 13; OVG Magdeburg, Beschl. v. 17. Febr. 2016, a. a. O., S. 189). Exemplarisch hervorzuheben sind etwa die in den Anfangsjahren des Landes Mecklenburg-Vorpommern landauf landab vielfach missglückten Versuche der Kommunen, rechtswirksam einen Zweckverband nach den §§ 150 ff. der Kommunalverfassung (KV M-V) in den Aufgabenbereichen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu gründen bzw. ihm beizutreten, die den Landesgesetzgeber veranlasst haben, die umfangreichen §§ 170a, 170b KV M-V zur Unbeachtlichkeit von dort aufgeführten Rechtsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden und dem Beitritt zu einem solchen einschließlich der Fiktionen bei Unvollständigkeit der Verbandssatzung zu schaffen.

91

b) Das Gericht hegt auch keine (landes- oder bundes)verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf das ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten entwickelte Rückwirkungsverbot, soweit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. – wie vorliegend – auch Vorteilslagen vor dem 30. Juli 2016 bis zurück zum 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 betrifft.

92

aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung seit dem 30. Juli 2016 beinhaltet zwar wohl nicht nur eine Begünstigung für die seit 3. Oktober 1990 (erster Geltungstag des Grundgesetzes in dem damals zugleich neu/wieder entstandenen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) bzw. Mitte Mai 1991 in Mecklenburg-Vorpommern Betroffenen durch Beseitigung einer bis dahin bestehenden verfassungswidrigen Rechtslage, sondern dürfte auch grundrechtsbelastend sein, soweit es den frühestmöglichen Zeitpunkt des Eintritts der zeitlichen Obergrenze einer (Anschluss-)Beitragserhebung seit dem 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 auf den Ablauf des Jahres 2020 bestimmt.

93

bb) Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 stellt in diesem Fall insoweit eine sog. unechte Rückwirkung dar. Die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist gegeben, wenn eine tatbestandliche Rückanknüpfung stattfindet, die den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm betrifft. Hier wirkt die belastende Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein und entwertet zugleich die bisherige Rechtsposition nachträglich im Ganzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 –, BVerfGE 131, 20-47 = juris Rn. 66 m. w. N.). Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten also erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind. Dies trifft hier auf die seit Oktober 1990/Mai 1991 gegebenenfalls schon vorliegenden Vorteilslagen, also damals schon bestehenden Anschlüssen oder Anschlussmöglichkeiten an das faktisch vorhandene Trinkwasser- oder Abwassernetz aus DDR- oder gar noch „Reichs“-Zeiten zu.

94

Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand und damit eine echte Rückwirkung liegt dagegen mit Blick auf das Änderungsgesetz nicht vor, auch nicht bei den sich selbst so titulierenden „Altanschließern“, deren Grundstücke also schon vor Mitte Mai 1991 in Mecklenburg-Vorpommern oder vor dem 3. Oktober 1990 in der DDR oder gar dem Deutschen Reich an ein öffentliches Wasser- oder Abwassernetz angeschlossen waren. Sie sind aus den dargelegten Gründen nicht „sakrosankt“; ihre Nichteinbeziehung in die Anschlussbeitragserhebung würde sogar nach ständiger Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, da auch sie einen (erstmaligen) Vorteil i. S. des § 7 Abs. 1 KAG M-V haben (vgl. etwa Urt. v. 6. Sept. 2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 48; auch das BVerwG, Urteile vom 15. April 2015 – 9 C 19/14 u. a. –, juris Rn. 16, hat gegen diese Rechtsauffassung keine bundesrechtlichen Bedenken geltend gemacht).

95

Die unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015 – 2 BvR 1958/13 –, juris Rn. 43 m. w. N.). Dabei ist das durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen. Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren oder ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015, a. a. O., Rn. 44 m. w. N.).

96

So liegen die Dinge auch hier, wie weiter oben dargelegt worden ist. Auch in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den das Bundesverfassungsgericht auch bei der Problematik rückwirkender Gesetze zunehmend stärker betont, ist es (noch) angemessen, die Obergrenze für eine Beitragserhebung von 20 Jahren zu normieren und zugleich diese „Frist“ in Mecklenburg-Vorpommern erst ca. zehn Jahre nach der Deutschen Einheit bzw. dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 zu laufen beginnen zu lassen. Insoweit kann auf die oben dargestellten besonderen Verhältnisse in den „Gründerjahren“ des neuen Bundeslands verwiesen werden (vgl. im Ergebnis ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 15 und 18).

97

c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine solche „Heilung“ eines verfassungswidrig unvollständigen Landesgesetzes kraft (Landes- oder Bundes-)Verfassungs-rechts von vornherein („nie“) oder jedenfalls jetzt nicht mehr („zu spät“) möglich gewesen wäre. Bereits in der „Mutter“-Entscheidung zu dieser Problematik hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt (Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 49 f.):

98

„… Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

99

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ) …“

100

d) Ebenso wenig hat der hiesige Landesgesetzgeber, soweit es einen solchen verfassungsrechtlichen Ansatz geben sollte, auch nicht das Recht verwirkt, seine bisherige Untätigkeit seit Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 nach etwas mehr als drei Jahren aufzugeben und die verfassungsrechtlich erforderliche zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme eines Beitragspflichtigen zu schaffen, zumal die zuständigen hiesigen Landesgerichte bis hin zum Oberverwaltungsgericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Urteile vom 1. April 2014, etwa 1 L 142/13, juris) zunächst aus verschiedenen Gründen eine solche legislative Obliegenheit zum Handeln für den hiesigen Landesgesetzgeber verneint hatten.

101

Der bereits erwähnte Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 in den Verfahren 1 BvR 2961/14 und 1 BvR 3051/14 zum Kommunalabgabengesetz des Landes Brandenburg entfaltet mangels eines vergleichbaren Sachverhalts nach § 31 Abs. 1 BVerfGG keine Bindungswirkung für den vorliegenden Fall. Dort ging es um diffizile verfassungsrechtliche Fragen der Rückwirkung eines Gesetzes, dagegen nicht um verfassungsrechtliche Fragen zu den sog. Altanschließern, mögen diese auch neben sog. Neuanschließern davon betroffen worden sein…“

102

Mit den vorstehenden Ausführungen wird deutlich, dass es letztlich verfassungsrechtlich geboten ist, für das Entstehen der sachlichen Anschlussbeitragspflicht eine wirksame Beitragssatzung zu fordern, und zwar nicht nur als gerichtlicher Prüfungsmaßstab in einem auszuurteilenden Klageverfahren, das nur bis zur gerichtlichen Entscheidung vorliegen muss, sondern als inhaltliches Erfordernis, das auch Auswirkungen auf den Beginn des Laufs der Festsetzungsverjährung hat. Ein Beitrag kann (zu Lasten des betroffenen Abgabenschuldners) nicht entstehen, wenn es keine wirksame Rechtsgrundlage dafür gibt. Er kann nicht der Höhe nach (sachlich-abstrakt) entstehen, wenn es keine wirksame Rechtsgrundlage in Form einer insoweit im wahrsten Sinne des Wortes grundlegenden und wirksamen Beitragssatzung mit der Festlegung des gültigen Beitragssatzes und –maßstabs gibt.

103

Diese verfassungsrechtliche Fragestellung kann bei der vorliegenden Regelung des Parlamentsgesetzes, dass Abgaben – so auch (Anschluss-)Beiträge – nur aufgrund einer Satzung erhoben werden dürfen, § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, nach Auffassung des Gerichts nicht etwa entkoppelt werden von der damit zusammenhängenden beitragsrechtlichen Frage, wann die sachliche (Anschluss-)Beitragspflicht für den Betroffenen entsteht. Eine solche Pflicht, zunächst „abstrakt“ zur Entrichtung des vermeintlich „feststehenden“ Anschlussbeitrags verpflichtet zu sein, kann nicht bereits dann bejaht werden, wenn es nur eine scheinbar wirksame (Satzungs- und folglich) Rechtsgrundlage gibt, zumal wenn daran etwa die für die Betroffenen wichtige Frage des Beginns und vor allem Endes der Festsetzungsverjährung abhängt (s. o.). Ebenso wenig spielt es eine Rolle, ob die (vermeintliche) sachliche Beitragspflicht von der Verwaltung rein faktisch bislang in einer nicht unerheblichen Anzahl von Fällen in Bescheiden mit Bejahung der weiterhin erforderlichen persönlichen („konkreten“) Beitragspflicht/-schuld durchgesetzt worden ist, sei es ohne Streit darüber nach Ablauf der jeweiligen Frist für einen Angriff gegen den (dann „unanfechtbaren“) Bescheid, sei es vor rechtskräftigen Urteilen der Verwaltungsgerichte, welche die Rechtswidrigkeit eines solchen Abgabenbescheids mangels einer wirksamen rechtlichen (Beitragssatzungs-)Grundlage feststellen. Weiterhin ist unerheblich, ob diese Überprüfung namentlich der Beitragssatzung „nur“ inzident im Rahmen einer Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid nach den §§ 42 Abs. 1 (1. Alt.), 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch das Verwaltungsgericht geschieht oder „sogar“ durch das Oberverwaltungsgericht im Rahmen einer satzungsrechtlichen Normenkontrolle nach Art. 47 VwGO.

104

Die sachliche Beitragspflicht kann vielmehr allein dann entstehen, wenn diese Pflicht auch durch wirksames (Satzungs-)Recht begründet wird. Es gibt grundsätzlich keine (sachliche) Rechtspflicht ohne ein diese forderndes und „begründendes“ materielles Gesetz, das wiederum selbst wirksam sein muss. Ungültiges Recht kann grundsätzlich keine gültigen Pflichten erzeugen. Wenn dennoch der Staat erwartet, dass auch der Adressat eines (mangels gültiger Abgabensatzung) rechtswidrigen Abgabenbescheids zunächst die festgesetzte Abgabe zahlen solle (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, § 240 AO), so ist dies nur eine scheinbare Ausnahme von diesem Rechtsgedanken, gerechtfertigt aus der Erwägung, dass der Staat seine Aufgaben nur bei zunächst „ohne Wenn und Aber“ entrichteten (Steuern und) Abgaben erfüllen kann, wobei die Fragen der Rechtmäßigkeit der (Steuer und) Abgabe grundsätzlich erst im Nachhinein geklärt werden sollen.

105

Schließlich liegt auch nicht einmal ein „Anfangsverdacht“ für eine Verfassungswidrigkeit der Neuregelung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V insoweit vor, als der Landesgesetzgeber an die Stelle des bisherigen Inhalts (unecht rückwirkend) den jetzigen gesetzt hat.

106

Wenn in der früheren Fassung dieser Norm

107

„… (2) Abweichend von § 169 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre; bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008 …“

108

nicht „frühestens“ (oder sogar „spätestens“) gestanden hätte, wäre die Neufassung durch das Änderungsgesetz vom 14. Juli 2016 zwar verfassungsrechtlich mindestens bedenklich. So liegen die Dinge hier aber gerade nicht. Auch mit Blick auf die bereits im oben zitierten Kammerurteil angesprochene Rückwirkungsproblematik des Änderungsgesetzes vom 14. Juli 2016 kann ein verständiger Anschlussbeitragsschuldner genau aus diesem Grund („frühestens“, nicht: „spätestens“) kein schutzwürdiges Vertrauen darin entwickelt haben, ab dem 1. Januar 2009 nicht mehr zu einem Anschlussbeitrag nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V herangezogen werden zu können. Dieses damalige Datum ist mit dem Zusatz „frühestens“ ohne den geringsten Zweifel dahingehend zu verstehen, dass ein Anschlussbeitrag auch nach Ablauf dieses Datums möglich ist, wobei dann allerdings gegebenenfalls – nach alter abgabenrechtlicher Denkart – „nur“ die Regelungen der Festsetzungsverjährung und die sonstigen Schranken (etwa der Grundsatz der Verwirkung) einer Beitragserhebung entgegen stehen konnten, vor deren Wirkungen die alte Gesetzesfassung die Anschlussbeitragsgläubiger im Hinblick auf die Festsetzungsverjährungsvorschriften gerade hatte schützen wollen.

109

Ebenso wenig geben die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 Anlass für die Annahme, nach dem Jahre 2008 gebe es für die Anschlussbeitragsgläubiger im Lande einen dauerhaften „Aschermittwoch“. Dort wird lediglich mit Blick auf Veranlagungsfälle bis zum Jahresende 2008 zur damaligen Gesetzesfassung ausgeführt (a. a. O., Rn. 11):

110

„…Allerdings mussten Grundstückseigentümer aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 mit ihrer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung rechnen. Der Landesgesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zwar nur unvollständig, aber dennoch so weit Rechnung getragen, dass die Träger kommunaler Entsorgungseinrichtungen bis zu diesem Zeitpunkt Herstellungsbeiträge erheben konnten …“

111

Bereits dort findet sich der Hinweis, dass der Landesgesetzgeber dem Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit nur legislativ teilweise („unvollständig“) nachgekommen sei. Es wird in den dortigen Urteilen nicht die (beiläufige) Rechtsauffassung vertreten, damit habe der Landesgesetzgeber schon alles getan, um dem genannten Grundsatz vollumfänglich zu genügen, sodass in Mecklenburg-Vorpommern bereits – quasi in vorauseilendem Gehorsam zur Erfüllung eines damals noch unbekannten, nicht formulierten und ausgesprochenen verfassungsrechtlichen Befehls an die Legislative – eine solche zeitliche Obergrenze abschließend (!) Eingang in das Kommunalabgabengesetz vom März 2005 gefunden hätte.

112

B) Nach ständiger Rechtsprechung der (inzwischen aufgelösten) 8., aber auch der erkennenden Kammer des Gerichts ist die Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbands vom 3. März 2010 die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung (statt vieler etwa Urteile der 8. Kammer vom 29. August 2011 – 8 A 507/10 – und 15. März 2012 – 8 A 557/11 –, Urteile der 4. Kammer vom 11. April 2013 – 4 A 1250/12 – und etwa vom 5. September 2016 – 4 A 206/13 –).

113

Es entspricht ständiger Rechtsprechung der hiesigen Verwaltungsgerichte, dass eine solche spätere Satzung auch noch nach Erlass des – ursprünglich rechtswidrigen - Beitragsbescheids die „heilende“ Rechtsgrundlage für diesen (dann insoweit rechtmäßig werdenden) Verwaltungsakt bilden kann, auch ohne dass sie rückwirkend erlassen werden muss (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 6. Sept. 2016, a. a. O., Rn. 53; Aussprung, in: ders. et al., Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: November 2015, § 2 Erl. 12.13.2).

114

Das Gericht nimmt in der Sache wiederum auf die zutreffenden Ausführungen im Kammerurteil vom 21. November 2016 (a. a. O.) Bezug:

115

„… Auch das vorliegende und jüngst erweiterte Vorbringen der Kläger gibt der Kammer keine Veranlassung, davon im Sinne einer Gesamtnichtigkeit dieser Beitragssatzung abzurücken.

116

I. Dazu ist zunächst auf die Ausführungen etwa im Urteil vom 11. April 2013 (a. a. O.) hinzuweisen, denen sich die Kammer auch für den vorliegenden Fall anschließt:

117

„… Der Zweckverband … verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern ...

118

Zur Gründung und Existenz des Beklagten (des Zweckverbands, Anm. des erkennenden Gerichts), hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich … um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.

...

119

Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch[l]. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen ...

120

Hinsichtlich der weiterhin gerügten Mängel verweist das Gericht auf das Urteil der Kammer vom 15. März 2012 (8 A 547/11, juris)(.) Das Gericht hat dort ausgeführt:

121

‚1. Der Zweckverband B-Stadt und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung …

122

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A – juris LS 3 und Rn. 76 ff.

123

Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband B-Stadt nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverband(…)sgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.

124

2(.) a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 der Verbandsatzung des Zweckverbandes B-Stadt (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:

125

(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:

126

1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,

127

2. Änderung der Verbandssatzung,

128

3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,

129

4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,

130

5. Zusammenschluss von Verbänden.

131

Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat ‚im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus‘. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband B-Stadt übernommene - Ausnahmen.

132

Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.

133

Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.

134

b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil die Ostsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

135

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

136

Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.

137

c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

138

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

139

- vgl. … etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A – juris, Rn. 88 ff. mwN -

140

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern(,) und ist damit wirksam.

141

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres … [ist] veröffentlicht [in] juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

142

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

143

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

144

b) ... [Es] wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

145

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

146

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

147

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

148

c) wenn sie bebaut sind.

149

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

150

(3) […]

151

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

152

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

153

c) ... (D)ie Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 (ist) nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

154

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

155

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

156

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

157

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

158

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

159

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

160

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

161

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

162

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

163

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

164

d) […]

165

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

166

Diese Satzungsbestimmung wird ... unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

167

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

168

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

169

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

170

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

171

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde G.) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

172

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

173

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

174

cc) [dd, Anm. des erkennenden Gerichts] Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde G. enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von ‚baulichen Anlagen’ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

175

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

176

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

177

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

178

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht ‚ungefragt auf Fehlersuche’.

179

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

180

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

181

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

182

cc) ... [Es] wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

183

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

184

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

185

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

186

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung ‚Schmutzwasserentsorgung’ wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für ‚Altanschließer’ als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

187

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

188

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

189

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind ... auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen …

190

Danach durfte der Zweckverband die gelegentlich... monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

191

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

192

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A – juris, Rn. 163 ff.

193

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

194

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit ... unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

195

‚[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]’

196

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

197

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

198

‚Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]’

199

Das ... Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

200

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

201

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitrag[s]recht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

202

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung der Gebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen(.) Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

203

(3) Soweit ... darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Altanlagen kostenlos übernommen ... und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

204

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

205

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

206

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

207

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

208

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der ‚Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. D…)’, der ‚Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014’ sowie einer Auflistung ‚Kostenschätzung B-Pläne’. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

209

cc) [ff, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Annahmen in der Kalkulation müssen ... mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den(n) enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

210

ff) [GG, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage (Kläranlage, Anm. des erkennenden Gerichts) Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien ...

211

GG) [hh, Anm. des erkennenden Gerichts] Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband(s) nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. ... [Es] ist ... gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010 festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

212

hh) [ii, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

213

ii) [jj, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

214

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

215

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

216

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

217

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

218

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

219

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN …“

220

II. Auch den von den Klägern weiter(hin) bzw. jüngst erhobenen Angriffen hält die angegriffene Schmutzwasserbeitragssatzung stand.

221

1. Soweit es die „alten“ Einwände gegen die Gültigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung gemäß dem Schriftsatz vom 15. Februar 2012 in der Sache 8 A 1839/10 betrifft, die auch im vorliegenden Verfahren vorgebracht werden, überzeugen diese nicht. Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen im bereits zitierten Urteil der Kammer vom 11. April 2013 (a. a. O.) verwiesen werden, das wiederum das inzwischen rechtskräftige Urteil der 8. Kammer vom 15. März 2012 in dem Verfahren 8 A 547/11 (juris) in Bezug nimmt, in dem diese Einwände überzeugend entkräftet werden.

222

2. Ergänzend ist im Hinblick auf die in den genannten Urteilen behandelte Schmutzwasseranschlussbeitragskalkulation Folgendes zu bemerken: Die vorliegende Beitragskalkulation des Zweckverbands ist jedenfalls unter Berücksichtigung der nachfolgend wiedergegebenen Erklärungen der Beklagten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht zu beanstanden.

223

a) Zu Fördermitteln findet sich im Protokoll der mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 Folgendes (S. 23):

224

„… Die Beteiligten führen zum Baugebiet Hornstorf aus, nach Klägerauffassung seien 6 bis 7 Millionen Euro Investitionen bis zum Jahr 2012 erforderlich, war also schon bekannt. Die Beklagtenseite führt dazu aus, dass insoweit nur Kosten berücksichtigt worden seien, die durch den Bebauungsplan bereits konkretisiert seien. Der Flächennutzungsplan sieht dort mehr Fläche vor und nur insoweit als bereits dort Bebauungspläne rechtskräftig sind, würden die anfallenden Kosten auch in der Kalkulation berücksichtigt. Hinsichtlich des B-Plans der Gemeinde Hornstorf Gewerbegebiet sind bislang 4.984.429,- € veranschlagt worden in der Kalkulation minus Fördermittel in Höhe von 3.489.100,- €. Der Differenzbetrag wird in die Kalkulation als Anschaffungs- und Herstellungskosten eingestellt. Dies betrifft lediglich den bereits rechtskräftigen Bebauungsplan.

225

Die Klägerseite sagt, dass in der Kalkulation Stand 5.5.2008 das Gewerbegebiet Hornstorf (mit Kritzow Hornstorf) Gesamtbaukosten mit 16.063.000,- € veranschlagt worden seien, davon Fördermittel in Höhe von 11,244 Millionen. Dieses hätte bereits in den aktuellen Kalkulationen 2010 veranschlagt werden müssen und stimmt auch mit den Abwasserbeseitigungskonzept 2010 überein.

226

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Kosten von Baumaßnahmen aus diesen Verträgen wird die Tabelle Schmutzwasser der Erschließungsverträge erörtert in Beiakte 1 zu 8 A 3/12. Die Beklagtenseite erläutert dazu, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst mal in die Anlagebuchhaltung übernommen worden sind, so wie die vom Erschließungsträger nachgewiesen wurden. Sodann sind Zuschüsse Dritter abgezogen worden sowie ein Vergleich angestrebt worden zwischen den satzungsmäßig anfallenden Beiträgen und den tatsächlich gezahlten Beiträgen, so wie die in der Ablösevereinbarung getroffen worden sind. Die Differenz zwischen den tatsächlichen und den Beiträgen und den rechtlich möglichen Beiträgen sei dann von den Anschaffungs- und Herstellungskosten als sogenannte Deckungslücke abgezogen worden. Aus der Tabelle in der Spalte reine AbschreibeAK Anlage Kosten nach Ortslagen seien die dort ausgewiesenen Beträge in die Kalkulation eingestellt worden.

227

Der Klägervertreter äußert dazu Bedenken, weil nicht die tatsächlichen anfallenden Kosten eingestellt worden seien. Vielmehr seien keine Kosten eingestellt worden, wie man auch aus der laufenden Nr. 1 A-Stadt EV Nr. 163/94 Koppelweg A-Stadt ersehen könne. Dort sei der volle Beitrag in Höhe von 126.721,98 € abgelöst worden. Tatsächlich seien als reine AK noch 17.895,22 € in der Kalkulation veranschlagt worden.

228

Die Beklagtenseite bestätigt, dass das Zahlenwerk, so wie das von Herrn Rechtsanwalt K… dargestellt worden ist, zutreffend interpretiert worden ist.“

229

Dem Protokoll kann die Kammer deshalb nicht den gelegentlichen Vortrag mancher Kläger entnehmen, dort sei von der Beklagten (zu)gestanden worden, dass im Rahmen der Kalkulation nicht alle Fördermittel ausgewiesen worden seien. Im Übrigen bleibt unklar, was diese Kläger mit „ausgewiesen“ meinen. Soweit sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sämtliche erhaltenen Fördermittel (= Zuschüsse) im Zusammenhang mit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung von den Herstellungskosten kalkulatorisch abzuziehen seien, ist dies unzutreffend. Vielmehr regelt das Gesetz in § 9 Abs. 2 Sätze 4 ff. KAG M-V die Problematik von Zuschüssen differenziert wie folgt:

230

„… Zuschüsse sind vorbehaltlich der Sätze 5 und 6 zur Deckung des gesamten Aufwandes zu verwenden. Zuschüsse, die nach den Rechtsvorschriften des Zuwendungsprogramms oder sonstigen Bestimmungen des Zuschussgebers zur Begünstigung bestimmter Beitragspflichtiger oder bestimmter Gruppen von Beitragspflichtigen zu verwenden sind, bleiben in der Beitragskalkulation unberücksichtigt. Diese Zuschüsse sind bei der Heranziehung zu den Beiträgen zu Gunsten der in Satz 5 genannten Beitragspflichtigen beitragsmindernd zu berücksichtigen …“

231

b) Die Beklagte hat in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 allerdings vor dem dort näher dargestellten Hintergrund erklärt:

232

„Gemäß § 2 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern erkläre ich, dass die Kosten der Erschließungsverträge Nr. 1, 6, 9, 10, 12, 13, 17, 24, 26, 27, 30, 35, 38, 46 und 47 in einer Gesamthöhe von 862.251,57 € von den beitragsfähigen Kosten in der Kalkulation abgezogen werden. Als beitragsfähige Kosten verbleiben demnach 69.079.753,21 € …

233

Ergänzend … erkläre ich gemäß der genannten Vorschrift, dass sämtliche in der Tabelle Erschließungsverträge genannten Anschaffungskosten in einer Höhe von zusätzlich 4.999.521,91 € aus der Kalkulation herausgenommen werden, damit reduzieren sich auch die Zuschüsse Dritter um 3.646.392,20 €. Der beitragsfähige Aufwand beträgt danach insgesamt 67.726(.)*632,50 €. Der kalkulierte Beitragssatz liegt somit bei 4,29 €.“ * = Das erkennende Gericht hat den offensichtlichen Schreibfehler eines „zu frühen“ Kommas durch einen es ersetzenden Punkt berichtigt.

234

Da der damit gemeinte höchstzulässig kalkulierte Beitragssatz immer noch weit unter dem aus politischen Gründen „gedeckelten“ Beitragssatz von 3,10 €/m² anrechenbarer Nutzfläche des jeweiligen Grundstücks liegt (§ 7 Abs. 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung), ergeben sich auch aus diesen Erklärungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V keine Konsequenzen für den vorliegenden Fall.

235

c) Der Einwand von Klägern eines Parallelverfahrens (4 A 43/11), eine interne (= bei der Beklagten vorgenommene) Überprüfung der Beitragskalkulation im Jahre 2010 habe darüber hinaus eine grobe Falschberechnung – die im Weiteren dargelegt wird – ergeben, ist durch das weitere Geschehen überholt und veraltet. Unterlagen der Beklagten dazu haben die dortigen Kläger zwar nicht vorgelegt, die Beklagte bestreitet allerdings in den dortigen Verfahren auch weder die interne Revision der damaligen Beitragskalkulation noch deren dargestelltes Ergebnis. Jedenfalls nach den Erklärungen der Beklagten nach § 2 Abs. 3 KAG M-V in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 soll der beitragsfähige (Gesamt-)Aufwand danach allerdings seither („nur“ noch) insgesamt 67.726.632,50 € betragen. Selbst wenn also die Beitragskalkulation bis dahin fehlerhaft gewesen sein sollte, ist sie nunmehr durch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V zulässige (da nicht zu einer Anhebung des Abgabensatzes führende) Erklärungen des damaligen Verbandsvorstehers des Zweckverbands korrigiert worden, ohne dass die nachträgliche Änderung der Kalkulation zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung führt oder einer erneuten Befassung der Zweckverbandsversammlung bedarf, § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Weiteren substantiierten Vortrag dieser Kläger, selbst diese ca. 67 Mio. € Herstellungsaufwand seien aus näher dargelegten Erwägungen noch (viel) zu hoch kalkuliert worden, gibt es nicht, sondern nur im Parallelverfahren 4 A 43/11 Äußerungen zur Veränderung der seit 1995 kalkulierten Beitragssätze um lediglich 0,03 € trotz umfangreicher Investitionen. Damit wird aber nicht substantiiert vorgetragen, dass und aus welchen Gründen die Beitragskalkulation immer noch nicht ordnungsgemäß ist, zumal unklar bleibt, ob dabei auch der „gedeckelte“ Beitragssatz im Blick genommen worden ist, der kraft Natur der Sache solange unverändert bleibt, als der jeweils höchstzulässig kalkulierte noch darüber liegt. Ungefragt ins Blaue hinein überprüft die Kammer aber die Beitragskalkulation nicht näher.

236

3. Die Kammer ist auch weiterhin davon überzeugt, dass schmutzwassergebührenrechtlich nach § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a ff. KAG M-V veranlasste Abschreibungen nicht aufwandsmindernd in der Schmutzwasseranschlussbeitragskalkulation zu berücksichtigen sind, selbst dann nicht, wenn es sich um „bei Gründung des Verbands zum Nulltarif übernommenes“ Anlagevermögen dieser öffentlichen Einrichtung handelt.

237

Daran hat auch der durch das Änderungsgesetz vom 14. Juli 2016 vorgenommene Wegfall der Erneuerungsbeiträge im nunmehr aufgehobenen § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V nichts geändert. Die – wenngleich beiläufigen – Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern im Normenkontrollurteil vom 21. April 2015 im Verfahren 1 K 46/11 (juris, hier Rn. 71-75) macht sich die Kammer mit der nachstehenden Maßgabe zu eigen:

238

„… Allerdings ist der Antragstellerin im Ausgangspunkt zuzustimmen: Entscheidet sich der Träger der öffentlichen Einrichtung für ein gemischtes System der Refinanzierung aus Beiträgen und Gebühren, muss er sicherstellen, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner kommt. Der Senat hat das für die Fälle des – hier nicht vorliegenden – Systemwechsels von einem gemischten Refinanzierungssystem zu einem reinen Gebührenmodell bereits mehrfach ausgesprochen (OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris Rn. 106; OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, juris Rn. 60), der angesprochene Rechtssatz gilt jedoch als allgemeiner Grundsatz über diese Fallgestaltung hinaus.

239

Der Antragstellerin ist jedoch nicht darin zu folgen, dass das Verbot der Doppelbelastung dazu führt, dass diejenigen Anschaffungs- und Herstellungskosten vom beitragsfähigen Aufwand abzusetzen sind, die der Höhe der Anteile für Abschreibungen in der Kalkulation der Benutzungsgebühren für die Anlage entsprechen. Das gilt unabhängig davon, ob man diesen Einwand nur auf die bei Inkrafttreten der Beitragssatzung schon vereinnahmten Abschreibungen, auf die bis zur endgültigen Herstellung der Anlage noch zu erwartenden gebührenfähigen Abschreibungen oder nur auf die Abschreibungen auf unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile beziehen will. Die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, an die die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen anknüpft (OVG Berlin, Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51 ff.), lässt sich auf das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragen.

240

Dagegen sprechen durchgreifend Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Aufwandsermittlung ist in § 9 Abs. 2 KAG M-V ohne die Berücksichtigung von über die Benutzungsgebühr vereinnahmten Abschreibungen geregelt. Das verkennt auch die Antragstellerin nicht, die Abschreibungen deshalb als ‚Leistungen Dritter‘ im Sinne der Vorschrift verstehen will. Gegen ein solches Gesetzesverständnis spricht aber in systematischer Hinsicht, dass das Gesetz selbst den Begriff der Abschreibung in § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V verwendet. Hätte der Gesetzgeber die Anrechnung von Abschreibungen auf den Herstellungsaufwand anordnen wollen, hätte es nahegelegen, dass er diesen Rechtsbegriff auch in § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V zur Anwendung bringt. Das Gesetz verwendet die Begriffe ‚Abschreibungen‘, ‚Leistungen‘ und ‚Zuschüsse‘ in den §§ 6, 9 KAG M-V in differenzierter Weise. Dies zeigt sich insbesondere in dem Umstand, dass der Gesetzgeber im umgekehrten Fall einer Anrechnungsvorschrift – der Kürzung der Anlagewerte für Abschreibungen nach § 6 Abs. 2a Satz 1 bzw. der ertragswirksamen Auflösung der Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a Satz 3 KAG M-V in der Gebührenkalkulation – den Rechtsbegriff des Beitrags in einer eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Weise benutzt. Es spricht nichts dafür, dass die mit Blick auf § 6 KAG M-V vergleichsweise wenig komplexe Anrechnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V über den Wortlaut hinaus auszulegen ist. ‚Leistungen Dritter‘ im Sinne der Vorschrift sind Erlöse aus der Erhebung von privatrechtlich erhobenen Benutzungsentgelten, soweit diese der Refinanzierung von Herstellungskosten der öffentlichen Wasserversorgungsanlage dienten. Im Übrigen ist die Berücksichtigung von Erlösen aus der Erhebung von Beiträgen und Gebühren in einer Beitragskalkulation nach § 9 Abs. 2 KAG M-V nicht vorgesehen und damit prinzipiell unzulässig (OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 53 ff., 62). Darauf würde eine aufwandsmindernde Berücksichtigung von (gebührenwirksamen) Abschreibungen indes hinauslaufen. Aus alledem ergibt sich, dass der Aufgabenträger der Gefahr einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner nicht in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags zu begegnen hat (so im Ergebnis auch VG Schwerin, Urt. v. 27.05.2011 – 8 A 898/10 –, juris Rn. 28 f. und VG Greifswald, Urt. v. 16.10.2014 – 3 A 509/13 –, juris Rn. 35).

241

Eine Gesetzesauslegung im Sinne der Antragstellerin ist auch deshalb nicht geboten, weil die Durchsetzung des Verbots der Doppelbelastung als systemübergreifende Ausprägung des Kostenüberdeckungsverbots an einem anderen Ort als der Aufwandsermittlung für den Herstellungsbeitrag näherliegt. Dazu kommen verschiedene Modelle in Betracht. Der Senat kann für diese Entscheidung offenlassen, ob das von der Antragstellerin grundsätzlich zu Recht aufgeworfene Problem bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren, bei der Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen, bei beiden Kalkulationsvorgängen oder auf andere Weise zu lösen ist, da dies für die hier zu beurteilende Frage der Wirksamkeit der Beitragssatzung unerheblich ist.

242

In Betracht kommt eine Anrechnung der nach § 6 Abs. 2a KAG M-V gekürzten Abschreibungen auf den beitragsfähigen Aufwand bei einem Erneuerungsbeitrag, soweit die Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.2012 – 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3 m.w.N.; VG Cottbus, Urt. v. 10.02.2015 – 6 K 756/14 –, juris Rn. 54; ausdrücklich geregelt in § 8 Abs. 4 Satz 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg: ‚Bei der Erneuerung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen bleiben die bei der Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 2 kalkulierten Abschreibungen außer Ansatz‘). Erwägenswert erscheint dem Senat auch eine Verkürzung der gebührenfähigen Kosten der Anlage um die im Kalkulationszeitraum der Benutzungsgebühr vereinnahmten Herstellungsbeiträge (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 28.10.2010 – 5 D 5/06 –, juris Rn. 111, unter Verweis auf § 12 Abs. 1 SächsKAG), zumal sich das Gebührenrecht mit der Möglichkeit des Ausgleichs von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2d Satz 2 KAG M-V und kürzeren Kalkulationsperioden im Vergleich zur Globalkalkulation eines Herstellungsbeitrags als im Sinne des Vorteilsprinzips anpassungsfähiger für in der Zukunft liegende Entwicklungen erweist. Schließlich hat der Senat erwogen, ob wegen der Kalkulation von Abschreibungen in die gebührenfähigen Kosten die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen überhaupt ausgeschlossen ist, soweit der Finanzbedarf der Ersatzinvestitionen nicht über den Finanzbedarf der Erstinvestition hinausgeht (in diesem Sinne Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand Juli 2014, § 6, Anm. 6.3.2.4.2.3, unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 09.10.1990 – 9 L 279/89 –, juris Rn. 7). Dabei wäre jedoch zu bedenken, dass § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V die Erhebung von Erneuerungsbeiträge ausdrücklich vorsieht und die Abschreibungen zudem wegen der eingenommenen Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a KAG M-V zu kürzen sind …“

243

Soweit nach dem Vorstehenden auf die Möglichkeit hingewiesen wird, dieses Problem bei der Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen zu lösen, hat sich zwar dieser mögliche Lösungsansatz mit dem gesetzlichen Wegfall dieser Beitragsart durch die Gesetzesnovelle vom 14. Juli 2016 erledigt. Dennoch verbleibt der aufgezeigte Weg zur Lösung der Gefahr einer beitrags- und benutzungsgebührenrechtlichen Doppelbelastung des Abgabenschuldners bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren (hier: der Schmutzwassergebühren), also eine Kürzung der gebührenfähigen Kosten der (Schmutzwasser-)Anlage um die im Gebührenkalkulationszeitraum erhaltenen Anschlussbeiträge.

244

4. Schließlich treffen auch die von den Klägern erstmals in der mündlichen Verhandlung eingewandten rechtlichen Gültigkeitsbedenken im Hinblick auf § 6 Abs. 5 lit. e (Satz 3) der Schmutzwasserbeitragssatzung nicht zu.

245

Die Vorschrift lautet:

246

„Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten: …

247

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt.

248

Bei Geschossen, die vor dem 30.04.1994 entsprechend den Anforderungen früheren Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen nach Satz 1 nicht erreicht werden; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen.“

249

a) Die Kläger wenden insoweit ein, diese Regelung sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Grundsatz der Vorteilsgerechtigkeit unvereinbar. § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 der Schmutzwasserbeitragssatzung treffe eine Regelung, die dazu führe, dass bei Altbauten, die häufig bei dem obersten Geschoss eine geringere lichte Höhe als beim darunter liegenden Geschoss hätten, das oberste Geschoss beitragsrechtlich nicht als Vollgeschoss zähle, nämlich dann, wenn es schräge Wände aufweise. Da diese Geschosse dennoch rechtlich als Wohnraum nutzbar seien, sei dies nicht vorteilsgerecht. Es gebe auch, wie der Klägervertreter sie beispielhaft in der mündlichen Verhandlung konkret benannt hat, solche Altbauten im Verbandsgebiet.

250

b) Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit dieser Satzungsregelung wegen der Benutzung der Worte „schräge Wände“, wie sie die Klägervertretung erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnt, teilt die Kammer nicht. In einer Abgabensatzung muss nicht jedes Wort eine dort oder in anderen Gesetzen kodifizierte „Legaldefinition“ haben oder auch wenigstens in außergesetzlichen DIN-„Normen“ definiert werden. Es reicht aus, dass die Bedeutung dieser Worte für einen verständigen Leser und Normadressaten hinreichend erkennbar ist. Dies ist hier der Fall. Es geht bei der fraglichen Bestimmung zur Ermittlung von Vollgeschossen nicht um handwerklich mangelhaft errichtete Wände, die als gerade Wände geplant waren, sondern um planmäßig schräg gebaute Wände. Ebenso ist hinreichend deutlich, dass damit, wie auch der anwaltliche Vertreter der Kläger erkannt hat, unter den dort weiter genannten Voraussetzungen Dachgeschosse von vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden (im Folgenden: Altbauten), die keine Flachdächer aufweisen, erfasst werden sollen.

251

Ebenso muss § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 – 1. Satzteil bis zum Semikolon – der Schmutzwasserbeitragssatzung einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass diese niedrigeren Geschosse auch nach damaliger Rechtslage zum Wohnen für bzw. zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sein müssen, sodass etwa – soweit es sie im Verbandsgebiet geben sollte – Geschosse mit einer Höhe von 1,5 m nicht als Vollgeschosse i. S. dieser Beitragssatzung gelten (können). Dieser Wille des Satzungsgebers wird auch in der konkreten Beitragssatzung an der Bestimmung des § 6 Abs. 5 lit. e Satz 2 deutlich, die Zwischenböden und -decken, die „unbegehbare Hohlräume“ von einem Geschoss abtrennen, bei der Anwendung des Satzes 1 unberücksichtigt lassen will.

252

c) Nicht nachvollziehbar ist für die Kammer die von der anwaltlichen Vertretung der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung konstruierte Ungleichbehandlung von Eigentümern von Grundstücken, die mit einem Altbau mit Flachdach (= einem Dach mit keiner oder nur geringer Neigung) bebaut sind, gegenüber Eigentümern von Grundstücken, auf denen ein Altbau mit einem anderen Dach (im Folgenden: Schrägdach) errichtet ist.

253

Dass ein Eigentümer eines vor dem 30. April 1994 errichteten Flachdachhauses, dass nicht die Mindesthöhen nach § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung (mit obiger Einschränkung der Geeignetheit zum menschlichen Bewohnen bzw. Daueraufenthalt) aufweist, bis hin zum obersten zulässigerweise bewohnbaren Geschoss unterhalb des Flachdachs nach der Vorschrift in § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 der Schmutzwasserbeitragssatzung entsprechend viele Vollgeschosse hat, dürfte unstreitig sein. Hier ist regelmäßig jedes Geschoss in seiner vollen räumlichen Ausdehnung bewohn- und dementsprechend nutzbar.

254

Weiterhin liegt es auf der Hand, dass dies nicht stets bei Altbauten mit Schrägdächern der Fall ist. Wenn dann der Satzungsgeber bestimmt, dass ein Dachgeschoss eines Altbaus – auch wenn er dies so nicht nennt – nur unter den dort genannten Voraussetzungen als Vollgeschoss gilt, so ist dies rechtlich auch unter dem Blickwinkel des allgemeinen Gleichheitssatzes bzw. der Vorteilsgerechtigkeit nicht zu beanstanden. Nur unter den in der Norm genannten Voraussetzungen ist der Satzungsgeber, ohne dass insoweit ein Rechtsverstoß vorliegt, davon ausgegangen, dass dem Grundstückseigentümer eine vergleichbare Nutzungsmöglichkeit zusteht, die beitragsrechtlich abgeschöpft werden soll. Dachgeschosse in Altbauten, die wenig umfangreich nutzbar sind, sind eben gerade nicht vergleichbar mit als Vollgeschoss geltenden Geschossen in alten Flachdachhäusern, die über ihre gesamte Ausdehnung gleichmäßig (hoch) zum Daueraufenthalt (Wohnen) nutzbar sind.

255

Ebenso wenig verfängt der Einwand, die beitragsrechtliche Ungleichbehandlung wirke sich gerade und nur zugunsten von Altbauten mit Schrägdach aus, da regelmäßig das darunter liegende Geschoss recht hoch errichtet worden sei und typischerweise dann das Dachgeschoss diese Raumhöhe nicht erreiche. Soweit nämlich das Dachgeschoss eines Altbaus eine lichte Höhe von mindestens 2,3 m über zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder – falls es ein solches nicht gibt – der Grundfläche aufweist, so unterfällt es bereits der („Grund“-)Regelung des § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung.

256

§ 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 der Schmutzwasserbeitragssatzung ist nämlich nicht etwa so zu lesen, dass für vor dem 30. April 1994 errichtete Gebäude stets diese Spezialregelung eingreift und eine Anwendbarkeit des Satzes 1 von vornherein ausschließt (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 14. Sept. 2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 62 ff., 67 a. E.). Diese Vorschrift soll vielmehr nur dann - im Sinne einer Auffangregelung - Platz greifen, wenn die Mindesthöhen nach Satz 1 der Norm gerade nicht erreicht werden(, aber die Raumhöhe des Geschosses immer noch eine Bewohnbarkeit bzw. einen dauerhaften Aufenthalt durch Menschen gewährleistet). Warum diese Mindesthöhen in dem betroffenen Geschoss nicht erreicht werden, spielt keine Rolle, zumal auch die Geschosse eines Altbaus die Mindesthöhen nach § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung erfüllen bzw. „übererfüllen“ können, also deutlich darüber hinaus gehen können, wie dies etwa bei alten Villen mit Deckenhöhen von deutlich mehr als 2,3 m häufig anzutreffen ist.

257

Auch § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung orientiert sich zwar an § 2 Abs. 6 der Landesbauordnung (LBauO) vom 26. April 1994, allerdings nicht in dem Sinne, dass diese Satzungsbestimmung exklusiv für solche Gebäude gelten soll, die unter der Geltung der Landesbauordnung ab dem 30. April 1994 errichtet worden sind. Ebenso wenig soll die Anwendbarkeit dieser Satzungsregelung durch die danach geltende ähnliche Regelung in § 87 Abs. 2 LBauO vom 18. April 2006 auf die seither errichteten Gebäude beschränkt sein.

258

In Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Normgebers kann auch unter der Geltung des Äquivalenzprinzips und des allgemeinen Gleichheitssatzes im Übrigen nicht verlangt werden, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Vielmehr sind Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen zulässig, solange die dadurch entstehende Ungleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht (BVerwG, Beschl. v. 28. Juli 2015 – 9 B 17/15 –, juris Rn. 6 m. w. N.). So begegnet auch etwa keinen Bedenken mit Blick auf die Vorteilsgerechtigkeit, dass § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung den Vorteil einer Wohnnutzung im Dachgeschoss (beispielsweise eines Einfamilienhauses) im Beitragsmaßstab unberücksichtigt lässt, solange das Dachgeschoss eine Grundfläche von weniger als zwei Dritteln des darunter liegenden Geschosses aufweist. Dieses Wohngebäude mit bis zu 66 % mehr Wohnfläche (unter dem Dach) wird beitragsrechtlich gleich einem Flachdachhaus jeweils mit einem Vollgeschoss berechnet.

259

d) Die Kläger können sich für ihren – überraschenden, da trotz des jahrelangen Rechtsstreits erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen – Angriff auf § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 der Schmutzwasserbeitragssatzung auch nicht auf (jüngere) Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern stützen. Namentlich das Normenkontrollurteil vom 20. September 2016 (1 K 12/09, juris) trägt mangels Vergleichbarkeit der Satzungsbestimmungen nicht ihre Kritik.

260

Bei der dort überprüften Satzung erschien dem Oberverwaltungsgericht u. a. unklar, ob, wie der dortige Zweckverband eingewandt hatte, die Satzungsnorm lediglich von der Geltung der für Vollgeschossene vorgesehenen „Mindesthöhen“ befreien wolle und damit die Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachschrägen aus der „Grundregelung“ auch bei Gebäuden mit „alter Bausubstanz“ gelte. Ein solcher Wille müsse nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts zumindest andeutungsweise im Gesetzestext seinen Niederschlag finden, was dort nicht der Fall sei (a. a. O., juris Rn. 59).

261

Die hier fraglichen Satzungsbestimmungen legen indessen hinreichend deutlich fest, dass bei Geschossen von Gebäuden, die vor dem 30. April 1994 entsprechend den Anforderungen früheren Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach Satz 1 nicht erreicht werden müssen (§ 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 – 1. Satzteil bis zum Semikolon – der Schmutzwasserbeitragssatzung). Für diese Altbauten soll ausschließlich die Einhaltung der Mindesthöhen nach § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung zur Bestimmung eines Vollgeschosses entbehrlich sein. Ein (Dach-)Geschoss mit schrägen Wänden in einem solchen Altbau hingegen soll nach § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 – 2. Satzteil nach dem Semikolon – der Schmutzwasserbeitragssatzung aber nur dann als Vollgeschoss gelten, wenn es über mindestens zwei Drittel seiner Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweist.

262

Überdies hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern in der zitierten Entscheidung zwar bemängelt, dass das Verhältnis zweier – auf den ersten Blick – „ähnlicher“ Satzungsvorschriften einmal mit dem Zusatz von „alter Bausubstanz“ und einmal ohne diesen Zusatz zweifelhaft und die eine von ihnen auch deshalb bedenklich sei, weil sie keine Regelung bezüglich der Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden enthalte und diese Bauten somit ohne hinreichend sachlichen Grund anders behandele als vergleichbare (hinzuzufügen ist wohl hier: Alt-)Bauten mit Dachräumen mit schrägen Wänden. Eine solche Unterscheidung könne im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter Berücksichtigung der vermittelten Vorteile nur dann als zulässig angesehen werden, wenn die Bauten, die bei weniger als zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Mindesthöhe von 2,30 m aufwiesen, generell weitgehender nutzbar seien als vergleichbare Neubauten mit Vollgeschossen – die Kammer ergänzt insoweit: im Sinne der „Grundregelung“ – in der dortigen Beitragssatzung, die der hiesigen Vorschrift des § 6 Abs. 5 lit. e Satz 1 der Schmutzwasserbeitragssatzung entspricht. Dies werde aber in dieser Allgemeinheit nicht der Fall sein. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich durchaus ebenfalls zu Wohnzwecken oder gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschoss gewertet würden. Nach der beanstandeten Regelung der Beitragssatzung würden aufgrund dieser weitergehenden Regelung Geschosse bei diesen Gebäuden ohne hinreichenden sachlichen Grund weitergehend als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen (a. a. O., juris Rn. 60).

263

Auch diese nachvollziehbare Kritik des Oberverwaltungsgerichts am dort zu beurteilenden Satzungswerk ist mit Blick auf das vorliegende Ortsrecht bereits deshalb nicht übertragbar, weil hier, was auch von den Klägern nicht im Vortrag in der mündlichen Verhandlung anders aufgezeigt worden ist, nicht zwei möglicherweise „konkurrierende“ Satzungsbestimmungen vorhanden sind und im Übrigen die Geschosse mit schrägen Wänden in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden nur unter den in § 6 Abs. 5 lit. e Satz 3 – 2. Satzteil nach dem Semikolon – der Schmutzwasserbeitragssatzung genannten Voraussetzungen als Vollgeschoss gelten sollen…“

264

Insoweit ist dann auch nicht weiter zu differenzieren zwischen tatsächlich baulich genutzten („überbauten“) Teilflächen des Grundstücks und anderen, die für andere Zwecke genutzt werden. Selbst tatsächliche oder rechtliche Behinderungen der Ausnutzbarkeit der vollen Grundstücksfläche haben auf den Umfang der maßgeblichen „bebaubaren“ Grundstücksfläche grundsätzlich keinen Einfluss. Insoweit ist zwischen der - maßgeblichen – Bebaubarkeit eines Grundstücks und seiner – grundsätzlich irrelevanten - Überbaubarkeit zu unterscheiden.

265

Beitragspflichtige Grundstücke sind grundsätzlich mit ihrer gesamten Grundstücksfläche als „Baulandgrundstücke“ in ihrer bauplanungsrechtlichen Bedeutung im Rahmen des Beitragsmaßstabs in der Beitragssatzung zu berücksichtigen und ebenso im Rahmen der Veranlagung dann kongruent dazu heranzuziehen (so etwa - auch zum Nachfolgenden – Urt. des Gerichts v. 15. Nov. 2016 – 4 A 1185/13 -, S. 7 f. des amtlichen Umdrucks m. w. N.). Dies gilt grundsätzlich selbst bei tatsächlichen Nutzungshindernissen wie etwa einer Felswand, einer Böschung oder – soweit man es als solches ansieht - einem Gewässer (vgl. Driehaus, in: ders. [Hrsg.], Kommunalabgabenrecht, Stand: Sept. 2015, § 8 Rn. 402 m. w. N.). Eine Unterteilung des Grundstücks nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet grundsätzlich aus (OVG Greifswald, Urt. v. 14. September 2010, – 4 K 12/07 –, juris Rn. 53). Regelmäßig wird ein baulich oder gewerblich nutzbares Grundstück nicht vollständig überbaubar sein, sondern die Bebaubarkeit setzt grundsätzlich bzw. regelmäßig die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus (OVG Greifswald, Urt. v. 14. September 2010, a. a. O.; OVG Koblenz, Urt. v. 16. März 2004 – 6 A 11712/03 -, NVwZ-RR 2004, 608, hier zitiert aus juris, Rn. 16 m. w. N.). Dementsprechend ist auch bei der Erhebung von Herstellungsbeiträgen für eine kommunale Wasserversorgungs- oder Entwässerungsanlage grundsätzlich zwischen der – maßgeblichen - Bebaubarkeit eines Grundstücks und seiner – irrelevanten - Überbaubarkeit zu unterscheiden. Dazu hat etwa der Verwaltungsgerichtshof München mit Beschluss vom 20. Juli 2005 (– 23 ZB 05.484 –, juris Rn. 7) zutreffend ausgeführt:

266

„… Danach sind beitragspflichtige Grundstücke grundsätzlich mit ihrer gesamten Grundstücksfläche als Baugrundstück in seiner bauplanungsrechtlichen Bedeutung zum Beitrag heranzuziehen. Dies gilt auch für Teilflächen bebauter bzw. bebaubarer Grundstücke, die nicht überbaut werden dürfen, weil sie entweder in dem sich aus dem Bauordnungsrecht ergebenden Abstandsflächen oder außerhalb der durch den Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen liegen. Baulinien, Baugrenzen, Abstandsflächen und Vorschriften über Anbauverbote sollen ihrer Zielsetzung nach nicht das Maß der baulichen Nutzung regeln, sondern lediglich auf den Standort der zulässigen baulichen Anlagen Einfluss nehmen. Soweit sich ihre Wirkung darauf beschränkt, sie also das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks nicht zusätzlich einengen, sind grundsätzlich auch die nicht überbaubaren Flächen ohne Weiteres erschlossen und nehmen als Teil der bebaubaren Grundstücke an der Aufwandsverteilung teil (vgl. BayVGH vom 15.4.1998, GK 1999 RdNr. 21). Diesen rechtlichen Grundsatz hat der Senat in einer Vielzahl von Entscheidungen, zuletzt im Urteil vom 27. November 2003 (Az. 23 B 03.1250), bestätigt, wonach der Umfang der heranziehbaren Grundstücksfläche nicht eingeschränkt wird, wenn das Maß der baulichen Nutzung nicht beeinträchtigt ist, sondern lediglich der Standort der zulässigen baulichen Anlage beeinflusst wird. Dies gilt auch für die Festsetzung privater Grünflächen auf einem Grundstück (vgl. BayVGH vom 21.1.2003, GK 2004 RdNr. 16)…“

267

Soweit die Klägerin Fehler bei der Flächenermittlung im Rahmen der für diese Satzung maßgeblichen Anschlussbeitragskalkulation rügt, vermag das Gericht dem jedenfalls nicht dahingehend zu folgen, dass selbst bei Vorliegen der konkret gerügten Flächenermittlungsmängel die Kalkulation fehlerhaft wäre. Die Klägerin hat keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass diese Fehler ihre Ursache in einem methodisch fehlerhaften Ansatz der Flächenermittlung haben und nicht nur individuelle Mängel bei der konkreten Einschätzung der jeweiligen Fläche darstellen. Ebenso wenig verhält sie sich zu der Frage, ob diese behaupteten Fehleinschätzungen bei der Flächenermittlung bei 10 % oder mehr liegen sollen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 2. Juni 2004 – 4 K 38/02, juris, Rn. 119). Eine Globalkalkulation enthält wegen des damit verbundenen Prognosecharakters naturgemäß Unsicherheiten und mindestens teilumfänglich – soweit nämlich nicht bereits Investitionen im Zeitpunkt der Kalkulation getätigt worden sind - auf Schätzungen beruhende Annahmen. Dies betrifft die Aufwandsseite wie die Flächenkalkulation, die prognostizieren muss, auf welche Gesamtflächen bis zum Ende des Kalkulationszeitraums der Herstellungsaufwand verteilt werden soll. Daher wird eine Beitragskalkulation, die sich als Globalberechnung darstellt, nicht dadurch fehlerhaft, dass z. B. bei einzelnen Grundstücken im Rahmen der Flächenermittlung der Kalkulation eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzung falsch angewandt wird (OVG Greifswald, Beschl. v. 7. Febr. 2013 – 1 M 136/11 – S. 6 f. des amtlichen Umdrucks unter etwa auf das Urteil des Normenkontrollsenats vom 2. Juni 2004, a. a. O., Rn. 120).

268

Aber auch die weiteren Angriffe der Klägerin auf die Beitragskalkulation überzeugen nicht insoweit, als dass sie zur Annahme der durchgreifenden Fehlerhaftigkeit dieser Kalkulation führten, die dann zugleich die Beitragssatzung hin zur Gesamtunwirksamkeit umstürzen ließe. Auch hier lässt der Vortrag der Klägerin die Bewertung der vorgetragenen Kalkulationsmängel als methodische Fehler vermissen; für das Gericht stellen die behaupteten Mängel – so sie denn überhaupt als solche vorliegen – jedenfalls keine methodischen Fehler der Beitragskalkulation dar.

269

Weiterhin ist auch ihr quantitativer Einfluss bereits auf das Ergebnis des höchstzulässig kalkulierten Beitragssatzes nicht hinreichend dargetan. Schließlich ignoriert die Klägerin hier, dass der Beitragssatz in der Satzung nicht dem höchstzulässig kalkulierten von ursprünglich 4,43 €/m² bzw. inzwischen 4,29 €/m² (s. o.) entspricht, sondern als sog. „politischer“ deutlich geringer ist, nämlich „nur“ 3,10 €/m². Ob an der Rechtsprechung zu der „satzungsvernichtenden“ methodischen Fehlerhaftigkeit einer Beitragskalkulation festzuhalten sein wird, braucht das Gericht nicht zu entscheiden, neigt aber dazu, diese aufzugeben und sich daran zu orientieren, ob die Kalkulationsfehler den Beitragssatz in der Beitragssatzung in dem Sinne berühren, als dass er zu hoch ist, bei Herausrechnung dieser Fehler mithin hier niedriger als 3,10 €/m² wäre. Auch dies wird im Übrigen nicht mit den dargelegten Flächenermittlungsfehlern und den vorgetragenen weiteren Kalkulationsmängeln überzeugend dargelegt, was angesichts der Differenz von ursprünglich 1,33 €/m² bzw. nunmehr immerhin noch 1,19 €/m² auch nur durch (weiteres) Herausrechnen von Millionenbeträgen (!) und/oder Hinzurechnung von großen (gewichteten) Flächen möglich erschiene. Nach den Erklärungen der Beklagten in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 stehen immer noch über 67 Mio. € als Aufwand im Raume.

270

Im Hinblick auf den Vortrag zur Kostenermittlung im Fall der (weniger als 500 Einwohner großen) Gemeinde J., die ursprünglich – mit offenbar katastrophalem Ausgang – selbst eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betrieben und eine entsprechende Beitragserhebung (wohl mit „Beitreibungshilfe“ des Zweckverbands B-Stadt) versucht hatte, verweist das Gericht auf das rechtskräftige Urteil der 8. Kammer vom 22. Oktober 2010 (8 A 1369/09), in dem insoweit zutreffend heißt:

271

„…Die Kläranlage der Gemeinde J. ist kostenseitig in der Kalkulation nicht enthalten, da sie vom Netz genommen worden ist. Hinsichtlich der Kläranlage Neukloster sind die Kosten der Fäkalannahmestelle zutreffend herausgerechnet worden ... Kosten der jeweiligen Gemeinden bei der Herstellung von Kanälen für die Niederschlagsbeseitigung brauchten schon deshalb nicht herausgerechnet zu werden, weil die Abwasserkanäle im Verbandsgebiet durchgehend im Trennsystem errichtet worden sind.

272

Die Fördermittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Gemeinde J. in Höhe von ca. 2,1 Mio € für den Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband sind in der Kalkulation lediglich mit 395.000,-- € berücksichtigt worden. Der Restbetrag von ca. 1,4 Mio €, der dem Zweckverband offenbar von der Gemeinde geschenkt worden ist, ist in die allgemeinen Haushaltsmittel eingeflossen. Dies ist nach Auffassung der Kammer rechtmäßig. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Fördermittel der Gemeinde zustanden und diese zum großen Teil ohne Zweckbindung gezahlt worden sind. Da der Vertrag zur Aufnahme der Gemeinde J. in den Zweckverband keinerlei Bestimmungen über die zweckgebundene Verwendung der der Gemeinde zugeflossenen Fördermittel durch den Zweckverband enthält, waren diese auch nicht notwendig in die Kalkulation einzustellen. Wenn der Zweckverband dies dennoch in Höhe der bereits genannten 395.000,-- € getan hat, weil insoweit ein konkreter Anlagenteil gleichsam mit Mitteln finanziert worden ist, die seitens der Gemeinde J. - ohne Zweckbindung - zugeflossen sind, ist diese beitragsmindernde Verfahrensweise nicht zu beanstanden, auch wenn sie nicht zwingend rechtlich geboten war …“

273

Bei dieser zutreffenden rechtlichen Würdigung stellt sich das – in Person des Unterzeichners sehr schlichte – Gericht das selbstverständlich von vornherein schiefe und zudem patriarchalisch geprägte (die Geschlechter können natürlich auch matriarchalisch ausgetauscht werden) Bild vor, dass der Brautvater (das Land Mecklenburg-Vorpommern) der Braut (der Beitrittsgemeinde J.) eine Mitgift gegeben hat, um die (insoweit wohl nicht besonders ausgeprägte) Attraktivität für den Bräutigam (den Zweckverband B-Stadt) zu steigern und zugleich um zu verhindern, dass die Gemeinde in diesem Bereich als „alte Jungfer“ weiterhin ihrem „Vater“, dem Land, zur finanziellen Last liegt. Denn offenbar war das Projekt „Ich kann es allein besser und/oder billiger“ der Gemeinde im Hinblick auf die streitige öffentliche Einrichtung gescheitert. Wie dann – um im Bild zu bleiben - der patriarchalische Bräutigam die Mitgift innerhalb der Ehe (nach dem Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband) verwendet, ist in sein Belieben gestellt, wenn der „Brautvater“ oder die „Braut“ – wie hier – keine Bestimmungen dazu getroffen hat.

274

Selbst wenn das Gericht aber die der Klägerin offenbar vorschwebenden 1,4 Mio. € Zuwendungen zugunsten aller Beitragspflichtigen in die Kalkulation einbezöge und deshalb zu einem umlagefähigen Aufwand von „nur“ noch ca. 66 Mio. € käme, wäre nach dem Vorstehenden nicht dargetan oder ersichtlich, dass sich der Beitragssatz wesentlich verringerte, erst recht nicht unterhalb des „gedeckelten“ von 3,10 €/m².

275

C) Fehler im Rahmen der Veranlagung der Klägerseite zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag liegen ebenfalls nicht vor.

276

1. Soweit die Klägerin meint, im Rahmen der Beitragserhebung sei der Gleichheitsgrundsatz in der von ihr gemeinten Art und Weise zu berücksichtigen, geht dies fehl. Dies gilt namentlich für den Wunsch nach Gleichbehandlung der erst später Herangezogenen mit denjenigen, die von der Beklagten bereits zuvor (vor Jahrzehnten bzw. kurz nach „faktischer“ Zweckverbandsgründung) zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag veranlagt worden waren. Zunächst einmal impliziert dieser Wunsch wohl nur die Gleichstellung mit denjenigen, die zu einem geringeren Beitrag als dem aktuellen herangezogen worden sind – immerhin hatte der Zweckverband auch schon (unwirksame) Schmutzwasserbeitragssatzungen mit einem gegenüber dem aktuellen höheren Beitragssatz. Soweit sich die Beklagte, wie von der Klägerin - unwidersprochen - behauptet, weigern sollte, insoweit Nacherhebungen durchzuführen (dazu auch noch weiter unten), kann die Klägerin daraus für sich keinen Vorteil ziehen. Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG folgt kein Anspruch auf Gleichheit bzw. Gleichbehandlung im Unrecht, ebenso wenig ein Anspruch auf Wiederholung eines von der Verwaltung begangenen Fehlers (vgl. Urt. des Gerichts vom 16. April 2013 – 4 A 1357/12 – unter Hinweis auf etwa OVG Lüneburg, Beschl. v. 24. August 2012 – 2 ME 336/12 –, juris Rn. 22; Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16. Dezember 2011 – OVG 4a B 2.11 –, juris Rn. 31 m. w. N.).

277

2. Es ist bei der Beitragserhebung durch den angefochtenen Bescheid auch keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

278

Insoweit kann verwiesen werden auf die Ausführungen im o. g. Urteil der Kammer vom 11. April 2013 (a. a. O.) bzw. die dort zitierten Passagen aus dem Urteil der 8. Kammer vom 15. März 2012 (a. a. O.), denen sich das Gericht für den vorliegenden Fall mit den nachfolgenden Anmerkungen anschließt:

279

„… 5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

280

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

281

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

282

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

283

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

284

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

285

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

286

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

287

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

288

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes waren sämtlich rechtsunwirksam:

289

aa) Die Beitrags- und Gebühren[...]satzung des Zweckverbandes vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

290

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen ‚Grundstücksbesitzern’ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

291

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

292

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

293

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

294

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

295

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

296

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

297

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

298

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

299

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

300

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

301

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes [= zwischen den Parteien, Anm. des erkennenden Gerichts] gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

302

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

303

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

304

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG Schwerin, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband ).

305

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

306

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

307

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

308

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe(n) für nichtig erklärt worden.

309

GG) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

310

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

311

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende(n) Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

312

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

313

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., … juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

314

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine ‚Vertrauensinvestition’, die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

315

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

316

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

317

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

8. .....

318

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den ‚Genuss’ eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN) …“

319

Da die Schmutzwasserbeitragssatzung 2010 rechtswirksam ist, hat die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen begonnen, wie aus den §§ 12 Abs. 1 und 2 Nr. 2 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 AO folgt. Sie war deshalb auch im vorliegenden Fall, in dem der angefochtene Beitragsbescheid sogar noch aus „satzungsunwirksamer“ Zeit stammt und erst im Jahr des Widerspruchsbescheids durch eine wirksame Anschlussbeitragssatzung (s. o.) ersetzt geworden ist, noch nicht einmal angelaufen.

320

3. Der Beitragsanspruch der Beklagten ist schließlich auch nicht verwirkt.

321

a) Hier kann zunächst auf die bereits genannten Ausführungen im soeben zitierten Urteil der Kammer vom 11. April 2013 Bezug genommen werden.

322

b) Selbst wenn das Gericht der rechtlichen Würdigung des von der Klägerin als „Referenz“ zitierten Urteils des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Dezember 2003 (Az. 1 L 226/03, juris) folgte, so unterschlägt sie den auch dort geltenden Grundsatz, dass ab Inkrafttreten des dortigen Kommunalabgabengesetzes die Beitragserhebung für seither vorgenommene Investitionen auch in Sachsen-Anhalt ohne weiteres möglich ist. Denn es heißt in diesem Urteil (a. a. O., Rn. 17, zu beachten ist insoweit der letzte Satz, näher ausgeführt in der hier nicht zitierten Rn. 22):

323

„… Zwar hat der Beklagte die öffentliche leitungsgebundene Einrichtung, an die das Grundstück der Kläger angeschlossen wurde, erst nach Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen. Indes entsteht für Investitionen, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden, eine Beitragspflicht nicht. Die dies bestimmende einfachgesetzliche Regelung im Kommunalabgabengesetz ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ist somit die Erhebung eines Herstellungsbeitrages für Grundstücke, die bereits vor dem 13. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen waren, ausgeschlossen, so schließt dies die Erhebung eines Beitrages für die nach diesem Zeitpunkt getätigten Investitionen nicht …“

324

Nur am Rande sei bemerkt, dass diese restriktive Rechtsprechung zu Investitionen vor dem dort in Kraft gesetzten Kommunalabgabengesetz kein Konstrukt juristischer Argumentation des dortigen Oberverwaltungsgerichts zugunsten der dortigen selbsternannten „Altanschließer“ ist, sondern der damalige § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA

325

- Investitionen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen wurden, fallen nicht unter diese Regelung -

326

dies ausdrücklich so vorsah!

327

Würde das Gericht diesem Ansatz auch ohne gleichlautende Regelung im hiesigen Kommunalabgabengesetz folgen, so hätte die Klägerin jedenfalls nicht – erst recht nicht substantiiert - vorgetragen, welche Investitionen mit welchen Beträgen die Gemeinden – der Zweckverband wurde wohl erst (rechtlich unwirksam, aber faktisch) am 19. Juni 1991 gegründet – im Schmutzwasserbereich vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 (Mitte Mai 1991) denn schon getätigt hatten, die es kalkulatorisch zu ignorieren gälte. Es ist auch im Übrigen nichts dafür ersichtlich, dass die Gemeinden bzw. die damals dafür zuständigen Stellen im ersten halben Jahr nach der Deutschen Einheit – landauf, landab, namentlich auch im späteren Zweckverbandsgebiet - beträchtliche Geldbeträge in die Schmutzwasserkanalisation gesteckt hätten, erst recht nicht, dass hier solche enorm hohe (Millionen-)Beträge im Spiel wären, dass sie bei ihrer kalkulatorischen Aussonderung den Beitragssatz nennenswert bzw. (von 4,29 €/m² auf) unter 3,10 €/m² „drückten“. Im Übrigen wird das Gericht nicht müde zu betonen, dass auch die selbsternannten „Altanschließer“ nur zur Refinanzierung der Investitionen beitragen, die nach der Deutschen Einheit (unscharf als „Nachwendeinvestitionen“ bezeichnet) getätigt wurden (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a. a. O. Rn. 16 unter Hinweis etwa auf das vor-instanzliche Urteil des OVG Greifswald vom 1. April 2014 - 1 L 207/13 -).

328

Da der rechtliche Ansatz der Klägerin zur Begründung des „Zeitmoments“ für die Annahme einer Verwirkung schon unzutreffend ist, erst recht keine lange Zeit der Untätigkeit des Zweckverbands bzw. der Beklagten im Hinblick auf die Beitragserhebung im Bereich des Schmutzwasseranschlusses festzustellen ist, muss das Gericht nicht abschließend würdigen, ob auch das „Umstandsmoment“ des Rechtsinstituts der Verwirkung gegeben ist. So ist die von der Klägerin zitierte und auch vom Gericht schon mehrfach gelesene damalige Aussage der Beklagten in diversen Widerspruchsbescheiden,

329

„Diese Rechtsprechung* bindet den ZvWis auch gegen seinen Willen.“

(*gemeint ist diejenige des Oberverwaltungsgerichts zur aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Pflicht der Abgabenbehörden, auch von den sog. „Altanschließer“ Anschlussbeiträge zu erheben)

330

recht befremdlich, dennoch ist ihr gerade keine Aussage zu entnehmen, dass der Zweckverband bzw. die Beklagte auch zukünftig keine selbsttitulierten „Altanschließer“ mit Anschlussbeiträgen im Schmutzwasserbereich behelligen werde. Soweit der Zweckverband bzw. die Beklagte vor dieser Rechtsprechung des Obergerichts – soweit in die Vergangenheit recherchierbar, wohl erstmalig im Beschluss vom 8. April 1999 in der Sache 1 M 41/99 formuliert – die sog. „Altanschließer“ nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen hat, liegt darin kein verwirkungsrelevanter Umstand, da die Rechtslage bis dahin noch nicht durch die Rechtsprechung ausjudiziert war. Insoweit konnte ein Eigentümer eines faktisch „altangeschlossenen“ Grundstücks kein schutzwürdiges Vertrauen entwickeln, keine Anschlussbeiträge zahlen zu müssen.

331

Auch soweit es zutreffend sein sollte, dass die Beklagte – so versteht das Gericht den Vortrag der Klägerin, dem die Beklagte nicht ausdrücklich entgegengetreten ist – in den Fällen einer früher zu niedrigen Anschlussbeitragserhebung keine sog. Nacherhebung zur vollen Ausschöpfung des Beitragsanspruchs vornehmen sollte (vgl. zur grundsätzlichen Pflicht dazu etwa OVG Greifswald, Urt. v. 6. Sept. 2016, a. a. O., Rn. 101 unter Hinweis auf seine auch schon vorangegangene Rechtsprechung, an der es festhält), vermag dies nicht zur Verwirkung zu führen, jedenfalls nicht in den Fällen, in denen – wie hier – eine Nacherhebung nicht in Rede steht.

332

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

333

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten dieses Verfahrens stützen sich auf die §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO i. V. m. § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO.

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Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 24. Nov. 2016 - 4 A 617/10 zitiert 28 §§.

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Tenor Der Bescheid vom 2. Juni 2009 - Az.: S [...]/09 - und der Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - Az.: S [...]/09 - werden aufgehoben. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vo

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Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleist

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Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt. Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird auch fü

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Tenor

Der Bescheid vom 2. Juni 2009 - Az.: S [...]/09 - und der Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - Az.: S [...]/09 - werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasseranschlussbeitrages durch den Beklagten.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks [...] (Flurstück [...] mit einer Größe von 604 m². Mit Schreiben vom 10. September 2007 hörte der Beklagte die Kläger zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen an, wonach voraussichtlich ein Beitrag von 3.904,32 € anfallen würde.

3

Gestützt auf die Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 7. Mai 2009 (im Folgenden: BSSW 2009) setzte der Beklagte den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser mit Bescheid vom 2. Juni 2009 auf 2.701,65,-- € fest. Dabei berücksichtigte er gemäß § 6 Abs. 2 d) BSSW 2009 eine Teilfläche von 581 m², einen Nutzungsfaktor von 1,5 sowie den Beitragssatz von 3,10 €/m².

4

Die Kläger erhoben gegen diesen Bescheid am 10. Juni 2009 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - zugestellt am 5. September 2009 - zurückwies. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Als Eigentümer treffe die Kläger eine Beitragspflicht nach den im Ausgangsbescheid genannten Bestimmungen des KAG M-V, da sie wegen des Anschlusses auch Vorteile hätten. Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation genüge den rechtlichen Anforderungen. Die Globalkalkulation enthalte die differenziert ermittelten beitragsfähigen Aufwendungen des gesamten Herstellungszeitraums. Die Kalkulation habe allen Mitgliedern der Verbandsversammlung vorgelegen.

5

Die Kläger haben am 30. September 2009 Klage erhoben und tragen ergänzend vor: Es sei ausdrücklich zu bezweifeln, dass der Verbandsversammlung bei der Beschlussfassung über die Satzung 2009 eine ordnungsgemäße Kalkulation des Beitragssatzes vorgelegen habe. Es sei den Unterlagen des Zweckverbandes B-Stadt nicht zu entnehmen, ob die Schmutzwasserbeseitigungsanlagen vom Wirkungsgrad nahezu identisch sind. Sie legen darüber hinaus im Einzelnen dar, dass und warum aus ihrer Sicht die Kalkulation des Beklagten unzutreffend sei.

6

Die Kläger beantragen,

7

den Beitragsbescheid des Beklagten - S [...]/09 - vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2009 und der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2007 [...] verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).

13

1. Den Bescheiden fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Zwar hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes B-Stadt die u. a. im Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/06 - aufgezeigten Mängel hinsichtlich der Bestimmung der Abgabenschuldner, des Entstehens der Beitragspflicht, des Beitragsmaßstabs und der Regelung zur Ablösevereinbarung durch die hier maßgebliche Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2009) vom 7. Mai 2009 beanstandungsfrei berichtigt. Dies führt aus nachfolgenden Gründen dennoch nicht zur Wirksamkeit der Satzung.

14

2. Mit höherrangigem Recht unvereinbar und damit nichtig sind aber einige zentrale Regelungen zur Ermittlung und Bestimmung von Vollgeschossen in den Absätzen 4 und 5 des § 6 BSSW 2009.

15

Diese lauten auszugsweise:

16

"(4) [...]

17

c) ist eine Geschosszahl des Gebäudes nach Abs. 5 nicht feststellbar, gilt ein Nutzungsfaktor von 1,0

18

[...]

19

(5) [...]

20

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenhöhe im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt. Bei Gebäuden, die vor dem 30. 04. 1994 entsprechend den Anforderungen bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen nach [gemäß] Satz 1 nicht erreicht werden.

21

f) Ist die Zahl der Vollgeschosse wegen der Besonderheit des Bauwerkes nicht feststellbar, gilt als Zahl der Vollgeschosse die durch 2,6 geteilte Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird."

22

a) Die Bestimmungen in § 6 Abs. 4 c) und Abs. 5 f) BSSW 2009 zur Bestimmung von Vollgeschossen widersprechen sich. Sie geben der Verwaltung des Zweckverbandes zwei unterschiedliche Handlungsanweisungen bei im wesentlichen gleichen Voraussetzungen. Können die Vollgeschosse nicht festgestellt werden, soll nämlich einerseits der Nutzungsfaktor 1,0 betragen, andererseits sich der Nutzungsfaktor nach der durch 2,6 zu teilenden Gebäudehöhe richten. Die Bestimmungen finden sich auch in keinem Spezialitätsverhältnis zueinander, da es unerheblich ist, weshalb bei dem betreffenden Gebäude keine Geschosse oder Vollgeschosse festzustellen sind. Dieser Widerspruch ist mit der Folge unauflösbar, dass diese Bestimmungen nichtig sind.

23

b) Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Regelung in § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009. Die fehlende Festlegung einer bestimmten Geschosshöhe für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden sind, widerspricht nach Auffassung der Kammer dem Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf die anders behandelten Bauten, die nach diesem Stichtag errichtet worden sind. Eine solche Unterscheidung kann im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter Berücksichtigung der vermittelten Vorteile nur dann als zulässig angesehen werden, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar sind. Dies ist aber in dieser Allgemeinheit nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen können baurechtlich durchaus ebenfalls zu Wohnzwecken und selbst zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse gewertet werden. Damit werden aufgrund dieser weitgehenden Regelung Geschosse in Altbauten ohne hinreichenden sachlichen Grund weitergehend als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen. Zwar hat die Kammer bereits ähnliche Formulierungen in Beitragssatzungen als wirksam angesehen. Diese Regelungen unterscheiden sich jedoch von der des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009 dadurch signifikant, dass sie zumindest einige Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss enthalten, die die Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren.

24

c) Da es sich bei den genannten Vorschriften um Regeln zur Definition und Feststellung der maßgebenden Vollgeschosse um zentrale Bestimmungen zur Ermittlung des Beitragsmaßstabs in § 6 BSSW 2009 handelt, führt die Nichtigkeit der genannten Vorschriften zur Nichtigkeit der gesamten Satzung.

25

3. Die Zweifel der Kläger, dass der Zweckverband B-Stadt gemäß § 1 BSSW 2009 keine einheitliche zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage betreiben dürfe, weil die Anlagenteile zu unterschiedlich seien, haben sich nicht bestätigt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die verschiedenen Kläranlagen qualitativ im Wesentlichen vergleichbar sind.

26

4. Entgegen der Ansicht der Kläger ist der in § 7 Abs. 1 BSSW festgesetzte Beitragssatz auch mit Blick auf die ihm zugrunde liegende Kalkulation aus dem Jahr 2009 nicht zu beanstanden. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zunächst nachvollziehbar dargelegt, wie die Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Tabelle Kostenermittlung in den Spalten zur "Schmutzwasserentsorgung Zentral" aus der Anlagenbuchhaltung ermittelt und angepasst worden sind. Da die Werte aus der Anlagenbuchhaltung 2007 übernommen worden sind, manche Anlagenwerte aber erst (bis zu) drei Jahre nach Inbetriebnahme der Anlage in die Anlagenbuchhaltung mit entsprechend abgeschriebenen Beträgen eingestellt werden, mussten sie in der Spalte "Anlagen in Bau" entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 2 KAG M-V angepasst werden, da nach dieser Bestimmung nur die Anschaffungs- und Herstellungskosten, nicht aber die abgeschriebenen Werte in der Kalkulation zu berücksichtigen sind. Zudem sind die Beträge der Spalten "Anlagen in Bau" bzw. "Invest(itions)-Planung" sowie die Zuarbeiten von Herrn G. und Frau D. und deren Tabellen angepasst und fortgeführt worden. Daraus und aus gelegentlichen Fehlern in der Kalkulation 2005 ergeben sich die von den Klägern monierten Abweichungen gegenüber der Kalkulation 2005. Abweichungen ergeben sich ferner daraus, dass einige Gemeinden zwischenzeitlich umgemeindet worden sind. Weitere scheinbare Differenzen ergeben sich aus dem Umstand, dass die Tabelle "Kostenermittlung" nach Gemeinden, während Tabellen aus der vorhergehenden Kalkulation nach Klärwerken sortiert sind.

27

Die Kläranlage der Gemeinde J. ist kostenseitig in der Kalkulation nicht enthalten, da sie vom Netz genommen worden ist. Hinsichtlich der Kläranlage Neukloster sind die Kosten der Fäkalannahmestelle zutreffend herausgerechnet worden, wie Dipl. Ing. (FH) G. bereits in einem Vermerk zur vorhergehenden Kalkulation empfohlen hatte. Kosten der jeweiligen Gemeinden bei der Herstellung von Kanälen für die Niederschlagsbeseitigung brauchten schon deshalb nicht herausgerechnet zu werden, weil die Abwasserkanäle im Verbandsgebiet durchgehend im Trennsystem errichtet worden sind.

28

Die Fördermittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Gemeinde J. in Höhe von ca. 2,1 Mio € für den Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband sind in der Kalkulation lediglich mit 395.000,-- € berücksichtigt worden. Der Restbetrag von ca. 1,4 Mio €, der dem Zweckverband offenbar von der Gemeinde geschenkt worden ist, ist in die allgemeinen Haushaltsmittel eingeflossen. Dies ist nach Auffassung der Kammer rechtmäßig. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Fördermittel der Gemeinde zustanden und diese zum großen Teil ohne Zweckbindung gezahlt worden sind. Da der Vertrag zur Aufnahme der Gemeinde J. in den Zweckverband keinerlei Bestimmungen über die zweckgebundene Verwendung der der Gemeinde zugeflossenen Fördermittel durch den Zweckverband enthält, waren diese auch nicht notwendig in die Kalkulation einzustellen. Wenn der Zweckverband dies dennoch in Höhe der bereits genannten 395.000,-- € getan hat, weil insoweit ein konkreter Anlagenteil gleichsam mit Mitteln finanziert worden ist, die seitens der Gemeinde J. - ohne Zweckbindung - zugeflossen sind, ist diese beitragsmindernde Verfahrensweise nicht zu beanstanden, auch wenn sie nicht zwingend rechtlich geboten war.

29

Die von der Klägerseite aufgezeigten Abweichungen in den Flächen zwischen den Kalkulationen 2005 und 2009 sind darin begründet, dass neuere Planungen erfasst worden sind, ältere Planungen, sich im Kalkulationszeitraum voraussichtlich nicht realisieren lassen, in der neuen Satzung die Tiefenbegrenzung weggefallen ist und sich durch Gemeindezusammenschlüsse Abweichungen in der Zuordnung von Gemeindegebieten gegeben hat. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, weshalb einzelne Grundstücke nicht mehr erfasst sind. Sie sind aus der Flächenerfassung herausgefallen, weil die darauf vorhandene Bebauung abgerissen worden ist und es sich künftig um Außenbereichsflächen im Sinne des § 35 BauBG handelt. Der Beklagte hatte Kommissionen bestehend aus den jeweiligen Bürgermeistern, Bauamtsmitarbeitern und Mitarbeitern des Zweckverbandes gebildet und anhand von Luftbildern und Katasterunterlagen die jeweiligen Grundstücke beitragsrechtlich bewertet. Dies war auch wegen der konkreten Ermittlung der Tiefenbegrenzung einzelner Grundstücke erforderlich

30

Hinsichtlich des Beitritts der Gemeinde J. wird - ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankommt - darauf hingewiesen, dass der Zweckverband nicht gehindert wäre, Beiträge auch in den Fällen zu erheben, in denen Beiträge bereits an die Gemeinde gezahlt worden sind. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragszahlung bezieht sich nur auf eine bestimmte öffentliche Einrichtung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26. März 1992 - 2 L 167/91 -, KStZ 1992, 157 [159 r. Sp.]). Wechselt der Aufgabenträger, kommt diesem Grundsatz nur eingeschränkte Bedeutung zu. Das VG Halle hat dazu ausgeführt:

31

"Bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers kommt diesem Grundsatz daher nur eingeschränkte Bedeutung zu. Geht die Aufgabe der Abwasserbeseitigung von einer Gemeinde auf einen Zweckverband über, ist dieser grundsätzlich befugt, einen (weiteren) Herstellungsbeitrag zur Deckung des Aufwandes für seine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung auch von den Eigentümern der im Gebiet der beigetretenen Gemeinde gelegenen Grundstücken zu erheben, selbst wenn diese bereits Beiträge für die öffentliche leitungsgebundene Einrichtung der Gemeinde gezahlt haben, da die öffentliche Einrichtung des Zweckverbandes mit der öffentlichen Einrichtung der Gemeinde nicht identisch ist. [...] Soweit der Zweckverband jedoch für die Übernahme der zur öffentlichen Einrichtung der Gemeinde gehörenden Anlagen ein Entgelt gezahlt hat und der von ihm erhobene Beitrag auch zur Deckung des insoweit entstandenen Aufwands dient, ist es geboten, zur Vermeidung einer Doppelbelastung den bereits von der Gemeinde zu einem Beitrag herangezogenen Grundstückseigentümern einen Nachlass zu gewähren, denn andernfalls würden diese mehrfach zur Finanzierung derselben Anlagen herangezogen. Das Verbot der Doppelbelastung folgt letztlich aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es bedarf hier keiner Vertiefung, in welcher Höhe ein derartiger Nachlass zu gewähren ist. Insbesondere kann hier offen bleiben, ob die von den Grundstückseigentümern an die Gemeinde gezahlten Beiträge in voller Höhe auf den nunmehr vom Zweckverband erhobenen Beitrag anzurechnen sind oder ob ein Nachlass nur gewährt werden muss, soweit der vom Zweckverband erhobene Beitrag zur Refinanzierung der von der Gemeinde entgeltlich übernommenen Anlagen dient, da nur insoweit eine 'Doppelfinanzierung' durch die Grundstückseigentümer zu besorgen ist. [...]"

32

vgl. VG Halle, Beschl. v. 26. März 2008 - 4 B 521/07 - zit. nach juris Rn. 8; ferner BayVGH, Urteil vom 31. März 1992 - 23 B 89.1906 - KStZ 1994, 55 [56 f. mwN]; VG Ansbach, Beschluss vom 15. Februar 2007 - AN 1 S 06.02269 - zit. nach juris Rn. 49.

33

5. Sog. Altanschließer können auch nicht beitragsrechtlich günstiger behandelt werden, als "Spätanschließer" (dazu nachfolgend a) und b)). Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht endgültig verjährt oder verwirkt (c)). Dies ergibt sich aus Folgendem:

34

a) Der in einer (rechtmäßigen) Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt- und neuangeschlossene Grundstücke würde nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot verletzen, sondern wäre sogar geboten. In der hier maßgeblichen Satzung ist in § 7 ein einheitlicher Beitragssatz festgesetzt worden, der - soweit ersichtlich - gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz (KAG 1993) an die Wasserversorgung angeschlossen waren, als auch die neuangeschlossenen Grundstücke gilt. Dies ist auch nach neuerlicher Prüfung nicht zu beanstanden und entspricht der sog. Altanschließer-Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (OVG M-V), der die Kammer folgt (vgl. Urt. v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 -). Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke (vgl. OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, zit. nach juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - zit. nach juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, NordÖR 1999, 302 zit. nach juris Rn. 16 ff.). Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48).

35

b) Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie sich in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 242 Abs. 9 des Baugesetzbuches (BauGB; früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) darauf berufen, dass die Erhebung von Beiträgen unzulässig ist, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen sei. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen (dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

36

c) Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 169 ff. AO endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Diese Frist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

37

aa) Allerdings sind im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes B-Stadt bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

38

(1) Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung (vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 - aaO, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - zit. nach juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 [246 Fn. 43]), nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-) Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005 (vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V).

39

(2) Der in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des OVG Brandenburg ist nicht zu folgen. Danach soll für den Beginn der Festsetzungsverjährung der Erlass der ersten Abgabensatzung unabhängig von deren Wirksamkeit maßgebend sein (vgl. zu der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmung OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98 -, zit. nach juris, LS 1 und Rn. 49; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - zit. nach juris LS 2 und Rn. 19 unter Aufgabe seiner gegenteiligen Rechtsprechung). Diese Auffassung ist mit dem kommunalen Abgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns unvereinbar, da durch eine nichtige Satzung die Beitragspflicht nicht entstehen kann (zutreffend Becker, KStZ 2001, 161 [164]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Zudem widerspricht eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993. Danach entstand die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die Satzung konnte einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Die Regelungen hat der Gesetzgeber für das Anschlussbeitragsrecht für erforderlich gehalten, um das Entstehen der Beitragspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen vorzuverlegen (vgl. LtDrs 1/113 S. 8 [Nr. 5 zu § 8]). Dies ist im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen auch sinnvoll, da - würde auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der gesamten Entwässerungseinrichtung abgestellt - dies das Entstehen der Beitragspflicht um Jahre verzögern könnte. Zudem hat (vgl. Landtagsdrucksache, aaO.) der Landesgesetzgeber eine Sonderregelung für die Anschlussbeiträge deshalb für erforderlich gehalten, weil eventuell Anschlussmöglichkeiten bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V gegeben und eine Beitrags- oder eine einmalige Anschlussgebührenpflicht nach altem (preußischen) Recht nicht entstanden war. Für diesen Fall sollte die Anschlusspflicht frühestens mit Inkrafttreten der ersten Satzung entstehen, die den Anschlussbeitrag nach neuem Recht regelt. (vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 29. Juli 1997 - 6 M 93/97 - zit. nach juris, Rn. 25). § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 diente daher in gewissem Umfang auch dem Schutz des kommunalen Aufgabenträgers (ebenso Becker, KStZ 2001, 161 [162 f.; unter Hinweis auf die in den neuen Bundesländern bestehenden Probleme bei der Gründung von Zweckverbänden] sowie Becker/Schiebold LKV 2001, 94 [95]). Entgegen der Meinung des OVG Brandenburg (aaO Rn. 48 mwN) stellte § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG 1993 auch keine Ausnahmeregelung dar, da das Inkrafttreten der Satzung neben der Anschließbarkeit des Grundstücks zwingend ist (vgl. auch Becker, KStZ 2001, 161 [163]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Das OVG Berlin-Brandenburg vertritt im Übrigen nunmehr ebenfalls die Auffassung, dass Beginn der Verjährungsfrist neben der Herstellung der Anschlussmöglichkeit an das Grundstück das Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. Dezember 2007 - 8 B 44.06 - zit. nach juris, LS und Rn. 50). Eine solche Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. näher Steiner, LKV 2009, 254 [255 f.]).

40

bb) Eine endgültige Verjährung des Beitragsanspruches konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht eintreten, weil die Festsetzungsfrist nach den vorstehenden Ausführungen nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes B-Stadt waren sämtlich rechtsunwirksam:

41

(1) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt. Dabei handelt es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis B-Stadt, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden können. Denn nach § 5 Abs. 3 dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung - KV DDR) waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenzuschusses in Nr. 2.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellten, sondern pauschal (mit hier nicht interessierenden Modalitäten) einen Baukostenzuschuss von 2.000,-- DM festsetzten.

42

(2) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist aus den gleichen Gründen wie die Vorgängersatzung nichtig. Der pauschale Baukostenzuschusses von 3.000,-- DM stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

43

(3) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 ist ebenfalls fehlerhaft im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

44

(4) Die am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Satzung vom 22. Dezember 1995 war gleichfalls nichtig. Zum einen bestanden materielle Fehler insoweit, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der GRZ von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies ist aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig. Zum anderen lag der Verbandsversammlung keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah (dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/01 - sowie Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 zur Kalkulation).

45

(5) Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch die Satzung von 18. Oktober 2000 gegen höherrangiges Recht verstoßen hat und damit nichtig war. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

46

(6) Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Bei Satzungen ist die Verwerfungskompetenz der Gerichte nicht auf das abstrakte Normenkontrollverfahren beschränkt. Vielmehr können auch Verwaltungsgerichte bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide Satzungen im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht.

47

(7) Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird (vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a., BVerfGE 75, 246 ff., zit. nach juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

48

(8) Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt (zu den Voraussetzungen der Verwirkung vgl. Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je m. w. N. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. jetzt auch: OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN [n. v.]). Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

49

(9) Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Es wird festgestellt, dass sich die Hauptsache erledigt hat. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 8. August 2013 – 4 A 1587/10 – wird für unwirksam erklärt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Gegenstand des Verfahrens ist ein Erledigungsrechtsstreit wegen eines Beitragsbescheides.

2

Der Beklagte setzte gegen die Kläger als Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur ..., Flurstück .../... am 6. September 2010 einen Anschlussbeitrag für die Herstellung der zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlage in Höhe von 2.445,90 Euro fest. Den Widerspruch der Kläger gegen diesen Bescheid wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2010 zurück. Am 9. November 2010 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Schwerin erhoben. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. August 2013 – 4 A 1587/10 – abgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen. Das Urteil ist den Klägern am 4. Oktober 2013 zugestellt worden. Am 4. November 2013 haben die Kläger Berufung gegen das Urteil eingelegt. Auf den am 4. Dezember 2013 gestellten Antrag der Kläger hat der Vorsitzende die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 15. Januar 2014 verlängert, auf einen weiteren Antrag vom 15. Januar 2014 hin bis zum 10. Februar 2014. Am 10. Februar 2014 haben die Kläger die Berufung begründet.

3

Am 9. Dezember 2016 haben die Kläger wegen des Inkrafttretens von Artikel 1 Nummer 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) die Erledigung der Hauptsache erklärt. Die Erfolgsaussichten der Klage hätten sich durch die Gesetzesänderung wesentlich verschlechtert. Das Handeln des Gesetzgebers falle nicht in die Sphäre der Kläger. Vielmehr müsse der Beklagte das Risiko einer unzureichenden Gesetzesgrundlage für sein Handeln tragen.

4

Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen. Eine Erledigung der Hauptsache sei nicht eingetreten. Der angefochtene Beitragsbescheid sei weiter wirksam und auch bei Erlass rechtmäßig gewesen. Der Beklagte habe das geltende Recht angewandt, dass eine Beitragserhebung im vorliegenden Fall auch noch im Jahre 2010 erlaubt habe.

5

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Gericht durfte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO.

II.

8

Gegenstand des anhängigen Verwaltungsstreitverfahrens ist nur noch die Frage, ob sich die Hauptsache erledigt hat. Das ist dann der Fall, wenn ein nach der Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis dem Klagebegehren die Grundlage entzogen hat und die Klage deshalb für den Kläger gegenstandslos geworden ist. Das Prozessrecht eröffnet dem Kläger die Möglichkeit, in einem solchen Fall den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Wirksamkeit der Erklärung hängt nicht davon ab, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war. Widerspricht der Beklagte der Erledigungserklärung, wird der Rechtsstreit mit der geänderten Streitgegenstand fortgesetzt. Das Gericht hat dann grundsätzlich nur noch die Frage zu prüfen, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren durch ein nach Klageerhebung eingetretenes Ereignis außerhalb des Prozesses erledigt hat. Erweist sich das Vorbringen des Klägers über ein nachträgliches Ereignis, das seiner Klage die Grundlage entzogen habe, als richtig, so ist dem geänderten Klageantrag stattzugeben, anderenfalls ist die Klage abzuweisen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 7/88 –, juris Rn. 19 m.w.N.).

9

Ein Kläger kann nicht nur dann zum Begehren auf Feststellung der Hauptsacheerledigung übergehen, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt im engeren Sinn erledigt hat, etwa durch dessen Aufhebung. Erledigung tritt auch ein, wenn das Verfahren infolge einer Rechtsänderung oder einer anderen wesentlichen Änderung eine derartige Wendung zu Ungunsten des Klägers genommen hat, dass eine bis dahin aussichtsreiche Klage unbegründet geworden oder ihre Erfolgsaussicht entscheidend geschmälert worden ist. Für das Beitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, der Kläger könne die drohende Prozesskostenlast, die mit der Möglichkeit einer nachträglichen Heilung eines Heranziehungsbescheids im Verwaltungsprozess durch den (erstmaligen) Erlass einer wirksamen Beitragssatzung oder die Erfüllung sonstiger Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einhergeht, verlässlich dadurch abwenden, dass er die Hauptsache für erledigt erklärt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993 – 8 C 40/91 –, juris Rn. 13 m.w.N.).

10

Gemessen daran, ist der geänderte Klage zulässig und begründet. Die Kläger durften das Inkrafttreten von Artikel 1 Nummer 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) zum Anlass nehmen, die Erledigung der Hauptsache zu erklären. Mit dieser Gesetzesänderung war eine wesentliche Verschlechterung der Erfolgsaussichten ihrer Anfechtungsklage gegen den Beitragsbescheid verbunden.

11

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzte das Landesrecht in Mecklenburg-Vorpommern der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für einen Vorteil durch Anschluss an eine öffentliche Einrichtung schaffen sollen, keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Beitragssatzungen zunächst nichtig waren und erst später durch rechtswirksame Satzungen ersetzt worden sind. Das Landesrecht ließe in diesen Fällen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, völlig unberücksichtigt. Das Bundesverwaltungsgericht war obiter dictum weiterhin der Auffassung, dass sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (erst) auf Bescheide ausgewirkt habe, die nach Ablauf der bis zum 31. Dezember 2008 reichenden Übergangsfrist aus § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a.F. erlassen worden sind (BVerwG, Urt. v. 15.04.2015 – 9 C 19/14 –, juris Rn. 10, 14). Die gegen einen Beitragsbescheid vom 6. September 2010 gerichtete Klage hatte jedenfalls aus diesem Gesichtspunkt heraus eine erhebliche Erfolgsaussicht.

12

Dieses verfassungsrechtliche Erhebungshindernis ist durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 beseitigt worden (umfassend dargestellt in OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.). Damit besteht nunmehr eine mit höherrangigem Recht vereinbare landesgesetzliche Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner, so dass die Erfolgsaussicht der Anfechtungsklage durch die Gesetzesänderung entscheidend geschmälert worden ist. Auf den Umstand, dass die bis 29. Juli 2016 bestehende Rechtslage nicht vom Beklagten zu vertreten ist, kommt es hier nicht an. Maßgeblich ist allein, dass sich das ursprüngliche Klagebegehren der Kläger erledigt hat.

13

Aus Gründen der Rechtsklarheit war es geboten, das nicht rechtskräftig gewordene Urteil des Verwaltungsgerichts in dieser Sache für rechtsunwirksam zu erklären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1993 – 3 B 134/92 –, juris Rn. 3).

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO. Es liegen keine Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision vor.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümerin mehrerer, mit zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhäusern bebauter Grundstücke (Gemarkung G., Flur A, Flurstücke 38, 41, 26 und 28) im Verbandsgebiet des Beklagten, wendet sich gegen die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Mit Bescheiden vom 7. Juni 2012 zog der Beklagte die Klägerin für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt an eine zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen waren, zu einem Beitrag für die Herstellung seiner Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung (Herstellungsbeitrag II) in Höhe von insgesamt 8.011,91 € heran. Mit Bescheiden vom 22. August 2012 mahnte der Beklagte die Klägerin und setzte darin Säumniszuschläge und Mahngebühren fest. Die gegen die Bescheide vom 22. August 2012 erhobenen Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Januar 2013 zurück und zog sie mit Kostenfestsetzungsbescheiden vom selben Tag zu Kosten für den Erlass der Widerspruchsbescheide heran. Mit Widerspruchsbescheiden vom 15. Februar 2013 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Beitragsbescheide vom 7. Juni 2012 zurück.

3

Am 18. Februar 2013 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Halle Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide, die Mahnbescheide sowie die Kostenfestsetzungsbescheide erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, ein Beitrag könne nicht gefordert werden, da nicht ersichtlich sei, welche Gegenleistung damit abgegolten werde. Die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Beklagten sei nicht funktionstüchtig. Zudem widerspreche die Beitragserhebung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Rechtssicherheit in der Gestalt der Gebote der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Die nunmehr in § 13b KAG LSA vorgesehene Verjährungshöchstfrist von 10 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage sei im Hinblick auf den Anschluss der Grundstücke an die Kanalisation in den 1930er Jahren längst abgelaufen. § 18 Abs. 2 KAG LSA sei nicht anwendbar. Hilfsweise rechne sie mit Ansprüchen auf Schadensersatz wegen Funktionsstörungen auf.

4

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Juli 2015 hat der Beklagte im Hinblick auf eine Änderung der Regelung für übergroße Wohngrundstücke in der Beitragssatzung die angegriffenen Beitragsbescheide geändert und den Beitrag auf insgesamt 7.976,28 € herabgesetzt; insoweit haben die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

5

Das Verwaltungsgericht Halle hat das Verfahren im Hinblick auf die Erledigungserklärungen teilweise eingestellt, die Beitragsbescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Aufhebung der Beitragsbescheide hat das Gericht ausgeführt, die vom Beklagten herangezogene Beitragssatzung vom 9. März 2015 bilde keine taugliche Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung, weil es an einer wirksamen Regelung des Entstehens der (sachlichen) Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II fehle. Die Regelung in der Satzung, wonach die Beitragspflicht mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung für die entsprechenden Sachverhalte bereits zum 1. Januar 2010 entstehe, sei unwirksam, da sie gegen die höherrangige landesrechtliche Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA verstoße. Früheres Satzungsrecht scheide als rechtliche Grundlage für die Beitragsbescheide ebenfalls aus.

6

Nachdem der Beklagte eine Beitragssatzung mit einer neuen Regelung über die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erlassen und bekanntgemacht hatte, hat der Senat auf dessen Antrag mit Beschluss vom 17. November 2015 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

7

Der Beklagte macht zur Begründung seiner Berufung geltend, dass der vom Verwaltungsgericht festgestellte Satzungsfehler mit der Neufassung der Beitragssatzung geheilt worden sei. § 7 Abs. 1 dieser Satzung enthalte eine ausdrückliche Regelung zur Entstehung der Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag I und II. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht weitere Satzungsfehler nicht gesehen.

8

Der Beklagte beantragt,

9

das auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie trägt vor, der Beklagte verfolge Ansprüche aus Beitragsbescheiden vom 7. Juni 2012 in der Gestalt der am 15. Februar 2013 ergangenen Widerspruchsbescheide. Da die neue Satzung rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft getreten sei, habe es zu diesem Zeitpunkt keine wirksame Satzung gegeben, die Grundlage für ihre Heranziehung seien könnte.

13

Die Höhe der angeforderten Beiträge, zu der das Verwaltungsgericht keine Prüfung vorgenommen habe, werde bestritten. Die auf die Altanschlussnehmer umgelegten Kosten seien im Einzelnen nicht nachgewiesen. Der streitige Herstellungsbeitrag II, der angeblich nicht gedeckte Kosten betreffe, stelle Kosten für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung von Abwasseranlagen dar, die über Benutzungsgebühren umzulegen seien.

14

Sie könne als Altanschlussnehmerin nicht für die Kosten der Neuanschlüsse der nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes angeschlossenen Grundstücke herangezogen werden, sondern nur für die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon bestehenden Anschlüsse ihrer Grundstücke. Da für solche Investitionen nichts ersichtlich sei, trete eine Privilegierung der Neuanschlussteilnehmer ein. Die angegriffene Beitragssatzung nehme mit dem Herstellungsbeitrag II allein die Altanschlussteilnehmer für Maßnahmen in Anspruch, die allen Anschlussnehmern zugutekämen. Hierin liege ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit und der Beitragsgerechtigkeit.

15

Weiter seien die Anforderungen verjährt. Die Anschlüsse ihrer Grundstücke hätten im Jahre 2002 bereits annähernd 70 Jahre bestanden, so dass § 13b KAG LSA einschlägig sei. Hinsichtlich des Vorteilsausgleichs sei nach der Gesetzesbegründung an die jeweilige zurückliegende technische Herstellung anzuknüpfen. Hierdurch werde für das Land Sachsen-Anhalt nicht der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht gefolgt, wonach der auszugleichende Vorteil darin sehen zu sei, dass mit Übernahme der Abwasserversorgung durch die Kommunen die Beitragspflichtigen eine (angeblich) gesicherte Abwasserversorgung erhalten würden. Diese Unterstellung werde nicht nur durch die Intention des Landesgesetzgebers widerlegt, sondern auch durch die Situation im konkreten Fall. Denn die Abwasserentsorgung ihrer Grundstücke sei seit der Inbetriebnahme in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts völlig unproblematisch gewesen, während seit der Übernahme durch den Beklagten ganz erhebliche Probleme aufgetreten seien.

16

Die Übergangsregelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA ändere nichts. Die Schlussfolgerungen, die das Oberverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 4. Juni 2015 (- 4 L 24/14 -) gezogen habe, griffen nicht. Denn dort sei es um einen Neuanschluss einer Straßenbeleuchtungsanlage im Jahr 1999 gegangen, für den es erst im Jahre 2003 eine gültige Straßenausbausatzung gegeben habe. Nach den Ausführungen des Gerichts in dem o.g. Verfahren komme es für das Entstehen einer Beitragspflicht nicht auf das Vorliegen einer wirksamen Beitragssatzung an, so dass ein Widerspruch zu seinen Bemerkungen bestehe, dass seine Rechtsprechung bisher immer eine wirksame Beitragssatzung voraussetze. In § 13b KAG LSA sei zudem klargestellt, dass die Beitragspflicht an den tatsächlichen Anschluss als Vorteilslage anknüpfe. Es handele sich um eine materielle Ausschlussfrist. Die Vorteilslage sei hier zu einem Zeitpunkt entstanden, für den die Ausschlussfrist auf jeden Fall eingreife, so dass eine Abgabenfestsetzung ausgeschlossen sei. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation, wonach sich die Ausschlussfrist auf Grund der Regelung des § 18 Abs. 2 KAG LSA auf bis zu 24,5 Jahre belaufen könne, stehe im krassen Gegensatz zu gefestigten Rechtsgrundsätzen. Vorteilsfälle, die weit in der Zeit vor dem Inkrafttreten des KAG LSA lägen, seien nach den zwingenden und auf jeden Fall zu berücksichtigenden Grundsätzen in der Verfassungsrechtsprechung, den Gesetzesmaterialien des Landesgesetzgebers sowie im KAG LSA und in der Beitragssatzung des Beklagten nicht beitragsfähig. Ansonsten greife das Kommunalabgabengesetz in einen Sachverhalt ein, der auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts vollständig abgeschlossen gewesen sei und der damit eine echte Rückwirkung darstelle. Eine Gesetzesauslegung, die eine solche Rückwirkung für zulässig erkläre, setze auch die jetzt im Gesetz festgeschriebene 10jährige materielle Ausschlussfrist außer Kraft. Dass hierfür eine Stütze in § 18 Abs. 2 KAG LSA gesehen werde, führe dazu, dass die verfassungskonforme Regelung in § 13b KAG LSA völlig außer Acht gelassen werde. Die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Interpretation habe einen unlösbaren Widerspruch dieser Regelungen zur Folge. Damit werde eine völlig ungerechtfertigte Bevorzugung der fiskalischen Interessen der Verwaltung bewirkt. Das weite Ermessen des Gesetzgebers könne sich allenfalls auf die Bestimmung der Dauer der materiellen Ausschlussfrist beziehen. Dazu sei mit § 13b KAG LSA eine klare Regelung getroffen worden.

17

Die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2691/14 - und - 1 BvR 3051/14 -) noch einmal hervorgehobenen Grundsätze für eine echte und somit unzulässige Rückwirkung träfen vollständig auch auf vorliegende Angelegenheiten zu. Dem könne nicht damit entgegengetreten werden, dass das Oberverwaltungsgericht schon immer als Anspruchsgrundlage vom Vorliegen einer wirksamen Satzung ausgegangen sei. Es komme nicht darauf an, wie die Gerichte die Rechtslage bisher beurteilt hätten, sondern wie es in der gesetzlichen Regelung tatsächlich fest verankert sei. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts habe zur Folge, dass die Neuregelungen in der Kommunalabgabenordnung eine neue gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff in abgeschlossene Rechtsverhältnisse konstituierten.

18

Es werde beantragt, über die eingelegte Berufung nach durchgeführter mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

19

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

20

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung des Beklagten durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Das Verfahren wirft weder in rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf noch bestehen erhebliche Unklarheiten in tatsächlicher Hinsicht.

21

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund der Schriftsätze der Klägerin vom 7. und 23. Januar 2016 sowie 8. Februar 2016 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 23. Juni 2011 - 9 B 94.10 -, v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor. Dass die Klägerin einer Entscheidung gemäß § 130a VwGO - ohne neuen, erheblichen Sachvortrag oder zusätzliche Beweisangebote - ausdrücklich widersprochen hat, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. Dezember 2015 - 1 B 66.15 -, zit. nach JURIS).

22

Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 7. Juni 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. Februar 2013 und der Änderungsbescheide vom 16. Juli 2015, die im Berufungsverfahren allein noch streitbefangen sind, sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

23

Rechtsgrundlage der Bescheide über einen Anschlussbeitrag in der Gestalt des sog. besonderen Herstellungsbeitrages bzw. Herstellungsbeitrages II ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen und über die Kostenerstattung für Anschlusskanäle des Beklagten vom 31. August 2015 - BS -, die rückwirkend am 5. Oktober 2013 in Kraft getreten ist.

24

1. Nach welcher satzungsrechtlichen Grundlage der Beitrag zu bemessen ist, richtet sich nach dem geltenden Recht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Beitragspflicht entsteht im Anschlussbeitragsrecht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA in der ab 9. Oktober 1997 geltenden Fassung - KAG LSA -, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Nach der vorher geltenden Fassung des § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes entstand die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu beiden Gesetzesfassungen (vgl. Beschl. v. 3. Dezember 2012 - 4 L 59/13 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung entstehen. Für den sog. besonderen Herstellungsbeitrag bzw. Herstellungsbeitrag II gilt nichts anderes, da es sich dem Grunde nach um einen Herstellungsbeitrag i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA handelt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Juli 2006 - 4 L 127/06 -, zit. nach JURIS; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2228). Soweit in dem Urteil des beschließenden Senats vom 4. Juni 2015 (- 4 L 24/14 -, zit. nach JURIS) zu § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 16. April 1999 (GVBl. LSA S. 150) vertreten wird, dass in manchen Fällen eine Satzung vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme vorliegen muss, betrifft dies allein die Erhebung von (Straßen)Ausbaubeiträgen.

25

Die Satzung des Beklagten vom 31. August 2015 ist für die Grundstücke der Klägerin die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung, da die vorher geltenden Beitragssatzungen des Beklagten keine taugliche Rechtsgrundlage dargestellt hatten.

26

Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil im Einzelnen dargelegt, dass sowohl die Beitragsatzung des Beklagten vom 12. November 2012 - auch in der Gestalt der 1. Änderungssatzung vom 9. September 2013 - als auch die Beitragssatzung des Beklagten vom 4. Februar 2002, zuletzt geändert durch die 4. Änderungssatzung vom 6. Dezember 2010, u.a. wegen eines Fehlers der Tiefenbegrenzungsregelung nichtig seien und weder geltend gemacht sei noch sonst dafür etwas ersichtlich, dass vorher erlassenes Satzungsrecht des Beklagten bzw. seines Rechtsvorgängers als Rechtsgrundlage für die angegriffenen Beitragsbescheide herangezogen werden könnte. Dem tritt der Beklagte nicht entgegen; Anhaltspunkte für eine abweichende Einschätzung liegen nicht vor. Weiter hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA notwendige Regelung zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II in der Beitragssatzung vom 9. März 2015 - BS 2015 - fehlte, da die in § 7 Abs. 3 BS 2015 getroffene Bestimmung nichtig war. Diese Beitragssatzung sollte rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft treten (§ 16 BS 2015); die Festlegung eines Entstehenszeitpunktes der sachlichen Beitragspflicht auf den 1. Januar 2010 in § 7 Abs. 3 BS 2015 und damit auf einen Zeitpunkt vor dem Inkrafttreten der BS 2015 verstieß gegen § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass eine abweichende Auslegung der Satzungsbestimmung nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht möglich ist. Ohne eine wirksame Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist eine Beitragssatzung nichtig (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2012, a.a.O.).

27

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist für eine Heranziehung der neuen Satzung vom 31. August 2015 unschädlich, dass der Zeitpunkt des Erlasses der Beitragsbescheide und der Widerspruchsbescheide nicht von dem Geltungszeitraum der Satzung erfasst wird. Eine nachträglich erlassene Beitragssatzung kann auch dann als Rechtsgrundlage für einen vorher erlassenen Beitragsbescheid dienen, wenn sie sich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe oder der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides beimisst. Eine auf Grund fehlender Satzungsgrundlage bestehende Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides wird durch die neue Satzung ex nunc geheilt; der Betroffene ist prozessrechtlich dadurch geschützt, dass er das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklären kann (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. September 2012 - 4 L 155/09 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 173, m.w.N.).

28

2. Durchgreifende Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragssatzung vom 31. August 2015 - BS - sind weder von der Klägerin substanziiert geltend gemacht noch nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab sonst ersichtlich.

29

a) Soweit die Klägerin im Zulassungsverfahren pauschal die Ordnungsmäßigkeit der Bekanntmachung der Beitragssatzung bestritten hat, gibt es dafür keinerlei Anhaltspunkte. Die Satzung wurde entsprechend § 24 Abs. 1 Satz 1 der Verbandssatzung des Beklagten in den Amtsblättern der Stadt Landsberg und des Landkreises Anhalt-Bitterfeld vom 11. und 16. September 2015 veröffentlicht.

30

b) Die Satzung enthält - was von der Klägerin auch nicht in Zweifel gezogen wird - mit ihrem § 7 Abs. 1 eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Regelung über das Entstehen der (sachlichen) Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag II. Danach entsteht die Beitragspflicht für den Herstellungsbeitrag I und II, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung.

31

c) Dass der in § 5 Abs. 2 BS festgesetzte Beitragssatz für den Herstellungsbeitrag II von 2,12 €/m2 gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 29. April 2010 - 4 L 341/08 -, zit. nach JURIS) verstößt, ist weder hinreichend geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Die Berechnung des Beitragssatzes und damit die Höhe der auf die Altanschlussnehmer umgelegten Aufwendungen ergibt sich aus der vom Beklagten erstellten Beitragskalkulation, auf welche der Beklagte in den Widerspruchsbescheiden vom 15. Februar 2013 Bezug genommen hat. Gegen diese Kalkulation erhebt die Klägerin keine substanziierten Einwendungen. Für ihre pauschale Behauptung, mit dem erhobenen Beitrag würden „Kosten für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung von Abwasseranlagen“ bzw. „durchlaufende Betriebskosten“ erhoben, die über Benutzungsgebühren umzulegen seien, gibt es keinerlei Anhaltspunkte; Belege nennt die Klägerin nicht. Demgegenüber hat der Beklagte in den Widerspruchsbescheiden ausdrücklich ausgeführt, in die Kalkulation seien nur die beitragsfähigen Investitionskosten eingeflossen.

32

d) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Belastungsgleichheit geltend macht, verkennt sie schon die rechtlichen Grundlagen.

33

Wie oben dargelegt handelt es sich bei dem Herstellungsbeitrag II dem Grunde nach um einen Herstellungsbeitrag i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, der sich lediglich wegen der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA von einem „normalen“ Herstellungsbeitrag unterscheidet. § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA bestimmt zum einen, dass für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG LSA am 16. Juni 1991 an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Entsorgungsanlage angeschlossen waren oder eine Anschlussmöglichkeit hatten, in Abweichung von § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA eine Beitragspflicht i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA nicht für Investitionen entsteht, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt abgeschlossen worden sind. Zum anderen folgt aus der Regelung, dass bei der Bemessung des besonderen Herstellungsbeitrages für die Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes angeschlossen waren oder angeschlossen werden konnten, d.h. bei der Ermittlung der nach dem 15. Juni 1991 getätigten Investitionen, der Aufwand für die nach diesem Zeitpunkt neu erschlossenen oder zu erschließenden Gebiete unberücksichtigt bleiben muss (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Juli 2006, a.a.O.). Danach gehört zum beitragsfähigen Aufwand beim Herstellungsbeitrag II der gesamte Aufwand, der notwendig ist, um die jeweilige öffentliche leitungsgebundene Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entsprechend dem Abwasserbeseitigungskonzept zu schaffen und es ist lediglich der Aufwand abzuziehen, der notwendig geworden ist, um nach dem 15. Juni 1991 (Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes) erstmals Grundstücken eine Anschlussmöglichkeit zu bieten (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 19. Mai 2005 - 1 L 252/04 - und Urt. v. 28. Oktober 2009 - 4 L 117/07 - jeweils zit. nach JURIS; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2225).

34

Der Vorteil, der durch den Herstellungsbeitrag II abgegolten werden soll, ist Eigentümern von tatsächlich schon vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt angeschlossenen Grundstücken daher - wie bei dem allgemeinen Herstellungsbeitrag - erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden ist, ihr Schmutzwasser mittels einer nach Inkrafttreten des Gesetzes geschaffenen öffentlichen Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA entsorgen zu können (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 18. November 2004 - 1 M 61/04 -; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2220f.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -, zit. nach JURIS). Dieser Vorteil knüpft gerade nicht an eine tatsächliche Anschlussnahme von Grundstücken an, die vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes erfolgt ist, so dass es auf das Vorbringen der Klägerin zu den Unterschieden in der Qualität der tatsächlichen Abwasserentsorgung ihrer Grundstücke nicht ankommt.

35

Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass der Beklagte in die Beitragskalkulation für den Herstellungsbeitrag II Investitionen einbezogen hat, die vor dem 15. Juni 1991 abgeschlossen waren, oder Aufwand für nach dem 15. Juni 1991 geschaffene Anlagenteile, der dazu dient, neue Flächen durch die zentrale Abwasserentsorgungsanlage zu erschließen. Dafür bestehen angesichts der Höhe des in § 5 Abs. 1 BS festgesetzten Beitragssatzes von 10,23 €/m2 für den allgemeinen Herstellungsbeitrag auch keinerlei Anhaltspunkte.

36

3. Die Voraussetzungen für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages II sind nach der Beitragssatzung des Beklagten erfüllt.

37

Die Grundstücke der Klägerin verfügten i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 3 BS am 15. Juni 1991 über einen Anschluss an eine bestehende, nicht lediglich provisorische zentrale öffentliche Abwasserbehandlungsanlage und hatten unstreitig i.S.d. § 7 Abs. 1 BS nach diesem Zeitpunkt eine Anschlussmöglichkeit an die gem. § 1 Abs. 1 Ziffer 1 der Entwässerungssatzung des Beklagten geschaffene Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten.

38

Soweit die Klägerin vorträgt, die tatsächliche Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke durch die Einrichtung des Beklagten sei immer wieder gestört, steht dieser Einwand einer Beitragserhebung nicht entgegen. Denn der Beitrag wird gem. § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA schon für die Möglichkeit der Inanspruchnahme erhoben. Dass eine ordnungsgemäße Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke auf Grund natürlicher Gegebenheiten technisch ausgeschlossen ist oder zu unzumutbaren Belastungen führt, ist weder ersichtlich noch von der Klägerin geltend gemacht.

39

Einwände gegen die Berechnung des Beitrages sind nicht substanziiert geltend gemacht; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Das pauschale Bestreiten „der Höhe der angeforderten Beiträge“ durch die Klägerin ist nicht ausreichend.

40

Soweit sie im Klageverfahren eine hilfsweise Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen vorgenommen hat, steht dem gem. § 13a Abs. 1 Satz 5 KAG LSA i.V.m. § 226 Abs. 3 AO schon entgegen, dass diese Gegenansprüche weder unbestritten noch rechtskräftig festgestellt sind.

41

4. Die angefochtenen Bescheide vom 7. Juni 2012 sind nicht in festsetzungsverjährter Zeit erlassen worden.

42

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die sachliche Beitragspflicht für die Grundstücke der Klägerin erst mit der Beitragssatzung vom 31. August 2015 entstanden sein kann, die rückwirkend zum 5. Oktober 2013 in Kraft getreten ist, ist die Festsetzungsverjährungsfrist nicht abgelaufen.

43

5. Eine Beitragserhebung wird auf Grund der Regelung des § 18 Abs. 2 i.V.m. § 13b KAG LSA durch das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht ausgeschlossen.

44

Dieses Gebot schützt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davor, dass lange zurück liegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicher zu stellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, zit. nach JURIS). Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Urt. v. 15. April 2015, a.a.O. und Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, zit. nach JURIS). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014, a.a.O.) und damit für das gesamte Beitragsrecht (so BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a.a.O.).

45

Zwar sind sowohl § 6 Abs. 6 KAG a.F. als auch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA - in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 6. Oktober 1997 (GVBl. LSA S. 878) wie auch in der inhaltgleichen Fassung des Änderungsgesetzes vom 16. April 1999 (GVBl. LSA S. 150) - in der bisher vorgenommenen Auslegung auf Grund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2014, a.a.O.). Denn beide Regelungen ermöglichten in der bisherigen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von Anschlussbeiträgen.

46

Dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit tragen aber die §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA, die durch Art. 1 Nr. 9 und 12 des Gesetzes zur Änderung kommunalabgabenrechtlicher Vorschriften vom 17. Dezember 2014 (GVBl. LSA S. 522) eingefügt worden und am 24. Dezember 2014 in Kraft getreten sind, hinreichend Rechnung (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 4. Juni 2015, a.a.O.). Danach ist eine Abgabenfestsetzung unabhängig vom Entstehen einer Abgabenpflicht zum Vorteilsausgleich mit dem Ablauf des 10. Kalenderjahres, das auf den Eintritt der Vorteilslage folgt, ausgeschlossen (§ 13b Satz 1 KAG LSA). Die nach Maßgabe des § 13b zu bestimmende Ausschlussfrist endet nicht vor dem Ablauf des Jahres 2015 (§ 18 Abs. 2 KAG LSA). Damit hat der Gesetzgeber eine zeitliche Obergrenze für die Festsetzung von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben eingeführt und auf diese Weise den bislang bestehenden verfassungswidrigen Zustand beseitigt.

47

Die §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA berücksichtigen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich einerseits und die Interessen des Einzelnen an Rechtssicherheit. Die gewählte Ausschlussfrist von grundsätzlich 10 Jahren ab Eintritt der Vorteilslage, die jedoch nicht vor dem Ende des Jahres 2015 abläuft und daher im Einzelfall auf Grund des erstmaligen Inkrafttretens des KAG LSA im Jahre 1991 bis zu 24,5 Jahre betragen kann, hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber insoweit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 5. März 2013, a.a.O.) zustehenden weiten Gestaltungsspielraums und belastet die Abgabenpflichtigen nicht unzumutbar (vgl. VG Halle, Urt. v. 13. März 2015 - 4 A 13/15 HAL -; VG Magdeburg, Urt. vom 26. März 2015 - 9 A 253/14 MD -; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241, 244f, 248; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254; Driehaus, KStZ 2014, 181, 184f.; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 - zu § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG BB, zit. nach JURIS; Martini, NVwZ-Extra 2014, S. 1, 8ff., 12; vgl. weiter § 3a Abs. 3 Satz 2 SächsKAG; a.M.: Beck/Neumann, DWW 2015, 362, 370ff., 374; vgl. auch Möller, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2015h ff.; Rottenwallner, KStZ 2014, 189, 194ff.). Zum einen unterschreitet sie die auch dem öffentlichen Recht nicht fremde dreißigjährige Verjährungsfrist (vgl. etwa § 53 Abs. 2 VwVfG), gegen deren grundsätzliche Anwendbarkeit im öffentlichen Recht aus Gründen der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens keine Bedenken bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Dezember 2008 - 3 C 37.07 -, zit. nach JURIS, m.w.N.; vgl. auch Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, zit. nach JURIS) und die einen Maßstab für die Bestimmung einer Ausschlussfrist darstellt (vgl. Driehaus, KStZ 2014, 184f.; vgl. auch Bücken-Thielmeyer/Fenzel, a.a.O., S. 244: äußerste Grenze). Zudem wirkt der Vorteil, der durch die Inanspruchnahmemöglichkeit einer Einrichtung vermittelt wird, lange in die Zukunft fort, während ein besonderes wirtschaftliches Interesse der Abgabepflichtigen an einer möglichst zeitnahen Geltendmachung des Beitragsanspruchs nicht besteht, sondern deren Interesse nur darin liegt, erkennen zu können, wann mit einer Inanspruchnahme nicht mehr zu rechnen ist (VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; Driehaus, KStZ 2014, 185; VGH Bayern, Urt. v. 12. März 2015 - 20 B 14.1441 -; VG Cottbus, Urt. v. 10. April 2014 - 6 K 370/13 -, jeweils zit. nach JURIS). Schließlich sind die nach der Wiederherstellung der Deutschen Einheit bestehenden Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung sowie die sonstigen Schwierigkeiten, in einem neuen Bundesland wie Sachsen-Anhalt überhaupt wirksames Satzungsrecht zu erlassen, in Rechnung zu stellen (VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 15. April 2015 - 9 C 19.14 -, zit. nach JURIS: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014, a.a.O.) und der Umstand, dass die abgabenerhebenden Körperschaften in Sachsen-Anhalt jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 auf Grund der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt darauf vertrauen durften, nicht wirksam entstandene Forderungen zeitlich grundsätzlich unbegrenzt geltend machen zu können (vgl. auch Martini, a.a.O., S. 12).

48

Die abgabenerhebenden Körperschaften werden durch die 10-Jahres-Ausschlussfrist, die zwar (teilweise deutlich) kürzer ist als vergleichbare Regelungen in anderen Bundesländern, ebenfalls nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise (vgl. dazu Bücken-Thielmeyer/Fenzel, a.a.O. S. 245ff.) belastet (wohl a.M.: Driehaus, KStZ 2014, 185). Auch wenn es aus den verschiedensten Gründen zu einer Verzögerung der Erhebung von Abgaben kommen kann, die der zuständigen Körperschaft nicht anzulasten ist, durfte der Gesetzgeber mit der gewählten Frist, die jedenfalls mehr als doppelt so lang ist wie die Festsetzungsverjährungsfrist, die Interessen des einzelnen Abgabenschuldners sehr hoch gewichten. Weder werden dadurch die abgabenerhebenden Körperschaften in ihrer Finanzhoheit als Ausprägung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung verletzt noch ist das Gleichheitsgebot in seiner Ausprägung als Grundsatz der Abgabengerechtigkeit beeinträchtigt. Im Gesetzgebungsverfahren haben die Interessenverbände insoweit gerade keine durchgreifenden Einwendungen erhoben, sondern nur für eine längere Übergangsfrist plädiert. Durch § 18 Abs. 2 KAG LSA ist hinreichend sichergestellt, dass Altverfahren noch fristgerecht abgeschlossen werden können. Denn die abgabenerhebenden Körperschaften mussten schon seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 mit einer gesetzgeberischen Regelung rechnen.

49

Die vorgesehene Ausschlussfristenregelung ermöglicht damit einerseits die Sicherung der Finanzierung der öffentlichen Einrichtungen und schränkt andererseits die Abgabenerhebung nach Eintritt der Vorteilslage zeitlich ein, nämlich auf einen Zeitraum von höchstens 24,5 Jahren. Insoweit enthält sie einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des einzelnen Abgabenpflichtigen an Rechtssicherheit. Auch der Umstand, dass die "Übergangsregelung" in § 18 Abs. 2 KAG LSA sogenannte "Altfälle", bei denen die die Ausschlussfrist frühestens am 31. Dezember 2015 endet, gegenüber den Abgabenpflichtigen benachteiligt, bei denen die Vorteilslage erst nach 2005 eingetreten ist, führt unter Berücksichtigung von Art. 3 GG nicht zur Verfassungswidrigkeit der Norm. Denn nach dem Vorhergesagten besteht jedenfalls ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung.

50

Auch den von der Klägerin und einzelnen Literaturstimmen sonst genannten Einwendungen gegen die Übergangsfrist des § 18 Abs. 2 KAG LSA ist nicht zu folgen. Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin kommt dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum nicht nur hinsichtlich der (zeitlichen) Ausgestaltung einer allgemeinen Ausschlussfrist zu, sondern auch hinsichtlich der Einräumung einer besonderen Übergangsfrist. Diesen Spielraum hat der Landesgesetzgeber (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-DrS 6/3419 vom 10. September 2014, S. 23) ausdrücklich genutzt und darauf abgestellt, dass die kommunalen Aufgabenträger erst mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 von einer neuen Rechtslage auszugehen hatten. Soweit das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung ausdrücklich gerügt hat, die Verjährung des in Rede stehenden Anschlussbeitrages könne nach den bisherigen gesetzlichen Regelungen unter Umständen „erst Jahrzehnte“ nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen, folgt daraus keine Absage an die Bestimmung einer Ausschlussfrist, die im Einzelfall zwanzig Jahre überschreiten kann. Zum einen wurde diese Aussage zu Regelungen im bayerischen Kommunalabgabengesetz über die (Festsetzungs)Verjährung getroffen, die gerade keine Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers enthielten. Zum anderen entfaltet § 18 Abs. 2 KAG LSA nur für einen Übergangszeitraum Geltung und ist durch landesspezifische Umstände gerechtfertigt. Beide Erwägungen hatte das Bundesverfassungsgericht zu dem damals streitigen bayerischen Kommunalabgabengesetz nicht zu berücksichtigen. Auch dass den Problemen bei der Bildung von Aufgabenträgern in Sachsen-Anhalt durch zwei Heilungsgesetze im Kommunalabgabenrecht Rechnung getragen wurde, hindert nicht eine Berücksichtigung der sonstigen Schwierigkeiten, überhaupt wirksames Satzungsrecht zu erlassen, sowie eine Berücksichtigung der bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltenden letztinstanzlichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts. Soweit eine Geltendmachung von Fehlern der Abgabenfestsetzung durch den herangezogenen Abgabepflichtigen infolge des Zeitablaufs seit Entstehen der Vorteilslage (z.B. durch natürliche Änderungen der tatsächlichen Umstände oder Eigentümerwechsel) erschwert sein sollte, ist dem schon im Rahmen der Darlegungsverpflichtungen und der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen.

51

Die Regelungen der §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA sind anzuwenden, obwohl vor Inkrafttreten dieser Normen sowohl die sachliche Beitragspflicht entstanden ist als auch die angefochtenen Beitragsbescheide erlassen worden sind. Es handelt sich dabei um Regelungen, mit denen - wie § 18 Abs. 2 KAG LSA klarstellt - eine Ausschlussfrist festgesetzt wird (vgl. auch Driehaus, KStZ 2014, 183, m.w.N.; Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254). Deren umfassende Anwendbarkeit ergibt sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschriften, der darin besteht, der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen und eine zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung im Kommunalabgabengesetz vorzusehen, um die Beitragserhebung verfassungsrechtlich sicher zu gestalten (vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung vom 10. September 2014, LT-DrS 6/3419, S. 3; VG Halle, Urt. v. 13. März 2015, a.a.O.; vgl. auch VG Magdeburg, Urt. v. 26. März 2015, a.a.O.).

52

Da die streitbefangenen Beitragsbescheide vor Ende des Jahres 2015 erlassen worden sind, ist die Ausschlussfrist des § 13b KAG LSA jedenfalls gem. § 18 Abs. 2 KAG LSA gewahrt.

53

Es kann danach offen bleiben, zu welchem Zeitpunkt für die Grundstücke der Klägerin die Vorteilslage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 3. Dezember 2014, a.a.O.; vgl. auch Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2255; Driehaus, KStZ 2014, 181, 183f.; Martensen, LKV 2014, 446, 451ff.) entstanden ist. Jedenfalls ist nach den obigen Darlegungen diese Vorteilslage nicht schon mit der tatsächlichen Anschlussnahme der Grundstücke an eine zentrale Entsorgungsanlage vor dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes erfolgt, da es sich dabei um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a.a.O.). Auch aus dem Gesetzeswortlaut oder den „Intentionen“ des Gesetzgebers folgt im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nichts anderes. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung (LT-DrS 6/3419 vom 10. September 2014, S. 22f.) wird jeweils nur auf die „Vorteilslage“ bzw. die „tatsächliche Vorteilslage“ abgestellt. Soweit der Begriff „technische Herstellung“ verwendet wird (S. 3), bezieht er sich - wie aus dem Zusammenhang deutlich wird - auf den Vorteilsausgleich i.S.d. der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dass nach den Angaben der Klägerin die tatsächliche Schmutzwasserentsorgung ihrer Grundstücke durch die Einrichtung des Beklagten immer wieder gestört sei, führt von vornherein nicht dazu, den Eintritt der Vorteilslage schon früher anzunehmen.

54

Ebenfalls nicht entschieden werden muss, ob bei einer Beitragsfestsetzung, die vor einem nach den §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA maßgebenden Zeitpunkt erfolgt ist, der Erlass der als Rechtsgrundlage heranzuziehenden Beitragssatzung nach diesem Zeitpunkt - möglicherweise auch verbunden mit einer Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erst nach dem Zeitpunkt - zur Folge hat, dass die Ausschlussfrist nicht eingehalten ist (vgl. dazu Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2254 a.E.). Denn die heranzuziehende Beitragssatzung des Beklagten ist vor dem 31. Dezember 2015 erlassen worden, und auch die sachliche Beitragspflicht ist vor diesem Zeitpunkt entstanden.

55

6. Die im Anschlussbeitragsrecht geltenden Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt haben auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (- 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, zit. nach JURIS) zu dem Kommunalabgabengesetz Brandenburg keine unzulässige Rückwirkung zur Folge.

56

Eine Rechtsnorm entfaltet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. v. 12. November 2015, a.a.O., m.w.N. und Beschl. v. 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) echte Rückwirkung, wenn sie nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll. Eine unechte Rückwirkung liegt dagegen vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition entwertet, so wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung").

57

a) Dass Grundstücke auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes zu Anschlussbeiträgen herangezogen werden, die schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 15. Juni 1991 eine Anschlussmöglichkeit an eine zentrale öffentliche leitungsgebundene Schmutzwasserentsorgungsanlage hatten, stellt entgegen der Auffassung der Klägerin schon deshalb keine unzulässige Rückwirkung dar, weil - wie oben dargelegt - damit nur an eine erst nach dem 15. Juni 1991 entstandene Vorteilslage durch die Anschlussmöglichkeit an eine nach diesem Zeitpunkt geschaffene öffentliche Einrichtung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA angeknüpft wird.

58

b) Der mit Änderungsgesetz vom 6. Oktober 1997 (GVBl. LSA S. 878) eingeführte § 6 Abs. 6 Satz 2 entfaltet ebenfalls keine unzulässige Rückwirkung (so auch VG Halle, Urt. v. 25. Januar 2016 - 4 A 10/15 HAL -; a.M. wohl: Beck/Neumann, a.a.O., S. 364 Fn. 25, 374). Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA gegenüber der vorher geltenden Rechtslage nach § 6 Abs. 6 KAG LSA a.F. lediglich klarstellend verdeutliche, dass die sachliche Beitragspflicht im Anschlussbeitragsrecht unabhängig vom Abschluss der Baumaßnahme und der Begründung der Vorteilslage nicht vor Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht (so Urt. v. 6. März 2003 - 1 L 318/02 -, m.w.N.; Beschl. v. 23. Oktober 2000 - 1 M 209/00 -; Beschl. v. 10. November 1999 - B 3 S 29/98 -; Beschl. v. 25. Januar 2011 - 4 L 234/09 -; vgl. auch Beschl. v. 19. Februar 1998 - B 2 S 141/97 - zit. nach JURIS; vgl. weiter Haack, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2202, m.w.N.). Dass nach der Gesetzesbegründung (LT-DrS 2/3895 v. 26. August 1997, S. 7) zu § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA „ein Hinausschieben der Entstehung der Beitragspflicht frühestens auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten rechtsgültigen Satzung“ erforderlich gewesen sei, um möglichen Beitragsausfällen oder Rückforderungen vorzubeugen, führt zu keiner anderen Auslegung. Ein Gesetz kann auch rein deklaratorische Wirkung haben, um das klarzustellen, was sich aus anderen Regelungen, wenn auch nicht ausdrücklich, bereits ergibt (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19. Februar 1998, a.a.O.). Daher fehlt es von vornherein schon an einem Anknüpfungspunkt für die Annahme einer (echten oder unechten) Rückwirkung, da die Rechtslage sich durch das Änderungsgesetz nicht geändert hat. Grundsätzlich liegt keine Rückwirkung vor, wenn eine Neuregelung deklaratorischer Art ist, also nur bestätigt, was von vornherein aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2010, a.a.O.).

59

Dass § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA dem Wortlaut nach im Wesentlichen der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. entspricht, deren Abänderung durch die Einführung des Begriffes „rechtswirksam“ vor dem Wort „Satzung“ mit einem Änderungsgesetz vom 17. Dezember 2003 das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 12. November 2015 (a.a.O.) hinsichtlich der Fälle, in denen Beiträge nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. nicht (mehr) erhoben werden konnten, als unzulässige Rückwirkung angesehen hat, steht dem nicht entgegen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in dem Änderungsgesetz deshalb eine konstitutive Änderung der Rechtslage bzw. einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes gesehen, weil das Oberverwaltungsgericht Brandenburg § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F. in ständiger Rechtsprechung (seit Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, zit. nach JURIS) so ausgelegt hatte, dass es für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht und damit auch für den Zeitpunkt des Verjährungsbeginns lediglich auf das formelle Inkrafttreten der ersten - möglicherweise unwirksamen - Beitragssatzung, nicht aber auf das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung ankam (vgl. dazu auch Herrmann, LKV 2016, 54ff.). Eine vergleichbare „Korrektur“ der die Festsetzungsverjährung betreffenden Rechtsprechung durch den Gesetzgeber erfolgte - schon im Hinblick darauf, dass das Oberverwaltungsgericht stets auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung abgestellt hatte - in Sachsen-Anhalt gerade nicht.

60

Es muss daher nicht entschieden werden, ob selbst bei der Annahme einer Änderung der Rechtslage durch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA vorliegend deshalb keine Rückwirkung eingetreten wäre, weil für die klägerischen Grundstücke bis zum Inkrafttreten des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA keine öffentliche Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA existierte (vgl. VG Halle, Urt. v. 25. Januar 2016 - 4 A 10/15 HAL -).

61

c) Den §§ 13b, 18 Abs. 2 KAG LSA kommt danach schließlich auch keine (echte oder unechte) Rückwirkung zu. Auf Grund dieser Bestimmungen treten schon keine Rechtsfolgen mit belastender Wirkung ein, da die Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt keine Ausschlussfrist angenommen hatte, innerhalb derer die abgabenerhebende Körperschaft nach dem Entstehen einer Vorteilslage die Abgabe festzusetzen hatte. Die Neuregelungen, mit denen eine solche Ausschlussfrist erstmalig eingeführt wird, haben für die betroffenen Abgabenpflichtigen daher allein eine begünstigende Wirkung.

62

Selbst wenn man aber den §§ 13b, 18 KAG LSA eine unechte Rückwirkung unterstellte, läge ein - für die Annahme der Verfassungswidrigkeit notwendiger - Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht vor. Die noch nicht herangezogenen Abgabenpflichtigen konnten weder vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 noch danach darauf vertrauen, dass ihnen gegenüber auf Grund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts reagieren würde.

63

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

64

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

65

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

66

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Kostengläubigers abzuwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Nacherhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutzwasserbeseitigung.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus und einem Ferienhaus bebauten und 2.191 qm großen Grundstücks Gemarkung ##, Flur #, Flurstück ###. Es ist an die von der Gemeinde Zingst betriebene zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 hatte der Beklagte den Kläger zu Anschlussbeiträgen in Höhe von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) herangezogen, mit Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 zu weiteren 1.514,47 (2.962,05 DM). Der Berechnung des Beitrages gemäß Bescheid vom 28. Juni 1995 war eine Grundstücksfläche von 1.500 m² (x 4,65 DM = 6.975,00 DM) und eine Geschossfläche von 179 m² (x 16,50 DM = 2.953,50 DM) zugrunde gelegt worden. Der Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 legte eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 2.137 m² zugrunde (2.191 abzüglich 54 m² Wasserfläche), von der die bereits veranlagte Fläche von 1.500 m² in Abzug gebracht wurde. Den Betrag von 5.076,36 EUR zahlte der Kläger. Ein gegen den Bescheid vom 15. Oktober 1999 anhängig gemachtes Klageverfahren (VG Greifswald, Az. 3 A 1288/01) ist nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt worden.

3

Mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 zum Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 setzte der Beklagte im Wege der Nacherhebung einen Anschlussbeitrag in Höhe von 12.263,10 EUR fest. Im Bescheid heißt es, die Differenz zwischen dem bereits gezahlten und dem neu festgesetzten Anschlussbeitrag betrage 7.186,74 .

4

Auf den unter dem 23. Juni 2003 dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers reduzierte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2004, zugestellt am 18. August 2004, den zu zahlenden Beitrag auf 3.656,80 EUR und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, die bereits 1995 veranlagte Teilfläche von 1.500 m² habe wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht erneut veranlagt werden dürfen. Für die Restfläche von 637 m² errechne sich eine beitragspflichtige Fläche von 891,80 m² (erstes Vollgeschoss: 100 %, zweites Vollgeschoss: 40 % - § 4 Abs. 3 der Abwasserbeitragssatzung). Bei einem Beitragssatz von 4,10 EUR ergebe sich ein Nacherhebungsbeitrag von 3.656,38 EUR.

5

Dagegen hat der Kläger am 20. September 2004 (Montag) Klage erhoben.

6

Zu ihrer Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt,

7

seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Satzungsgrundlage. Die Abwasserbeitragssatzung des Beklagten vom 10. April 2003 sei bereits nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Der "Zingster Strandbote", jedenfalls dessen Ausgabe vom April 2003, genüge wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 4 KV-DVO a. F nicht den gesetzlichen Anforderungen für ein amtliches Bekanntmachungsblatt. Die Satzung sei auch materiell-rechtlich unwirksam. §4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße gegen den Gleichheitssatz. Zudem halte § 3 Abs. 2 ABS einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, indem die Bestimmung ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff zugunsten des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffes auch dann zulasse, wenn die Anwendung des Buchgrundstücksbegriffes nicht zu gröblich unangemessenen Ergebnissen führen würde. Die Satzungsanwendung sei ebenfalls fehlerhaft. Eine Nacherhebung sei wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung unzulässig.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 16.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen,

13

die formell-rechtlichen Einwände gegen die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung seien unbegründet. Gleichwohl sei der "Zingster Strandbote" in seinem Erscheinungsbild geändert und die Abwasserbeitragssatzung im Februar 2005 vorsorglich erneut bekannt gemacht worden. § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei rechtlich zulässig, die Grenze der baulichen oder gewerblichen Nutzung bei der am weitesten entfernten Gebäudegrenze zu ziehen. Außerdem gebe es in der Gemeinde Zingst keine übergreifende, nicht-bauliche gewerbliche Nutzung und damit den vom Kläger angesprochenen Fall nicht. Auch § 3 Abs. 2 ABS sei nicht zu beanstanden. Die Regelung sei auch kein einziges Mal angewendet, sondern stets das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne zugrundegelegt und herangezogen worden.

14

Mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der rechtmäßige Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung) vom 10. April 2003, bekanntgemacht durch Veröffentlichung im "Zingster Strandboten" vom 16. April 2003. Die Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und

15

24. Mai 1996 seien unwirksam und schieden deswegen als Rechtsgrundlage aus.

16

Die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 sei rechtswirksam. Sie sei ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Gemeinde Ostseebad Zingst vom 07. Dezember 2001 erfolgten öffentliche Bekanntmachungen von Satzungen im amtlichen Bekanntmachungsorgan der Gemeinde, dem monatlich erscheinenden "Zingster Strandboten". Dieser genüge den Anforderungen des §6 Abs. 1 KV-DVO, insoweit werde auf den Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2005 - 3 B 3820/04 - Bezug genommen. Darüber hinaus dürfte der klägerische Einwand wegen der Neubekanntmachung im "Zingster Strandboten" vom 18. Februar 2005 hinfällig geworden sein.

17

Die Satzung sei auch materiell-rechtlich wirksam und weise den erforderlichen Mindestinhalt auf.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers sei insbesondere § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS fehlerfrei. Die Bestimmung finde ihre Rechtfertigung darin, dass die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, wonach jenseits der Tiefengrenze der Außenbereich beginne, in Fällen sogenannter übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung widerlegt sei und daher in diesen Fällen die beitragspflichtige Fläche durch die hintere Grenze der Nutzung begrenzt werde. Wenn der Kläger meine, dass die Regelung eine übergreifende gewerbliche Nutzung, die nicht zugleich bauliche Nutzung sei, nicht erfasse, berücksichtige er nicht, dass eine "nur gewerbliche" Nutzung, die nicht auch bauliche Nutzung sei, in Bezug auf die Schmutzwasserentsorgung kaum denkbar sei. Der Hinweis auf "zahlreiche" gewerbliche Grundstücksnutzungen, deren Grenze nicht durch eine bauliche Anlage gezogen werde, treffe nicht zu. Mit Blick auf den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit habe der Beklagte zudem unwidersprochen dargelegt, dass es jedenfalls im Gebiet der Gemeinde Zingst kein Grundstück gebe, das jenseits der Tiefenbegrenzungslinie "nur gewerblich" genutzt würde, ohne dass zugleich eine (übergreifende) Gebäudenutzung vorhanden wäre. Fehlerhaft und damit unwirksam sei allerdings § 3 Abs. 2 ABS, wenn die Gemeinde nach dieser Bestimmung ermächtigt werde, unter dort näher genannten Voraussetzungen im Einzelfall den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff anzuwenden. Der Fehler wirke sich aber auf die Rechtswirksamkeit der Satzung insgesamt nicht aus. An die Stelle der insoweit nichtigen Regelung trete der gesetzliche Grundstücksbegriff mit der Folge, dass die Satzung weiterhin zur Beitragserhebung geeignet sei. Der Satzungsfehler in § 3 Abs. 2 ABS habe sich auch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beitragskalkulation ausgewirkt. Der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Regelung für die Berechnung der Beitragseinheiten in keinem einzigen Fall angewendet worden sei.

19

Auch die Satzungsanwendung sei nicht zu beanstanden. Rechtmäßig sei insbesondere die Nacherhebung des Beitrages. Ihr stehe der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang gehe das Verwaltungsgericht von folgenden Grundsätzen - nach Maßgabe seines Beschlusses vom 27. Februar 2006 - 3 B 3023/05 - aus: Dem Beitragswesen immanent sei das Merkmal der Einmaligkeit. Der Grundsatz der Einmaligkeit schränke zugleich auch die Möglichkeit einer Nacherhebung ein. Jedoch schließe die grundsätzlich bestehende - auch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V fortgeltende - Verpflichtung, Beiträge nach Maßgabe der geltenden landes- und ortsrechtlichen Vorschriften zu erheben, die Verpflichtung ein, einen entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen. Sei ein Beitragspflichtiger - etwa weil die für sein Grundstück verteilungsrelevante Fläche ohne rechtfertigenden Grund (versehentlich) nur zum Teil berücksichtigt worden sei - oder seien alle Beitragspflichtigen - etwa weil ein Rechnungsposten bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes übersehen worden sei - zu niedrig veranlagt worden, sei die Gemeinde regelmäßig gehalten, bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung durch selbständige Bescheide entsprechende Nachforderungen zu erheben, um dadurch ihren Beitragsanspruch voll auszuschöpfen. Die Bestandskraft eines Heranziehungsbescheides, mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt worden sei, stehe einer Nacherhebung durch einen weiteren (selbständigen) Bescheid, mit dem der noch nicht ausgeschöpfte Teil eines entstandenen Beitragsanspruch gefordert werde, nicht entgegen. Insbesondere hinderten Vertrauensschutzgesichtspunkte eine Nacherhebung nicht. Denn der Betroffene müsse sich entgegenhalten lassen, dass die Gemeinde ihre Leistungen unter anderem auch zu seinen Gunsten erbracht habe und dass sie und die hinter ihr stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern könnten, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts der Gemeinde, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit. Allerdings seien über die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V die §§ 172 ff. AO über die nachträgliche Aufhebung und Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden entsprechend anwendbar. Diese Vorschriften stünden aber einer Nachveranlagung nicht entgegen, weil durch den Nacherhebungsbescheid der (bestandskräftige) frühere Heranziehungsbescheid nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehoben oder abgeändert, sondern lediglich der Beitragsanspruch ausgeschöpft werde. Die Gegenauffassung berücksichtige nicht genügend das den Entgeltabgaben zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Die §§ 172 ff. AO basierten auf einem vorrangigen Vertrauensschutz gegenüber bestandskräftigen Steuerbescheiden, wobei Steuern ohne Gegenleistung geschuldet würden. Bei Entgeltabgaben stehe demgegenüber die Zahlungspflicht in unmittelbarer Beziehung zu einer von der Allgemeinheit erbrachten Leistung. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, dass eine fehlerhafte Abgabenfestsetzung nicht innerhalb der Festsetzungsfrist auch zu Lasten des Abgabenschuldners behoben werden sollte. Dabei sei zu beachten, dass die Unabänderbarkeit fehlerhafter Bescheide, die Beiträge zu niedrig festgesetzt hätten, zu einem Defizit führen würde, das entweder durch Abgabenerhöhung von den übrigen Benutzern der Einrichtung oder vom Steuerzahler getragen werden müsste.

20

Gemessen an diesen Grundsätzen sei die in dem angefochtenen Bescheid erfolgte Nachveranlagung nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe lediglich den in den vorherigen Beitragsbescheiden unberücksichtigt gebliebenen Teilbetrag des Anschlussbeitrags festgesetzt. Hierzu sei er nach der Beitragssatzung und dem genannten Grundsatz, den entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen, auch verpflichtet gewesen. Im Übrigen komme es für die Frage, ob die Einmaligkeit der Beitragserhebung verletzt sei, auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht an. Das bedeute, eine Nacherhebung sei immer dann zulässig und geboten, wenn - wie vorliegend - der (niedrigere) Beitrag zunächst auf Grundlage einer Satzung errechnet und erhoben worden sei, die sich später als rechtsunwirksam erwiesen habe. Hier sei zu berücksichtigen, dass die sachliche Beitragspflicht erstmals mit Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung von 2003 entstanden sei. Offen bleiben könne, ob die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages im Widerspruchsbescheid rechtmäßig gewesen sei. Denn dies verletze den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Schließlich sei die Beitragsforderung nicht in Folge Festsetzungsverjährung erloschen.

21

Das Urteil ist dem Kläger am 02. Oktober 2006 zugestellt worden. Auf den am 01. November 2006 eingegangenen und unter dem 04. Dezember 2006 (Montag) begründeten Antrag hin hat der Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 2009, dem Kläger am 26. Oktober 2009 zugestellt, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Unter dem 16. November 2009 hat der Kläger seine Berufung begründet.

22

Er hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem angefochtenen Nacherhebungsbescheid stünde trotz Bestandskraft des ursprünglichen Heranziehungsbescheides §12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. den §§172 ff. AO nicht entgegen, für unzutreffend. Gegenstand der Kanalbaubeitragspflicht sei nach dem KAG M-V (a.F.) der auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke umzulegende Aufwand für die - hier erstmalige - Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst, wobei die Beiträge "nach den Vorteilen zu bemessen" seien. Die Vorteilsbemessung bzw. gleichheitsgerechte Verteilung des Aufwandes auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke habe der Gesetzgeber den Kommunen überlassen. Anknüpfungspunkt für die gleichheitsgerechte Bemessung des Beitragssatzes für einen Kanalbaubeitrag könne richtigerweise nur die Größe bzw. Bebaubarkeit des bevorteilten Grundstücks selbst sein. Hieran habe sich die Gemeinde Zingst mit ihren Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und vom 24. Mai 1996 auch gehalten, selbst wenn diese Satzungen - wovon auch er ausgehe - im Ergebnis nichtig gewesen seien. Im vorliegenden Fall habe sich weder die Grundstücksfläche noch die Bebaubarkeit seines Grundstücks im Zuge der Nacherhebung verändert. Die Nacherhebung sei nichts anderem geschuldet gewesen als dem mehrfach geänderten Satzungsrecht der Gemeinde Zingst, nicht aber dem Umstand, dass sein Grundstück etwa "nur teilweise" von den Vorgängersatzungen berücksichtigt und veranlagt worden sei, sodass er "für" sein Grundstück mit dem Ursprungsbescheid hinsichtlich des Herstellungsaufwandes für die öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst bereits "vollständig" und bestandskräftig veranlagt worden sei. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die §§ 172 ff. AO vorliegend deswegen nicht anwendbar seien, weil Steuern grundsätzlich ohne, Beiträge dagegen für eine Gegenleistung des Staates erhoben würden, möge allenfalls als Hinweis an den Gesetzgeber verstanden werden. Dieser habe nämlich auch mit § 12 Abs. 1 KAG M-V n. F. geregelt, dass auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anwendbar seien, während eine ganze Anzahl von Bundesländern mit ihren Kommunalabgabengesetzen insoweit Einschränkungen gemacht hätten. Es bedürfe keiner richterlichen "Korrektur" des § 12 Abs. 1 KAG M-V im Sinne der Gesetze anderer Bundesländer. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern habe nämlich den Abgaben erhebenden Behörden durch vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der Abgabenordnung genügend Instrumente an die Hand gegeben, im Zweifel genau die Probleme zugunsten der öffentlichen Haushalte zu lösen, die das Verwaltungsgericht wegen Satzungsfehlern - d. h. wegen Fehlern von Rechtsnormen - zulasten der Bürger lösen wolle. Denn eine Abgaben erhebende Behörde sei durch nichts daran gehindert (gewesen), wegen § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 164 AO einen Kanalbaubeitragsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen. Dass die Behörden dies regelmäßig nicht tun würden, dürfe die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht dazu veranlassen, entgegen § 12 Abs. 1 KAG M-V die Abgabenordnung nur auf kommunale Steuern anzuwenden. Angesichts dessen, dass kommunale Steuern gegenüber Beiträgen und Gebühren nur einen verschwindend geringen Anteil ausmachten, wäre es nicht erklärlich, wenn der Gesetzgeber die §§172 ff. AO nur auf kommunale Steuern angewendet wissen wollte. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V sei nicht mehr zu fragen, ob auch auf Kanalbaubeiträge die §§ 172 AO ff. "entsprechend" anwendbar seien. Schließlich seien dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Kommentierungen zum KAG a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht bei Novellierung des KAG ausschließen würde. Er habe dennoch an der uneingeschränkten Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V festgehalten.

23

Er, der Kläger, halte außerdem die Abwasserbeitragssatzung der Gemeinde Zingst vom 10. April 2003 (ABS) auch in ihrer Fassung der 1. Änderungssatzung vom 25. April 2008 deshalb für nichtig, weil sie einen fehlerhaften Beitragsmaßstab aufweise. So regele § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei widersprüchlich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe. Zudem sei auch § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS rechtswidrig. Wegen der mit dieser Regelung erfolgenden "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches in dieser Tiefe beidseits durch jeweils eine Straße erschlossen wäre, ohne sachlichen Grund beitragsfrei. Er halte schließlich daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei.

24

Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - zu ändern und den Änderungsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

28

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, der Grundsatz der Einmaligkeit stehe einer Nacherhebung nicht entgegen; dieser sei nicht gleichbedeutend mit einem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheides. Der Kläger gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 12 Abs. 1 KAG M-V die Anwendung der Abgabenordnung vorbehaltlos anordne. Denn die Abgabenordnung gelte nur "entsprechend". Die Aufnahme des Begriffs "entsprechend" berücksichtige die Unterschiede bei den Regelungsgegenständen der Abgabenordnung einerseits und des Kommunalabgabenrechts andererseits. Es sei jeweils zu prüfen, ob eine in der Abgabenordnung getroffene, sich auf Steuern beziehende Regelung dem Wesen etwa kommunaler Entgeltabgaben gerecht werde. Das den Entgeltabgaben zugrundeliegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verlange, dass eine - gleichgültig aus welchem Grunde - zu niedrig festgesetzte Abgabe innerhalb der Festsetzungsfrist bis zur richtigen Höhe nacherhoben werden müsse, um die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Diesem Prinzip stünden die §§ 172 ff. AO von ihrem Sinn und Zweck her nicht unproblematisch, wenn nicht sogar unvereinbar gegenüber. Sie könnten daher im Bereich der Entgeltangaben keine strikte Anwendung finden. So habe das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits entschieden, dass die §§ 172 ff. AO auf Erschließungsbeiträge nicht anwendbar seien. Entsprechendes müsse für Anschlussbeiträge gelten. § 9 Abs. 1 KAG M-V verlange eine Ausschöpfung des Beitragsanspruchs. Jedenfalls habe er sein ihm in der Gesamtschau der Regelungen der §§ 172 ff. AO zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein hinsichtlich der Beitragshöhe zu niedriger Bescheid sei im Übrigen ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt, der keine begünstigenden Elemente aufweise. Eine Begünstigung liege nur vor, soweit sie im Verwaltungsakt ausdrücklich ausgesprochen worden sei, wenn also die Behörde ausnahmsweise und verbindlich zum Ausdruck bringe, dass sie von einer Mehrforderung absehen wolle. Einen solchen Anschein habe er nicht erweckt. Auch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes stehe einem Nachveranlagungsbescheid nicht entgegen. Der Beitragsschuldner müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung entgegenhalten lassen, dass der Beitrag ein Entgelt für eine Leistung der Gemeinde sei. Er könne nicht erwarten, diese zu Lasten der Allgemeinheit ohne volle Gegenleistung und kostengünstiger als andere zu erhalten. Erst durch die Nacherhebung sei eine "nach den Vorteilen zu bemessende" Veranlagung erfolgt. Der Beklagte verteidigt schließlich die Maßstabsregelungen des §4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 und Buchst. e ABS.

29

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, die Gerichtsakte im Verfahren Az. 1 L 324/06 samt Beiakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Der angefochtene Bescheid findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung - ABS) vom 10. April 2003; der Senat legt dabei in Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem Verwaltungsgericht zugrunde, dass die Vorläufersatzungen nicht wirksam gewesen sind (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09.04.2002 - 1 M 1/02 -, juris; VG Greifswald, Urt. v. 12.01.2005 - 3 A 2331/01 -). Die Satzung ist wirksam (1.) und die konkrete Rechtsanwendung nicht zu beanstanden (2.).

32

1. Die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung unterliegt weder unter dem Blickwinkel ihrer ordnungsgemäßen Bekanntmachung (a) noch hinsichtlich ihrer seitens des Klägers angegriffenen Maßstabsregelungen (b) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

33

a) Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht zunächst darin zu, dass die Abwasserbeitragssatzung - jedenfalls zwischenzeitlich - wirksam bekannt gemacht worden sei (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bekanntmachung im "Zingster Strandboten" im April 2003 auch mit Blick darauf nicht zu beanstanden ist, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F. das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen muss. Denn insoweit sind - ohne dass dies den normunterworfenen Bürger überfordern würde - "Zingster Strandbote" und die konkrete Beilage, in der die Abwasserbeitragssatzung abgedruckt worden ist, im Zusammenhang zu betrachten. Schon die äußere Gestaltung der Beilage mit dem Aufdruck "Gemeinde Seeheilbad Zingst", dem darunter befindlichen Gemeindewappen, das sich - worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - auch auf dem "Zingster Strandboten" findet, und der Auflistung der verschiedenen Satzungen, die im Inhalt zu finden sind, lässt keinen Zweifel am amtlichen Charakter des Bekanntmachungsblattes und hinsichtlich des herausgebenden Trägers der öffentlichen Verwaltung zu (vgl. auch das Impressum der Beilage, in dem die Gemeindeverwaltung Zingst als Herausgeber bezeichnet ist). Zudem ist die Bekanntmachung jedenfalls im Februar 2005 wirksam nachgeholt worden. Soweit der Kläger - nachdem er den rechtlichen Gesichtspunkt der Bekanntmachung zunächst zweitinstanzlich nicht mehr thematisiert hatte - in seinem Schriftsatz vom 07. Dezember 2009 vorgetragen hat, er halte daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen selbst ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei, handelt es sich lediglich um eine rechtliche Feststellung. Der Kläger trägt damit schon selbst nicht ausdrücklich vor, dass die Bekanntmachung der Hauptsatzung fehlerhaft gewesen sein könnte. Jedenfalls ist dieses Vorbringen dermaßen unspezifiziert, dass der Senat keine Veranlassung gesehen hat, hier gleichsam "ins Blaue" weitere Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen. Schließlich spricht mit Blick auf das vorliegende Exemplar der Hauptsatzung, das als Beilage zum "Zingster Strandboten" im Dezember 2001 erschienen ist, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nichts für einen Bekanntmachungsfehler.

34

b) Die in der Abwasserbeitragssatzung enthaltenen, vom Kläger angegriffenen maßstäblichen Regelungen sind wirksam.

35

Soweit der Kläger rügt, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS sei mit Blick auf die Bestimmungen, die Grundstücke mit baulicher bzw. möglicher baulicher Nutzung erfassten, widersprüchlich und damit gleichheitswidrig, dringt er damit nicht durch.

36

Nach § 4 Abs. 2 Buchst. e Satz 1 ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die im B-Plan eine sonstige Nutzung (z.B. als Sportplatz, Grünfläche, Friedhof) festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden, die Grundfläche der an die Anlage zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung anschließbaren Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2, höchstens jedoch die tatsächliche Grundstücksgröße. In den nachfolgenden Sätzen schließen sich Regelungen zur Zuordnung der so ermittelten Abgeltungsfläche an.

37

Diese Vorschrift regele - so meint der Kläger - den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also nur eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei daher ein Widerspruch in sich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung in diesem Sinne zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und sodann weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe.

38

Dieses Vorbringen geht fehl. Das Merkmal der "sonstigen" Nutzung will nicht besagen, dass mit der Satzungsregelung nur Grundstücke ohne jede Bebauung/Bebauungsmöglichkeit erfasst werden sollen, sondern will - so das zutreffende Vorbringen des Beklagten - Grundstücke mit bestimmten "sonstigen" (= untergeordneten baulichen) Nutzungen wie Sportplätze durch einen Artabschlag erfassen und begünstigen, ohne dass damit auf den entsprechenden Flächen angeschlossene oder anschließbare Baulichkeiten ausgeschlossen würden. Eine solche Regelung, die den atypisch niedrigen Vorteil solcher Flächen berücksichtigen will, begegnet keinen Bedenken und liegt im ortsgesetzgeberischen Ermessen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 - 1 L 58/02 -, juris).

39

Auch die Rüge, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS stelle als "doppelte" Anwendung der Tiefenbegrenzung eine sachwidrige Privilegierung dar, führt nicht zum Erfolg der Berufung. Gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. c ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der Straßengrenze der dem Innenbereich zugewandten Straße und einer im Abstand von siebzig Meter dazu verlaufenden Parallelen (Satz 1). Liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder einer Straßenseite zugewandten Grundstücksseite anzusetzen (Satz 2).

40

Der Kläger meint, wegen der in Satz 2 der Regelung aus seiner Sicht vorgesehenen "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches beidseits durch eine Straße erschlossen ist, beitragsfrei. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, ist jedoch das Gegenteil der Fall, die Gesamtfläche wäre in diesem Fall beitragspflichtig. Die von jeweils einer Straße aus gesehen der Beitragspflicht unterliegende Fläche mit einer Tiefe von siebzig Metern geht der Freistellung derselben Fläche durch die Tiefenbegrenzung ausgehend von der anderen Straße vor.

41

2. Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Beitragsnacherhebung, mit der der Kläger zusätzlich zu dem durch Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 ursprünglich festgesetzten und bezahlten Beitrag von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) nochmals zu einem Betrag 3.656,38 EUR herangezogen wird, ist rechtmäßig.

42

Eine solche Nacherhebung ist unter den vorliegenden Sachverhaltsgegebenheiten, insbesondere der Unwirksamkeit der Vorgängersatzungen, grundsätzlich zulässig und auch in der konkreten Rechtsanwendung ohne Rechtsfehler durchgeführt worden.

43

Der Beklagte ist nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V und auf der Grundlage der Abwasserbeitragssatzung grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass er einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragerhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des Erstheranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung.

44

Eine Nacherhebung ist zwar weder ausdrücklich Gegenstand der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Abwasserbeitragssatzung noch finden sich insoweit Bestimmungen im Kommunalabgabengesetz M-V, die ausdrücklich die Möglichkeit einer Nacherhebung in Fällen der vorliegenden Art vorsehen. Auch ist die Beitragserhebung im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen insoweit nicht bundesrechtlich determiniert und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris; Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 14.94 -, NVwZ-RR 1996, 465; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218; Beschl. v. 05.03.1997 - 8 B 37.97 -, Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 86; Beschl. v. 12.08.1991 - 8 B 108.91 -; Urt. v. 07.07.1989 - 8 C 86.87 -, BVerwGE 82, 215 - jeweils zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 19.11.2007 - 1 L 1/07 -, juris) zur Verpflichtung der Kommunen, einen entstandenen Erschließungsbeitragsanspruch ggfs. auch im Wege der Nacherhebung auszuschöpfen, nicht unmittelbar einschlägig. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Nacherhebung ist eine solche des irrevisiblen Landesrechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris).

45

Wie im Erschließungsbeitragsrecht ergibt sich jedoch aus den landesrechtlichen Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes M-V grundsätzlich auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies etwa auf der Basis einer früheren unwirksamen Satzung noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist.

46

Die rechtliche Zulässigkeit der Nacherhebung und die Pflicht zur Ausschöpfung der kommunalen Beitragsanspruchs lässt sich - so zutreffend das Verwaltungsgericht - zunächst grundsätzlich § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (wie schon der Vorläuferbestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG a. F.) entnehmen.

47

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden. Nur in atypischen Situationen kann von dieser "Soll"-Bestimmung abgewichen werden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris). Beiträge sind dabei Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes insbesondere für die Herstellung öffentlicher Einrichtungen dienen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Sie werden nach näheren gesetzlichen Maßgaben als Gegenleistung dafür erhoben, dass den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme Vorteile geboten werden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich die grundsätzliche Vorstellung des Landesgesetzgebers, dass die Herstellungskosten einer öffentlichen Einrichtung - ggfs. bis zur Höhe eines in rechtmäßiger Ausübung ortsgesetzgeberischen Ermessens festgesetzten bzw. mit der Beitragserhebung zu erzielenden Kostendeckungsgrades - vollständig als Gegenleistung für die Verschaffung der Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Ver- oder Entsorgungseinrichtung durch Beiträge gedeckt werden sollen. Daraus folgt, dass grundsätzlich im Falle einer bei erstmaliger Heranziehung unterbliebenen Ausschöpfung des Beitragsanspruchs für die beitragserhebende Körperschaft die Möglichkeit bestehen muss, eine solche Ausschöpfung - zeitlich limitiert bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung - durch eine Nacherhebung zu erreichen. Dies galt erst recht nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V a.F. Diese Vorschrift regelte noch strenger als § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, dass Beiträge "zu erheben sind".

48

Dieser Annahme steht zunächst - anders als der Kläger meint - nicht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen, der insbesondere nach Maßgabe der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auch im Abgabenrecht des Landes Mecklenburg Vorpommern Geltung beansprucht.

49

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung - hinsichtlich desselben Aufwands - grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris; Beschl. v. 08.07.2004 - 1 M 170/04 -, juris; Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; OVG Berlin/Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 - 9 A 77.05 -, LKV 2008, 377; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris; VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 05.11.1992 - 2 S 152/90 -; Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -: jeweils juris; VG Potsdam, Urt. v. 18.09.2008 - 9 K 1128/05 -, juris; VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.2004 - B 4 K 04.578 -, juris; vgl. auch VGH Kassel, Beschl. v. 12.04.2005 - 5 TG 116/05 -, NVwZ-RR 2006, 143 - zitiert nach juris). Die Einmaligkeit der Leistung des Kanalanschlussbeitrags folgt aus dem Wesen des Beitrags, der an einen bestimmten Zustand ("Möglichkeit der Inanspruchnahme") anknüpft und der den bei Verwirklichung des Zustands gebotenen wirtschaftlichen Vorteil insgesamt abgelten soll. Der Grundstückseigentümer erbringt die "Gegenleistung" für den ihm durch die Anschlussmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil, der der Natur der Sache nach mit der Anschlussmöglichkeit entsteht und auch in der Zukunft in der Regel nicht verändert wird. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung ist auch Folge des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzgedankens (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris).

50

Nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V (vgl. auch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. und die dazu ergangenen Rspr. des OVG Greifswald, etwa Beschl. v. 21.07.2006 - 1 M 60/06 -, juris) entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung geht das Landesrecht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Auch die Höhe des Beitrags, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird, steht auf der Grundlage der - wirksamen - Beitragssatzung zu diesem Zeitpunkt endgültig fest. Der Beitrag ruht - in Höhe der sachlichen Beitragspflicht - als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V). Daraus folgt, dass - vorbehaltlich der Regelung des § 9 Abs. 7 KAG M-V - jedenfalls Nacherhebungstatbestände in einer Beitragssatzung, die eine zusätzliche Beitragspflicht für dasselbe Grundstück daran knüpfen, dass sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - was eine rechtswirksame Satzung voraussetzt - die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück verändert haben, grundsätzlich unzulässig sind (vgl. ebenso zur Rechtslage in Thüringen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, LKV 2009, 35 - zitiert nach juris).

51

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung bedeutet danach zusammengefasst, dass die sachliche Beitragspflicht nur einmal und endgültig in der Höhe des nach Maßgabe der wirksamen Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in dieser Höhe gedeckt wird. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass ein ergangener Beitragsbescheid in keinem Fall durch einen weiteren Bescheid ergänzt oder ersetzt werden dürfte. Dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entspricht keineswegs ein ebenso strikter - so plastisch das Thüringische OVG - Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheids. Der Umstand, dass erst der Beitragsbescheid das Beitragsschuldverhältnis für den Beitragsschuldner konkretisiert (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) und mit der Festsetzung des Beitrags die Grundlage für die Zahlungsaufforderung in bestimmter Höhe schafft, vermag nicht zu begründen, dass die Einmaligkeit und Endgültigkeit, die für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gilt, auch für den Beitragsbescheid gelten solle (vgl. zum Ganzen ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat für das Erschließungsbeitragsrecht - insoweit auf das Anschlussbeitragsrecht übertragbar - angenommen, dass sich die Rechtswidrigkeit eines Nacherhebungsbescheids nicht mit einem aus dem materiellen Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragspflicht herzuleitenden Verbot einer Doppelveranlagung begründen lasse, da jedenfalls sicher sei, dass sich ein solches Verbot allenfalls auf eine zweite Veranlagung zu ein und demselben Beitragsbetrag beziehen könnte, nicht aber auf eine Nacherhebung im hier in Rede stehenden Sinne, die lediglich einen noch nicht ausgeschöpften bzw. nicht bescheidmäßig festgesetzten Teil des Beitragsanspruchs einfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris).

52

Somit ist die Frage, ob und inwieweit der Beitragsschuldner sich auf die Endgültigkeit eines ihm gegenüber ergangenen Beitragsbescheides verlassen darf, nicht schon mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung beantwortet. Denn dieser Grundsatz lässt das Recht und die Pflicht des Einrichtungsträgers zur vollständigen Erhebung des Beitrags in Höhe der - wirksam - entstandenen sachlichen Beitragspflicht unberührt. Wenn der Einrichtungsträger in einem ersten Beitragsbescheid den Beitrag - wie hier - etwa auf der Basis einer im Nachhinein als unwirksam erkannten Beitragssatzung fehlerhaft in einer Höhe festgesetzt hat, die die später tatsächlich entstandene sachliche Beitragspflicht der Höhe nach nicht ausschöpft, hat er grundsätzlich das Recht und darüber hinaus eine Pflicht zur Nachforderung (vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.11.2006 - 4 L 191/06 -, LKV 2008, 139; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2009, § 8 Rn 26 ff.). Nur wenn der Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht bereits voll ausgeschöpft hat, steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das daraus folgende Verbot der Doppelbelastung im Ergebnis auch jedem weiteren Nachforderungsbescheid oder einer Ersetzung durch einen Bescheid mit höherer Beitragsforderung für die gleiche Maßnahme entgegen. Wenn der Erstbescheid dagegen die - einmalig und endgültig entstandene - sachliche Beitragspflicht in der Höhe noch nicht ausgeschöpft hat, führt dieser Erstbescheid regelmäßig auch nicht zur Beendigung des Beitragsschuldverhältnisses. Denn das Beitragsschuldverhältnis entsteht entsprechend § 38 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V mit der Verwirklichung des Beitragstatbestandes und erlischt nicht mit einer bestandskräftigen Beitragsfestsetzung, sondern entsprechend § 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V insbesondere durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.).

53

Die streitgegenständliche Nacherhebung wird auch nicht mit Blick auf eine Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 ausgeschlossen. Die Frage, ob der Eintritt der Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 das durch das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründete Beitragsschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger beendet hat, ist nach dem einschlägigen materiellen Recht zu beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris; VGH München, Beschl. v. 23.04.2009 - 22 ZB 07.819 -, juris), hier also nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes. Diesen liegt - wie ausgeführt - die Vorstellung zugrunde, dass die der Abgaben erhebenden Körperschaft zustehenden Beitragsansprüche grundsätzlich in vollem Umfang bzw. dem Betrag nach voll auszuschöpfen sind.

54

Das landesrechtliche Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs schließt nicht nur die Auffassung aus, die Bestandskraft eines den entstandenen Beitragsanspruch nicht voll ausschöpfenden Heranziehungsbescheids könne zur Beendigung eines Beitragsschuldverhältnisses führen, sondern zwingt überdies zu der Annahme, dass ein solches Schuldverhältnis unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dessen Bestandskraft erst in dem Zeitpunkt endet, in dem - aus welchen Gründen immer - der Beitragsanspruch selbst erlischt. Diese Betrachtungsweise liegt auch der vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 6 KAG M-V (§ 8 Abs. 11 KAG a.F.) getroffenen Regelung zur dinglichen Sicherung des Beitragsanspruchs durch das Institut der öffentlichen Last zugrunde. Die dingliche Sicherung einer Beitragsforderung beginnt mit ihrem Entstehen, d.h. mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, und sie endet unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dem Eintritt von dessen Bestandskraft erst mit dem Erlöschen der sachlichen Beitragspflicht (vgl. zum Ganzen entsprechend zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - jeweils zitiert nach juris). § 7 Abs. 6 KAG M-V geht damit ebenfalls von der Pflicht zur Ausschöpfung des Beitragsanspruchs aus: Es erschiene widersinnig, auf der einen Seite eine öffentliche Last im vollen Umfang der sachlich entstandenen Beitragspflicht anzunehmen, auf der anderen Seite aber der Abgaben erhebenden Körperschaft im Falle einer erstmalig zu niedrigen Beitragsfestsetzung im hier erörterten Sinne zu verwehren, den Beitragsanspruch in entsprechender Höhe zu realisieren. Wollte man diesen Standpunkt einnehmen, hätte dies zur Folge, dass die öffentliche Last zwar fortbestünde, soweit der Beitragsanspruch nicht befriedigt oder anderweitig erloschen ist, für die Behörde jedoch keinerlei Möglichkeit mehr bestünde, den durch die öffentliche Last auch insoweit gesicherten Beitragsanspruch durchzusetzen.

55

Vor diesem Hintergrund enthält die Beitragsfestsetzung in bestimmter Höhe regelmäßig auch keine - begünstigende - verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll. Ein Beitragsbescheid ist nach seinem Tenor grundsätzlich ausschließlich belastender Verwaltungsakt und enthält keine begünstigende Regelung des Inhalts, "mehr" werde von dem jeweiligen Beitragsschuldner nicht verlangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218 - jeweils zitiert nach juris). Wenn der Regelungsgehalt des Erstbescheids somit in der Regel nicht einer späteren vollständigen Ausschöpfung der entstandenen Beitragspflicht entgegensteht, bedarf es auch nicht zwingend einer Aufhebung des Erstbescheids. Vielmehr kann ein neuer Bescheid den Erstbescheid ergänzen und den Differenzbetrag zwischen ursprünglicher Festsetzung und tatsächlich entstandener Beitragspflicht festsetzen. Lediglich klarstellende Bedeutung hätte dann eine Mitteilung der mit beiden Bescheiden insgesamt festgesetzten Beitragshöhe (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Diesen grundsätzlichen Erwägungen entsprechend enthält der Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 keine verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll.

56

Auch das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes rechtfertigt nicht die Annahme, mit Rücksicht auf den bestandskräftig gewordenen Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 sei der angefochtene Änderungs- bzw. Nacherhebungsbescheid wegen eines Verstoßes gegen dieses Gebot rechtswidrig. Zwar ist ein Bescheid, mit dem ein entstandener Beitragsanspruch nicht voll ausgeschöpft, d.h. mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt wird, ein nach seinem Tenor ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Auch ein solcher Bescheid kann allerdings ein geeigneter Gegenstand für ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein. Ein solches Vertrauen setzt jedoch außer einer adäquaten Vertrauensbetätigung des Betroffenen und der Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbetätigung voraus, dass im Zuge der bei Vorliegen dieser Voraussetzungen gebotenen Abwägung die Interessen des Betroffenen die der Allgemeinheit überwiegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). An alledem fehlt es hier. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum öffentlichen Interesse an der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs verwiesen werden. Da sich die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 ausweislich ihres § 10 keine Rückwirkung beigemessen hat und sie dies auch nicht musste, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist - insoweit kommt es auf das materielle Recht an, hier § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. mit der Regelung zur sachlichen Beitragspflicht -, stellen sich keine weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem früher in § 2 Abs. 5 Satz 4 KAG a.F. normierten einfachgesetzlichen Schlechterstellungsverbot.

57

Schließlich ergibt sich auch aus der in § 12 Abs. 1 KAG M-V enthaltenen Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung nicht, dass eine Nacherhebung allgemein oder im konkreten Fall des Klägers nicht in Betracht käme. Gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieses Gesetz oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten.

58

Die Vorschriften der Abgabenordnung, die vorliegend von Bedeutung sein könnten, finden sich vor allem in den Bestimmungen der §§ 172 ff. AO, die eine erhöhte Bestandskraft von Steuerbescheiden zum Gegenstand haben, indem sie die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden einschränkenden Voraussetzungen unterwerfen. Der Verweis des § 12 Abs. 1 KAG M-V führt zu der Frage, ob auch Anschlussbeitragsbescheiden eine dermaßen erhöhte Bestandskraft innewohnt. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

59

Nach Maßgabe des Vorstehenden greift hinsichtlich der Nacherhebung von Anschlussbeiträgen bereits der Vorbehalt der "besonderen Vorschriften nach diesem Gesetz" gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V: Wie ausgeführt enthält dieses Gesetz im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen das "besondere" Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs, das keinen einschränkenden Voraussetzungen unterliegt. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO würde in zahlreichen Fällen dazu führen, dass die Ausschöpfung des Anschlussbeitragsanspruchs nicht möglich wäre, und infolgedessen dem entsprechenden gesetzlichen Ziel zuwider laufen. Damit ist bereits grundsätzlich eine entsprechende Anwendung der §§ 172 ff. AO im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen ausgeschlossen, soweit sie einer Ausschöpfung des Beitragsanspruchs entgegensteht; eine solche Anwendung im Bereich andersartiger Abgaben bleibt davon unberührt. Dabei kann dahin stehen, ob dem Kläger darin gefolgt werden kann, wenn er vorträgt, die Erhebung von Steuern durch die Kommunen mache im Vergleich mit dem Aufkommen aus Gebühren und Beiträgen nur einen geringen Teil der kommunalen Abgaben aus. Denn jedenfalls bliebe für die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V auf die Abgabenordnung hinsichtlich der Erhebung kommunaler Steuern grundsätzlich insbesondere auch ein Anwendungsbereich für die §§ 172 ff. AO.

60

Darüber hinaus folgt der Senat dem Wortlautargument des Verwaltungsgerichts, demzufolge die Ausschöpfung des Beitragsanspruchs den früheren Beitragsbescheid nicht "ändern" oder "aufheben" (vgl. § 172 AO), sondern ergänzen will. Auch vorliegend soll der zwar hinsichtlich seiner Begründung fehlerhafte, aber bezüglich des festgesetzten Betrages zu niedrige und damit jedenfalls - weil nicht belastend - der Höhe nach nicht zu beanstandende Erstheranziehungsbescheid unverändert bleiben. Nach dem Inhalt von Nachveranlagungsbescheid und streitgegenständlichem Änderungsbescheid ist auch vorliegend nicht ersichtlich, dass der bestandskräftige Bescheid vom 28. Juni 1995 geändert oder aufgehoben werden sollte.

61

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen "passen" die §§ 172 ff. AO in ihrem ausdifferenzierten Regelungsgehalt und ihrem Wortlaut nach jedenfalls für die Nacherhebung von Anschlussbeiträgen im hier in Rede stehenden Sinne offensichtlich nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als die Fälle der vorliegenden Art dadurch geprägt sind, dass die Erstheranziehung deshalb zu niedrig ausgefallen ist, weil ihr eine fehlerhafte bzw. im Nachhinein als unwirksam erkannte Satzung bzw. Rechtsgrundlage zugrundelag und die sachliche Beitragspflicht in der "richtigen" Höhe gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit der ersten wirksamen Satzung entstanden ist. Diese Situation und Rechtslage sowie die daraus resultierende Interessenlage haben die §§ 172 ff. AO erkennbar nicht vor Augen; zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf das dem Beitragsrecht im Unterschied zur Steuererhebung zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verwiesen, das ebenfalls die unterschiedliche Interessenlage in den beiden Gebieten der Abgabenerhebung erhellt. Da es nach Auffassung des Senats an hinreichend schlüssigen rechtlichen Konstruktionen zu einer Transformation des Regelungssystems der §§ 172 ff. AO für die Beitragsnacherhebung im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen fehlt, spricht auch dies grundsätzlich gegen eine Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO in diesem Bereich.

62

Insoweit führt auch der Hinweis des Klägers auf § 164 AO (i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) und die mit dieser Vorschrift eröffnete Möglichkeit, einen Steuerbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen zu können, nicht weiter. Dieses Vorbringen lässt bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO unberücksichtigt. Steuern können nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass es einer Begründung bedarf. Ein Anschlussbeitragsbescheid ergeht jedoch grundsätzlich nach abschließender Prüfung des Abgabenfalles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, so dass die einzige Voraussetzung für die Beifügung eines Vorbehalts regelmäßig nicht erfüllt ist. Die Abgaben erhebende Behörde darf nicht trotz abschließender Prüfung eine Vorbehaltsfestsetzung vornehmen, nur um den Abgabenfall offen zu halten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 13). § 164 AO dient der Beschleunigung des Veranlagungsverfahrens. Der Vorbehalt ermöglicht im Interesse des Fiskus eine rasche Steuererhebung ohne Notwendigkeit zur sofortigen und abschließenden Prüfung, andererseits wird der Steuerfall im Interesse sowohl des Staates als auch des Steuerpflichtigen offen gehalten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 1). Diese Vorschrift ist jedoch nicht dafür gedacht, eine Beitragserhebung generell wegen des bloßen Verdachts oder der theoretischen Möglichkeit, die als Rechtsgrundlage herangezogene Satzung könnte unwirksam sein, einem Nachprüfungsvorbehalt zu unterwerfen. Eine solche Möglichkeit eröffnet auch § 165 AO im Übrigen in der Regel nicht, da die vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraussetzt und die steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen selbst hiervon nicht erfasst wird. Diese rechtfertigt vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Satz 2 AO eine vorläufige Festsetzung, die jedoch im Bereich der kommunalen Beitragserhebung regelmäßig nicht vorliegen werden.

63

Im Sinne der vorstehenden Erwägungen hat der Senat in seinem Beschluss vom 19. November 2007 - 1 L 1/07 - (juris) ausgeführt, der Gesetzgeber in M-V habe keine "vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der AO" getroffen. Zum einen liege schon in dem Begriff der "entsprechenden" Anwendung eine Einschränkung; diese erfordere bei jeder Einzelnorm der Abgabenordnung die Prüfung ihrer Zielsetzung und der Vergleichbarkeit der Anwendungsbereiche (siehe auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 12 Anm. 1.2). Daher könne allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern nicht bestimmte Regelungen der Abgabenordnung ausdrücklich für unanwendbar erklärt hat, nicht umgekehrt geschlossen werden, sie seien grundsätzlich anwendbar.

64

Der Senat hat zudem bereits in seinem Beschluss vom 28. November 2005 - 1 M 140/05 - (juris) darauf hingewiesen, dass klärungsbedürftig sei, wie die "entsprechend" anzuwendenden Vorschriften der §§ 172 und 173 AO ihrem Sinn und Zweck nach vom bundesrechtlichen Steuerrecht auf das Kommunale Abgabenrecht (und hier speziell auf das Beitragsrecht) zu übertragen sein können. Insbesondere § 172 Abs. 1 AO sei erkennbar auf bundesrechtliche Steuern zugeschnitten. Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchssteuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 AO) und anderen Steuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 AO) sei dem kommunalen Abgabenrecht fremd. Daher seien auch die einzelnen, gleichfalls speziell auf das bundesrechtliche Steuerrecht zugeschnittenen Tatbestände des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ohne Weiteres auf das Kommunale Abgabenrecht "1 zu 1" zu übertragen. Der Senat hat deshalb dort in Erwägung gezogen, aus einer Gesamtschau der Regelungen des § 172 Abs. 1 AO im Bereich des Kommunalen Abgabenrechts eine im Ermessen der Abgaben erhebenden Behörde stehende Kompetenz zu bejahen, Abgabenbescheide zu ändern, ebenso wie dies bundesrechtlich für die Verbrauchssteuern geregelt ist. Nimmt man die Regelung des § 173 Abs. 1 AO hinzu, die eine Aufhebungs- oder Änderungspflicht normiert, spräche auch einiges dafür, den Sachverhalt der zunächst unerkannt fehlerhaften Rechtsgrundlage, der zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung geführt hat, "entsprechend" (§ 12 Abs. 1 KAG M-V) dem nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen gleichzustellen, die zu höheren Steuern führen. Bei - unabhängig von den obigen Ausführungen - unterstellter Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO wäre nach Auffassung des Senats mit Blick auf die erörterte Ausschöpfungspflicht und die "Regelungspole" der §§ 172 und 173 AO aufgrund der durch § 12 Abs. 1 KAG M-V angeordneten "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO jedenfalls von einer Regelverpflichtung zur Nacherhebung im Sinne einer "Soll"-Bestimmung auszugehen. Dafür spricht auch nachhaltig der schon angesprochene Aspekt, dass der Beitragsanspruch mit Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in der zu diesem Zeitpunkt in Anwendung einer wirksamen Satzung errechneten Höhe als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Es wäre - wie gesagt - nicht folgerichtig sondern widersprüchlich, würde man einerseits eine öffentliche Last in entsprechender Höhe annehmen, der beitragserhebenden Kommune andererseits aber unter Rückgriff auf die §§ 172 ff. AO die Geltendmachung des Beitragsanspruchs in dieser Höhe erschweren oder gar verwehren. Bejahte man eine grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO mit einem Regelungsgehalt in diesem Sinne, gelangte man folglich regelmäßig und auch vorliegend nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit der Nacherhebung.

65

Schließlich kann für die Annahme der grundsätzlichen Ausschöpfungspflicht im Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts die Erwägung angeführt werden, dass dem Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nacherhebungs- und Ausschöpfungspflicht im Erschließungsbeitragsrecht bekannt war.

66

Angesichts der insoweit für den Bereich etwa des Anschlussbeitragsrechts geringen Regelungsdichte des § 12 Abs. 1 KAG M-V und der erläuterten, nicht von der Hand zu weisenden Auslegungsschwierigkeiten bei einer "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO erscheint die Annahme ausgeschlossen, der Gesetzgeber habe für das Anschlussbeitragsrecht gegenüber dem Erschließungsrecht bewusst Abweichendes regeln wollen. Dies gilt erst recht, nimmt man die insoweit identische Interessenlage in den Blick: Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht - was in vollem Umfang auch für den Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen gilt - ausgeführt, ein Kläger müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung jedenfalls durchgreifend entgegenhalten lassen, dass der Einrichtungsträger seine Leistung u.a. auch zugunsten des Klägers erbracht habe und dass er und die hinter ihm stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern können, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts des Einrichtungsträgers, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). Demgegenüber tritt der vom Kläger angeführte Umstand, dass dem Gesetzgeber im Hinblick auf Kommentierungen zum Kommunalabgabengesetz a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen sein müssten, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht im Zuge der Novellierung des KAG ausschließe, zurück.

67

Die Rechtsanwendung des Beklagten im Übrigen führt nicht zum Erfolg der Berufung. Soweit die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages durch den Widerspruchsbescheid mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen rechtlichen Bedenken unterliegt, wäre der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Widerspruchsbescheid in seinem Tenor zu Ziffer 1. einen Betrag von 3.656,80 EUR statt wie in der Begründung zutreffend errechnet von 3.656,38 EUR angibt, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen. Der Tenor ist entsprechend korrigierend auszulegen.

68

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

69

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die zulässige Dauer der Ablaufhemmung von Steuerfestsetzungsfristen im Falle von Außenprüfungen.

2

1. Die Frist für die Festsetzung einer Steuer endet nach den in § 169 AO genannten Zeiträumen. Die Durchführung einer Außenprüfung hemmt nach Maßgabe der in § 171 Abs. 4 Satz 1 AO beschriebenen Bedingungen den Ablauf der Festsetzungsfrist. Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet die Festsetzungsfrist für Steuerbescheide spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung (§ 201 AO) stattgefunden hat, oder, wenn die Schlussbesprechung unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind.

3

2. Bei der Beschwerdeführerin wurde für die Veranlagungszeiträume 1974 bis 1978 im Jahr 1980 mit einer Außenprüfung begonnen. Die letzte Ermittlungshandlung fand im April 1989 statt. Bis 1995 erfolgten dann seitens der Finanzverwaltung keine weiteren Ermittlungshandlungen im Rahmen der Außenprüfung. 1995 wurde die Außenprüfung fortgesetzt. Die Schlussbesprechung fand Ende 1996 statt. Gegen die daraufhin ergangenen geänderten Steuerbescheide aus dem Jahre 1997 beschritt die Beschwerdeführerin erfolglos den Rechtsweg, wobei sie Verjährung einwandte. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Auffassung der Vorinstanz, dass keine Verjährung eingetreten sei. § 171 Abs. 4 Satz 3 AO sei dahingehend auszulegen, dass sich die Ablaufhemmung im vorliegenden Fall nicht nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung richte, sondern nach dem Zeitpunkt der Schlussbesprechung. Durch einen Verzicht auf die Schlussbesprechung hätte die Beschwerdeführerin den Eintritt der Verjährung herbeiführen und so eine überlange Festsetzungsverjährung vermeiden können.

II.

4

Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde vor allem geltend, die genannte Auslegung von § 171 Abs. 4 Satz 3 AO verletze die Prinzipien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Die Auslegung des Bundesfinanzhofs, bei der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO komme es im vorliegenden Fall auf die Schlussbesprechung im Jahr 1996 und nicht auf die letzte Ermittlungshandlung im Jahr 1989 an, führe zu einer ewigen Verjährung unter Kontrolle der Finanzverwaltung.

III.

5

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit, Art. 20 Abs. 3 GG) rügt, hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

6

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; 132, 302 <317 Rn. 41>; 133, 143 <158 Rn. 41>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten (vgl. BVerfGE 133, 143 <158 Rn. 41>).

7

Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber. Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat (vgl. BVerfGE 133, 143 <159 Rn. 43 f.>).

8

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Steueraufkommen und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfGE 133, 143 <160 Rn. 46>).

9

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die in den angegriffenen Entscheidungen gewählte Auslegung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

10

Es wäre allerdings mit den beschriebenen Grundsätzen von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz nicht vereinbar, könnte die Finanzverwaltung durch Hinauszögern der Schlussbesprechung den Ablauf der Festsetzungsfrist nach eigenem Gutdünken bestimmen und so letztlich beliebig verlängern. Weder unbegrenzte Festsetzungsfristen noch eine freie Verfügbarkeit der Finanzbehörden über deren Lauf stünden mit diesen Grundsätzen in Einklang.

11

a) Die vom Bundesfinanzhof vertretene Auslegung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO, die bei Außenprüfungen den Lauf der Festsetzungsfrist nur bei definitivem Unterbleiben der Schlussbesprechung an die letzte Ermittlungshandlung knüpft, ist unter den Gesichtspunkten von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der Vorschrift verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und führt zu keiner mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbaren Handhabung der Regeln über die Festsetzungsverjährung bei Außenprüfungen.

12

Durch die ihm nach § 201 Abs. 1 Satz 1 AO eröffnete Möglichkeit, auf die Schlussbesprechung zu verzichten, hat es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, den Ablauf der Festsetzungsfrist aus § 169 AO herbeizuführen. Gegen den Willen des Steuerpflichtigen darf die Finanzbehörde, wie der Bundesfinanzhof in der hier angegriffenen Entscheidung bestätigt hat, keine Schlussbesprechung durchführen und kann so auch nicht den Fristlauf ab der letzten Ermittlungshandlung gegen den Willen des Steuerpflichtigen verhindern.

13

Es ist auch nicht erkennbar, dass ein Verzicht auf die Schlussbesprechung im vorliegenden Fall mit unzumutbaren Nachteilen für ihn verbunden wäre.

14

Die Schlussbesprechung dient, wie der Bundesfinanzhof in dem angegriffenen Beschluss unter Verweisung auf seine Rechtsprechung ausführt, insbesondere der Anhörung des Steuerpflichtigen. Dem Steuerpflichtigen soll durch die Schlussbesprechung die Möglichkeit gegeben werden, zu den Prüfungsfeststellungen umfassend Stellung zu nehmen, sie mit dem Außenprüfer erörtern und so auch einvernehmliche Lösungen erzielen zu können. Äußerungen des Steuerpflichtigen zur Sach- und Rechtslage, die während des Außenprüfungsverfahrens, aber außerhalb der Schlussbesprechung getätigt werden, müssen allerdings in gleicher Weise bei der Entscheidungsfindung der Finanzbehörde berücksichtigt werden wie solche, die innerhalb der Schlussbesprechung erfolgen.

15

Jedenfalls in Streitlagen wie der vorliegenden, in der seit der letzten Ermittlungshandlung im Rahmen der Außenprüfung im Sinne des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO die Festsetzungsverjährung nach § 169 AO ohne Berücksichtigung dieser Ablaufhemmung bereits abgelaufen wäre, kann der Steuerpflichtige grundsätzlich ohne erkennbaren Rechtsnachteil auf die Schlussbesprechung verzichten. Wie der Bundesfinanzhof in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt hat, führt der Verzicht dann unmittelbar zum Eintritt der Verjährung und damit zum Erlöschen des Steueranspruchs. Der mit dem Verzicht verbundene Verlust unmittelbarer Erörterungs- und Vergleichsmöglichkeiten in der Schlussbesprechung bleibt so im Hinblick auf die dann verjährten Steueransprüche ohne Belang.

16

b) Es ist nicht erkennbar, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör bei einem Verzicht auf die Schlussbesprechung beschnitten worden wäre. Es ist aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin und den eingereichten Unterlagen ersichtlich, dass es zwischen der Beschwerdeführerin und der Finanzverwaltung während des Verlaufs der Außenprüfung auch außerhalb der Schlussbesprechung mehrfach zu einem mündlichen und schriftlichen Austausch der Rechtsauffassungen zu den streitigen Punkten kam. Der Verfassungsbeschwerde lassen sich auch sonst keine Anhaltspunkte dazu entnehmen, inwieweit bei einer durch Verzicht herbeigeführten Verjährung der Steueransprüche konkrete Nachteile für die Beschwerdeführerin wegen der Nichtdurchführung der Schlussbesprechung verblieben wären.

17

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

18

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

Tenor

Die Schmutzwasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Öffentliche Einrichtung A – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) vom 12. Dezember 2012 wird mit Ausnahme ihres § 14 für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Beitragssatzung für die Schmutzwasserbeseitigung.

2

Der Antragsgegner betreibt in seinem Verbandsgebiet drei selbständige öffentliche Einrichtungen (A, B und C) zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung. Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks im Verbandsgebiet des Antragsgegners, welches an die öffentliche Einrichtung A des Antragsgegners angeschlossen ist. Für diese zog er das Grundstück der Antragstellerin zu einem Schmutzwasserbeitrag im Jahr 2013 heran. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den bisher noch nicht entschieden ist.

3

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss bereits am 12. Dezember 2012 die Schmutzwasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Öffentliche Einrichtung A – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Beitragssatzung). Diese wurde im Amtsblatt des Antragsgegners vom 31. Januar 2013 bekannt gemacht.

4

Am 28. März 2013 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gegen die Beitragssatzung gestellt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

5

Die Satzung sei schon deshalb unwirksam, weil bei dem Beschluss über die Satzung nicht alle wesentlichen Unterlagen vorgelegen hätten. Dies gelte insbesondere für die Unterlagen über die Ermittlung der Tiefenbegrenzung.

6

Unter Beachtung der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen – Abwasserbeseitigungssatzung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Abwasserbeseitigungssatzung) vom 6. Februar 2003 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 30. Juni 2010 sei der Umfang der öffentlichen Einrichtung nicht hinreichend bestimmt. Es fehle daher an einem hinreichend bestimmten Abgabentatbestand, so dass die Beitragssatzung unwirksam sei. Zwar finde sich in § 1 Abwasserbeseitigungssatzung die grundsätzlich zulässige Entscheidung, mehrere getrennte öffentliche Einrichtungen für die Schmutzwasserbeseitigung zu betreiben. Allerdings sei die Bestimmung des Umfangs der jeweiligen öffentlichen Einrichtung widersprüchlich. § 2 Abs. 3 Abwasserbeseitigungssatzung bestimme, was zu der öffentlichen Einrichtung gehöre. Grundstücksanschlüsse seien nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtungen. § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung regele, was unter Grundstücksanschlüsse zu verstehen sei: nämlich Leitungen vom Kanal bis zum Kontrollschacht an der Grenze des Grundstücks bzw. bis zur Grundstücksgrenze, wenn der Kontrollschacht nicht direkt an der Grenze des Grundstücks gesetzt werden könne einschließlich der Pumpen- und Vakuumschächte bei Druck- und Unterdruckentwässerung. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung seien dagegen die Schächte der Druck- oder Unterdruckentwässerung Bestandteil der öffentlichen Einrichtung.

7

Weiterhin sei für den Beitragspflichtigen anhand der Regelung des § 4 Beitragssatzung nicht erkennbar, ob der Erlass der aktuellen Beitragssatzung ausreichend oder noch der Erlass einer weiteren Satzung erforderlich sei, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Schließlich sei die Regelung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08) mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit unvereinbar. Die Anknüpfung an die erste wirksame Satzung führe letztlich zu einer zeitlich unbegrenzten Heranziehungsmöglichkeit der Grundstückseigentümer.

8

Die Maßstabsregelung des § 5 Abs. 3 Buchst. b) Beitragssatzung sei unvollständig, da sie nicht regele, wie die Anzahl der maßgeblichen Vollgeschosse zu bestimmen sei, wenn der Bebauungsplan die Gebäudehöhe und die Baumassenzahl festsetze. § 5 Abs. 3 Buchst. g) und h) bb) Beitragssatzung enthalte zwei Regelungen für die Bestimmung von Vollgeschossen bei Außenbereichsgrundstücken, ohne dass diesen zu entnehmen sei, in welchem Verhältnis sie zueinander ständen. Es lägen somit widersprüchliche Regelungen vor.

9

Die Regelung des § 5 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung, die eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, sei unwirksam. Die Tiefenbegrenzung sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Teilweise seien Orte bzw. Ortsteile bei der Ermittlung der Bebauungstiefe nicht berücksichtigt worden, weil sie nicht an die öffentliche Einrichtung angeschlossen seien bzw. angeschlossen werden sollten. Die ortsübliche Bebaubarkeit der Grundstücke werde jedoch auch durch die weitere vorhandene Bebauung im Verbandsgebiet geprägt. Daneben zeigten die Untersuchungen des Antragsgegners, dass fast 50% der untersuchten Grundstücke eine Bebauungstiefe von höchsten 35 m aufwiesen. Die festgesetzte Tiefenbegrenzung von 40 m entspreche nicht den örtlichen Verhältnissen. Dass eine darüber hinausgehende Bebauung möglich sei, habe der Antragsgegner nicht belegt. Dies führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Mehrbelastung der Grundstückseigentümer, die mit der festgesetzten Tiefenbegrenzung von 40 m einhergehe.

10

Zweifelhaft sei, ob die zugrunde gelegte Kalkulation hinreichend aktuell sei. Deutlich werde dies bei den Grundstücken C...-Straße ...-... und ...-..., welche eine geringere Fläche aufwiesen als in der Kalkulation veranschlagt. Es sei daher davon auszugehen, dass die Flächenermittlung für vorhandene Grundstücke nicht aktualisiert worden sei.

11

Die zulässige Bebaubarkeit innerstädtischer Grundstücke sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden. Dies gelte beispielsweise für die Grundstücke in Grimmen I...ring # und #, die mit zwei Vollgeschossen angesetzt worden seien, obwohl die umliegende Bebauung fünf Vollgeschosse aufweise. Entsprechende Fehler fänden sich bei anderen Grundstücken im unbeplanten Innenbereich, bei denen nicht auf die höchstzulässige Vollgeschosszahl abgestellt worden sei, sondern auf die tatsächlich vorhandene Vollgeschosszahl. Dies betreffe insbesondere den Stadtteil Südwest und die Robert-Koch-Berufsschule in der Straße der Befreiung. Erhebliche Anteile der möglichen und zu berücksichtigenden Beitragsflächen seien so nicht in die Flächenermittlung aufgenommen worden. Dadurch werde ein höherer Beitragssatz ermittelt als er bei richtiger Ermittlung zulässig wäre.

12

Die Antragstellerin beantragt,

13

die Schmutzwasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Öffentliche Einrichtung A – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) vom 12. Dezember 2012 mit Ausnahme der Regelungen über die Ordnungswidrigkeiten (§ 14) für unwirksam zu erklären.

14

Der Antragsgegner beantragt,

15

den Antrag abzuweisen.

16

Er verteidigt die angegriffene Satzung und tritt der Antragsbegründung im Einzelnen entgegen.

17

Die Unterlagen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung hätten der Verbandsversammlung am 12. Dezember 2012 mit den übrigen Kalkulationsunterlagen vorgelegen, auch wenn dies in der Niederschrift der Verbandsversammlung nicht gesondert erwähnt werde.

18

Der von der Antragstellerin angeführte Widerspruch zwischen § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung und § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung liege tatsächlich nur auf dem Papier vor, da es im Verbandsgebiet keinerlei Druck- oder Vakuumentwässerung gebe. In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner seinen Vortrag dahingehend konkretisiert, dass es im Verbandsgebiet zwar keine Vakuumentwässerung gebe, Druckentwässerung dagegen schon. Ein Widerspruch liege allerdings auch bei der Druckentwässerung mit den Pumpenschächten nicht vor. Denn beide Normen würden unterschiedliche Fallgruppen erfassen, wobei § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung nur in den Fällen des § 14 Abs. 8 Abwasserbeseitigungsatzung anwendbar sei, d.h. wenn das Abwasser mehrerer Grundstücke durch eine Druckentwässerung entsorgt werde, sei diese Pumpenstation Bestandteil der öffentlichen Einrichtung.

19

Die Regelung des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht entspreche dem Wortlaut des Gesetzes in § 9 Abs. 3 KAG M-V und sei nicht missverständlich.

20

Die Maßstabsregelung sei nicht unvollständig. Sehe der Bebauungsplan sowohl die zulässige Höhe der baulichen Anlagen als auch eine zulässige Baumassenzahl vor, müsste bei der Anwendung beider Berechnungsmethoden dieselbe Vollgeschosszahl rauskommen, wenn der Bebauungsplan nicht in sich widersprüchlich sei. Im Übrigen sei eine solche Fallgestaltung ein so seltener und fernliegender Fall, dass eine kommunale Beitragssatzung hierfür keine Regelung vorsehen müsse. Das Verhältnis von § 5 Abs. 3 Buchst. g) und h) bb) Beitragssatzung sei nicht widersprüchlich. Schon dem Wortlaut nach würden verschiedene Anwendungsfälle geregelt.

21

Die Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass nur Grundstücke berücksichtigt worden seien, bei denen ein Anschluss an die zentrale Schmutzwassereinrichtung in Betracht komme. Der Antragsgegner habe die Ermittlung in mehreren repräsentativen Gebieten vorgenommen. In diesen seien mehr als die Hälfte der Grundstücke hinter einer Linie von 35 Metern bebaut gewesen. Bei der Mehrzahl von diesen läge die Bebauungstiefe zwischen 35 und 40 Metern.

22

Die Kalkulation und insbesondere die Flächenermittlung seien rechtsfehlerfrei erfolgt. Richtig sei zwar, dass der Antragsgegner für das Grundstück in der C...-Straße 132 m² zu viel beitragspflichtige Fläche in die Kalkulation eingestellt habe. Dies führe jedoch nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation des Beitragssatzes. Ein „zuviel“ an Fläche führe stets zu einer Verminderung des Beitragssatzes. Ein Verstoß gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot könne nicht vorliegen.

23

Es sei zutreffend, dass der I...ring # und # in Grimmen, die als Seniorenbegegnungsstätte und als Verwaltungsgebäude der städtischen Wohnungsgesellschaft sowie altersgerechte Wohnungen genutzt würden, mit lediglich zwei Vollgeschossen veranlagt worden seien. In der unmittelbar näheren Umgebung befänden sich fünfgeschossige Wohnhäuser. Daneben und dahinter befänden sich im gleichen Stadtteil aber auch immer wieder Gebäude mit weniger als fünf Vollgeschossen. In der Kalkulation seien diese ebenfalls mit der tatsächlichen Anzahl der Vollgeschosse angesetzt worden. Diese Gebäude seien zum Großteil keine Wohnhäuser, sondern würden zu öffentlichen Zwecken (Schule, Kulturzentrum etc.) oder gewerblich genutzt.

24

Wären die beiden Grundstücke Innenring 1 und 3 mit 5 Vollgeschossen angesetzt worden, dann würde der höchstzulässige Beitragssatz von 11,76 Euro/m² auf 11,71 Euro/m² sinken. Da die Verbandsversammlung einen Beitragssatz von lediglich 11,00 Euro/m² beschlossen habe, sei diese Veränderung unerheblich.

25

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2016 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

26

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.). Die Schmutzwasserbeitragssatzung zur Abwasserbeseitigungssatzung – Öffentliche Einrichtung A – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Beitragssatzung) vom 12. Dezember 2012 ist im Umfang des gestellten Antrags unwirksam.

27

I. Der Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da der aufgrund dieser Satzung gegen sie ergangene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand des Beitragsbescheides von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Schmutzwasserbeitragssatzung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten. Der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

28

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die Beitragssatzung verstößt, soweit sie Gegenstand dieses Verfahrens geworden ist, gegen höherrangiges Recht, das der Prüfung des Oberverwaltungsgerichts unterliegt. Die angefochtene Beitragssatzung erfüllt im Hinblick auf den die Abgabe begründenden Tatbestand nicht die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V, so dass sie im beantragten Umfang gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären ist (1.). Die weiteren Einwendungen der Antragstellerin greifen dagegen nicht durch (2.).

29

1. Zu dem Mindestinhalt einer Abgabensatzung gehört nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V u.a. der die Abgabe begründende Tatbestand, d.h. hier die Umschreibung der öffentlichen Einrichtung, für die Beiträge entrichtet werden sollen. Eine Beitragssatzung ist daher nur dann materiell-rechtlich wirksam, wenn ihr eine hinreichend bestimmte und widerspruchsfreie Definition der öffentlichen Einrichtung, für die Anschlussbeiträge erhoben werden sollen, zugrunde liegt, die auch mit der vorrangigen Entwässerungssatzung korrespondiert (OVG Greifswald, Beschl. v. 20.12.2007 – 1 O 102/07 –; OVG Greifswald, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/06 –, juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der von dem Antragsgegner gewählte Anlagenbegriff ist von Rechts wegen zu beanstanden.

30

Der Anlagenbetreiber kann und muss im Kanalbaubeitragsrecht den Umfang der von ihm betriebenen öffentlichen Einrichtung bestimmen, wobei ein weites Organisationsermessen besteht. Dabei ist vorrangig auf die Entwässerungssatzung (sogenannte technische Satzung) abzustellen (OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 24/99 –, juris Rn. 33; Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 28; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand August 2015, § 2 Anm. 1.2). In der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen – Abwasserbeseitigungssatzung – des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Grimmen (ZWAG) (nachfolgend: Abwasserbeseitigungssatzung) vom 6. Februar 2003 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 30. Juni 2010 ist der Anlagenbegriff für die öffentliche Einrichtung A der zentralen Schmutzwasserbeseitigung nicht widerspruchsfrei definiert. Das Ortsrecht des Antragsgegners enthält nicht für alle im Satzungsgebiet vorkommenden Fallgruppen eine eindeutige Regelung, wo die öffentliche Einrichtung endet und wo der private Grundstücksanschluss beginnt. Insbesondere ist unklar, ob Pumpenschächte der Druckentwässerung mit zur öffentlichen Einrichtung gehören und damit beitragspflichtig sind.

31

Nach § 1 Abs. 1 Abwasserbeseitigungssatzung betreibt der Antragsgegner drei leitungsgebundene Einrichtungen zur Beseitigung des Schmutzwassers, wobei davon nicht das Niederschlagswasser erfasst wird. § 2 Abs. 3 Abwasserbeseitigungssatzung definiert die Bestandteile der zentralen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtungen und gilt damit auch für die hier streitige Einrichtung A. Grundstücksanschlüsse gehören gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung nicht zu den öffentlichen Einrichtungen. Was unter Grundstücksanschlüsse zu verstehen ist, regelt § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung - nämlich Leitungen vom Kanal bis zum Kontrollschacht an der Grenze des Grundstücks bzw. bis zur Grundstücksgrenze, wenn der Kontrollschacht nicht direkt an der Grenze des Grundstücks gesetzt werden kann einschließlich der Pumpen- und Vakuumschächte bei Druck- und Unterdruckentwässerung. Ein Pumpenschacht ist ein Schacht der Druckentwässerung, der Förderaggregate und Steuereinrichtungen enthält (§ 3 Abs. 3 Nr. 7 Abwasserbeseitigungssatzung). Pumpenschächte der Druckentwässerung sind nach den Regelungen der §§ 2 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung damit kein Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Dies steht im Widerspruch zu § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung, nach dem auch die Schächte der Druck- oder Unterdruckentwässerung Bestandteil der öffentlichen Einrichtung sind.

32

Dieser Widerspruch konnte in der mündlichen Verhandlung nicht beseitigt werden. Vielmehr hat diese ergeben, dass es im Verbandsgebiet des Antragsgegners zwar keine Unterdruckentwässerung und damit Vakuumschächte gibt. Allerdings gibt es - entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen des Antragsgegners - im Verbandsgebiet Druckentwässerung, für die Pumpenschächte notwendig sind (nachfolgend wird für diese Anlagen der Begriff „Pumpenschacht der Druckentwässerung“ verwandt). Daher kann in Bezug auf den Pumpenschacht der Druckentwässerung auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Widerspruch bei der Anwendung der Normen in der Praxis nicht auswirkt.

33

Aufgrund des eindeutigen Wortlautes der Regelungen sind diese auch keiner Auslegung zugänglich. Zwar spricht § 14 Abs. 2 Satz 1 Abwasserbeseitigungssatzung nur von „Schächte“ der Druckentwässerung. Jedoch kann damit unter Beachtung der Definition in § 3 Abs. 3 Nr. 7 Abwasserbeseitigungssatzung nur ein Pumpenschacht gemeint sein.

34

Soweit der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, dass die Regelungen jeweils unterschiedliche technische Fallvarianten erfassen und so kein Widerspruch vorliegen würde, spiegelt sich dies in den satzungsrechtlichen Regelungen nicht wider. Vielmehr liegt nach Ansicht des Senats ein nicht auflösbarer Widerspruch vor.

35

Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass die Fälle, in denen eine Druckentwässerung für nur ein Grundstück hergestellt werde, von § 3 Abs. 3 Nr. 4 Abwasserbeseitigungssatzung („Grundstücksanschlüsse“) erfasst werden würden. Die öffentliche Einrichtung reiche in diesen Fällen nur bis zur Grundstücksgrenze und würde nur insoweit vom ihm hergestellt werden. Nach der Grundstücksgrenze sei die Anlage von dem Grundstückseigentümer einschließlich des Pumpenschachtes in Eigenregie herzustellen. Würde dagegen das Abwasser von mehreren Grundstücken durch eine Druckentwässerung entsorgt, sei der dafür notwendige Pumpenschacht gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung Bestandteil der öffentlichen Einrichtung, unabhängig davon, ob sich dieser im öffentlichen Straßenraum oder auf einem Privatgrundstück befinde. Dies ergebe sich aus § 14 Abs. 8 Abwasserbeseitigungssatzung. Dem kann der Senat nicht folgen. Zwar enthält § 14 Abs. 8 Abwasserbeseitigungssatzung eine Regelung für die Entwässerung mehrerer Grundstücke. Dass sich die Regelung des § 14 Abs. 2 Abwasserbeseitigungssatzung jedoch nur auf diese Fallgestaltung bezieht, ergibt sich weder aus der Regelungssystematik noch aus dem Wortlaut der Norm. Dabei ist zu beachten, dass § 14 Abs. 1 Abwasserbeseitigungssatzung von der Einleitung von „Abwässer voneinem Grundstück über Druck- oder Unterdruckentwässerung“ und der Pflicht zur Duldung des jeweiligen Grundstückseigentümers zur Herstellung der erforderlicher Einrichtungen auf seinem Grundstück spricht und damit die Fälle meint, in denen eine Druckentwässerung für nur ein Grundstück hergestellt wird. Der nachfolgende Absatz 2 bezieht sich erkennbar auf diese Fallgestaltung, ohne eine Einschränkung des Anwendungsbereiches vorzusehen. § 14 Abs. 8 Abwasserbeseitigungssatzung regelt dann, dass – abweichend von § 14 Abs. 1 Abwasserbeseitigungssatzung – „Anstelle von Sammelschächten und Fördereinrichtungen, die der Entwässerungeinzelner Grundstücke dienen“ der Antragsgegner auf einem Grundstück solche Einrichtungen zum Sammeln und zur Förderung der Abwässer herstellen kann, die für die Entwässerung mehrerer Grundstücke bestimmt sind. Auch diese Fallgestaltung wird – soweit sie Pumpenschächte der Druckentwässerung betrifft – von § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung erfasst.

36

Verstärkt wird der Widerspruch durch § 14 Abs. 3 Abwasserbeseitigungssatzung, der eine Kostenersatzregelung für die Herstellung der Pumpenschächte der Druckentwässerung vorsieht. Sind die Pumpenschächte der Druckentwässerung jedoch Bestand der öffentlichen Einrichtung – wie in § 14 Abs. 2 Satz 2 Abwasserbeseitigungssatzung geregelt –, ist ein Kostenersatz grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. § 10 KAG M-V; siehe Seppelt in: Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, Stand November 2015, § 10 Anm. 5.2.1).

37

Die Definition der öffentlichen Einrichtung in § 2 Abs. 2 Beitragssatzung ist nicht deckungsgleich mit der Definition in § 2 Abs. 3 Abwasserbeseitigungssatzung. Dies ist rechtsfehlerhaft.

38

Zudem ist § 2 Abs. 2 Buchst. b) Beitragssatzung nicht hinreichend bestimmt. Danach sind die Pumpenstationen des Antragsgegners unmittelbar hinter der Grundstücksgrenze einschließlich der Steuer- und Überwachungsanlagen sowie des Stromanschlusses Bestandteil der öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung. Unklar ist, was unter „Pumpenstationen“ zu verstehen ist. Handelt es sich dabei um den Pumpenschacht der Druckentwässerung im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 7 Abwasserbeseitigungssatzung oder um eine andere Anlage? Besteht ein Unterschied zwischen den „Pumpenstationen“ und dem „Pumpwerk“ in § 2 Abs. 2 Buchst. a) Beitragssatzung? Eine Definition enthält weder die Beitrags- noch die Abwasserbeseitigungssatzung. Schwierigkeiten bereitet auch das Merkmal „unmittelbar hinter der Grundstücksgrenze“. Es dürfte nur schwer zu bestimmen sein, wo „unmittelbar hinter der Grundstücksgrenze“ endet. Aus alledem folgt auch, dass durch die fehlerhafte Bestimmung der öffentlichen Einrichtung das ortsgesetzgeberische Ermessen bei der Beschlussfassung über die Kalkulation und den Beitragssatz nicht fehlerfrei hat ausgeübt werden können, sodass die Beitragssatzung insgesamt unwirksam ist.

39

2. Die weiteren Einwendungen der Antragstellerin gegen die Wirksamkeit der Regelungen der Beitragssatzung und die ihr zugrunde liegende Kalkulation greifen nicht durch.

40

a. Die vom Antragsgegner vorgelegten Unterlagen lassen die Annahme zu, dass die Beitragssatzung in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustandegekommen ist. Der Beschlussvorlage vom 12. Dezember 2012, Beschluss Nr. 10/2012, kann entnommen werden, dass der Verbandsversammlung als Anlage 2 die neue „Ermittlung der höchstzulässigen Beitragsobergrenze für die Einrichtung A“ vorgelegen hat. Diese umfasste die „Globalkalkulation Oktober 2012“ des Antragsgegners. Weiter heißt es in der Beschlussvorlage: „Die dazugehörigen Ermittlungsunterlagen im Einzelnen liegen während der Verbandsversammlung aus und können eingesehen werden“. Nach dem Vortrag des Antragsgegners umfasste dies auch die Unterlagen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzungslinie. Dem ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegen getreten. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen, insbesondere der Unterlagen über die Tiefenbegrenzung, als unzutreffende Vermutung darstellen.

41

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die inhaltlichen Anforderungen an das der Verbandsversammlung vorzulegende Material nicht überspannt werden dürfen. Denn fühlt sich ein Mitglied der Verbandsversammlung nicht hinreichend informiert, wird es mit den kommunalverfassungsrechtlich insoweit vorgesehenen Mitteln für eine hinreichende Information zu sorgen haben. Es ist Sache der Verbandsversammlung, sich - auf welche Weise und in welcher Tiefe auch immer - zu informieren und sachkundig zu machen. Daher mag eine Beschlussfassung durchaus vertagt werden, wenn eine Mehrheit der Mitglieder der Auffassung ist, die ihnen vorgelegten Unterlagen reichten für eine hinreichende Information und damit für eine ordnungsgemäße Ausübung des satzungsgebenden Ermessens nicht aus (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 64).

42

b. Die Regelung in § 4 Abs. 1 Beitragssatzung, wonach die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung, ist wirksam. Sie regelt, wie von § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V gefordert, den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabe und damit das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Die Regelung ist für den Beitragspflichtigen auch nicht zweifelhaft im Hinblick darauf, ob der Erlass einer weiteren Beitragssatzung erforderlich ist, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen – so aber die Antragstellerin. Denn grundsätzlich ist von der Wirksamkeit einer Satzung auszugehen, solange nicht deren Unwirksamkeit festgestellt wurde. Für den Beitragspflichtigen wird dies spätestens mit dem Erlass des Beitragsbescheides deutlich, der als Rechtsgrundlage für die Heranziehung der Abgabe die einschlägige Satzung benennt und daran anknüpfend seine persönliche Beitragspflicht begründet.

43

Dass das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Anschlussbeitragspflicht nicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lässt, liegt im rechtlichen Charakter der sachlichen Beitragspflicht begründet. Das Landesrecht geht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Das setzt voraus, dass der Beitrag, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird und der als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V) ruht, auch der Höhe nach ausgeprägt ist. Die sachliche Beitragspflicht steht der Höhe nach unveränderlich fest und begründet mit diesem Inhalt ein abstraktes Beitragsschuldverhältnis. Da die Höhe des Beitrags unter anderem von den Maßstabsregeln und dem Beitragssatz abhängt, die in der Beitragssatzung normiert sind, ist ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50 f.). Zu einem früheren Zeitpunkt kann die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen. Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen.

44

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin unterliegt die Satzungsvorschrift auch in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer zeitlich unbegrenzten Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris = BVerfGE 133, 143) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach dieser Entscheidung ist es Aufgabe des Landesgesetzgebers, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen und dem Interesse des Beitragsschuldners, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten.

45

Der Landesgesetzgeber hat durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (GVOBl. M-V 2016, S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli) eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-)Beiträgen nicht mehr möglich ist. § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V Fassung 2016 regelt, dass § 169 der Abgabenordnung mit der Maßgabe gilt, dass über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrags unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezembers 2000 beginnt. Nach Ansicht des Senats entspricht diese gesetzliche Neuregelung den vom Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 15.04.2015 – 9 C 15.14 –, juris) gemachten Vorgaben (vgl. grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68ff.).

46

Darüber hinaus würde selbst das Fehlen einer gesetzlichen Bestimmung zur zeitlich befristeten Heranziehung zu Beiträgen die Wirksamkeit der Beitragssatzung grundsätzlich unberührt lassen. Ihr Fehlen kann sich erst auf der Ebene der Rechtsanwendung im Einzelfall auswirken, wenn bei der konkreten Beitragserhebung die Schlussfolgerung gerechtfertigt wäre, die Wirksamkeit für die Heranziehung sei mit Blick auf den Zeitraum zwischen der Entstehung der Vorteilslage und der Beitragserhebung entfallen (vgl. dazu OVG Greifswald, Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 47/11 –, juris Rn. 41). Die Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht durch eine Rechtsnorm ist – wie bereits dargelegt – Voraussetzung der Beitragserhebung und zwingender Mindestinhalt einer Beitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 KAG M-V). Die Satzungsbestimmung steht jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, wie lange der Antragsgegner nach Eintritt der Vorteilslage einen Anschlussbeitrag erheben darf. Ihr Regelungsgegenstand ist insbesondere nicht die Verjährung des Beitragsanspruchs. Diese richtet sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften in § 12 Abs. 1, Abs. 2 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 Abs. 1, 170 Abs. 1 Abgabenordnung. Das Gesetz knüpft dabei zwar tatbestandlich an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die Bestimmung des Beginns der Festsetzungsfrist an. Die Rechtsfolge – das Erlöschen des Beitragsanspruchs nach Ablauf von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist – wird jedoch entsprechend der Kompetenzordnung durch den Landesgesetzgeber und nicht durch den kommunalen Satzungsgeber gesetzt.

47

c. Die Maßstabsregelungen der Beitragssatzung sind nicht zu beanstanden.

48

aa. Die Maßstabsregelung zur Zahl der Vollgeschosse in § 5 Abs. 3 Beitragssatzung ist nicht unvollständig, auch wenn sie keine Regelung vorsieht, wie die Anzahl der maßgeblichen Vollgeschosse zu bestimmen ist, wenn der Bebauungsplan die Gebäudehöhe und die Baumassenzahl bzw. lediglich die Höhe der baulichen Anlagen festsetzt. Zwar gilt auch im Beitragsrecht der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit. Nach diesem Grundsatz muss eine Beitragssatzung für alle Beitragsfälle im Beitragsgebiet einen wirksamen Maßstab vorsehen (grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, DVBl. 1995, S. 1146). Allerdings liegt ein Verstoß gegen diesen Grundsatz dann nicht vor, wenn im Satzungsgebiet keine Anwendungsfälle für die fehlenden Maßstabsregelungen bestehen. Dass es einen Bebauungsplan im Verbandsgebiet des Antragsgegners gibt, der sowohl eine Gebäudehöhe als auch eine Baumassenzahl bzw. nur die Höhe der baulichen Anlagen festsetzt, ist nach den Ausführungen des Antragsgegners nicht der Fall und wurde auch von der Antragstellerin nicht behauptet.

49

bb. Ein widersprüchliches Verhältnis der Regelungen des § 5 Abs. 3 Buchst. g) und h) bb) Beitragssatzung liegt entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin nicht vor. Schon dem Wortlaut nach werden verschiedene Anwendungsfälle geregelt. § 5 Abs. 3 Buchst. g) Beitragssatzung erfasst nur Außenbereichsgrundstücke, für die ein Planfeststellungsbeschluss, ein bergrechtlicher Betriebsplan oder ein ähnlicher Verwaltungsakt eine bauliche Nutzung zulassen. § 5 Abs. 3 Buchst. h) bb) Beitragssatzung regelt die Zahl der Vollgeschosse für alle übrigen Grundstücke im Außenbereich. Im Übrigen hat der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es einen Anwendungsfall für § 5 Abs. 3 Buchst. g) Beitragssatzung im Verbandsgebiet nicht gibt.

50

cc. Die satzungsmäßige Tiefenbegrenzungsregelung nach § 5 Abs. 2 Buchst. f) Beitragssatzung begegnet keinen rechtlichen Zweifeln. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

51

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich zulässig (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 m.w.N.). Zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) hat sich die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.; Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 47/11 –, juris Rn. 48).

52

Unter Beachtung dieser Maßstäbe, ist die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet methodisch nicht zu beanstanden. Daran anschließend hält sich auch die metrische Festsetzung der qualifizierten Tiefenbegrenzung in der Verbandsversammlung im Rahmen des Satzungsermessens.

53

Der Antragsgegner hat die örtliche Bebauungstiefe anhand von repräsentativ ausgewählten Orten bzw. Ortslagen ermittelt. Er hat in einem ersten Schritt ermittelt, in welchen Orten bzw. Ortsteilen Grundstücke vorhanden sind, die im unbeplanten Übergangsbereich zwischen Außen- und Innenbereich liegen und die an die öffentliche Einrichtung angeschlossen sind bzw. in der Herstellungsphase angeschlossen werden sollen. Dies betrifft von 69 Orten und Ortsteilen im Verbandsgebiet 31, d.h. 45% aller Orte und Ortsteile im Verbandsgebiet. In einem zweiten Schritt wurden die 31 Orte und Ortsteile Fall- bzw. Vergleichsgruppen zugeordnet. Kriterium war zum einen die Anzahl der betroffenen Übergangsgrundstücke im Ortsteil (weniger als 30 Übergangsgrundstücke, zwischen 30 und 60 Übergangsgrundstücke, mehr als 60 Übergangsgrundstücke), zum anderen die charakteristische Siedlungsstruktur (Kompaktorte, Straßenorte, Mischorte, Splittersiedlungen). Aus diesen gebildeten Fallgruppen wurden zur genauen Vermessung und Bestimmung der Bebauungstiefe 8 (26%) Orte bzw. Ortsteile ausgewählt, die exemplarisch für die jeweilige Gruppe stehen. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet, dass deren Gesamtbild möglichst beide Auswahlkriterien annähernd abbildet, wobei im Grenzfall die Siedlungsstruktur das gewichtigere Auswahlkriterium war.

54

In den untersuchten Orten bzw. Ortsteilen wurde für jedes Grundstück, welches vom Innenbereich in den Außenbereich übergeht, die tatsächliche Bebauungstiefe ermittelt. Insgesamt wurden 182 Grundstücke untersucht und der jeweiligen Gruppe zugeordnet. Danach sind 9 (5%) Grundstücke bis 20 m bebaut, 15 (8%) Grundstücke bis 25 m, 23 (13%) Grundstücke bis 30 m, 42 (23%) Grundstücke bis 35 m, 60 (33%) Grundstücke bis 40 m, 19 (10%) Grundstücke bis 45 m und 14 (8%) Grundstücke mehr als 45 m.

55

Entgegen dem Einwand der Antragstellerin ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner zur Ermittlung der üblichen Bebauungstiefe nur Grundstücke in Orten bzw. Ortsteilen in seinem Verbandsgebiet berücksichtigt hat, die an die öffentliche zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden sollen. Nur diese Grundstücke sind von der Einrichtung bevorteilt und unterliegen der Maßstabsregelung bei der Beitragsberechnung. Aufgrund dessen ist die Bestimmung der örtlichen Verhältnisse anhand der von der Satzungsregelung konkret betroffenen Grundstücke von dem Ermessen des Ortsgesetzgebers gedeckt. Dies gilt zumindest solange die verbleibenden Orte und Ortslagen eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung der örtlich üblichen Bebauungstiefe bilden. Nach Ansicht des Senats ist dies vorliegend bei 31 Orten und Ortsteilen, d.h. bei ca. 45 % aller im Verbandsgebiet gelegenen Orte und Orts-teile der Fall. Auch die 5-m-Abstufung der Fallgruppen ist geeignet, die örtliche Bebauungstiefe hinreichend konkret abzubilden. Eine weitere Abstufung ist nicht erforderlich.

56

Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzungslinie ist rechtsfehlerfrei. Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es allerdings nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Das bringen die Begriffe „ortsüblich“ und „orientieren“ mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben wird, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, sodass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010, a.a.O., juris Rn. 83).

57

Dem Satzungsbeschluss liegt eine hinreichende Orientierung an der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde. Eine solche zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken hat der Antragsgegner in der Gruppe der bis 40 m bebauten Grundstücke gesehen. Dies wird durch die Aufstellung der Ermittlungsergebnisse anhand von Grafiken in der Dokumentation belegt. Die Gruppe der bis zu 40 m bebauten Grundstücke hebt sich deutlich von den anderen Gruppen ab und stellt auch zahlenmäßig absolut mit 60 von 182 ausgewerteten Grundstücken die größte Gruppe dar. Die Gruppe umfasst damit ca. 1/3 der betrachteten Grundstücke. Berücksichtigt man, dass weitere 23 Grundstücke (18%) der repräsentativ ausgewählten Grundstücke bis mindestens 40 m oder noch tiefer bebaut sind und damit von der Regelung nicht benachteiligt werden, ist dies nicht zu beanstanden. Die Antragstellerin dringt daher mit ihrem Einwand, dass fast 50% der ausgewerteten Grundstücke eine Bebauungstiefe von höchstens 35 m aufweisen, nicht durch. Denn bei den bis zu 35 m bebauten Grundstücken lässt sich keine hinreichend große Gruppe ermitteln, die in etwa die gleiche Bebauungstiefe aufweist.

58

d. Die Kalkulation begegnet im Hinblick auf die Flächenermittlung keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit die Antragstellerin einwendet, die zulässige Bebaubarkeit von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich sei nicht ordnungsgemäß ermittelt worden, da nicht auf die Zahl der zulässigen Vollgeschosse abgestellt worden sei, wie von § 5 Abs. 3 Buchst. h) aa) Beitragsatzung gefordert, sondern auf die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse, dringt sie damit nicht durch.

59

Zu beachten ist, dass bei einer Kalkulation ein gröberer Maßstab anzulegen ist als bei der Heranziehung von Grundstücken im Einzelfall. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine Globalkalkulation vorab erstellt wird und das gesamte Satzungsgebiet erfasst. Eventuelle Ungenauigkeiten sind hinzunehmen. Die Grenze ist allerdings dort, wo ein erheblicher methodischer Fehler die Ursache für diese Abweichung ist bzw. die angelegte Verfahrensweise vorhersehbar zu einem in eine eindeutige Richtung gehenden Fehler führen wird (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004, a.a.O., juris Rn. 118ff.).

60

Für den Senat ist vorliegend schon fraglich, ob die von dem Antragsgegner eingeräumte Berücksichtigung von Grundstücken im Stadtgebiet Südwest und in der Bahnhofsstraße in der Kalkulation nach der tatsächlichen Zahl der vorhandenen Vollgeschosse, wie etwa bei dem Innenring 1 und 3, überhaupt fehlerhaft ist und damit ein methodischer Fehler vorliegen könnte. Die maßgebliche Zahl der Vollgeschosse im unbeplanten Innenbereich bestimmt sich gemäß § 5 Abs. 3 Buchst. h) aa) Beitragssatzung nach Maßgabe des § 34 BauGB und damit nach baurechtlichen Vorschriften. Entscheidungserheblich ist das zulässige Maß der baulichen Nutzung, welches sich nach der näheren Umgebung bestimmt. Die von der Antragstellerin konkret gerügten Grundstücke liegen im Stadtteil Südwest bzw. in einem Teilbereich der Bahnhofsstraße. Diese Bereiche weisen eine typische DDR-Siedlungsstruktur mit Wohnbebauung und – ehemals – zentralen Versorgungsbereichen auf, wobei letztere zum Teil mit einer wesentlich geringeren Zahl von Vollgeschossen bebaut sind als die für die Wohnbebauung genutzten Grundstücke. Bei dieser Bebauungsstruktur ist aus städtebaulicher Sicht und auch im Hinblick auf die grundsätzlich einzuhaltenden Abstandsflächen zweifelhaft, ob eine Aufstockung um beispielsweise drei Vollgeschosse beim Innenring 1 und 3 trotz vorhandener höherer Umgebungsbebauung ohne weiteres baurechtlich zulässig wäre. Insoweit bedarf es der Überprüfung in jedem Einzelfall.

61

Selbst wenn sich jedoch die Heranziehungspraxis des Antragsgegners im Stadtteil Südwest und in der Bahnhofsstraße als methodisch fehlerhaft darstellen würde, wäre dieser Fehler nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erheblich. Zwar führt die Berücksichtigung einer höheren Vollgeschosszahl für die streitigen Grundstücke zu einer größeren zu berücksichtigenden Fläche und damit zu einem geringeren Beitragssatz. Allerdings würde sich der höchstzulässige Beitragssatz lediglich im „Promillebereich“ reduzieren, so dass dieser im Ergebnis immer noch über dem von der Verbandsversammlung beschlossenen – politischen – Beitragssatz von 11,00 Euro/m² liegen würde und damit keine Auswirkungen hätte. Die Berechnung des Antragsgegners für die Grundstücke Innenring 1 und 3 hat bei einer Erhöhung der anzusetzenden Vollgeschosse von zwei auf fünf etwa eine Reduzierung des höchstzulässigen Beitragssatzes von ursprünglich 11,76 Euro/m² auf 11,71 Euro/m² ergeben. Das Ergebnis liegt noch deutlich über dem beschlossenen Beitragssatz von 11,00 Euro/m².

62

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass weitere einzelne Grundstücke im Stadtteil Südwest und in einem Teilbereich der Bahnhofsstraße nach der tatsächlich vorhandenen Zahl der Vollgeschosse statt nach der zulässigen Zahl der Vollgeschosse in die Kalkulation eingestellt wurden, ist nicht zu erwarten, dass sich dies auf den beschlossen Beitragssatz auswirkt. Es ist nicht von einer so erheblichen Flächenmehrung im Vergleich zu der bisher bevorteilen, in die Kalkulation eingestellten Gesamtfläche von 1.640.480,94 m² auszugehen, dass diese zu einer erheblichen Änderung führen könnte. Auch die Antragstellerin hat nicht konkret dargelegt, dass sich hier Fehler im relevanten Ausmaß ergeben könnten. Im Übrigen übersieht die Antragstellerin, dass allein in dem Stadtteil Südwest und in einem Teilbereich der Bahnhofsstraße aufgrund der besonderen Bebauungsstruktur erhebliche Unterschiede bei der Zahl der Vollgeschosse bei den zu berücksichtigenden Grundstücken bestehen. Die weiteren Stadteile von Grimmen sind dagegen von ihrer Bebauung her eher kleinteilig und zum Teil auch sehr inhomogen. Aus diesen Gründen können etwaige Kalkulationsfehler nicht auf das gesamte Stadtgebiet von Grimmen bzw. auf das übrige, überwiegend ländlich geprägte Verbandsgebiet „hochgerechnet“ werden.

63

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Grundlage des Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung B., Flur ..., Flurstück ..., das bereits vor der Wiedervereinigung an die zentrale Schmutzwasserentsorgung angeschlossen war. Der Beklagte übernahm mit seiner Gründung 1991 die Abwasserentsorgungseinrichtung. Nachdem frühere Beitragssatzungen an durchgreifenden Rechtsfehlern gelitten hatten, zog er auf der Grundlage seiner - ersten wirksamen - Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 die Klägerin mit Bescheid vom 19. April 2006 zu einem Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 9 091,82 € heran. Die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) aufgestellten Grundsätze über die zeitliche Befristung der Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich seien auf die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen nicht übertragbar. Auch Eigentümern bereits angeschlossener Grundstücke sei erstmalig nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils flössen zudem nur sog. "Nachwendeinvestitionen" ein. Darauf, ob diese die vom klägerischen Grundstück in Anspruch genommenen Anlagenteile erfassten, komme es nicht an; ausreichend sei vielmehr, dass die betreffenden Maßnahmen der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage dienten.

3

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtsprechung der Vorinstanzen sowie die zugrundeliegenden landesrechtlichen Vorschriften ermöglichten eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Beiträgen; dies sei mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Da ihr Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen sei, könne sie nicht zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden. Die Gründung des Beklagten sei kein wirtschaftlicher Vorteil; eine beitragsfähige Verbesserung oder Erweiterung der Einrichtung, die unmittelbar ihrem Grundstück zugutegekommen sei, habe der Beklagte nicht dargelegt. Das vom Berufungsgericht bemühte Gesamtanlagenkonzept trage nicht, wenn - wie vorliegend - kein zusammenhängendes Kanalisationsnetz und keine gemeinsam genutzte Kläranlage existierten; insoweit sei das Urteil auch überraschend. Fehle es damit an einem Vorteil, so handele es sich bei dem vermeintlichen Beitrag um eine verkappte Steuer, für deren Erlass dem Beklagten die Zuständigkeit fehle.

4

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. April 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Juni 2013 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 19. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2006 aufzuheben.

5

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verneint einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Zwar verstößt das angefochtene Urteil insoweit gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, als es entgegen dem gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) ausführt, der vorgenannte Grundsatz setze der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung keine von den Umständen des Einzelfalls unabhängige zeitliche Grenze. Es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Er verpflichtet deshalb den Gesetzgeber sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 ff.).

9

Die vorgenannten Grundsätze gelten für das gesamte Beitragsrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 16 f.; OVG Münster, Urteil vom 30. April 2013 - 14 A 213/11 - juris Rn. 36; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182>; Schmitt, KommJur 2013, 367 <369, 371>). Sie sind damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V - anwendbar. Die hiergegen von den Vorinstanzen vorgebrachten Einwände beziehen sich ausnahmslos auf Umstände, denen das Bundesverfassungsgericht bei seiner gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige Bedeutung beigemessen hat. Namentlich die Besonderheit des der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden bayerischen Landesrechts, demzufolge Grundstückseigentümer auch nach Übertragung des Eigentums zu Beiträgen herangezogen werden können, hat in den Entscheidungsgründen keine Berücksichtigung gefunden. Dementsprechend hat das Gericht einen Verzicht auf diese Regelung nicht als Möglichkeit zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 50). Darüber hinaus hat es ausdrücklich festgestellt, dass der verfassungsrechtlich gebotenen zeitlichen Begrenzung der Heranziehung zu Beiträgen weder ein fehlendes Vertrauen des Bürgers auf seine Nichtberücksichtigung noch das Fortwirken des Vorteils entgegensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 44 f.).

10

2. Dies zugrunde gelegt, genügt § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 169 Abs. 2, § 170 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsschuld entstanden ist. Kann somit ohne eine wirksame Satzung eine Beitragsschuld nicht entstehen und diese deshalb auch nicht verjähren, so setzt das Landesrecht der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch rechtswirksame Satzungen ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, völlig unberücksichtigt.

11

3. Allerdings mussten Grundstückseigentümer aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 mit ihrer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung rechnen. Der Landesgesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zwar nur unvollständig, aber dennoch so weit Rechnung getragen, dass die Träger kommunaler Entsorgungseinrichtungen bis zu diesem Zeitpunkt Herstellungsbeiträge erheben konnten.

12

Da das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift offen gelassen hat, kann sie der erkennende Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO selbständig auslegen, obwohl sie nicht zum revisiblen Bundesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 VwGO gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <300> m.w.N.). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V endete die Festsetzungsfrist bei der Erhebung eines Anschlussbeitrags nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Hiermit wollte der Gesetzgeber den beitragserhebenden Körperschaften mehr Zeit einräumen, um der sog. Altanschließerproblematik Rechnung tragen zu können (vgl. LT-Drs. 4/1576 S. 77; Abg. Müller, PlProt vom 9. März 2005 S. 2984 f. und Abg. Schulz, ebd. S. 2987). Obschon die Vorschrift unmittelbar nur Anwendung findet, wenn eine wirksame Beitragssatzung bestand und deshalb ein Ablauf der Festsetzungsfrist vor dem Stichtag in Betracht kam, lässt sich ihr erst recht auch für Fälle, in denen - wie vorliegend - noch keine wirksame Beitragssatzung bestand, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008 zu ermöglichen (ebenso zum brandenburgischen Landesrecht OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 - juris Rn. 29 und vom 16. Juli 2014 - 9 N 69.14 - juris Rn. 22 f., Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 - juris Rn. 60 f.; hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 35).

13

Verschaffte § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Beitragsschuldner mithin bis zu diesem Stichtag die - vom Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit geforderte - Gewissheit darüber, dass er noch zu einem Beitrag herangezogen werden konnte, so verstößt das Landesrecht allerdings weiterhin insoweit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, als es damit nur eine Mindest-, nicht aber eine zeitliche Höchstgrenze für eine Beitragserhebung festlegt. Jedenfalls für Beiträge, die nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden, dürfte zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze auch ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG M-V - sowohl im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>) als auch vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 28, 31 ff.) - ausscheiden. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist - nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen - der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die - wie vorliegend - nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (so zu § 22 Abs. 1 SächsKAG: OVG Bautzen, Beschluss vom 25. April 2013 - 5 A 478/10 - juris Rn. 8 ff., sowie zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW: OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - NVwZ-RR 2000, 535 <536 f.>), steht schließlich der Wortlaut der Vorschrift wie auch § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V entgegen.

14

Bezieht sich die verbleibende Ungewissheit mithin nur auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Bürger nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, so lässt der hierin liegende Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG die in § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V getroffene Übergangsregelung unberührt. Auch wenn diese in erster Linie dem Interesse der beitragserhebenden Körperschaften diente, trug sie doch dazu bei, dass die hiervon betroffenen Beitragsschuldner über die Möglichkeit der Beitragserhebung nicht "dauerhaft im Unklaren" (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 45) waren, sondern vielmehr die Gewissheit hatten, dass sie jedenfalls bis zum Ablauf der darin genannten Frist mit der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen rechnen mussten. Zudem unterliegt es - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <333>) - angesichts der gesetzgeberischen Intention, einen zeitlichen Spielraum für die Lösung insbesondere der sog. Altanschließerproblematik zu schaffen, keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber, wäre er sich der Notwendigkeit einer weitergehenden Regelung bewusst gewesen, eine gesetzliche Ausschlussfrist nicht vor dem 31. Dezember 2008 hätte enden lassen. Damit wirkt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erst auf den Zeitraum nach Ablauf der vorgenannten Übergangsfrist und folglich nicht auf Bescheide aus, die zuvor erlassen wurden.

15

4. Die Zeitdauer zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Heranziehung zu Beiträgen bis zum 31. Dezember 2008 war für die Vorteilsempfänger zumutbar.

16

Bei dem Begriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bindungen - nicht revisiblen Begriff (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu DDR-Zeiten angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, dass Herstellungsbeiträge nur für nach der Wiedervereinigung entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Bundesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses an das Abwassersystem ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit Blick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine Vorteilslage entstanden, stimmt damit überein.

17

Die demnach rund 18-jährige Zeitspanne, innerhalb derer gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung jedenfalls möglich war, überschreitet die Grenze des verfassungsrechtlich Zumutbaren nicht. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) nicht entschieden, schon eine 12-jährige Dauer verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 37). Der Verfassungsbeschwerde wurde nicht wegen der im konkreten Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb stattgegeben, weil das bayerische Landesrecht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmte. Für deren Festlegung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 46). Angesichts der besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung, welche nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben wie einem grundlegenden Verwaltungsumbau, der Herstellung kommunaler Strukturen einschließlich der notwendigen Rechtsgrundlagen sowie der Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur geprägt waren, wahrt § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens.

18

5. Widerspricht mithin die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen bis zum 31. Dezember 2008 nicht dem Gebot der Rechtssicherheit, so ist der angefochtene Bescheid auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.

19

a) Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht seiner Prüfung die Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten vom 3. Dezember 2004, statt in ihrer ursprünglichen, in der erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen Fassung vom 9. Dezember 2013 zugrunde legen durfte. Zwar berücksichtigt die letztgenannte Fassung die Vereinigung der vormals fünf getrennten öffentlichen Einrichtungen zu einer Einrichtung, die mit der am 1. Januar 2008 - und somit nach Entstehung der Beitragsschuld - in Kraft getretenen Dritten Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung des Beklagten vom 21. Mai 2001 - AES - erfolgte. Hierdurch erhöhte sich aber der Beitragssatz nur für die in der vormaligen Zone III gelegenen Grundstücke, nicht jedoch für die Grundstücke, die - wie dasjenige der Klägerin - der Zone IV angehörten.

20

b) Deren Einwand, an den Anlagenteilen, die von ihrem Grundstück aus genutzt würden, seien keine Maßnahmen durchgeführt oder geplant worden, welche die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag rechtfertigten, wohingegen Verbesserungen anderer Anlagenteile, die mit dem für die Abwasserentsorgung ihres Grundstücks erforderlichen Anlagenteil nicht leitungsmäßig verbunden seien, keinen wirtschaftlichen Vorteil für sie bedeuteten, begründet keinen Verstoß gegen Bundesrecht.

21

Insoweit hat das Berufungsgericht das nicht revisible Landesrecht dahingehend ausgelegt, dass es dem Beklagten unabhängig von einer leitungsmäßigen Verbindung oder der gemeinsamen Nutzung einzelner Anlagenteile ein Organisationsermessen einräumt, ob er die Abwasseranlagen als eine oder als mehrere Einrichtungen betreibt. Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 1995 - 8 C 16.94 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 35 S. 2, Beschlüsse vom 30. April 1996 - 8 B 31.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 f. und vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Insbesondere setzt die Annahme eines (Sonder-)Vorteils nicht die Existenz eines "funktionalen Zusammenhangs" zwischen der abgerechneten Anlage und dem beitragsbelasteten Grundstück voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - NVwZ 2014, 1448 Rn. 54). Danach sind die Grenzen dieses Ermessens erst überschritten, wenn die zu einer Anlage zusammengefassten, technisch voneinander unabhängigen Teile in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass ihre Vergleichbarkeit schlechterdings ausgeschlossen und ihre Zusammenfassung daher willkürlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1978 - 7 B 118.78 u.a. - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 S. 46; OVG Münster, Urteil vom 17. November 1975 - 2 A 203/74 - juris Rn. 3, 15 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 1989 - 9 L 3/89 - NVwZ-RR 1990, 507 f.; OVG Schleswig, Urteil vom 24. September 2008 - 2 LB 2/08 - juris Rn. 33 f.). Anhaltspunkte für eine derartige Verschiedenheit der Anlagenteile hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich; insbesondere gehören Grundstückskläranlagen und abflusslose Gruben - die mit einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung nicht vergleichbar sind und daher nicht mit dieser zusammengefasst werden können (OVG Schleswig, Urteil 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 - juris Rn. 45 f.) - gemäß § 2 Abs. 4 AES nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen, für welche die Klägerin zu Beiträgen herangezogen wird.

22

c) Des Weiteren verstößt die dem Bescheid zugrundeliegende Globalkalkulation nicht gegen revisibles Recht. Zum Kommunalabgabenrecht des Landes hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Globalkalkulation beinhalte Prognosen, weshalb Pauschalierungen und Schätzungen zulässig seien; eine "millimetergenaue" Ermittlung von Aufwand und Flächen sei daher von vornherein ausgeschlossen. Zu dem von der Klägerin erhobenen Einwand, die Berechnung sei fehlerhaft, weil sie zu Unrecht Aufwendungen in der Gemeinde Z. berücksichtige, hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, denen zufolge nicht ersichtlich ist, dass die betreffende Prognose bereits bei der Kalkulationserstellung unzutreffend gewesen ist, und denen zufolge sich das Vorhaben aufgrund des Anteils von nur 1,12 v.H. der Gesamtherstellungskosten und wegen des gedeckelten Beitragssatzes nicht auf dessen Höhe ausgewirkt hat. Dies lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen.

23

d) Eine Verletzung des vom Eigentumsgrundrecht umfassten (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - 9 A 15.10 - ZfB 2011, 188 Rn. 18) Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen scheidet - ungeachtet der Frage, ob sich die Klägerin als im (Mit-)Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften stehende juristische Person des Privatrechts auf Art. 14 GG berufen kann (hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juni 1977 - 1 BvR 108/73 u.a. - BVerfGE 45, 63 <79 f.> und vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <105>; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 22) - bereits deshalb aus, weil die Abgabenpflicht grundstücksbezogen ist, sich mithin nicht gegen den Betrieb als solchen richtet, und es daher an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 - BGHZ 192, 204 Rn. 31) fehlt.

24

6. Schließlich erweist sich das angefochtene Urteil nicht als verfahrensfehlerhaft.

25

Der Einwand, das Berufungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, indem es die Globalkalkulation der Beklagten keiner vollständigen Überprüfung unterzogen habe, verkennt, dass Kalkulationen von Abgabensätzen gerichtlich in aller Regel nur insoweit zu überprüfen sind, als substantiierte Einwände dagegen erhoben wurden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <197>). Derartige Einwände hat die Klägerin nur hinsichtlich der kalkulatorischen Berücksichtigung der Kläranlage in Z. geltend gemacht; diese hat das Verwaltungsgericht geprüft, ist ihnen jedoch in der Sache nicht gefolgt. Damit hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren ebenso wenig substantiiert auseinandergesetzt wie mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur rechnerischen Behandlung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke, sondern hat es bei einer Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags belassen. Dieses wie auch das weitere Vorbringen gegen die Beitragsberechnung erschöpfte sich jedoch in pauschalen Einwänden und in Mutmaßungen. Dass sich dem Berufungsgericht eine weitergehende Ermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, ist daher weder ersichtlich noch von der Revision dargelegt. Einen Beweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Deren Einwand, für ein substantiierteres Vorbringen hätten ihr die erforderlichen Informationen gefehlt, berücksichtigt nicht die in § 12 Abs. 4 KAG M-V getroffene Regelung. Danach ist den Beitragspflichtigen auf Verlangen Einsicht in die der Abgabenfestsetzung zugrundeliegenden Kalkulationen zu gewähren, soweit diese Gegenstand der Beschlussfassung u.a. nach § 22 Abs. 3 Nr. 11 KV M-V waren. Da den Verbandsvertretern des Beklagten die gesamten Kalkulationsunterlagen zur Verfügung standen (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 4 K 31/06 - juris Rn. 45), hätte sich auch die Klägerin die maßgeblichen Informationen verschaffen können.

26

Soweit sie darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und gegen die Aufklärungspflicht für den Fall rügt, dass das Berufungsgericht das Gesamtanlagenprinzip dahin verstanden hat, dass ein zusammenhängendes Abwasserkanalisationsnetz zwischen allen im Zweckverband zusammengeschlossenen Gemeinden oder ein gemeinsam genutztes Klärwerk existiert, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor. Hierauf kam es nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts ebenso wenig an wie auf die Frage, ob gerade zu den Liegenschaften der Klägerin neue Anschlussleitungen verlegt oder ob die von dort in Anspruch genommenen Leitungen in einem einer Herstellung gleichkommenden Maße erneuert wurden. Auch insofern bedurfte es daher keiner weiteren Ermittlungen durch das Berufungsgericht.

27

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Artikel 17 Absatz 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (Bundesgesetzblatt I Seite 160) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe

A.

1

Das Normenkontrollverfahren betrifft die Frage, ob die durch Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) angeordnete rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 des Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (Beamtenversorgungsgesetz -BeamtVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582), mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

I.

2

1. § 14a BeamtVG greift die besondere Versorgungslage auf, in der sich bestimmte Beamte befinden, die neben ihrem beamtenrechtlichen Versorgungsanspruch aus einer früheren Tätigkeit einen Anspruch auf Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung erworben haben. Altersrente können diese Beamten in der Regel erst mit Erreichen der Regelaltersgrenze beziehen. Treten sie vorher in den Ruhestand - etwa wegen Dienstunfähigkeit oder aufgrund einer besonderen Altersgrenze -, sind sie zunächst ausschließlich auf ihre beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge angewiesen, da sie die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllen (vgl. § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI). Das kann sich für diese Beamten nachteilig auswirken, wenn durch eine späte Übernahme in das Beamtenverhältnis und den vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand nur wenige Dienstjahre für die Berechnung der Versorgungsbezüge berücksichtigt werden können. § 14a BeamtVG wirkt dieser "Versorgungslücke" bei sogenannten gemischten Erwerbskarrieren durch eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bis zum Beginn des Rentenbezugs entgegen (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>).

3

2. a) § 14a BeamtVG lautete in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl I S. 322, 847, 2033), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 29. Juli 2008 (BGBl I S. 1582; im Folgenden: § 14a BeamtVG a.F.):

4

§ 14a BeamtVG a.F.

5

(1) Der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz erhöht sich vorübergehend, wenn der Beamte vor der Vollendung des fünfundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand getreten ist und er

6

1. bis zum Beginn des Ruhestandes die Wartezeit von sechzig Kalendermonaten für eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt hat,

7

2. a) wegen Dienstunfähigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechenden Landesrechts in den Ruhestand versetzt worden ist oder

8

b) wegen Erreichens einer besonderen Altersgrenze in den Ruhestand getreten ist und das sechzigste Lebensjahr vollendet hat,

9

3. einen Ruhegehaltssatz von 66,97 vom Hundert noch nicht erreicht hat und

10

4. keine Einkünfte im Sinne des § 53 Abs. 7 bezieht. Die Einkünfte bleiben außer Betracht, soweit sie durchschnittlich im Monat 325 Euro nicht überschreiten.

11

(2) Die Erhöhung des Ruhegehalts beträgt 0,95667 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge für je zwölf Kalendermonate der für die Erfüllung der Wartezeit (Absatz 1 Nr. 1) anrechnungsfähigen Pflichtbeitragszeiten, soweit sie nicht von § 50e Abs. 1 erfasst werden, nach Vollendung des 17. Lebensjahres und vor Begründung des Beamtenverhältnisses zurückgelegt wurden und nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt sind. Der hiernach berechnete Ruhegehaltssatz darf 66,97 vom Hundert nicht überschreiten. In den Fällen des § 14 Abs. 3 ist das Ruhegehalt, das sich nach Anwendung der Sätze 1 und 2 ergibt, entsprechend zu vermindern. Für die Berechnung nach Satz 1 sind verbleibende Kalendermonate unter Benutzung des Nenners 12 umzurechnen; § 14 Abs. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

12

(3) Die Erhöhung fällt spätestens mit Ablauf des Monats weg, in dem der Ruhestandsbeamte das fünfundsechzigste Lebensjahr vollendet. Sie endet vorher, wenn der Ruhestandsbeamte

13

1. eine Versichertenrente der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Rente, oder

14

2. in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 Buchstabe a nicht mehr dienstunfähig ist, mit Ablauf des Monats, in dem ihm der Wegfall der Erhöhung mitgeteilt wird, oder

15

3. ein Erwerbseinkommen bezieht, mit Ablauf des Tages vor dem Beginn der Erwerbstätigkeit.

16

§ 35 Abs. 3 Satz 2 gilt sinngemäß.

17

(4) Die Erhöhung des Ruhegehaltssatzes wird auf Antrag vorgenommen. Anträge, die innerhalb von drei Monaten nach Eintritt des Beamten in den Ruhestand gestellt werden, gelten als zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts gestellt. Wird der Antrag zu einem späteren Zeitpunkt gestellt, so tritt die Erhöhung vom Beginn des Antragsmonats an ein.

18

b) Die zur Ausfüllung der Formulierung "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. heranzuziehende Regelung des § 14 BeamtVG lautet in der maßgeblichen Fassung durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3926):

19

§ 14 BeamtVG

20

(1) Das Ruhegehalt beträgt für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5), insgesamt jedoch höchstens 71,75 vom Hundert. Der Ruhegehaltssatz ist auf zwei Dezimalstellen auszurechnen. Dabei ist die zweite Dezimalstelle um eins zu erhöhen, wenn in der dritten Stelle eine der Ziffern fünf bis neun verbleiben würde. Zur Ermittlung der gesamten ruhegehaltfähigen Dienstjahre sind etwa anfallende Tage unter Benutzung des Nenners dreihundertfünfundsechzig umzurechnen; die Sätze 2 und 3 gelten entsprechend.

21

(2) (weggefallen)

22

(3) Das Ruhegehalt vermindert sich um 3,6 vom Hundert für jedes Jahr, um das der Beamte

23

  1. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, nach § 42 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

24

  2. vor Ablauf des Monats, in dem er die für ihn geltende gesetzliche Altersgrenze erreicht, nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 des Bundesbeamtengesetzes oder entsprechendem Landesrecht in den Ruhestand versetzt wird,

25

  3. vor Ablauf des Monats, in dem er das 63. Lebensjahr vollendet, wegen Dienstunfähigkeit, die nicht auf einem Dienstunfall beruht, in den Ruhestand versetzt wird;

26

die Minderung des Ruhegehalts darf 10,8 vom Hundert nicht übersteigen. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend. Gilt für den Beamten eine vor der Vollendung des 63. Lebensjahres liegende Altersgrenze, tritt sie in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 3 an die Stelle des 63. Lebensjahres. Gilt für den Beamten eine nach Vollendung des 65. Lebensjahres liegende Altersgrenze, wird in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 nur die Zeit bis zum Ablauf des Monats berücksichtigt, in dem der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet.

27

(4) Das Ruhegehalt beträgt mindestens fünfunddreißig vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 5). An die Stelle des Ruhegehalts nach Satz 1 treten, wenn dies günstiger ist, fünfundsechzig vom Hundert der jeweils ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Mindestversorgung nach Satz 2 erhöht sich um sechzig Deutsche Mark für den Ruhestandsbeamten und die Witwe; der Erhöhungsbetrag bleibt bei einer Kürzung nach § 25 außer Betracht. Bleibt ein Beamter allein wegen langer Freistellungszeiten (§ 5 Abs. 1 Satz 2) mit seinem erdienten Ruhegehalt hinter der Mindestversorgung nach Satz 1 oder 2 zurück, wird nur das erdiente Ruhegehalt gezahlt; dies gilt nicht, wenn ein Beamter wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten ist.

28

(5) Übersteigt beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach Absatz 4 mit einer Rente nach Anwendung des § 55 die Versorgung das nach Absatz 1 erdiente Ruhegehalt, so ruht die Versorgung bis zur Höhe des Unterschieds zwischen dem erdienten Ruhegehalt und der Mindestversorgung; in den von § 85 erfassten Fällen gilt das nach dieser Vorschrift maßgebliche Ruhegehalt als erdient. Der Erhöhungsbetrag nach Absatz 4 Satz 3 sowie der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 bleiben bei der Berechnung außer Betracht. Die Summe aus Versorgung und Rente darf nicht hinter dem Betrag der Mindestversorgung zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 zurückbleiben. Zahlbar bleibt mindestens das erdiente Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1. Die Sätze 1 bis 4 gelten entsprechend für Witwen und Waisen.

29

(6) Bei einem in den einstweiligen Ruhestand versetzten Beamten beträgt das Ruhegehalt für die Dauer der Zeit, die der Beamte das Amt, aus dem er in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden ist, innehatte, mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, 71,75 vom Hundert der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe, in der sich der Beamte zur Zeit seiner Versetzung in den jeweiligen Ruhestand befunden hat. Das erhöhte Ruhegehalt darf die Dienstbezüge, die dem Beamten in diesem Zeitpunkt zustanden, nicht übersteigen; das nach sonstigen Vorschriften ermittelte Ruhegehalt darf nicht unterschritten werden.

30

3. a) § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. wurde von der Verwaltung in Übereinstimmung mit verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung und einem Teil des Schrifttums zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sein könne, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Kein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. seien dagegen das "amtsbezogene" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG und das "amtsunabhängige" Mindestruhegehalt gemäß § 14 Abs. 4 Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien (vgl. Anwendungserlass des Bundesministeriums des Innern vom 10. Juni 1994 - D III 4-223 100/28 -, juris; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11. Mai 2004 - 5 LC 4/03 -, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.; VG Berlin, Urteil vom 2. März 2004 - 7 A 207.02 -, juris, Rn. 16; Schachel in: Schütz, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; a. A. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 14a BeamtVG Rn. 13 ).

31

b) Das Bundesverwaltungsgericht kam im Urteil vom 23. Juni 2005 (BVerwGE 124, 19 ff.) hingegen zu dem Ergebnis, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sprächen dafür, dass der individuell ermittelte und festgesetzte Ruhegehaltssatz stets "berechnet" sei, auch wenn er sich auf der Basis der Vomhundertsätze des § 14 Abs. 4 BeamtVG ergebe (vgl. BVerwGE 124, 19 <20 ff.>).

32

c) Die Verwaltung betrachtete dieses Urteil, wenn auch nicht einhellig (vgl. für das Landesverwaltungsamt Berlin OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 21), als Einzelfallentscheidung, der über den entschiedenen Fall hinaus nicht zu folgen sei (vgl. Strötz, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht - GKÖD, § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; Grunefeld, ZTR 2008, S. 122 <127>). Die Instanzgerichte schlossen sich der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend an (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27. September 2007 - 1 L 180/07 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 14. November 2008 - 1 L 21/08 -, juris, Rn. 4 ff.; Beschluss vom 26. März 2009 - 1 L 25/09 -, juris, Rn. 5 ff.; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 13. Mai 2009 - 2 L 45/08 -, juris, Rn. 6 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 14. Oktober 2010 - 2 A 430/09 -, juris, Rn. 23 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. November 2011 - 4 B 72.09 -, juris, Rn. 18; VG Münster, Urteil vom 11. April 2006 - 4 K 558/03 -, juris, Rn. 34; VG Dessau, Urteil vom 30. August 2006 - 1 A 93/06 -, juris, Rn. 14; VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 16; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 17 ff.; Urteil vom 12. Mai 2009 - 26 A 68.07 -, juris, Rn. 18). Einige Verwaltungsgerichte erster und zweiter Instanz hielten jedoch unter Hinweis auf den Sinn und Zweck des § 14a BeamtVG a.F. sowie aufgrund eines systematischen Vergleichs mit § 14 Abs. 5 BeamtVG daran fest, dass die in § 14 Abs. 4 BeamtVG geregelte Mindestversorgung nicht Grundlage für eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sein könne (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 28 ff.; VG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2009 - 3 K 372/08 -, juris, Rn. 33 ff.). Auch die überwiegende Auffassung im Schrifttum widersprach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Schachel, in: Schütz/ Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 11 ; Bauer/Zahn, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 21 mit Fn. 14 ; zustimmend dagegen Plog/Wiedow, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 14 ff. ).

33

d) Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Urteil vom 12. November 2009 (- BVerwG 2 C 29.08 -, juris) an seiner Rechtsauffassung zur Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten.

34

4. Die Bundesregierung legte am 12. November 2007 den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz - DNeuG) vor, der unter anderem eine Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vorsah (BTDrucks 16/7076). Der Deutsche Bundestag nahm den Gesetzentwurf am 12. November 2008 in zweiter und dritter Lesung an (vgl. Plenarprotokoll 16/186, S. 19901). Am 11. Februar 2009 wurde das am 5. Februar 2009 ausgefertigte Dienstrechtsneuordnungsgesetz verkündet (BGBl I S. 160).

35

Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG sieht folgende Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG vor:

36

In Halbsatz 1 werden die Wörter "den sonstigen Vorschriften" durch die Angabe "§ 14 Abs. 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4" ersetzt.

37

Gemäß Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 in Kraft getreten. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu (BTDrucks 16/7076, S. 186):

38

"Die aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellenden Änderungen zur Berechnung von Ruhegehaltssätzen im Rahmen der Regelung des § 14a des Beamtenversorgungsgesetzes und des § 26a des Soldatenversorgungsgesetzes werden rückwirkend auf den Zeitpunkt einer entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Kraft gesetzt."

39

5. Mit Wirkung vom 1. September 2006 ging die Kompetenz für die Regelung der Besoldung und Versorgung der Landesbeamten auf die Länder über (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl I S. 2034). Zehn Länder haben auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 mit klarstellenden Regelungen reagiert, die Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entsprechen, zwei Länder haben Regelungen in Kraft gesetzt, die den Wortlaut von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aufgreifen, und weitere vier Länder haben auf eine eigene Regelung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes bislang verzichtet. Als exemplarisch für die Haltung der Länder, die sich der Neuregelung des Bundes angeschlossen haben, kann der Gesetzentwurf gelten, der § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung in der Fassung durch Art. 2 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 (GVBl S. 1, 2) zugrunde liegt (LTDrucks 4/2616, S. 11):

40

"Diese Bestimmung entspricht im Wesentlichen dem Wortlaut des § 14a BeamtVG. Zur Klarstellung wurden in Absatz 1 Satz 1 die Worte 'den sonstigen Vorschriften' durch die Verweisung '§ 14 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 66 Abs. 2 und § 85 Abs. 4 BeamtVG' ersetzt. Nach Artikel 125a Abs. 1 des Grundgesetzes kann die bundesrechtliche Regelung durch eine landesrechtliche Regelung ersetzt werden. Das das Bundesrecht ersetzende Landesrecht muss in sich abgeschlossen und aus sich heraus verständlich sein. Daher ist es erforderlich, die bundesrechtliche Bestimmung zur vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes vollständig durch inhaltsgleiches Landesrecht abzulösen.

41

Die Notwendigkeit dazu ergibt sich aus der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Durch Urteil vom 23. Juni 2005 - 2 C 25.04 - wurde entschieden, dass beim Zusammentreffen von Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 BeamtVG und vorübergehen-der Erhöhung des Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG nicht mehr der nach den 'sonstigen Vorschriften berechnete' Ruhegehaltssatz, sondern auch der Mindestruhegehaltssatz zu erhöhen ist. Bislang wurde § 14a Abs. 1 Satz 1 BeamtVG dahin gehend ausgelegt, dass der nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz derjenige Ruhegehaltssatz ist, der sich auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnet, also 'erdient' ist. Die Mindestversorgung ist vom Gesetz vorgegeben, also nicht 'berechnet'. Demnach wurde bislang der 'erdiente' Ruhegehaltssatz erhöht, sodann erfolgte ein Vergleich der sich daraus ergebenden Versorgung mit der Mindestversorgung, der höhere Betrag wurde gezahlt. Das Urteil hätte zur Folge, dass nunmehr der Ruhegehaltssatz der amtsbezogenen Mindestversorgung (35 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge) um bis zu 35 v.H. auf maximal 70 v.H. (Höchstgrenze nach § 14a Abs. 2 Satz 2 BeamtVG) erhöht werden könnte. Bei Empfängern der amtsunabhängigen Mindestversorgung (65 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 4) könnte der Ruhegehaltssatz dagegen nur um maximal 5 v.H. erhöht werden. Verglichen mit der bisherigen Verfahrenweise führt dies während der Zeit der Auswirkung des § 14a BeamtVG bei den erstgenannten Beamten zu einer erheblichen Erhöhung, bei den letztgenannten dagegen zu einer erheblichen Reduzierung des Ruhegehaltes. Bund und Länder behandeln daher das Urteil als Einzelfall und hatten beschlossen, § 14a BeamtVG entsprechend klarzustellen. Dies erfolgt nunmehr durch die Änderung in § 4 Abs. 1 Satz 1, da der Bund nicht mehr für die Länder regelungsbefugt ist. Die auslegungsbedürftigen Begriffe 'nach den sonstigen Vorschriften' werden durch eine Aufzählung derjenigen Bestimmungen des Beamtenversorgungsgesetzes ersetzt, die nach der bisherigen Auslegung ein 'berechnetes' Ruhegehalt ergeben haben."

II.

42

1. a) Der 1948 geborene Kläger des Ausgangsverfahrens war seit 1992, zuletzt im Rang eines Polizeihauptmeisters, als Polizeibeamter beim Bundesgrenzschutz beziehungsweise bei der Bundespolizei tätig. Er wurde nach Vollendung des 60. Lebensjahres mit Ablauf des Monats Februar 2008 wegen Erreichens der Altersgrenze des § 5 Abs. 2 Satz 1 des Bundespolizeibeamtengesetzes in den Ruhestand versetzt. Die Bundesfinanzdirektion Nord setzte sein Ruhegehalt mit Bescheid vom 12. Februar 2008 auf 1.691,89 € fest. Dabei erhöhte sie den nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechneten Ruhegehaltssatz in Höhe von 32,64 v.H. gemäß § 14a BeamtVG a.F. vorübergehend um 24,58 v.H. auf insgesamt 57,22 v.H.

43

b) Im März 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG (in Höhe von 35 v.H.) auf 59,58 v.H. Dieses Begehren, das zu einem Ruhegehalt von 1.761,68 € geführt hätte, lehnte die Bundesfinanzdirektion Nord ab. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg.

44

c) Mit Urteil vom 26. Januar 2009 verpflichtete das Verwaltungsgericht Magdeburg die Beklagte, das Ruhegehalt des Klägers ab dem 1. März 2008 vorübergehend auf der Basis des Ruhegehaltssatzes von 59,58 v.H. zu erhöhen. Zur Begründung nahm das Verwaltungsgericht auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 Bezug.

45

d) Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 1. Juli 2009 die Klage mit der Begründung ab, nach der Gesetzesänderung komme nicht mehr der Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG, sondern nur noch der "erdiente" Ruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 1 BeamtVG als Berechnungsgrundlage für die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts in Betracht. Das durch Art. 17 Abs. 1 DNeuG angeordnete rückwirkende Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verstoße nicht gegen das Rückwirkungsverbot.

46

2. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur Entscheidung vorgelegt,

47

ob Artikel 17 Absatz 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes (DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160, 274) mit Artikel 20 Absatz 3, Artikel 33 Absatz 5 und Artikel 3 Absatz 1 GG unvereinbar und nichtig ist.

48

Von der Entscheidung über die Vorlagefrage hänge das Ergebnis des Rechtsstreits ab. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG gültig, wäre die Norm zu Ungunsten des Klägers anzuwenden, was in vollem Umfang zur Zurückweisung der Revision führen würde. Sei Art. 17 Abs. 1 DNeuG hingegen verfassungswidrig und nichtig, stünde dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Berechnung des erhöhten Ruhegehaltssatzes auf Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu, weil weiterhin § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. anzuwenden wäre; die Revision des Klägers wäre mithin erfolgreich.

49

Das vorlegende Gericht ist überzeugt, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG mit seiner rückwirkenden Inkraftsetzung des Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG verfassungswidrig ist. Bei Beamten, die - wie der Kläger im Ausgangsverfahren - bereits vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten und deren Versorgungsbezüge noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden seien, führe Art. 17 Abs. 1 DNeuG zu einer nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche und entfalte insoweit echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Der mit der Zurruhesetzung entstandene Anspruch auf vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG werde durch Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG rückwirkend vernichtet.

50

Die Rückwirkung sei verfassungsrechtlich nicht erlaubt. Das Vertrauen der betroffenen Beamten sei schutzwürdig, weil die rückwirkende Rechtsänderung, wie das Beispiel des Klägers zeige, zu einer spürbaren Kürzung der Bruttoversorgung führen könne. Die rückwirkend geänderte Regelung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei generell geeignet gewesen, aus dem Vertrauen auf ihr Fortbestehen heraus Entscheidungen und Dispositionen herbeizuführen oder zu beeinflussen, die sich bei der Änderung der Rechtslage als nachteilig erwiesen. Es habe auch keine unklare und verworrene Rechtslage vorgelegen, auf deren Bestand die Betroffenen nicht hätten vertrauen dürfen. Die rechtliche Wertung des Gesetzgebers, es handele sich bei der Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. um eine bloße Klarstellung, sei unbeachtlich. Die vom Gesetzgeber in Anspruch genommene authentische Interpretation sei für die Gerichte nicht verbindlich. Es liege keine Fallkonstellation vor, in der wegen abweichender Auffassungen in der Kommentarliteratur und divergierender Rechtsprechung der Instanzgerichte nicht schon ein Revisionsurteil, sondern erst eine langjährige gefestigte Rechtsprechung des Revisionsgerichts die unklare und verworrene Rechtslage beseitige. Dies setze voraus, dass der den Klarstellungsbedarf auslösende Gesetzestext so lückenhaft, unsystematisch oder mehrdeutig sei, dass nach Anwendung der hergebrachten Auslegungsmethoden mehrere Auslegungsergebnisse mit gleicher Überzeugungskraft vertretbar nebeneinander stünden. Das sei hier nicht der Fall, da sich die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. aus Wortlaut, Gesetzessystematik, Sinn und Zweck sowie aus der Entstehungsgeschichte ergebe.

51

Auf die Änderung der Berechnung der vorübergehenden Erhöhung des Ruhegehaltssatzes hätten sich die Betroffenen nicht schon im Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Deutschen Bundestag einstellen müssen. Mit einer Neuregelung müsse frühestens im Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses gerechnet werden. Überragende Belange des Gemeinwohls, die eine Rückwirkungsanordnung rechtfertigen könnten, seien nicht erkennbar. Finanzielle Erwägungen taugten nicht als Legitimation für eine Kürzung der Altersversorgung. Im Beamtenversorgungsrecht werde ein besonderes, durch Art. 33 Abs. 5 GG geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregelungen begründet. Wesentliche und grundlegende Änderungen zu Lasten der Beamten müssten durch gewichtige und bedeutende Gründe gerechtfertigt sein. Daran fehle es.

52

Für den Zeitraum nach seiner Verkündung greife Art. 17 Abs. 1 DNeuG in bestehende Versorgungsansprüche ein und kürze diese mit Wirkung für die Zukunft; die Norm entfalte insoweit unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung). Auch die unechte Rückwirkung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei verfassungsrechtlich unzulässig, da hinreichend gewichtige Belange des Gemeinwohls, die den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten besonderen Vertrauensschutz der Versorgungsempfänger überwögen, vom Gesetzgeber weder dargelegt noch sonst erkennbar seien. Überdies verpflichte der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährte Vertrauensschutz im Bereich des Beamtenversorgungsrechts den Gesetzgeber, Eingriffe in versorgungsrechtliche Rechtspositionen durch angemessene Übergangsregelungen auszugleichen oder abzumildern, woran es hier fehle.

53

Die Rückwirkungsanordnung des Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge unter vorübergehender Erhöhung des Ruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG - höher - festgesetzt worden seien, seien durch § 52 Abs. 1 BeamtVG vor einer Rückforderung der Unterschiedsbeträge geschützt und daher von Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG nur zukunftsgerichtet betroffen. Gegenüber dieser Personengruppe würden Versorgungsempfänger wie der Kläger nur deswegen schlechter behandelt, weil die zuständigen Behörden rechtswidrig von einem Festsetzungsbescheid auf der Grundlage von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG abgesehen hätten.

III.

54

Zu dem Vorlagebeschluss haben sich das Bundesministerium des Innern namens der Bundesregierung, die Bundesfinanzdirektion Nord, der dbb beamtenbund und tarifunion, der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - geäußert.

55

1. Das Bundesministerium des Innern hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Die rückwirkende Gesetzesänderung habe allein der klarstellenden Präzisierung einer bereits bestehenden Rechtslage gedient. Sie sei erforderlich geworden, nachdem die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 der bis dahin in Bund und Ländern einheitlich geübten Praxis den Boden entzogen habe.

56

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei mit dem Vertrauensgrundsatz vereinbar. Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung könne allenfalls bei gefestigter, langjähriger Rechtsprechung entstehen. Daran fehle es. Literatur und Rechtsprechung hätten nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 überwiegend an ihrer - davon abweichenden - Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten. Bund und Länder hätten bereits im September 2005 über die Konsequenzen der Entscheidung diskutiert und einhellig die Auffassung vertreten, dass dem Urteil über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung in § 14a BeamtVG erforderlich sei.

57

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen das Alimentationsprinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Der Gesetzgeber dürfe Versorgungsbezüge kürzen, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt erscheine. Sachgerecht sei es, bei rentebeziehenden Versorgungsempfängern eine Kürzung der Versorgungsbezüge anzuordnen, um eine Überhöhung der Gesamtversorgung zu beseitigen, die nicht durch eine Eigenleistung des Versorgungsempfängers entstanden sei, sondern - wie hier - durch eine unzureichende Abstimmung von Rentenrecht und Versorgungsrecht.

58

Art. 17 Abs. 1 DNeuG sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da das Verhalten des Dienstherrn rechtmäßig gewesen sei.

59

2. Auch die Bundesfinanzdirektion Nord hält Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungsgemäß. Das Rückwirkungsverbot des Art. 20 Abs. 3 GG greife mangels schutzwürdigen Vertrauens nicht ein. Die Rechtslage sei unklar gewesen. Bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 habe es der flächendeckenden Verwaltungspraxis, der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung der Instanzgerichte entsprochen, eine vorübergehende Erhöhung der Versorgungsbezüge lediglich auf der Grundlage des erdienten Ruhegehaltssatzes vorzunehmen. Die davon abweichende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei im Schrifttum, von der Verwaltung und von wenigstens einem Oberverwaltungsgericht kritisiert worden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Novem-ber 2009 habe nicht mehr vertrauensbildend wirken können, weil zu diesem Zeitpunkt das Dienstrechtsneuordnungsgesetz bereits verkündet gewesen sei. Mangels schutzwürdigen Vertrauens seien auch Abmilderungs- und Übergangsmaßnahmen nicht erforderlich gewesen. Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstoße auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

60

3. Der dbb beamtenbund und tarifunion teilt die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts. Es liege eine unzulässige Rückwirkung vor. Selbst wenn man die zu § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Ergebnisses in Zweifel ziehe, könne eine unklare oder gar verworrene Rechtslage nicht angenommen werden, da der Wortlaut der Norm die Auslegung des Gerichts gestützt habe. Die rückwirkende Gesetzesänderung betreffe keine Bagatellen, sondern nennenswerte finanzielle Werte und Dispositionen der betroffenen Beamten. Überragende Gründe des Gemeinwohls, die die Rückwirkung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Kreis von Beamten, die zum Zeitpunkt der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes bereits in den Ruhestand getreten gewesen seien und bei ihrem Ruhestandseintritt einen Anspruch auf Mindestversorgung sowie auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts gehabt hätten, sei überschaubar.

61

4. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) - Bezirk Bundespolizei - halten Art. 17 Abs. 1 DNeuG für verfassungswidrig; zur Begründung nehmen sie auf den Vorlagebeschluss Bezug.

B.

62

Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Die Norm verstößt nicht gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Vertrauensschutz aus Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG (I.). Sie steht auch im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (II.).

I.

63

Art. 17 Abs. 1 DNeuG, der das Inkrafttreten von Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG mit Wirkung vom 24. Juni 2005 anordnet und dadurch in die geänderte Fassung des § 14a Abs. 1 BeamtVG auch Beamte einbezieht, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind, begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Vorschrift enthält keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung und verletzt nicht das durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Vertrauen versorgungsberechtigter Beamter darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein.

64

1. Mit dem vorlegenden Gericht kann davon ausgegangen werden, dass Art. 17 Abs. 1 DNeuG sowohl echte Rückwirkung als auch unechte Rückwirkung zukommt.

65

a) Eine Rechtsnorm entfaltet "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen"), wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll (vgl. BVerfGE 109, 133 <181>; 114, 258 <300>; 127, 1 <16 f.>). Bei Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG ist dies - die Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. durch das Bundesverwaltungsgericht als maßgeblich unterstellt - im Hinblick auf Beamte der Fall, die nach dem 24. Juni 2005 und vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes am 11. Februar 2009 in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllt haben. Insoweit kann Art. 17 Abs. 1 DNeuG zur nachträglichen Kürzung bestehender Versorgungsansprüche führen, wie das Beispiel des am 1. März 2008 in den Ruhestand getretenen Klägers des Ausgangsverfahrens zeigt. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand hatte der Kläger bei einem nach § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vorübergehend erhöhten Ruhegehaltssatz von 59,58 v.H. einen Versorgungsanspruch in Höhe von 1.761,68 € zu erwarten. Nach der rückwirkenden Gesetzesänderung errechnet sich für den Kläger ein vorübergehend erhöhter Ruhegehaltssatz von 57,22 v.H. und damit ein Versorgungsanspruch in Höhe von (lediglich) 1.691,89 €. Im Zeitraum zwischen Eintritt in den Ruhestand und Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wurde der bestehende Versorgungsanspruch des Klägers damit, gemessen an der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Rechtslage, nachträglich um insgesamt 837,48 € (12 Monate x 69,79 €) gekürzt.

66

b) Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden ("tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine "unechte" Rückwirkung vor (vgl. BVerfGE 72, 200 <242>; 97, 67 <79>; 127, 1 <17>). Art. 17 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr. 11 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa DNeuG entfaltet - wiederum auf der Grundlage der Auffassung des Bundesverwal-tungsgerichts - unechte Rückwirkung, soweit danach bestehende Versorgungsansprüche von Beamten, die vor der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes in den Ruhestand getreten sind und die Voraussetzungen der vorübergehenden Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG erfüllen, für die Zeit nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes gekürzt werden. Beim Kläger des Ausgangsverfahrens, der die Regelaltersgrenze am 28. Februar 2013 und damit 48 Monate nach Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes erreicht, verringert sich der Versorgungsanspruch damit um insgesamt 3.349,92 € (48 Monate x 69,79 €).

67

c) An der (echten und unechten) Rückwirkung von Art. 17 Abs. 1 DNeuG fehlt es nicht deshalb, weil die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F., wie es in der Gesetzesbegründung heißt, aus Sicht der Verwaltung lediglich klarstellender Natur sei (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186). Zwar liegt grundsätzlich keine Rückwirkung vor, wenn die Neuregelung deklaratorischer Art ist, also nur bestätigt, was von vornherein aus der verkündeten ursprünglichen Norm folgte (vgl. BVerfGE 18, 429 <436>; 50, 177 <193>; 126, 369 <393>). Dies ist hier aber nicht der Fall.

68

Die verbindliche Auslegung von Rechtssätzen ist Aufgabe der Gerichte. Eine vom Gesetzgeber etwa beanspruchte Befugnis zu "authentischer" Interpretation der rückwirkend geänderten Norm ist daher nicht anzuerkennen (vgl. BVerfGE 65, 196 <215>; 111, 54 <107>; 126, 369 <392>). Deren Regelungsgehalt ist vielmehr nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln. Dabei genügt für die Beantwortung der Frage, ob eine rückwirkende Regelung konstitutiven Charakter hat, die Feststellung, dass die geänderte Norm von den Gerichten nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung in einem Sinn ausgelegt werden konnte und ausgelegt worden ist, die mit der Neuregelung ausgeschlossen werden soll. So liegt es hier.

69

Das Tatbestandsmerkmal "nach den sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" in § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. konnte unterschiedlich ausgelegt werden. Während die Verwaltung sowie die Instanzrechtsprechung und ein Teil der Literatur zunächst davon ausgingen, dass damit nur der auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechnete ("erdiente") Ruhegehaltssatz gemeint sei, gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass es sich auch bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handelte. Da nichts dafür spricht, dass eine der beiden Auslegungsalternativen - etwa wegen Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfindung (vgl. BVerfGE 96, 375 <394 f.>; 113, 88 <103 f.>; 122, 248 <257 f.>) - auszuscheiden gewesen wäre, hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung eine Streitfrage abweichend von höchstrichterlicher Rechtsprechung in einem bestimmten Sinne und damit konstitutiv entschieden.

70

2. Art. 17 Abs. 1 DNeuG ist im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Grenzen rückwirkender Gesetzgebung nicht zu beanstanden.

71

a) aa) Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte "ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfGE 45, 142 <167 f.>; 63, 343 <356 f.>; 72, 200 <242>; 97, 67 <78 f.>). Die Grundrechte wie auch das Rechtsstaatsprinzip garantieren im Zusammenwirken die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und damit als eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen, als sie zum Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 72, 200 <257 f.>; 97, 67 <78>; 109, 133 <180>; 114, 258 <300 f.>; 127, 1 <16>).

72

bb) Die "echte" Rückwirkung ("Rückbewirkung von Rechtsfolgen") ist verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfGE 97, 67 <78 f.> m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfGE 63, 343 <353 f.>; 67, 1 <15>; 72, 200 <241 f.>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>). Ausnahmsweise können aber zwingende Belange des Gemeinwohls oder ein nicht - oder nicht mehr - vorhandenes schutzbedürftiges Vertrauen des Einzelnen eine Durchbrechung des Verbots einer "echten" Rückwirkung gestatten (vgl. BVerfGE 72, 200 <258>; 97, 67 <79 f.>; 101, 239 <263 f.>).

73

cc) Dagegen ist die "unechte" Rückwirkung ("tatbestandliche Rückanknüpfung") nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen (vgl. BVerfGE 63, 343 <357>; 105, 17 <40>; 114, 258 <301>). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren (vgl. BVerfGE 63, 312 <331>; 67, 1 <15>; 71, 255 <272>; 76, 256 <349 f.>). Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. BVerfGE 38, 61 <83>; 68, 193 <222>; 105, 17 <40>; 109, 133 <180 f.>; 125, 104 <135>).

74

Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Dabei sind die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage abzuwägen (vgl. BVerfGE 30, 392 <404>; 50, 386 <395>; 67, 1 <15>; 75, 246 <280>; 105, 17 <37>; 114, 258 <300>) und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. BVerfGE 72, 200 <242 f.>; 95, 64 <86>; 101, 239 <263>; 116, 96 <132>; 122, 374 <394>; 123, 186 <257>). Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 127, 1 <18>).

75

dd) Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat in Art. 33 Abs. 5 GG eine besondere Ausprägung erfahren. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums sollen dem Beamten Rechtssicherheit hinsichtlich der durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Güter gewährleisten und insbesondere verhindern, dass versorgungsberechtigte Beamte in ihrem schutzwürdigen Vertrauen darauf, im Alter amtsangemessen versorgt zu sein, enttäuscht werden (vgl. BVerfGE 76, 256 <347> m.w.N.). Die für die Beurteilung rückwirkender Rechtsänderungen zulasten der Beamten und Versorgungsempfänger nach Art. 33 Abs. 5 GG heranzuziehenden Maßstäbe unterscheiden sich jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht grundsätzlich von den Maßstäben, die auch sonst für rückwirkende belastende Gesetze gelten.

76

b) Der rückwirkenden Inkraftsetzung des § 14a Abs. 1 BeamtVG steht kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Beamten entgegen. Daher bedarf es auch keiner nach "echter" und "unechter" Rückwirkung differenzierenden Würdigung.

77

aa) Das durch das Rechtsstaatsprinzip und Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage ist nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen - insbesondere Vermögensdispositionen - herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen (vgl. BVerfGE 13, 39 <45 f.>; 30, 367 <389>). Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren war (vgl. BVerfGE 13, 261 <272>; 50, 177 <193 f.>; 126, 369 <393 f.>) oder wenn ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (vgl. BVerfGE 72, 302 <325 f.>).

78

bb) Ein hinreichend gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen, dass es sich bei dem Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG um einen "berechneten" Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. handele, konnte sich unter den gegebenen Umständen nicht entwickeln.

79

(1) Der Regelungsgehalt des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. war in dieser Hinsicht nicht eindeutig. Die Vorschrift wurde von der für die Beamtenversorgung zuständigen Verwaltung sowie von der Instanzrechtsprechung und einem Teil der Literatur zunächst dahingehend ausgelegt, dass der "nach sonstigen Vorschriften berechnete Ruhegehaltssatz" nur ein auf der Grundlage der ruhegehaltfähigen Dienstzeit berechneter ("erdienter") Ruhegehaltssatz sei, insbesondere der nach § 14 Abs. 1 BeamtVG berechnete Ruhegehaltssatz. Vom Anwendungsbereich des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ausdrücklich ausgenommen wurden die Mindestruhegehaltssätze gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BeamtVG, weil beide - ohne Bezug zur tatsächlich ruhegehaltfähigen Dienstzeit - abstrakt gesetzlich vorgegeben und deshalb nicht "berechnet" seien.

80

(2) Zwar kam das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 23. Juni 2005 unter Hinweis auf Wortlaut, Gesetzessystematik sowie Sinn und Zweck des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zu dem Ergebnis, dass auch der Mindestruhegehaltssatz nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG ein Ruhegehaltssatz im Sinne des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. sei. Schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand dieses Normverständnisses konnte allein aus dieser Entscheidung indes nicht erwachsen.

81

(a) Entscheidungen oberster Gerichte, die vornehmlich zur grundsätzlichen Auslegung und Weiterentwicklung des Rechts berufen sind, wirken zwar über den entschiedenen Einzelfall hinaus als - freilich nur richtungweisendes - Präjudiz für künftige Fälle. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erzeugt aber keine dem Gesetzesrecht gleichkommende Rechtsbindung (vgl. BVerfGE 84, 212 <227>; 122, 248 <277>). Weder sind die unteren Gerichte an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden, noch sind es die obersten Gerichte selbst. Kein Prozessbeteiligter kann daher darauf vertrauen, der Richter werde stets an einer bestimmten Rechtsauffassung aus der bisherigen Judikatur festhalten (vgl. BVerfGE 78, 123 <126>; 87, 273 <278>). Schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Rechtslage aufgrund höchstrichterlicher Entscheidungen kann daher in der Regel nur bei Hinzutreten weiterer Umstände, insbesondere bei einer gefestigten und langjährigen Rechtsprechung entstehen (vgl. BVerfGE 72, 302 <326>; 122, 248 <278>; 126, 369 <395>).

82

(b) Bis zur Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes war nicht sicher davon auszugehen, dass das Bundesverwaltungsgericht an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festhalten würde. Eine in dieser Richtung gefestigte Rechtsprechung bestand nicht. Vielmehr wich das Urteil vom 23. Juni 2005 von der bis dahin bestehenden Verwaltungspraxis sowie von der in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend vertretenen Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. ab. Zwar schlossen sich in der Folgezeit einige Instanzgerichte dem Bundesverwaltungsgericht an; zumindest ein Oberverwaltungsgericht folgte dessen Rechtsprechung jedoch nicht (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. Januar 2008 - 21 A 2098/06 -, juris, Rn. 30 ff.), auch stieß das Urteil auf erhebliche Kritik im Schrifttum (vgl. Bauer/Zahn, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 2 mit Fn. 2 ; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>).

83

Im Rahmen dieser Kritik wurde darauf hingewiesen, dass die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu Ergebnissen führen kann, die über den Regelungszweck des § 14a BeamtVG hinausgehen. § 14a BeamtVG soll versorgungsrechtlichen Nachteilen entgegenwirken, die sich wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen von Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung für den Zeitraum ergeben können, in dem ein Besoldungsanspruch nicht mehr besteht, die für Invalidität und Alter vorgesehenen Leistungen aber noch nicht in vollem Umfang ausgeschöpft werden können (vgl. BTDrucks 10/4225, S. 21; BVerwGE 111, 93 <96 f.>; Strötz, a.a.O., § 14a BeamtVG Rn. 1 ). Diesem Ziel wird die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zwar gerecht. Sie vermeidet insbesondere, dass § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in den Fällen leerläuft, in denen die Versorgungsbezüge trotz des vorübergehenden Ausschlusses des Beamten von einer gesetzlichen Rente auch bei Einbeziehung der Pflichtbeitragszeiten nach Maßgabe von § 14a Abs. 2 BeamtVG die Mindestversorgung nicht überschreiten.

84

Sie greift jedoch über das Ziel des Gesetzgebers hinaus, soweit ein Beamter durch die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG vor Erreichen der Regelaltersgrenze eine höhere Gesamtversorgung erhält, als er aufgrund von § 14 Abs. 5 BeamtVG bei Erreichen der Regelaltersgrenze erhalten wird. Im Zeitraum zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand bis zum Beginn des Rentenbezugs ist der Beamte dadurch quasi "überversorgt" (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 38; Grunefeld, a.a.O., S. 122 <127>). Mit diesem Aspekt setzt sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht auseinander.

85

Kritik hat diese Entscheidung auch deshalb erfahren, weil die vorübergehende Erhöhung des Mindestruhegehaltssatzes nach § 14 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG zu einer Besserstellung von Beamten, die zunächst in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis tätig waren, gegenüber Beamten, die ausschließlich in einem Beamtenverhältnis standen, führen kann, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund ersichtlich ist. In Fällen, in denen letzteren lediglich Ansprüche auf die Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG zustehen, könnte bei ersteren, die Pflichtbeitragszeiten für die gesetzliche Rentenversicherung vorweisen können, trotz gleicher Arbeits- und Dienstzeit der Mindestruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden. Den versorgungsrechtlichen Nachteilen gemischter Erwerbskarrieren wird insoweit mehr als nur entgegengewirkt, weil die Betroffenen vorübergehend eine höhere Gesamtversorgung erhalten, als ihnen zustünde, wenn die relevanten Pflichtbeitragszeiten ruhegehaltfähige Dienstzeiten wären (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, a.a.O., Rn. 31 ff.; Bauer/Zahn, a.a.O., Rn. 2 mit Fn. 2 ). Das Bundesverwaltungsgericht war davon ausgegangen, dass dies wegen der erheblich abweichenden Staffelung der Sätze nach § 14 Abs. 1 BeamtVG und nach § 14a Abs. 2 BeamtVG nur in besonderen Ausnahmefällen vorkommen werde und zudem einer Korrektur in Anwendung des Rechtsgedankens aus § 14 Abs. 5 BeamtVG zugänglich sein könnte (vgl. BVerwGE 124, 19 <25>).

86

(c) Die für die Beamtenversorgung zuständigen Behörden haben zudem ganz überwiegend keinen Zweifel daran gelassen, dass dem Urteil vom 23. Juni 2005 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht gefolgt werden solle und eine gesetzliche Klarstellung erforderlich sei. Demgemäß wurden in der Folgezeit Anträge auf vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts auf der Basis des Mindestruhegehaltssatzes gemäß § 14 Abs. 4 BeamtVG abgelehnt, darunter auch Anträge von Bundesbeamten, die - wie der Kläger des Ausgangsverfahrens - beim Bundesgrenzschutz tätig waren (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 6. März 2007 - 5 A 191/06 -, juris, Rn. 4; VG Berlin, Urteil vom 5. Juni 2008 - 5 A 60.07 -, juris, Rn. 8). Jedenfalls durch die entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren war die Haltung der Verwaltung auch allgemein bekannt. Hinzu kamen Gesetzesinitiativen auf Bundes- wie auf Landesebene, mit denen die unveränderte Verwaltungspraxis gesetzlich abgesichert werden sollte (vgl. BTDrucks 16/7076, S. 186; ferner etwa für Brandenburg LTDrucks 4/5154, S. 7; für Thüringen LTDrucks 4/2616, S. 11) und die in den Ländern teilweise bereits im Jahr 2007 zu entsprechenden Bestimmungen führten (vgl. etwa § 3 Abs. 1 des brandenburgischen Beamtenversorgungsergänzungsgesetzes, gemäß Art. 6 des Gesetzes vom 21. November 2007 in Kraft getreten am 27. November 2007; § 4 Abs. 1 des Thüringer Gesetzes über ergänzende Bestimmungen zur Beamtenversorgung, gemäß Art. 4 des Gesetzes vom 31. Januar 2007 in Kraft getreten am 1. März 2007).

87

(d) Unter diesen Umständen lag es - trotz der Gefolgschaft der Mehrzahl der Instanzgerichte - nicht fern, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung korrigieren werde. Dementsprechend fehlte es an einer hinreichend sicheren Grundlage für ein Vertrauen in den Fortbestand der auf dieser Entscheidung beruhenden Rechtslage. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht letztlich an seiner Auslegung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. festgehalten und diese gegen Kritik verteidigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. November 2009 - 2 C 29/08 -, juris, Rn. 9 ff.). Diese Entscheidung erging jedoch nach der Verkündung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes und konnte deshalb nicht mehr vertrauensbildend wirken (vgl. BVerfGE 72, 200 <254>; 97, 67 <78 f.>; 114, 258 <300>).

88

cc) Art. 17 Abs. 1 DNeuG stößt auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung des Vertrauensschutzes im Bereich der Beamtenversorgung (oben B. I. 2. a dd) nicht auf rechtsstaatliche Bedenken. § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F wurde rückwirkend in einem Sinne geändert, der der Verwaltungspraxis sowie der zunächst überwiegenden Auslegung dieser Norm in Rechtsprechung und Schrifttum entsprach. Die von der Rückwirkung Betroffenen hatten sich während des ganz überwiegenden Teils ihrer Dienstzeit darauf einzustellen, dass nur ihr "erdienter" Ruhegehaltssatz vorübergehend erhöht werden kann. Vor diesem Hintergrund konnten sie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Juni 2005 nicht ohne weiteres zum Anlass für erhebliche Dispositionen im Vertrauen auf dessen Bestand nehmen, zumal die vorübergehende Erhöhung des Ruhegehaltssatzes auf die Zeit zwischen dem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand und dem Beginn des Rentenbezugs beschränkt ist und spätestens mit Erreichen der Regelaltersgrenze wegfällt (vgl. § 14a Abs. 3 BeamtVG), es also um zeitlich begrenzte Dispositionsmöglichkeiten ging. Auch liegt die mit der Rechtsänderung verbundene Rückführung der Versorgungsbezüge - beim Kläger des Ausgangsverfahrens monatlich 69,79 €, entsprechend 3,96 v.H. der Bruttoversorgung - in einem von den Betroffenen beherrschbaren Rahmen und lässt eine Unterschreitung des von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbestandes der Alimentation nicht besorgen. Daher war der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, die Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nach Maßgabe angemessener Übergangsregelungen in Kraft zu setzen.

II.

89

Art. 17 Abs. 1 DNeuG verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Nicht durchgreifend sind die vom Bundesverwaltungsgericht im Hinblick darauf erhobenen Bedenken, dass die rückwirkende Änderung von § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. nicht eingreift, wenn Versorgungsbezüge bereits gemäß § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. in Verbindung mit § 14 Abs. 4 BeamtVG festgesetzt worden sind.

90

Bei der rückwirkenden Kürzung gesetzlicher Ansprüche steht der Gesetzgeber generell vor der Frage, wie er mit bereits rechtskräftig festgestellten oder bestandskräftig gewordenen Ansprüchen umgeht. Insoweit stehen sich zwei in gleicher Weise mit Verfassungsrang ausgestattete Prinzipien gegenüber: Das Prinzip der (Einzelfall-)Gerechtigkeit, das es gebietet, auch rechtskräftig festgestellte oder bestandskräftig gewordene Ansprüche von der Begünstigung auszuschließen, und das Prinzip der Rechtssicherheit, aus dem die grundsätzliche Rechtsbeständigkeit rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen und sonstiger in Bestandskraft erwachsender Akte der öffentlichen Gewalt folgt. Es ist Sache des Gesetzgebers, welchem der beiden Prinzipien im konkreten Fall der Vorzug gegeben werden soll (vgl. BVerfGE 15, 313 <319>; 19, 150 <166>; 29, 413 <432>; 48, 1 <22>; 72, 302 <327 f.>).

91

Danach ist es nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für die Gruppe der Versorgungsempfänger, deren Versorgungsbezüge bereits rechtskräftig festgesetzt und ausbezahlt worden sind, der Rechtssicherheit den Vorrang gegenüber der (Einzelfall-)Gerechtigkeit eingeräumt hat. Dies gilt umso mehr, als diese Gruppe ohnehin vor der Erstattung der aufgrund der rückwirkenden Änderung des § 14a Abs. 1 BeamtVG a.F. zuviel gezahlten Beträge geschützt wäre (vgl. § 52 Abs. 1 BeamtVG).

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenansatzes vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser).

2

Der Zweckverband, dem der Beklagte vorsteht, betreibt im Ostseebad Heringsdorf die zentrale Abwasserbeseitigung durch die in seiner Beitragssatzung als öffentliche Einrichtung II bezeichnete Anlage.

3

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümerin (Mit-)Eigentümerin des Grundstücks Flurstück ../.. und ../.., Flur .., Gemarkung H…, welches an die Einrichtung II des Zweckverbandes angeschlossen ist.

4

Bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 zog der Beklagte die Klägerin zu Anschlussbeiträgen Schmutzwasser für das Grundstück Flurstück /.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 4.089,18 DM und für das Grundstück Flurstück ../.., Flur .., Gemarkung H… in Höhe von 1.470,25 DM heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 1996). Die Bescheide wurden bestandskräftig.

5

Mit Bescheiden vom 15. Oktober 2009 zog der Beklagte die Klägerin unter Anrechnung der bereits geleisteten Beiträge zu Anschlussbeiträgen für das Wohnungs- und Teileigentum in Höhe von insgesamt 30.974,76 Euro heran (Rechtsgrundlage Beitragssatzung 2005).

6

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 11. November 2009 Widerspruch ein.

7

Mit Änderungs- und Widerspruchsbescheid vom 1. März 2010 stellte der Beklagte unter Ziffer 1 klar, dass ein Beitrag von insgesamt 30.974,76 Euro zu zahlen sei. Unter Ziffer 2 des Bescheides werden die in der Anlage l aufgeführten Bescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Seite 2, Zeile 3 dahingehend berichtigt, dass nur die Bescheide vom 25. Februar 1999 (und nicht auch vom 11. Februar 1999) geändert werden sollen. Im Übrigen werden die Widersprüche zurückgewiesen.

8

Die Klägerin hat am 30. März 2010 Klage erhoben.

9

Sie ist der Ansicht, ihre Heranziehung sei rechtswidrig.

10

Der Beklagte habe den Widerspruchsbescheid nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen begründet, da er nur einen Widerspruchsbescheid erlassen habe und hinsichtlich der gesamten 135 Kanalbauanschlussbeitragsbescheide auf eine dem Widerspruchsbescheid als Anlage l beigefügte Liste verwiesen habe.

11

Die Bescheide seien (auch) materiell rechtswidrig. Sie verstießen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Der Beklagte habe die Klägerin bereits mit Beitragsbescheiden vom 25. Februar 1999 zu Anschlussbeiträgen (Schmutzwasser) herangezogen, und diese Bescheide seien bestandskräftig geworden. Der Beitrag sei voll ausgeschöpft worden.

12

Der nochmaligen Veranlagung stehe darüber hinaus der Grundsatz der Verwirkung entgegen. Im Übrigen habe der Gesetzgeber erst mit der Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Satzung entstehe (Änderung des § 9 Abs. 3 KAG M-V), sodass nach der alten Rechtslage die Beitragspflicht bereits entstanden und damit verjährt sei. Diese gesetzliche Änderung habe echte Rückwirkung entfaltet. Auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – werde Bezug genommen. Nach Ablauf von mehr als zehn Jahren habe die Klägerin auch nicht mehr mit dem Erlass eines weiteren Beitragsbescheides rechnen müssen.

13

Weiterhin sei die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation fehlerhaft. Die Gemeinde Seebad Heringsdorf habe im Jahr 2011 einen Bebauungsplan Nr. 23 „Ortszentrum an der Delbrückstraße 1 in Heringsdorf“ aufgestellt, nach welchem anstelle eines bisherigen Parkplatzes und eines dreigeschossigen Einkaufszentrums ein maximal 25,9 m hoher Hotelkomplex zwischen der S-straße und der D-straße entstehen solle. Diese Planungen seien bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt worden. Auch im Bereich Neu-Sallenthin, Alt-Sallenthin weise die Flächenberechnung lediglich eine eingeschossige Nutzungsfläche auf. Dies sei fehlerhaft. In der Gemeinde gebe es eine Reihe zweigeschossiger Gebäude, wie beispielsweise in der Straße „An den Krebsseen" Nummer 1, 8, 16, 39 und 42. Das in Neu-Sallenthin vorhandene Hotel „B" sei darüber hinaus dreigeschossig. Die Fortschreibung der Beitragskalkulation enthalte eine Ermittlung der Erstattung von Abwasserabgaben. Hierbei handele es sich nicht um eine Fortschreibung, da die Angaben aus den Jahren 2006 bis 2008 stammten.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten – Bescheidnummern … bis … – vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat im Wesentlichen vorgetragen, der Nachveranlagung könne weder der Grundsatz der einmaligen Beitragserhebung noch Verwirkung entgegengehalten werden. Dies habe auch das OVG Greifswald zwischenzeitlich bestätigt. Erst mit Erlass der angefochtenen Bescheide, gestützt auf die Beitragssatzung vom 16. März 2005, habe der Beklagte seinen Beitragsanspruch voll ausgeschöpft, da die Vorgängersatzungen allesamt unwirksam gewesen seien.

19

Gegen die Kalkulation beständen keine Bedenken. Die aktuelle Fortschreibung der Kalkulation sei bis 2015 erfolgt. Da der Bebauungsplan Nr. 23 der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bislang nicht wirksam sei, sei das Grundstück auch nur mit der tatsächlichen Bebauung mit drei Vollgeschossen bei der Flächenermittlung berücksichtigt worden.

20

Durch Urteil vom 22. August 2013 – 3 A 291/10 – hat das Verwaltungsgericht Greifswald die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

21

Die zulässige Klage habe keinen Erfolg. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in Gestalt des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

22

Die Bescheide seien formell rechtmäßig; sie genügten dem Begründungserfordernis. Im Änderungs- und Widerspruchsbescheid werde ausführlich erläutert, wie sich die einzelnen für die Miteigentumsanteile festgesetzten Beiträge errechneten. Der errechnete Betrag sei für jeden Miteigentumsanteil anhand der Bescheidnummern genau bestimmbar.

23

Die Bescheide seien materiell rechtmäßig. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – KAG M-V –, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen nicht gegen höherrangiges Recht. Dies gelte auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, da die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern in entscheidungserheblichen Punkten nicht mit der des Bayrischen Kommunalabgabengesetzes – BayKAG – vergleichbar sei. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayrischen Landesrecht sei im Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich.

24

Die Beitragsbescheide fänden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 20. Mai 2011. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung beständen nicht.

25

Die dem Beitragssatz für die Einrichtung II zugrundeliegende, in der Verbandssitzung am 16. Mai 2011 beschlossene Globalkalkulation sei nicht zu beanstanden. Der Einwand der Klägerseite, es sei rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte die mit dem Bebauungsplan Nr. 23 erfolgten Planungen der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf bei der Flächenermittlung nicht berücksichtigt habe, verfange nicht. Zwar sei es zutreffend, dass bei der Beschlussfassung über die Kalkulation in der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 der Bebauungsplan Nr. 23 bereits beschlossen und bekannt gemacht worden war. Allerdings sei der Beklagte nicht verpflichtet, (zukünftige) Baulandflächen zu berücksichtigen, die auf einem unwirksamen Bebauungsplan beruhten. Dies sei vorliegend der Fall. Das OVG Greifswald habe in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 21. November 2012 - Az. 3 K 22/11 - den Bebauungsplan Nr. 23 für unwirksam erklärt. Der Einwand der Klägerin, die Einstufung der in der Ortschaft Neu-Sallenthin gelegenen Grundstücke als insgesamt eingeschossig bebaut, sei teilweise unrichtig, führe nicht zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation. Zwar habe der Beklagte eingeräumt, dass die in der Straße „An den K“ Nr. 1, 8, 16 und 42 gelegenen Grundstücke zweigeschossig bebaut seien und auch das Hotel „B“ über zwei Vollgeschosse verfüge. Dieser Fehler wirke sich jedoch wegen seiner Geringfügigkeit bei einer ermittelten Gesamtfläche von 2.290.027 m² weder auf den kalkulatorisch höchstzulässigen ermittelten Beitragssatz für die Einrichtung II von 8,29 Euro noch auf den festgesetzten Beitragssatz von 4,83 Euro wesentlich aus. Die Auswirkungen auf den Deckungsgrad seien gering und der beschlossene Beitrag von 4,83 Euro sei noch weit von dem höchstzulässigen Beitrag entfernt. Die der Verbandsversammlung unterbreitete Kalkulation sei damit nicht in einem für den Abgabensatz wesentlichen Punkt mangelhaft und auch nicht methodisch fehlerhaft, sodass die Verbandsversammlung trotz dieses Fehlers das ihr bei der Festsetzung des Abgabensatzes eingeräumte Ermessen fehlerfrei habe ausüben können. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt habe, es könne aus der fehlerhaften Flächenermittlung im Bereich der Ortschaft Neu-Sallenthin geschlossen werden, dass auch für die übrigen Gebiete der Einrichtung II die Flächen fehlerhaft ermittelt worden seien, treffe das nicht zu. Zum einen gebe es einen solchen Erfahrungssatz nicht. Zum anderen habe der Beklagte unwidersprochen ausgeführt, dass die Ortschaft Neu-Sallenthin abwasserseitig noch nicht erschlossen sei. Da insoweit die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung fehlten, sei eine Schätzung auf repräsentativer Grundlage erfolgt. Demgegenüber seien 80 v. H. der im Einzugsbereich der Einrichtung II gelegenen Grundstücke tatsächlich angeschlossen, sodass insoweit auch die exakten Daten über das Maß der baulichen Nutzung vorlägen und bei der Kalkulation berücksichtigt worden seien. Im Übrigen sei es Sache der Klägerin, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Das Gericht sei nicht gehalten, von sich aus auf Fehlersuche zu gehen. Denn dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus.

26

Nicht zu beanstanden sei die aufwandsmindernde Berücksichtigung der zurückerstatteten Beträge aus der Abwasserabgabe in der Kalkulation (als „Leistungen Dritter“). Dass der Beklagte die Verrechnung der Abwassergabe nicht fortgeschrieben habe, sei rechtsfehlerfrei. Denn eine Verrechnung der Abwasserabgabe sei in der Zukunft nicht zu erwarten, da alle in der Einrichtung II anfallenden Abwässer entweder durch Überleitung in die Kläranlage Swinemünde oder zum Zweckverband Wolgast gereinigt würden. Eine eigene Klärung des Abwassers durch den Zweckverband entfalle damit im Bereich der Einrichtung II. Daher sei auch keine Abwasserabgabe durch den Zweckverband zu entrichten; eine Verrechnungsmöglichkeit entfalle.

27

Rechtmäßig sei auch die Nachberechnung des Beitrags, obwohl bereits mit Bescheiden vom 25. Februar 1999 für dasselbe Grundstück ein Anschlussbeitrag erhoben worden sei. Der dem Bescheid vom 25. Februar 1999 zugrunde gelegte Beitragssatz beruhte auf einer unwirksamen Kalkulation, da die am 4. November 1996 beschlossene Beitragssatzung in § 5 ABS u. a. zwischen erstmalig und bereits an einen Mischkanal angeschlossen gewesene Grundstücke differenziert und dafür unterschiedliche Beitragssätze vorgesehen habe. Die Regelung eines sog. gespaltenen Beitragssatzes sei gleichheitswidrig und habe zur Unwirksamkeit des Beitragssatzes geführt. Der Beklagte sei daher gehalten gewesen, eine dem nunmehr festgesetzten Beitragssatz für die Einrichtung II von 4,83 Euro entsprechende Nachforderung zu erheben. Auf die Frage, wer den Veranlagungsfehler 1999 verschuldet habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Nacherhebung nicht an.

28

Der Nachveranlagung des Beitrages stehe auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. Dieser sei dann nicht verletzt, wenn der bereits gezahlte Betrag – wie hier – auf die Beitragsschuld angerechnet werde. Gleiches gelte für die Bestandskraft des früheren Beitragsbescheides und die Regelungen der §§ 170 ff. AbgabenordnungAO –.

29

Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 KAG M-V betrage die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern vier Jahre. Nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Obwohl das Grundstück bereits seit längerem an die Anlage angeschlossen worden sei, sei die sachliche Beitragspflicht erst im Kalenderjahr 2011 entstanden, sodass die vierjährige Festsetzungsfrist am 31. Dezember 2011 anlaufe und frühestens am 31. Dezember 2015 ablaufe.

30

Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Gemeint gewesen sei auch nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. eine wirksame (gültige) Satzung, denn auf Grundlage einer unwirksamen Satzung könnten Beitragspflichten von vornherein nicht entstehen. Der Einwand der Klägerin, der Gesetzgeber habe erst mit Änderung des KAG M-V im Jahr 2005 entschieden, dass die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entstehe, verfange damit nicht.

31

Gleiches gilt für ihren Einwand, der Lauf der Festsetzungsfrist sei bereits durch den tatsächlichen Anschluss ausgelöst worden, da § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. im Lichte der eingangs erwähnten Rechtsprechung des BVerfG im strengen Wortsinne auszulegen sei, denn die Erwägungen des BVerfG seien auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragbar.

32

In dem Anknüpfen der Verjährungsfrist an den Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung liege schließlich auch keine im Regelfall nach Art. 20 Abs. 3 GG unzulässige (echte) Rückwirkung, sondern lediglich eine sogenannte tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung), die allgemein zulässig sei. Der Gesetzgeber regele keinen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt mit Wirkung für die Vergangenheit neu, sondern nehme einen in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt zum Anlass, daran Rechtsfolgen für die Zukunft – die Beitragspflicht – zu knüpfen.

33

Das Gericht gehe davon aus, dass die ABS vom 18. März 2005 in Gestalt der 7. Änderungssatzung vom 20. März 2011 die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes sei und die sachliche Beitragspflicht daher frühestens auf Grundlage dieser Satzung habe entstehen können. Frühere Beitragssatzungen des Zweckverbandes aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 seien unwirksam gewesen.

34

Die am 4. November 1996 beschlossene erste Beitragssatzung habe unterschiedliche Beitragssätze für sogenannte altangeschlossene und neuangeschlossene Grundstücke aufgewiesen und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Beitragssatzung vom 22. November 2001 habe es an einer widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen öffentlicher Einrichtung und Grundstücksanschlüssen gefehlt, was auch durch die Abwasseranschluss- und Beseitigungssatzung – AAS – vom 9. Oktober 2002 nicht geändert worden sei. Der ABS vom 16. April 2004 habe es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen gefehlt. Die ABS vom 18. März 2005 habe nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt aufgewiesen, da die Maßstabsregel unvollständig gewesen sei.

35

Die Klägerin hat am 11. Oktober 2013 die Zulassung der Berufung beantragt. Durch Beschluss vom 17. September 2015 hat der Senat die Berufung zugelassen.

36

Zur Begründung ihrer Berufung verweist die Klägerin ergänzend auf die Beschlüsse des BVerfG vom 12. November 2015 und auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 15. April 2015. Danach sei eine Beitragserhebung in Mecklenburg-Vorpommern nur bis zum 31. Dezember 2008 zulässig gewesen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V a. F.). Die Beiträge seien somit verjährt. Zudem sei auch die Beitragskalkulation fehlerhaft.

37

Auch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016, mit dem die Verjährungsregelung des § 12 Abs. 2 KAG M-V geändert worden sei, habe die Beitragserhebung nicht nachträglich rechtlich zulässig gemacht. Das BVerfG habe im Beschluss vom 5. März 2013 (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.) dem Bayerischen Landesgesetzgeber eine Frist bis zum 31. März 2014 eingeräumt, eine gesetzlich zulässige Regelung zur Bestimmung der Verjährungsfrist zu schaffen. Wegen der Bindungswirkung des § 31 Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG – gelte diese Frist auch für den Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern, der diese Frist habe verstreichen lassen, sodass die gesetzliche Änderung von 14. Juli 2016 die Beitragserhebung nicht mehr habe heilen können.

38

Die Klägerin beantragt,

39

die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. August 2013 abzuändern und die Kanalbaubeitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 – … - … – in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 aufzuheben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

40

Der Beklagte beantragt,

41

Die Berufung zurückzuweisen.

42

Er tritt der Berufung entgegen.

43

Am 14. Juli 2016 hat der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes erlassen und dort unter anderem eine neue Verjährungsregelung eingefügt. Das Gesetz ist im GVOBl. M-V 2016 S. 584, Heft Nr. 15 vom 29. Juli 2016, veröffentlicht und nach Art. 2 des Gesetzes am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

45

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 15. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungs- und Widerspruchsbescheides vom 1. März 2010 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

46

Die Beitragsbescheide finden ihre nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung – Insel Usedom – (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 18. März 2005 in der Fassung der 7. Änderungssatzung vom 16. Mai 2011, ausgefertigt am 20. März 2011. Dies ist die erste rechtswirksame Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten (zu 1). Erst das Inkrafttreten dieser Satzung hat die sachliche Beitragspflicht ausgelöst; einer Rückwirkung dieser Satzung hat es nicht bedurft (zu 2). Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung hat der Senat – in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts – VG – nicht (zu 3). Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig (zu 4).

47

1. Die früheren Satzungen des Beklagten aus den Jahren 1996, 2001 und 2004 waren unwirksam; so zutreffend das VG im angefochtenen Urteil. Dem ist die Klägerseite zum einen nicht substantiiert entgegengetreten. Zum anderen hat die Prüfung des Senats von Amts wegen nichts Abweichendes ergeben.

48

Die ABS vom 4. November 1996 hat in § 5 für jede der drei Einrichtungen (I bis III) drei Beitragstatbestände enthalten, nämlich einen Beitragssatz für den „erstmaligen Anschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung“, einen geminderten Beitragssatz für Grundstücke, die bereits den Überlauf der Grundstücksentwässerungsanlage an einen Mischkanal besaßen, und – zum Dritten – für Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V voll an die gemeindliche Kläranlage angeschlossen gewesen waren. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates, an der festgehalten wird, lag in dem dritten Beitragstatbestand eine unwirksame, weil gegen Art. 3 Grundgesetz – GG – verstoßende Altanschließerregelung. Den Altanschließern wird durch die nach der Wende geschaffene öffentliche Einrichtung des Aufgabenträgers derselbe Vorteil geboten wie denjenigen Anschlussnehmern, deren Grundstück erstmalig nach der Wende an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossen worden ist (vgl. OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung seit Beschl. vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, LKV 2000 S. 161).

49

Die Beitragssatzung vom 21. November 2001 hat diese fehlerhafte Ungleichbehandlung der Altanschließer in ihrem § 5 noch weiter vertieft, indem sie nicht nur einen reduzierten Beitragssatz für die Altanschließer vorgesehen hat, sondern diese vollständig von der Beitragspflicht hat freistellen wollen. Es gibt in der ABS 2001 nur noch den Beitragstatbestand für den „erstmaligen Anschluss“ eines Grundstücks an die öffentliche Entwässerungsbeseitigung.

50

Der Satzung vom 31. März 2004 fehlte es an wirksam beschlossenen Beitragssätzen. Denn dieser Satzung hat keine wirksame Kalkulation des Beitragssatzes zugrunde gelegen. Die Beitragskalkulation vom November 2001 (vgl. VG Greifswald, Beschl. vom 24. August 2004 – 3 B 1625/04 –) hat ihre Gültigkeit verloren, weil sie auf einer anderen Organisationsentscheidung des Beklagten beruht. Ausweislich § 1 Abs. 4 der Abwasseranschluss- und -beseitigungssatzung des Zweckverbandes Wasserversorgung vom 9. Oktober 2002 – AAS 2002 – waren seinerzeit die Grundstücksanschlüsse noch Bestandteil der öffentlichen Einrichtung. Nach § 1 Abs. 2c ABS 2004 gehörten diese nicht mehr zur öffentlichen Einrichtung, sodass eine diese Organisationsentscheidung berücksichtigende Fortschreibung der Kalkulation im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die ABS 2004 der Zweckverbandsversammlung hätte vorliegen müssen. Zum einen stellt sich somit der Umfang der öffentlichen Einrichtung als widersprüchlich definiert dar. Zum anderen hätte auf der Kostenseite der Kalkulation berücksichtigt werden müssen, dass nach der ABS 2004 die Kosten für die Erstellung der Grundstücksanschlüsse keine Kosten der öffentlichen Einrichtung mehr sind (methodischer Fehler).

51

Die Beitragssatzung vom 31. März 2005 wies (ebenfalls) nicht den nach § 2 Abs. 1 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf, da die Maßstabsregeln unvollständig waren. In der Satzung 2005 fehlte eine Maßstabsregelung für Grundstücke, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, der keine Regelung über die Anzahl der zulässigen Vollgeschosse trifft, aber eine maximale Höhe und eine Baumassenzahl festsetzt. Dies hat bereits das VG zutreffend herausgearbeitet.

52

2. Damit hat die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2011 unter Geltung der 7. Änderungssatzung entstehen können. Denn seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne einewirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. insoweit die Rechtsprechungsnachweise bei Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Anm. 7.2 mit weiteren Nachweisen). Insbesondere wird auf die älteste dort zitierte Entscheidung, nämlich den Beschl. des OVG Greifswald vom 8. April 1999 – 1 M 41/99 –, verwiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist das KAG (M-V) stets in dieser Weise durch das OVG Greifswald ausgelegt worden. Daran wird auch in dem vorliegenden Urteil festgehalten.

53

Weil nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifswald eine wirksame Satzung der Anschlussmöglichkeit auch nachfolgen kann, hat es einer Rückwirkung der ABS nicht bedurft. Eine nachträglich erlassene wirksame Abgabensatzung heilt dann einen eventuell zuvor bei Erlass der Bescheide bestehenden rechtlichen Mangel. Erst mit Inkrafttreten der wirksamen ABS im Jahre 2011 ist die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist (§ 12 KAG M-V i. V. m. § 169 Abs. 2 AO) angelaufen; denknotwendigerweise ist sie im Jahre 2009 – bei Erlass der hier streitigen Abgabenbescheide – auch nicht abgelaufen gewesen. Auch wenn die Heranziehungsbescheide im Jahre 2009 – wegen des vorgenannten Satzungsmangels – noch rechtswidrig gewesen sind, sind sie im Jahre 2011 geheilt worden und unterliegen daher nicht mehr der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung (Grundsatz der Aufrechterhaltung). Hierdurch werden Abgabepflichtige nicht in rechtswidriger Weise benachteiligt. Die Klägerseite hätte das Inkrafttreten der wirksamen Satzung zum Anlass nehmen können, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, um nicht die Kosten für einen zunächst aussichtsreichen, dann aber – wegen des Inkrafttretens einer wirksamen Satzung – erfolglos gewordenen Verwaltungsprozesses tragen zu müssen.

54

Die Klägerseite kann sich – im Hinblick auf das Erfordernis einer wirksamen Satzung – nicht mit Erfolg auf die abweichende Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg berufen. Nicht nur nach Auffassung des OVG Greifswald, sondern nach ganz herrschender, seit Jahrzehnten gefestigter Rechtsprechung fast aller Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe setzt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht voraus, dass eine wirksame Abgabensatzung vorhanden ist. Denn eine unwirksame Abgabensatzung ist nichtig und daher im Ergebnis nicht existent. Eine gesetzliche Formulierung, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setze eine „wirksame Satzung“ voraus, ist im Ergebnis ein „weißer Schimmel“. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern hat durch die KAG-Änderung 2005 lediglich das klargestellt, was nach der Rechtsprechung des OVG Greifswald seit Gründung dieses Gerichtes gegolten hatte.

55

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG, 2. Kammer, vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., deutlich (siehe unter 4c), wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das in dem dortigen Fall vorgehende OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das KAG BB ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg sei, so das BVerfG, die Sach- und Rechtslage in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte.

56

3. Zweifel an der Gültigkeit der ABS (Fassung 2011) sind – abgesehen von der Beitragskalkulation – nicht vorgetragen worden. Solche Zweifel sind auch sonst für den Senat nicht ersichtlich.

57

Die der ABS 2005 in der Fassung 2011 zugrunde liegende Beitragskalkulation ist nach Auffassung des Senates ausreichend, eine ordnungsgemäße ortsgesetzgeberische Ermessensentscheidung zu tragen.

58

Insbesondere hat der Verbandsversammlung am 16. Mai 2011 eine aktuelle Kalkulation vorgelegen, die beschlossen worden ist (Fortschreibung der Beitragskalkulation von März 2011). Für die hier in Rede stehende Einrichtung II ist ein Beitragssatz von 8,29 Euro/m² kalkuliert worden; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m². Als umlagefähig sind angesehen worden Kosten in Höhe von 18.975.383 Euro. Die beitragspflichtige Fläche ist mit 2.290.027 m² ermittelt worden.

59

Die Beitragskalkulation ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das VG ausgeführt, dass zwar „kleine Ungenauigkeiten“ vorgelegen haben mögen. Es sind aber insgesamt insbesondere keine schweren methodischen Fehler erkennbar geworden. Insbesondere ist kein methodischer Fehler unter dem Gesichtspunkt festzustellen, dass in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand in die Ermittlung des Beitragssatzes eingestellt worden wäre. Insoweit kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden.

60

Vor dem Hintergrund, dass die ermittelte beitragspflichtige Fläche 2.290.027 m² beträgt, steht für den Senat fest, dass eine eventuell fehlerhafte Bewertung einzelner Grundstücke im Verbandsgebiet nur zu kleinen Ungenauigkeiten führen kann.

61

Im Hinblick auf den Bebauungsplan Nr. 23 ist der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu folgen. Ein Bebauungsplan eröffnet Planungsrecht. Es liegt nach Erlass eines Bebauungsplanes nicht mehr in der Hand der Gemeinde, ob die Planung auch umgesetzt wird. Etwas anderes mag nur dann gelten, wenn ein Baugebot festgesetzt worden ist. Daher liegt es im ortsgesetzgeberischen Ermessen, ob der räumliche Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, der gerade erst in Kraft getreten ist, einbezogen wird oder nicht. Die Nichteinstellung des räumlichen Geltungsbereichs dieses Bebauungsplanes Nr. 23 kann auch auf der Einschätzung beruhen, dass sich der Bebauungsplan als von Anfang an unwirksam erwiesen hat.

62

Im Hinblick auf die Ortschaft Neu-Sallenthin, die im Zeitpunkt der Kalkulation noch nicht abwasserseitig angeschlossen gewesen ist, kommt bei der Erstellung einer Globalkalkulation nur eine überschlägige Schätzung der beitragspflichtigen Flächen in Betracht. Sinn einer Globalkalkulation ist es nicht, das gesamte Verbandsgebiet Quadratmeter genau zu ermitteln. Erst im Rahmen der Beitragsfestsetzung für einzelne Grundstücke wird es dann Aufgabe des Beklagten sein, das jeweilige Grundstück genau zu betrachten. Daher ist es für die Rechtmäßigkeit der Kalkulation bedeutungslos, ob das eine oder andere Grundstück in Neu-Sallenthin und auch zum Beispiel das Hotel Bergmühle mit einem, zwei oder drei Vollgeschossen bebaut ist. Insoweit liegt nicht einmal ein Fehler der Kalkulation vor.

63

Aus den vom Verwaltungsgericht dargelegten Gründen hat die Frage der Abwasserabgabe im Hinblick auf die Beitragskalkulation auch für den Senat keine Relevanz.

64

Zudem ist festzustellen, dass der Beklagte nur eine teilweise Deckung seiner Aufwendungen durch Beiträge angestrebt hat, da er einen „politischen Beitrag“ erhebt, der nur etwas mehr als die Hälfte des kalkulierten Beitragssatzes ausmacht. Eine Kostenüberdeckung durch Beiträge ist damit definitiv ausgeschlossen (Beitragssatz von 8,29 Euro/m² wurde als höchstzulässiger Beitragssatz kalkuliert; festgesetzt worden ist durch die Verbandsversammlung „nur“ ein Beitragssatz von 4,83 Euro/m²). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist es rechtlich zulässig, im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen eine sich aus Beiträgen und Gebühren zusammensetzende Finanzierung vorzunehmen, wie der Beklagte das im vorliegenden Fall tut.

65

4. Die Heranziehung der Klägerin im vorliegenden Einzelfall ist rechtmäßig.

66

Die Anwendung der ABS (Fassung 2011) auf den vorliegenden Einzelfall ist in rechtmäßiger Weise erfolgt; sowohl die Beitragsfestsetzungen als auch das Zahlungsgebot erweisen sich als rechtmäßig (zu a). Die Beitragserhebungsmöglichkeit hat sich weder „verflüchtigt“ (b) noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (c) oder liegt eine unzulässige Doppelveranlagung vor (d).

67

a) Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Bestimmtheit ist nicht gegeben. Die komplizierte Materie einer Wohnungseigentümergemeinschaft erfordert auch komplizierte Bescheide. Daher ist es ein adäquates Vorgehen des Beklagten, 135 Bescheide zu erlassen, diese aber dann letztlich objektbezogen in einem Widerspruchsbescheid zu bündeln. Im Widerspruchsbescheid ist hinreichend klargestellt, auf welchen Betrag sich das Leistungsgebot der Veranlagung bezieht und dass die zuvor bezahlten Beiträge angerechnet werden. Zutreffend hat der Beklagte berücksichtigt, dass die im Jahre 2011 entstandenen Beiträge durch die auf die Bescheide von 1999 geleisteten Zahlungen teilweise durch Erfüllung erloschen sind. Daher hat das Leistungsgebot diese Zahlungen zutreffend berücksichtigt.

68

b) Das vom BVerfG im Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 = NVwZ 2013 S. 1004, entwickelte Rechtsinstitut der „Verflüchtigung“ greift im Ergebnis nicht durch. Danach kann ein zwar nicht verjährter Beitrag aus rechtsstaatlichen Gründen eventuell nicht mehr erhoben werden (vgl. hierzu im Einzelnen Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, § 7 Erläuterung 8.1.4.2, Seite 60 ff.).

69

Der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 5. März 2013 lautet im Wesentlichen, das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verlange Regelungen, die sicherstellten, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden könne.

70

In dem genannten Beschluss hat das BVerfG – ausweislich der Nr. 1 des Tenors – den anzuwendenden Art. 13 des BayKAG für mit dem Grundgesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) „unvereinbar“ erklärt, nicht aber für nichtig. Dies hat entscheidende Bedeutung für die weitere Möglichkeit des bayerischen Landesgesetzgebers, diesen Mangel zu beseitigen. So führt das BVerfG dann auch aus (Orientierungssatz 3 und Rn. 49 ff.), dem Gesetzgeber ständen mehrere Möglichkeiten zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustandes zur Verfügung, und zunächst komme nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht. „Nichtigkeit“ trete jedoch zum 1. April 2014 ein, wenn der Gesetzgeber auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist verzichte.

71

Das BVerwG (Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 15.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 139/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 16.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 140/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 17.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 142/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 18.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 143/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 207/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 20.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 208/13 –; BVerwG, Urt. vom 15. April 2015 – 9 C 21.14 –, vorgehend OVG Greifswald, Urt. vom 1. April 2014 – 1 L 210/13 –; vgl. hierzu Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 7 Erläuterung 8.1.4.6 Seite 86) hat für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern durch Urteile vom 15. April 2015 die Revisionen der dortigen Kläger gegen die Urteile des OVG Greifswald vom 1. April 2014 zurückgewiesen, weil die Beitragserhebung noch innerhalb der Übergangsfrist des § 12 Abs. 2 KAG M-V in der bis zum 29. Juli 2016 geltenden Fassung erfolgt sind, d. h. bis zum 31. Dezember 2008. Ferner hat das BVerwG in einem umfassenden obiter dictum weitere „Segelanweisungen“ gegeben.

72

Ausdrücklich hat das BVerwG, a. a. O., dem Landesgesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern die Möglichkeit offen gelassen, eine weitergehende und längere Festsetzungsverjährungsfrist als den 31. Dezember 2008 zu bestimmen und im Einzelnen ausgeführt:

73

„Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschl. vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen – der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die – wie vorliegend – nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind.“

74

Eine solche Fristbestimmung hat der Landesgesetzgeber jetzt durch Gesetz vom 14. Juli 2016 getroffen; ebenso wie zahlreiche andere Bundesländer bereits ihre Verjährungsregelungen nachgebessert haben.

75

Der Senat hat keine Zweifel daran, dass diese gesetzliche Neuregelung den von Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht gemachten Vorgaben entspricht, sodass der Senat die geänderte Fassung des § 12 Abs. 2 KAG MV seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Regelung geschaffen, nach der eine zeitlich unbefristete Heranziehung zu (Anschluss-) Beiträgen nicht mehr möglich ist.

76

§ 12 Abs. 2 in der jetzt geltenden Fassung lautet u. a.:

77

§ 169 der Abgabenordnung gilt mit der Maßgabe, dass

78

1. über § 169 Absatz 1 Satz 1 der Abgabenordnung hinaus die Festsetzung eines Beitrages unabhängig von dem Entstehen der Beitragspflicht spätestens 20 Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist, wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt, …"

79

Diese Frist ist ersichtlich im Jahre 2009 noch nicht abgelaufen gewesen, weil im vorliegenden Fall – wie oben ausgeführt – noch nicht einmal die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 AO an- und erst Recht nicht abgelaufen ist.

80

Zur weiteren Klarstellung hat der Landesgesetzgeber noch in § 22 KAG M-V folgenden Abs. 3 angefügt:

81

„Soweit sich für bestehende Abgabensatzung ein Rechtsmangel daraus ergibt, dass das Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V S. 146), das zuletzt durch Art. 2 des Gesetzes vom 13. Juli 2011 (GVOBl. M-V S. 777, 833) geändert worden ist, die Heranziehung zu Beiträgen keiner zeitlichen Obergrenze unterwirft, ist dieser Rechtsmangel mit Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) unbeachtlich.“

82

Nach Auffassung des Senates hätte es dieser salvatorischen Klausel nicht bedurft, da jedes Gesetz, soweit nichts anderes geregelt ist, mit Inkrafttreten seine Gültigkeit beansprucht. Nach den bisherigen Regelungen war lediglich keine zeitliche Obergrenze für eine Verjährung eines Anschlussbeitrages geregelt. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der Anschlussbeitrag verjährt wäre.

83

Da das BVerwG in seinen Urteilen vom 15. April 2015 dem Gesetzgeber gerade die Möglichkeit eröffnet, entsprechend seiner Gesetzgebungskompetenz eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen und die Länge der Verjährungsfrist zu bestimmen, hätte eine diesbezügliche Neuregelung ausgereicht. Gegenstand des Rechtsstreits um das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit („Verflüchtigungsrechtsstreit“) war nicht etwa eine gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sei, sondern die Tatsache, dass eine Gesetzeslücke gesehen wurde, die die Anwendung des im Übrigen verfassungsgemäßen KAG M-V ab einem gewissen vom Gesetzgeber festzulegenden Stichtag verfassungswidrig machen würde. Einer weitergehenden deklaratorischen Klausel hätte es nicht bedurft; als deklaratorische Klausel ist die Regelung des § 22 Abs. 3 KAG M-V (Fassung 16. Juli 2016) aber „unschädlich“.

84

Der Senat hat keine Bedenken, dass die nunmehr bestimmte Festsetzungsfrist die Interessen der Abgabepflichtigen in Mecklenburg-Vorpommern in adäquater Weise behandelt. Die Festsetzungsfrist betrifft ein neues Bundesland, in dem die landesrechtlichen Grundlagen für einen Anschlussbeitrag erst geschaffen werden mussten, und bleibt unterhalb der in der Rechtsordnung bekannten längsten Verjährungsfrist von 30 Jahren. Der Landesgesetzgesetzgeber hat sich innerhalb des gesetzgeberischen Spielraumes bewegt und sich von folgenden Erwägungen leiten lassen (Gesetzentwurf der Landesregierung vom 11. März 2016, LT-Dr. 6/5257 S. 2 f.):

85

„Bei der konkreten Ausgestaltung einer landesgesetzlichen Festlegung einer zeitlichen Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum hinsichtlich des gesetzlich zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für Vorteile (hier: durch Anschluss an eine gemeindliche Einrichtung) einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, zu (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 – 9 C 15/14 – u. a.; vergleiche BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, a. a. O.).

86

Nach Auffassung des BVerfG bleibt es dem Landesgesetzgeber überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die der Rechtssicherheit genügt. So könnte der Landesgesetzgeber etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt.

87

Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt. Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143-163, Rn. 50).

88

Die Bundesländer Sachsen, Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben bei einer mit Mecklenburg-Vorpommern vergleichbaren Rechtslage ihre Kommunalabgabengesetze bereits an die Forderungen des BVerfG (Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) angepasst. Insofern wird die Änderung des KAG M-V auch in Kenntnis der in diesen Bundesländern erfolgten landesgesetzlichen Regelungen vorgenommen. Maßgebliches Ziel des Landesgesetzgebers ist es, die kommunalen Aufgabenträger im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren, ohne dabei gegen das Verbot zu verstoßen, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festzusetzen.

89

In Abwägung der Interessen der kommunalen Aufgabenträger und der Abgabenpflichtigen wird deshalb eine 20-jährige Verjährungsfrist geregelt, wobei aufgrund der Sondersituation nach der Deutschen Einheit der Lauf der Frist bis zum Ablauf des Jahres 2000 gehemmt ist („…wobei der Lauf der Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 beginnt.“). Damit ist die maximal mögliche Verjährungsfrist von 30 Jahren deutlich unterschritten und in Kombination mit einer Regelung zur Verjährungshemmung gleichwohl eine Beitragserhebung bis 2020 ermöglicht. Mit der Regelung zur Verjährungshemmung hatte auch der Landesgesetzgeber Brandenburg auf die Forderungen des BVerfG reagiert.“

90

Da der Senat die neue Festsetzungsfrist als verfassungsgemäß ansieht, hat er keine Veranlassung, den Rechtsstreit dem BVerfG vorzulegen (Art. 100 Abs. 1 GG).

91

c) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wie er in dem stattgebenden Kammerbeschluss des BVerfG, 2. Kammer, Beschl. vom 12. November 2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 –, LKV 2016 S. 25 ff., vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. vom 29. September 2014 – OVG 9 N 40.14 –, vorgehend BVerwG, Beschl. vom 11. September 2014 – 9 B 21.14 –, vorgehend OVG Berlin-Brandenburg, Urt. vom 13. November 2013 – OVG 9 B 35.12 – konkretisiert worden ist, führt gleichfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der hier streitigen Abgabenerhebung

92

In dem dortigen Kammerbeschluss nimmt das BVerfG im Kern eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG an durch rückwirkende Erhebung kommunaler Abwasseranschlussbeiträge – hier: Abgabenerhebung gem. § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F. vom 17. 12. 2003 – in Fällen, in denen die Beiträge nicht mehr nach § 8 Abs. 7 S. 2 KAG BB i. d. F vom 27.06.1991 hätten erhoben werden können, da mit Entstehen der Beitragspflicht durch rückwirkendes Inkrafttreten einer wirksamen Beitragssatzung zugleich Festsetzungsverjährung eingetreten wäre.

93

Nach Auffassung des Senates ist der Beschluss des BVerfG, der grundsätzlich nach § 31 BVerfGG in seinem Tenor und seinen tragenden Gründen auch für das OVG Greifswald Bindungswirkung entfaltet (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 7 Anm. 8.1.4.6.), nicht einschlägig, sodass gerade keine Bindungswirkung eintritt. Denn der vom Senat zu entscheidende Sachverhalt unterscheidet sich von dem Sachverhalt, der den Verfahren aus Berlin-Brandenburg zugrunde gelegen hat, sodass eine Bindung des OVG Greifswald an die tragenden Gründe des Kammerbeschlusses vom 12. November 2015 ausscheidet.

94

Die Kernaussage des BVerfG in seinem Beschluss vom 12. November 2015 ist, dass es gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot verstößt, wenn eine gesetzliche Vorschrift dergestalt geändert wird, dass nunmehr Beiträge erhoben werden sollen, die nach der Vorgängervorschrift nicht mehr hätten erhoben werden dürfen (vgl. z. B. Rn. 39, a. a. O.). In den Fällen aus Brandenburg wären nach alter Rechtslage die Beitragsschulden wegen Festsetzungsverjährung erloschen (Rn. 64, a. a. O.). Dass in einem solchen Fall eine gesetzliche Vorschrift, die rückwirkend die angelaufene und eine logische Sekunde später auch abgelaufene Festsetzungsverjährung „aus den Angeln hebt“, sich als echte Rückwirkung darstellt und den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht genügt, wird auch vom Senat in gleicher Weise gesehen.

95

Wie bereits oben ausgeführt, unterscheidet sich die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern elementar von der in Brandenburg. Seit Inkrafttreten des KAG vom 11. April 1991 hat das OVG Greifswald stets die Rechtsauffassung vertreten, dass (nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1991, heute § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) ohne eine wirksame Satzung keine sachliche Beitragspflicht entstehen kann und mithin auch der Lauf der regelmäßigen Verjährung nicht in Gang gesetzt wird (vgl. zur ähnlichen Rechtslage in Sachsen-Anhalt, OVG Magdeburg, Beschl. vom 17. Februar 2016 – 4 L 119/15 –, Rn. 58 und 59 und OVG Weimar, Urt. vom 12. Januar 2016 – 4 KO 850/09 –, juris Rn. 48, zur Rechtslage in Thüringen).

96

Dass es auf die Auslegung des Landesrechtes durch das oberste Landesgericht ankommt, wird auch aus dem Beschluss des BVerfG vom 12. November 2015 deutlich, wo an mehreren Stellen darauf abgestellt wird, wie das OVG Berlin-Brandenburg seit dem Jahre 2000 das dortige Landesrecht ausgelegt hat. Erst durch den Wechsel der Auslegung des Landesrechts von Brandenburg ist die „Sach- und Rechtslage“ in Brandenburg dergestalt „umgestaltet“ worden, dass es auf die erste Satzung ankomme, auch wenn sie nicht wirksam gewesen sein sollte. In Rn. 52 spricht das BVerfG sogar von „Gesetzeslage“, und versteht darunter nicht nur § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG BB a. F., sondern auch und gerade, wie das OVG Berlin-Brandenburg diese Bestimmung ausgelegt hat.

97

Anzumerken ist schließlich noch, dass seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes, jetzt BauGB, im Jahr 1960 das BVerwG im Erschließungsbeitragsrecht stets auf die Wirksamkeit der Satzung abgestellt hat. Diese gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung hat das OVG Greifswald auf das Anschlussbeitragsrecht übertragen. Diese Rechtsprechung, die ca. 50 Jahre alt ist, ist für das Erschließungsbeitragsrecht höchstrichterlich noch nie infrage gestellt worden.

98

Der Senat schließt sich der Auffassung des OVG Magdeburg, a. a. O. (Rn. 62), insoweit an, dass die Abgabenpflichtigen vor der Entscheidung des BVerfG vom 5. März 2013 nicht haben darauf vertrauen können, dass ihnen gegenüber aufgrund eines langen Zeitraumes seit Entstehen einer Vorteilslage keine Abgabe mehr festgesetzt werden könnte. Insoweit kam es allein darauf an, ob und in welcher Weise der Landesgesetzgeber auf die Entscheidung des BVerfG reagieren würde.

99

Schließlich kann die Klägerin mit ihrer Auffassung nicht durchdringen, der Landesgesetzgeber M-V sei wegen der Bindungswirkung des § 31 BVerfGG auch an die dem bayerischen Landesgesetzgeber im Beschluss des BVerfG vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – gesetzte Frist gebunden, bis zum 31. März 2014 (Ziffer 1 des Tenors) eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen. Diese Frist ist ausschließlich für den bayerischen Landesgesetzgeber maßgeblich gewesen. Nur er ist von dem Beschlusstenor gebunden, wonach die bayerische Regelung des Art. 13 BayKAG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Nur er hat die Gesetzgebungskompetenz, diesen Art. 13 BayKAG zu ändern. In der Sache hat das BVerfG somit das Abgabenerhebungsverfahren ausgesetzt (siehe Rn. 52), um dem bayerischen Gesetzgeber die Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben. Zudem hat das BVerfG den Verwaltungsgerichten die Kompetenz eröffnet, das Landesrecht verfassungskonform auszulegen (Rn. 52).

100

Zutreffend ist zwar, dass nicht nur der Tenor einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung Bindungswirkung entfaltet, sondern auch die tragenden Gründe. Die gegenüber dem bayerischen Landesgesetzgeber ausgesprochene zeitliche Höchstgrenze für eine gesetzliche Neuregelung in Bayern ist aber kein tragender Entscheidungsgrund, der sich über das bayerische Landesrecht hinausgehende Bedeutung beimisst.

101

d) Die Abgabenerhebung aus dem Jahre 1999 steht nicht unter dem Blickwinkel einer „unzulässigen Doppelveranlagung“ oder „unzulässigen Nacherhebung“ der Rechtmäßigkeit der hier angefochtenen Abgabenbescheide aus dem Jahre 2009 entgegen. Das Problem der Nachveranlagung oder auch Doppelveranlagung ist (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemens/Holz, KAG M-V, § 12 Erläuterungen 50 ff., Seite 71 ff.) in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt (vgl. OVG Greifswald, Urt. vom 15. Dezember 2009 – 1 L 323/06 –, OVG Greifswald Urt. vom 15. Dezember 2010 – 1 L 1/09 –, ferner Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 L 217/09 – und Beschl. vom 28. Januar 2010 – 1 M 181/09 –). Dort hat das OVG Greifswald den Grundsatz aufgestellt, dass bei leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufgabenträger grundsätzlich berechtigt und verpflichtet sind, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpfen. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des erster Heranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung (Aussprung, a. a. O., Erläuterung 50.2.3, Seite 76 f.). An dieser Auffassung hält der Senat fest.

102

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; insoweit kommt auch eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht in Betracht.

103

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 132 Abs. 2 VwGO), liegen nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist der Vorteilsbegriff landesrechtlich determiniert. Auch der Fragenkomplex, ob eine Abgabenerhebung in Mecklenburg-Vorpommern in der vorliegenden Fallkonstellation rechtlich noch zulässig ist, beruht auf der Auslegung des Landesrechts. Dies gilt insbesondere auch für die Frage der Nacherhebung eines noch nicht ausgeschöpften Beitragsanspruches, weil auch die anzuwendende Abgabenordnung im Bereich des Kommunalabgabenrechts Landesrecht ist. Zudem sind die grundsätzlichen Rechtsfragen der „Verflüchtigung“ eines beitragsrechtlichen Vorteils und des Vertrauensschutzes durch die im Urteil zitierte Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG geklärt.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung B., Flur ..., Flurstück ..., das bereits vor der Wiedervereinigung an die zentrale Schmutzwasserentsorgung angeschlossen war. Der Beklagte übernahm mit seiner Gründung 1991 die Abwasserentsorgungseinrichtung. Nachdem frühere Beitragssatzungen an durchgreifenden Rechtsfehlern gelitten hatten, zog er auf der Grundlage seiner - ersten wirksamen - Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 die Klägerin mit Bescheid vom 19. April 2006 zu einem Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in Höhe von 9 091,82 € heran. Die nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt, die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) aufgestellten Grundsätze über die zeitliche Befristung der Festsetzung von Abgaben zum Vorteilsausgleich seien auf die Erhebung von Abwasseranschlussbeiträgen nicht übertragbar. Auch Eigentümern bereits angeschlossener Grundstücke sei erstmalig nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils flössen zudem nur sog. "Nachwendeinvestitionen" ein. Darauf, ob diese die vom klägerischen Grundstück in Anspruch genommenen Anlagenteile erfassten, komme es nicht an; ausreichend sei vielmehr, dass die betreffenden Maßnahmen der erstmaligen Herstellung der Gesamtanlage dienten.

3

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Rechtsprechung der Vorinstanzen sowie die zugrundeliegenden landesrechtlichen Vorschriften ermöglichten eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung zu Beiträgen; dies sei mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Da ihr Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen sei, könne sie nicht zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden. Die Gründung des Beklagten sei kein wirtschaftlicher Vorteil; eine beitragsfähige Verbesserung oder Erweiterung der Einrichtung, die unmittelbar ihrem Grundstück zugutegekommen sei, habe der Beklagte nicht dargelegt. Das vom Berufungsgericht bemühte Gesamtanlagenkonzept trage nicht, wenn - wie vorliegend - kein zusammenhängendes Kanalisationsnetz und keine gemeinsam genutzte Kläranlage existierten; insoweit sei das Urteil auch überraschend. Fehle es damit an einem Vorteil, so handele es sich bei dem vermeintlichen Beitrag um eine verkappte Steuer, für deren Erlass dem Beklagten die Zuständigkeit fehle.

4

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. April 2014 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 13. Juni 2013 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 19. April 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2006 aufzuheben.

5

Der Beklagte verteidigt die angefochtenen Urteile und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verneint einen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Zwar verstößt das angefochtene Urteil insoweit gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit, als es entgegen dem gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) ausführt, der vorgenannte Grundsatz setze der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung keine von den Umständen des Einzelfalls unabhängige zeitliche Grenze. Es stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit schützt davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Er verpflichtet deshalb den Gesetzgeber sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können. Im Rahmen des danach zu schaffenden Ausgleichs zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet aber, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42 ff.).

9

Die vorgenannten Grundsätze gelten für das gesamte Beitragsrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 16 f.; OVG Münster, Urteil vom 30. April 2013 - 14 A 213/11 - juris Rn. 36; VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>; Driehaus, KStZ 2014, 181 <182>; Schmitt, KommJur 2013, 367 <369, 371>). Sie sind damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V - anwendbar. Die hiergegen von den Vorinstanzen vorgebrachten Einwände beziehen sich ausnahmslos auf Umstände, denen das Bundesverfassungsgericht bei seiner gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG bindenden Auslegung von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG entweder von vornherein keine oder eine gegenüber dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nachrangige Bedeutung beigemessen hat. Namentlich die Besonderheit des der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden bayerischen Landesrechts, demzufolge Grundstückseigentümer auch nach Übertragung des Eigentums zu Beiträgen herangezogen werden können, hat in den Entscheidungsgründen keine Berücksichtigung gefunden. Dementsprechend hat das Gericht einen Verzicht auf diese Regelung nicht als Möglichkeit zur Beseitigung des verfassungswidrigen Zustands in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 50). Darüber hinaus hat es ausdrücklich festgestellt, dass der verfassungsrechtlich gebotenen zeitlichen Begrenzung der Heranziehung zu Beiträgen weder ein fehlendes Vertrauen des Bürgers auf seine Nichtberücksichtigung noch das Fortwirken des Vorteils entgegensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 44 f.).

10

2. Dies zugrunde gelegt, genügt § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Grundsatz der Rechtssicherheit nicht. Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht frühestens mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Gemäß § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. § 169 Abs. 2, § 170 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragsschuld entstanden ist. Kann somit ohne eine wirksame Satzung eine Beitragsschuld nicht entstehen und diese deshalb auch nicht verjähren, so setzt das Landesrecht der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch rechtswirksame Satzungen ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, völlig unberücksichtigt.

11

3. Allerdings mussten Grundstückseigentümer aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V bis zum Ablauf des 31. Dezember 2008 mit ihrer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung rechnen. Der Landesgesetzgeber hat damit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zwar nur unvollständig, aber dennoch so weit Rechnung getragen, dass die Träger kommunaler Entsorgungseinrichtungen bis zu diesem Zeitpunkt Herstellungsbeiträge erheben konnten.

12

Da das Berufungsgericht die Anwendbarkeit der vorgenannten Vorschrift offen gelassen hat, kann sie der erkennende Senat gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO selbständig auslegen, obwohl sie nicht zum revisiblen Bundesrecht i.S.d. § 137 Abs. 1 VwGO gehört (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Juni 2002 - 4 CN 4.01 - BVerwGE 116, 296 <300> m.w.N.). Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V endete die Festsetzungsfrist bei der Erhebung eines Anschlussbeitrags nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Hiermit wollte der Gesetzgeber den beitragserhebenden Körperschaften mehr Zeit einräumen, um der sog. Altanschließerproblematik Rechnung tragen zu können (vgl. LT-Drs. 4/1576 S. 77; Abg. Müller, PlProt vom 9. März 2005 S. 2984 f. und Abg. Schulz, ebd. S. 2987). Obschon die Vorschrift unmittelbar nur Anwendung findet, wenn eine wirksame Beitragssatzung bestand und deshalb ein Ablauf der Festsetzungsfrist vor dem Stichtag in Betracht kam, lässt sich ihr erst recht auch für Fälle, in denen - wie vorliegend - noch keine wirksame Beitragssatzung bestand, der Wille des Gesetzgebers entnehmen, eine Beitragserhebung jedenfalls bis zum 31. Dezember 2008 zu ermöglichen (ebenso zum brandenburgischen Landesrecht OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 - juris Rn. 29 und vom 16. Juli 2014 - 9 N 69.14 - juris Rn. 22 f., Urteil vom 14. November 2013 - 9 B 34.12 - juris Rn. 60 f.; hierzu BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 35).

13

Verschaffte § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dem Beitragsschuldner mithin bis zu diesem Stichtag die - vom Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit geforderte - Gewissheit darüber, dass er noch zu einem Beitrag herangezogen werden konnte, so verstößt das Landesrecht allerdings weiterhin insoweit gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, als es damit nur eine Mindest-, nicht aber eine zeitliche Höchstgrenze für eine Beitragserhebung festlegt. Jedenfalls für Beiträge, die nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden, dürfte zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze auch ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG M-V - sowohl im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - BayVBl. 2014, 241 <242>) als auch vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 Rn. 28, 31 ff.) - ausscheiden. Denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 42). Mit diesem Gestaltungsauftrag ist - nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten, jedoch gerade nicht den Verweis auf die Höchstverjährungsfrist einschließenden Lösungsmöglichkeiten wie auch der Unterschiedlichkeit der in einzelnen Ländern erlassenen und zudem deutlich kürzeren Ausschlussfristen - der schematische Rückgriff auf § 53 Abs. 2 VwVfG M-V wohl unvereinbar, zumal die Vorschrift gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG M-V nicht für Verfahren gilt, die - wie vorliegend - nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Einer verfassungskonformen Auslegung des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (so zu § 22 Abs. 1 SächsKAG: OVG Bautzen, Beschluss vom 25. April 2013 - 5 A 478/10 - juris Rn. 8 ff., sowie zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NW: OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - NVwZ-RR 2000, 535 <536 f.>), steht schließlich der Wortlaut der Vorschrift wie auch § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V entgegen.

14

Bezieht sich die verbleibende Ungewissheit mithin nur auf die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Bürger nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen muss, so lässt der hierin liegende Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG die in § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V getroffene Übergangsregelung unberührt. Auch wenn diese in erster Linie dem Interesse der beitragserhebenden Körperschaften diente, trug sie doch dazu bei, dass die hiervon betroffenen Beitragsschuldner über die Möglichkeit der Beitragserhebung nicht "dauerhaft im Unklaren" (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 45) waren, sondern vielmehr die Gewissheit hatten, dass sie jedenfalls bis zum Ablauf der darin genannten Frist mit der Heranziehung zu Anschlussbeiträgen rechnen mussten. Zudem unterliegt es - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 139 BGB (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <333>) - angesichts der gesetzgeberischen Intention, einen zeitlichen Spielraum für die Lösung insbesondere der sog. Altanschließerproblematik zu schaffen, keinem Zweifel, dass der Gesetzgeber, wäre er sich der Notwendigkeit einer weitergehenden Regelung bewusst gewesen, eine gesetzliche Ausschlussfrist nicht vor dem 31. Dezember 2008 hätte enden lassen. Damit wirkt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit erst auf den Zeitraum nach Ablauf der vorgenannten Übergangsfrist und folglich nicht auf Bescheide aus, die zuvor erlassen wurden.

15

4. Die Zeitdauer zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Heranziehung zu Beiträgen bis zum 31. Dezember 2008 war für die Vorteilsempfänger zumutbar.

16

Bei dem Begriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bindungen - nicht revisiblen Begriff (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu DDR-Zeiten angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, dass Herstellungsbeiträge nur für nach der Wiedervereinigung entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Bundesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses an das Abwassersystem ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit Blick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine Vorteilslage entstanden, stimmt damit überein.

17

Die demnach rund 18-jährige Zeitspanne, innerhalb derer gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Schmutzwasserbeseitigung jedenfalls möglich war, überschreitet die Grenze des verfassungsrechtlich Zumutbaren nicht. Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) nicht entschieden, schon eine 12-jährige Dauer verletze den Grundsatz der Rechtssicherheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. September 2014 - 9 B 22.14 - juris Rn. 37). Der Verfassungsbeschwerde wurde nicht wegen der im konkreten Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb stattgegeben, weil das bayerische Landesrecht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmte. Für deren Festlegung steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143 Rn. 46). Angesichts der besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung, welche nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben wie einem grundlegenden Verwaltungsumbau, der Herstellung kommunaler Strukturen einschließlich der notwendigen Rechtsgrundlagen sowie der Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur geprägt waren, wahrt § 12 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 KAG M-V die Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens.

18

5. Widerspricht mithin die Heranziehung zu Abwasserbeiträgen bis zum 31. Dezember 2008 nicht dem Gebot der Rechtssicherheit, so ist der angefochtene Bescheid auch nicht aus anderen Gründen rechtswidrig.

19

a) Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht seiner Prüfung die Beitrags- und Gebührensatzung des Beklagten vom 3. Dezember 2004, statt in ihrer ursprünglichen, in der erst während des laufenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen Fassung vom 9. Dezember 2013 zugrunde legen durfte. Zwar berücksichtigt die letztgenannte Fassung die Vereinigung der vormals fünf getrennten öffentlichen Einrichtungen zu einer Einrichtung, die mit der am 1. Januar 2008 - und somit nach Entstehung der Beitragsschuld - in Kraft getretenen Dritten Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung des Beklagten vom 21. Mai 2001 - AES - erfolgte. Hierdurch erhöhte sich aber der Beitragssatz nur für die in der vormaligen Zone III gelegenen Grundstücke, nicht jedoch für die Grundstücke, die - wie dasjenige der Klägerin - der Zone IV angehörten.

20

b) Deren Einwand, an den Anlagenteilen, die von ihrem Grundstück aus genutzt würden, seien keine Maßnahmen durchgeführt oder geplant worden, welche die Heranziehung zu einem Herstellungsbeitrag rechtfertigten, wohingegen Verbesserungen anderer Anlagenteile, die mit dem für die Abwasserentsorgung ihres Grundstücks erforderlichen Anlagenteil nicht leitungsmäßig verbunden seien, keinen wirtschaftlichen Vorteil für sie bedeuteten, begründet keinen Verstoß gegen Bundesrecht.

21

Insoweit hat das Berufungsgericht das nicht revisible Landesrecht dahingehend ausgelegt, dass es dem Beklagten unabhängig von einer leitungsmäßigen Verbindung oder der gemeinsamen Nutzung einzelner Anlagenteile ein Organisationsermessen einräumt, ob er die Abwasseranlagen als eine oder als mehrere Einrichtungen betreibt. Dem landesrechtlichen Vorteilsbegriff werden bundesrechtlich durch den Gleichheitssatz und das Äquivalenzprinzip nur sehr weite Grenzen gezogen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. September 1995 - 8 C 16.94 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 35 S. 2, Beschlüsse vom 30. April 1996 - 8 B 31.96 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 37 S. 5 f. und vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Insbesondere setzt die Annahme eines (Sonder-)Vorteils nicht die Existenz eines "funktionalen Zusammenhangs" zwischen der abgerechneten Anlage und dem beitragsbelasteten Grundstück voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 u.a. - NVwZ 2014, 1448 Rn. 54). Danach sind die Grenzen dieses Ermessens erst überschritten, wenn die zu einer Anlage zusammengefassten, technisch voneinander unabhängigen Teile in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass ihre Vergleichbarkeit schlechterdings ausgeschlossen und ihre Zusammenfassung daher willkürlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juli 1978 - 7 B 118.78 u.a. - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 S. 46; OVG Münster, Urteil vom 17. November 1975 - 2 A 203/74 - juris Rn. 3, 15 f.; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 1989 - 9 L 3/89 - NVwZ-RR 1990, 507 f.; OVG Schleswig, Urteil vom 24. September 2008 - 2 LB 2/08 - juris Rn. 33 f.). Anhaltspunkte für eine derartige Verschiedenheit der Anlagenteile hat die Klägerin weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich; insbesondere gehören Grundstückskläranlagen und abflusslose Gruben - die mit einer zentralen Schmutzwasserbeseitigung nicht vergleichbar sind und daher nicht mit dieser zusammengefasst werden können (OVG Schleswig, Urteil 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 - juris Rn. 45 f.) - gemäß § 2 Abs. 4 AES nicht zu den öffentlichen Abwasseranlagen, für welche die Klägerin zu Beiträgen herangezogen wird.

22

c) Des Weiteren verstößt die dem Bescheid zugrundeliegende Globalkalkulation nicht gegen revisibles Recht. Zum Kommunalabgabenrecht des Landes hat das Berufungsgericht ausgeführt, die Globalkalkulation beinhalte Prognosen, weshalb Pauschalierungen und Schätzungen zulässig seien; eine "millimetergenaue" Ermittlung von Aufwand und Flächen sei daher von vornherein ausgeschlossen. Zu dem von der Klägerin erhobenen Einwand, die Berechnung sei fehlerhaft, weil sie zu Unrecht Aufwendungen in der Gemeinde Z. berücksichtige, hat das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, denen zufolge nicht ersichtlich ist, dass die betreffende Prognose bereits bei der Kalkulationserstellung unzutreffend gewesen ist, und denen zufolge sich das Vorhaben aufgrund des Anteils von nur 1,12 v.H. der Gesamtherstellungskosten und wegen des gedeckelten Beitragssatzes nicht auf dessen Höhe ausgewirkt hat. Dies lässt keinen Verstoß gegen Bundesrecht erkennen.

23

d) Eine Verletzung des vom Eigentumsgrundrecht umfassten (vgl. Senatsurteil vom 25. Mai 2011 - 9 A 15.10 - ZfB 2011, 188 Rn. 18) Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen scheidet - ungeachtet der Frage, ob sich die Klägerin als im (Mit-)Eigentum kommunaler Gebietskörperschaften stehende juristische Person des Privatrechts auf Art. 14 GG berufen kann (hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 7. Juni 1977 - 1 BvR 108/73 u.a. - BVerfGE 45, 63 <79 f.> und vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80 - BVerfGE 61, 82 <105>; BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2013 - 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 22) - bereits deshalb aus, weil die Abgabenpflicht grundstücksbezogen ist, sich mithin nicht gegen den Betrieb als solchen richtet, und es daher an der Betriebsbezogenheit des Eingriffs (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 187/10 - BGHZ 192, 204 Rn. 31) fehlt.

24

6. Schließlich erweist sich das angefochtene Urteil nicht als verfahrensfehlerhaft.

25

Der Einwand, das Berufungsgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, indem es die Globalkalkulation der Beklagten keiner vollständigen Überprüfung unterzogen habe, verkennt, dass Kalkulationen von Abgabensätzen gerichtlich in aller Regel nur insoweit zu überprüfen sind, als substantiierte Einwände dagegen erhoben wurden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <197>). Derartige Einwände hat die Klägerin nur hinsichtlich der kalkulatorischen Berücksichtigung der Kläranlage in Z. geltend gemacht; diese hat das Verwaltungsgericht geprüft, ist ihnen jedoch in der Sache nicht gefolgt. Damit hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren ebenso wenig substantiiert auseinandergesetzt wie mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur rechnerischen Behandlung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke, sondern hat es bei einer Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags belassen. Dieses wie auch das weitere Vorbringen gegen die Beitragsberechnung erschöpfte sich jedoch in pauschalen Einwänden und in Mutmaßungen. Dass sich dem Berufungsgericht eine weitergehende Ermittlung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen, ist daher weder ersichtlich noch von der Revision dargelegt. Einen Beweisantrag hat die Klägerin nicht gestellt. Deren Einwand, für ein substantiierteres Vorbringen hätten ihr die erforderlichen Informationen gefehlt, berücksichtigt nicht die in § 12 Abs. 4 KAG M-V getroffene Regelung. Danach ist den Beitragspflichtigen auf Verlangen Einsicht in die der Abgabenfestsetzung zugrundeliegenden Kalkulationen zu gewähren, soweit diese Gegenstand der Beschlussfassung u.a. nach § 22 Abs. 3 Nr. 11 KV M-V waren. Da den Verbandsvertretern des Beklagten die gesamten Kalkulationsunterlagen zur Verfügung standen (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 4 K 31/06 - juris Rn. 45), hätte sich auch die Klägerin die maßgeblichen Informationen verschaffen können.

26

Soweit sie darüber hinaus einen Verstoß gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs und gegen die Aufklärungspflicht für den Fall rügt, dass das Berufungsgericht das Gesamtanlagenprinzip dahin verstanden hat, dass ein zusammenhängendes Abwasserkanalisationsnetz zwischen allen im Zweckverband zusammengeschlossenen Gemeinden oder ein gemeinsam genutztes Klärwerk existiert, liegt gleichfalls kein Verfahrensfehler vor. Hierauf kam es nach dem materiellen Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts ebenso wenig an wie auf die Frage, ob gerade zu den Liegenschaften der Klägerin neue Anschlussleitungen verlegt oder ob die von dort in Anspruch genommenen Leitungen in einem einer Herstellung gleichkommenden Maße erneuert wurden. Auch insofern bedurfte es daher keiner weiteren Ermittlungen durch das Berufungsgericht.

27

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Tenor

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 € (in Worten: fünfzigtausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 16.000 € (in Worten: sechzehntausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Festsetzung der Gegenstandswerte beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG.

2

Für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung orientiert sich der Gegenstandswert an dem Streitwert in den verwaltungsgerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Für das Verfassungsbeschwerdeverfahren führt die objektive Bedeutung der Sache zu einer Werterhöhung.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag. Sie sind Eigentümer des bebauten Grundstücks gemäß Rubrumsadresse, bestehend aus dem 490 m² großen Flurstück, Gemarkung A-Stadt.

2

Die Anschlussbeitragserhebung durch den Beklagten unterlag hinsichtlich ihrer satzungsmäßigen Rechtsgrundlage in der Vergangenheit folgender Entwicklung:

3

Vom 06. November 1992 datiert als erste entsprechende Satzung die Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband). Am 24. Juni 1993 wurde nachfolgend die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung ausgefertigt und am 19. August 1993 (Regionalteile der „Schweriner Volkszeitung“) bzw. 22. März 1999 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 241) bekannt gemacht. Zu dieser Satzung folgten zwischen 1993 und 1995 vier Nachtragssatzungen, denen gemein war, dass auf der Flächenseite der Kalkulation Grundstücke von sog. „Altanschließern“ unberücksichtigt geblieben waren.

4

Mit der Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 13. März 1997 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern 1999, S. 248) unternahm der Zweckverband erneut den Versuch, eine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitrags- und Gebührenerhebung zu schaffen. Im Zeitraum zwischen 1997 und 1999 ergingen hierzu eine Ergänzungs- und zwei Änderungssatzungen. Nachdem das Verwaltungsgericht Schwerin u. a. mit Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – die Unwirksamkeit der Satzung vom 13. März 1997 angenommen hatte, weil die in den Regelungen zum Beitragssatz enthaltene Differenzierung zwischen erstmalig angeschlossenen und Grundstücken, die bereits vor Inkrafttreten der Satzung (teilweise) angeschlossen waren, gleichheitswidrig gewesen sei, beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes am 15. Februar 2001 die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (Beitrags- und Gebührensatzung), die am 21. Mai 2001 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 18. Juni 2001 (Amtlicher Anzeiger Nr. 29, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 671) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2001 in Kraft trat. Mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03. Juli 2002 – 4 K 35/01 – wurde diese Satzung rechtskräftig für nichtig erklärt (mit Ausnahme der Bestimmungen über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Entsorgung von Niederschlagswasser und über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Entsorgung von Niederschlagswasser <"Benutzungsgebühr B"> sowie des § 16, hinsichtlich derer der Antrag abgelehnt wurde).

5

Die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 27. März 2002 (Satzungsbeschluss v. 18.03.2002, Amtlicher Anzeiger Nr. 16, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 541), zu der in der Folgezeit noch eine Änderungssatzung erging, betrachteten das Verwaltungsgericht Schwerin (Urt. v. 23.08.2012 – 4 A 1149/12 –) bzw. der Beklagte selbst wegen einer Nichtberücksichtigung sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenfalls als unwirksam.

6

Am 2. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 (Nr. 52, S. 1513) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Unter dem 16. November 2005 wurde hierzu die 1. Änderungssatzung beschlossen (am 23. November 2005 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 54 vom 12. Dezember 2005, S. 1606, öffentlich bekannt gemacht), mit der im Wesentlichen die Vorschriften über die Beitragserhebung für die öffentliche Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung gestrichen wurden. Mit der am 5. Dezember 2007 beschlossenen 2. Änderungssatzung (am 12. Dezember 2007 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 52 vom 27. Dezember 2007, S. 1577, öffentlich bekannt gemacht) wurde im Wesentlichen ein einheitlicher Beitragssatz in Höhe von 12,51 EUR geregelt. Die am 19. November 2009 beschlossene 3. Änderungssatzung (am 1. Dezember 2009 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 50 vom 14. Dezember 2009, S. 1243, öffentlich bekannt gemacht) betraf im Wesentlichen die gebührenrechtlichen Vorschriften des § 12.

7

Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – erklärte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 (BGS 04) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 23. November 2005, der 2. Änderungssatzung vom 12. Dezember 2007 und der 3. Änderungssatzung vom 1. Dezember 2009 (nur) hinsichtlich der Regelung des § 7 Satz 1 für unwirksam.

8

Am 04. Dezember 2013 beschloss die Verbandsversammlung schließlich die Vierte Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (am 09. Dezember 2013 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 51, S. 855, öffentlich bekannt gemacht). Die Änderung betrifft § 7 Satz 1 BGS und im Übrigen gebührenrechtliche Vorschriften.

9

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheidnummer B) zog der Beklagte die Kläger zu einem Anschlussbeitrag für das oben bezeichnete Grundstück in Höhe von 1.532,48 EUR heran.

10

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 06. Juni 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006, zugestellt am 30. August 2006, zurückwies.

11

Am 29. September 2006 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Schwerin (zunächst unter dem Aktenzeichen 4 A 1803/06) Klage erhoben. Die zwischenzeitliche Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. August 2012 aufgehoben. In diesem Zuge hat das Verfahren das Az. 4 A 1280/12 erhalten.

12

Die Kläger haben im Wesentlichen vorgetragen,

13

ihr Grundstück sei bereits vor dem 3. Oktober 1990 an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Ein Beitrag für die Herstellung der Abwasseranlagen könne nicht erhoben werden. Der Zweckverband habe das vorhandene und funktionierende Abwassernetz, das von den Bürgern der DDR bezahlt worden sei, übernommen. Ihre Inanspruchnahme verstoße deshalb auch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot. Unklar sei außerdem, für welche Investitionen die Beiträge erhoben werden sollen. Es werde bestritten, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Ihre Inanspruchnahme verstoße gegen § 242 Abs. 9 BauGB. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass für Altanschlüsse keine Erschließungskosten mehr erhoben werden dürften, sei hier entsprechend anzuwenden. Der Anspruch des Beklagten sei verwirkt. Die Kläger seien über gute 15 Jahre nicht in Anspruch genommen worden. Es seien lediglich Beiträge von „Neuanschließern“ erhoben worden. Der Zweckverband habe damit Umstände geschaffen, aufgrund derer die Kläger darauf hätten vertrauen dürfen, nach so langer Zeit nicht noch mit Beiträgen belastet zu werden. Durch die Beitragserhebung würden einzelne Anlieger in unzumutbarer Art und Weise belastet. Als milderes Mittel hätten die Kosten über die jährlich zu erhebenden Gebühren umgelegt werden können.

14

Die Kläger haben beantragt,

15

den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006, Bescheidnummer B…., und seinen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 aufzuheben.

16

Der Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Er hat auf seine Ausführungen in den Verfahren des Verwaltungsgerichts Schwerin zu den Az. 4 A 1798/02 und 4 A 1799/02 sowie auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Das Grundstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich und sei weniger als 45 m tief.

19

Mit dem angefochtenen Urteil vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; zugleich hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

20

Der Bescheid vom 19. Mai 2006 sei – ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 – rechtmäßig und insbesondere materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die ihm zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der maßgeblichen Fassung der 2. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg - vom 12. Dezember 2007 (im Folgenden: BGS) sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlich zu beanstanden. Zur Rechtmäßigkeit des beitragsrechtlichen Teils der Satzung werde insoweit zunächst auf die Ausführungen in dem rechtskräftigen Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – hingewiesen. Ergänzend sei auszuführen, dass die Entstehung der Beitragspflicht (mit der Anschlussmöglichkeit) in der Satzung zwar für Grundstücke im Außenbereich nach § 35 BauGB vordergründig nicht korrekt beschrieben werde. Im Zusammenspiel mit der entsprechenden Regelung im Beitragsmaßstab (§ 4 Abs. 3 Buchst. h BGS) werde jedoch hinreichend verdeutlicht, dass die bloße Anschlussmöglichkeit eines Grundstücks im Außenbereich gerade noch nicht die sachliche Beitragspflicht entstehen lasse, sondern erst der vorgenommene Anschluss.

21

Die Satzung bestimme auch unmissverständlich, dass bei einem Konflikt zwischen einer beitragssatzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung und einer gemeindlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB für die Bestimmung der der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Grundstücksfläche allein die gemeindliche Satzung maßgebend sein soll. Diese Vorrangregelung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

22

Mit der späteren anschlussbeitragsrechtlichen Nichtberücksichtigung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke sei auch die (damals unverändert gebliebene) Globalkalkulation nicht rechtswidrig geworden. Die Kläger hätten insoweit keine Einwände erhoben. Die Beitragskalkulation gebe, soweit sie von anderen Klägern substantiiert angegriffen worden sei, keinen Anlass zu Beanstandungen. Insoweit werde etwa auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in dessen Urteil vom 12. Oktober 2011 verwiesen. Soweit die Kläger bestreiten würden, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass sie zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien, gehe dies „ins Blaue“. Es sei ferner nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband zunächst mehrere (fünf) öffentliche Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betrieben habe. Im Übrigen betreibe er zum 1. Januar 2008 nur noch eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung von Schmutzwasser (Art. 1 Ziff. 1 der 3. Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung und Art. 1 Ziff. 1 der 2. Änderungssatzung der Beitrags- und Gebührensatzung, jeweils vom 12. Dezember 2007). Die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse zur (hier) schlichten Tiefenbegrenzung sei ordnungsgemäß erfolgt. Ob die Fortschreibung der Globalkalkulation nach Ablauf ihres (bisherigen) Kalkulationszeitraums nach dem Jahre 2010 erforderlich sei, spiele für das vorliegende Verfahren keine Rolle, da die hier zugrunde liegende Globalkalkulation, auf der der vorliegende Beitragsbescheid beruhe, rechtlich nicht zu beanstanden sei.

23

Soweit die Kläger die sog. „Altanschließer-Rechtsprechung“ des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern kritisierten, der sich das Verwaltungsgericht bereits in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen habe, könne dem nicht gefolgt werden. Da der Zweckverband nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen zur Schmutzwasserentsorgung geschaffen habe, müsse ein Herstellungsbeitrag erhoben werden, und zwar sowohl von den sog. „Altanschließern“ mit faktischem Kanalnetzanschluss schon zu DDR- oder noch weiter zurückliegenden Zeiten als auch von den Eigentümern „neu“ an das Kanalnetz angeschlossener/anschließbarer Grundstücke. Denn allen angeschlossenen bzw. an die öffentliche Einrichtung anschließbaren Grundstücken werde erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sei ebenfalls geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften beziehe. Selbst wenn die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger im Hinblick auf das streitbefangene Grundstück während der Existenz der DDR für den Anschluss des Grundstücks Gebühren o. Ä. – ein Nachweis dafür sei nicht vorgelegt worden – gezahlt haben sollten, könne es nach der Wende zu einem Herstellungsbeitrag nach dem Kommunalabgabengesetz herangezogen werden.

24

Den Ausführungen der Kläger zu § 242 Abs. 9 BauGB bzw. einer analogen Anwendung dieser Vorschrift sei ebenfalls nicht zu folgen. Vorliegend werde kein Erschließungsbeitrag für Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB erhoben, sondern ein Anschlussbeitrag nach § 9 KAG M-V. Kommunalabgabenrechtliche Anschlussbeiträge aufgrund der Herstellung einer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterfielen nicht der Vorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB.

25

Dem angegriffenen Bescheid selbst hafte ebenfalls kein materieller Fehler an. Der Beitrag sei insbesondere nicht in seiner Festsetzung verjährt. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht setze sowohl nach dem neuen als auch nach dem alten Kommunalabgabengesetz (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.) eine wirksame Beitragssatzung voraus. Erst mit ihrer Existenz beginne die vierjährige Festsetzungsfrist zu laufen (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO). Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Festsetzungsfrist für die Erhebung eines Anschlussbeitrages erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung beginne. Diese Rechtsprechung habe der Landesgesetzgeber in der Neuregelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V ausdrücklich bestätigt. Die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Satzung vom 03. Dezember 2004 über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Die Satzung vom 27. März 2002 sei wegen Nichtbeachtung der sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenso unwirksam gewesen wie die Satzung vom 23. Mai 2001. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des streitigen Anschlussbeitrags lägen nicht vor.

26

Die der Satzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht, auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –. Zunächst handele es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es komme hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gebe es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setze die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung sei damit ausgeschlossen.

27

Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 entsprechend der seit 1999 ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu der Vorläuferregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 klargestellt bzw. präzisiert, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können. Auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde seitens des Verwaltungsgerichts an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Regelung widerspreche nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterschieden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 BayKAG zusammenfalle. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern sei nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts – an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpfe, sei deshalb nicht möglich. Eine dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung sei in § 9 Abs. 3 KAG M-V auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt sei. Eine derartige Regelung gebiete das Verfassungsrecht nicht. Dabei sei zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig mache, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage sei bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Schließlich sei im Hinblick auf eine „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender sei als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage sei weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. Unter diesen Rahmenbedingungen könne eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine „Verflüchtigung“ komme erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, ab dem die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen sei dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich sei es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gegeben habe. Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung möge sich im Einzelfall ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte – nach Abschluss des in gemeindlicher Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben sei. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze sei für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

28

Das Urteil ist den Klägern am 21. Juni 2013 zugestellt worden.

29

Am 17. Juli 2013 haben die Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und am 13. August 2013 beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 23. September 2013 haben sie am 18. September 2013 nochmals beantragt, die Frist bis zum 15. Oktober 2013 zu verlängern. Nach entsprechender Verlängerung haben die Kläger mit am 11. Oktober 2013 eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung dann begründet.

30

Die Kläger tragen im Wesentlichen vor,

31

das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der angefochtene Bescheid sowie der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Eine mit dem angefochtenen Bescheid abgerechnete Neuherstellung der Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung liege nicht vor. Das Grundstück der Kläger sei bereits vor dem 03. Oktober 1990 im damaligen Beitrittsgebiet an eine bestehende Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Folglich sollten sie als Grundstückseigentümer im vorliegenden Fall zweimal für eine Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bezahlen. Das Verwaltungsgericht hätte erkennen müssen, dass die Erhebung des Beitrages zu einer unzulässigen Doppelbelastung der Eigentümer führe, da der Beklagte ein bestehendes Kanalnetz übernommen habe, welches bereits zu DDR-Zeiten über die Bevölkerung finanziert worden sei. Sie seien als Grundstückseigentümer mit ihrem Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, ein zweites Mal für die bereits vorhandene Anlage zahlen zu müssen. Sie hätten vielmehr darauf vertrauen dürfen, für die Herstellungskosten nicht mehr herangezogen zu werden, und sich auch auf die Einreden der Verjährung und der Verwirkung berufen.

32

Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung gebe überdies selbst auch keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages gegenüber den Klägern. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht nicht entstehen. Soweit § 3 regele, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen seien. Eine anderweitige Auslegung würde gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung in § 242 Abs. 9 BauGB. Die Kläger bestreiten, dass die Beiträge durch eine entsprechende Aufwandsinvestition gerechtfertigt seien. Ebenso werde bestritten, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Das Verwaltungsgericht hätte diesem Bestreiten der Kläger nachgehen müssen. Die Berechnung des Beklagten könne von außenstehenden Laien kaum nachvollzogen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verkenne zudem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BVR 2057/08 –. Hier sei ausgeführt worden, dass sogenannte Altanschließer geschützt werden müssten und nicht unbegrenzt die Möglichkeit bestehe, weitere Abgaben zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht verlange, dass soweit Beitragspflichten zum Vorteilsausgleich an zurückliegende Tatbestände anknüpften, diese Inanspruchnahme zeitlich begrenzt sein müsse. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete demnach, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger bereits vor dem 03. Oktober 1990 für die Schmutzwasserbeseitigung gezahlt. Sie hätten daher nicht damit rechnen müssen, dass sie im Jahr 2006 plötzlich zu Beiträgen herangezogen würden. Die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstießen gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V. Da letztere keine zeitliche Begrenzung für sogenannte Altfälle vorsehe, seien sie und damit auch entsprechende Satzungen rechtswidrig. Auch dem Argument des Verwaltungsgerichts, wonach sich die hiesigen Regelungen und die des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes dadurch unterscheiden würden, dass das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflichten nach Artikel 5 Abs. 6 Bayerisches KAG zusammenfallen würden und nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige sei, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht erfülle, könne insoweit nicht gefolgt werden. Die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern ermöglichten, dass quasi ohne zeitliche Begrenzung für Altfälle noch Beiträge erhoben werden könnten. § 9 Abs. 3 KAG M-V sei eine dem Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung, als dort keine starre äußerste zeitliche Grenze für das Entstehen der Beitragspflicht geregelt sei.

33

Die Kläger beantragen,

34

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin Az: 4 A 1280/12 vom 16.04.2013 den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19.05.2006 (Bescheid-Nr. B…) und seinen Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006 aufzuheben.

35

Der Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Der Beklagte trägt vor,

38

die Beitragserhebung sei gegenüber den Klägern auch mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – rechtlich zulässig. Die rechtliche Struktur der Bestimmungen des § 9 Abs. 3 KAG M-V sowie des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc) Spiegelstrich 2 BayKAG sei erkennbar verschieden. In Bayern habe ein ursprünglicher Grundstückseigentümer noch jahrzehntelang zu einem Beitrag herangezogen werden können, auch wenn er etwa das Grundstück bereits verkauft gehabt und sich so der Vorteil in der Tat „verflüchtigt“ habe. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen werde stets der aktuelle Grundstückseigentümer herangezogen, der den Vorteil des erschlossenen Grundstücks gerade noch innehabe. In rechtlicher Hinsicht sei die Situation in Mecklenburg-Vorpommern vergleichbar mit derjenigen sogenannter „verhaltener Ansprüche“, etwa Arzt- oder Architekten-Honorarforderungen, die auch erst entstehen bzw. fällig würden, wenn eine entsprechende Rechnung gestellt werde. So wie dort genüge auch im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern das Rechtsinstitut der Verwirkung, um unbillige oder rechtsstaatlich unter dem Blickpunkt der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu rechtfertigende Einzelfälle zu korrigieren. Ergänzend komme die vom Bundesverfassungsgericht nicht gesehene Regelung des § 162 BGB analog hinzu, wonach ein Bedingungseintritt nicht treuwidrig verzögert werden dürfe. Dieser Rechtsgrundsatz relativiere die Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht gegen das Argument, das Rechtsinstitut der Verwirkung sei ausreichend, vorgebracht habe. Auch die Regelungen zur sachlichen und persönlichen Billigkeit dürften ergänzend eine Rolle spielen. Denn diese unbestimmten Rechtsbegriffe ließen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zu, dass erhobene Beiträge nach „Verflüchtigung“ des Vorteils nicht mehr beigetrieben werden könnten, da dies sachlich unbillig wäre.

39

Ergänzend sei von Bedeutung, dass sich der Vorteil durch das Erschlossensein durch eine leitungsgebundene Einrichtung nicht so schnell „verflüchtige“, wie das Bundesverfassungsgericht unterstelle. Die öffentliche Einrichtung mit ihren technischen Anlagen solle quasi „ewig“ vorgehalten werden. Die technischen Anlagen hätten typischerweise auch Nutzungsdauern von mehreren Jahrzehnten, die zudem durch Instandsetzungen und Erneuerungen noch verlängert würden. § 9 Abs. 3 KAG M-V wäre jedenfalls etwa dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die sachliche Beitragspflicht unabhängig von einer wirksamen Satzung entstehe, wenn die öffentliche Einrichtung endgültig hergestellt worden sei, also mit Umsetzung des jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzeptes eines Abwasserentsorgers in Bezug auf technische Anlagen, die zu den jeweiligen öffentlichen Einrichtungen gehörten. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe mit Urteil vom 14. November 2013 – 9 B 34.12 – die mit § 9 Abs. 3 KAG M-V vergleichbare Regelung im KAG Brandenburg verfassungskonform interpretiert. Es habe den vom Bundesverfassungsgericht betonten weiten Gestaltungsspielraum herangezogen und es für ausreichend erachtet, dass § 12 Abs. 3a KAG Brandenburg grundsätzlich für Altanschließer normiert habe, dass die Festsetzungsfrist frühestens am 31. Dezember 2011 ende. Es habe dabei zutreffend auf die Besonderheiten im Gebiet der ehemaligen DDR beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung abgestellt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – verfassungskonform zu Erschließungsbeiträgen entschieden, dass diese ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen analog der 30-jährigen Verjährungsregel des dortigen Art. 53 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG verjährten.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, auf die Gerichtsakten in den Parallelverfahren Az. 1 L 139/13 und 1 L 140/13 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Gerichtsakten bzw. Beiakten zu Gerichtsakten, die sämtlich jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ferner auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

42

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist; der Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheid-Nr. B…) und sein Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

43

Der Beitragsbescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (A.); auch die Rechtsanwendung des Beklagten ist nicht zu beanstanden (B.).

44

A. Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-​Vorpommern (KAG M-​V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-​V). Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Satzung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband) über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der während des laufenden gerichtlichen Verfahrens maßgeblich gewordenen Fassung der Vierten Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 09. Dezember 2013 (im Folgenden: BGS) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

45

Die Rüge der Kläger, die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung des § 242 Abs. 9 BauGB, dringt nicht durch. Der Senat hat bereits entschieden, dass diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich sein kann, weil sie ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung vor allem von Straßen regelt, um die es aber hier nicht geht (vgl. – auch zum Folgenden – Beschl. v. 06.02.2007 – 1 L 295/05 –, NordÖR 2007, 433; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris). Auch die von den Klägern begehrte analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht; ebenso wenig war der Landesgesetzgeber verpflichtet, für die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen eine entsprechende Regelung zu treffen. Das Vorbringen der Kläger lässt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB und den Kanalanschlussbeiträgen außer Acht. Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB (zumeist öffentliche Straßen und Plätze) sind einzelne technische Einrichtungen mit bis zu ihrer endgültigen Herstellung von der Errichtung weiterer technischer Anlagen unabhängiger überschaubarer Bauzeit, die naturgemäß in dem Zeitraum vor der Wende ihren Abschluss finden konnten. In diesem Falle sollen die Anliegergrundstücke nicht mit hohen Erschließungsbeiträgen, sondern wegen des dann höheren Gemeindeanteils nur mit niedrigeren Straßenbaubeiträgen belastet und insoweit privilegiert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2007 – 9 C 5.06 –, juris, Rn. 27). Eine völlige Freistellung von Beiträgen ist demzufolge nicht geregelt. Bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung handelt es sich um eine aus verschiedenen einzelnen technischen Bestandteilen (Leitungsnetz, Klärwerke, etc.) bestehende Gesamtanlage im rechtlichen Sinne, deren (erstmalige) Herstellung sich über Jahrzehnte erstrecken kann und deren Fertigstellungszeitpunkt als kommunale Anlage im Sinne des neuen Rechts nicht vor dem Zeitpunkt des Beitrittes liegen konnte (vgl. dazu näher nachfolgend unter B II 3 a). Infolgedessen waren Abwasserbeseitigungseinrichtungen vor dem Zeitpunkt des Beitritts noch nicht „bereits hergestellt“. Selbst wenn man das im Einzelfall aber annehmen wollte, müssten nach dem § 242 Abs. 9 BauGB zugrundeliegenden Gedanken (keine gänzliche Freistellung von Beiträgen) auch nunmehr Erneuerungsbeiträge für die umfangreichen Anlagenmodernisierungen erhoben werden. Weil jedoch ohnehin nur „Nachwendeinvestitionen“ als dem Betreiber der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage entstandener Aufwand umgelegt werden dürfen, wäre der danach zu erhebende Beitrag auch nicht geringer als der Beitrag für die Herstellung der Anlage. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund angenommen, eine analoge Anwendung von § 242 Abs. 9 BauGB scheide bereits mangels planwidriger Lücke aus. Die Kläger haben gegen dessen an die Senatsrechtsprechung anknüpfenden Erwägungen im Berufungsverfahren keine substantiellen Einwände erhoben.

46

Die von den Klägern betreffend den vom Zweckverband getätigten Aufwand bzw. die Beitragskalkulation erhobenen Einwendungen gehen „ins Blaue“. Auch wenn die Kläger insoweit Laien sein mögen, konnten sie jedenfalls mit Hilfe ihrer Prozessbevollmächtigten die entsprechenden Unterlagen des Zweckverbandes sichten und hätten dann ggf. substantielle Rügen erheben können (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris). Im Übrigen sind nach Maßgabe des vorstehend zitierten Urteils bei einer Sichtung der Kalkulation durch den 4. Senat keine Kalkulationsmängel offen zu Tage getreten; diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an.

47

Weitere Rügen unmittelbar gegen die Wirksamkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzung sind von den Klägern im Berufungsverfahren nicht erhoben worden; im Übrigen verweist der Senat in dieser Frage auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 130b Satz 2 VwGO).

48

B. Die Kläger sind unter Zugrundelegung der Beitragssatzung (I.) und auch im Übrigen II.) rechtmäßig zur Beitragszahlung herangezogen worden.

49

I. Entgegen dem Berufungsvorbringen unterliegen sie zunächst der Beitragspflicht nach Maßgabe von § 3 BGS.

50

Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 3 Satz 1 BGS, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann. Für Grundstücke, die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Satzung bereits angeschlossen sind, entsteht die Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten dieser Satzung (Satz 2).

51

Die Kläger machen in Ansehung dieser Bestimmung zu Unrecht geltend, sie gebe ihnen gegenüber keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entstehen. Soweit sich die Beitragssatzung in § 3 ferner darauf berufe, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen wären.

52

Auch diesem Vortrag der Kläger vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des 1. und – früheren – 4. Senats betreffend die sog. Altanschließerproblematik (vgl. etwa Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris), auf die sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich stützt, kann und darf eine kommunale Anschlussbeitragssatzung nicht die schon in der Vergangenheit, insbesondere zur Zeit der DDR tatsächlich an eine Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücke von der Beitragspflicht ausnehmen und nur neu an die Anlage angeschlossene Grundstücke zu Beiträgen heranziehen. Dies wäre willkürlich. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Im Übrigen ist der Regelung des § 3 Satz 1 BGS offensichtlich immanent, dass sie eine Anschlussmöglichkeit unter ihrer Geltung zum Gegenstand hat: Ohne wirksame satzungsrechtliche Regelung zur Entstehung der Beitragspflicht könnte die Beitragspflicht gerade nicht entstehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V); Bedingung der Entstehung der Beitragspflicht ist folglich die Existenz einer wirksamen Satzung. Nur dieses Normverständnis harmoniert mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. der vorher schon existierenden Rechtslage. Mangels Geltung der Satzung zu DDR-Zeiten konnte folglich auch nicht früher schon die sachliche Beitragspflicht entstanden sein; ebenso verbietet sich von Verfassungs wegen ein Normverständnis dahingehend, dass ab Inkrafttreten der Satzung nur zukünftig anschließbare Grundstücke der Beitragspflicht („Neuanschließer“) unterliegen sollen. Insoweit ist die Satzung auch in Ansehung des Wortlauts des § 3 Satz 1 BGS wirksame Rechtsgrundlage zur Heranziehung der sog. Altanschließer; eine gegenteilige Auslegung der Norm ist ausgeschlossen, da dies ihre Unwirksamkeit nach sich zöge (vgl. Senatsurteil v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –). Dies stellt zudem jedenfalls – nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen in der rechtlichen gebotenen Weise – § 3 Satz 2 BGS klar.

53

II. 1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass vorliegend keine Festsetzungsverjährung eingetreten und der mit dem Beitragsbescheid vom 19. Mai 2006 geltend gemachte Beitragsanspruch des Beklagten folglich nicht wegen Festsetzungsverjährung gemäß § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-​V erloschen ist.

54

Nach Maßgabe von § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V erlöschen Beitragsansprüche insbesondere durch Verjährung. Eine Beitragsfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V.

55

Abweichend von § 169 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V vier Jahre; bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008.

56

Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V). Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung; § 3 BGS stimmt hiermit – wie ausgeführt – überein. Erste wirksame Satzung des Zweckverbandes ist die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist; sie liegt inzwischen in der Fassung der 4. Änderungssatzung vor. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheides am 19. Mai 2006 waren offensichtlich noch keine vier Jahre verstrichen und folglich war Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten; auf § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz KAG M-V kommt es insoweit nicht an.

57

2. Der Beklagte hat den Beitragsanspruch auch nicht verwirkt. Nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung bedeutet Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris; Beschl. v. 05.11.2001 – 3 M 93/01 –, NordÖR 2001, 480 = NVwZ-​RR 2003, 15 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.01.2004 – 3 B 101.03 –, NVwZ-​RR 2004, 314; BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 07.08.1998 – 11 B 1555/98 –, NVwZ-​RR 1999, 540; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.11.1991 – 1 L 117/91 –).

58

Nach diesem Maßstab kommt die Annahme einer Verwirkung des Beitragsanspruchs durch den Beklagten nicht in Betracht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Kläger aufgrund eines Verhaltens des Beklagten darauf hätten vertrauen dürfen, dass dieser den streitigen Beitragsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Dabei ist zu beachten, dass das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (juris) die Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von Altanschließern festgestellt und anschließend in ständiger Rechtsprechung diesen Rechtsstandpunkt immer wieder bekräftigt hat (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris). Folglich mussten sich auch sog. Altanschließer auf ihre Heranziehung zu einem Zeitpunkt einstellen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –), in dem zudem auch das Zeitmoment noch nicht gegeben war. Damit fehlt es bereits an der erforderlichen Vertrauensgrundlage. Unabhängig von der Frage, ob die Kläger tatsächlich darauf vertraut haben, der Beitragsanspruch werde ihnen gegenüber nicht mehr verfolgt, ist zudem jedenfalls für eine beachtliche Vertrauensbetätigung ihrerseits nichts ersichtlich.

59

3. Schließlich hat sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge auch nicht nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris; vgl. auch Beschl. v. 03.09.2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris; Beschl. v. 11.10.2013 – 1 BvR 2616/13 –) „verflüchtig“ oder erweist sich insbesondere die landesrechtliche Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V als verfassungswidrig.

60

Die Kläger machen anknüpfend an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen geltend, sie seien mit ihrem Grundstück bereits seit DDR-Zeiten bzw. jedenfalls seit der Wende an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen gewesen. Ohne das in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V geregelte Erfordernis einer wirksamen Satzung hätte die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V jeweils mit der Folge früher anlaufen müssen, dass zwischenzeitlich vor Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides Festsetzungsverjährung eingetreten wäre. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bewirke rechtsstaatwidrig, dass eine Beitragserhebung zeitlich unbegrenzt nach Eintritt der Vorteilslage möglich sei. Die Kläger hätten im Zeitpunkt der Beitragserhebung nicht mehr mit einer solchen rechnen müssen. Ihr entsprechendes Vertrauen sei schutzwürdig.

61

Mit diesem Vortrag vermögen die Kläger nicht durchzudringen.

62

Die der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes M-​V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-​Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand. Die streitgegenständliche Beitragserhebung und auch die Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit. Das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes M-V bringt jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums insoweit die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich.

63

a) Der Senat hat bereits in mehreren Berufungszulassungsverfahren entschieden und hält an dieser Auffassung auch im vorliegenden Berufungsverfahren fest, dass die Feststellung einer sog. „Altanschließersituation“ isoliert betrachtet keine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nach sich ziehen kann.

64

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Entstehung des beitragsrechtlichen Vorteils wurde nach ständiger Senatsrechtsprechung auch allen Eigentümern von tatsächlich bereits angeschlossenen Grundstücken („Altanschließer“) mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen von den kommunalen Einrichtungsträgern wie dem Zweckverband erstmalig und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können (gilt entsprechend für die Versorgung mit Trinkwasser durch einen Trinkwasseranschluss). In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils fließen zudem nur sog. „Nachwendeinvestitionen“ ein, so dass auch keine Rede davon sein kann, die Eigentümer bereits zuvor tatsächlich angeschlossener Grundstücke, die ggf. in der Vergangenheit in irgendeiner Form Zahlungen für diesen früheren Anschluss geleistet haben, würden „doppelt“ zu denselben Kosten herangezogen. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals und frühestens nach Inkrafttreten insbesondere des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – bzw. zeitlich danach mit Erlass einer wirksamen Beitragssatzung – eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, d. h. ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können. Daher kommt es z. B. nicht entscheidungserheblich darauf an, ob zu DDR-​Zeiten Schmutzwasserkanäle – von wem auch immer – erstellt worden sind. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, ob die betreffenden Grundstückseigentümer über eine wie auch immer geartete private Kläranlage oder Sammelgrube verfügt haben (vgl. zum Ganzen bereits OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, NVwZ-​RR 2002, 687 – zitiert nach juris).

65

Demnach war die Vorteilslage gerade nicht schon zu DDR-Zeiten eingetreten und ist das an die Situation der Kläger als „Altanschließer“ schon in dieser Zeit anknüpfende Berufungsvorbringen für sich gesehen folglich nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkret aufzuzeigen. Mit Blick darauf, dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts der rechtlich gesicherte Vorteil der Möglichkeit, Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können, erst mit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern frühestmöglich entstehen konnte, hat der Senat in diesem Sinne bereits darauf hingewiesen, dass es in Ansehung der sog. Altanschließerproblematik bzw. in ausschließlicher Betrachtung des Zeitraumes zwischen einem tatsächlichen Anschluss zu DDR-Zeiten und diesem Inkrafttreten nicht entscheidungserheblich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und den darin entwickelten Gesichtspunkt der „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung von Beiträgen ankommen kann, weil sich der so rechtlich bzw. unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung so von Verfassungs wegen (vgl. zur Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von „Altanschließern“ z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris) zu definierende Vorteil nicht bereits im Moment seiner frühestmöglichen Entstehung (Inkrafttreten des KAG) wieder „verflüchtigt“ haben kann (vgl. Beschl. des Senats v. 10.06.2013 – 1 L 139/10 –; v. 21.08.2013 – 1 L 86/13 –; v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Beschl. v. 24.02.2014 – 1 L 170/13, 1 L 167/12, 1 L 175/12 –). Anders gewendet konnte in diesem frühestmöglichen Moment der Vorteilsentstehung noch kein Vertrauen gebildet worden sein, von einer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit kann in dieser Sichtweise nicht berührt oder gar verletzt sein.

66

b) Auch im Übrigen führt die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts nicht zu der Schlussfolgerung, die streitgegenständliche Beitragserhebung sei rechtswidrig. Sie ist schon nicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V anwendbar (aa). Selbst wenn man die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen im Grundsatz bejahte, kann diese zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. zur Legitimation einer Beitragserhebung gerecht zu werden (bb). Nach den Umständen des Einzelfalles ist vorliegend eine solche „Verflüchtigung“ zu verneinen (cc).

67

aa) Zunächst ist die erörterte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Ausgangspunkt zu Bestimmungen des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes ergangen, die in wesentlicher Hinsicht vom hiesigen Landesrecht abweichen und folglich nicht ohne Weiteres auf dieses bzw. den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

68

Bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz handelt es sich um eine Verjährungsregelung, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht wiederfindet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kam hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – zugrundeliegende Fallgestaltung, dass ein früherer Grundstückseigentümer viele Jahre nach Aufgabe seines Eigentums zu einem Beitrag herangezogen wird, die Festsetzungsfrist jedoch erst mit Erlass der Heilungssatzung beginnt, kann sich nach den Bestimmungen des KAG M-V (im Regelfall) nicht ereignen. Nach Art. 5 Abs. 6 Satz 1 BayKAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks ist. Entsteht die (sachliche) Beitragspflicht – wie im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall – aufgrund einer rückwirkenden Satzung zu einem früheren Zeitpunkt, so ist der damalige Grundstückseigentümer beitragspflichtig, auch wenn ihm zum Zeitpunkt der Erteilung des Beitragsbescheides das Grundstück nicht mehr gehört. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Weiter kann die Satzung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG MV bestimmen, dass beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Eine solche Bestimmung enthält § 7 BGS vorliegend nicht. Trifft demnach die Beitragssatzung – wie hier – keine von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV abweichende Regelung, so ist es nicht möglich, dass ein früherer Eigentümer herangezogen wird, für den sich in der Tat der Anschlussvorteil bzw. demgegenüber sich die Legitimation zur Beitragserhebung „verflüchtigt“ haben kann. Auch wenn man die gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt, ist folglich ihre Übertragung auf § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht überzeugend.

69

Der Schutzbereich des vom Bundesverfassungsgericht als Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verstandenen Gebots der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit, das davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können, ist im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrags im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen bzw. im Anwendungsbereich von § 9 Abs. 3 KAG M-V nicht einschlägig bzw. berührt.

70

Die Verschaffung des Vorteils, d.h. der Möglichkeit der Inanspruchnahme (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) ist kein in tatsächlicher Hinsicht einmaliger, gewissermaßen in einer juristischen Sekunde abgeschlossener Vorgang, sondern dauert nach erstmaliger Anschlussmöglichkeit mehrere Jahrzehnte lang an. Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-​V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-​V) einedauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.10.1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmalig gebotenen Anschlussmöglichkeit. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2013, § 8, Rn. 532 ff., 537; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt. Der Vorteil ist deshalb als Dauervorteil zu qualifizieren (vgl. nur VerfG des Landes Brandenburg, Urt. v. 21.09.2012 – 46/11 –, juris, Rn. 88).

71

In diesem Zusammenhang erscheinen die Erläuterungen des Bundesverfassungsgerichts zur Legitimation von Beiträgen (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) ohnehin nicht ohne Weiteres als zwingend. Diese soll danach in der Abgeltung eines Vorteils liegen, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Die vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen (BVerfGE 49, 343, 352; 93, 319, 344) sagen nichts dazu, dass der Vorteil „in einem bestimmten Zeitpunkt“ zugekommen sein muss. In einem bestimmten Zeitpunkt beginnt naturgemäß die Vorteilslage, aber sie dauert dann – wie zuvor gesagt – auch über einen sehr langen Zeitraum an. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft auch keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiter angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschl. v. 07.11.1995 – 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede. Die Erhebung von Gebühren und Beiträgen wird danach dementsprechend durch ihre Ausgleichsfunktion legitimiert.

72

Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der dem Grundstückseigentümer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei, stellt auch unter anderem Blickwinkel eine jedenfalls im Anschlussbeitragsrecht unzulässige Fiktion dar. In Ergänzung zu den vorstehenden Ausführungen zum Gegenstand des anschlussbeitragsrechtlichen Vorteils und zu seiner Qualifizierung als Dauervorteil ist darauf zu verweisen, dass § 5 Abs. 1 der Abwasserentsorgungsatzung des Zweckverbandes – wie im Übrigen die entsprechenden Satzungen anderer Entsorgungsträger – anknüpfend an § 14 Abs. 2 Kommunalverfassung (KV M-V) bzw. als Kehrseite des Anschluss- und Benutzungszwangs gemäß § 15 KV M-V i.V.m. § 7 der Abwasserentsorgungssatzung den Klägern wie jedem Eigentümer eines im Gebiet des Verbands liegenden Grundstücks die Berechtigung einräumt, den Anschluss seines Grundstücks an die Abwasseranlage und das Einleiten der auf seinem Grundstück anfallenden Abwasser nach Maßgabe der Satzung und unter Beachtung der Einleitungseinschränkungen des § 6 verlangen zu können. Dieses Anschluss- und Benutzungsrecht unterliegt keinen Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht und „verflüchtigt“ sich auch nicht durch schlichten Zeitablauf bzw. den Umstand, dass dem Zweckverband zunächst über längere Zeit eine Abgabenerhebung auf der Grundlage einer wirksamen Beitragssatzung nicht gelang. Genau wie im Moment des erstmaligen Anschlusses hat der Grundstückseigentümer auch Jahre und Jahrzehnte später noch den Anschlussanspruch, der sich z. B. bei Beschädigungen oder Zerstörungen der Leitungen, die sein Grundstück anschließen, aktualisieren kann. Insoweit wäre es widersprüchlich, wenn sich einerseits die Zahlungspflicht verflüchtigen, der Anschlussanspruch aber uneingeschränkt und jederzeit aktualisierbar fortbestehen soll. Der Senat hat im Zusammenhang mit den Fragen nach der Entstehung der Beitragspflichten bzw. dem tatsächlichen Angeschlossensein eines Grundstückes bereits ausgeführt (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2013 – 1 M 185/10 –), der Grundstückseigentümer könne aufgrund seines Benutzungsrechts vom Einrichtungsträger die Instandsetzung eines Kanals zur Beseitigung etwaiger alterungs- und bauausführungsbedingter Mängel beanspruchen. Zwischen dem Eigentümer und dem Einrichtungsträger besteht ein auf dem Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation beruhendes öffentlich-rechtlichen (Dauer-) Schuldverhältnis. Daraus ist letzterer verpflichtet, das Abwasser aus den Grundstücken aufzunehmen und abzuleiten und steht zu den Anschlussnehmern weitgehend so, wie ein eine Kanalisationsanlage betreibender Unternehmer des bürgerlichen Rechts zu seinen Kunden stünde. Dem Einrichtungsträger obliegt es daher, dafür zu sorgen, dass das Entwässerungssystem insgesamt funktioniert, denn der Grundstückseigentümer ist ohne eine ordnungsgemäß beschaffene Anschlussleitung nicht imstande, seiner Verpflichtung zur Benutzung nachzukommen und sein Benutzungsrecht auszuüben (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.09.1970 – III ZR 87/69 –, BGHZ 54, 299, 303; Urt. v. 07.07.1983 – III ZR 119/82 –, NJW 1984, 615, 617; VGH Mannheim, Urt. v. 09.11.1990 – 8 S 1595/90 –, NVwZ-RR 1991, 325; OVG Münster, Urt. v. 25.01.1978 – II A 439/75 –, KStZ 1978, 213). Das bedeutet, dass der Einrichtungsträger auch dafür zu sorgen hätte, dass die bei Ausschöpfung der zulässigen Grundstücksnutzung anfallenden Abwässer ordnungsgemäß abgeführt werden können. Dieser auch nach Jahrzehnten fortbestehenden Pflichten-, vor allem aber auch Anspruchsbeziehung trägt die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung keine Rechnung.

73

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach dem Kommunalabgabengesetz M-V die Refinanzierung des Herstellungsaufwands kommunaler Entsorgungseinrichtungen gleichzeitig teilweise über Anschlussbeiträge und teilweise über Gebühren bzw. eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung seit jeher zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt ist (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Da die Gebührenerhebung regelmäßig fortlaufend vom Zeitpunkt der Entstehung des Vorteils an erfolgt ist, auch wenn parallel ein Beitrag noch nicht erhoben worden ist oder – z. B. wegen einer unwirksamen Beitragssatzung – noch nicht erhoben werden konnte, ist eine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren grundsätzlich nicht denkbar. In diesen Fällen erscheint es ebenfalls widersprüchlich, ab einem bestimmten Zeitpunkt einerseits die „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Anschlussbeiträge anzunehmen, andererseits eine solche „Verflüchtigung“ für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren zu verneinen.

74

Die Annahme der Möglichkeit einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung wird auch in anderer Hinsicht der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen nicht gerecht. So „verflüchtigt“ sich jedenfalls etwa der vom Zweckverband getätigte Herstellungsaufwand nicht. Die Kosten der Herstellung müssen gedeckt werden. Fällt der Verband mit Beitragsforderungen wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung derselben aus, müssen nach entsprechender Neukalkulation entweder andere Beitragspflichtige oder Gebührenschuldner diese Kosten zusätzlich tragen; soweit die Refinanzierung dann über Gebühren erfolgen sollte, müsste wohl auch der von der Pflicht zur Zahlung eines Anschlussbeitrags wegen „Verflüchtigung“ frei gewordene Grundstückseigentümer die entstandene Finanzierungslücke mittragen. Dafür, dass dieser nicht einmal teilweise mehr über Gebühren – wenn auch in voraussichtlich deutlich geringerem Umfang – zu den Herstellungskosten herangezogen werden kann, bietet die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt. In letzter Konsequenz müsste ggfs. eine Finanzierung der Anlage im Umfang der Einnahmeausfälle über aus Steuermitteln gespeiste staatliche Zuschüsse erfolgen, wenn der von der „Verflüchtigung“ betroffene Refinanzierungsbetrag nicht über Beiträge und Gebühren gedeckt werden könnte. Diese Erwägungen zeigen jedenfalls handgreiflich, dass – anders als das Bundesverfassungsgericht offenbar meint – in diesem Sinne keine „zweipolige“ Rechtsbeziehung (Entsorgungsträger – Grundstückseigentümer), sondern eine „dreipolige“ dergestalt besteht, dass eine Vielzahl von privaten Dritten durch die „Verflüchtigung“ von Beitragsforderungen zusätzlich und gleichzeitig weniger vorteilsgerecht belastet wird. Auch die Lebensentwürfe dieser Dritten sind schützenswert.

75

Dass als Gegenpol zum auf Seiten des Bürgers zu berücksichtigenden Prinzip der Rechtssicherheit das Interesse an materieller Gerechtigkeit und insbesondere Belastungsgleichheit vom Bundesverfassungsgericht als ausschließlich staatliches Interesse erwähnt wird, greift nach Auffassung des Senats zu kurz. Bei der Belastungsgleichheit geht es um die gleichmäßige Belastung der Abgabenschuldner. Wenn der eine Abgabenschuldner zu einem Beitrag herangezogen wird und zahlt, der andere – vielleicht später – ebenfalls herangezogen wird, aber wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nicht zahlen muss, so ist die ungleichmäßige Belastung der Bürger evident; ihr privates und grundrechtlich geschütztes Interesse an einer Belastungsgleichheit wird beeinträchtigt. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass einzelne Grundstückseigentümer vollständig von der Zahlungspflicht frei werden sollen.

76

Zudem ist wie vorstehend ausgeführt insoweit eine weitere Verschärfung zu Lasten privater Gleichbehandlungsinteressen in Rechnung zu stellen, als Dritte ggf. zusätzliche Belastungen zu tragen haben. Hier tut sich im Verhältnis zwischen denen, die in der Vergangenheit einen Anschlussbeitrag gezahlt haben, und denjenigen, die nun nichts mehr zahlen müssen, eine eklatante Gerechtigkeitslücke auf. Diese kann nicht etwa dadurch gerechtfertigt werden, dass die einen Beitragsschuldner um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht haben, die anderen hingegen nicht: Denn auch diejenigen, die einen Anschlussvorteil erlangt haben, aber um Rechtsschutz gegen die Beitragserhebung nachgesucht haben, konnten grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt erwarten, keinerlei Beiträge zahlen zu müssen. Es konnte – spätestens ab dem Zeitpunkt der obergerichtlichen Klärung der Beitragspflichtigkeit auch der sog. Altanschließer (siehe dazu vorstehend) – nie ein Vertrauen von Grundstückseigentümern dahingehend entstehen oder ihr Lebensentwurf an die Erwartung anknüpfen, keinen Beitrag bzw. einen „Null-Beitrag“ zahlen zu müssen. Mit der – im Falle unwirksamer Satzungen: wiederholten – Publizierung von Beitragssatzungen hat der Einrichtungsträger in rechtsstaatlich gebotener und zugleich grundsätzlich einwandfreier Weise seine Absicht der Beitragserhebung öffentlich bekannt gemacht. Alle Grundstückseigentümer waren hierüber informiert bzw. mussten hierüber informiert sein. Es stand – unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen zur Verjährung – von der Veröffentlichung der ersten Beitragssatzung an fest, dass irgendwann ein Beitrag zu zahlen sein wird. Allenfalls war mit Blick auf gegen die Beitragerhebung gerichtete Rechtsschutzverfahren – auch von Dritten – eine gewisse Erwartung gerechtfertigt, dass möglicherweise ein anderer, ggf. geringerer Betrag zu zahlen sein wird. Konnte sich ein Beitragsschuldner aber zu keinem Zeitpunkt darauf einrichten, keinen Beitrag zahlen zu müssen, bestand mit Blick auf seine Dispositionsfreiheit allenfalls eine teilweise Einschränkung wegen einer entsprechend teilweisen Unsicherheit bezüglich der Höhe seiner Beitragszahlungspflicht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 eine Erhebung von Beiträgen vorgesehen hat. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger zur Finanzierung leitungsgebundener Einrichtungen Anschlussbeiträge erheben würden.

77

Jedenfalls ist in den neuen Bundesländern eine Sondersituation (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, etwa Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 65, und Beschl. v. 10.01.2014 – OVG 9 S 64.13 –, juris Rn. 15) zu berücksichtigen, die darin besteht, dass hier nach der Wende erst funktionierende Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden und flächendeckend „auf einen Schlag“ alle Grundstückeigentümer herangezogen werden mussten. Die kommunalen Aufgabenträger standen gleichzeitig vor der Aufgabe, zum einen eine technisch und ökologisch zeitgemäße dezentrale Abwasserentsorgung aufzubauen, zum anderen das neu geschaffene Kommunalverfassungs- und Kommunalabgabenrecht rechtmäßig anzuwenden und insbesondere auf seiner Grundlage das erforderliche Satzungsrecht ebenfalls erstmals zu schaffen und anzuwenden. Als parallele Prozesse können dabei auch die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur Abwasserentsorgung samt ihrer rechtlichen Grundlagen und Folgeregelungen einerseits und die Klärung von rechtlichen Zweifelsfragen bzw. die Beseitigung von Rechtsunsicherheit durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte des Landes andererseits beschrieben werden, die sich gegenseitig beeinflusst haben. Wie die noch immer beträchtliche Zahl von Rechtsschutzverfahren auch der jüngeren Vergangenheit zeigt, in denen die Unwirksamkeit kommunaler Abgabensatzungen angenommen wird, ist der Aufbauprozess immer noch nicht vollständig abgeschlossen.

78

Die Geschichte der Beitragserhebung im Bereich des Zweckverbandes und insbesondere seine Satzungshistorie belegen dies eindrücklich. Abgesehen davon, dass sich der Zweckverband in gerichtlichen Verfahren Angriffen gegen seine wirksame Gründung, die Grundlage jeder Beitragserhebung war, ausgesetzt sah, waren die in der Zeit von 1992 bis 2002 ergangenen verschiedenen Beitragssatzungen samt Änderungs- und Nachtragssatzungen sämtlich aus verschiedenen Gründen, alle jedoch zumindest auch wegen einer rechtlich unhaltbaren Handhabung der (Nicht-)Heranziehung der sog. Altanschließer bzw. fehlerhaften Kalkulationen wegen der Nichtberücksichtigung von Altanschließergrundstücken auf der Flächenseite unwirksam. Gerade die Frage der zulässigen bzw. sogar rechtlich gebotenen Heranziehung der sog. Altanschließer war jedenfalls solange ungeklärt, bis der Senat mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (NordÖR 1999, 302 – zitiert nach juris) entschieden hatte, dass die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für "alt-​angeschlossene" bzw. "neu anschließbare" Grundstücke im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Entsprechend hat dann – soweit ersichtlich – erstmalig das Verwaltungsgericht Schwerin mit seinen Urteilen vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – u. a. für den Bereich des Zweckverbandes anknüpfend an den vorgenannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 13. März 1997 wegen derartig unterschiedlicher Beitragssätze unwirksam gewesen sei. Damit lagen allerdings zunächst lediglich eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bzw. ein erstinstanzliches Urteil vor. Von einer abschließenden Klärung für das Landesrecht kann deshalb sogar erst mit den anschließend bzw. in den Folgejahren ergangenen Urteilen des Oberverwaltungsgerichts, die sich mit immer wieder neuen bzw. wiederholten Angriffen von sog. Altanschließern gegen ihre Heranziehung erneut auseinander gesetzt haben, ausgegangen werden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der 1. und – frühere – 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts bis in die Gegenwart mit solchen Angriffen gegen Beitragssatzungen beschäftigt waren und sind, aufgrund der hier erörterten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr erneut in steigendem Maße.

79

Nimmt man das Erschließungsbeitragsrecht in den Blick, so ist dort insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an sich ebenfalls geklärt, dass eine sachliche Beitragspflicht so lange nicht entstehen kann, wie es an einer gültigen Beitragssatzung fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1973 – IV C 39.72 –, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 46 – zitiert nach juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 15). Ebenso können Satzungsmängel nachträglich mit der Folge geheilt werden, dass erst mit Erlass einer gültigen Satzung die sachliche Beitragspflicht entsteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 -, juris, Rn. 17 ff.). Die entsprechende Änderungssatzung muss dazu nicht zurückwirken. Diese Rechtsprechung wäre denselben verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt wie die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V.

80

Der Rechtsgedanke einer möglichen „Verflüchtigung“ von Vorteilen und damit letztlich Beitragspflichten berührt schließlich auch die Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung, da die kommunalen Normsetzungsorgane letztlich nach Jahrzehnten, in denen sie – wie der Zweckverband – wiederholt den Versuch unternommen haben, wirksames Satzungsrecht zu schaffen, im Falle einer solchen „Verflüchtigung“ vor einem Scherbenhaufen bzw. der Frage stehen, wie sie die Finanzierung ihrer Einrichtungen nach der „Verflüchtigung“ von Beitragsansprüchen sicherstellen sollen. Der erhebliche Zeitverlust, der bei der Schaffung wirksamen Satzungsrechts vielfach zu verzeichnen ist, ist zudem weniger in der Sphäre der Selbstverwaltungskörperschaften zu suchen, sondern findet nicht selten seine Ursache in der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Die Verantwortung hierfür liegt jedoch nicht bei den Einrichtungsträgern. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, die entsprechende Zeitversäumnis bei der Heranziehung der Beitragsschuldner den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften anzulasten.

81

bb) Bejahte man im Grundsatz – entgegen den vorstehenden Erwägungen – die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen, kann eine solche zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre zudem keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, mit dem den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. der Legitimation einer Beitragserhebung hinreichend Rechnung getragen werden kann.

82

Ausgangspunkt der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner „Verflüchtigungsentscheidung“ ist die Annahme, dass Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug gewährleisten. Der Anknüpfung an den Lebensentwurf des Einzelnen ist eine Bezogenheit auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Einzelfall immanent: Die Selbstbestimmtheit des Lebensentwurfs eines Beitragspflichtigen wird – unabhängig von einer ggfs. eingetretenen Verjährung oder Verwirkung – jedenfalls grundsätzlich nicht in Frage gestellt sein, wenn sie einem absolut betrachtet betragsmäßig (insbesondere im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Hausgrundstücks eher) niedrigen Beitrag ausgesetzt ist, sei es nun im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur erstmaligen Vorteilserlangung, sei es erst Jahre oder Jahrzehnte danach. Dies gilt umso mehr, je höher Einkommen und/oder Vermögen des Betroffenen sind. Selbst wenn es um betragsmäßig höhere Beitragsansprüche geht, ist im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Lebensentwurfs zum einen die Einkommens- und Vermögenssituation zu beachten, zum anderen der Umstand, dass einer vergleichsweise hohen Beitragsforderung regelmäßig in Gestalt des herangezogenen Grundstücks ein entsprechender Vermögenswert gegenüber stehen wird, der insoweit belastet werden kann. Zudem bietet das Beitragsrecht Möglichkeiten der Stundung und des Erlasses.

83

Schon aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Frage des Vertrauensschutzes – jenseits der Regelungen zur Verjährung und des Rechtsinstituts der Verwirkung – grundsätzlich nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalls betrachtet werden kann.

84

Diese Sichtweise wird auch unter einem anderen Blickwinkel untermauert. Bei den – im Regelfall persönlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V – Beitragspflichtigen kann hinsichtlich des Heranziehungsvorgangs nämlich zwischen verschiedenen Gruppen differenziert werden:

85

Es gibt zunächst etwa die Beitragspflichtigen, die zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss – bzw. im Fall von sog. Altanschließern nach erstmaliger Entstehung des rechtlich gesicherten Vorteils – aufgrund einer Beitragssatzung herangezogen worden sind, um Rechtsschutz nachgesucht und dabei wegen der Unwirksamkeit der Satzung obsiegt haben; dieser Vorgang kann sich anschließend noch wiederholt haben, um dann ggfs. nach mehreren Jahren/Jahrzehnten in ihre Heranziehung auf der Grundlage einer erstmalig wirksamen Beitragssatzung zu münden. In solchen Fällen erschiene die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation der Abgaben erhebenden Körperschaften zur Beitragserhebung wenig plausibel. Solche Pflichtigen durften von vornherein nicht die Erwartung hegen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, weil der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Sie mussten im Gegenteil mit der Festsetzung des Beitrages rechnen, wenn der Hoheitsträger seine Absicht zur Beitragserhebung bereits durch – ggf. wiederholten – Erlass eines Bescheides und dessen Verteidigung im Widerspruchs- oder gerichtlichen Verfahren unter gleichzeitigen Versuchen, gültiges Satzungsrecht zu schaffen, dokumentiert hat. Die Frage, ob ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von einer Beitragspflicht überhaupt verschont zu bleiben, verfassungsrechtlichen (Vertrauens-)Schutz genießt, ist ohne Weiteres zu verneinen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983 – 8 C 170/81 –, BVerwGE 67, 129; Urt. v. 28.11. 1975 – IV C 45.74 –, BVerwGE 50, 2 – jeweils zitiert nach juris). Dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, fehlt die Schutzwürdigkeit, weil die Betroffenen mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen müssen. Sie müssten damit nicht nur deshalb rechnen, weil Beiträge als Ausgleich für gewährte Sondervorteile erhoben werden und allenfalls unter ganz ungewöhnlichen Voraussetzungen schutzwürdig erwartet werden darf, dass eine nach ihrem Wesen beitragspflichtige Leistung gleichwohl beitragsfrei gewährt werden solle. Gegen die Rechtfertigung einer solchen Erwartung spricht vielmehr durchgreifend auch der vorangegangene Erlass einer (wenn auch nichtigen) Satzung, weil diese unmissverständlich den Willen der Gemeinde zum Ausdruck bringt, dass ein Beitrag erhoben werden soll. Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb einem solchen Vertrauen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.02.1996 – 8 B 13/96 –, juris; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261 = juris, Rn. 54).

86

Daneben gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen worden sind, während allerdings die Abgaben erhebende Körperschaft die Beitragserhebung gegenüber Dritten erfolglos nach vorstehendem Muster betrieben hat, und die erstmalig, nachdem in einem rechtskräftigen Urteil von der Wirksamkeit der/einer Satzung ausgegangen wurde, herangezogen wurden.

87

Weiter gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen wurden, weil die Abgaben erhebende Körperschaft die Abgabenerhebung zunächst nicht betrieben hat, und sodann erst nach mehreren Jahren/Jahrzehnten zu Beiträgen veranlagt wurden. Diese beispielhaft benannten Fallgruppen können zudem zur weiteren Ausdifferenzierung noch jeweils mit einem System der Refinanzierung von Herstellungskosten sowohl durch Beiträge als auch Gebühren kombiniert werden, wie es oben erörtert worden ist.

88

Selbst für den Fall, dass die erste Heranziehung all dieser verschiedenen Beitragspflichtigen aufgrund einer wirksamen Beitragssatzung zum gleichen Zeitpunkt bzw. nach der gleichen Zeitspanne zwischen Anschluss des Grundstücks/Erlangung des Vorteils und Ergehen des Bescheides erfolgen sollte, liegt es auf der Hand, dass ein Vertrauendürfen darauf, nicht zu einem Beitrag herangezogen zu werden, obwohl entsprechend – publiziertes – Beitragssatzungsrecht existiert, unterschiedlich stark ausgeprägt sein muss. Auch insoweit bedarf es folglich einer Einzelfallbetrachtung.

89

Der Landesgesetzgeber hat für den als Ausnahme zu qualifizierenden Fall einer in Betracht zu ziehenden „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils gerecht werden zu können.

90

Nach § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Kommunalabgabengesetz M-V oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten. Für die hier erörterten Einzelfälle kann eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) in einer vom Bundesverfassungsgericht anderweitig selbst vorgeschlagenen Weise in Betracht kommen (vgl. im Übrigen auch BVerwG, Pressemitteilung zu Urt. v. 20.03.2014 – 4 C 11.13 – u. a., wonach eine Lösung nach Treu und Glauben in Betracht gezogen werden kann). Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem "ungewollten Überhang" führen würde. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Steuerleistung herangezogen zu werden (vgl. BVerfGE 19, 206 (215); 47, 1 (37)), enthält das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot, das dahin geht, dass der Steuerpflichtige nicht zu einer unverhältnismäßigen Vermögensteuer herangezogen wird. Dieses zwingt dazu, Befreiung von einer schematisierenden Belastung zu erteilen, wenn die Folgen extrem über das normale Maß hinausschießen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder anders ausgedrückt: wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind. Billigkeitsmaßnahmen dürfen jedoch nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Daraus folgt, dass mit verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden kann. Wenn solche Maßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen müssten, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig (vgl. zum Ganzen z.B. BVerfGE 99, 272; BVerfGE 48, 102 <116>).

91

Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH, Urt. v. 23.07.2013 – VIII R 17/10 –, juris; BFH-​Urteil in BFH/NV 2010, 606, m.w.N.).

92

Nach Ergehen der „Verflüchtigungsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts und mit Blick auf die gebotene Einzelfallprüfung ist davon auszugehen, dass bei Bejahung einer solchen „Verflüchtigung“ des Vorteils nach den dort formulierten Maßstäben ein entsprechender ungewollter Überhang der ansonsten verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des § 9 Abs. 3 KAG M-V mit ihrem Anknüpfen an das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung anzunehmen ist, der einen Billigkeitserlass wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß § 227 AO nach sich ziehen muss (Ermessensreduktion auf Null von Verfassungs wegen) und bei Offensichtlichkeit der maßgeblichen Umstände ggfs. sogar schon eine Berücksichtigung im Erhebungsverfahren verlangt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 20.05.2003 – 1 L 137/02 –, NordÖR 2003, 365 – zitiert nach juris). Die Beitragserhebung entspräche zwar dem Wortlaut des Gesetzes, aber liefe den Wertungen des Gesetzes zuwider. Der Landesgesetzgeber hätte neben den vorhandenen Regelungen zur Verjährung die Grundlagen für die Beitragserhebung anders als tatsächlich geschehen geregelt, wenn er die Verflüchtigungsproblematik als regelungsbedürftig erkannt hätte. Der Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass es den Abgaben erhebenden Körperschaften in überschaubarer Zeit gelingt, eine wirksame Satzung zu schaffen, dass ggfs. Verwaltungsgerichte zeitnah über die Wirksamkeit von Satzungen entscheiden und dass es nicht zu „Kettenunwirksamkeiten“ von Satzungen kommt.

93

Die gesetzliche Regelung wird nicht unterlaufen, da nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen bzw. nach Auffassung des Senats eine „Verflüchtigung“ nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Bei Betrachtung des Zeitraumes zwischen erstmaliger Vorteilserlangung und Beitragserhebung muss die nach der Wiedervereinigung festzustellende „Umbruchphase“ nach Auffassung des Senats für die Frage, wann eine „Verflüchtigung“ des Vorteils und daraus resultierendes Freiwerden von der Beitragspflicht eintreten kann, außer Betracht bleiben, weil sie für jedermann offensichtlich bzw. allgemeinkundig war. In dieser Zeit, die mindestens bis 1999 angedauert hat, konnte grundsätzlich kein Vertrauenstatbestand begründet werden, der die Schlussfolgerung einer „Verflüchtigung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätte begründen können.

94

cc) Folglich kann unter diesen Bedingungen im vorliegenden Verfahren keine „Verflüchtigung“ eingetreten sein. Alsbald nach Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung sind die Kläger zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden. Ihre Heranziehung liegt – vergleichsweise – wenige Jahre nach der erstmaligen Klärung der Frage nach der Beitragserhebung gegenüber sog. Altanschließern frühestens im Jahr 1999. Zudem hat der Beklagte ausweislich der Satzungshistorie des Zweckverbandes bereits seit 1992 die Erhebung von Anschlussbeiträgen betrieben. Die streitgegenständliche Beitragserhebung ist deshalb jedenfalls nicht aus sachlichen Gründen unbillig.

95

dd) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides jedenfalls mit Blick auf § 12 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz KAG M-V und die dort geregelte zeitliche Grenze zum 31. Dezember 2008, bis zu der Grundstückseigentümer jedenfalls mit einer Heranziehung rechnen mussten, bejaht werden kann (vgl. insoweit OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.05.2013 – 9 S 75.12 –, juris, zum Brandenburgischen KAG). Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob die Festsetzung von Anschlussbeiträgen – ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen – analog Art. 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V ausgeschlossen ist, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind (vgl. VGH München, Urt. v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 –, juris), und darin eine hinreichende Regelung dafür erblickt werden kann, dass nicht nach einer unübersehbaren Zahl von Jahren noch Beitragsansprüche geltend gemacht werden können.

96

C. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

97

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

98

Die Revision war mit Blick auf die Frage, ob die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern und im Besonderen § 9 Abs. 3 KAG M-V in Ansehung der Erhebung von Anschlussbeiträgen den rechtsstaatlichen, der Rechtssicherheit dienenden Geboten der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung tragen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet, so ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von 1 Prozent des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu entrichten; abzurunden ist auf den nächsten durch 50 Euro teilbaren Betrag. Das Gleiche gilt für zurückzuzahlende Steuervergütungen und Haftungsschulden, soweit sich die Haftung auf Steuern und zurückzuzahlende Steuervergütungen erstreckt. Die Säumnis nach Satz 1 tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist. Wird die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt, so bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge unberührt; das Gleiche gilt, wenn ein Haftungsbescheid zurückgenommen, widerrufen oder nach § 129 berichtigt wird. Erlischt der Anspruch durch Aufrechnung, bleiben Säumniszuschläge unberührt, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind.

(2) Säumniszuschläge entstehen nicht bei steuerlichen Nebenleistungen.

(3) Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben. Dies gilt nicht bei Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1.

(4) In den Fällen der Gesamtschuld entstehen Säumniszuschläge gegenüber jedem säumigen Gesamtschuldner. Insgesamt ist jedoch kein höherer Säumniszuschlag zu entrichten als verwirkt worden wäre, wenn die Säumnis nur bei einem Gesamtschuldner eingetreten wäre.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger sind befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Beitragsbescheid für den Anschluss an die zentrale Schmutzwasserentsorgung.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks auf der A-Stadt mit einer Größe von 300 m² (Flurstücksbezeichnung Gemarkung O., Flur 2, Flurstück 177).

3

Mit Beitragsbescheid vom 06. Oktober 2010 erhob der Beklagte für das genannte Grundstück einen Herstellungsbeitrag für die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage in Höhe 933,10 €. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 Widerspruch ein, den sie umfangreich begründeten.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass er nunmehr mit seiner Beitragssatzung vom 03. März 2010 über gültiges Satzungsrecht für die Erhebung von Anschlussbeiträgen verfüge. Dies sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Seit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom April 1999 sei es ständige Rechtsprechung aller Verwaltungsgerichte in Mecklenburg-Vorpommern, dass Beiträge von allen angeschlossenen Grundstücken erhoben werden, selbst wenn diese bereits „altangeschlossen“ seien. Der Verband habe in seine Anlage erhebliche Investitionen getätigt. So seien ab Januar 1997 fast alle Kläranlagen auf dem Stand der Technik umgebaut worden. Dies habe an den meisten Standorten faktisch einen Neubau bedeutet. Der Widerspruchsbescheid wurde am 17. Juli 2012 zugestellt.

5

Am 03. August 2012 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben. Sie meinen, dem Bescheid fehle eine wirksame Rechtsgrundlage. Die maßgebliche Satzung habe keine gültige Rechtsgrundlage. Die für die Satzung herangezogene Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 3 KAG M-V sei nichtig. Soweit das Gesetz bestimme, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, verstoße eine derartige Regelung gegen Artikel 20 Abs. 3 GG. Auch seien das Bestimmtheitsgebot und das Transparenzgebot in nicht hinnehmbarer Weise verletzt. Die Regelung modifiziere die verfassungsrechtlichen Vorgaben über das Inkrafttreten von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Für den Bürger sei nicht erkennbar, wann das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht sein könne.

6

Darüber hinaus gelte folgendes,

7

- durch den Beklagten sei keine öffentliche Einrichtung hergestellt worden,
- der Beklagte biete den Klägern keinen Vorteil durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung,
- eine Inanspruchnahme durch Beitragsbescheid sei verjährt/verwirkt,
- eine Inanspruchnahme der Kläger verstoße gegen das Vertrauensschutzgebot und das Gleichbehandlungsverbot.

8

Zu Zeiten der DDR habe es auf der A-Stadt eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage gegeben. Diese Abwasserbeseitigungsanlage sei von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betrieben worden. Dieser Betrieb sei den jetzigen Eigenbetrieben der Kommunen vergleichbar. Deshalb habe auch zu DDR-Zeiten eine öffentliche Einrichtung der Wasserver- und Abwasserentsorgung existiert. Die von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betriebene Anlage sei letztlich auf den Beklagten übergegangen. Die Kläger seien seit den Zeiten des VEB Wasserversorgung bis zum Entstehen des Beklagten unverändert mit ihrem Grundstück an die Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen gewesen. Die Erhebung eines Herstellungsbeitrages sei daher rechtswidrig. Unter Herstellung sei begrifflich etwas Neues zu verstehen. Eine Abwasseranlage werde hergestellt, wenn zuvor keine Abwasserbehandlungsanlage gegeben habe.

9

Die Anlage böte den Klägern auch keinen Vorteil. Die Kläger hätten auch zuvor ihr Abwasser entsorgen können. Allein der Wechsel der Rechtsträgerschaft könne nicht als Vorteil im Sinne des Beitragsgesetzes angesehen werden.

10

Der Beitrag sei auch verjährt. Die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern betrage vier Jahre. Sie beriefen sich darauf, dass bereits das Kommunalabgabengesetz von 1993 eine Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht enthalte. Die Regelung im KAG 1993 habe auch vorgesehen, dass eine Abgabensatzung rückwirkend erlassen werde, damit ein Beitragspflichtiger noch in Anspruch genommen werden könne. Die Inanspruchnahme eines nicht angeschlossenen Grundstücks zu einem Anschlussbeitrag könne in der Tat frühestens mit dem Inkrafttreten von entsprechenden Satzungsregelungen gerechtfertigt werden. Für bereits angeschlossene Grundstücke gelten derartige Erwägungen aber nicht. Hier sei als Entstehungszeitpunkt ausschließlich auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Einrichtung der Anlage abzustellen. Für die endgültige Herstellung der leitungsgebundenen Anlage zur Schmutzwasserversorgung sei das Jahr 1993 zugrunde zu legen. Die Festsetzungsfrist sei daher bereits länger verstrichen. Selbst wenn man hineinlesen wolle, dass das Tatbestandmerkmal einer wirksamen Satzung habe vorliegen müssen, so hätte der Beklagte seit dem Jahr 1993 über eine entsprechende wirksame Beitragssatzung verfügt. Die am 22. Dezember 1993 erlassene Beitragssatzung sei zu keinem Zeitpunkt in einem förmlichen Verfahren für unwirksam erklärt worden. Auch die Nachfolgesatzungen seien nicht offiziell für unwirksam erklärt worden. Vor diesem Hintergrund werde es als unzulässig angesehen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall feststelle, dass Satzungen rechtsunwirksam gewesen seien. Diese Feststellung sei vom Verwaltungsgericht quasi ungefragt erfolgt. Eine Normverwerfungskompetenz sei dem Verwaltungsgericht nicht zugewiesen.

11

Weiter verstoße die Heranziehung gegen das Gleichbehandlungsverbot. Entgegen der gefestigten Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald sei eine derartige Heranziehung unbillig. Denn es sei gerade keine wesentlich gleiche Ausgangssituation gegeben. Soweit das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 21. April 1999 feststelle, dass erstmalig den Grundstückseigentümern ein rechtlich gesicherter Vorteil geboten worden sei, so sei diese Feststellung unhaltbar, denn auch zu DDR-Zeiten hätten die Eigentümer einen rechtlich gesicherten Vorteil gehabt.

12

Die Heranziehung mehr als zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern verstoße gegen das Rechtsstaatsgebot des Artikel 19 Abs. 4, Artikel 20 GG. Danach sei die Exekutive verpflichtet, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz zu gewährleisten. Dies gelte auch im Hinblick auf Verjährungsvorschriften. Verjährungsvorschriften stellten Rechtssicherheit her. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Rechtssicherheit könne nicht aushebelt werden.

13

Die Kläger beantragen,

14

den Bescheid des Beklagten vom 06.10.2010 in der Fassung des Widerspruchs-bescheides des Beklagten vom 12.07.2012 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er meint, die von den Klägern angesprochenen Fragen zum Satzungsrecht sowie zur sogenannten „Altanschließer-Rechtsprechung“ seien seit geraumer Zeit hinreichend in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald geklärt. Der Bescheid verfüge auch nach der Rechtsprechung der Kammer über wirksames Satzungsrecht. Es möge sein, dass das Grundstück der Kläger unverändert an eine zentrale Anlage angeschlossen sei. In die Beitragskalkulation seien aber nur die Investitionen eingeflossen, die seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern in die Anlage investiert worden seien. Dies seien die Herstellungsmaßnahmen im Sinne des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern und damit ein Herstellungsbeitrag im rechtlichen Sinne und nicht im technischen Sinne. Darüber hinaus hätten die Kläger auch nicht „denselben“ Vorteil wie zu DDR-Zeiten sondern eine nach heutigen Maßstäben technisch einwandfreie Anlage. Eine Heranziehung sei auch nie so fair wie heute gewesen, da nunmehr über den langen Zeitraum ein mit „harten“ Zahlen unterlegbares Kalkulationswerk vorliege und man nicht nur auf Prognosen angewiesen sei. Ein Vertrauensschutz oder eine Verwirkung, komme daher nicht in Betracht, da allen Beteiligten jederzeit bekannt gewesen sei, dass der Beklagte sich um eine rechtlich einwandfreie Beitragserhebung bemühe und dies nur durch eine „höchst dynamische Rechtsprechung“ im Lande verzögert worden sei. Die Investitionen seien im Sinne aller Anschlussberechtigten auch getätigt worden. Wo in abgabenrechtlich fairerweise das Geld sonst herkommen solle, lasse die Klägerseite leider unerwähnt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der Gerichtsakte und die in dem Verfahren 8 A 3/12 vorgelegten Vorgänge zur Kalkulation des Beitragssatzes.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

20

Der Zweckverband Wismar, die Körperschaft des Beklagten, ist rechtlich existent. Sie verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern selbst verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

21

Zur Gründung und Existenz des Beklagten hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich in der Tat um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.

22

Die der Satzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht, so insbesondere nicht die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V; auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08; zitiert nach juris).

23

Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen. Auch vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hält die Kammer an ihrer Rechtsprechung fest.

24

Zunächst handelt es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. Buchst b) cc) Bayerisches Kommunalabgabengesetz (Bay-KAG vom 04. April 1993) um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent ist. Die Besonderheit der beanstandeten Regelung ist darin zu sehen, dass nach bayerischem Landesrecht augenscheinlich eine Anschlussbeitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt werden muss, damit sie – bislang „in satzungsloser Zeit“ ergangene – Abgabenbescheide heilen kann. Vom Bundesverfassungsgericht ist nunmehr beanstandet worden, dass der Satzungsgeber zwar praktisch in beliebig lange Zeiträume rückwirkend eine Satzung erstmalig in Kraft setzen kann, ohne dabei gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot zu verstoßen, die Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) Bay-KAG, der zu Folge die Verjährungsfrist immer erst in der Zukunft nach dem Erlass der ersten wirksamen Satzung zu laufen beginnt, hingegen dazu führen kann, dass zwischen Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und dem Eintritt der Festsetzungsverjährung ein nicht mehr mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit zu vereinbarender Zeitraum liegen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kommt hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist.

25

Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung ist damit ausgeschlossen. Wird eine Beitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt, wie im Straßenbaubeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern, beginnt auch die Verjährungsfrist ab dem rückwirkenden Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zu laufen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 9.6.1999 – 1 L 307/98 -, juris). Es gelten die gewöhnlichen Regelungen über die Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährungsfrist.

26

Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliegt nach Auffassung der Kammer in Ansehung der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

§ 9 Abs. 3 KAG M-V regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für Anschlussbeiträge in der Weise, dass die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Dabei stellt die Formulierung „erste(n) wirksame(n)“ eine Präzisierung gegenüber der zuvor geltenden Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V 1993 dar, die in der Rechtsprechung des OVG Greifswald stets in gleicher Weise ausgelegt worden war.

28

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger widerspricht die Regelung nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung dazu ausgeführt: Rechtsicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerin und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtsicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischen Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und – Vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Element des Rechtsstaatsprinzip sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten (BVerfG, a. a. O., Rn. 41).

29

Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, der Gesetzgeber verpflichtet ist, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt – unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (BVerfG, a. a. O., Rn. 45).

30

Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterscheiden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 Bay-KAG zusammenfällt. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern ist nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts - an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpft, ist deshalb nicht möglich.

31

Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung ist in § 9 Abs. 3 KAG M-V ist auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt ist. Eine derartige Regelung gebietet das Verfassungsrecht nicht und lässt sich aus der Entscheidung auch nicht herauslesen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig macht, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage ist bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Auch in der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts finden sich keine Hinweise darauf, dass diese Rechtslage verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, obwohl es nahe gelegen hätte, dieses Rechtsgebiet bei der Betrachtung mit in den Blick zu nehmen.

32

Schließlich ist im Hinblick auf die „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender ist als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage ist – der Materie geschuldet – weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. So ist im konkreten Fall noch nicht einmal der bis in das Jahr 2014 reichende Investitionszeitraum für die zentrale Abwasserbeseitigungseinrichtung abgelaufen. Unter diesen Rahmenbedingungen kann eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine Rechtssicherheit im o.g. Sinne beginnt daher, wenn die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen ist dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich ist es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gab.

33

Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung mag sich im Einzelfall dann ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte - nach Abschluss des von der gemeindlichen Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als rechtliche Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben ist. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze ist für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

34

Soweit die Kläger rügen, das Transparenzgebot sei verletzt worden, vermag das Gericht den Ausführungen nicht beizutreten. Bei einer Beitragssatzung handelt es sich nicht um ein formelles Gesetz, so dass die Vorschriften über Verkündung und Inkrafttreten von Gesetzen (Artikel 82 Abs. 2 GG bzw. 58 Abs. 3 Landesverfassung M-V) nicht anwendbar sind. Die für die Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung geltenden Vorschriften sind eingehalten worden, so insbesondere die Vorschriften der Kommunalverfassung zum Erlass und Veröffentlichung von Satzungen.

35

Hinsichtlich der weiterhin gerügten Mängel verweist das Gericht auf das Urteil der Kammer vom 15. März 2012 (8 A 547/11, juris) Das Gericht hat dort ausgeführt:

36

„1. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung. Dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt und hat das Gericht bereits mehrfach entschieden.

37

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris LS 3 und Rn. 76 ff.

38

Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverbandesgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.

39

2 a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:

40

(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:

41

1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,
2. Änderung der Verbandssatzung,
3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,
4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,
5. Zusammenschluss von Verbänden.

42

Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat „im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus“. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband Wismar übernommene - Ausnahmen.

43

Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.

44

Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.

45

b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

46

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

47

Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.

48

c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

49

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

50

- vgl. zuletzt etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

51

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.

52

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

53

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

54

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

55

b) Klägerseitig wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

56

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

57

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

58

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

59

c) wenn sie bebaut sind.

60

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

61

(3) […]

62

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

63

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

64

c) Entgegen klägerseitiger Auffassung ist die Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

65

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

66

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

67

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

68

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

69

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

70

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

71

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

72

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

73

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,
- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

74

d) […]

75

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

76

Diese Satzungsbestimmung wird klägerseitig unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

77

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

78

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

79

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

80

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

81

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde Glasin) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

82

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

83

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

84

cc) Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde Glasin enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von „baulichen Anlagen“ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

85

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

86

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

87

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

88

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.

89

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

90

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

91

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

92

cc) Klägerseitig wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

93

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

94

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

95

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

96

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

97

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

98

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

99

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

100

"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."

101

Danach durfte der Zweckverband Wismar die gelegentlich im Widerspruch klägerseitig monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

102

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

103

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

104

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband Wismar solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

105

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

106

„[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]“

107

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

108

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

109

„Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]“

110

Das von Klägerseite weiter angeführte Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

111

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

112

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

113

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung derGebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

114

(3) Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Wismar Altanlagen kostenlos übernommen hat und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

115

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

116

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

117

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

118

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband Wismar dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

119

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. Dick)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer Auflistung „Kostenschätzung B-Pläne“. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

120

cc) Die Annahmen in der Kalkulation müssen entgegen klägerischer Auffassung mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband Wismar die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes Wismar nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

121

ff) Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien. Dies ist klägerseitig nicht weiter beanstandet worden.

122

gg) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in den Widerspruchsverfahren gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

123

hh) Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

124

ii) Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

125

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

126

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

127

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

128

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

129

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

130

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

131

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

132

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

133

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

134

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

135

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

136

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

137

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

138

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

139

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

140

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:

141

aa) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

142

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen „Grundstücksbesitzern“ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

143

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

144

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

145

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

146

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

147

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

148

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

149

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

150

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

151

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

152

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

153

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

154

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

155

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband Wismar 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

156

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG B-Stadt, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband Wismar).

157

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landrat des Landkreises Wismar) fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

158

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

159

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

160

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG B-Stadt, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

161

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

162

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

163

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

164

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

165

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

166

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

167

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

168

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

169

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

170

8. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr Grundstück zum Teil aus Gartenland bestehe, kann dies zu keiner Reduzierung des Beitrags führen. Denn beide Flurstücke sind rechtlich gesehen ein Grundstück, weil beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer Nummer geführt werden. Sie sind daher einheitlich zu veranlagen.

171

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).“

172

An diesen Ausführungen hält das Gericht auch im vorliegenden Verfahren fest.

173

Die Kläger haben als Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

174

Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

175

Das Gericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VerGO zugelassen. Die von den Klägern angesprochene Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 KAG M-V ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht vom Oberverwaltungsgericht M-V im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08) bewertet worden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ficht einen Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid an.

2

Er ist durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 9. Dezember 2011 Eigentümer des Gebäudeeigentums am Grundstück in der M.straße a in N. geworden. Das Grundstück besteht nunmehr aus dem 797 m² großen Flurstück d der Flur z, Gemarkung N.. Das Flurstück ist durch Verschmelzung der Flurstücke b und c entstanden, was im – 25. Juni 2014 geschlossenen - Grundbuch von N., Blatt e, im April 2012 berichtigt wurde. Zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids war der Kläger weiterhin Gebäudeeigentümer (damaliges Gebäudegrundbuch von N., Blatt f) und Inhaber des dinglichen Nutzungsrechts an diesem Grundstück. Beide Eigentumsrechte wurden am 25. Juni 2014 durch Aufhebung des gesonderten Gebäudeeigentums vereinigt und zwei andere Personen – wohl Eheleute - nach Auflassung am gleichen Tag als („normale“) Grundstückseigentümer eingetragen.

3

Mit Schreiben vom 21. August 2006 war das Amt N.-Warin für die Stadt N. als damalige Eigentümerin des Grundstücks, für das das dargestellte dingliche Nutzungsrecht des Eigentümers des Gebäudes auf dem Grundstück besteht, von der Beklagten zur beabsichtigten Erhebung von Herstellungsbeiträgen zur „Schmutzwassererschließung“ für das Grundstück angehört worden.

4

Die Beklagte erhob mit Bescheid über den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser vom 9. August 2012 vom Kläger, der darin als „Nutzungsberechtigter“ bezeichnet wird, einen solchen Beitrag in Höhe von 2.479,70 €.

5

Im gleichen Monat legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 zurückwies. Auch dort wird davon ausgegangen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids als Nutzungsberechtigter des veranlagten Grundstücks Beitragspflichtiger gewesen und es bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids sei.

6

Am 13. Februar 2013 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben, mit der er vorträgt:

7

Er sei Eigentümer des Grundstücks.

8

Ein Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage sei vor mehr als 20 Jahren erfolgt. Nach alledem sei zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten.

9

Offensichtlich sei der Verwaltungsvorgang nicht vollständig. Es gebe keine Vorgänge zwischen dem 21. August 2006 und dem 27. Januar 2012 in der Akte.

10

Die Stadt N. sei mit Schreiben vom 21. August 2006 bereits zur Zahlung der Herstellungsbeiträge zur Schmutzwassererschließung herangezogen worden.

11

An der bisher üblichen Rechtsprechung zur Festsetzungsverjährung sei nicht weiter festzuhalten. Die zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben sei ausweislich des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08) verfassungswidrig. Auf die weiteren Ausführungen in den Schrift-sätzen vom 22. April und 23. Mai 2013 wird verwiesen.

12

Der Kläger beantragt,

13

den Beitragsbescheid der Beklagten vom 9. August 2012 und ihren Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 aufzuheben.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen,

16

und trägt dazu vor:

17

Die Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren beginne erst zu laufen, wenn die Beitragspflicht dem Grunde nach entstanden sei. Dies setze eine rechtmäßige Satzung voraus, die erst seit 2010 zur Verfügung stehe.

18

Es seien keine weiteren Unterlagen bezüglich des Grundstücks vorhanden. Es seien keine weiteren Anschlussbeitragsbescheide hinsichtlich des Grundstücks ergangen. Die Anhörung der Stadt N. habe nicht in eine Bescheidung gemündet, mutmaßlich, da sodann neuerlich Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Satzung aufgekommen seien. Der Vorgang sei vielmehr so lange nicht ergänzend bearbeitet worden, bis Satzungsklarheit bestanden habe.

19

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Juli 2016 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

Entscheidungsgründe

20

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

21

Der Schmutzwasseranschlussbeitragsbescheid der Beklagten vom 9. August 2012 ist – ebenso wie ihr Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2013 – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

22

A) Der Beitragsbescheid kann sich auf eine wirksame Rechtsgrundlage stützen.

23

I. Das Gericht ist seit seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2011 (Az. 8 A 560/10, juris) der Auffassung, dass der beklagte Zweckverband mit der Satzung vom 3. März 2010 - hier in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 25. April 2012, die lediglich § 3 neu gefasst hat - über wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Schmutzwasseranschlussbeiträgen verfügt.

24

Die Kammer hat dazu im – wenngleich nicht rechtskräftigen - Urteil vom 11. April 2013 (4 A 1250/12) ausgeführt:

25

„Der Zweckverband, die Körperschaft des Beklagten, ist rechtlich existent. Sie (Er, Anm. des erkennenden Gerichts) verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern selbst verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

26

Zur Gründung und Existenz des Beklagten (des Zweckverbands, Anm. des erkennenden Gerichts), hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich … um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.

...

27

Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch[l]. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen ...

28

29

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

30

- vgl. … etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

31

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern(,) und ist damit wirksam.

32

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres … [ist] veröffentlicht [in] juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

33

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

34

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

35

b) ... [Es] wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

36

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

37

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

38

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

39

c) wenn sie bebaut sind.

40

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

41

(3) […]

42

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vor-teilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

43

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

44

c) ... (D)ie Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 (ist) nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

45

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

46

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

47

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

48

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

49

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

50

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

51

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

52

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

53

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

54

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

55

d) […]

56

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

57

Diese Satzungsbestimmung wird ... unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

58

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

59

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

60

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

61

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

62

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde G.) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

63

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

64

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

65

cc) [dd, Anm. des erkennenden Gerichts] Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde G. enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von ‚baulichen Anlagen’ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

66

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

67

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

68

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

69

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht ‚ungefragt auf Fehlersuche’.

70

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

71

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

72

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

73

cc) ... [Es] wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

74

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

75

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

76

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

77

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung ‚Schmutzwasserentsorgung’ wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für ‚Altanschließer’ als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

78

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

79

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

80

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind ... auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

81

‚nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen.’

82

Danach durfte der Zweckverband die gelegentlich... monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

83

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

84

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

85

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

86

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit ... unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

87

‚[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]’

88

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

89

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

90

‚Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]’

91

Das ... Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

92

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

93

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitrag[s]recht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

94

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung der Gebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen(.) Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

95

(3) Soweit ... darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Altanlagen kostenlos übernommen ... und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

96

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

97

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

98

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

99

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

100

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der ‚Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. D…)’, der ‚Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014’ sowie einer Auflistung ‚Kostenschätzung B-Pläne’. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

101

cc) [ff, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Annahmen in der Kalkulation müssen ... mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

102

ff) [gg, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage (Kläranlage, Anm. des erkennenden Gerichts) N. hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien ...

103

gg) [hh, Anm. des erkennenden Gerichts] Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband(s) nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. ... [Es] ist ... gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010 festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

104

hh) [ii, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

105

ii) [jj, Anm. des erkennenden Gerichts] Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

106

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

107

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

108

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

109

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

110

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

111

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

112

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

113

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

114

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

115

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

116

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

117

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

118

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

119

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

120

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

121

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes waren sämtlich rechtsunwirksam:

122

aa) Die Beitrags- und Gebühren[...]satzung des Zweckverbandes vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

123

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen ‚Grundstücksbesitzern’ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

124

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

125

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

126

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

127

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

128

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

129

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

130

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

131

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

132

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

133

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

134

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes [= zwischen den Parteien, Anm. des erkennenden Gerichts] gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

135

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

136

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

137

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG Schwerin, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband ).

138

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

139

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

140

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

141

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

142

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

143

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

144

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

145

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

146

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., … juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

147

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine ‚Vertrauensinvestition’, die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

148

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

149

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

150

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

8. .....

151

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den ‚Genuss’ eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN) …“

152

II. An diesen rechtlichen Ausführungen hält das Gericht auch im vorliegenden Verfahren fest.

153

1. Zwar hat die Kammer nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (veröffentlicht ist beispielhaft die Sache 9 C 19/14, NVwZ-RR 2015, 786 = juris) zwischenzeitlich die Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KAG M-V in Beitragsfällen nach dem Jahr 2008 als verfassungswidrig angesehen und in einem anderen Verfahren auch ein konkretes Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet (Beschl. v. 31. März 2016 in der Sache 4 A 94/11, veröffentlicht in juris, Az. beim BVerfG 1 BvL 3/16).

154

2. Daran ist aber nicht mehr festzuhalten, nachdem der Landesgesetzgeber mit dem sog. Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 (GVOBl. S. 584), in Kraft getreten am 30. Juli 2016, in dem geänderten § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V die verfassungsrechtlich geforderte absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung gesetzt hat:

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155

Die vormals bestehende verfassungswidrige Unvollständigkeit des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern ist dadurch beseitigt worden. Aus diesem Grund ist auch mit Beschluss der Kammer vom 23. August 2016 der vorstehend genannte Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 31. März 2016 aufgehoben worden.

156

3. Gegen die vom Landesgesetzgeber getroffene zeitliche Obergrenze einer Beitragserhebung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. hat das Gericht keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (zur ähnlichen Regelung in Sachsen, § 3a Abs. 3 SächsKAG, ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016 – 5 A 493/14 -, LKV 2016, 313 ff. = juris Rn. 12).

157

a) Der Landesgesetzgeber hat insoweit einen weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum, um die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit bei kommunalabgabenrechtlichen Vorteilslagen durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Diesen Spielraum überschreitet der Landesgesetzgeber nicht, mag er für die seit dem 3. Oktober 1990 bzw. dem - wohl maßgeblichen - Inkrafttreten des (ersten) Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 (KAG 1991) möglichen Anschlussbeitragserhebungsfälle mit den „10+20“-Jahren auch am äußeren (aber „diesseitigen“) zeitlichen Rand der gesetzgeberischen Regelungsalternativen liegen. Hierbei sind – gerade mit Blick auf die circa ersten zehn Jahre vom 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 (Inkrafttreten des KAG 1991) bis Ende des Jahres 2000, die nach der gesetzlichen Vorschrift noch nicht den Lauf der 20jährigen Obergrenze für eine Beitragserhebung in Gang setzen sollen - die besonderen Herausforderungen der Wiedervereinigung zu berücksichtigen, die nicht nur durch einen vollständigen Wechsel des Rechtsregimes, sondern auf kommunaler Ebene zusätzlich durch eine Vielzahl von gleichzeitig und mit beschränkten kommunalen Ressourcen zu bewältigenden Aufgaben (grundlegender Verwaltungsumbau, Herstellung kommunaler Strukturen und dafür nötiger Rechtsgrundlagen, Instandhaltung, Sanierung und Fortentwicklung der Infrastruktur) geprägt waren (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. April 2015, a. a. O., juris Rn. 17; OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 13). Exemplarisch hervorzuheben sind etwa die in den Anfangsjahren des Landes Mecklenburg-Vorpommern landauf landab vielfach missglückten Versuche der Kommunen, rechtswirksam einen Zweckverband nach den §§ 150 ff. der Kommunalverfassung (KV M-V) in den Aufgabenbereichen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung zu gründen bzw. ihm beizutreten, die den Landesgesetzgeber veranlasst haben, die umfangreichen §§ 170a, 170b KV M-V zur Unbeachtlichkeit von dort aufgeführten Rechtsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden und dem Beitritt zu einem solchen einschließlich der Fiktionen bei Unvollständigkeit der Verbandssatzung zu schaffen.

158

b) Das Gericht hegt auch keine (landes- oder bundes)verfassungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf das ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten entwickelte Rückwirkungsverbot, soweit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. – wie vorliegend – auch Vorteilslagen vor dem 30. Juli 2016 bis zurück zum 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 betrifft.

159

aa) Die Bestimmung des § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung seit dem 30. Juli 2016 beinhaltet zwar wohl nicht nur eine Begünstigung für die seit 3. Oktober 1990 (erster Geltungstag des Grundgesetzes in dem damals zugleich neu/wieder entstandenen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern) bzw. Mitte Mai 1991 in Mecklenburg-Vorpommern Betroffenen durch Beseitigung einer bis dahin bestehenden verfassungswidrigen Rechtslage, sondern dürfte auch grundrechtsbelastend sein, soweit es den frühestmöglichen Zeitpunkt des Eintritts der zeitlichen Obergrenze einer (Anschluss-)Beitragserhebung seit dem 3. Oktober 1990 bzw. Mitte Mai 1991 auf den Ablauf des Jahres 2020 bestimmt.

160

bb) Art. 1 Nr. 2 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern vom 14. Juli 2016 stellt in diesem Fall insoweit eine sog. unechte Rückwirkung dar. Die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist gegeben, wenn eine tatbestandliche Rückanknüpfung stattfindet, die den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm betrifft. Hier wirkt die belastende Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte oder Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein und entwertet zugleich die bisherige Rechtsposition nachträglich im Ganzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10 –, BVerfGE 131, 20-47 = juris Rn. 66 m. w. N.). Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten also erst nach Verkündung der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber – wie hier die seit Oktober 1990/Mai 1991 gegebenenfalls schon vorliegenden Vorteilslagen, also damals schon bestehenden Anschlüssen oder Anschlussmöglichkeiten an das faktisch vorhandene Trinkwasser- oder Abwassernetz aus DDR- oder gar noch „Reichs“-Zeiten - Sachverhalte, die bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“ worden sind.

161

Ein Eingriff in einen abgeschlossenen Tatbestand und damit eine echte Rückwirkung liegt dagegen mit Blick auf das Änderungsgesetz nicht vor, auch nicht bei den selbst sich so titulierenden „Altanschließern“, deren Grundstücke also schon vor Mitte Mai 1991 oder dem 3. Oktober 1990 in Mecklenburg-Vorpommern bzw. zuvor der DDR oder dem Deutschen Reich an ein öffentliches Wasser- oder Abwassernetz angeschlossen waren. Sie sind aus den dargelegten Gründen nicht „sakrosankt“; ihre Nichteinbeziehung in die Anschlussbeitragserhebung würde sogar den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzen (dazu auch sogleich).

162

Die unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015 – 2 BvR 1958/13 –, juris Rn. 43 m. w. N.). Dabei ist das durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Vertrauen auf die geltende Rechtslage nur schutzwürdig, wenn die gesetzliche Regelung generell geeignet ist, ein Vertrauen auf ihr Fortbestehen zu begründen und darauf gegründete Entscheidungen herbeizuführen, die sich bei Änderung der Rechtslage als nachteilig erweisen. Ist das Vertrauen des Bürgers auf den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt und daher nicht schutzwürdig, ist ein rückwirkender belastender Eingriff ausnahmsweise zulässig. Das ist etwa dann der Fall, wenn das rückwirkend geänderte Recht unklar und verworren oder ein Zustand allgemeiner und erheblicher Rechtsunsicherheit eingetreten war und für eine Vielzahl Betroffener Unklarheit darüber herrschte, was rechtens sei (BVerfG, Beschl. v. 16. Dez. 2015, a. a. O., Rn. 44 m. w. N.).

163

So liegen die Dinge auch hier, wie weiter oben dargelegt worden ist. Auch in Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, den das Bundesverfassungsgericht auch bei der Problematik rückwirkender Gesetze zunehmend stärker betont, ist es (noch) angemessen, die Obergrenze für eine Beitragserhebung von 20 Jahren zu normieren und zugleich diese „Frist“ in Mecklenburg-Vorpommern erst ca. zehn Jahre nach der Deutschen Einheit bzw. dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 11. April 1991 zu laufen beginnen lassen. Insoweit kann auf die oben dargestellten besonderen Verhältnisse in den „Gründerjahren“ des neuen Bundeslands verwiesen werden (vgl. im Ergebnis ebenso OVG Bautzen, Beschl. v. 21. April 2016, a. a. O., juris Rn. 15 und 18).

164

cc) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine solche „Heilung“ eines verfassungswidrig unvollständigen Landesgesetzes kraft (Landes- oder Bundes-)Verfassungsrechts von vornherein („nie“) oder jedenfalls jetzt nicht mehr („zu spät“) möglich gewesen wäre. Bereits in der „Mutter“-Entscheidung – genderaalglatt wohl gleichzeitig auch als „Vater“-Entscheidung zu bezeichnen - zu dieser Problematik hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt (Beschl. v. 5. März 2013, a. a. O., Rn. 49 f.):

165

„… Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

166

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ) …“

167

dd) Ebenso wenig hat der hiesige Landesgesetzgeber, soweit es einen solchen verfassungsrechtlichen Ansatz geben sollte, auch nicht das Recht verwirkt, seine bisherige Untätigkeit seit Bekanntwerden des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 nach etwas mehr als drei Jahren aufzugeben und die verfassungsrechtlich erforderliche zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme eines Beitragspflichtigen zu schaffen, zumal die zuständigen hiesigen Landesgerichte bis hin zum Oberverwaltungsgericht (Urteile vom 1. April 2014, etwa 1 L 142/13, juris) zunächst aus verschiedenen Gründen (grob vereinfacht wohl beginnend mit der sinngemäßen – nicht plattdeutschen - Erwägung „Ja, des san halt die Bayern, mia san aber mia“) eine solche legislative Obliegenheit zum Handeln für den hiesigen Landesgesetzgeber verneint hatten.

168

4. Auch die Beitragskalkulation des Zweckverbands ist jedenfalls unter Berücksichtigung der nachfolgend wiedergegebenen Erklärungen (des Funktionsvorgängers) der Beklagten nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht zu beanstanden.

169

a) Zu Fördermitteln findet sich im Protokoll der mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 Folgendes (S. 23):

170

„… Die Beteiligten führen zum Baugebiet Hornstorf aus, nach Klägerauffassung seien 6 bis 7 Millionen Euro Investitionen bis zum Jahr 2012 erforderlich, war also schon bekannt. Die Beklagtenseite führt dazu aus, dass insoweit nur Kosten berücksichtigt worden seien, die durch den Bebauungsplan bereits konkretisiert seien. Der Flächennutzungsplan sieht dort mehr Fläche vor und nur insoweit als bereits dort Bebauungspläne rechtskräftig sind, würden die anfallenden Kosten auch in der Kalkulation berücksichtigt. Hinsichtlich des B-Plans der Gemeinde Hornstorf Gewerbegebiet sind bislang 4.984.429,- € veranschlagt worden in der Kalkulation minus Fördermittel in Höhe von 3.489.100,- €. Der Differenzbetrag wird in die Kalkulation als Anschaffungs- und Herstellungskosten eingestellt. Dies betrifft lediglich den bereits rechtskräftigen Bebauungsplan.

171

Die Klägerseite sagt, dass in der Kalkulation Stand 5.5.2008 das Gewerbegebiet Hornstorf (mit Kritzow Hornstorf) Gesamtbaukosten mit 16.063.000,- € veranschlagt worden seien, davon Fördermittel in Höhe von 11,244 Millionen. Dieses hätte bereits in den aktuellen Kalkulationen 2010 veranschlagt werden müssen und stimmt auch mit den Abwasserbeseitigungskonzept 2010 überein.

172

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Kosten von Baumaßnahmen aus diesen Verträgen wird die Tabelle Schmutzwasser der Erschließungsverträge erörtert in Beiakte 1 zu 8 A 3/12. Die Beklagtenseite erläutert dazu, dass die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst mal in die Anlagebuchhaltung übernommen worden sind, so wie die vom Erschließungsträger nachgewiesen wurden. Sodann sind Zuschüsse Dritter abgezogen worden sowie ein Vergleich angestrebt worden zwischen den satzungsmäßig anfallenden Beiträgen und den tatsächlich gezahlten Beiträgen, so wie die in der Ablösevereinbarung getroffen worden sind. Die Differenz zwischen den tatsächlichen und den Beiträgen und den rechtlich möglichen Beiträgen sei dann von den Anschaffungs- und Herstellungskosten als sogenannte Deckungslücke abgezogen worden. Aus der Tabelle in der Spalte reine AbschreibeAK Anlage Kosten nach Ortslagen seien die dort ausgewiesenen Beträge in die Kalkulation eingestellt worden.

173

Der Klägervertreter äußert dazu Bedenken, weil nicht die tatsächlichen anfallenden Kosten eingestellt worden seien. Vielmehr seien keine Kosten eingestellt worden, wie man auch aus der laufenden Nr. 1 Bad Kleinen EV Nr. 163/94 Koppelweg Bad Kleinen ersehen könne. Dort sei der volle Beitrag in Höhe von 126.721,98 € abgelöst worden. Tatsächlich seien als reine AK noch 17.895,22 € in der Kalkulation veranschlagt worden.

174

Die Beklagtenseite bestätigt, dass das Zahlenwerk, so wie das von Herrn Rechtsanwalt K… dargestellt worden ist, zutreffend interpretiert worden ist.“

175

Dem Protokoll kann das Gericht deshalb nicht den gelegentlichen Vortrag mancher Kläger entnehmen, dort sei von dem Funktionsvorgänger der Beklagten (zu)gestanden worden, dass im Rahmen der Kalkulation nicht alle Fördermittel ausgewiesen worden seien. Im Übrigen bleibt unklar, was diese Kläger mit „ausgewiesen“ meinen. Soweit sie damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sämtliche erhaltenen Fördermittel (= Zuschüsse) im Zusammenhang mit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung von den Herstellungskosten kalkulatorisch abzuziehen seien, ist dies unzutreffend. Vielmehr regelt das Gesetz in § 9 Abs. 2 Sätze 4 ff. KAG M-V die Problematik von Zuschüssen differenziert wie folgt:

176

„… Zuschüsse sind vorbehaltlich der Sätze 5 und 6 zur Deckung des gesamten Aufwandes zu verwenden. Zuschüsse, die nach den Rechtsvorschriften des Zuwendungsprogramms oder sonstigen Bestimmungen des Zuschussgebers zur Begünstigung bestimmter Beitragspflichtiger oder bestimmter Gruppen von Beitragspflichtigen zu verwenden sind, bleiben in der Beitragskalkulation unberücksichtigt. Diese Zuschüsse sind bei der Heranziehung zu den Beiträgen zu Gunsten der in Satz 5 genannten Beitragspflichtigen beitragsmindernd zu berücksichtigen …“

177

b) Der damalige Verbandsvorsteher des Zweckverbands Wismar hat in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 allerdings vor dem dort näher dargestellten Hintergrund erklärt:

178

„Gemäß § 2 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern erkläre ich, dass die Kosten der Erschließungsverträge Nr. 1, 6, 9, 10, 12, 13, 17, 24, 26, 27, 30, 35, 38, 46 und 47 in einer Gesamthöhe von 862.251,57 € von den beitragsfähigen Kosten in der Kalkulation abgezogen werden. Als beitragsfähige Kosten verbleiben demnach 69.079.753,21 € …

179

Ergänzend … erkläre ich gemäß der genannten Vorschrift, dass sämtliche in der Tabelle Erschließungsverträge genannten Anschaffungskosten in einer Höhe von zusätzlich 4.999.521,91 € aus der Kalkulation herausgenommen werden, damit reduzieren sich auch die Zuschüsse Dritter um 3.646.392,20 €. Der beitragsfähige Aufwand beträgt danach insgesamt 67.726(.)*632,50 €. Der kalkulierte Beitragssatz liegt somit bei 4,29 €.“ * = Das erkennende Gericht hat den offensichtlichen Schreibfehler eines „zu frühen“ Kommas durch einen es ersetzenden Punkt berichtigt.

180

Da der damit gemeinte höchstzulässig kalkulierte Beitragssatz immer noch weit unter dem aus politischen Gründen „gedeckelten“ Beitragssatz von 3,10 €/m² anrechenbarer Nutzfläche des jeweiligen Grundstücks liegt (§ 7 Abs. 1 BSSW 2010/2012), ergeben sich auch aus diesen Erklärungen nach § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V keine Konsequenzen für den vorliegenden Fall.

181

c) Der Einwand von Klägern eines Parallelverfahrens (4 A 43/11), eine interne (= bei der Beklagten vorgenommene) Überprüfung der Beitragskalkulation im Jahre 2010 habe darüber hinaus eine grobe Falschberechnung – die im Weiteren dargelegt wird – ergeben, ist durch das weitere Geschehen überholt und veraltet. Unterlagen der Beklagten dazu haben die dortigen Kläger zwar nicht vorgelegt, die Beklagte bestreitet allerdings in den dortigen Verfahren auch weder die interne Revision der damaligen Beitragskalkulation noch deren dargestelltes Ergebnis. Jedenfalls nach den Erklärungen (des Funktionsvorgängers) der Beklagten nach § 2 Abs. 3 KAG M-V in den mündlichen Verhandlungen der Sachen 8 A 1839/10 u. v. m. am 15. März 2012 soll der beitragsfähige (Gesamt-)Aufwand danach allerdings seither („nur“ noch) insgesamt 67.726.632,50 € betragen. Selbst wenn also die Beitragskalkulation bis dahin fehlerhaft gewesen sein sollte, ist sie nunmehr durch nach § 2 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V zulässige (da nicht zu einer Anhebung des Abgabensatzes führende) Erklärungen des damaligen Verbandsvorstehers des Zweckverbands korrigiert worden, ohne dass die nachträgliche Änderung der Kalkulation zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung führt oder einer erneuten Befassung der Zweckverbandsversammlung bedarf, § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Weiteren substantiierten Vortrag, dass selbst diese ca. 67 Mio. € Herstellungsaufwand aus näher dargelegten Erwägungen noch (viel) zu hoch kalkuliert worden seien, gibt es nicht, sondern nur im Parallelverfahren 4 A 43/11 Äußerungen zur Veränderung der seit 1995 kalkulierten Beitragssätze um lediglich 0,03 € trotz umfangreicher Investitionen. Damit wird aber nicht substantiiert vorgetragen, dass und aus welchen Gründen die Beitragskalkulation immer noch nicht ordnungsgemäß ist, zumal unklar bleibt, ob dabei auch der „gedeckelte“ Beitragssatz im Blick genommen worden ist, der kraft Natur der Sache solange unverändert bleibt, als der jeweils höchstzulässig kalkulierte noch darüber liegt. Ungefragt ins Blaue hinein wird das Gericht aber nicht die Beitragskalkulation näher überprüfen.

182

d) Im Übrigen neigt das erkennende Gericht dazu, die bisherige Rechtsprechung zum Vorliegen eines „methodischen“ Kalkulationsfehlers vor dem Hintergrund der mahnenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu zeitlichen Obergrenzen einer kommunalen Abgabenerhebung und der nunmehr landesrechtlich geschaffenen absoluten Obergrenze für eine Anschlussbeitragserhebung mindestens zu überdenken, wenn nicht sogar eine Korrektur hin zur von anderen Obergerichten für die Landesrechtslage in diesen Bundesländern praktizierten „Ergebnisrichtigkeitstheorie“ (vgl. dazu Aussprung, in: ders./Siemers/Holz/Seppelt, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Stand: Nov. 2015, § 2 Erl. 8.3.1.1 S. 57 und etwa 8.3.4.2 S. 68, je m. w. N.) vorzunehmen sein wird. Einstweilen begnügt sich das Gericht mit dem Hinweis, dass der vorliegende Beitragssatz von 3,10 €/m² anzurechnender Grundstücksfläche noch deutlich unterhalb des „höchstzulässig“ kalkulierten von zuletzt 4,29 € liegt.

183

B) Auch die konkreten Einwände des Klägers gegen seine Veranlagung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag greifen nicht durch.

184

I. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Anschlussbeitragserhebung (vgl. etwa Aussprung, a. a. O., § 2 Erl. 12.3.2 S. 105) ist hier nicht verletzt. Soweit der Kläger vorträgt, die Stadt N. sei mit Schreiben (des Funktionsvorgängers der Beklagten) vom 21. August 2006 bereits zur Zahlung der Herstellungsbeiträge zur Schmutzwasserbeseitigung herangezogen worden, ist dies unzutreffend. Das Schreiben ist lediglich die Anhörung zur damals beabsichtigten Beitragserhebung, zu der es aber gegenüber der Stadt N. nach Aktenlage nicht gekommen ist. Jedenfalls hat der Kläger auch keinen früheren (nicht von der Beklagten zwischenzeitlich aufgehobenen) Bescheid zur Erhebung eines Schmutzwasseranschlussbeitrags für sein Grundstück vorgelegt. Das Gericht sieht auch keinen Anlass, an der Vollständigkeit der von Beklagtenseite vorgelegten Verwaltungsvorgänge zu zweifeln, namentlich daran, ob es nicht doch – ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V und die entsprechende damalige Satzungsvorschrift dazu in § 5 Abs. 1 Satz 3 BSSW vom 20. Dezember 2005, die dann allerdings – [in der Sprache der heutigen Jugendlichen wohl: echt krass] rechtswidrig – in der 1. Änderungssatzung vom 21. Februar 2007 wieder gestrichen wurde) - einen zwischenzeitlichen entsprechenden Beitragsbescheid an die Voreigentümerin des Grundstücks gegeben hat.

185

II. Dem Kläger wird durch den hier (schon seit langem) bestehenden Anschluss seines Gebäudes auf dem Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung auch erstmals ein rechtlicher – und nur um einen solchen geht es hier - Vorteil vermittelt. Es liegt hier im Vergleich vor und seit dem 3. Oktober 1990 kein bloßer Rechtsträgerwechsel nach dem Motto „gestern hat’s der eine öffentliche Betrieb gemacht, heute macht’s halt der andere“ vor, sondern ein sowohl politischer als auch vor allem rechtlich grundlegender Systemwechsel, nachdem die DDR seit dem 3. Oktober 1990 nicht mehr existent und seither die Bundesrepublik Deutschland um fünf neue Bundesländer erweitert worden ist und insoweit gesamtdeutsches Recht nach Maßgabe des Einigungsvertrags in den neuen Ländern gilt, damit erstmals auch nach (Wieder-)Einführung des föderalen Systems auf hiesigem Boden wieder Landesrecht. Diesen rechtlich-existentiellen Wandel gilt es zu beachten und nicht zu ignorieren. Die Feststellung des im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geborenen und aufgewachsenen niederdeutschen Dichters Fritz Reuter (1810-1874) „Hier bliwt allens bi’n ollen!” gilt deshalb bei einem Rechtsvergleich vor und nach der Deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 jedenfalls im Hinblick auf das in Mecklenburg-Vorpommern (und den übrigen neuen Ländern) geltende Recht nicht (mehr). Nebenbei sei angemerkt, dass bislang noch kein einziger sog. „Altanschließer“ mit oder ohne anwaltliche(r) Vertretung den (obgleich irrelevanten) Nachweis erbracht hat, dass ein Grundstücks-/Gebäudeeigentümer zu DDR-Zeiten einen wie auch immer gearteten Obolus an den Zentralstaat und seine Organe (wohl seit 1963/1964 namentlich die VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung, die Räte der Städte und Gemeinden usw.) für den Anschluss seiner Immobilie an die damalige öffentliche Anlage zur Schmutzwasserentsorgung geleistet hat bzw. das ein solcher (neben dort wiederkehrend erhobenen Schmutzwassergebühren o. Ä.?) nach DDR-Recht überhaupt vom damaligen Grundstücks- oder Gebäudeeigentümer zu erheben war. Häufiger gehört hat das Gericht dagegen den Einwand, man habe doch jedenfalls zu DDR-Zeiten den Grundstücks- oder Hausanschluss – manchmal auch einen Teil der Kanalisation in der betreffenden Straße - „auf eigene Kosten“ gelegt; jenseits der sicherlich hineingesteckten Arbeitskraft sei dieser Aspekt hier vorsichtshalber nicht näher beleuchtet, soweit es die Frage betrifft, woher die verbauten Rohre usw. stammten und ob sie nach DDR-Recht rechtmäßig erworben wurden (die dafür z. B. verwendeten Rohre gab es jedenfalls nicht im real-nicht existierenden „VEB“ Baumarkt). Selbst wenn dies aber so wäre, hätte ein Voreigentümer (hier: des Gebäudes auf dem wohl damals volkseigenen Grundstück) nur an einem sehr kleinen Bruchteil der Gesamtanlage der Abwasserentsorgung des Zweckverbands mitgewirkt, ohne dass dem Zweckverband eigener Aufwand entstanden ist. Solange ebensolcher Aufwand aber nicht in der Beitragskalkulation als zu refinanzierender Posten des Zweckverbands auftaucht, wofür weder im vorliegenden Fall noch generell etwas ersichtlich ist, spielt dies aber von vornherein keine Rolle, zudem lediglich die Investitionen nach der deutschen Wiedervereinigung im Oktober 1990 bis zum Ende des Kalkulationszeitraums in die Globalkalkulation einfließen (dürfen); selbst übernommene Altschulden aus DDR-Zeiten dürfen nur dann einkalkuliert werden, wenn der Zweckverband sie übernommen hat und sie tilgt.

186

III. Der hier geltend gemachte Anschlussbeitrag ist auch weder festsetzungsverjährt noch verwirkt. Wie bereits oben ausgeführt, ist die hier in Rede stehende Schmutzwasseranschlussbeitragssatzung aus dem Jahre 2010 die erste wirksame ihrer Art für den Zweckverband. Die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist wird bei der vorliegenden Beitragserhebung im Jahre 2012 nicht überschritten.

187

Entgegen der Darstellung des Klägers geht es insoweit auch nicht um „übliche“ Rechtsprechung, an der nicht mehr festzuhalten sei, sondern um schlichte Subsumtion unter die vom Landesgesetzgeber geschaffene Rechtslage im Bereich der kommunalen Abgaben. § 12 Abs. 1 KAG M-V verweist auf die bereits genannten Vorschriften zur Festsetzungsverjährung in der Abgabenordnung.

188

Die von Klägerseite aber damit angesprochene verfassungsrechtliche Problematik im Hinblick auf das aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit (erstmals im Beschl. v. 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143 ff., dann perpetuiert vom 3. Sept. 2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris, und jüngst wiederholt im Nichtannahmebeschluss vom 21. Juli 2016 – 1 BvR 3092/15 –, juris Rn. 6) zwingt aber nicht dazu, die Bestimmungen zur Festsetzungsverjährung als verfassungswidrig anzusehen, sondern betraf das verfassungsrechtliche Problem, dass der Landesgesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten gewesen ist, eine absolute zeitliche Obergrenze für die Erhebung von Anschlussbeiträgen usw. zu normieren. Dies ist nunmehr mit § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V n. F. geschehen (s. o.).

189

Der Landesgesetzgeber war auch nicht zwingend gehalten, diesem verfassungsrechtlichen Gebot durch eine landesgesetzliche Änderung der hier als Landesrecht geltenden Bestimmungen zur Festsetzungsverjährung in der Abgabenordnung (z. B. „gilt mit der Maßgabe, dass ...“) Rechnung zu tragen. Dies folgt etwa auch aus den bereits zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a. a. O., Rn. 49 f.), ebenso aber aus den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (- 9 C 19.14 -, a. a. O., Rn. 17).

190

IV. Die Heranziehung von Eigentümern sog. altangeschlossener Grundstücke bzw. Gebäude ist auch weder willkürlich noch widerspricht sie dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Umgekehrt wäre vielmehr ein solcher Verstoß festzustellen, nähme ein Beitragsgläubiger diese Gruppe aus der Beitragspflicht heraus oder setzte unterschiedliche Beitragssätze fest (vgl. aus jüngster Zeit etwa OVG Greifswald, Urt. v. 1. April 2014 – 1 L 142/13 -, a. a. O., Rn. 52 m. w. N.). Auch die sog. Altanschließer haben einen (rechtlichen) Vorteil von der öffentlichen Einrichtung. Dazu hat nicht zuletzt das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 15. April 2015 (9 C 19.14, a. a. O., Rn. 16) ausgeführt:

191

„... Bei dem Begriff des Vorteils handelt es sich um einen landesrechtlichen und damit - vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Bindungen - nicht revisiblen Begriff (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. April 2012 - 9 BN 1.12 - juris Rn. 16). Hierzu hat das Berufungsgericht festgestellt, der beitragsrechtliche Vorteil sei auch Eigentümern von tatsächlich schon zu DDR-Zeiten angeschlossenen Grundstücken erst in dem Zeitpunkt zugeflossen, in dem ihnen mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen erstmals und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten worden sei, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Dies begegnet angesichts der weiteren Feststellung des Berufungsgerichts, dass Herstellungsbeiträge nur für nach der Wiedervereinigung entstandene Aufwendungen - und somit nicht doppelt - erhoben werden dürfen, keinen bundesrechtlichen Bedenken. Insbesondere steht Bundesverfassungsrecht dieser Auslegung - auch unter Berücksichtigung der Bindungswirkung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (BVerfGE 133, 143) - nicht entgegen. Zwar schützt danach das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 41). Indes bedeutet dies nicht, dass maßgeblicher Zeitpunkt ausnahmslos bereits derjenige des tatsächlichen Anschlusses an das Abwassersystem ist. Die Bestimmung der ab dem Eintritt der Vorteilslage zu bemessenden Ausschlussfrist muss nicht nur die Erwartung des Begünstigten auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung, sondern auch das öffentliche Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Anlage berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O. Rn. 40). Hieraus folgt, dass es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts um eine beitragsrelevante Vorteilslage handeln muss. Die Annahme des Berufungsgerichts, mit der Umgestaltung der Rechtsordnung und der Neugründung einer kommunalen - und damit erstmals kommunalabgabenrechtlich relevanten - Abwasserentsorgung im Jahr 1990 sei mit Blick auf den zukünftigen Ausbau der Einrichtung erstmalig eine Vorteilslage entstanden, stimmt damit überein.“

192

V. Zwar dürfte der anwaltlich vertretene Kläger irren, wenn er selbst vorträgt, (damals) Eigentümer des Grundstücks (gewesen) zu sein. Durch Zuschlag hatte er im Jahre 2011 vielmehr lediglich das Eigentum an dem Gebäude auf dem allerdings mit einem dinglichen Nutzungsrecht zugunsten des Gebäudeeigentümers belasteten Grundstück erworben. Diese Rechtsposition hielt er auch noch zum nach § 7 Abs. 2 Sätze 1 und 4 KAG M-V und § 5 Abs. 1 BSSW 2010/2012 maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids vom 9. August 2012 inne.

193

Seiner Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag steht dem allerdings nicht im Wege. Denn in diesem Fall ist er als Inhaber des dinglichen Nutzungsrechts nach Art. 233 § 4 EGBGB i. V. m. § 5 Abs. 1 Satz 2 BSSW 2010/2012, der sich auf § 7 Abs. 1 Satz 4 KAG M-V stützt, zu Recht als Beitragspflichtiger in Anspruch genommen worden.

194

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

195

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger sind befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasserbeitrags durch den Beklagten für ihr Grundeigentum.

I.

2

Der Zweckverband Wismar wurde im Mai 1991, gestützt auf die DDR-Kommunalverfassung gegründet. Der Landrat des Landkreises Wismar stimmte unter dem 10. Mai 1991 auf Grundlage des Zweckverbandsgesetzes vom 11. Juni 1940 der Erklärung der Gemeinden des Kreises der gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung zur Trink- und Abwasserversorgung und Fernwärmeversorgung zu. Dem ihm vorgelegten öffentlich-rechtlichen Vertrag stimmte er ebenfalls zu. Der zu bildende Zweckverband Wismar werde eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sein. Sodann wurde der Zweckverband Wismar mit Vertrag vom 15. Mai 1991 gegründet. Im Amtsblatt des Landkreises Wismar (dem Wismarer Kreisanzeiger) vom 24. Mai 1991 wurde auf die Gründung des Zweckverbandes Wismar hingewiesen. Am 19. Juni 1991 wurde eine Verbandsatzung beschlossen.

3

Im Mai 1998 wurde mit Genehmigung des Landrats im des Landkreises Nordwestmecklenburg eine „bestätigende Gründung“ des Zweckverbandes Wismar auf der Grundlage der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Gründungsverträge und aufsichtrechtlichen Genehmigungen und Äußerungen verwiesen.

II.

4

Die Kläger sind Eigentümer eines aus zwei Flurstücken bestehenden Grundstücks im Gebiet des Zweckverbandes Wismar. Die Flurstücke sind im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von […] (Bl. […]) unter der laufenden Nummer […] erfasst.

5

Die Verbandsversammlung des Zweckverbandes hatte am 3. März 2010 eine neue Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2010) verabschiedet, wobei laut Sitzungsprotokoll die Kalkulationsunterlagen in der Verbandsversammlung vorgelegen haben. Die Satzung wurde anschließend in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Zeitung) veröffentlicht.

6

Mit Bescheid vom 8. Juli 2010 setzte der Beklagte auf Grundlage dieser Schmutzwasserbeitragssatzung den Beitrag für das klägerische Grundstück auf […] € fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die anrechenbare Grundstücksfläche betrage […] m², so dass bei einem Nutzungsfaktor von 1 und einem Beitragssatz von 3,10 € der genannte Beitrag festzusetzen sei.

7

Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011 - den Klägern zugestellt am 15. März 2011 – zurückwies. Auf den Inhalt des Widerspruchs und des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

8

Die Kläger haben am 28. März 2011 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:

9

§ 5 Abs. 5 der Verbandssatzung sei fehlerhaft, weil keine Weisungsbefugnis der jeweiligen Mitgliedsgemeinden an ihre Vertreter mit der Folge vorgesehen ist, dass in der Verbandsversammlung Mitglieder einer Gemeinde unterschiedlich abstimmen dürften. Die Veröffentlichungsbestimmung in § 22 der Verbandsatzung sei unwirksam, weil die dort als Veröffentlichungsorgan bestimmteOstsee-Zeitung nicht in allen Mitgliedsgemeinden erhältlich sei.

10

Die Beitragsatzung Schmutzwasser sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil unklar sei, ob den Mitgliedern der Verbandsversammlung die Einladungen zur Sitzung der Verbandsversammlung rechtzeitig zugegangen seien

11

§ 3 Abs. 2 BSSW 2010 sei kein Auffangtatbestand zu § 3 Abs. 1 BSSW 2010. Abs. 2 BSSW 2010 erfasse nur diejenigen Fälle, in welchem das Grundstück tatsächlich an die Schmutzwasseranlage angeschlossen sei. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 sei die speziellere Vorschrift. § 6 Abs. 5 BSSW 2010 enthalte keine wirksame Maßstabsregelung. Sie sei nicht vorteilsgerecht und verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), soweit er unterschiedliche Beitragsmaßstäbe für Grundstücke innerhalb eines Bebauungsplans und im unbeplanten Innenbereich vorsehe, selbst wenn diese vergleichbar genutzt würden. Darüber hinaus sei § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 nicht zu entnehmen, ob mit der im Bebauungsplan festgesetzten Gebäudehöhe die Trauf- oder Firsthöhe gemeint sei. Es gebe im Verbandsgebiet durchaus mehrere Bebauungspläne, in denen nur die Gebäudehöhe bestimmt sei. Vollgeschosse könnten nur bis zur Traufhöhe genutzt werden, nicht bis zur (höchstzulässigen) Firsthöhe des Gebäudes. So werde in den Bebauungsplänen Nr. 1 – Gewerbegebiet Kritzow, Nr. 1 der Gemeinde Hornstorf und Nr. 9 Gewerbegebiet Hoppenrade Firsthöhen von 8 bzw. 10 m festgesetzt, während der baurechtlichen Satzung der Gemeinde Neuburg-Steinhausen eine Traufhöhe von 9 m bestimmt sei. Es fehle bei der Maßstabsregelung auch an hinreichender Eindeutigkeit in Fällen, in denen für identische Flächen unterschiedliche Höhenangaben abhängig von der jeweiligen Nutzung festgesetzt worden seien. So seien beispielsweise im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde Glasin für den Bereich Gl 6 folgende Festsetzungen vorgenommen worden: Industriegebiet (GI), offene Bauweise (o), Grundflächenzahl (GRZ): 0,8, maximale Oberkante (OK max) Windkrafträder (WEA) = 100 m, OK max Gebäude = 10,00 m. Zu unbestimmt sei § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 auch insoweit, als Bezugsfläche nicht die Oberkante des natürlichen Geländeniveaus, sondern ausschließlich AHM (?) als Höchstmaß der Gebäudehöhe im Bebauungsplan ausgewiesen werde. Im Bebauungsplan Nr. 3 Industriegebiet am Fuchsberg der Gemeinde Glasin sei in den Gewerbegebieten (GE) 1 und 2 jeweils eine Gebäudehöhe 101 m über HN (= Höhe Null) festgesetzt. Danach wären die Gebäude bei Beachtung der Regelung des § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 mit 39 Vollgeschossen zu veranlagen. Widersprüchlich sei die Regelung der Vollgeschosse dann, wenn innerhalb eines Bebauungsplanes nicht die Zahl der Vollgeschosse, sondern die höchstzulässige Höhe sowohl der Traufe als auch des Firstes als Gebäudehöhe festgesetzt werde, wie im Bebauungsplan Nr. 4 der Gemeinde Glasin bestimmt sei (GR 450 m², THmax: 4,50 m, FHmax: 9,50 m, OK: 82 m).

12

Die den Beitragssatz bestimmende Globalkalkulation leide unter erheblichen Fehlern. Die Festsetzung von Gebühren habe entgegen der bisherigen Auffassung des Gerichts in seinem Urt. v. 26. September 2011 [bzw. v. 10. Oktober 2011 juris Rn. 108] unmittelbare Auswirkungen auf die Beitragskalkulation. Denn über die Gebühren seien bereits kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen für bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar bestehende, von ihm unentgeltlich bzw. gegen Kreditverbindlichkeiten übernommene Schmutzwasseranlagen (für das Kanalnetz Neukloster etwa insgesamt 228.205,46 € für 2001) vereinnahmt worden. Durch Übernahme der Anlagen und Definition als öffentliche Einrichtung sei der endgültige Ausbauzustand festgelegt worden und als hergestellt im Sinne des Beitragsrechts zu betrachten. Danach könnte die so bezeichneten Anlagenteile beitragsrechtlich nur noch erneuert werden, weshalb die Erhebung eines Herstellungsbeitrags unzulässig sei. Noch nicht entschieden sei vom OVG M-V, ob bei einem rückwirkend geänderten Abwasserbeseitigungskonzept für künftige Maßnahmen beitragsrechtlich berücksichtigt werden dürfen. Dann müssten jedenfalls die bereits erzielten kalkulatorischen Einnahmen (Abschreibungen) aus dem Gebührenaufkommen beitragsmindernd berücksichtigt werden. Allein für das Kanalnetz in Neukloster würden nunmehr für den Zeitraum von 2008 bis 2015 3.268,842,96 € veranschlagt. Bei Zugrundelegung der obigen Zahlen habe der Zweckverband zwischen 1991 und 2008 (also über 17 Jahre) 3.879.492,82 € an kalkulatorischen Kosten vereinnahmt. Die Erhebung von Beiträgen sei nur zulässig, wenn der Finanzbedarf nicht das Gebührenaufkommen gesichert sei. Ansonsten würden die Beitragszahler zumindest zeitweise doppelt belastet. Der Zweckverband Wismar hätte daher nur die Möglichkeit, entweder die aus „DDR-Zeiten“ übernommenen Anlagen als erstmalig hergestellt in seine Schmutzwasserbeseitigungsanlage zu übernehmen. Danach dürfte lediglich ein Erneuerungsbeitrag erhoben werden. Oder aber die vereinnahmten Abschreibengen und Zinsen vom beitragsfähigen Aufwand abzuziehen wären.

13

Es lägen weitere methodische Fehler bei der Erstellung der Kalkulation vor: So sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien und Abwasserbeseitigungskonzepten die bereits getätigten und künftigen Kosten für die Beitragskalkulation ermittelt worden seien. Hinsichtlich der Kläranlage Vogelsang sei in der - aktuellen - Kalkulation zum 31. Dezember 2007 ein Wert von 58.601,38 € und künftige Kosten (Investitionen) von 119.598,74 € berücksichtigt. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2000 sei diese Kläranlage als Neubau und endgültige Maßnahme errichtet worden. Nach dem Abwasserbeseitigungskonzept 2005 seien Baumaßnahmen des Kanalnetzes in Vogelsang mit 97.362,45 € beziffert worden. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2010 werde ausgeführt, die Kläranlage Vogelsang sei 2001 als (moderne) SBR-Anlage umgebaut worden. Sie entspreche nicht dem Stand der Technik und werde 2011 mit dem Kanalnetz der Ortschaft erneuert. Die Kosten würden mit 440.000 € veranschlagt. In der Kalkulation seien für diese Kläranlage hingegen 119.598,74 € geplant. Diese stehe zum Abwasserbeseitigungskonzept 2010 im Widerspruch. Zudem seien bis 2020 weitere Ersatzinvestitionen von insgesamt 10.350.000,-- € geplant. Demgegenüber sei allein für das Gewerbegebiet Hornstorf für 2012 Kosten von 16.063.755,04 € [2010 bis 2020] vorgesehen, während in der Beitragskalkulation lediglich 1.000.000,-- € vorgesehen seien.

14

Weitere Widersprüche ergeben sich hinsichtlich der Kläranlage Barnekow. Nach der Kalkulation (31. Dezember 2007) seien Anschaffungs- und Herstellungskosten von 478.376,58 € vorgesehen und weitere für die nächsten 10 Jahre von 289.236,54 € beabsichtigt. Im Abwasserbeseitigungskonzept von 1994 sei Barnekow als dauerhafte Lösung vorgesehen gewesen und nur das Kanalnetz habe erneuert werden sollen. Im Konzept 2000 sei die Anlage zur Anpassung an die erhöhten Anforderungen und Entwicklungsbedingen der Gemeinde bewertet. 2005 seien die Kosten der Erneuerung des Kanalnetzes mit 408.074,62 € angegeben. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2010 sei angegeben, dass die Kläranlage Barnekow 1994 als Übergangslösung gebaut worden sei. Sie entspreche nicht dem Stand der Technik und werde 2011 zur Erneuerung in den Investplan aufgenommen, die Gesamtinvestionen betrügen 594.236,55 €. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die genannte Kläranlage ein Provisorium oder eine endgültige beitragsfähige Maßnahme darstelle. Die Einbeziehung nach dem Abwasserbeseitigungskonzept 2010 sei nicht möglich, soweit nach der Beitragskalkulation 2007 316.923,19 € genannt seien. Andererseits seien in die Beitragskalkulation 2010 in Abweichung von früheren Abwasserbeseitigungskonzepten nur 289.236,54 € eingestellt.

15

Bei der Kläranlage Wismar in Gägelow-Proseken seien ab dem 1. Januar 2008 für laufende Maßnahmen und Kosten 910,17 € genannt und die Differenz zu den Erschließungsverträgen mit 90.220,26 € benannt. Diese Differenz soll resultieren aus einer planmäßigen AfA zwischen Abnahme- und Aktivierungszeitraum. Nach klägerischer Auffassung sei ein solcher Betrag in der Beitragskalkulation nicht zu berücksichtigen. Zudem seien nicht nur 910,17 € als zukünftige Investitionen zu berücksichtigen, weil laut Abwasserbeseitigungskonzept 2010 Schmutzwasserleitung in Höhe von 635.000,-- € hergestellt werden sollten.

16

Widersprüchlich seien zudem Angaben in den Abwasserbeseitigungskonzept 2010 und der Kostenschätzung Baumaßnahmen in der Kalkulation bezüglich Neukloster. Da zahlreiche Straßen (gemeint wohl Kanalnetze) bis 2008 saniert worden seien, könnten sie nicht Gegenstand der Kostenschätzung künftiger Baumaßnahmen sein. Zudem sei zweifelhaft, ob die Sanierung notwendig sei, weil die Leitungen Anfang der 80iger Jahre des 20. Jahrhundert gebaut worden seien, die Abnutzungsdauer von 50 bis 80 Jahren also noch nicht abgelaufen sei. Auch in diesem Fall differierten die Kostenschätzung und das Abwasserbeseitigungskonzept. Einerseits würde die Sanierung von vierzehn Straßen vorgesehen, andererseits von 27 Straßen. Sollten künftig Havarien zu befürchten sein, wäre dies auf fehlende Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zurückzuführen. Zudem würden die Leitungen nicht dem Abwasserbeseitigungskonzept erfolgen und den Verlauf der Leitungen nicht verändern, so dass die Baumaßnahmen eine Erneuerung darstellten.

17

In der neu errichteten Kläranlage Neukloster würden 1.650 dezentrale Anlagen entsorgt. Fraglich sei inwieweit die Kosten von den Betreibern der dezentralen Anlagen zu tragen wären. Auch werde durch eine Teichanlage auch Niederschlagswasser entsorgt, so dass die Errichtungskosten teilweise der öffentlichen Einrichtung Niederschlagswasser zuzurechnen sei.

18

Die prognostizierten Kosten der Kostenschätzung 2015 stimmten nicht mit denjenigen des Abwasserbeseitigungskonzeptes ein, weshalb sich die Frage stelle, auf welcher Berechnungsgrundlage die Kostenschätzung erfolgt sei. Zuwendungen Dritter seien nicht in der tatsächlich festgesetzter Höhe in die Kalkulation eingestellt worden. Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb der Zeitraum der Globalkalkulation 2014 ende, während das Abwasserbeseitigungskonzept 2010 einen Zeitraum bis 2020 betrachte. Auch das Abwasserbeseitigungskonzept 2005 habe einen Zeitraum bis 2016 einbezogen, die Kalkulation reiche lediglich bis 2016.

19

Soweit nach der heutigen Satzungslage die Kosten des ersten Hausanschlusses in den Beitrag einbezogen werden, sei es nicht zulässig, solche Kosten einzubeziehen, die vor Änderung der Beitragssatzung 2000 bereits errichtet gewesen seien, da nach den Beitragssatzungen 1992 und 1993 der erste Anschluss noch nicht in dem Beitrag enthalten gewesen sei.

20

Gerügt werde ferner die Flächenermittlung, die abweichend von den Grundsätzen der BSSW 2010 erfolgt sei.

21

Jedenfalls seien die Beitragsansprüche verjährt. Entgegen der Auffassung des Gerichts seien die Beitrags- und Gebührensatzungen aus dem Jahre 1993 und 1994 nicht nichtig. Sie hätten im Amtsblatt des damaligen Landkreises Wismar veröffentlicht werden dürfen, zumal dies auch heute zulässig wäre. Das Gericht habe sich in der zitierten Entscheidung (juris, Rn. 195 ff.) auch nur mit dem Zuschuss für Hausanschlusskosten auseinandergesetzt, nicht mit der Beitragsbestimmung. Damals habe es von Gesetzes wegen auch noch keiner Kalkulation bedurft. Die Beitragssatzung vom 22. Dezember 1995 sei während ihrer Anwendungszeit gerichtlich unbeanstandet geblieben, insbesondere nicht für nichtig erklärt worden. Sie komme somit als erste Beitragssatzung in Betracht.

22

Schließlich sei bei der Bemessung des Beitrags zu berücksichtigen, dass ihr – der Kläger – Grundstück hinsichtlich eines Flurstücks aus Gartenland bestehe.

23

Die Kläger beantragen,

24

1. den Beitragsbescheid des Beklagten vom 8. Juli 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011 aufzuheben;

25

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung verweist er auf seine Darlegungen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor:

29

Die Beschlussfassung der Zweckverbandsversammlung sei wirksam gewesen. Einladungen zur Sitzung seien unter dem 18. Februar 2010 und damit rechtzeitig erfolgt. Die Stimmabgabe sei auch nicht deshalb rechtsunwirksam, weil nach der Verbandsatzung eine uneinheitliche Stimmabgabe möglich sei. Zum einen fehle es an einer solchen Stimmabgabe. Zum anderen ergebe sich aus der Kommunalverfassung keine Vorschrift zur einheitlichen Stimmabgabe. Dies folge aus §§ 23 Abs. 3, 154 KV M-V und dem Umkehrschluss aus § 156 Abs. 7 KV M-V, wonach den weiteren Vertretern in bestimmten Angelegenheiten Weisungen erteilt werden könnten. Die Ostsee-Zeitung (Wismarer Zeitung) sei im gesamten Verbandsgebiet käuflich erhältlich.

30

Die Beitragssatzung Schmutzwasser sei auch materiell wirksam. Ob es sich bei § 3 Abs. 1 oder 2 BSSW 2010 um eine Auffangregelung handele, sei unerheblich. § 3 Abs. 1 BSSW 2010 sei im Übrigen als Bestimmung des Gegenstandes der Beitrags ausreichend. Die Vollgeschossregelung des § 6 Abs. 5 BSSW 2010 sei auch vom OVG M-V akzeptiert (zuletzt OVG M-V, Urt. v. 14. September 2009 – 4 K 10/07 - S. 15 ff. unter j. = - 4 K 12/4 K 12/07 - juris Rn. 49 ff.).

31

Die abgabenwirksame Berücksichtigung von Abschreibungen sei ausschließlich eine Frage des Gebührenrechts und richte sich ausschließlich nach § 6 Abs. 2 bis 2b KAG M-V. Alle diejenigen Anlagenteile, die bereits in den vergangenen Jahren beitragsrechtlich als endgültig hergestellt galten, würden auch in der aktuellen Beitragskalkulation als endgültig hergestellt angesehen. Es habe keine willkürliche Umwidmung gegeben.

32

Ein Abwasserbeseitigungskonzept stelle allenfalls eine rechtlich unverbindliche (Vor-) Planung dar, habe keinerlei Außenwirkung und begründe keine subjektiven Rechtspositionen. Sie würden weder von §§ 54 ff. des Wasserhaushaltsgesetzes noch vom §§ 40 ff. Landeswassergesetzes oder dem KAG M-V oder dem KV M-V vorgeschrieben. Es könne allenfalls als Dokumentation des Willens des Satzungsgebers im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die grobe Richtschnur bzw. grobe technische Ausgestaltung der öffentlichen Einrichtung verstanden werden. Sie könne auch nicht die grundlegenden notwendigen rechtlichen und faktischen Festlegungen in der Beitragssatzung nebst Kalkulation ersetzen. Die konkrete Ausgestaltungsentscheidung der öffentlichen Einrichtung erfolge mit der Beschlussfassung der Verbandsversammlung über die jährlichen Wirtschaftspläne und jeweils zur Beitragssatzung nebst Kalkulation. Mit diesen Beschlüssen werden die allgemeinen Erwägungen aus dem Abwasserbeseitigungskonzept konkretisiert und detailliert. Das letzte Konzept, das nach Beschlussfassung über die BSSW 2010 beschlossen worden sei, habe frühere Konzepte ersetzt. Die Maßnahmen in Vogelsang und Barnekow seien solche der laufenden Unterhaltung und deshalb nicht Bestandteil der Beitragskalkulation. Hinsichtlich des Baugebiets Hornstorf gehe der Zweckverband Wismar von einer eigenen Erschließung aus, insoweit seien die voraussichtlich anfallenden Kosten der Erschließung in der Beitragskalkulation erfasst.

33

Die vor 2001 hergestellten Grundstücksanschlüsse seien Teil der zentralen Schmutzwasseranlage gewesen. Eine Umwidmung sei mit der Verabschiedung der Schmutzwasserbeitragssatzung am 18. Oktober 2000 nicht vorgenommen worden. In der BSSW 2010 sei ein Wechsel der Refinanzierungsart erfolgt. Dies sei weder verboten noch sonst zu beanstanden. Im Beitragsrecht sei anerkannt, dass Beitragseinnahmen grundsätzlich nicht kostenmindernd zu berücksichtigen seien.

34

Die Beitragsansprüche seien nicht verjährt, weil sämtliche frühere Beitragssatzungen nichtig gewesen seien. Dies gelte auch für die Satzungen von 1992 und 1993, da diese im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht seien, ohne dass ersichtlich gewesen sei, dass dort auch Satzungen des Zweckverbandes Wismar veröffentlicht werden dürften. Im Übrigen habe es bis 1995 an einer wirksamen Definition der öffentlichen Einrichtung gefehlt.

35

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte, gestützt auf § 2 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) erklärt, dass sämtliche in der Tabelle Erschließungsverträge zur Beitragskalkulation Schmutzwasser aufgeführten Anschaffungskosten aus der Kalkulation herausgenommen würden. Der beitragsfähige Aufwand betrage danach insgesamt 67.726.632,50 €. Der kalkulierte Beitragssatz liege somit bei 4,29 €.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum vorliegenden Verfahren, der Satzungs- und Kalkulationsunterlagen (Beiakten 1 bis 9, und 11 bis 14 des Verfahrens 8 A 3/12) verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Die Klage ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Sie ist aber unbegründet.

38

I. Der angegriffene Beitragsbescheid und der zugehörige Widerspruchsbescheid des Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Der Zweckverband Wismar ist rechtlich existent. Weder die Verbandssatzung des Zweckverbandes hinsichtlich der Weisungsrechte an die Mitglieder der Verbandsversammlung und der Veröffentlichungsbestimmung noch die den angegriffenen Beitragsbescheiden zugrunde liegende Abgabensatzung ist in formeller und materieller Hinsicht zu beanstanden. Dem Beitragsanspruch steht weder § 242 Abs. 9 des Baugesetzbuchs (BauGB) entgegen, noch ist er verjährt oder verwirkt. Den angegriffenen Bescheiden haften selbst keine Fehler an.

39

1. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung. Dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt und hat das Gericht bereits mehrfach entschieden.

40

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris LS 3 und Rn. 76 ff.

41

Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverbandesgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.

42

2 a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:

43

(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:

44

1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,

45

2. Änderung der Verbandssatzung,

46

3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,

47

4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,

48

5. Zusammenschluss von Verbänden.

49

Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat „im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus“. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband Wismar übernommene - Ausnahmen.

50

Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.

51

Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.

52

b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

53

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

54

Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.

55

c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

56

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

57

- vgl. zuletzt etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

58

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.

59

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

60

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

61

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

62

b) Klägerseitig wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

63

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

64

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

65

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

66

c) wenn sie bebaut sind.

67

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

68

(3) […]

69

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

70

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

71

c) Entgegen klägerseitiger Auffassung ist die Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

72

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

73

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

74

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

75

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

76

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

77

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

78

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

79

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

80

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

81

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

82

d) […]

83

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

84

Diese Satzungsbestimmung wird klägerseitig unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

85

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

86

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

87

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

88

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

89

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde Glasin) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

90

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

91

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

92

cc) Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde Glasin enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von „baulichen Anlagen“ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

93

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

94

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

95

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

96

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.

97

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

98

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

99

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

100

cc) Klägerseitig wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

101

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

102

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

103

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

104

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

105

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

106

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

107

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

108

"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."

109

Danach durfte der Zweckverband Wismar die gelegentlich im Widerspruch klägerseitig monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

110

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

111

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

112

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband Wismar solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

113

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

114

„[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]“

115

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

116

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

117

„Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]“

118

Das von Klägerseite weiter angeführte Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

119

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

120

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

121

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung derGebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

122

(3) Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Wismar Altanlagen kostenlos übernommen hat und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

123

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

124

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

125

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

126

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband Wismar dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

127

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. Dick)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer Auflistung „Kostenschätzung B-Pläne“. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

128

cc) Die Annahmen in der Kalkulation müssen entgegen klägerischer Auffassung mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband Wismar die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes Wismar nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

129

ff) Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien. Dies ist klägerseitig nicht weiter beanstandet worden.

130

gg) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in den Widerspruchsverfahren gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

131

hh) Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

132

ii) Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

133

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

134

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

135

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

136

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

137

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

138

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

139

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

140

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

141

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

142

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

143

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

144

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

145

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

146

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

147

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

148

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:

149

aa) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

150

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen „Grundstücksbesitzern“ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

151

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

152

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

153

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

154

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

155

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

156

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

157

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

158

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

159

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

160

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

161

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

162

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

163

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband Wismar 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

164

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG Schwerin, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband Wismar).

165

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landrat des Landkreises Wismar) fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

166

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

167

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

168

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

169

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

170

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

171

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

172

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

173

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

174

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

175

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

176

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

177

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

178

8. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr Grundstück zum Teil aus Gartenland bestehe, kann dies zu keiner Reduzierung des Beitrags führen. Denn beide Flurstücke sind rechtlich gesehen ein Grundstück, weil beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer Nummer geführt werden. Sie sind daher einheitlich zu veranlagen.

179

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).

180

II. […]

181

III. […]

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.135,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.straße … (Gemarkung Güstrow, Flur …, Flurstück ...) in Güstrow gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in Höhe von 3.135,11 Euro durch den Beklagten. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung bzw. die Beitragserhebung sei rechtswidrig.

2

Der nach Zustellung des angefochtenen klageabweisenden Urteils am 27. Juli 2005 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 26. August 2005 gestellte und mit am 27. September 2005 per Telefax auch beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegt der zunächst zur Begründung angeführte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) jedenfalls in der Sache nicht vor.

4

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, Beschluss vom 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; Beschluss vom 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben.

6

Das zentrale Argument des Prozessbevollmächtigte des Klägers geht dahin, für sog. "altangeschlossene" Grundstücke wie das des Klägers, der bereits im Jahre 1941 einen "Anschlussbeitrag" gezahlt habe, dürfe nicht "nochmals", nunmehr gestützt auf § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. die entsprechende Anschlussbeitragssatzung der Stadt Güstrow ein Anschlussbeitrag erhoben werden, weil dies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

7

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke hat sich das Oberverwaltungsgericht und speziell auch der Senat bereits in der Vergangenheit auseinandergesetzt; an diese Rechtsprechung knüpft das angefochtene Urteil auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), an. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 L 197/05 - (NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Übrigen nochmals bekräftigt, dass von den altangeschlossenen Grundstücken ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann, insbesondere auch wenn vor 1945 bereits Abgaben für einen Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation entrichtet worden sind. Der Senat hat u.a. ausgeführt:

8

"1. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist geklärt, dass von den so genannten altangeschlossenen Grundstücken, zu denen auch das hier streitige Grundstück gehört, ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann.

9

Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen (Schmutzwasser-)Beseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke , LKV 2004, 447, für das Recht von Brandenburg; Aussprung , LKV 2005, 202, für Mecklenburg-Vorpommern; Abgeordneter Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984; Abgeordnete Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987; ferner die Landtagsdrucksachen im Verfahren zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 4/1101, 4/1106, 4/1230 und 4/1307; schließlich die öffentliche Anhörung des federführenden Innenausschusses des Landtages vom 10. November 2004).

10

Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Der Landesgesetzgeber hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987.

11

Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die daher nach wie vor aktuell ist:

12

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83). Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, LKV 2001, 516 = VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte altangeschlossene Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten (OVG Greifswald, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 12. Mai 2005 - l L 477/04 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -).

13

Im Urteil vom 30. 6. 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden:

14

"Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG nicht vereinbar.

15

Die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer werden im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt; sie haben nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und können dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt werden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entsteht zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II."

16

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302 = VwRR MO 2000, 60 = KStZ 2000, 118 = DVBl. 1999, 1669 = Überblick 1999, 471).

17

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA.

18

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten Schulz , PDS, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).

19

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (Stichtagsregelung). Nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA entsteht eine Beitragspflicht nicht für Investitionen, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Differenzierung zwischen angeschlossenen und anzuschließenden Grundstücken verstoße - so führt das OVG Magdeburg (Urt. vom 4. 12. 2003 a.a.O.) aus - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung nach den faktischen Verhältnissen auch vor In-Kraft-Treten des KAG und der Kommunalverfassung dauerhaft gesichert gewesen sei. Der sachliche Grund für die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehene Differenzierung liege darin, dass sich der Gesetzgeber von der Annahme habe leiten lassen dürfen, dass die Anschlussmöglichkeit für die Grundstückseigentümer, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen gewesen seien, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, sodass den Grundstückseigentümern eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden sei. Damit habe der Gesetzgeber den faktischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR Rechnung getragen.

20

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Sie läuft in der Sache darauf hinaus, dass die von den heute Abgaben erhebenden Körperschaften nach der Wende, aber vor In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze getätigten Investitionen allein auf die Neuanschlussnehmer umgelegt werden müssten. Hierin ist, wie oben ausgeführt, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Vom OVG Magdeburg wird in der genannten Entscheidung, in der ausdrücklich auf die gegenteilige Ansicht des OVG Greifswald hingewiesen wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, a.a.O.), der rechtliche Gesichtspunkt, dass Beiträge nur die nach der Wende getätigten Investitionen refinanzieren sollen, nicht hinreichend in den Blick genommen. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt dann die nicht über Herstellungsbeiträge zu deckenden Kosten über Verbesserungsbeiträge refinanzierbar ( Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/05, § 8 Rn. 1057b), was zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führt.

21

2. Ferner ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass im Anschlussbeitragsrecht nach der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. die sachliche Beitragspflicht erst im Zeitpunkt hat entstehen können, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand schlägt daher fehl.

22

Die (auch) in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffende gesetzliche Regelung, dass im Bereich der Anschlussbeiträge die (sachliche) Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten einer Satzung entsteht (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F., jetzt § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), wird in ständiger Rechtsprechung vom OVG Greifswald (so bereits Beschluss vom 8. April 1999 - 1 M 41/99 -, n.v.) dahin gehend verstanden, dass es sich hierbei um eine wirksame Satzung handeln muss. Dies entspricht auch der seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Gesetzeslage. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V spricht von der "ersten wirksamen Satzung".

23

Diese Ansicht (zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F.) wurde in der Rechtsprechung zunächst nahezu einheitlich vertreten. Erst nachdem das OVG Münster (Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hergeleitet hat, dass auch eine nicht wirksame (d.h. ungültige, nichtige) Satzung für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht relevant ist, ist die Diskussion in Gang geraten. Das OVG Münster hat seine Auffassung damit begründet, der Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW erschöpfe sich darin, den Gemeinden eine ordnungsgemäße verwaltungstechnische Abwicklung der Vielzahl von Beitragsfällen zu ermöglichen, die mit dem In-Kraft-Treten des KAG NRW am 1. Januar 1970 (!) entstanden wären. Dieser Auffassung hat sich das OVG Frankfurt/Oder (Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = VwRR MO 2000, 410) im Ergebnis angeschlossen. Da aus diesem Grunde die Gefahr einer Verjährung von Beitragsforderungen drohte, ist in Brandenburg der Landesgesetzgeber im Jahre 2003 tätig geworden und hat in § 8 Abs. 7 S. 2 BbgKAG klargestellt, dass die Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten der "rechtswirksamen" Satzung entsteht.

24

Das OVG Greifswald (zuletzt im Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 L 56/04 -; ferner im Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; auch Becker , KStZ 2001, 181) ist der vom OVG Münster beziehungsweise OVG Frankfurt/Oder vertretenen Rechtsauffassung nachdrücklich entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., wonach es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auf das In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung ankommt, festgehalten. Zudem hat der Landesgesetzgeber durch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V eventuelle letzte Zweifel ausgeräumt.

25

Da es sich bei den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und auch der Abgabenordnung, soweit sie über § 12 Abs. 1 KAG (a. F. bzw. M-V) Anwendung findet, um Landesrecht handelt, ist es rechtlich nicht erheblich, dass für andere Landesrechte andere Oberverwaltungsgerichte eventuell eine andere Rechtsauffassung zu ähnlichen Rechtsfragen vertreten haben bzw. vertreten.

26

3. Soweit sich die Klägerseite in der Begründungsschrift auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der weitere Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Im Übrigen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, auch in der Sache nicht vor.

27

a) Das von Klägerseite zitierte Kapitel des Einigungsvertrages (Kap. XIV Abschnitt II Zif. 11) ist dann auch in das Bundesrecht übernommen worden (heute § 242 Abs. 9 BauGB). Wie bereits dem von Klägerseite zitierten Wortlaut des Einigungsvertrages entnommen werden kann, bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht (BauGB). Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Erhebung eines Anschlussbeitrages nach Landesrecht.

28

b) Rechtlich nicht relevant ist, ob nach dem von Klägerseite zitierten Landesabgabengesetz vom 07. April 1934 seinerzeit hätten Abgaben welcher Art auch immer für einen Anschluss eines Grundstücks an eine Kanalisation erhoben werden können. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist nämlich ferner geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften bezieht. Das bedeutet, dass selbst in dem Falle, dass auf der Grundlage des Landesabgabengesetzes von 1934 eine einem Beitrag vergleichbare Entgeltabgabe entrichtet worden ist, das Grundstück nach der Wende zu einem Herstellungbeitrag nach dem KAG 1993 herangezogen werden kann. Der Einwand der Einmaligkeit der Beitragerhebung greift somit nicht durch. So führt auch das OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 S 175/96 -, LKV 1997, 219, zu Recht aus:

29

"Gegen eine unter dem SächsKAG entstehende Beitragspflicht bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Bedenken, wenn vor 1945 schon einmal ein Beitrag erhoben wurde oder hätte erhoben werden können. Der Mangel an Rechtskontinuität der Abgaben erhebenden Behörden hat zur Folge, dass vor 1945 entrichtete Beiträge keine Sperrwirkung unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung entfalten können. Eine erneute Beitragserhebung ist also ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vor 1945 gezahlten 'Altbeiträge' zulässig."

..."

30

Insbesondere der Umstand, dass die heute vom Beklagten erhobenen Beiträge lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung betreffen, macht deutlich, dass sich die Problematik des Rückwirkungsverbotes gar nicht stellt und auch nicht von einer "nochmaligen" Beitragserhebung in dem Sinne, dass der Kläger für dieselbe Sache/Einrichtung im Rechtssinne ein zweites Mal zahlen müsste, ausgegangen werden kann.

31

Aus den vorstehenden Gründen bzw. wegen der in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärten Rechtslage ergibt sich zugleich, dass die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) jedenfalls nicht vorliegen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

34

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.135,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.straße … (Gemarkung Güstrow, Flur …, Flurstück ...) in Güstrow gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in Höhe von 3.135,11 Euro durch den Beklagten. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung bzw. die Beitragserhebung sei rechtswidrig.

2

Der nach Zustellung des angefochtenen klageabweisenden Urteils am 27. Juli 2005 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 26. August 2005 gestellte und mit am 27. September 2005 per Telefax auch beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegt der zunächst zur Begründung angeführte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) jedenfalls in der Sache nicht vor.

4

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, Beschluss vom 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; Beschluss vom 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben.

6

Das zentrale Argument des Prozessbevollmächtigte des Klägers geht dahin, für sog. "altangeschlossene" Grundstücke wie das des Klägers, der bereits im Jahre 1941 einen "Anschlussbeitrag" gezahlt habe, dürfe nicht "nochmals", nunmehr gestützt auf § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. die entsprechende Anschlussbeitragssatzung der Stadt Güstrow ein Anschlussbeitrag erhoben werden, weil dies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

7

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke hat sich das Oberverwaltungsgericht und speziell auch der Senat bereits in der Vergangenheit auseinandergesetzt; an diese Rechtsprechung knüpft das angefochtene Urteil auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), an. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 L 197/05 - (NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Übrigen nochmals bekräftigt, dass von den altangeschlossenen Grundstücken ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann, insbesondere auch wenn vor 1945 bereits Abgaben für einen Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation entrichtet worden sind. Der Senat hat u.a. ausgeführt:

8

"1. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist geklärt, dass von den so genannten altangeschlossenen Grundstücken, zu denen auch das hier streitige Grundstück gehört, ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann.

9

Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen (Schmutzwasser-)Beseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke , LKV 2004, 447, für das Recht von Brandenburg; Aussprung , LKV 2005, 202, für Mecklenburg-Vorpommern; Abgeordneter Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984; Abgeordnete Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987; ferner die Landtagsdrucksachen im Verfahren zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 4/1101, 4/1106, 4/1230 und 4/1307; schließlich die öffentliche Anhörung des federführenden Innenausschusses des Landtages vom 10. November 2004).

10

Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Der Landesgesetzgeber hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987.

11

Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die daher nach wie vor aktuell ist:

12

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83). Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, LKV 2001, 516 = VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte altangeschlossene Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten (OVG Greifswald, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 12. Mai 2005 - l L 477/04 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -).

13

Im Urteil vom 30. 6. 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden:

14

"Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG nicht vereinbar.

15

Die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer werden im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt; sie haben nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und können dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt werden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entsteht zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II."

16

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302 = VwRR MO 2000, 60 = KStZ 2000, 118 = DVBl. 1999, 1669 = Überblick 1999, 471).

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Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA.

18

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten Schulz , PDS, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).

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Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (Stichtagsregelung). Nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA entsteht eine Beitragspflicht nicht für Investitionen, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Differenzierung zwischen angeschlossenen und anzuschließenden Grundstücken verstoße - so führt das OVG Magdeburg (Urt. vom 4. 12. 2003 a.a.O.) aus - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung nach den faktischen Verhältnissen auch vor In-Kraft-Treten des KAG und der Kommunalverfassung dauerhaft gesichert gewesen sei. Der sachliche Grund für die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehene Differenzierung liege darin, dass sich der Gesetzgeber von der Annahme habe leiten lassen dürfen, dass die Anschlussmöglichkeit für die Grundstückseigentümer, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen gewesen seien, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, sodass den Grundstückseigentümern eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden sei. Damit habe der Gesetzgeber den faktischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR Rechnung getragen.

20

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Sie läuft in der Sache darauf hinaus, dass die von den heute Abgaben erhebenden Körperschaften nach der Wende, aber vor In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze getätigten Investitionen allein auf die Neuanschlussnehmer umgelegt werden müssten. Hierin ist, wie oben ausgeführt, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Vom OVG Magdeburg wird in der genannten Entscheidung, in der ausdrücklich auf die gegenteilige Ansicht des OVG Greifswald hingewiesen wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, a.a.O.), der rechtliche Gesichtspunkt, dass Beiträge nur die nach der Wende getätigten Investitionen refinanzieren sollen, nicht hinreichend in den Blick genommen. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt dann die nicht über Herstellungsbeiträge zu deckenden Kosten über Verbesserungsbeiträge refinanzierbar ( Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/05, § 8 Rn. 1057b), was zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führt.

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2. Ferner ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass im Anschlussbeitragsrecht nach der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. die sachliche Beitragspflicht erst im Zeitpunkt hat entstehen können, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand schlägt daher fehl.

22

Die (auch) in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffende gesetzliche Regelung, dass im Bereich der Anschlussbeiträge die (sachliche) Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten einer Satzung entsteht (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F., jetzt § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), wird in ständiger Rechtsprechung vom OVG Greifswald (so bereits Beschluss vom 8. April 1999 - 1 M 41/99 -, n.v.) dahin gehend verstanden, dass es sich hierbei um eine wirksame Satzung handeln muss. Dies entspricht auch der seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Gesetzeslage. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V spricht von der "ersten wirksamen Satzung".

23

Diese Ansicht (zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F.) wurde in der Rechtsprechung zunächst nahezu einheitlich vertreten. Erst nachdem das OVG Münster (Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hergeleitet hat, dass auch eine nicht wirksame (d.h. ungültige, nichtige) Satzung für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht relevant ist, ist die Diskussion in Gang geraten. Das OVG Münster hat seine Auffassung damit begründet, der Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW erschöpfe sich darin, den Gemeinden eine ordnungsgemäße verwaltungstechnische Abwicklung der Vielzahl von Beitragsfällen zu ermöglichen, die mit dem In-Kraft-Treten des KAG NRW am 1. Januar 1970 (!) entstanden wären. Dieser Auffassung hat sich das OVG Frankfurt/Oder (Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = VwRR MO 2000, 410) im Ergebnis angeschlossen. Da aus diesem Grunde die Gefahr einer Verjährung von Beitragsforderungen drohte, ist in Brandenburg der Landesgesetzgeber im Jahre 2003 tätig geworden und hat in § 8 Abs. 7 S. 2 BbgKAG klargestellt, dass die Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten der "rechtswirksamen" Satzung entsteht.

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Das OVG Greifswald (zuletzt im Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 L 56/04 -; ferner im Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; auch Becker , KStZ 2001, 181) ist der vom OVG Münster beziehungsweise OVG Frankfurt/Oder vertretenen Rechtsauffassung nachdrücklich entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., wonach es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auf das In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung ankommt, festgehalten. Zudem hat der Landesgesetzgeber durch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V eventuelle letzte Zweifel ausgeräumt.

25

Da es sich bei den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und auch der Abgabenordnung, soweit sie über § 12 Abs. 1 KAG (a. F. bzw. M-V) Anwendung findet, um Landesrecht handelt, ist es rechtlich nicht erheblich, dass für andere Landesrechte andere Oberverwaltungsgerichte eventuell eine andere Rechtsauffassung zu ähnlichen Rechtsfragen vertreten haben bzw. vertreten.

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3. Soweit sich die Klägerseite in der Begründungsschrift auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der weitere Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Im Übrigen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, auch in der Sache nicht vor.

27

a) Das von Klägerseite zitierte Kapitel des Einigungsvertrages (Kap. XIV Abschnitt II Zif. 11) ist dann auch in das Bundesrecht übernommen worden (heute § 242 Abs. 9 BauGB). Wie bereits dem von Klägerseite zitierten Wortlaut des Einigungsvertrages entnommen werden kann, bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht (BauGB). Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Erhebung eines Anschlussbeitrages nach Landesrecht.

28

b) Rechtlich nicht relevant ist, ob nach dem von Klägerseite zitierten Landesabgabengesetz vom 07. April 1934 seinerzeit hätten Abgaben welcher Art auch immer für einen Anschluss eines Grundstücks an eine Kanalisation erhoben werden können. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist nämlich ferner geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften bezieht. Das bedeutet, dass selbst in dem Falle, dass auf der Grundlage des Landesabgabengesetzes von 1934 eine einem Beitrag vergleichbare Entgeltabgabe entrichtet worden ist, das Grundstück nach der Wende zu einem Herstellungbeitrag nach dem KAG 1993 herangezogen werden kann. Der Einwand der Einmaligkeit der Beitragerhebung greift somit nicht durch. So führt auch das OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 S 175/96 -, LKV 1997, 219, zu Recht aus:

29

"Gegen eine unter dem SächsKAG entstehende Beitragspflicht bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Bedenken, wenn vor 1945 schon einmal ein Beitrag erhoben wurde oder hätte erhoben werden können. Der Mangel an Rechtskontinuität der Abgaben erhebenden Behörden hat zur Folge, dass vor 1945 entrichtete Beiträge keine Sperrwirkung unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung entfalten können. Eine erneute Beitragserhebung ist also ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vor 1945 gezahlten 'Altbeiträge' zulässig."

..."

30

Insbesondere der Umstand, dass die heute vom Beklagten erhobenen Beiträge lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung betreffen, macht deutlich, dass sich die Problematik des Rückwirkungsverbotes gar nicht stellt und auch nicht von einer "nochmaligen" Beitragserhebung in dem Sinne, dass der Kläger für dieselbe Sache/Einrichtung im Rechtssinne ein zweites Mal zahlen müsste, ausgegangen werden kann.

31

Aus den vorstehenden Gründen bzw. wegen der in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärten Rechtslage ergibt sich zugleich, dass die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) jedenfalls nicht vorliegen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

34

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2008 – 3 A 192/08 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, Eigentümer des 473 qm großen Grundstücks Flurstück …/…, Flur …, Gemarkung …., wendet sich gegen die Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswasserbeiträgen.

2

Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheiden vom 6. Juni 2007 zu einem Anschlussbeitrag für die Schmutzwasserbeseitigungsanlage in Höhe von 210,49 € (S 170317/016017) sowie zu einem Beitrag für die Niederschlagswasserbeseitigung (N 1170317/016422) in Höhe von 90,82 € heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2008 (Eingangsstempel auf dem als Anlage zur Klageerhebung übersandten Bescheidexemplar: 14. Januar 2008) zurück.

3

Der Kläger erhob am 14. Februar 2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 192/08). Das Verwaltungsgericht wies diese Klage mit Urteil vom 6. August 2008 – zugestellt am 14. August 2008 – ab und ließ zugleich die Berufung zu. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide hätten eine ausreichende Grundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 6. Januar 2004 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 10. Oktober 2007. Diese Satzung sei wirksam, insbesondere seien die Beitragssätze nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für den verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 % bzw. 28,71 % der beitragsfähigen Herstellungskosten. Dass der jeweils offene Differenzbetrag über die Gebühren finanziert werden solle, verstoße nicht gegen die „Soll-Regelung“ des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG MV. Die Flächenseite der Kalkulation sei nicht zu beanstanden. Die Grundstücksflächen sogenannter altangeschlossener Grundstücke dürften entgegen der Auffassung des Klägers berücksichtigt werden. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Lande. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrages auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten derjenigen Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Das wäre mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren. Die dagegen erhobenen, das Argument der rechtlichen Absicherung der Abwasserentsorgung sowie eine frühere Zahlung von Anschlussgebühren oder ähnlichen Leistungsäquivalenten bzw. Eigenleistungen betreffenden Einwände des Klägers könnten demgegenüber nicht überzeugen. Der abgestufte Vollgeschossmaßstab sei nicht zu beanstanden, ebenso wenig die Erhebung von Herstellungs- anstelle von Erneuerungsbeiträgen. Auch dass der Beklagte seit geraumer Zeit Abwassergebühren erhebe, stehe der Geltendmachung eines Herstellungsbeitrages nicht entgegen. Der Beitragsanspruch sei auch nicht wegen Festsetzungsverjährung erloschen. Verwirkung sei nicht eingetreten, Erlassgründe lägen nicht vor.

4

Am 15. September 2008 (Montag) hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Berufung eingelegt und am 14. Oktober 2008 bei dem Oberverwaltungsgericht unter Stellung eines Berufungsantrages beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 14. November 2008 zu verlängern. Nach gewährter Fristverlängerung hat er seine Berufung mit an diesem Tag bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

5

Er macht geltend, dass bereits vor der Wende eine rechtlich gesicherte Einleitungsmöglichkeit bestanden habe; § 4 Abs. 2 WassG i.V.m. den Abwassereinleitungsbedingungen v. 22. Dezember 1987 habe die rechtlich gesicherte Möglichkeit begründet, Abwässer einzuleiten. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, nach der Wende seien tatsächlich neue Anlagen errichtet worden, sei unrichtig. Der flächenmäßig überwiegende Teil der Abwasserbeseitigungsanlage habe – anders als die Auffangeinrichtungen oder die Abwasserbehandlungsanlagen, für die das gelten möge – nicht saniert werden müssen und sei alt. Es entspreche nicht dem Rechtsstaatsprinzip und dem Vertrauensschutz, Grundstückseigentümern, die schon seit Jahrzehnten an das Abwassernetz angeschlossen seien, Anschlussbeiträge für eine neue Anlage aufzuerlegen. Der Gesetzgeber habe die nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung alt- und neuangeschlossener Grundstücke erkannt und deshalb § 242 Abs. 9 BauGB geschaffen. Dass der Landesgesetzgeber eine solche Regelung unterlassen habe, sei bedenklich. Gegen den in der Satzung festgelegten Deckungsgrad von weniger als 30% wende er sich nicht.

6

Der Kläger beantragt,

7

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2008 die Beitragsbescheide des Beklagten vom 06. Juni 2007 – S 1170317/016017 und N 1170317/016422 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2008 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Er vertritt den Standpunkt, die Gleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern sei rechtlich geboten. Alle Greifswalder Grundeigentümer profitierten in gleichem Umfang von der neu hergestellten Abwasserbeseitigungsanlage. Auch wenn die zu DDR Zeiten errichtete Abwasserbeseitigungsanlage funktionsfähig gewesen sei, so hätten die technischen Einrichtungen mit ihrer allein mechanischen Klärung der Abwässer heutigen Reinigungsstandards nicht genügt. Die Millioneninvestitionen der A-Stadt seien daher großteils in das neue Klärwerk geflossen, um die gesetzlichen Reinigungsstandards erstmals zu gewährleisten. Auch für die vorhandenen Kanäle seien Verbindlichkeiten der Nordwasser i.L. zu übernehmen gewesen. Die von Klägerseite kritisierte obergerichtliche Rechtsprechung zur Heranziehung von Altanschließern sei schließlich vom Gesetzgeber bewusst nicht korrigiert worden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A und B) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Bescheide des Beklagten vom 6. Juni 2007 zutreffend für zulässig, aber unbegründet erachtet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

Der Kläger ist der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die den Bescheiden zugrundeliegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald vom 6. Januar 2004 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 10. Oktober 2007 sei wirksam, im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Insbesondere hat er sich ausdrücklich nicht gegen den von dem Verwaltungsgericht angesprochenen, dem Beitragssatz für die öffentliche Schmutzwasseranlage nach § 6 Abs. 1 BS zugrundeliegenden „verhältnismäßig niedrigen“ Deckungsgrad der Refinanzierung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge gewendet. Der Senat sieht mangels einschlägigen Berufungsvortrages keine Veranlassung, die Bemessung des Beitragssatzes aus diesem Grunde einer weiteren Prüfung zu unterziehen oder gar zu beanstanden (vgl. zur Frage der Beitragserhebungspflicht das Urteil des Senates v. 03.05.2011 - 1 L 59/10 -, NordÖR 2011, 493ff.).

15

Soweit sich der Kläger mit seiner Berufung allein gegen seine Heranziehung zu Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeiträgen als Eigentümer eines sogenannten „altangeschlossenen Grundstückes“ wendet, führt sein Vorbringen nicht zum Erfolg. Der Kläger benennt keine Gesichtspunkte, die nicht schon Gegenstand der zu dieser Fragestellung ergangenen Senatsrechtsprechung, an der festgehalten wird, gewesen wären.

16

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke haben sich die für das Abgabenrecht zuständigen Senate des Oberverwaltungsgerichts in der Vergangenheit mehrfach auseinandergesetzt. Der Senat hat in früheren Beschlüssen (vgl. nur Beschl. v. 06.02.2007 - 1 L 295/05 -, NordÖR 2007, 433 [Leitsatz], juris, Rn. 7 ff.; Beschl. vom 18.10.2005 - 1 L 197/05 -, NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. nur Urt. v. 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687 ff. m.w.N.) bekräftigt, dass von den Eigentümern altangeschlossener Grundstücke ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann und die Bestimmung unterschiedlicher Beitragssätze für sog. „altangeschlossene“ und sog. „neuangeschlossene“ Grundstücke im Grundsatz willkürlich ist. In diesem Zusammenhang hat er u.a. ausgeführt (vgl. Beschl. v. 18.10.2005, a.a.O.):

17

„Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen Schmutzwasserbeseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke, LKV 2004, 447; Aussprung, LKV 2005, 202). Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Er hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten M… bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten S…, a.a.O., S. 2987. Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die nach wie vor aktuell ist:

18

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen. Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte „altangeschlossene“ Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten.

19

Im Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden, dass die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt werden; sie hätten nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und könnten dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt würden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entstehe zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II.

20

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302).

21

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten S…, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).“

22

An all dem ist festzuhalten. Der Kläger ist insbesondere nochmals auf den zuletzt angesprochenen Aspekt hinzuweisen, wonach auch die Eigentümer von bereits vor dem Beitritt an eine Abwasseranlage angeschlossenen Grundstücken durch die nunmehrige Erhebung von Herstellungsbeiträgen – neben der Deckung von übernommenen Verbindlichkeiten – allein für die Refinanzierung von Investitionen herangezogen werden, die die Stadt nach dem Zeitpunkt des Beitritts getätigt hat („Nachwendeinvestitionen“). Es wäre nicht einzusehen – darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen –, warum mit diesen Kosten allein der Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten belastet werden sollte. Die Vorteile der Millioneninvestitionen in zeitgemäße technische Anlagen wie Klärwerke kommen den „alt-angeschlossenen“ Grundstücken in gleichem Maße zugute wie denjenigen, die erst nach dem Beitritt an die Anlage angeschlossen worden sind. Soweit es des Weiteren um die Finanzierung von übernommenen Verbindlichkeiten geht, die der Beklagte angesprochen hat, so ist darauf hinzuweisen, dass dafür der Kläger als Eigentümer eines bereits zu früherer Zeit angeschlossenen Grundstückes keine Entgelte gezahlt hat und auch insoweit kein Grund ersichtlich ist, mit dieser Aufwandsposition allein „neuangeschlossene“ Grundstücke zu belasten.

23

Auch der Hinweis des Klägers auf § 242 Abs. 9 BauGB führt nicht weiter. Auch dazu hat der Senat bereits entschieden, dass diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich sein kann, weil sie ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung vor allem von Straßen regelt, um die es aber hier nicht geht (vgl. Beschl. v. 06.02.2007, a.a.O.). Auch der Vorstellung des Klägers, der Landesgesetzgeber hätte für die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen eine entsprechende Regelung treffen müssen, ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht aufzeigt und auch nicht ersichtlich ist, woraus sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer solchen Bestimmung ergeben sollte, lässt sein Einwand auch die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB und den Kanalanschlussbeiträgen außer acht. Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB (zumeist öffentliche Straßen und Plätze) sind einzelne technische Einrichtungen mit bis zu ihrer endgültigen Herstellung von der Errichtung weiterer technischer Anlagen unabhängiger überschaubarer Bauzeit, die naturgemäß in dem Zeitraum vor der Wende ihren Abschluss finden konnten. In diesem Falle sollen die Anliegergrundstücke nicht mit hohen Erschließungsbeiträgen, sondern wegen des dann höheren Gemeindeanteils nur mit niedrigeren Straßenbaubeiträgen belastet und insoweit privilegiert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2007 – 9 C 5.06 –, juris, Rn. 27). Eine völlige Freistellung von Beiträgen ist demzufolge nicht geregelt. Bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung handelt es sich um eine aus verschiedenen einzelnen technischen Bestandteilen (Leitungsnetz, Klärwerke etc.) bestehende Gesamtanlage im rechtlichen Sinne, deren (erstmalige) Herstellung sich über Jahrzehnte erstrecken kann und deren Fertigstellungszeitpunkt als kommunale Anlage im Sinne des neuen Rechts nicht vor dem Zeitpunkt des Beitrittes liegen konnte. Infolgedessen waren Abwasserbeseitigungseinrichtungen vor dem Zeitpunkt des Beitritts noch nicht „bereits hergestellt“. Selbst wenn man das im Einzelfall aber annehmen wollte, müssten nach dem § 242 Abs. 9 BauGB zugrundeliegenden Gedanken (keine gänzliche Freistellung von Beiträgen) auch nunmehr Erneuerungsbeiträge für die umfangreichen Anlagenmodernisierungen erhoben werden. Weil jedoch ohnehin nur „Nachwendeinvestitionen“ als dem Betreiber der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage entstandener Aufwand umgelegt werden dürfen, wäre der danach zu erhebende Beitrag auch nicht geringer als der Beitrag für die Herstellung der Anlage (vgl. Aussprung, a.a.O., 203).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Tenor

Der Bescheid vom 2. Juni 2009 - Az.: S [...]/09 - und der Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - Az.: S [...]/09 - werden aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte ist befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet haben.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasseranschlussbeitrages durch den Beklagten.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks [...] (Flurstück [...] mit einer Größe von 604 m². Mit Schreiben vom 10. September 2007 hörte der Beklagte die Kläger zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen an, wonach voraussichtlich ein Beitrag von 3.904,32 € anfallen würde.

3

Gestützt auf die Schmutzwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 7. Mai 2009 (im Folgenden: BSSW 2009) setzte der Beklagte den Anschaffungs- und Herstellungsbeitrag Schmutzwasser mit Bescheid vom 2. Juni 2009 auf 2.701,65,-- € fest. Dabei berücksichtigte er gemäß § 6 Abs. 2 d) BSSW 2009 eine Teilfläche von 581 m², einen Nutzungsfaktor von 1,5 sowie den Beitragssatz von 3,10 €/m².

4

Die Kläger erhoben gegen diesen Bescheid am 10. Juni 2009 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 - zugestellt am 5. September 2009 - zurückwies. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Als Eigentümer treffe die Kläger eine Beitragspflicht nach den im Ausgangsbescheid genannten Bestimmungen des KAG M-V, da sie wegen des Anschlusses auch Vorteile hätten. Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation genüge den rechtlichen Anforderungen. Die Globalkalkulation enthalte die differenziert ermittelten beitragsfähigen Aufwendungen des gesamten Herstellungszeitraums. Die Kalkulation habe allen Mitgliedern der Verbandsversammlung vorgelegen.

5

Die Kläger haben am 30. September 2009 Klage erhoben und tragen ergänzend vor: Es sei ausdrücklich zu bezweifeln, dass der Verbandsversammlung bei der Beschlussfassung über die Satzung 2009 eine ordnungsgemäße Kalkulation des Beitragssatzes vorgelegen habe. Es sei den Unterlagen des Zweckverbandes B-Stadt nicht zu entnehmen, ob die Schmutzwasserbeseitigungsanlagen vom Wirkungsgrad nahezu identisch sind. Sie legen darüber hinaus im Einzelnen dar, dass und warum aus ihrer Sicht die Kalkulation des Beklagten unzutreffend sei.

6

Die Kläger beantragen,

7

den Beitragsbescheid des Beklagten - S [...]/09 - vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2009 und der Kalkulationsunterlagen zur Schmutzwasserbeitragssatzung 2007 [...] verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom vom 2. Juni 2009 und dessen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]).

13

1. Den Bescheiden fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Zwar hat die Verbandsversammlung des Zweckverbandes B-Stadt die u. a. im Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/06 - aufgezeigten Mängel hinsichtlich der Bestimmung der Abgabenschuldner, des Entstehens der Beitragspflicht, des Beitragsmaßstabs und der Regelung zur Ablösevereinbarung durch die hier maßgebliche Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2009) vom 7. Mai 2009 beanstandungsfrei berichtigt. Dies führt aus nachfolgenden Gründen dennoch nicht zur Wirksamkeit der Satzung.

14

2. Mit höherrangigem Recht unvereinbar und damit nichtig sind aber einige zentrale Regelungen zur Ermittlung und Bestimmung von Vollgeschossen in den Absätzen 4 und 5 des § 6 BSSW 2009.

15

Diese lauten auszugsweise:

16

"(4) [...]

17

c) ist eine Geschosszahl des Gebäudes nach Abs. 5 nicht feststellbar, gilt ein Nutzungsfaktor von 1,0

18

[...]

19

(5) [...]

20

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenhöhe im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt. Bei Gebäuden, die vor dem 30. 04. 1994 entsprechend den Anforderungen bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen nach [gemäß] Satz 1 nicht erreicht werden.

21

f) Ist die Zahl der Vollgeschosse wegen der Besonderheit des Bauwerkes nicht feststellbar, gilt als Zahl der Vollgeschosse die durch 2,6 geteilte Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird."

22

a) Die Bestimmungen in § 6 Abs. 4 c) und Abs. 5 f) BSSW 2009 zur Bestimmung von Vollgeschossen widersprechen sich. Sie geben der Verwaltung des Zweckverbandes zwei unterschiedliche Handlungsanweisungen bei im wesentlichen gleichen Voraussetzungen. Können die Vollgeschosse nicht festgestellt werden, soll nämlich einerseits der Nutzungsfaktor 1,0 betragen, andererseits sich der Nutzungsfaktor nach der durch 2,6 zu teilenden Gebäudehöhe richten. Die Bestimmungen finden sich auch in keinem Spezialitätsverhältnis zueinander, da es unerheblich ist, weshalb bei dem betreffenden Gebäude keine Geschosse oder Vollgeschosse festzustellen sind. Dieser Widerspruch ist mit der Folge unauflösbar, dass diese Bestimmungen nichtig sind.

23

b) Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Regelung in § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009. Die fehlende Festlegung einer bestimmten Geschosshöhe für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden sind, widerspricht nach Auffassung der Kammer dem Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf die anders behandelten Bauten, die nach diesem Stichtag errichtet worden sind. Eine solche Unterscheidung kann im Hinblick auf die bauliche Nutzbarkeit des Grundstücks unter Berücksichtigung der vermittelten Vorteile nur dann als zulässig angesehen werden, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar sind. Dies ist aber in dieser Allgemeinheit nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen können baurechtlich durchaus ebenfalls zu Wohnzwecken und selbst zu gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse gewertet werden. Damit werden aufgrund dieser weitgehenden Regelung Geschosse in Altbauten ohne hinreichenden sachlichen Grund weitergehend als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen. Zwar hat die Kammer bereits ähnliche Formulierungen in Beitragssatzungen als wirksam angesehen. Diese Regelungen unterscheiden sich jedoch von der des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2009 dadurch signifikant, dass sie zumindest einige Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss enthalten, die die Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren.

24

c) Da es sich bei den genannten Vorschriften um Regeln zur Definition und Feststellung der maßgebenden Vollgeschosse um zentrale Bestimmungen zur Ermittlung des Beitragsmaßstabs in § 6 BSSW 2009 handelt, führt die Nichtigkeit der genannten Vorschriften zur Nichtigkeit der gesamten Satzung.

25

3. Die Zweifel der Kläger, dass der Zweckverband B-Stadt gemäß § 1 BSSW 2009 keine einheitliche zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage betreiben dürfe, weil die Anlagenteile zu unterschiedlich seien, haben sich nicht bestätigt. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die verschiedenen Kläranlagen qualitativ im Wesentlichen vergleichbar sind.

26

4. Entgegen der Ansicht der Kläger ist der in § 7 Abs. 1 BSSW festgesetzte Beitragssatz auch mit Blick auf die ihm zugrunde liegende Kalkulation aus dem Jahr 2009 nicht zu beanstanden. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zunächst nachvollziehbar dargelegt, wie die Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Tabelle Kostenermittlung in den Spalten zur "Schmutzwasserentsorgung Zentral" aus der Anlagenbuchhaltung ermittelt und angepasst worden sind. Da die Werte aus der Anlagenbuchhaltung 2007 übernommen worden sind, manche Anlagenwerte aber erst (bis zu) drei Jahre nach Inbetriebnahme der Anlage in die Anlagenbuchhaltung mit entsprechend abgeschriebenen Beträgen eingestellt werden, mussten sie in der Spalte "Anlagen in Bau" entsprechend den Vorgaben des § 9 Abs. 2 KAG M-V angepasst werden, da nach dieser Bestimmung nur die Anschaffungs- und Herstellungskosten, nicht aber die abgeschriebenen Werte in der Kalkulation zu berücksichtigen sind. Zudem sind die Beträge der Spalten "Anlagen in Bau" bzw. "Invest(itions)-Planung" sowie die Zuarbeiten von Herrn G. und Frau D. und deren Tabellen angepasst und fortgeführt worden. Daraus und aus gelegentlichen Fehlern in der Kalkulation 2005 ergeben sich die von den Klägern monierten Abweichungen gegenüber der Kalkulation 2005. Abweichungen ergeben sich ferner daraus, dass einige Gemeinden zwischenzeitlich umgemeindet worden sind. Weitere scheinbare Differenzen ergeben sich aus dem Umstand, dass die Tabelle "Kostenermittlung" nach Gemeinden, während Tabellen aus der vorhergehenden Kalkulation nach Klärwerken sortiert sind.

27

Die Kläranlage der Gemeinde J. ist kostenseitig in der Kalkulation nicht enthalten, da sie vom Netz genommen worden ist. Hinsichtlich der Kläranlage Neukloster sind die Kosten der Fäkalannahmestelle zutreffend herausgerechnet worden, wie Dipl. Ing. (FH) G. bereits in einem Vermerk zur vorhergehenden Kalkulation empfohlen hatte. Kosten der jeweiligen Gemeinden bei der Herstellung von Kanälen für die Niederschlagsbeseitigung brauchten schon deshalb nicht herausgerechnet zu werden, weil die Abwasserkanäle im Verbandsgebiet durchgehend im Trennsystem errichtet worden sind.

28

Die Fördermittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern für die Gemeinde J. in Höhe von ca. 2,1 Mio € für den Beitritt der Gemeinde zum Zweckverband sind in der Kalkulation lediglich mit 395.000,-- € berücksichtigt worden. Der Restbetrag von ca. 1,4 Mio €, der dem Zweckverband offenbar von der Gemeinde geschenkt worden ist, ist in die allgemeinen Haushaltsmittel eingeflossen. Dies ist nach Auffassung der Kammer rechtmäßig. Dabei ist daran zu erinnern, dass die Fördermittel der Gemeinde zustanden und diese zum großen Teil ohne Zweckbindung gezahlt worden sind. Da der Vertrag zur Aufnahme der Gemeinde J. in den Zweckverband keinerlei Bestimmungen über die zweckgebundene Verwendung der der Gemeinde zugeflossenen Fördermittel durch den Zweckverband enthält, waren diese auch nicht notwendig in die Kalkulation einzustellen. Wenn der Zweckverband dies dennoch in Höhe der bereits genannten 395.000,-- € getan hat, weil insoweit ein konkreter Anlagenteil gleichsam mit Mitteln finanziert worden ist, die seitens der Gemeinde J. - ohne Zweckbindung - zugeflossen sind, ist diese beitragsmindernde Verfahrensweise nicht zu beanstanden, auch wenn sie nicht zwingend rechtlich geboten war.

29

Die von der Klägerseite aufgezeigten Abweichungen in den Flächen zwischen den Kalkulationen 2005 und 2009 sind darin begründet, dass neuere Planungen erfasst worden sind, ältere Planungen, sich im Kalkulationszeitraum voraussichtlich nicht realisieren lassen, in der neuen Satzung die Tiefenbegrenzung weggefallen ist und sich durch Gemeindezusammenschlüsse Abweichungen in der Zuordnung von Gemeindegebieten gegeben hat. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen nachvollziehbar dargelegt, weshalb einzelne Grundstücke nicht mehr erfasst sind. Sie sind aus der Flächenerfassung herausgefallen, weil die darauf vorhandene Bebauung abgerissen worden ist und es sich künftig um Außenbereichsflächen im Sinne des § 35 BauBG handelt. Der Beklagte hatte Kommissionen bestehend aus den jeweiligen Bürgermeistern, Bauamtsmitarbeitern und Mitarbeitern des Zweckverbandes gebildet und anhand von Luftbildern und Katasterunterlagen die jeweiligen Grundstücke beitragsrechtlich bewertet. Dies war auch wegen der konkreten Ermittlung der Tiefenbegrenzung einzelner Grundstücke erforderlich

30

Hinsichtlich des Beitritts der Gemeinde J. wird - ohne dass es im vorliegenden Fall darauf ankommt - darauf hingewiesen, dass der Zweckverband nicht gehindert wäre, Beiträge auch in den Fällen zu erheben, in denen Beiträge bereits an die Gemeinde gezahlt worden sind. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragszahlung bezieht sich nur auf eine bestimmte öffentliche Einrichtung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 26. März 1992 - 2 L 167/91 -, KStZ 1992, 157 [159 r. Sp.]). Wechselt der Aufgabenträger, kommt diesem Grundsatz nur eingeschränkte Bedeutung zu. Das VG Halle hat dazu ausgeführt:

31

"Bei einem Wechsel des Einrichtungsträgers kommt diesem Grundsatz daher nur eingeschränkte Bedeutung zu. Geht die Aufgabe der Abwasserbeseitigung von einer Gemeinde auf einen Zweckverband über, ist dieser grundsätzlich befugt, einen (weiteren) Herstellungsbeitrag zur Deckung des Aufwandes für seine öffentliche leitungsgebundene Einrichtung auch von den Eigentümern der im Gebiet der beigetretenen Gemeinde gelegenen Grundstücken zu erheben, selbst wenn diese bereits Beiträge für die öffentliche leitungsgebundene Einrichtung der Gemeinde gezahlt haben, da die öffentliche Einrichtung des Zweckverbandes mit der öffentlichen Einrichtung der Gemeinde nicht identisch ist. [...] Soweit der Zweckverband jedoch für die Übernahme der zur öffentlichen Einrichtung der Gemeinde gehörenden Anlagen ein Entgelt gezahlt hat und der von ihm erhobene Beitrag auch zur Deckung des insoweit entstandenen Aufwands dient, ist es geboten, zur Vermeidung einer Doppelbelastung den bereits von der Gemeinde zu einem Beitrag herangezogenen Grundstückseigentümern einen Nachlass zu gewähren, denn andernfalls würden diese mehrfach zur Finanzierung derselben Anlagen herangezogen. Das Verbot der Doppelbelastung folgt letztlich aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Verhältnismäßigkeitsprinzip. Es bedarf hier keiner Vertiefung, in welcher Höhe ein derartiger Nachlass zu gewähren ist. Insbesondere kann hier offen bleiben, ob die von den Grundstückseigentümern an die Gemeinde gezahlten Beiträge in voller Höhe auf den nunmehr vom Zweckverband erhobenen Beitrag anzurechnen sind oder ob ein Nachlass nur gewährt werden muss, soweit der vom Zweckverband erhobene Beitrag zur Refinanzierung der von der Gemeinde entgeltlich übernommenen Anlagen dient, da nur insoweit eine 'Doppelfinanzierung' durch die Grundstückseigentümer zu besorgen ist. [...]"

32

vgl. VG Halle, Beschl. v. 26. März 2008 - 4 B 521/07 - zit. nach juris Rn. 8; ferner BayVGH, Urteil vom 31. März 1992 - 23 B 89.1906 - KStZ 1994, 55 [56 f. mwN]; VG Ansbach, Beschluss vom 15. Februar 2007 - AN 1 S 06.02269 - zit. nach juris Rn. 49.

33

5. Sog. Altanschließer können auch nicht beitragsrechtlich günstiger behandelt werden, als "Spätanschließer" (dazu nachfolgend a) und b)). Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht endgültig verjährt oder verwirkt (c)). Dies ergibt sich aus Folgendem:

34

a) Der in einer (rechtmäßigen) Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt- und neuangeschlossene Grundstücke würde nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot verletzen, sondern wäre sogar geboten. In der hier maßgeblichen Satzung ist in § 7 ein einheitlicher Beitragssatz festgesetzt worden, der - soweit ersichtlich - gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz (KAG 1993) an die Wasserversorgung angeschlossen waren, als auch die neuangeschlossenen Grundstücke gilt. Dies ist auch nach neuerlicher Prüfung nicht zu beanstanden und entspricht der sog. Altanschließer-Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (OVG M-V), der die Kammer folgt (vgl. Urt. v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 -). Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke (vgl. OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, zit. nach juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - zit. nach juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, NordÖR 1999, 302 zit. nach juris Rn. 16 ff.). Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48).

35

b) Den Klägern kann auch nicht darin gefolgt werden, wenn sie sich in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf § 242 Abs. 9 des Baugesetzbuches (BauGB; früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) darauf berufen, dass die Erhebung von Beiträgen unzulässig ist, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen sei. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen (dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

36

c) Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes B-Stadt ist auch nicht gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 169 ff. AO endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Diese Frist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

37

aa) Allerdings sind im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes B-Stadt bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

38

(1) Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung (vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 - aaO, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - zit. nach juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 [246 Fn. 43]), nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-) Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005 (vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V).

39

(2) Der in diesem Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des OVG Brandenburg ist nicht zu folgen. Danach soll für den Beginn der Festsetzungsverjährung der Erlass der ersten Abgabensatzung unabhängig von deren Wirksamkeit maßgebend sein (vgl. zu der entsprechenden landesrechtlichen Bestimmung OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98 -, zit. nach juris, LS 1 und Rn. 49; ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 - zit. nach juris LS 2 und Rn. 19 unter Aufgabe seiner gegenteiligen Rechtsprechung). Diese Auffassung ist mit dem kommunalen Abgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns unvereinbar, da durch eine nichtige Satzung die Beitragspflicht nicht entstehen kann (zutreffend Becker, KStZ 2001, 161 [164]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Zudem widerspricht eine solche Auslegung dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993. Danach entstand die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die Satzung konnte einen späteren Zeitpunkt bestimmen. Die Regelungen hat der Gesetzgeber für das Anschlussbeitragsrecht für erforderlich gehalten, um das Entstehen der Beitragspflicht für leitungsgebundene Einrichtungen vorzuverlegen (vgl. LtDrs 1/113 S. 8 [Nr. 5 zu § 8]). Dies ist im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen auch sinnvoll, da - würde auf den Zeitpunkt der Fertigstellung der gesamten Entwässerungseinrichtung abgestellt - dies das Entstehen der Beitragspflicht um Jahre verzögern könnte. Zudem hat (vgl. Landtagsdrucksache, aaO.) der Landesgesetzgeber eine Sonderregelung für die Anschlussbeiträge deshalb für erforderlich gehalten, weil eventuell Anschlussmöglichkeiten bereits vor Inkrafttreten des KAG M-V gegeben und eine Beitrags- oder eine einmalige Anschlussgebührenpflicht nach altem (preußischen) Recht nicht entstanden war. Für diesen Fall sollte die Anschlusspflicht frühestens mit Inkrafttreten der ersten Satzung entstehen, die den Anschlussbeitrag nach neuem Recht regelt. (vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 29. Juli 1997 - 6 M 93/97 - zit. nach juris, Rn. 25). § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 diente daher in gewissem Umfang auch dem Schutz des kommunalen Aufgabenträgers (ebenso Becker, KStZ 2001, 161 [162 f.; unter Hinweis auf die in den neuen Bundesländern bestehenden Probleme bei der Gründung von Zweckverbänden] sowie Becker/Schiebold LKV 2001, 94 [95]). Entgegen der Meinung des OVG Brandenburg (aaO Rn. 48 mwN) stellte § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG 1993 auch keine Ausnahmeregelung dar, da das Inkrafttreten der Satzung neben der Anschließbarkeit des Grundstücks zwingend ist (vgl. auch Becker, KStZ 2001, 161 [163]; Becker/Schiebold, LKV 2001, 94 [95]). Das OVG Berlin-Brandenburg vertritt im Übrigen nunmehr ebenfalls die Auffassung, dass Beginn der Verjährungsfrist neben der Herstellung der Anschlussmöglichkeit an das Grundstück das Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12. Dezember 2007 - 8 B 44.06 - zit. nach juris, LS und Rn. 50). Eine solche Auslegung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. näher Steiner, LKV 2009, 254 [255 f.]).

40

bb) Eine endgültige Verjährung des Beitragsanspruches konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht eintreten, weil die Festsetzungsfrist nach den vorstehenden Ausführungen nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes B-Stadt waren sämtlich rechtsunwirksam:

41

(1) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes B-Stadt vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis B-Stadt. Dabei handelt es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis B-Stadt, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden können. Denn nach § 5 Abs. 3 dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung - KV DDR) waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenzuschusses in Nr. 2.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellten, sondern pauschal (mit hier nicht interessierenden Modalitäten) einen Baukostenzuschuss von 2.000,-- DM festsetzten.

42

(2) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist aus den gleichen Gründen wie die Vorgängersatzung nichtig. Der pauschale Baukostenzuschusses von 3.000,-- DM stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

43

(3) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 ist ebenfalls fehlerhaft im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

44

(4) Die am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Satzung vom 22. Dezember 1995 war gleichfalls nichtig. Zum einen bestanden materielle Fehler insoweit, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der GRZ von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies ist aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig. Zum anderen lag der Verbandsversammlung keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah (dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/01 - sowie Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 zur Kalkulation).

45

(5) Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch die Satzung von 18. Oktober 2000 gegen höherrangiges Recht verstoßen hat und damit nichtig war. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

46

(6) Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Bei Satzungen ist die Verwerfungskompetenz der Gerichte nicht auf das abstrakte Normenkontrollverfahren beschränkt. Vielmehr können auch Verwaltungsgerichte bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide Satzungen im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht.

47

(7) Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird (vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a., BVerfGE 75, 246 ff., zit. nach juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

48

(8) Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt (zu den Voraussetzungen der Verwirkung vgl. Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je m. w. N. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. jetzt auch: OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN [n. v.]). Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

49

(9) Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Für vorhandene Erschließungsanlagen, für die eine Beitragspflicht auf Grund der bis zum 29. Juni 1961 geltenden Vorschriften nicht entstehen konnte, kann auch nach diesem Gesetzbuch kein Beitrag erhoben werden.

(2) Soweit am 29. Juni 1961 zur Erfüllung von Anliegerbeitragspflichten langfristige Verträge oder sonstige Vereinbarungen, insbesondere über das Ansammeln von Mitteln für den Straßenbau in Straßenbaukassen oder auf Sonderkonten bestanden, können die Länder ihre Abwicklung durch Gesetz regeln.

(3) § 125 Absatz 3 ist auch auf Bebauungspläne anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 in Kraft getreten sind.

(4) § 127 Absatz 2 Nummer 2 ist auch auf Verkehrsanlagen anzuwenden, die vor dem 1. Juli 1987 endgültig hergestellt worden sind. Ist vor dem 1. Juli 1987 eine Beitragspflicht nach Landesrecht entstanden, so verbleibt es dabei.

(5) Ist für einen Kinderspielplatz eine Beitragspflicht bereits auf Grund der vor dem 1. Juli 1987 geltenden Vorschriften (§ 127 Absatz 2 Nummer 3 und 4 des Bundesbaugesetzes) entstanden, so verbleibt es dabei. Die Gemeinde soll von der Erhebung des Erschließungsbeitrags ganz oder teilweise absehen, wenn dies auf Grund der örtlichen Verhältnisse, insbesondere unter Berücksichtigung des Nutzens des Kinderspielplatzes für die Allgemeinheit, geboten ist. Satz 2 ist auch auf vor dem 1. Juli 1987 entstandene Beiträge anzuwenden, wenn

1.
der Beitrag noch nicht entrichtet ist oder
2.
er entrichtet worden, aber der Beitragsbescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist.

(6) § 128 Absatz 1 ist auch anzuwenden, wenn der Umlegungsplan (§ 66 des Bundesbaugesetzes) oder die Vorwegregelung (§ 76 des Bundesbaugesetzes) vor dem 1. Juli 1987 ortsüblich bekannt gemacht worden ist (§ 71 des Bundesbaugesetzes).

(7) Ist vor dem 1. Juli 1987 über die Stundung des Beitrags für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke (§ 135 Absatz 4 des Bundesbaugesetzes) entschieden und ist die Entscheidung noch nicht unanfechtbar geworden, ist § 135 Absatz 4 dieses Gesetzbuchs anzuwenden.

(8) § 124 Absatz 2 Satz 2 in der bis zum 21. Juni 2013 geltenden Fassung ist auch auf Kostenvereinbarungen in Erschließungsverträgen anzuwenden, die vor dem 1. Mai 1993 geschlossen worden sind. Auf diese Verträge ist § 129 Absatz 1 Satz 3 weiterhin anzuwenden.

(9) Für Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrags genannten Gebiet, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits hergestellt worden sind, kann nach diesem Gesetz ein Erschließungsbeitrag nicht erhoben werden. Bereits hergestellte Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen sind die einem technischen Ausbauprogramm oder den örtlichen Ausbaugepflogenheiten entsprechend fertiggestellten Erschließungsanlagen oder Teile von Erschließungsanlagen. Leistungen, die Beitragspflichtige für die Herstellung von Erschließungsanlagen oder Teilen von Erschließungsanlagen erbracht haben, sind auf den Erschließungsbeitrag anzurechnen. Die Landesregierungen werden ermächtigt, bei Bedarf Überleitungsregelungen durch Rechtsverordnung zu treffen.

Anlässlich der Neubekanntmachung eines Flächennutzungsplans nach § 6 Absatz 6 sollen die in § 5 Absatz 4a bezeichneten Gebiete nach Maßgabe dieser Bestimmung nachrichtlich übernommen und vermerkt werden.

(1) Die Gemeinden erheben zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.

(2) Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind

1.
die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze;
2.
die öffentlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen mit Kraftfahrzeugen nicht befahrbaren Verkehrsanlagen innerhalb der Baugebiete (z. B. Fußwege, Wohnwege);
3.
Sammelstraßen innerhalb der Baugebiete; Sammelstraßen sind öffentliche Straßen, Wege und Plätze, die selbst nicht zum Anbau bestimmt, aber zur Erschließung der Baugebiete notwendig sind;
4.
Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie Bestandteil der in den Nummern 1 bis 3 genannten Verkehrsanlagen oder nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind;
5.
Anlagen zum Schutz von Baugebieten gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, auch wenn sie nicht Bestandteil der Erschließungsanlagen sind.

(3) Der Erschließungsbeitrag kann für den Grunderwerb, die Freilegung und für Teile der Erschließungsanlagen selbständig erhoben werden (Kostenspaltung).

(4) Das Recht, Abgaben für Anlagen zu erheben, die nicht Erschließungsanlagen im Sinne dieses Abschnitts sind, bleibt unberührt. Dies gilt insbesondere für Anlagen zur Ableitung von Abwasser sowie zur Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2008 – 3 A 192/08 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger, Eigentümer des 473 qm großen Grundstücks Flurstück …/…, Flur …, Gemarkung …., wendet sich gegen die Erhebung von Schmutz- und Niederschlagswasserbeiträgen.

2

Der Beklagte zog den Kläger mit Bescheiden vom 6. Juni 2007 zu einem Anschlussbeitrag für die Schmutzwasserbeseitigungsanlage in Höhe von 210,49 € (S 170317/016017) sowie zu einem Beitrag für die Niederschlagswasserbeseitigung (N 1170317/016422) in Höhe von 90,82 € heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 11. Januar 2008 (Eingangsstempel auf dem als Anlage zur Klageerhebung übersandten Bescheidexemplar: 14. Januar 2008) zurück.

3

Der Kläger erhob am 14. Februar 2008 Klage vor dem Verwaltungsgericht Greifswald (3 A 192/08). Das Verwaltungsgericht wies diese Klage mit Urteil vom 6. August 2008 – zugestellt am 14. August 2008 – ab und ließ zugleich die Berufung zu. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide hätten eine ausreichende Grundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 6. Januar 2004 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 10. Oktober 2007. Diese Satzung sei wirksam, insbesondere seien die Beitragssätze nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für den verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 % bzw. 28,71 % der beitragsfähigen Herstellungskosten. Dass der jeweils offene Differenzbetrag über die Gebühren finanziert werden solle, verstoße nicht gegen die „Soll-Regelung“ des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG MV. Die Flächenseite der Kalkulation sei nicht zu beanstanden. Die Grundstücksflächen sogenannter altangeschlossener Grundstücke dürften entgegen der Auffassung des Klägers berücksichtigt werden. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte im Lande. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrages auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten derjenigen Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Das wäre mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren. Die dagegen erhobenen, das Argument der rechtlichen Absicherung der Abwasserentsorgung sowie eine frühere Zahlung von Anschlussgebühren oder ähnlichen Leistungsäquivalenten bzw. Eigenleistungen betreffenden Einwände des Klägers könnten demgegenüber nicht überzeugen. Der abgestufte Vollgeschossmaßstab sei nicht zu beanstanden, ebenso wenig die Erhebung von Herstellungs- anstelle von Erneuerungsbeiträgen. Auch dass der Beklagte seit geraumer Zeit Abwassergebühren erhebe, stehe der Geltendmachung eines Herstellungsbeitrages nicht entgegen. Der Beitragsanspruch sei auch nicht wegen Festsetzungsverjährung erloschen. Verwirkung sei nicht eingetreten, Erlassgründe lägen nicht vor.

4

Am 15. September 2008 (Montag) hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Berufung eingelegt und am 14. Oktober 2008 bei dem Oberverwaltungsgericht unter Stellung eines Berufungsantrages beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 14. November 2008 zu verlängern. Nach gewährter Fristverlängerung hat er seine Berufung mit an diesem Tag bei dem Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

5

Er macht geltend, dass bereits vor der Wende eine rechtlich gesicherte Einleitungsmöglichkeit bestanden habe; § 4 Abs. 2 WassG i.V.m. den Abwassereinleitungsbedingungen v. 22. Dezember 1987 habe die rechtlich gesicherte Möglichkeit begründet, Abwässer einzuleiten. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, nach der Wende seien tatsächlich neue Anlagen errichtet worden, sei unrichtig. Der flächenmäßig überwiegende Teil der Abwasserbeseitigungsanlage habe – anders als die Auffangeinrichtungen oder die Abwasserbehandlungsanlagen, für die das gelten möge – nicht saniert werden müssen und sei alt. Es entspreche nicht dem Rechtsstaatsprinzip und dem Vertrauensschutz, Grundstückseigentümern, die schon seit Jahrzehnten an das Abwassernetz angeschlossen seien, Anschlussbeiträge für eine neue Anlage aufzuerlegen. Der Gesetzgeber habe die nicht gerechtfertigte Gleichbehandlung alt- und neuangeschlossener Grundstücke erkannt und deshalb § 242 Abs. 9 BauGB geschaffen. Dass der Landesgesetzgeber eine solche Regelung unterlassen habe, sei bedenklich. Gegen den in der Satzung festgelegten Deckungsgrad von weniger als 30% wende er sich nicht.

6

Der Kläger beantragt,

7

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 06. August 2008 die Beitragsbescheide des Beklagten vom 06. Juni 2007 – S 1170317/016017 und N 1170317/016422 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2008 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Er vertritt den Standpunkt, die Gleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern sei rechtlich geboten. Alle Greifswalder Grundeigentümer profitierten in gleichem Umfang von der neu hergestellten Abwasserbeseitigungsanlage. Auch wenn die zu DDR Zeiten errichtete Abwasserbeseitigungsanlage funktionsfähig gewesen sei, so hätten die technischen Einrichtungen mit ihrer allein mechanischen Klärung der Abwässer heutigen Reinigungsstandards nicht genügt. Die Millioneninvestitionen der A-Stadt seien daher großteils in das neue Klärwerk geflossen, um die gesetzlichen Reinigungsstandards erstmals zu gewährleisten. Auch für die vorhandenen Kanäle seien Verbindlichkeiten der Nordwasser i.L. zu übernehmen gewesen. Die von Klägerseite kritisierte obergerichtliche Rechtsprechung zur Heranziehung von Altanschließern sei schließlich vom Gesetzgeber bewusst nicht korrigiert worden.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Beiakte A und B) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

13

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers gegen die Bescheide des Beklagten vom 6. Juni 2007 zutreffend für zulässig, aber unbegründet erachtet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

Der Kläger ist der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die den Bescheiden zugrundeliegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald vom 6. Januar 2004 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 10. Oktober 2007 sei wirksam, im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Insbesondere hat er sich ausdrücklich nicht gegen den von dem Verwaltungsgericht angesprochenen, dem Beitragssatz für die öffentliche Schmutzwasseranlage nach § 6 Abs. 1 BS zugrundeliegenden „verhältnismäßig niedrigen“ Deckungsgrad der Refinanzierung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge gewendet. Der Senat sieht mangels einschlägigen Berufungsvortrages keine Veranlassung, die Bemessung des Beitragssatzes aus diesem Grunde einer weiteren Prüfung zu unterziehen oder gar zu beanstanden (vgl. zur Frage der Beitragserhebungspflicht das Urteil des Senates v. 03.05.2011 - 1 L 59/10 -, NordÖR 2011, 493ff.).

15

Soweit sich der Kläger mit seiner Berufung allein gegen seine Heranziehung zu Schmutzwasser- und Niederschlagswasserbeiträgen als Eigentümer eines sogenannten „altangeschlossenen Grundstückes“ wendet, führt sein Vorbringen nicht zum Erfolg. Der Kläger benennt keine Gesichtspunkte, die nicht schon Gegenstand der zu dieser Fragestellung ergangenen Senatsrechtsprechung, an der festgehalten wird, gewesen wären.

16

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke haben sich die für das Abgabenrecht zuständigen Senate des Oberverwaltungsgerichts in der Vergangenheit mehrfach auseinandergesetzt. Der Senat hat in früheren Beschlüssen (vgl. nur Beschl. v. 06.02.2007 - 1 L 295/05 -, NordÖR 2007, 433 [Leitsatz], juris, Rn. 7 ff.; Beschl. vom 18.10.2005 - 1 L 197/05 -, NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (vgl. nur Urt. v. 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687 ff. m.w.N.) bekräftigt, dass von den Eigentümern altangeschlossener Grundstücke ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann und die Bestimmung unterschiedlicher Beitragssätze für sog. „altangeschlossene“ und sog. „neuangeschlossene“ Grundstücke im Grundsatz willkürlich ist. In diesem Zusammenhang hat er u.a. ausgeführt (vgl. Beschl. v. 18.10.2005, a.a.O.):

17

„Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen Schmutzwasserbeseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke, LKV 2004, 447; Aussprung, LKV 2005, 202). Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Er hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten M… bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten S…, a.a.O., S. 2987. Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die nach wie vor aktuell ist:

18

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar. Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen. Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte „altangeschlossene“ Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten.

19

Im Urteil vom 30. Juni 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden, dass die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt werden; sie hätten nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und könnten dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt würden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entstehe zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II.

20

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302).

21

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten S…, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).“

22

An all dem ist festzuhalten. Der Kläger ist insbesondere nochmals auf den zuletzt angesprochenen Aspekt hinzuweisen, wonach auch die Eigentümer von bereits vor dem Beitritt an eine Abwasseranlage angeschlossenen Grundstücken durch die nunmehrige Erhebung von Herstellungsbeiträgen – neben der Deckung von übernommenen Verbindlichkeiten – allein für die Refinanzierung von Investitionen herangezogen werden, die die Stadt nach dem Zeitpunkt des Beitritts getätigt hat („Nachwendeinvestitionen“). Es wäre nicht einzusehen – darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen –, warum mit diesen Kosten allein der Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten belastet werden sollte. Die Vorteile der Millioneninvestitionen in zeitgemäße technische Anlagen wie Klärwerke kommen den „alt-angeschlossenen“ Grundstücken in gleichem Maße zugute wie denjenigen, die erst nach dem Beitritt an die Anlage angeschlossen worden sind. Soweit es des Weiteren um die Finanzierung von übernommenen Verbindlichkeiten geht, die der Beklagte angesprochen hat, so ist darauf hinzuweisen, dass dafür der Kläger als Eigentümer eines bereits zu früherer Zeit angeschlossenen Grundstückes keine Entgelte gezahlt hat und auch insoweit kein Grund ersichtlich ist, mit dieser Aufwandsposition allein „neuangeschlossene“ Grundstücke zu belasten.

23

Auch der Hinweis des Klägers auf § 242 Abs. 9 BauGB führt nicht weiter. Auch dazu hat der Senat bereits entschieden, dass diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich sein kann, weil sie ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung vor allem von Straßen regelt, um die es aber hier nicht geht (vgl. Beschl. v. 06.02.2007, a.a.O.). Auch der Vorstellung des Klägers, der Landesgesetzgeber hätte für die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen eine entsprechende Regelung treffen müssen, ist nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht aufzeigt und auch nicht ersichtlich ist, woraus sich eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer solchen Bestimmung ergeben sollte, lässt sein Einwand auch die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB und den Kanalanschlussbeiträgen außer acht. Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB (zumeist öffentliche Straßen und Plätze) sind einzelne technische Einrichtungen mit bis zu ihrer endgültigen Herstellung von der Errichtung weiterer technischer Anlagen unabhängiger überschaubarer Bauzeit, die naturgemäß in dem Zeitraum vor der Wende ihren Abschluss finden konnten. In diesem Falle sollen die Anliegergrundstücke nicht mit hohen Erschließungsbeiträgen, sondern wegen des dann höheren Gemeindeanteils nur mit niedrigeren Straßenbaubeiträgen belastet und insoweit privilegiert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2007 – 9 C 5.06 –, juris, Rn. 27). Eine völlige Freistellung von Beiträgen ist demzufolge nicht geregelt. Bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung handelt es sich um eine aus verschiedenen einzelnen technischen Bestandteilen (Leitungsnetz, Klärwerke etc.) bestehende Gesamtanlage im rechtlichen Sinne, deren (erstmalige) Herstellung sich über Jahrzehnte erstrecken kann und deren Fertigstellungszeitpunkt als kommunale Anlage im Sinne des neuen Rechts nicht vor dem Zeitpunkt des Beitrittes liegen konnte. Infolgedessen waren Abwasserbeseitigungseinrichtungen vor dem Zeitpunkt des Beitritts noch nicht „bereits hergestellt“. Selbst wenn man das im Einzelfall aber annehmen wollte, müssten nach dem § 242 Abs. 9 BauGB zugrundeliegenden Gedanken (keine gänzliche Freistellung von Beiträgen) auch nunmehr Erneuerungsbeiträge für die umfangreichen Anlagenmodernisierungen erhoben werden. Weil jedoch ohnehin nur „Nachwendeinvestitionen“ als dem Betreiber der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage entstandener Aufwand umgelegt werden dürfen, wäre der danach zu erhebende Beitrag auch nicht geringer als der Beitrag für die Herstellung der Anlage (vgl. Aussprung, a.a.O., 203).

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

25

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

26

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger sind befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung eines Schmutzwasserbeitrags durch den Beklagten für ihr Grundeigentum.

I.

2

Der Zweckverband Wismar wurde im Mai 1991, gestützt auf die DDR-Kommunalverfassung gegründet. Der Landrat des Landkreises Wismar stimmte unter dem 10. Mai 1991 auf Grundlage des Zweckverbandsgesetzes vom 11. Juni 1940 der Erklärung der Gemeinden des Kreises der gemeinschaftlichen Aufgabenerfüllung zur Trink- und Abwasserversorgung und Fernwärmeversorgung zu. Dem ihm vorgelegten öffentlich-rechtlichen Vertrag stimmte er ebenfalls zu. Der zu bildende Zweckverband Wismar werde eine öffentlich-rechtliche Körperschaft sein. Sodann wurde der Zweckverband Wismar mit Vertrag vom 15. Mai 1991 gegründet. Im Amtsblatt des Landkreises Wismar (dem Wismarer Kreisanzeiger) vom 24. Mai 1991 wurde auf die Gründung des Zweckverbandes Wismar hingewiesen. Am 19. Juni 1991 wurde eine Verbandsatzung beschlossen.

3

Im Mai 1998 wurde mit Genehmigung des Landrats im des Landkreises Nordwestmecklenburg eine „bestätigende Gründung“ des Zweckverbandes Wismar auf der Grundlage der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der entsprechenden öffentlich-rechtlichen Gründungsverträge und aufsichtrechtlichen Genehmigungen und Äußerungen verwiesen.

II.

4

Die Kläger sind Eigentümer eines aus zwei Flurstücken bestehenden Grundstücks im Gebiet des Zweckverbandes Wismar. Die Flurstücke sind im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von […] (Bl. […]) unter der laufenden Nummer […] erfasst.

5

Die Verbandsversammlung des Zweckverbandes hatte am 3. März 2010 eine neue Schmutzwasserbeitragssatzung (BSSW 2010) verabschiedet, wobei laut Sitzungsprotokoll die Kalkulationsunterlagen in der Verbandsversammlung vorgelegen haben. Die Satzung wurde anschließend in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Zeitung) veröffentlicht.

6

Mit Bescheid vom 8. Juli 2010 setzte der Beklagte auf Grundlage dieser Schmutzwasserbeitragssatzung den Beitrag für das klägerische Grundstück auf […] € fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die anrechenbare Grundstücksfläche betrage […] m², so dass bei einem Nutzungsfaktor von 1 und einem Beitragssatz von 3,10 € der genannte Beitrag festzusetzen sei.

7

Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011 - den Klägern zugestellt am 15. März 2011 – zurückwies. Auf den Inhalt des Widerspruchs und des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen.

8

Die Kläger haben am 28. März 2011 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie im Wesentlichen aus:

9

§ 5 Abs. 5 der Verbandssatzung sei fehlerhaft, weil keine Weisungsbefugnis der jeweiligen Mitgliedsgemeinden an ihre Vertreter mit der Folge vorgesehen ist, dass in der Verbandsversammlung Mitglieder einer Gemeinde unterschiedlich abstimmen dürften. Die Veröffentlichungsbestimmung in § 22 der Verbandsatzung sei unwirksam, weil die dort als Veröffentlichungsorgan bestimmteOstsee-Zeitung nicht in allen Mitgliedsgemeinden erhältlich sei.

10

Die Beitragsatzung Schmutzwasser sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen, weil unklar sei, ob den Mitgliedern der Verbandsversammlung die Einladungen zur Sitzung der Verbandsversammlung rechtzeitig zugegangen seien

11

§ 3 Abs. 2 BSSW 2010 sei kein Auffangtatbestand zu § 3 Abs. 1 BSSW 2010. Abs. 2 BSSW 2010 erfasse nur diejenigen Fälle, in welchem das Grundstück tatsächlich an die Schmutzwasseranlage angeschlossen sei. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 sei die speziellere Vorschrift. § 6 Abs. 5 BSSW 2010 enthalte keine wirksame Maßstabsregelung. Sie sei nicht vorteilsgerecht und verstoße gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), soweit er unterschiedliche Beitragsmaßstäbe für Grundstücke innerhalb eines Bebauungsplans und im unbeplanten Innenbereich vorsehe, selbst wenn diese vergleichbar genutzt würden. Darüber hinaus sei § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 nicht zu entnehmen, ob mit der im Bebauungsplan festgesetzten Gebäudehöhe die Trauf- oder Firsthöhe gemeint sei. Es gebe im Verbandsgebiet durchaus mehrere Bebauungspläne, in denen nur die Gebäudehöhe bestimmt sei. Vollgeschosse könnten nur bis zur Traufhöhe genutzt werden, nicht bis zur (höchstzulässigen) Firsthöhe des Gebäudes. So werde in den Bebauungsplänen Nr. 1 – Gewerbegebiet Kritzow, Nr. 1 der Gemeinde Hornstorf und Nr. 9 Gewerbegebiet Hoppenrade Firsthöhen von 8 bzw. 10 m festgesetzt, während der baurechtlichen Satzung der Gemeinde Neuburg-Steinhausen eine Traufhöhe von 9 m bestimmt sei. Es fehle bei der Maßstabsregelung auch an hinreichender Eindeutigkeit in Fällen, in denen für identische Flächen unterschiedliche Höhenangaben abhängig von der jeweiligen Nutzung festgesetzt worden seien. So seien beispielsweise im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 5 der Gemeinde Glasin für den Bereich Gl 6 folgende Festsetzungen vorgenommen worden: Industriegebiet (GI), offene Bauweise (o), Grundflächenzahl (GRZ): 0,8, maximale Oberkante (OK max) Windkrafträder (WEA) = 100 m, OK max Gebäude = 10,00 m. Zu unbestimmt sei § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 auch insoweit, als Bezugsfläche nicht die Oberkante des natürlichen Geländeniveaus, sondern ausschließlich AHM (?) als Höchstmaß der Gebäudehöhe im Bebauungsplan ausgewiesen werde. Im Bebauungsplan Nr. 3 Industriegebiet am Fuchsberg der Gemeinde Glasin sei in den Gewerbegebieten (GE) 1 und 2 jeweils eine Gebäudehöhe 101 m über HN (= Höhe Null) festgesetzt. Danach wären die Gebäude bei Beachtung der Regelung des § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010 mit 39 Vollgeschossen zu veranlagen. Widersprüchlich sei die Regelung der Vollgeschosse dann, wenn innerhalb eines Bebauungsplanes nicht die Zahl der Vollgeschosse, sondern die höchstzulässige Höhe sowohl der Traufe als auch des Firstes als Gebäudehöhe festgesetzt werde, wie im Bebauungsplan Nr. 4 der Gemeinde Glasin bestimmt sei (GR 450 m², THmax: 4,50 m, FHmax: 9,50 m, OK: 82 m).

12

Die den Beitragssatz bestimmende Globalkalkulation leide unter erheblichen Fehlern. Die Festsetzung von Gebühren habe entgegen der bisherigen Auffassung des Gerichts in seinem Urt. v. 26. September 2011 [bzw. v. 10. Oktober 2011 juris Rn. 108] unmittelbare Auswirkungen auf die Beitragskalkulation. Denn über die Gebühren seien bereits kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen für bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar bestehende, von ihm unentgeltlich bzw. gegen Kreditverbindlichkeiten übernommene Schmutzwasseranlagen (für das Kanalnetz Neukloster etwa insgesamt 228.205,46 € für 2001) vereinnahmt worden. Durch Übernahme der Anlagen und Definition als öffentliche Einrichtung sei der endgültige Ausbauzustand festgelegt worden und als hergestellt im Sinne des Beitragsrechts zu betrachten. Danach könnte die so bezeichneten Anlagenteile beitragsrechtlich nur noch erneuert werden, weshalb die Erhebung eines Herstellungsbeitrags unzulässig sei. Noch nicht entschieden sei vom OVG M-V, ob bei einem rückwirkend geänderten Abwasserbeseitigungskonzept für künftige Maßnahmen beitragsrechtlich berücksichtigt werden dürfen. Dann müssten jedenfalls die bereits erzielten kalkulatorischen Einnahmen (Abschreibungen) aus dem Gebührenaufkommen beitragsmindernd berücksichtigt werden. Allein für das Kanalnetz in Neukloster würden nunmehr für den Zeitraum von 2008 bis 2015 3.268,842,96 € veranschlagt. Bei Zugrundelegung der obigen Zahlen habe der Zweckverband zwischen 1991 und 2008 (also über 17 Jahre) 3.879.492,82 € an kalkulatorischen Kosten vereinnahmt. Die Erhebung von Beiträgen sei nur zulässig, wenn der Finanzbedarf nicht das Gebührenaufkommen gesichert sei. Ansonsten würden die Beitragszahler zumindest zeitweise doppelt belastet. Der Zweckverband Wismar hätte daher nur die Möglichkeit, entweder die aus „DDR-Zeiten“ übernommenen Anlagen als erstmalig hergestellt in seine Schmutzwasserbeseitigungsanlage zu übernehmen. Danach dürfte lediglich ein Erneuerungsbeitrag erhoben werden. Oder aber die vereinnahmten Abschreibengen und Zinsen vom beitragsfähigen Aufwand abzuziehen wären.

13

Es lägen weitere methodische Fehler bei der Erstellung der Kalkulation vor: So sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien und Abwasserbeseitigungskonzepten die bereits getätigten und künftigen Kosten für die Beitragskalkulation ermittelt worden seien. Hinsichtlich der Kläranlage Vogelsang sei in der - aktuellen - Kalkulation zum 31. Dezember 2007 ein Wert von 58.601,38 € und künftige Kosten (Investitionen) von 119.598,74 € berücksichtigt. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2000 sei diese Kläranlage als Neubau und endgültige Maßnahme errichtet worden. Nach dem Abwasserbeseitigungskonzept 2005 seien Baumaßnahmen des Kanalnetzes in Vogelsang mit 97.362,45 € beziffert worden. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2010 werde ausgeführt, die Kläranlage Vogelsang sei 2001 als (moderne) SBR-Anlage umgebaut worden. Sie entspreche nicht dem Stand der Technik und werde 2011 mit dem Kanalnetz der Ortschaft erneuert. Die Kosten würden mit 440.000 € veranschlagt. In der Kalkulation seien für diese Kläranlage hingegen 119.598,74 € geplant. Diese stehe zum Abwasserbeseitigungskonzept 2010 im Widerspruch. Zudem seien bis 2020 weitere Ersatzinvestitionen von insgesamt 10.350.000,-- € geplant. Demgegenüber sei allein für das Gewerbegebiet Hornstorf für 2012 Kosten von 16.063.755,04 € [2010 bis 2020] vorgesehen, während in der Beitragskalkulation lediglich 1.000.000,-- € vorgesehen seien.

14

Weitere Widersprüche ergeben sich hinsichtlich der Kläranlage Barnekow. Nach der Kalkulation (31. Dezember 2007) seien Anschaffungs- und Herstellungskosten von 478.376,58 € vorgesehen und weitere für die nächsten 10 Jahre von 289.236,54 € beabsichtigt. Im Abwasserbeseitigungskonzept von 1994 sei Barnekow als dauerhafte Lösung vorgesehen gewesen und nur das Kanalnetz habe erneuert werden sollen. Im Konzept 2000 sei die Anlage zur Anpassung an die erhöhten Anforderungen und Entwicklungsbedingen der Gemeinde bewertet. 2005 seien die Kosten der Erneuerung des Kanalnetzes mit 408.074,62 € angegeben. Im Abwasserbeseitigungskonzept 2010 sei angegeben, dass die Kläranlage Barnekow 1994 als Übergangslösung gebaut worden sei. Sie entspreche nicht dem Stand der Technik und werde 2011 zur Erneuerung in den Investplan aufgenommen, die Gesamtinvestionen betrügen 594.236,55 €. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die genannte Kläranlage ein Provisorium oder eine endgültige beitragsfähige Maßnahme darstelle. Die Einbeziehung nach dem Abwasserbeseitigungskonzept 2010 sei nicht möglich, soweit nach der Beitragskalkulation 2007 316.923,19 € genannt seien. Andererseits seien in die Beitragskalkulation 2010 in Abweichung von früheren Abwasserbeseitigungskonzepten nur 289.236,54 € eingestellt.

15

Bei der Kläranlage Wismar in Gägelow-Proseken seien ab dem 1. Januar 2008 für laufende Maßnahmen und Kosten 910,17 € genannt und die Differenz zu den Erschließungsverträgen mit 90.220,26 € benannt. Diese Differenz soll resultieren aus einer planmäßigen AfA zwischen Abnahme- und Aktivierungszeitraum. Nach klägerischer Auffassung sei ein solcher Betrag in der Beitragskalkulation nicht zu berücksichtigen. Zudem seien nicht nur 910,17 € als zukünftige Investitionen zu berücksichtigen, weil laut Abwasserbeseitigungskonzept 2010 Schmutzwasserleitung in Höhe von 635.000,-- € hergestellt werden sollten.

16

Widersprüchlich seien zudem Angaben in den Abwasserbeseitigungskonzept 2010 und der Kostenschätzung Baumaßnahmen in der Kalkulation bezüglich Neukloster. Da zahlreiche Straßen (gemeint wohl Kanalnetze) bis 2008 saniert worden seien, könnten sie nicht Gegenstand der Kostenschätzung künftiger Baumaßnahmen sein. Zudem sei zweifelhaft, ob die Sanierung notwendig sei, weil die Leitungen Anfang der 80iger Jahre des 20. Jahrhundert gebaut worden seien, die Abnutzungsdauer von 50 bis 80 Jahren also noch nicht abgelaufen sei. Auch in diesem Fall differierten die Kostenschätzung und das Abwasserbeseitigungskonzept. Einerseits würde die Sanierung von vierzehn Straßen vorgesehen, andererseits von 27 Straßen. Sollten künftig Havarien zu befürchten sein, wäre dies auf fehlende Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen zurückzuführen. Zudem würden die Leitungen nicht dem Abwasserbeseitigungskonzept erfolgen und den Verlauf der Leitungen nicht verändern, so dass die Baumaßnahmen eine Erneuerung darstellten.

17

In der neu errichteten Kläranlage Neukloster würden 1.650 dezentrale Anlagen entsorgt. Fraglich sei inwieweit die Kosten von den Betreibern der dezentralen Anlagen zu tragen wären. Auch werde durch eine Teichanlage auch Niederschlagswasser entsorgt, so dass die Errichtungskosten teilweise der öffentlichen Einrichtung Niederschlagswasser zuzurechnen sei.

18

Die prognostizierten Kosten der Kostenschätzung 2015 stimmten nicht mit denjenigen des Abwasserbeseitigungskonzeptes ein, weshalb sich die Frage stelle, auf welcher Berechnungsgrundlage die Kostenschätzung erfolgt sei. Zuwendungen Dritter seien nicht in der tatsächlich festgesetzter Höhe in die Kalkulation eingestellt worden. Nicht nachvollziehbar sei auch, weshalb der Zeitraum der Globalkalkulation 2014 ende, während das Abwasserbeseitigungskonzept 2010 einen Zeitraum bis 2020 betrachte. Auch das Abwasserbeseitigungskonzept 2005 habe einen Zeitraum bis 2016 einbezogen, die Kalkulation reiche lediglich bis 2016.

19

Soweit nach der heutigen Satzungslage die Kosten des ersten Hausanschlusses in den Beitrag einbezogen werden, sei es nicht zulässig, solche Kosten einzubeziehen, die vor Änderung der Beitragssatzung 2000 bereits errichtet gewesen seien, da nach den Beitragssatzungen 1992 und 1993 der erste Anschluss noch nicht in dem Beitrag enthalten gewesen sei.

20

Gerügt werde ferner die Flächenermittlung, die abweichend von den Grundsätzen der BSSW 2010 erfolgt sei.

21

Jedenfalls seien die Beitragsansprüche verjährt. Entgegen der Auffassung des Gerichts seien die Beitrags- und Gebührensatzungen aus dem Jahre 1993 und 1994 nicht nichtig. Sie hätten im Amtsblatt des damaligen Landkreises Wismar veröffentlicht werden dürfen, zumal dies auch heute zulässig wäre. Das Gericht habe sich in der zitierten Entscheidung (juris, Rn. 195 ff.) auch nur mit dem Zuschuss für Hausanschlusskosten auseinandergesetzt, nicht mit der Beitragsbestimmung. Damals habe es von Gesetzes wegen auch noch keiner Kalkulation bedurft. Die Beitragssatzung vom 22. Dezember 1995 sei während ihrer Anwendungszeit gerichtlich unbeanstandet geblieben, insbesondere nicht für nichtig erklärt worden. Sie komme somit als erste Beitragssatzung in Betracht.

22

Schließlich sei bei der Bemessung des Beitrags zu berücksichtigen, dass ihr – der Kläger – Grundstück hinsichtlich eines Flurstücks aus Gartenland bestehe.

23

Die Kläger beantragen,

24

1. den Beitragsbescheid des Beklagten vom 8. Juli 2010 und dessen Widerspruchsbescheid vom 14. März 2011 aufzuheben;

25

2. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

26

Der Beklagte beantragt,

27

die Klage abzuweisen.

28

Zur Begründung verweist er auf seine Darlegungen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor:

29

Die Beschlussfassung der Zweckverbandsversammlung sei wirksam gewesen. Einladungen zur Sitzung seien unter dem 18. Februar 2010 und damit rechtzeitig erfolgt. Die Stimmabgabe sei auch nicht deshalb rechtsunwirksam, weil nach der Verbandsatzung eine uneinheitliche Stimmabgabe möglich sei. Zum einen fehle es an einer solchen Stimmabgabe. Zum anderen ergebe sich aus der Kommunalverfassung keine Vorschrift zur einheitlichen Stimmabgabe. Dies folge aus §§ 23 Abs. 3, 154 KV M-V und dem Umkehrschluss aus § 156 Abs. 7 KV M-V, wonach den weiteren Vertretern in bestimmten Angelegenheiten Weisungen erteilt werden könnten. Die Ostsee-Zeitung (Wismarer Zeitung) sei im gesamten Verbandsgebiet käuflich erhältlich.

30

Die Beitragssatzung Schmutzwasser sei auch materiell wirksam. Ob es sich bei § 3 Abs. 1 oder 2 BSSW 2010 um eine Auffangregelung handele, sei unerheblich. § 3 Abs. 1 BSSW 2010 sei im Übrigen als Bestimmung des Gegenstandes der Beitrags ausreichend. Die Vollgeschossregelung des § 6 Abs. 5 BSSW 2010 sei auch vom OVG M-V akzeptiert (zuletzt OVG M-V, Urt. v. 14. September 2009 – 4 K 10/07 - S. 15 ff. unter j. = - 4 K 12/4 K 12/07 - juris Rn. 49 ff.).

31

Die abgabenwirksame Berücksichtigung von Abschreibungen sei ausschließlich eine Frage des Gebührenrechts und richte sich ausschließlich nach § 6 Abs. 2 bis 2b KAG M-V. Alle diejenigen Anlagenteile, die bereits in den vergangenen Jahren beitragsrechtlich als endgültig hergestellt galten, würden auch in der aktuellen Beitragskalkulation als endgültig hergestellt angesehen. Es habe keine willkürliche Umwidmung gegeben.

32

Ein Abwasserbeseitigungskonzept stelle allenfalls eine rechtlich unverbindliche (Vor-) Planung dar, habe keinerlei Außenwirkung und begründe keine subjektiven Rechtspositionen. Sie würden weder von §§ 54 ff. des Wasserhaushaltsgesetzes noch vom §§ 40 ff. Landeswassergesetzes oder dem KAG M-V oder dem KV M-V vorgeschrieben. Es könne allenfalls als Dokumentation des Willens des Satzungsgebers im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die grobe Richtschnur bzw. grobe technische Ausgestaltung der öffentlichen Einrichtung verstanden werden. Sie könne auch nicht die grundlegenden notwendigen rechtlichen und faktischen Festlegungen in der Beitragssatzung nebst Kalkulation ersetzen. Die konkrete Ausgestaltungsentscheidung der öffentlichen Einrichtung erfolge mit der Beschlussfassung der Verbandsversammlung über die jährlichen Wirtschaftspläne und jeweils zur Beitragssatzung nebst Kalkulation. Mit diesen Beschlüssen werden die allgemeinen Erwägungen aus dem Abwasserbeseitigungskonzept konkretisiert und detailliert. Das letzte Konzept, das nach Beschlussfassung über die BSSW 2010 beschlossen worden sei, habe frühere Konzepte ersetzt. Die Maßnahmen in Vogelsang und Barnekow seien solche der laufenden Unterhaltung und deshalb nicht Bestandteil der Beitragskalkulation. Hinsichtlich des Baugebiets Hornstorf gehe der Zweckverband Wismar von einer eigenen Erschließung aus, insoweit seien die voraussichtlich anfallenden Kosten der Erschließung in der Beitragskalkulation erfasst.

33

Die vor 2001 hergestellten Grundstücksanschlüsse seien Teil der zentralen Schmutzwasseranlage gewesen. Eine Umwidmung sei mit der Verabschiedung der Schmutzwasserbeitragssatzung am 18. Oktober 2000 nicht vorgenommen worden. In der BSSW 2010 sei ein Wechsel der Refinanzierungsart erfolgt. Dies sei weder verboten noch sonst zu beanstanden. Im Beitragsrecht sei anerkannt, dass Beitragseinnahmen grundsätzlich nicht kostenmindernd zu berücksichtigen seien.

34

Die Beitragsansprüche seien nicht verjährt, weil sämtliche frühere Beitragssatzungen nichtig gewesen seien. Dies gelte auch für die Satzungen von 1992 und 1993, da diese im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht seien, ohne dass ersichtlich gewesen sei, dass dort auch Satzungen des Zweckverbandes Wismar veröffentlicht werden dürften. Im Übrigen habe es bis 1995 an einer wirksamen Definition der öffentlichen Einrichtung gefehlt.

35

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte, gestützt auf § 2 Abs. 3 des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) erklärt, dass sämtliche in der Tabelle Erschließungsverträge zur Beitragskalkulation Schmutzwasser aufgeführten Anschaffungskosten aus der Kalkulation herausgenommen würden. Der beitragsfähige Aufwand betrage danach insgesamt 67.726.632,50 €. Der kalkulierte Beitragssatz liege somit bei 4,29 €.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten zum vorliegenden Verfahren, der Satzungs- und Kalkulationsunterlagen (Beiakten 1 bis 9, und 11 bis 14 des Verfahrens 8 A 3/12) verwiesen.

Entscheidungsgründe

37

Die Klage ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Sie ist aber unbegründet.

38

I. Der angegriffene Beitragsbescheid und der zugehörige Widerspruchsbescheid des Beklagten sind rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Der Zweckverband Wismar ist rechtlich existent. Weder die Verbandssatzung des Zweckverbandes hinsichtlich der Weisungsrechte an die Mitglieder der Verbandsversammlung und der Veröffentlichungsbestimmung noch die den angegriffenen Beitragsbescheiden zugrunde liegende Abgabensatzung ist in formeller und materieller Hinsicht zu beanstanden. Dem Beitragsanspruch steht weder § 242 Abs. 9 des Baugesetzbuchs (BauGB) entgegen, noch ist er verjährt oder verwirkt. Den angegriffenen Bescheiden haften selbst keine Fehler an.

39

1. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung. Dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt und hat das Gericht bereits mehrfach entschieden.

40

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris LS 3 und Rn. 76 ff.

41

Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverbandesgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.

42

2 a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:

43

(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:

44

1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,

45

2. Änderung der Verbandssatzung,

46

3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,

47

4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,

48

5. Zusammenschluss von Verbänden.

49

Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat „im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus“. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband Wismar übernommene - Ausnahmen.

50

Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.

51

Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.

52

b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

53

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

54

Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.

55

c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

56

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

57

- vgl. zuletzt etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

58

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.

59

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

60

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

61

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

62

b) Klägerseitig wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

63

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

64

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

65

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

66

c) wenn sie bebaut sind.

67

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

68

(3) […]

69

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

70

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

71

c) Entgegen klägerseitiger Auffassung ist die Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

72

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

73

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

74

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

75

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

76

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

77

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

78

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

79

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

80

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

81

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

82

d) […]

83

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

84

Diese Satzungsbestimmung wird klägerseitig unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

85

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

86

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

87

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

88

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

89

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde Glasin) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

90

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

91

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

92

cc) Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde Glasin enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von „baulichen Anlagen“ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

93

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

94

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

95

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

96

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.

97

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

98

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

99

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

100

cc) Klägerseitig wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

101

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

102

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

103

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

104

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

105

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

106

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

107

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

108

"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."

109

Danach durfte der Zweckverband Wismar die gelegentlich im Widerspruch klägerseitig monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

110

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

111

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

112

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband Wismar solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

113

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

114

„[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]“

115

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

116

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

117

„Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]“

118

Das von Klägerseite weiter angeführte Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

119

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

120

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

121

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung derGebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

122

(3) Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Wismar Altanlagen kostenlos übernommen hat und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

123

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

124

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

125

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

126

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband Wismar dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

127

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. Dick)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer Auflistung „Kostenschätzung B-Pläne“. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

128

cc) Die Annahmen in der Kalkulation müssen entgegen klägerischer Auffassung mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband Wismar die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes Wismar nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

129

ff) Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien. Dies ist klägerseitig nicht weiter beanstandet worden.

130

gg) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in den Widerspruchsverfahren gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

131

hh) Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

132

ii) Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

133

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

134

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

135

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

136

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröninger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

137

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

138

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

139

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

140

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

141

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

142

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

143

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

144

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

145

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

146

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

147

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

148

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:

149

aa) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

150

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen „Grundstücksbesitzern“ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

151

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

152

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

153

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

154

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

155

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

156

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

157

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

158

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

159

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

160

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

161

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

162

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

163

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband Wismar 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

164

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG Schwerin, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband Wismar).

165

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landrat des Landkreises Wismar) fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

166

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

167

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

168

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG Schwerin, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

169

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

170

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

171

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

172

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

173

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

174

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

175

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

176

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

177

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

178

8. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr Grundstück zum Teil aus Gartenland bestehe, kann dies zu keiner Reduzierung des Beitrags führen. Denn beide Flurstücke sind rechtlich gesehen ein Grundstück, weil beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer Nummer geführt werden. Sie sind daher einheitlich zu veranlagen.

179

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).

180

II. […]

181

III. […]

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn der Antragsgegner nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in A-Stadt. Der Antragsgegner betreibt in seinem Verbandsgebiet eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung. Das Grundstück der Antragstellerin ist an diese Anlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 15. Februar 2013 setzte der Antragsgegner gegen die Antragstellerin einen Anschlussbeitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung in Höhe von 1.863,92 Euro fest. Über den Widerspruch der Antragstellerin gegen diesen Bescheid ist noch nicht entschieden.

2

Nachdem das erkennende Gericht mit Urteil vom 14. September 2010 (– 4 K 12/07 –, juris) die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam erklärt hatte, beschloss die Verbandsversammlung des Antragsgegners am 9. Dezember 2010 die hier streitgegenständliche Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ (nachfolgend: Trinkwasserbeitragssatzung). Gegenstand der Beschlussvorlage war neben dem Satzungstext auch eine Begründung zur Festsetzung einer Tiefenbegrenzung und zur Kalkulation des Beitragssatzes. Die Satzung wurde am 10. Dezember 2010 ausgefertigt und am 11. Dezember 2010 in der „Schweriner Volkszeitung“ öffentlich bekanntgemacht.

3

Am 7. November 2011 hat die Antragstellerin Normenkontrollantrag gegen die Trinkwasserbeitragssatzung gestellt.

4

Zur Begründung trägt die Antragstellerin im Wesentlichen vor:

5

Die Satzungsregelung zum Beginn der Verjährung in § 3 Trinkwasserbeitragssatzung sei wie auch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –) verfassungswidrig. Die Vorschriften seien nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendem Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit vereinbar. Die Bestimmung, wonach die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, ermögliche auf eine unbegrenzte Zeit die Festsetzung von Beiträgen. In bestimmten Fällen lasse die Trinkwasserbeitragssatzung sogar einen späteren Zeitpunkt als das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung für das Entstehen der Beitragspflicht maßgeblich werden.

6

Soweit § 4 Abs. 2 Buchst. d Trinkwasserbeitragssatzung eine qualifizierte Tiefenbegrenzung normiere, sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Tiefenbegrenzungslinie sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden, nicht vorteilsgerecht und entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten. Zwar sei es möglich, die örtlichen Verhältnisse auf der Grundlage repräsentativer Grundstücke und Ortslagen zu ermitteln, dies setze jedoch voraus, dass die ausgewählten Grundstücke und Ortslagen tatsächlich repräsentativ seien. Daran fehle es. Der Antragsgegner habe die Anzahl der Ortslagen, die von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffen seien, unzutreffend ermittelt. Dies zeige sich schon daran, dass die Ermittlung nicht zwischen den öffentlichen Einrichtungen zur zentralen Trinkwasserversorgung und denen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterscheide, obwohl der Anschlussgrad im Schmutzwasserbereich deutlich niedriger liege. Der Antragsgegner habe es versäumt, die ortsübliche Bebauungstiefe anlagenbezogen festzustellen. Für eine vorteilsgerechte Regelung wäre er sogar verpflichtet gewesen, innerhalb derselben Einrichtung unterschiedliche Tiefenbegrenzungslinien zu bestimmen.

7

Doch selbst wenn man dazu kommen wollte, dass die ausgewählten Grundstücke die tatsächlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet repräsentieren würden, sei die Schlussfolgerung einer ortsüblichen Bebauungstiefe von 40 Metern fehlerhaft. Im Verbandsgebiet existierten nicht nur eine Vielzahl von Ortslagen, diese differierten auch hinsichtlich der durchschnittlichen Bebauungstiefe beim Übergangsbereich zwischen Innen- und Außenbereich. Eine homogene und typische Bebauung existiere im Verbandsgebiet nicht. Die Gemeinden unterschieden sich hinsichtlich Größe und Bebauungsstruktur nachhaltig voneinander. Selbst in den einzelnen Gemeinden bestehe keine typische Bebauungstiefe. Bei einer inhomogenen Bebauung im Verbandsgebiet sei die Festsetzung einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung ausgeschlossen.

8

Der Antragsgegner habe bis zur Beschlussfassung über die Kalkulation des Beitragssatzes bereits die beitragspflichtige Fläche für sämtliche Grundstücke ermittelt. Damit sei er nicht mehr berechtigt gewesen, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf einzelne, nach seiner Auffassung repräsentative Ortslagen zu beschränken. Für eine Tiefenbegrenzung habe deshalb keine sachliche Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung mehr bestanden. Auch der Gedanke der Verwaltungspraktikabilität könne eine Abweichung von der einzelfallbezogenen Vorteilsgerechtigkeit nicht legitimieren. Die konkrete Feststellung, wie weit im Einzelfall die Erschließungswirkung einer öffentlichen Einrichtung auf Grundstücke im Übergang zum Außenbereich reiche, könne zwar schwierig sein. Da der Antragsgegner bei der Ermittlung sowohl der repräsentativen Bautiefe als auch sämtlicher beitragspflichtigen Flächen im Verbandsgebiet ausschließlich auf die hintere Kante des letzten Gebäudes abgestellt habe, sei die Rechtsanwendung jedoch einfach. Diese Methodik sei zudem baurechtlich unzutreffend. Zwar ende der Bebauungszusammenhang in der Regel am letzten vorhandenen Gebäude, zu diesem Zusammenhang zählten jedoch nur Bauten, die optisch wahrnehmbar seien und ein gewisses Gewicht hätten. Untergeordnete Baulichkeiten seien, anders als der Antragsgegner meine, nicht zu berücksichtigen.

9

Die Regelung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der die Tiefenbegrenzungslinie bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden seien, vom Ende der Zuwegung an gemessen werde, lasse gleichheitswidrig unberücksichtigt, dass auch der als Zuwegung genutzte Teil eines Buchgrundstücks bei der Kalkulation und bei der Beitragserhebung berücksichtigt werden müsse.

10

Als unwirksam erweise sich auch die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 2 Buchst. f der Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift erfasse die atypischen Fälle einer übergreifenden Grundstücksnutzung. Nach dem Willen des Satzungsgebers solle bei der Festsetzung des Beitrags jede Grundstückfläche im Außenbereich bis zur hinteren Grenze der letzten baulichen Nutzung berücksichtigt werden. Das stehe im Widerspruch zu dem Vorteil, den die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners für das Grundstück vermittele. Im Außenbereich vermittelten die öffentlichen Einrichtungen zur Trinkwasserversorgung und Schmutzwasserentsorgung trotz einer baulichen oder gewerblichen Nutzung keinen Vorteil, solange das Gebäude nicht tatsächlich angeschlossen sei.

11

Die Kalkulation des Beitragssatzes sei fehlerhaft. Dies führe zu einer unwirksamen Regelung über den Beitragssatz und damit zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung. Die Methode der Beitragskalkulation habe eine teilweise Doppelfinanzierung des Herstellungsaufwands der öffentlichen Einrichtung zum Ergebnis und verstoße gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot. Soweit der Aufwand für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung bereits durch andere Einnahmen gedeckt sei, scheide die Erhebung eines Beitrags aus. Insoweit sei eine abgabenübergreifende Gesamtschau des Aufkommens aus Beiträgen und Gebühren geboten.

12

Der Antragsgegner habe die über die Benutzungsgebühren vereinnahmten Abschreibungen auf das kostenlos übernommene Vermögen nicht aufwandsmindernd berücksichtigt. Der Substanzwert dieser Einrichtungsbestandteile sei gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen auf Basis des wertmäßigen Kostenbegriffs abzuschreiben gewesen. Für die Bemessung der Abschreibungsbasis sei dabei nach § 7 Abs. 1 Satz 2 DMBilG der Sachzeitwert in der Eröffnungsbilanz maßgeblich gewesen. Die Abschreibung auch des unentgeltlich übernommenen Vermögens führe zu Einnahmen, die etwa 30 Prozent des im Rahmen der Kalkulation nach Abzug der Fördermittel verbliebenen beitragsfähigen Aufwandes entsprechen würden. Diese Einnahmen lägen deutlich über der Differenz zwischen dem höchstmöglichen und dem beschlossenen Beitragssatz. Bei Fertigstellung der Anlage werde die Dauer der Abschreibung für die unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile bereits über 25 Jahre betragen. Bei durchschnittlichen Abschreibungssätzen entspreche dies nahezu dem vollen Herstellungsaufwand. Der Antragsgegner habe verkannt, dass der Herstellungsaufwand für den technischen Ersatz der unentgeltlich übernommenen Anlagengüter in der Herstellungsphase bereits zum Teil durch die dafür vereinnahmten Abschreibungen gedeckt gewesen sei. Insoweit liege Zweckgleichheit vor. Der Antragsgegner hätte bei der Festsetzung des Beitragssatzes einen Abzug für denjenigen Anschaffungs- und Herstellungsaufwand vornehmen müssen, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Anschlussbeitragssatzung durch in den Gebühren enthaltene Abschreibungen gedeckt war. Die erstmalige Herstellung des Anlagengutes im rechtlichen Sinne führe dazu, dass das im technischen Sinne erneuerte Anlagegut nach wirtschaftlichen Grundsätzen untergehe. Gebührenrechtlich sei der Wertverzehr jedoch immer auf das jeweilige Anlagegut bezogen über die Abschreibung festzusetzen.

13

Der Berücksichtigung der über Abschreibungen erzielten Einnahmen bei der Kalkulation des Anschlussbeitrages stehe der Gesetzeswortlaut nicht entgegen. Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V. Der Kreis der Gebührenschuldner nach § 6 Abs. 4 Satz 2 KAG M-V sei mit dem Kreis der Beitragspflichtigen nach § 7 KAG M-V nicht identisch, die Beitragsschuldner könnten deshalb als „Dritte“ im gesetzlichen Sinne angesehen werden. Diesem Verständnis stehe nicht entgegen, dass § 9 KAG M-V den Abzug von Abschreibungen nicht ausdrücklich vorschreibe. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung von § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V zum Ausdruck gebracht, dass im Ergebnis eine Doppelbelastung auszuschließen sei. Was für die Gebührenkalkulation im Zusammenwirken mit den Beiträgen bereits ausdrücklich geregelt worden sei, gelte im Umkehrschluss auch für die Anrechnung der Abschreibungen im Rahmen der Beitragskalkulation.

14

Soweit die Auffassung vertreten werde, dass diese Abschreibungen ausschließlich bei den Erneuerungsbeiträgen zu berücksichtigen seien, sei dies unzutreffend. Anlagenbestandteile, die nach dem Konzept des Zweckverbandes rechtlich durch ihn erstmalig hergestellt wurden, würden nach Fertigstellung der Anlage erneut mit den vollen Anschaffungs- und Herstellungskosten in die Anlagenbuchhaltung übernommen. Der volle Herstellungsaufwand unterliege dann erneut der Abschreibung. Ausschließlich diese nach der rechtlichen Herstellung vereinnahmten Abschreibungen seien jedoch bei einem möglichen Erneuerungsbeitrag zu berücksichtigten.

15

Soweit der Antragsgegner hierzu auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verweise, sei der der Entscheidung (BVerwG, Beschl. v. 05.11.2012 – 9 B 2/12 –) zugrunde liegende Sachverhalt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die in den Gebühren enthaltenen Abschreibungen hätten durchaus eine Finanzierungsfunktion für die Herstellung der Anlage. Abschreibungen dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagengüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Die Investitionen von 2006 bis zur Fertigstellung der Anlage seien ganz überwiegend eine Ersatzbeschaffung im technischen und betriebswirtschaftlichen Sinne. Die Berücksichtigung der Abschreibungen beim Herstellungsbeitrag entspreche auch der Absicht des Landesgesetzgebers, wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs (Landtagsdrucksache 4/1307, Seite 33) ergebe. Dort habe der Gesetzgeber die Funktion der Abschreibung mit der „Substanzerhaltung des Anlagevermögens und der Bereitstellung von Mitteln für die spätere Erneuerung“ beschrieben. Das Bundesverwaltungsgericht hätte dagegen über einen Fall entschieden, in dem die neben den Beiträgen erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern ausschließlich zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienten. Das sei hier nicht der Fall. Zudem habe der Antragsgegner erst ab dem Jahre 2005 erstmalig die flächendeckende Erhebung von Beiträgen auf der Grundlage einer Globalkalkulation veranlasst. Zuvor sei im Wege einer Rechnungsperiodenkalkulation lediglich das Leitungssystem über Beiträge abgerechnet worden. Dies sei 14 Jahre nach der Gründung des Zweckverbandes mit einer Umstellung des Finanzierungssystems im Sinne eines vom Bundesverwaltungsgericht als Ausnahmefall benannten Systemwechsels gleichzusetzen. Bis dahin sei die Anlage nahezu ausschließlich über Gebühren finanziert worden.

16

Soweit der Antragsgegner auf die Anrechnungsvorschrift des § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V Bezug nehme, gelte dieser Mechanismus nur für die jeweilige Kalkulationsperiode. Entscheide sich der Versorgungsträger, den Herstellungsaufwand für ein Anlagegut über Beiträge zu finanzieren, sei für die Abschreibungen der Anlagewert in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um den Beitrag zu kürzen. Dies betreffe jedoch nur den Zeitraum von der (rechtlichen) Herstellung des Anlagegutes bis zu seiner Erneuerung. Das Anlagegut, das bereits vor der Herstellung im Rechtssinne bestanden habe, werde von der Norm dagegen nicht erfasst. Entscheide sich der Versorgungsträger, ein tatsächlich vorhandenes Anlagegut bereits vor der (rechtlichen) Herstellung abzuschreiben, sei dies zwar zulässig, die Abschreibungen darauf seien dann jedoch in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen.

17

Die Maßstabsregel in § 5 Abs. 4 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung sei unwirksam. Im Verbandsgebiet bestünden mehrere Bebauungspläne, in denen die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt sei, sondern stattdessen nur die zulässige Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt werde. Die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie für diesen Fall nicht bestimme, welche der Methoden zur Berechnung der Anzahl der Vollgeschosse zur Anwendung komme. Zudem kläre das Satzungsrecht des Antragsgegners nicht, welche von mehreren Höhenfestsetzungen im Bebauungsplan maßgeblich sei, etwa wenn dort eine höchstzulässige Firsthöhe und eine höchstzulässige Traufhöhe bestimmt sei oder ausnahmsweise Abweichungen von Höhenmaßen zugelassen würden. Unabhängig davon sei der Divisor von 3,5 nicht vorteilsgerecht. Der Antragsgegner habe sich mit dieser Umrechnungsformel nicht an der durchschnittlichen Höhe der Vollgeschosse bei Wohngebäuden im Verbandsgebiet orientiert und keine Differenzierung nach der Art der baulichen Nutzung vorgenommen. Außerdem sei nicht ersichtlich, warum der Satzungsgeber von allgemeinen mathematischen Grundsätzen abgewichen sei und eine Aufrundung auf ein weiteres Vollgeschoss bereits bei einer Bruchzahl von mehr als 0,4 anordne.

18

Die Nichtigkeit von Maßstabsregeln führe wegen des Gebots der konkreten Vollständigkeit zur Gesamtnichtigkeit der Satzung. Auf eine Maßstabsregelung könne nur dann verzichtet werden, wenn betreffende Anwendungsfälle derzeit nicht vorhanden seien und dem Zweckverband gesicherte Erkenntnisse darüber vorlägen, dass während der Geltung der Beitragssatzung im Herstellungszeitraum der öffentlichen Einrichtung eine solche Grundstückssituation auch nicht entstehen werde. Dazu sei nichts vorgetragen.

19

Obwohl nach dem Satzungsrecht des Antragsgegners die Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien, erfolge die Refinanzierung des Aufwandes für die Herstellung sowohl über Beiträge als auch über Kostenerstattungsansprüche. Dies sei unzulässig. Die Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüchen nach § 10 KAG M-V sei nur zulässig, wenn die Grundstücksanschlüsse nicht zugleich Bestandteil der öffentlichen Einrichtung seien. Das Satzungsrecht des Antragsgegners regele demgegenüber jedoch, dass auch die weiteren Grundstücksanschlüsse Bestandteil der öffentlichen Einrichtung würden.

20

Die Antragstellerin beantragt,

21

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/ vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären.

22

Der Antragsgegner beantragt,

23

den Antrag zurückzuweisen.

24

Die Verbandsversammlung habe unter Beachtung der zur Vorgängersatzung ergangenen Rechtsprechung die streitbefangene Satzung einschließlich einer Tiefenbegrenzungsregelung auf der Grundlage einer aktualisierten Ermittlung der örtlichen Verhältnisse und ohne die vom Oberverwaltungsgericht beanstandete Kombination mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit neu beschlossen. Die Ermittlungsmethode des Zweckverbandes sei vom Oberverwaltungsgericht grundsätzlich anerkannt worden. Die Antragstellerin verkenne, dass der Antragsgegner nur diejenigen Ortslagen für die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in Betracht gezogen habe, die Übergangsgrundstücke vom Innen- zum Außenbereich aufwiesen. Nur in diesen Ortslagen komme die beanstandete Regelung zur Anwendung. Aus den Ermittlungen zur ortsüblichen Bebauungstiefe lasse sich kein Rückschluss auf die Homogenität des Verbandsgebietes ziehen. Vielmehr würden die Ergebnisse der Ermittlungen nach diesen Kriterien zeigen, dass vergleichbare örtliche Verhältnisse vorliegen. Die Flächenermittlung stehe im Einklang mit den Regelungen der Beitragssatzung.

25

Die Maßstabsregelung über die qualifizierte Tiefenbegrenzung sei vorteilsgerecht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin komme es bei der Beurteilung der ortsüblichen Bebauungstiefe nicht auf die Bebauungstiefen innerhalb einzelner Gemeinden oder Ortsteile, sondern auf die Vergleichbarkeit der örtlichen Verhältnisse im gesamten Verbandsgebiet an. Die Tiefenbegrenzung nach Ortslagen zu differenzieren liefe dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung zuwider. Der Antragsgegner betreibe im Verbandsgebiet jeweils nur eine Anlage zur zentralen Trinkwasserversorgung bzw. Abwasserentsorgung. Entscheidend sei, ob sich eine hinreichend große Vergleichsgruppe im Sinne der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern feststellen lasse. In dem vorliegenden Fall sei für die Gruppe der bis zu 40 Meter tief bebauten Grundstücke ein Anteil von ca. 70 Prozent aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke ermittelt worden, wobei die durchschnittliche Bebauungstiefe aller untersuchten Grundstücke zudem 38,19 Meter betrage. Hinsichtlich des Einflusses und der Maßgeblichkeit der Bebauungsstruktur einzelner Gemeinden oder Ortsteile unterliege die Antragstellerin einem grundsätzlichen Irrtum. Die Bebauungsstruktur einer Ortslage betreffe sämtliche Bauten, insbesondere auch auf reinen Innenbereichsgrundstücken und nicht nur auf sogenannten Übergangsgrundstücken. Die Bebauungsstruktur beschreibe ohne Ansehung von Grundstücksgrenzen lediglich die räumliche Anordnung von Baulichkeiten. Die bauplanungsrechtliche Zugehörigkeit der einzelnen Grundstücke zum Innen-, Übergangs- oder Außenbereich spiele für die Bebauungsstruktur keine Rolle. Aus dieser lasse sich folglich keine Aussage zu den Bebauungstiefen der sogenannten Übergangsgrundstücke treffen. Allein das Vorhandensein von unterschiedlichen Bebauungsstrukturen oder von Städten neben kleineren Gemeinden in einem Verbandsgebiet führe nicht automatisch zum Ausschluss einer einheitlichen Tiefenbegrenzungsregelung. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, sondern vom Gesetzgeber gewollt, dass prinzipiell mit der Schaffung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne eine Nivellierung der Beiträge und Gebühren eintrete. Dies liege im Wesen einer Pauschalierung. Beim Verbandsgebiet des Antragsgegners handele es sich insgesamt um ein ländlich geprägtes Gebiet. Die Kerngebiete größerer Städte wie C-Stadt oder D-Stadt gehörten gerade nicht zum Verbandsgebiet. Die beiden größten Gemeinden im Verbandsgebiet seien die beiden Kleinstädte E- Stadt und A-Stadt. Diese seien in ihrer Randlagenbebauung mit Dörfern vergleichbar.

26

Der Antragsgegner habe für die Beschlussfassung über den Beitragssatz die bevorteilten Grundstücksflächen für sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet ermitteln müssen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Antragstellerin hieraus den Schluss ziehe, der Antragsgegner sei nicht mehr berechtigt, sich bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe auf repräsentative Ortslagen zu beschränken. Die festgestellte ortsübliche Bebauungstiefe bilde erst die Grundlage für die Festsetzung der Tiefenbegrenzung und damit die Ermittlung der bevorteilten Grundstücksflächen. Der Antragsgegner habe dabei keine rechtlich schwierigen Einzelfallentscheidungen für jedes einzelne Übergangsgrundstück mehr treffen müssen.

27

Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich sei anhand des Bebauungszusammenhangs erfolgt. Der Bebauungszusammenhang ende grundsätzlich unmittelbar hinter dem letzten Gebäude. Demzufolge sei es nicht zu beanstanden, bei der Ermittlung der örtlichen Verhältnisse auf die Bebauungstiefe abzustellen. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern habe ausgesprochen, dass die Abgrenzung von Innen- und Außenbereich nach Maßgabe der hinteren Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes oder unter Einbeziehung der bauakzessorischen Nutzung bzw. der topographischen Verhältnisse erfolgen könne. Dies unterliege der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung, beide Vorgehensweisen seien zulässig. Der Antragsgegner habe sich dafür entschieden, die hintere Begrenzung des letzten relevanten Gebäudes anzusetzen, weil sich diese hinreichend verlässlich feststellen lasse. Die Antragstellerin verkenne, dass auch Baulichkeiten wie Scheunen und Ställe maßstabsbildend sein könnten. Auch diese Gebäude seien für die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang reiche, gegebenenfalls von Bedeutung. Der Antragsgegner habe bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe nur diejenigen Gebäude berücksichtigt, die am Bebauungszusammenhang teilnähmen und nicht solche, die eindeutig dem Außenbereich zuzuordnen seien.

28

Die Regelung in der Satzung, wonach sich bei sogenannter übergreifender Bebauung die Tiefenbegrenzungslinie bis zur hinteren Grenze der baulichen Nutzung verschiebe, sei nicht zu beanstanden. Dabei gehe es nur um eine „übergreifende“ Grundstücksnutzung und gerade nicht um Grundstücksflächen oder Gebäude, die im Außenbereich belegen seien. Die Vermutungsregelung der Tiefenbegrenzung werde in diesen atypischen Fällen durchbrochen. Für die beitragsrechtliche Vorteilslage komme es nicht darauf an, ob die übergreifenden Baulichkeiten tatsächlich angeschlossen oder anzuschließen seien.

29

Die Behauptung der Antragstellerin, die Nichtberücksichtigung von Abschreibungen auf kostenlos übernommenes Altanlagevermögen in der Beitragskalkulation führe zu einer Kostenüberdeckung und Doppelfinanzierung der öffentlichen Einrichtung, sei unzutreffend. Die Antragstellerin verkenne, dass Anschlussbeiträge der einmaligen Deckung des Aufwandes für die erstmalige Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten. Abschreibungen hätten dagegen eine andere Funktion und dienten der Umwandlung des im Sachkapital gebundenen Geldes in Geldkapital, um den Wertverzehr der Anlagegüter durch Ersatzbeschaffung aufzufangen. Abschreibungen bewirkten anders als Beiträge mithin keinen zusätzlichen Kapitalzufluss. Bereits die unterschiedliche Finanzierungsfunktion zeige, dass Abschreibungen nicht in der Beitrags- sondern in der Gebührenkalkulation zu berücksichtigen seien. Zudem komme es auch deshalb zu keiner Doppelfinanzierung, weil gemäß § 6 Abs. 2a Satz 1 KAG M-V für die Abschreibungen die Anlagewerte in der Kalkulation der Benutzungsgebühren um Beiträge und ähnliche Entgelte zu kürzen bzw. diese gemäß Satz 3 ertragswirksam aufzulösen seien. Nach der Gesetzeslage in Mecklenburg-Vorpommern sei es mithin gerade umgekehrt: Abschreibungen seien nicht in der Beitragskalkulation zu berücksichtigen, sondern das Beitragsaufkommen finde für die Abschreibungen in der Gebührenkalkulation Berücksichtigung. Wenn die Antragstellerin meine, Gebührenzahlungen seien, soweit sie Abschreibungen enthielten, Leistungen Dritter im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V, verkenne sie wiederum den Regelungszusammenhang. Leistungen und Zuschüsse Dritter im Sinne dieser Vorschrift seien Sach- oder Geldmittel, die der Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung dienten, nicht jedoch dem Ausgleich des Wertverzehrs. Soweit die Antragstellerin auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (Urt. v. 14.11.2013 – 9 B 35/12 –) hinweise, sei dazu anzumerken, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 5. November 2012 mit Blick auf die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Argument der Doppelbelastung bereits auseinandergesetzt habe. Die Frage der Doppelbelastung könne sich danach allenfalls im Rahmen der Erhebung von Erneuerungsbeiträgen stellen. Würden die Abschreibungen bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes berücksichtigt, käme dies nicht den Gebührenschuldnern, die die Abschreibungen finanziert hätten, sondern den Beitragsschuldnern zugute.

30

Dem Anschlussbeitrag liege eine Globalkalkulation zugrunde. Darin sei für die Vergangenheit der gesamte tatsächlich entstandene und für die Zukunft der gesamte prognostizierte Investitionsaufwand für die Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Einrichtung eingestellt worden. Maßgeblich hierfür sei ausschließlich die Einrichtungsdefinition zum Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflichten mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Es könne deshalb dahinstehen, wie die öffentliche Einrichtung zuvor definiert gewesen sei. Die Vorfinanzierung bereits hergestellter Anlagenteile spiele für die Beitragskalkulation keine Rolle. Dass auch vorfinanzierte Investitionen einzustellen seien, ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach es auch auf die tatsächlich entstandenen Kosten ankomme. Soweit in der Vergangenheit bereits Beiträge gezahlt worden seien, sei dies bei der Veranlagung zu Anschlussbeiträgen aufgrund der aktuellen Satzung zu berücksichtigen, nicht jedoch bei der Kalkulation des Beitragssatzes. Irreführend sei der Hinweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung zur „Systemumstellung“. Einen Systemwechsel habe der Antragsgegner nicht vorgenommen. Zu keinem Zeitpunkt habe es im Verbandsgebiet ein reines Gebührenmodell gegeben.

31

Die Auffassung der Antragstellerin, der Herstellungsaufwand der Anlage dürfe grundsätzlich nicht über Gebühren finanziert werden, sei unzutreffend. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern halte sogar eine vollständige Finanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes über die Gebühren für zulässig (Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –). Es sei anerkannt, dass die Beitragsfinanzierung dieses Aufwandes nur anteilig erfolgen könne und damit auch immer über die Benutzungsgebühren eine Mitfinanzierung des Anschaffungs- und Herstellungsaufwandes nötig sei.

32

Es sei sachlich zwingend, die Refinanzierung weiterer Grundstücksanschlüsse über eine Kostenerstattung und nicht über den Herstellungsbeitrag vorzunehmen, § 10 Abs. 3 KAG M-V sei insoweit eine abschließende und spezielle Regelung.

33

Die Maßstabsregelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung schließlich sei vom weiten Satzungsermessen der Verbandsversammlung gedeckt, vorteilsgerecht und nicht mehrdeutig.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 21. April 2015 sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

35

Der Normenkontrollantrag ist zulässig (1.), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 ist wirksam (2.).

36

1. Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag der Antragstellerin, die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmungen in § 11 Trinkwasserbeitragssatzung nicht angegriffen sind. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechts unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 17).

37

Der so verstandene Antrag ist gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch die Anwendung der streitgegenständlichen Satzung in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO), da der aufgrund dieser Satzung gegen sie ergangene Beitragsbescheid noch nicht bestandskräftig ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 03.07.2002 – 4 K 35/01 –, juris Rn. 11). Da ohne eine wirksame Satzung gemeindliche Abgaben gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nicht erhoben werden dürfen, hängt der Bestand des Beitragsbescheids von der Wirksamkeit der zur Normenkontrolle gestellten Trinkwasserbeitragssatzung ab. Die Antragsfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist eingehalten, der Normenkontrollantrag wurde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift gestellt.

38

2. Der Normenkontrollantrag ist jedoch nicht begründet. Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt/D-Stadt vom 9. Dezember 2010 steht mit höherrangigem Recht in Einklang und ist wirksam.

39

a) Die Regelung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung, wonach die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung, ist wirksam. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss eine Abgabensatzung in Mecklenburg-Vorpommern auch den Zeitpunkt des Entstehens der Abgabe regeln. Die Vorschrift regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in Übereinstimmung mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V. Dass das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Anschlussbeitragspflicht nicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen lässt, liegt im rechtlichen Charakter der sachlichen Beitragspflicht begründet. Das Landesrecht geht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Das setzt voraus, dass der Beitrag, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird und der als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V) ruht, auch der Höhe nach ausgeprägt ist. Die sachliche Beitragspflicht steht der Höhe nach unveränderlich fest und begründet mit diesem Inhalt ein abstraktes Beitragsschuldverhältnis. Da die Höhe des Beitrags unter anderem von den Maßstabsregeln und dem Beitragssatz abhängt, die in der Beitragssatzung normiert sind, ist ein Entstehen der sachlichen Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung ausgeschlossen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris Rn. 50 f.). Zu einem früheren Zeitpunkt kann die sachliche Beitragspflicht nicht entstehen. Es ist rechtlich zwingend, das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht tatbestandlich vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung abhängig zu machen.

40

Die Satzungsvorschrift unterliegt auch in Ansehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit einer zeitlich unbegrenzten Festsetzbarkeit vorteilsausgleichender kommunaler Abgaben (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht durch eine Rechtsnorm ist – wie erläutert – zwingende Voraussetzung der Beitragserhebung. Die Satzungsbestimmung steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage, wie lange der Antragsgegner nach Eintritt der Vorteilslage einen Anschlussbeitrag erheben darf. Ihr Regelungsgegenstand ist insbesondere nicht die Verjährung des Beitragsanspruchs. Diese richtet sich vielmehr nach den gesetzlichen Vorschriften in § 12 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 Abs. 1, 170 Abs. 1 AO. Das Gesetz knüpft dabei zwar tatbestandlich an das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für die Bestimmung des Beginns der Festsetzungsfrist an. Die Rechtsfolge – das Erlöschen des Beitragsanspruchs nach Ablauf von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist – wird jedoch entsprechend der Kompetenzordnung durch den Landesgesetzgeber und nicht durch den kommunalen Satzungsgeber gesetzt.

41

Dementsprechend weist das Bundesverfassungsgericht auch dem Gesetzgeber die Aufgabe zu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen und dem Interesse des Beitragsschuldners, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen oder anderweitige Regelungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 42, 45). Fehlt eine solche gesetzliche Bestimmung, lässt das die Wirksamkeit einer Beitragssatzung grundsätzlich unberührt. Ihr Fehlen kann sich erst auf der Ebene der Rechtsanwendung im Einzelfall auswirken, wenn im konkreten Erhebungsfall die Schlussfolgerung gerechtfertigt wäre, die Legitimation für die Beitragserhebung sei mit Blick auf den Zeitraum zwischen der Entstehung der Vorteilslage und der Beitragserhebung entfallen.

42

Aus den vorgenannten Erwägungen folgt zugleich, dass die Bestimmung in § 3 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht deshalb unwirksam ist, weil deren landesgesetzliche Grundlage in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V gegen Verfassungsrecht verstieße. Auch diese Vorschrift ist zum einen nach der beitragsrechtlichen Systematik unverzichtbar und betrifft zum anderen unmittelbar nur das Entstehen des Beitragsanspruchs, nicht dessen Erlöschen. Der Eintritt der Vorteilslage durch die Möglichkeit des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Einrichtung, den das Bundesverfassungsgericht zum Anknüpfungspunkt für die Legitimation der Beitragserhebung macht, fällt mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nicht notwendigerweise, sondern nur dann zusammen, wenn zu diesem Zeitpunkt eine wirksame Beitragssatzung besteht. Für diesen Fall stellt sich aber das verfassungsrechtliche Problem der Rechtssicherheit nicht, weil zugleich die Festsetzungsverjährungsfrist in Gang gesetzt wird, die das Interesse der Abgabenschuldner hinreichend schützt. Fallen der Eintritt der Vorteilslage und das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auseinander, weil bei Anschlussmöglichkeit wirksames Satzungsrecht noch nicht besteht, kommt es für die verfassungsrechtliche Frage der Rechtssicherheit auf den späteren Zeitpunkt (des Inkrafttretens wirksamen Beitragsrechts) ohnehin nicht an. Der Gesetzgeber muss die zeitliche Legitimation der Beitragserhebung vielmehr mit Blick auf den Zeitraum sicherstellen, der seit dem Eintritt der Vorteilslage vergangen ist.

43

Mit diesen Überlegungen korrespondiert der Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeitsfeststellung in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (– 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) nicht auf die Vorschriften zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht im bayerischen Kommunalabgabengesetz, sondern lediglich auf die Regelung zum Beginn der Festsetzungsfrist erstreckt hat. Eine Gesamtunwirksamkeit des bayerischen Kommunalabgabengesetzes hat das Bundesverfassungsgericht selbst für den Fall nicht angenommen, dass die mit dem Grundgesetz unvereinbare Bestimmung nach Ablauf der gesetzten Anpassungsfrist nicht neu geregelt worden ist. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das – im Übrigen wirksame – Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris Rn. 52). Nach alledem sind weder § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V noch das gesamte Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem aus Art. 20 Abs. 3 GG folgenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar, mit der Folge, dass keine Satzungsermächtigung für den Antragsgegner mehr bestünde.

44

Der Senat muss deshalb für diese Entscheidung nicht klären, ob an seiner Rechtsprechung, wonach das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich bringt (OVG Greifswald Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, juris Rn. 62), auch nach den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (– 9 C 15.14 bis 9 C 21.14 –), die im Übrigen noch nicht vollständig abgefasst vorliegen, festzuhalten ist.

45

Soweit § 3 Abs. 2 und 3 Trinkwasserbeitragssatzung spätere Zeitpunkte für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht begründen, finden die Vorschriften ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V. Unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit stehen diesen Bestimmungen in gleicher Weise keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Hindernisse entgegen, soweit sie das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht neben dem tatsächlichen Anschluss an die öffentliche Einrichtung vom Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung abhängig machen.

46

b) Die Bestimmung in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 1 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der als (bevorteilte) Grundstücksfläche bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen gilt, ist gleichfalls mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung. Sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die planungsrechtlich im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegen, und anders als die sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung nicht auch für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke.

47

Die Regelung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Eine Tiefenbegrenzung findet im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und Verwaltungsvereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegenden unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie hier in § 4 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen.

48

Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (so grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 75 ff. m.w.N., daran anschließend OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 33 f.).

49

Diesen rechtlichen Maßstäben genügt die hier zu überprüfende Bestimmung. Der Satzungsgeber hat die örtlichen Verhältnisse methodisch fehlerfrei ermittelt. Die metrische Festsetzung der Tiefenbegrenzung hält sich im Rahmen seines Satzungsermessens.

50

aa) Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass wegen des unterschiedlichen Anschlussgrades für die Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe von vornherein nur solche Ortslagen zu berücksichtigen seien, die an die betreffende zentrale Einrichtung angeschlossen seien oder in der Herstellungsphase noch angeschlossen werden sollten, ist dem nicht zu folgen. Es besteht kein rechtliches Gebot, die örtlichen Verhältnisse zur Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie nur an den Verhältnissen im Bereich der von der Satzungsregelung konkret betroffenen Grundstücke zu messen. Vielmehr reicht es aus, die Bestimmung einer Tiefenbegrenzung an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Bestimmung auszurichten. Regelungen über eine qualifizierte Tiefenbegrenzung zur Bestimmung der bevorteilten Grundstücksfläche gelten aber jedenfalls dann im gesamten Verbandsgebiet, wenn die betreffende Körperschaft – wie hier – nur eine zentrale Anlage zur Trinkwasserversorgung in ihrem Zuständigkeitsbereich betreibt (vgl. § 1 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-Lübz vom 29. September 2006). Jedenfalls in diesen Fällen ist nichts dagegen zu erinnern, im Ausgangspunkt das gesamte Verbandsgebiet bei der Ermittlung einer ortsüblichen Bebauungstiefe in den Blick zu nehmen. Ob im Falle von mehreren Einrichtungen im Verbandsgebiet etwas anderes gelten muss (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 54), ist hier nicht zu entscheiden.

51

Der Senat hat mehrfach entschieden, dass der Satzungsgeber bei Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe seine Untersuchung der örtlichen Verhältnisse auf repräsentativ ausgewählte Ortslagen beschränken darf (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 20, im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 78). Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt. Vorliegend hat der Satzungsgeber 47 Ortslagen mit sog. Übergangsgrundstücken identifiziert. Dass er dabei die von einer baurechtlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfassten Gemeindegebiete unberücksichtigt gelassen hat, unterfällt seinem Ermessensspielraum (OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, juris Rn. 19). Diese Ortslagen hat die Verbandsversammlung nach Größe und Siedlungsstruktur kategorisiert und unter Wahrung der Relation zueinander 16 Ortslagen bestimmt, in denen die tatsächliche Bebauungstiefe aller von der Satzungsbestimmung betroffenen Grundstücke zu ermitteln war. Gegen diese Verfahrensweise ist nichts einzuwenden, sie erscheint dem Senat hinreichend nachvollziehbar.

52

Der Zweckverband hat für die so aufgefundenen repräsentativen Ortslagen alle 780 Übergangsgrundstücke hinsichtlich der Bebauungstiefe untersucht. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass er dabei auf die rückwärtige Grenze des letzten dem Innenbereich zuzurechnenden Gebäudes abgestellt hat. Eine eventuell daneben bestehende und den planungsrechtlichen Innenbereich „in die Tiefe“ erweiternde bauakzessorische Nutzung (zum Beispiel einen Hausgarten) musste die Verbandsversammlung nicht aus Rechtsgründen berücksichtigen. Soweit die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 2014 zu deutlich geringeren Bautiefen als die Verbandsversammlung gelangt ist, beruht das im Wesentlichen auf der unzutreffenden Annahme, dass die Tiefe der Wohnbebauung insoweit maßgeblich sei. Zwar sind für die Frage, ob ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde einen Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet, grundsätzlich nur solche Gebäude als gebietsprägend zu berücksichtigen, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.04.2007 – 4 B 7/07 –, juris Rn. 5). Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, wie weit der Bebauungszusammenhang eines (bauplanungsrechtlichen) Ortsteils reicht. Zum Bebauungszusammenhang gehört die tatsächlich vorhandene Bebauung, soweit sie von einem gewissen Gewicht ist, ohne dass es darauf ankäme, ob es sich bei dabei um Wohnhäuser, gewerblich genutzte Vorhaben, landwirtschaftliche Anwesen oder auch Nebengebäude handelt; dies ist für die Frage der Ausdehnung des Bebauungszusammenhangs gleichgültig (vgl. zusammenfassend OVG Greifswald, Urt. v. 05.07.2001 – 3 L 197/00 –, NordÖR 2002, 18). An diesen planungsrechtlichen Kriterien hat sich der Zweckverband bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe ersichtlich orientiert.

53

bb) Schließlich leidet auch die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung hinsichtlich der metrischen Festsetzung der Tiefenbegrenzung nicht an Rechtsfehlern.

54

Es ist anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Bei der Frage der Ortsüblichkeit geht es allerdings nicht um die Ermittlung einer exakt berechenbaren Größe (OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris Rn. 60). Das bringen die Begriffe „ortsüblich“ und „orientieren“ mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben wird, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ausreichend ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, sodass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83).

55

Dem Satzungsbeschluss liegt eine hinreichende Orientierung an der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde. Zwar hat die Verbandsversammlung ausweislich der dokumentierten Ermessenserwägungen keine Aufstellung der Ermittlungsergebnisse dahingehend vorgenommen, dass sie die Gruppe der betreffenden Grundstücke mit einer Bebauungstiefe von etwa 40 Metern gesondert dargestellt hätte. Die Dokumentation stellt lediglich fest, dass 69 Prozent aller untersuchten Grundstücke bis zu einer Tiefe von 40 Metern bebaut sind und die durchschnittliche Bebauungstiefe 38,19 Meter beträgt. Diese Feststellungen bilden jedoch zusammengenommen eine genügende Tatsachengrundlage für die Ermessensbetätigung der Verbandsversammlung.

56

Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass der Satzungsgeber bei der Festsetzung einer Tiefenbegrenzung zwar nicht ausschließlich, aber auch auf die durchschnittliche Bebauungstiefe abstellen darf, wenn der Berechnung einer solchen durchschnittlichen Bebauungstiefe – wie hier – eine hinreichend große Zahl von Grundstücken zugrunde liegt und „Ausreißer“ deshalb weitgehend eliminiert werden (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris Rn. 53 f., in Fortführung von OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 83). Die durchschnittliche Bebauungstiefe weist einen Bezug zur ortsüblichen Bebauungstiefe auf. Je mehr Grundstücke in einem Bereich bebaut sind, der als ortsüblich qualifiziert werden kann, umso eher wird auch die durchschnittliche Bebauungstiefe in diesem Bereich liegen. Dieser Wert hat Aussagekraft auch für die Frage, ob sich die Abweichungen beiderseits der beabsichtigten Tiefenbegrenzungslinie in etwa die Waage halten und sich die Mengen der Grundstücke, bei denen die bauliche Ausnutzbarkeit diesseits bzw. jenseits der Tiefenbegrenzungslinie endet, in etwa entsprechen.

57

Gleichermaßen berücksichtigungsfähig war der vom Zweckverband herangezogene Umstand, dass 69 Prozent aller betreffenden Grundstücke nicht tiefer als 40 Meter bebaut sind. Auch dies entspricht der Spruchpraxis des Gerichts in den vorerwähnten Entscheidungen. Der vom Antragsgegner ermittelte Befund lässt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorteilsgerechtigkeit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität eine Typisierung der bevorteilten Grundstücksflächen durch eine Tiefenbegrenzungslinie zu. Auch diese Erwägungen erscheinen jedenfalls nicht unplausibel und bei Berücksichtigung des weiten Satzungsermessens gemeinsam mit der ermittelten durchschnittlichen Bebauungstiefe als genügende Grundlage für die Ermessensbetätigung des Satzungsgebers.

58

Soweit die Antragstellerin der Auffassung ist, dass eine qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung nur im Falle einer homogenen Bebauungsstruktur im Verbandsgebiet in Betracht komme, an der es vorliegend fehle, dringt sie damit nicht durch. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht. Zwar mag eine Tiefenbegrenzungsregelung bei einem großen und inhomogenen Verbandsgebiet ausscheiden (vgl. Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2012, § 8, Rn. 1655). Maßgeblich für die Zulässigkeit einer qualifizierten Tiefenbegrenzung im Anschlussbeitragsrecht ist dabei aber nicht der Umstand der Homogenität der Bebauungsstruktur, sondern die Frage, ob im maßgeblichen Verbandsgebiet eine ortsübliche Bebauungstiefe bei sog. Übergangsgrundstücken besteht. Das ist vorliegend der Fall.

59

cc) Der Antragstellerin ist auch nicht in ihrer Ansicht zu folgen, wonach Gründe der Verwaltungsvereinfachung eine Tiefenbegrenzungsregelung nicht mehr zu rechtfertigen vermögen, weil der Antragsgegner ohnehin sämtliche Grundstücke im Verbandsgebiet nach Innen- und Außenbereich erfasst habe. Unabhängig von der Frage, ob ein solches Vorgehen die Normierung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung überhaupt ausschließen würde, trägt der Antragsgegner dazu vor, die Einzelerfassung der Grundstücke sei unter Anwendung der Tiefenbegrenzungsvorschrift erfolgt und habe der Ermittlung der beitragsfähigen Vorteilsfläche bei der Kalkulation des Beitragssatzes gedient. Der Vortrag der Antragstellerin geht daher ins Leere.

60

c) Wirksam ist auch die Regelung zu sog. „Pfeifenstielgrundstücken“ in § 4 Abs. 2 Buchst. d Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung, nach der der Abstand zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der dazu verlaufenden Parallelen bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die aus dem Vorteilsprinzip folgenden Bedenken der Antragstellerin sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenbegrenzungslinie, indem insoweit der Abstand erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 40 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Bei „Pfeifenstielgrundstücken“ wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 40 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung – anders als die Antragstellerin meint – in die beitragspflichtige Fläche (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 48).

61

d) Ebenso mit höherrangigem Recht vereinbar ist § 4 Abs. 2 Buchst. f Trinkwasserbeitragssatzung. Nach dieser Vorschrift ist für die Begrenzung der bevorteilten Grundstücksfläche die Grundstückstiefe maßgebend, die durch die rückwärtige Grenze der baulichen Nutzung bestimmt wird, wenn die bauliche oder gewerbliche Nutzung über die Tiefenbegrenzungslinie hinaus reicht. Die Regelung rechtfertigt sich aus der Überlegung, dass in den Fällen übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, dass der planungsrechtliche Innenbereich an der Tiefenbegrenzungslinie ende, widerlegt ist und zugunsten einer konkreten Vorteilsbetrachtung nach Maßgabe der hinteren Grenze der betreffenden Nutzung zurücktritt (vgl. OVG Koblenz, Beschl. v. 02.02.2012 – 6 A 11232/11 –, juris Rn. 18; VG Greifswald, Urt. v. 20.09.2006 – 3 A 2268/04 –).

62

e) Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Regelung in § 4 Abs. 4 Trinkwasserbeitragssatzung. Diese Vorschrift trifft Bestimmungen zur Anzahl der Vollgeschosse, die bei der Bewertung der bevorteilten Grundstücksfläche gemäß § 4 Abs. 3 Trinkwasserbeitragssatzung zu berücksichtigen sind. Soweit die Antragstellerin hierzu rügt, die Maßstabsregelung sei unvollständig, weil sie im Fall eines Bebauungsplans, der keine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse festsetze, ungeregelt lasse, wie viele Vollgeschosse zu berücksichtigen seien, folgt der Senat dem nicht. Das Gebot der konkreten Vollständigkeit ist nicht verletzt. Wenn der Bebauungsplan keine Festsetzungen zur höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse enthält, gilt § 4 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b Trinkwasserbeitragssatzung schon nach seinem Wortlaut. Maßgeblich ist dann die Zahl der auf dem Grundstück tatsächlich vorhandenen, der genehmigten bzw. der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse. Hiervon macht § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung als speziellere Regelung eine Ausnahme für den Fall, dass im Bebauungsplan eine Baumassenzahl und bzw. oder die zulässige Höhe der baulichen Anlagen auf dem betreffenden Grundstück festgesetzt ist. Dann ist die Baumassenzahl bzw. die festgesetzte Höhe durch 3,5 zu teilen und nach § 4 Abs. 4 Satz 3 Trinkwasserbeitragssatzung ab- bzw. aufzurunden. Die hier zur Überprüfung stehende Beitragssatzung enthält auch (insofern lag der Sachverhalt in OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 72 anders) eine Kollisionsregel für den Fall, dass der Bebauungsplan für das betreffende Grundstück gleichermaßen Baumassenzahl und zulässige Höhe festsetzt. In diesem Fall ist die Baumassenzahl vorrangig, der zweite Halbsatz des § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung kommt nach seinem Wortlaut ausschließlich dann zur Anwendung, wenn „nur“ die zulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist.

63

Aus dem Regelungszusammenhang der Satzung ergibt sich zwanglos, dass mit der „zulässigen Höhe“ die „höchstzulässige Höhe“ in Gestalt der Firsthöhe gemeint ist, da die bauliche Ausnutzbarkeit des Grundstücks in einem solchen Fall nicht mit der Traufhöhe endet (so auch VG Schwerin, Urt. v. 11.04.2013 – 4 A 1250/12 –, juris Rn. 79). Auch insoweit ist die Satzungsregelung einer eindeutigen Auslegung zugänglich und hinreichend bestimmt.

64

Soweit die Antragstellerin schließlich (im Anschluss an VG Schwerin, Urt. v. 05.05.2011 – 4 A 826/08 –, zit. n. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand April 2013, § 7, Anm. 9.1.6.) der Auffassung ist, dass die Beitragssatzung bei der Bestimmung der Anzahl der anzusetzenden Vollgeschosse im Falle eines Bebauungsplans ohne entsprechende Festsetzung nicht unterschiedslos denselben Divisor (hier 3,5) zur Anwendung bringen dürfe, sondern nach der Art der baulichen Nutzung differenzieren müsse, führt das gleichfalls nicht zur Unwirksamkeit der Vorschrift. Die Verbandsversammlung bewegt sich innerhalb ihres weiten Satzungsermessens im Rahmen des Vorteilsprinzips, wenn sie auf eine entsprechende Differenzierung verzichtet. Es ist schon fraglich, ob es einen Erfahrungssatz gibt, dass gewerblich genutzte Gebäude (zu denen auch zum Beispiel Bürogebäude gehören) im Bereich eines Bebauungsplans nach § 4 Abs. 4 Satz 2 Trinkwasserbeitragssatzung regelmäßig größere Vollgeschosshöhen als Wohngebäude aufweisen. Zudem muss der Satzungsgeber jedenfalls zu vermeiden suchen, dass beitragsrechtlich mehr Vollgeschosse berücksichtigt werden, als baurechtlich zulässigerweise errichtet werden können. Dem beugen ein großzügiger Divisor und eine Abrundungsregel vor. Die Divisionsregel stellt sich zusammen mit der Rundungsregel als zulässige Typisierung eines Mittelwerts der baulichen Ausnutzbarkeit eines Grundstücks in Hinblick auf die Anzahl der Vollgeschosse dar. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem die Rundung nach kaufmännischen oder mathematischen Regeln zu erfolgen hat. Der Divisor von 3,5, der für eine angenommene Vollgeschosshöhe von 3,5 Metern steht, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (so bereits OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2007 – 1 L 256/06 –, juris Rn. 13 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 – IV C 61.75 –, BVerwGE 57, 240 und § 21 Abs. 4 BauNVO; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 52).

65

f) Soweit § 9 Abs. 1 Trinkwasserbeitragssatzung einen Kostenerstattungsanspruch des Zweckverbandes für die auf Antrag des Grundstückseigentümers vorgenommene Herstellung eines weiteren oder Verlegung eines bestehenden Grundstücksanschlusses begründet, bestehen dagegen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar gehören gemäß §§ 1 Abs. 2, 7 Abs. 1 der Wasserversorgungssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes C-Stadt-D-Stadt vom 25. September 2006 (Wasserversorgungssatzung) in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 29. November 2013 sämtliche Grundstücksanschlüsse zur öffentlichen Einrichtung des Antragsgegners. Es gilt ferner der Grundsatz, dass Aufwendungen für die Herstellung von der öffentlichen Einrichtung zugehörigen Grundstücksanschlüssen nur über Beiträge gedeckt werden können und ein Erstattungsanspruch nur in Betracht kommt, wenn die Haus- bzw. Grundstücksanschlussleitungen nicht Teil der öffentlichen Einrichtung sind (OVG Greifswald, Urt. v. 16.07.2008 – 3 L 336/05 –, juris Rn. 35). Allerdings trifft das Gesetz in den Fällen von weiteren Grundstücksanschlüssen neben dem Erstanschluss mit § 10 Abs. 3 KAG M-V eine abschließende Regelung zur Refinanzierung, die unabhängig von der Frage eingreift, ob diese Grundstücksanschlüsse Teil der öffentlichen Einrichtung werden (Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand August 2010, § 10, Anm. 8). Nach dieser Vorschrift ist für die Herstellung weiterer vom Anschlussberechtigten zusätzlich geforderter Anschlussleitungen und für die Beseitigung von Anschlüssen eine Kostenerstattung in Höhe des tatsächlich entstandenen Aufwandes als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu leisten. Als Beseitigung und Neuherstellung lässt sich die Verlegung eines Grundstücksanschlusses verstehen. Für diese Auffassung spricht zudem der Umstand, dass eine Kalkulation weiterer Grundstücksanschlüsse in den Herstellungsbeitrag nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V schon deshalb ausscheidet, weil sich dieser Aufwand schwerlich prognostizieren lässt.

66

g) Schließlich ist auch die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 Trinkwasserbeitragssatzung rechtlich nicht zu beanstanden. Diese beruht insbesondere auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation.

67

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts muss dem Rechtssetzungsorgan – neben der Beschlussvorlage über die Satzung – bei der Beschlussfassung eine Kalkulation über den Abgabensatz vorliegen. Wird dem Vertretungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Unwirksamkeit der Bestimmung des Abgabensatzes zur Folge. Die Unwirksamkeit eines festgelegten Abgabensatzes ist dabei dann anzunehmen, wenn erstens in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder zweitens, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht. Die Unwirksamkeit der Festsetzung eines Abgabensatzes tritt als zwingende Folge immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan anderenfalls sein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142, m.w.N.)

68

Wie der Aufwand für einen Herstellungsbeitrag zu kalkulieren ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG M-V. Danach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Die Aufwandsermittlung hat für die gesamte öffentliche Einrichtung (Globalkalkulation) oder für einen sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Bauprogramms sowie der bevorteilten Grundstücke repräsentativen Teil der öffentlichen Einrichtung (Rechnungsperiodenkalkulation) zu erfolgen.

69

Entsprechend diesen gesetzlichen Vorgaben ist der Antragsgegner ausweislich der bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen „Kalkulation Baukostenbeitrag Trinkwasser“ verfahren. Es handelt sich dabei um eine gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V zulässige Globalkalkulation. Die Kalkulation ermittelte aufwandsseitig das zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bestehende Anlagevermögen einschließlich der tatsächlichen Investitionen aus dem Zeitraum 2006/09 zuzüglich der prognostizierten Investitionen für den Zeitraum bis zur geplanten endgültigen Herstellung der Anlage. Davon wurde das dem Betrieb der Anlage und nicht deren Herstellung dienende Anlagevermögen abgezogen. Ein Abzug erfolgte auch hinsichtlich des vom Verband unentgeltlich übernommenen Vermögens. Das entspricht der Rechtsprechung des Gerichts. Wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, ist es rechtlich nicht zulässig, für diese einen Wert in die Kalkulation einzustellen, da es sich dabei nicht um Aufwand handelt, der dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden ist. Etwas anderes gilt jedoch, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 –, juris Rn. 23). So ist hier verfahren worden.

70

Insoweit greift die Antragstellerin die Kalkulation des Beitragssatzes auch nicht an. Sie ist vielmehr der Auffassung, dass der Antragsgegner die bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V eingestellten Abschreibungen in der Beitragskalkulation als Leistungen Dritter im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V aufwandsmindernd berücksichtigen müsse. Dem folgt der Senat nicht.

71

Allerdings ist der Antragstellerin im Ausgangspunkt zuzustimmen: Entscheidet sich der Träger der öffentlichen Einrichtung für ein gemischtes System der Refinanzierung aus Beiträgen und Gebühren, muss er sicherstellen, dass es nicht zu einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner kommt. Der Senat hat das für die Fälle des – hier nicht vorliegenden – Systemwechsels von einem gemischten Refinanzierungssystem zu einem reinen Gebührenmodell bereits mehrfach ausgesprochen (OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris Rn. 106; OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, juris Rn. 60), der angesprochene Rechtssatz gilt jedoch als allgemeiner Grundsatz über diese Fallgestaltung hinaus.

72

Der Antragstellerin ist jedoch nicht darin zu folgen, dass das Verbot der Doppelbelastung dazu führt, dass diejenigen Anschaffungs- und Herstellungskosten vom beitragsfähigen Aufwand abzusetzen sind, die der Höhe der Anteile für Abschreibungen in der Kalkulation der Benutzungsgebühren für die Anlage entsprechen. Das gilt unabhängig davon, ob man diesen Einwand nur auf die bei Inkrafttreten der Beitragssatzung schon vereinnahmten Abschreibungen, auf die bis zur endgültigen Herstellung der Anlage noch zu erwartenden gebührenfähigen Abschreibungen oder nur auf die Abschreibungen auf unentgeltlich übernommenen Anlagenbestandteile beziehen will. Die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg, an die die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen anknüpft (OVG Berlin, Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51 ff.), lässt sich auf das Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern nicht übertragen.

73

Dagegen sprechen durchgreifend Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Die Aufwandsermittlung ist in § 9 Abs. 2 KAG M-V ohne die Berücksichtigung von über die Benutzungsgebühr vereinnahmten Abschreibungen geregelt. Das verkennt auch die Antragstellerin nicht, die Abschreibungen deshalb als „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift verstehen will. Gegen ein solches Gesetzesverständnis spricht aber in systematischer Hinsicht, dass das Gesetz selbst den Begriff der Abschreibung in § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a KAG M-V verwendet. Hätte der Gesetzgeber die Anrechnung von Abschreibungen auf den Herstellungsaufwand anordnen wollen, hätte es nahegelegen, dass er diesen Rechtsbegriff auch in § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V zur Anwendung bringt. Das Gesetz verwendet die Begriffe „Abschreibungen“, „Leistungen“ und „Zuschüsse“ in den §§ 6, 9 KAG M-V in differenzierter Weise. Dies zeigt sich insbesondere in dem Umstand, dass der Gesetzgeber im umgekehrten Fall einer Anrechnungsvorschrift – der Kürzung der Anlagewerte für Abschreibungen nach § 6 Abs. 2a Satz 1 bzw. der ertragswirksamen Auflösung der Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a Satz 3 KAG M-V in der Gebührenkalkulation – den Rechtsbegriff des Beitrags in einer eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Weise benutzt. Es spricht nichts dafür, dass die mit Blick auf § 6 KAG M-V vergleichsweise wenig komplexe Anrechnungsvorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V über den Wortlaut hinaus auszulegen ist. „Leistungen Dritter“ im Sinne der Vorschrift sind Erlöse aus der Erhebung von privatrechtlich erhobenen Benutzungsentgelten, soweit diese der Refinanzierung von Herstellungskosten der öffentlichen Wasserversorgungsanlage dienten. Im Übrigen ist die Berücksichtigung von Erlösen aus der Erhebung von Beiträgen und Gebühren in einer Beitragskalkulation nach § 9 Abs. 2 KAG M-V nicht vorgesehen und damit prinzipiell unzulässig (OVG Greifswald, Urt. v. 24.04.2013 – 4 K 1/10 –, juris Rn. 53 ff., 62). Darauf würde eine aufwandsmindernde Berücksichtigung von (gebührenwirksamen) Abschreibungen indes hinauslaufen. Aus alledem ergibt sich, dass der Aufgabenträger der Gefahr einer Doppelbelastung der Abgabenschuldner nicht in der Kalkulation des Herstellungsbeitrags zu begegnen hat (so im Ergebnis auch VG Schwerin, Urt. v. 27.05.2011 – 8 A 898/10 –, juris Rn. 28 f. und VG Greifswald, Urt. v. 16.10.2014 – 3 A 509/13 –, juris Rn. 35).

74

Eine Gesetzesauslegung im Sinne der Antragstellerin ist auch deshalb nicht geboten, weil die Durchsetzung des Verbots der Doppelbelastung als systemübergreifende Ausprägung des Kostenüberdeckungsverbots an einem anderen Ort als der Aufwandsermittlung für den Herstellungsbeitrag näherliegt. Dazu kommen verschiedene Modelle in Betracht. Der Senat kann für diese Entscheidung offenlassen, ob das von der Antragstellerin grundsätzlich zu Recht aufgeworfene Problem bei der Kalkulation der Benutzungsgebühren, bei der Kalkulation von Erneuerungsbeiträgen, bei beiden Kalkulationsvorgängen oder auf andere Weise zu lösen ist, da dies für die hier zu beurteilende Frage der Wirksamkeit der Beitragssatzung unerheblich ist.

75

In Betracht kommt eine Anrechnung der nach § 6 Abs. 2a KAG M-V gekürzten Abschreibungen auf den beitragsfähigen Aufwand bei einem Erneuerungsbeitrag, soweit die Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 06.11.2012 – 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3 m.w.N.; VG Cottbus, Urt. v. 10.02.2015 – 6 K 756/14 –, juris Rn. 54; ausdrücklich geregelt in § 8 Abs. 4 Satz 5 Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg: „Bei der Erneuerung von öffentlichen Einrichtungen und Anlagen bleiben die bei der Erhebung von Benutzungsgebühren nach § 6 Abs. 2 kalkulierten Abschreibungen außer Ansatz“). Erwägenswert erscheint dem Senat auch eine Verkürzung der gebührenfähigen Kosten der Anlage um die im Kalkulationszeitraum der Benutzungsgebühr vereinnahmten Herstellungsbeiträge (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 28.10.2010 – 5 D 5/06 –, juris Rn. 111, unter Verweis auf § 12 Abs. 1 SächsKAG), zumal sich das Gebührenrecht mit der Möglichkeit des Ausgleichs von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen nach § 6 Abs. 2d Satz 2 KAG M-V und kürzeren Kalkulationsperioden im Vergleich zur Globalkalkulation eines Herstellungsbeitrags als im Sinne des Vorteilsprinzips anpassungsfähiger für in der Zukunft liegende Entwicklungen erweist. Schließlich hat der Senat erwogen, ob wegen der Kalkulation von Abschreibungen in die gebührenfähigen Kosten die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen überhaupt ausgeschlossen ist, soweit der Finanzbedarf der Ersatzinvestitionen nicht über den Finanzbedarf der Erstinvestition hinausgeht (in diesem Sinne Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand Juli 2014, § 6, Anm. 6.3.2.4.2.3, unter Hinweis auf OVG Lüneburg, Urt. v. 09.10.1990 – 9 L 279/89 –, juris Rn. 7). Dabei wäre jedoch zu bedenken, dass § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V die Erhebung von Erneuerungsbeiträge ausdrücklich vorsieht und die Abschreibungen zudem wegen der eingenommenen Beiträge gemäß § 6 Abs. 2a KAG M-V zu kürzen sind.

76

Einer abschließenden Entscheidung bedürfen diese Fragen für das vorliegende Normenkontrollverfahren jedoch nicht.

77

3. Da der Antrag erfolglos bleibt, hat die Antragstellerin nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Grundlage der Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldnerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Klägerin zu Gebühren für den Bezug von Trinkwasser in den Monaten Januar, August, September und Oktober 2008 für die Verbrauchsstelle der Klägerin unter der Rubrumsanschrift.

2

Die Klägerin verbraucht nach eigenen Angaben aus dem Jahr 2008 jährlich etwa 300.000 m³ Trinkwasser. Im Jahr 2010 wurde im Zweckverbandsgebiet eine Wassermenge von 5.346.876 m³ gefördert, im Jahr 2008 von etwa 4,5 Mio. m³. Der Zweckverband Wasserversorgung (ZWAR) betreibt die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung für ein Versorgungsgebiet von 974 km². Der Anschlussgrad im Bereich Wasserversorgung beträgt ca. 98 %. Auf Rügen werden 65.677 und auf Hiddensee 1.086 Einwohner versorgt (Stand 2009), während der Sommersaison mit Urlaubern die zwei- bis dreifache Einwohnerzahl. Die einzelnen Wasserversorgungsanlagen haben außerhalb der Saison eine Auslastung im Bereich zwischen 12 und 70 %, der Durchschnittswert liegt bei 40 %. Die durch den erhöhten Saisonbedarf verursachten Herstellungskosten verhalten sich dazu in etwa proportional, liegen also je nach Ortsnetz um ca. 30 % bis ca. 90 % höher, als wenn die tourismusbedingten Höchstlasten nicht zu leisten wären. Von der geförderten Trinkwassermenge sind auf die Saisonmonate Juni – September monatlich 549.997 m³ entfallen, auf die restlichen 8 Monate jeweils 393.360 m³. Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht noch nicht fest. Das Wasserversorgungskonzept des Zweckverbandes vom 25. November 2010 umfasst nunmehr einen Zeitraum von 2010 bis 2040. Zum 31. Dezember 2007 lagen die um das von der Nordwasser GmbH i. L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. Euro. Zu ihrer Finanzierung hatte der Zweckverband Kredite in Höhe von 36,66 Mio. Euro aufgenommen, die zum 31. Dezember 2007 noch in Höhe von ca. 25,5 Mio. Euro valutierten. Die Gesamtkreditbelastung des Zweckverbandes belief sich zum 31. Dezember 2009 auf ca. 71 Mio. Euro, wovon auf die Sparte Trinkwasser ca. 29,5 Mio. Euro entfielen. Das erwähnte Wasserversorgungskonzept sieht im Zeitraum von 2010 bis 2040 geschätzte Investitionen in Höhe von ca. 84. Mio. € (einschließlich Hiddensee) vor.

3

Mit Bescheid vom 07. Februar 2008 setze der Beklagte gegenüber der Klägerin für den Abrechnungszeitraum 01. bis 31. Januar 2008 und die von ihr verbrauchte Trinkwassermenge eine Gebühr von 49.429,16 Euro fest.

4

In Abweichung zu dem Bescheid vom 07. Februar 2008 erfolgte mit dem streitgegenständlichem Änderungsbescheid vom 04. März 2008 (Kundennummer: 120 196) für denselben Abrechnungszeitraum und Verbrauch die Festsetzung von Wassergebühren in Höhe von nunmehr 61.986,33 Euro. Dem Änderungsbescheid lag die zwischenzeitliche Veränderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes betreffend die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zugrunde:

5

Ursprünglich sah die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004 in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vor. Auf der Grundlage von Wasserversorgungsbeitragssatzungen wurden im Zeitraum von 1998 bis 2006 mit ca. 2.300 bis 2.500 Bescheiden Trinkwasseranschlussbeiträge im Umfang von 6.542.754,30 Euro erhoben, was ca. 6 bis 8 % des gesamten zu erhebenden Beitragsvolumens ausmachte. Die Klägerin selbst wurde vom Beklagten nie zu einem Anschlussbeitrag herangezogen.

6

Am 03. Mai 2006 fasste die Verbandsversammlung des Zweckverbandes den Beschluss, die Erhebung von Beiträgen für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung für die „Altanschließergrundstücke“ „bis zur Klärung der Rechtslage“ auszusetzen. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 wandte sich der Zweckverband an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Darin heißt es im Wesentlichen: Die Verbandsversammlung beabsichtige für die Trinkwasserversorgung ein reines Gebührenmodell einzuführen und bisher erhobene Beiträge in Höhe von ca. 5 Mio. Euro an die Grundstückseigentümer unverzinst zurückzuzahlen. Die Umstellung würde linear ansteigend bis zum Jahr 2012 unter gleichen Randbedingungen zu einer Erhöhung der Mengengebühr um ca. 0,50 € führen, also von bisher Brutto 1,41 € pro m³ auf rund 1,90 € pro m³. Man sehe sich als atypischen Fall. Insgesamt betrachtet habe der Zweckverband Anlagen der Wasserversorgung für rund 200.000 Einwohner vorzuhalten, die tatsächliche Einwohnerzahl betrage gut 70.000, d.h. außerhalb der Saison komme es teilweise nur zu einer Anlagenauslastung von unter 40 %. Die Vorteile der wasserseitigen Erschließung der Grundstücke könnten in der Regel nur die Grundstücke realisieren, die in den Ostseebädern und den „Ballungszentren“ A-Stadt und Sassnitz lägen und z.B. durch saisonale Vermietung an Touristen usw. auch wirtschaftlich genutzt würden. Üblicherweise befänden sich dort auch die kleinsten Grundstücke, so dass die ländlichen, historisch auch größeren Grundstücke die angeführten Vorteile mittragen müssten. Auf dieses Schreiben antwortete das Innenministerium M-V mit Erlass vom 24. Januar 2008 im Wesentlichen, es werde vor dem Hintergrund, dass nach wie vor unterschiedliche Auffassungen darüber bestünden, welche Bedeutung die Soll-Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V für die konkreten, bei den jeweiligen kommunalen Aufgabenträger durchaus unterschiedlich vorliegenden Fallkonstellationen habe, die unteren Rechtsaufsichtsbehörden darauf hinweisen, Beschlüsse oder Satzungen kommunaler Aufgabenträger wegen eines eventuellen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bis auf Weiteres nicht zu beanstanden. Sollte der Zweckverband dabei für die aus Gleichbehandlungsgründen sinnvolle und wohl auch erforderliche Rückzahlung von Anschlussbeiträgen Kredite benötigen, werde das Innenministerium auch insoweit der bereits von der unteren Rechtsaufsichtsbehörde in Aussicht gestellten Kreditgenehmigung nicht entgegentreten.

7

Am 28. August 2008 beschloss die Verbandsversammlung die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung (Aufhebungssatzung), die am 03. September 2008 ausgefertigt wurde. Die Aufhebungssatzung enthält zwei Bestimmungen:

8

§ 1
Aufhebung

Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002, in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004, wird ersatzlos aufgehoben.

§ 2
In-Kraft-Treten

Diese Satzung tritt rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft.

9

Dem Erlass der Aufhebungssatzung vorausgegangen war ein – von der Kommunalaufsicht wegen seiner Form als ungeeignet zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung bewerteter – einfacher Beschluss der Verbandsversammlung vom 27. Februar 2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. In der Beschlussvorlage dazu hieß es im Wesentlichen, § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eröffne als "Soll-Regelung" bei Vorliegen einer atypischen Situation die Möglichkeit, auf eine Beitragserhebung zu verzichten und eine reine Gebührenfinanzierung zu installieren. Eine solche atypische Situation werde im Verbandsgebiet gesehen.

10

Unter dem 27. Januar 2008 hatte die Verbandsversammlung bereits zuvor die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsgebührensatzung (nachfolgend: WVGS 2008) – beschlossen, ausgefertigt am 20. März 2008. Auch diese Satzung trat gemäß ihrem § 10 rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft und ist Rechtsgrundlage des angefochtenen Änderungsbescheides.

11

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 lautet im Wesentlichen wie folgt:

12

„Der … Zweckverband Wasserversorgung … erhebt nach Maßgabe dieser Satzung:
a) Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 … (KAG M-V) sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen …“

13

Den Zusatz „sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen“ enthielt die vorher geltende Wasserversorgungsgebührensatzung vom 03. November 2005 (WVGS 2005) nicht. Die Gebühren werden gemäß § 1 Abs. 2 WVGS 2008 als Grundgebühren (Buchst. a) und Zusatzgebühren (auch Mengen- oder Verbrauchsgebühren, Buchst. b) erhoben.

14

Die Zusatzgebühr beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2008 (einschließlich Umsatzsteuer in Höhe von 7 %) 1,77 Euro/m³ zugeführten Wassers. Demgegenüber regelte die Vorläuferbestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2005 vom 03. November 2005 insoweit noch einen Gebührensatz von 1,41 Euro/m³. Die Grundgebühr gemäß § 3 Abs. 1 WVGS 2008 blieb gegenüber der Satzung von 2005 unverändert.

15

Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 erfuhr mit der 1. Satzung zur Änderung der Satzung des ZWAR über die Erhebung von Gebühren sowie Kostenerstattungsansprüchen für die Wasserversorgung vom 03. September 2008, rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft getreten, Änderungen in einigen anderen Bestimmungen.

16

In der Zeit nach der Änderung des Satzungsrechts des Zweckverbandes wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt von den vereinnahmten Anschlussbeiträgen 5.479.355,81 Euro zurückgezahlt oder gegen bestehende Forderungen des Zweckverbandes verrechnet, was nach Angaben des Beklagten einer Quote von 84 % entspricht. Während der bereits anhängigen Verwaltungsstreitverfahren hat die Landrätin des Landkreises Rügen als untere Rechtsaufsichtsbehörde unter dem 04. Juni 2009 dem Zweckverband auf Grundlage des Beschlusses der Verbandsversammlung vom 17. Dezember 2008 (Beschluss Nr.: 562-67-31/08) von dem unter Punkt 2.1 der Zusammenstellung zum Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2009 veranschlagten Gesamtbetrag der Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen den mit der Genehmigung vom 19. Januar 2009 ausgesetzten Teilbetrag in Höhe von 6 Mio. Euro genehmigt.

17

Den am 28. März 2008 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008, der u. a. darauf verwies, dass der erhöhte Gebührensatz bei ihr – als Vielfaches der "Anschlussgebühren" – zu jährlichen Mehrkosten in der Größenordnung von 72.000,00 Euro führe, wies dieser mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2008 – zugestellt am 19. Juli 2008 – zurück.

18

Mit weiteren Bescheiden vom 03. September 2008, 15. Oktober 2008 und 12. November 2008 (jeweils Kundennummer: 120 196) zog der Beklagte die Klägerin zu Wassergebühren für die Zeiträume August, September und Oktober 2008 in Höhe von 52.776,99 Euro, 77.152,84 Euro und 48.279,41 Euro heran, wogegen diese jeweils am 30. September 2008, 03. November 2008 bzw. 04. Dezember 2008 Widerspruch einlegte. Mit Widerspruchsbescheiden vom 17. November 2008 (betreffend die Bescheide vom 03. September und 15. Oktober 2008) – zugestellt am 19. November 2008 – und 08. Dezember 2008 – zugestellt am 12. Dezember 2008 – wies der Beklagte die Rechtsbehelfe zurück.

19

Am 01. August 2008 hat die Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 04. März 2008 Klage beim Verwaltungsgericht Greifswald (Az. 3 A 1156/08) erhoben (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 1161/08, OVG Az. 1 M 157/08), am 19. Dezember 2008 gegen die Gebührenbescheide vom 03. September 2008 und 15. Oktober 2008 jeweils zu den Az. 3 A 2078/08 und 3 A 2082/08 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 2079/08 , OVG Az. 1 M 19/09) und am 12. Januar 2009 gegen den Gebührenbescheid vom 12. November 2008 zum Az. 3 A 45/09 (vorläufiges Rechtsschutzverfahren: VG Az. 3 B 49/09); die Verfahren sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden (Az. 3 A 1156/08).

20

Die Klägerin hat zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen vorgetragen,

21

ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, die Gebührensatzung sei unwirksam. Die Einführung des sogenannten reinen Gebührenmodells verstoße gegen die Sollregelung in § 9 Abs. 1 KG M-V, da keine atypische Ausnahme gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Satzung verstoße zudem gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Die Kalkulation der Gebührensätze sei methodisch fehlerhaft.

22

Die Klägerin hat beantragt,

23

den Bescheid des Beklagten vom 04.03.2008 – Kundennummer 120196 – in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit aufzuheben, als die Festsetzung den Betrag von Euro 49.429,16 übersteigt, und dessen Bescheide vom 03.09.2008, vom 15.10.2008 sowie vom 12.11.2008 – Kundennummern 120196 – in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.11.2008 bzw. 18.12.2008 insgesamt aufzuheben.

24

Der Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Er hat im Wesentlichen vorgetragen,

27

die Gebührensatzung sei wirksam, die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell zulässig. Mit der Sollregelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei der Spielraum der Aufgabenträger bei der Wahl des Refinanzierungssystems im Verhältnis zur früheren Rechtslage erweitert worden. Nach einschlägiger Kommentarliteratur bestehe sogar ein freies Wahlrecht zwischen einem Mischsystem aus Beitrags- und Gebührenerhebung und einem reinen Gebührenmodell. Die nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Greifswald bestehende „Höchstkreditquote“ von etwa einem Drittel des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes finde im Gesetz keine Grundlage. Die Auslegung des § 9 Abs. 1 KAG M-V habe sich nicht an § 44 Abs. 3 KV M-V zu orientieren. Das Vorliegen einer atypischen Ausnahme sei nach anderen Kriterien als dem einer bestimmten Kreditquote zu ermitteln. Eine atypische Ausnahme sei vorliegend gegeben, denn das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Wegen der durch die notwendige Höherdimensionierung verbundenen Mehrkosten sei es gerechter, touristisch genutzte Grundstücke stärker an den Kosten zu beteiligen. Dies werde – wobei sich der Beklagte auf entsprechende Beispielsrechnungen in seinem Schriftsatz vom 05. November 2008 im Verfahren Az. 3 B 1161/08 bezieht – durch das reine Gebührenmodell erreicht. Im Übrigen wären Kreditkosten auch bei einer Beibehaltung des bisherigen Finanzierungsmodells entstanden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge wegen drohender Festsetzungsverjährung bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben gewesen wären. Zum einen hätte dies wegen zeitgleicher Beitragserhebung in anderen Bereichen eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung seien Beiträge immer erst im zeitlichen Zusammenhang mit Baumaßnahmen im Bereich der betroffenen Grundstücke erhoben worden. Vor diesem Hintergrund habe mit dem drohenden Ablauf der Verjährungsfrist eine „gröblich unangemessene Eilsituation“ bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

28

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – stattgegeben und die angegriffenen Bescheide entsprechend dem Klageantrag aufgehoben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, weil ihnen die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KG M-V erforderliche Rechtsgrundlage fehle. Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung sei unwirksam. Sie leide zwar nicht an einem methodischen Fehler bei der Gebührenkalkulation. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband die von ihm vereinnahmten Anschlussbeiträge im Rahmen der Kalkulation nicht Gebühren mindernd berücksichtigt habe. Jedoch verstoße die mit dem Erlass der Wasserversorgungsgebührensatzung bzw. mit deren § 1 Abs. 1 Buchst. a) verbundene Einführung des sogenannten reinen Gebührensystems gegen die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, die eine Beitragsfinanzierung vorsehe. Diese Vorschrift schließe die Einführung eines sogenannten „reinen Gebührenmodells“ nicht völlig aus, regele aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Mit ihr habe der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet. Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines „Beitragsmodells“ ein „Gebührenmodell“ einzuführen, bestehe nicht. Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung sei auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Hinsichtlich der Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme komme es maßgebend auf die systematischen Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V – aufweise. Die Gesetzesmaterialien seien für die Auslegung der Bestimmung demgegenüber unergiebig. Bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V handele es sich um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen dürfe, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich sei oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach sei die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär, sie solle möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Damit erkläre sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstelle. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren erfordere in der Regel einen deutlich höheren Kreditbedarf als eine Beitragsfinanzierung. Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel der Senkung des Fremdkapitalbedarfs gebe auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig seien. Es müsse ein innerer Zusammenhang zwischen Regel und Ausnahme vorhanden sein. Daraus folge, dass es für die Ausnahme nicht auf eine besondere Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen könne. Eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 S. 1 KAG M-V orientierte Ausnahme sei jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Bei der Bemessung der Quote lasse sich das Verwaltungsgericht davon leiten, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – ebenso wie strengere Regelung in § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 – den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 % anzustreben; vielmehr sei ein niedrigerer Deckungsgrad zulässig. Dadurch werde die Flexibilität des Aufgabenträgers erhöht und insbesondere gewährleistet, dass er die Belastung der Beitragspflichtigen in einem gewissen Umfang abmildern könne. Allerdings stelle sich bei einem sinkenden Deckungsgrad ab einem bestimmten Punkt die Frage, ob die Beitragserhebung noch mit der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vereinbar sei. Die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes müsse in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch Beiträge erfolgen. Die Festlegung der insoweit tolerablen Quote von etwa 70 % Beitragsfinanzierung orientiere sich an der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, das in seinem Urteil vom 02. Juli 2004 – 4 K 38/02 – bei einem Aufgabenträger, der über die Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 70 % angestrebt habe, die Frage eines Verstoßes gegen die damals noch geltende Beitragserhebungspflicht nach § 8 Abs. 1 KAG M-V 1993 noch nicht einmal angesprochen habe. Daraus folge nach Auffassung der Kammer, dass ein angestrebter Deckungsgrad von 70 % voraussetzungslos zulässig sei, ohne dass es auf das Vorliegen atypischer Umstände ankomme. Nach diesen Kriterien liege eine atypische Ausnahme im Falle des ZWAR nicht vor, da die tolerable Quote einer Kreditfinanzierung vorliegend weit überschritten sei. Andere Umstände, die die Annahme einer atypischen Ausnahme erlaubten, seien ebenfalls nicht erkennbar. Die Auffassung des Beklagten, dass in Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahme vorliegen solle, klinge in den Gesetzgebungsmaterialien nicht einmal an. Hinzu komme, dass gerade in diesen Regionen die Einführung eines reinen Gebührensystems zu einer nicht gerechtfertigten Mehrbelastung der Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke führe.

29

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Das Urteil ist dem Beklagten ausweislich Empfangsbekenntnisses am 12. März 2010 zugestellt worden. Er hat am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht Berufung gegen das Urteil eingelegt und diese mit am 06. April 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz im Wesentlichen wie folgt begründet:

30

Die angefochtene Entscheidung begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln, die Frage des Systemwechsels sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Satzung wie auch die ihr zugrunde liegende Kalkulation seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts rechtmäßig. Auf die Entscheidung des Senats zum Az. 1 M 157/08 und den dortigen sowie anderweitigen Vortrag werde verwiesen. Die in ihr thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet. Die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge würden laufend zurückgezahlt, was im Erlasswege geschehe. Der Zweckverband befinde sich auch in einer atypischen Situation im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Dabei sei, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt habe, der Inhalt der Gesetzesmaterialien ohne Belang. Unklar sei dann aber, weshalb das Verwaltungsgericht diese teilweise ausführlich thematisiere und letztlich doch zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V dort heranziehe, wo dies der Auffassung des Gerichts dienlich scheine. Einer solchen Auslegung bedürfe es nicht, weil der Regelungsgehalt einer Soll-Regelung geklärt sei. Ob eine atypische Ausnahme vorliege, die es rechtfertigen könne, von der Soll-Regelung abzuweichen, beurteile sich nach allgemeinen tatsächlichen Kriterien. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V habe die Rechtslage öffnen und Spielräume geben wollen. Diese seien vom Zweckverband in nicht zu beanstandender Weise genutzt worden. Insbesondere von den Gerichten sei zu klären, ob Regionen mit einer ausgeprägten touristischen Struktur eine atypische Ausnahmesituation für sich in Anspruch nehmen dürften.

31

Mit am 14. Dezember 2010 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, es liege ein atypischer Fall vor, der den Zweckverband berechtige, auf ein reines Gebührenmodell zu wechseln. Für die Forderung des Verwaltungsgerichts, es müsse eine bestimmte Kreditquote eingehalten werden, würden weder § 44 Abs. 3 KV M-V noch der – gelockerte – § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V etwa hergeben. Im Hinblick auf die „zwingende“ Bestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 müsse beachtet werden, dass sie von 90 % der betroffenen Körperschaften eben nicht als zwingend angesehen worden sei. Das Gebührensystem sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht ungerechter. Ein Beispiel für die bis zur Unzumutbarkeit reichenden Schwierigkeiten in der täglichen Anwendung des Rechts im Bereich der Beitragserhebung stelle die wohl richtige jüngere Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zum Az. 4 K 12/07 dar. Es habe als gesichert gelten dürfen, dass der Grundsatz der Typengerechtigkeit auch bei der rechtlichen Beurteilung einer Tiefenbegrenzung Bedeutung gewinnen könne. Dies könne nach der genannten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr angenommen werden. Auch habe es als gesichert gelten dürfen, dass eine satzungsmäßige Tiefenbegrenzung von 50 m aufgrund von Vorschriften im Brandschutzrecht, die von einer Ortsüblichkeit der Bebauung in dieser Tiefe ausgingen, nicht gesondert zu begründen sei. Die gewählte Tiefenbegrenzung müsse nun aber nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in jedem Fall in Ausübung dargelegten Ermessens hergeleitet und erläutert sein. Anderenfalls fehle es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung und damit an einer methodisch korrekten Kalkulation. Keiner der in der Vergangenheit beschlossenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen des Zweckverbandes habe eine dokumentierte Erfassung der ortsüblichen Bebauungstiefe zugrunde gelegen. Die jeweils gewählte Grenze von 50 m habe allein auf der sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ beruht. Ein Systemwechsel liege nicht vor, weil es niemals eine rechtmäßige Trinkwasserbeitragserhebung gegeben habe.

32

Der Beklagte beantragt,

33

die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

34

Die Klägerin beantragt,

35

die Berufung zurückzuweisen.

36

Sie trägt vor,

37

die Berufung des Beklagten sei bereits gemäß § 124 a Abs. 3 Satz 5 VwGO unzulässig, da die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 2 VwGO nicht genüge. Insbesondere begründe der Beklagte die zwei geltend gemachten Berufungsgründe der „ernstlichen Richtigkeitszweifel“ und der grundsätzlichen Bedeutung der „Angelegenheit Systemwechsel“ nicht hinreichend. Die bloße Bezugnahme auf das Vorbringen erster Instanz und in diversen anderen Verfahren genüge nicht. Es fehle insgesamt an der rechtlichen Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil. Mit Blick auf die zwischenzeitlichen Entscheidungen des Senats in parallelen Beschwerdeverfahren würden für Beschwerde- und Berufungsbegründung die gleichen Maßstäbe gelten. Die Berufung sei zumindest unbegründet. Die Unwirksamkeit der möglichen Rechtsgrundlagen ergebe sich neben den Erwägungen des Verwaltungsgerichts Greifswalds auch aus den Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –. Unzutreffend sei die Auffassung des Beklagten, die in diesem Beschluss thematisierte Problematik der im Rahmen der Gebührenkalkulation nicht berücksichtigten Einnahmen aus Beiträgen sei obsolet, da die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge laufend zurückgezahlt würden. Der Beklagte habe sein Satzungsrecht nicht angepasst; unabhängig davon trage er schon nicht vor, warum in seinem Verbandsgebiet eine atypische Situation vorliege. Der Beklagte behaupte lediglich, in seinem Verbandsgebiet herrsche eine touristische Struktur vor. Warum es sich bei dieser um eine „atypische“ handele und sie sich im Übrigen atypisch auf die Beitragserhebung auswirke, sei bisher auch nicht erläutert. Die Beitragserhebung im Abwasserbereich laufe problemlos, dort gebe es anscheinend keine atypische Situation. Selbst wenn die reine Gebührenfinanzierung – wie vorgetragen werde – abgabengerechter wäre, führte die bloße größere Abgabengerechtigkeit in einem Verbandsgebiet nicht zu einer atypischen Situation. Die reine Gebührenfinanzierung sei bei einer touristischen Struktur außerdem gerade nicht abgabengerechter, weil damit die Dauernutzer für die – aufgrund der Wochenend- und Feriennutzung – notwendigen Spitzenlastreserven anteilig durch den ganzjährigen Wasserverbrauch mehr zahlten als diejenigen, die für die „Spitzenlasten“ verantwortlich seien. Die vom Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Tiefenbegrenzungsregelung der früheren Wasserversorgungsbeitragssatzung seien unzureichend. Bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung wäre die Tiefenbegrenzung ebenfalls auf 50 m festgelegt worden, somit sei die Satzung nach den zwischenzeitlich durchgeführten Ermittlungen wirksam gewesen. Die Beitragsbescheide seien bestandskräftig und nicht aufgehoben worden. Auch deshalb sei die Systemumstellung rechtswidrig. Die Kalkulation der Gebühr sei nicht nachvollziehbar.

38

Auf eine vom Berichterstatter gegenüber dem Beklagten erlassene Verfügung gemäß § 87 b Abs. 2 VwGO hat der Beklagte in der ihm zum 07. März 2011 gesetzten Frist u. a. ergänzend vorgetragen: Bei den wesentlichen Ursachen der Gebührenerhöhung fielen Personalaufwand, sonstige betriebliche Aufwendungen sowie Steuern besonders ins Gewicht. Der Systemwechsel bzw. der Umstand, dass erst jetzt vollumfänglich Gebühren erhoben würden, schlage sich im ersten Jahr bei der Gebühr mit ca. 30 Cent, im zweiten Jahr mit noch ca. 19 Cent und ab dem dritten Jahr nur noch mit ca. 2 Cent nieder. Die Beitragsrückzahlung erfolge aus Kreditmitteln. Allerdings habe der Festlegung der Tiefenbegrenzung auf 50 m in den Satzungswerken des Zweckverbandes eine Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen, wie sie nun das OVG Mecklenburg-Vorpommern im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlange, nie zu Grunde gelegen. Es habe eine gefestigte Einschätzung bei den zuständigen Sachbearbeitern bestanden. Danach entspreche diese Begrenzung der ortsüblichen Bebauung zumindest insoweit sicher, dass sich jedenfalls keine offenkundigen Unbilligkeiten häuften. Aufgrund dieser aus profunder persönlicher Ortskenntnis und punktuell in Ortsbegehungen gewonnenen Einschätzung seien Ermittlungen, die bislang nur bei Festlegung einer anderen als der 50-Meter-Begrenzung angezeigt erschienen, für entbehrlich gehalten worden. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativbereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zur OVG-Rechtsprechung, durchgeführt und sollten noch im März 2011 abgeschlossen werden.

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Zwischenzeitlich sind zwischen den Beteiligten weitere Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anhängig gewesen, in denen die Klägerin erstinstanzlich obsiegt hat; die Beschwerden des Beklagten, die im Wesentlichen wortlautidentisch mit seiner Berufungsbegründung gemäß Schriftsatz vom 31. März 2010 gewesen sind, hat der Senat mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses als unzulässig verworfen (Az. 3 B 406/10 und 1 M 145/10, 3 B 542/10 und 1 M 150/10; 3 B 811/10 und 1 M 213/10; 3 B 912/10 und 1 M 214/10; 3 B 1003/10 und 1 M 229/10), ebenso die Beschwerde in einem Parallelverfahren (Beschluss v. 23.11.2010 – 1 M 125/10 –).

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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen, ferner auf die gerichtlichen Verfahrensakten Az. 1 L 125/10 samt Beiakten, 1 M 157/08, 1 M 19/09, 1 M 145/10, 1 M 150/10, 1 M 213/10, 1 M 214/10 und 1 M 229/10, die sämtlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten hat Erfolg; sie ist zulässig (I.) und begründet (II.).

42

I. Die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht eingelegte Berufung des Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin zulässig.

43

1. Die nach Zustellung des Urteils am 12. März 2010 in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO am 15. März 2010 beim Verwaltungsgericht eingelegte Berufung bezeichnet zunächst das angefochtene Urteil hinreichend im Sinne von § 124a Abs. 2 Satz 2 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist es erforderlich, dass Gewissheit über die Identität des angefochtenen Urteils besteht. Eine vollständige Bezeichnung des angefochtenen Urteils erfordert grundsätzlich die Angabe der Beteiligten, des Verwaltungsgerichts, des Aktenzeichens und des Verkündungsdatums (vgl. Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124a VwGO Rn. 34, 170 ff.; BGH, Beschl. v. 21.03.1991 – IX ZB 6/91 –, NJW 1991, 2081 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 02.11.2004 – 1 B 144/04 –, Buchholz 310 § 82 VwGO Nr. 21 – zitiert nach juris). Die Berufungsschrift des Beklagten benennt zwar das Aktenzeichen des angefochtenen Urteils nicht. Vorliegend ist das Urteil jedoch aufgrund sonstiger, innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO erkennbarer Umstände derart individualisierbar, dass seine Identität für den Rechtsmittelgegner und das angerufene Gericht zweifelsfrei feststeht (vgl. BGH, Urt. v. 27.06.1984 – VIII ZR 213/83 –, VersR 1984, 870 –; Beschl. v. 12.04.1989 – IVb ZB 23/89 –, NJW-RR 1989, 958 – jeweils zitiert nach juris). Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte am 15. März 2010 zunächst um 11.26 Uhr sein Empfangsbekenntnis, das Urteil vom 24. Februar 2010 – 3 A 1156/08 – am 12. März 2010 erhalten zu haben, per Telefax übermittelt. Die Berufungsschrift ging am selben Tag um 17.16 Uhr auf demselben Weg beim Verwaltungsgericht ein. Insbesondere mit Blick auf die in der Berufungsschrift enthaltene Angabe des Zustellungsdatums war eine hinreichende Verknüpfung zum Empfangsbekenntnis hergestellt, das das Aktenzeichen des Urteils benannte. Auf dieser Basis hat das Verwaltungsgericht eine entsprechende Zuordnung der Berufung vorgenommen, ebenso das Berufungsgericht im Rahmen der Eingangsverfügung. Die am 06. April 2010 schließlich in der Frist des § 124a Abs. 2 Satz 1 VwGO eingegangene Berufungsbegründung spricht entsprechend von der „hier angefochtenen Entscheidung zum Az. 3 A 1156/08“.

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2. Dieser am 06. April 2010 in der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1, 2 VwGO beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Schriftsatz des Beklagten vom 31. März 2010 zur Begründung der Berufung genügt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin auch noch den Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, wonach die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten muss sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).

45

Dem Antragserfordernis und dem Formerfordernis einer gesonderten Berufungsbegründung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig entsprochen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer die zugelassene Berufung durchführen will (stRspr des BVerwG; vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; Beschl. v. 16.12.2004 – 1 B 59.04 –, juris Rn. 2; Beschl. v. 07.03.2003 – 2 B 32.02 –, juris Rn. 4; Beschl. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124 a VwGO Nr. 26; jeweils zitiert nach juris). Der Wortlaut des 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO, die nach seiner Entstehungsgeschichte gewollte Anlehnung an die im verwaltungsprozessualen Revisionsrecht und im Zivilprozess für die Berufungsbegründung geltenden Anforderungen sowie der Zweck der Bestimmung, mit der Berufungsbegründungspflicht die Berufungsgerichte zu entlasten und dadurch das Berufungsverfahren zu straffen und zu beschleunigen, lassen erkennen, dass die Berufungsbegründung dabei substantiiert und konkret auf den zu entscheidenden Fall bezogen sein muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 09.12.2004 – 2 B 51.04 –, juris). Sie hat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht im Einzelnen auszuführen, weshalb das angefochtene Urteil nach der Auffassung des Berufungsführers unrichtig ist und geändert werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris). Welche Mindestanforderungen in Anwendung dieser Grundsätze jeweils an die Berufungsbegründung zu stellen sind, hängt wesentlich von den Umständen des konkreten Einzelfalles ab (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.04.2001 – 1 C 33.00 –, BVerwGE 114, 155 – zitiert nach juris; vgl. zum Ganzen auch BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris). Grundsätzlich kann es zur Erfüllung des Begründungserfordernisses aus § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO nicht ausreichen, dass der Berufungskläger in der Berufungsbegründung erklärt, er halte an seiner erstinstanzlich bereits dargelegten Rechtsauffassung fest und wünsche eine Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht, er nehme insoweit – konkludent – Bezug auf den erstinstanzlichen Vortrag (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Soweit das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschl. v. 30.01.2009 – 5 B 44.08 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 39; Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –; Urt. v. 08.03.2004 – 4 C 6.03 –, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 = NVwZ-RR 2004, 541 – jeweils zitiert nach juris) eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz für zulässig hält, betrifft dies nur die Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen, also auf die Begründung im Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung, nicht hingegen auf die Begründung im erstinstanzlichen Klageverfahren. Insoweit gilt mithin, dass die pauschale Bezugnahme auf einen gegenüber der Vorinstanz eingenommenen Rechtsstandpunkt grundsätzlich nicht ausreichend sein kann.

46

Die Berufungsbegründung des Beklagten in dessen Schriftsatz vom 31. März 2010 erfüllt noch die nach Maßgabe dieses Maßstabes von § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gestellten Anforderungen, obwohl der Senat seine Beschwerden in parallel gelagerten Beschwerdeverfahren insbesondere zwischen den Beteiligten, deren Begründungen im Wesentlichen wortlautidentisch mit dieser Berufungsbegründung gewesen sind, jeweils mit Beschlüssen vom 24. November 2010 mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO als unzulässig verworfen hat.

47

Zunächst ist prinzipiell zu berücksichtigen, dass mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein nach der Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht überspannt werden und dieses nicht leer laufen lassen dürfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 – 1 BvR 814/09 –, NJW 2009, 3642; Beschl. v. 08.12.2009 – 2 BvR 758/07 –, NVwZ 2010, 634, 640). Dies gilt umso mehr in Verfahren, in denen der Rechtsmittelführer wegen der Verneinung von Zulässigkeitsvoraussetzungen einen endgültigen Rechtsverlust erleiden würde, also insbesondere mit Blick auf § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO. Die Prozesssituation stellt sich – hier – im Berufungsverfahren damit grundlegend anders dar als im Beschwerdeverfahren, in denen der Rechtsmittelführer bei Verneinung der dort geltenden Darlegungsanforderungen grundsätzlich – obsiegt er später im Hauptsacheverfahren – „nur“ zeitlich vorübergehend, für die Dauer des Hauptsacheverfahrens eine Rechtsbeeinträchtigung, aber keinen endgültigen Rechtsverlust hinnehmen müsste.

48

Die entscheidungstragenden Erwägungen aus den Senatsbeschlüssen in den erwähnten Beschwerdeverfahren können vorliegend zudem schon deshalb nicht „eins zu eins“ übernommen werden, weil die für das Erfordernis der Begründung des jeweiligen Rechtsmittels geltenden gesetzlichen Anforderungen in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO einerseits und § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO andererseits vom Gesetzgeber grundlegend unterschiedlich formuliert worden sind: Während § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO die Darlegung der Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und ausdrücklich die Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung verlangt, fordert § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO „nur“, dass die Gründe der Anfechtung – die „Berufungsgründe“ – im Einzelnen anzuführen sind. Gerade der Verzicht auf das Erfordernis der Auseinandersetzung gibt schon nach dem Wortlaut des Gesetzes einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Anforderungen des § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO gegenüber denen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO weniger streng sind.

49

Zudem sind vorliegend besondere Umstände des konkreten Einzelfalles zu beachten, die die an die Berufungsbegründung des Beklagten zu stellenden Mindestanforderungen herabsenken. Insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorbringens in den in gleicher Angelegenheit bzw. hinsichtlich der gleichen Rechtsfragen schon im Vorfeld der Berufung geführten vorläufigen Rechtsschutz- bzw. Beschwerdeverfahren (Az. 1 M 157/08, 1 M 19/09) – auf die sich der Beklagte teilweise ausdrücklich, wenn auch pauschal, bezieht – ergibt sich hinreichend, dass der Beklagte – nach wie vor – für das Berufungsgericht erkennbar auf dem Rechtsstandpunkt steht, aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V folge ebenso wie aus § 44 Abs. 3 KV M-V entgegen der vom Verwaltungsgericht auch in dem angefochtenen Urteil geäußerten Rechtsauffassung keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass diese eine Gebührenfinanzierung ausschließen würde; jedenfalls würden sich aus den von ihm angeführten Umständen hinreichend Gründe ergeben, die eine atypische Situation, wie sie das Verwaltungsgericht als erforderlich für die Normierung eines reinen Gebührensystems verlange, begründeten. Hieran knüpft die Berufungsbegründung ersichtlich an und macht damit unter Berücksichtigung der vorweggeschickten grundsätzlichen Erwägungen zu den verfassungsrechtlichen Maßgaben für das Rechtsmittelrecht und den Unterschieden in den Begründungsanforderungen der verschiedenen Rechtsmittel nach der VwGO gerade noch hinreichend deutlich, dass der Beklagte das stattgebende Urteil mit der Berufung insgesamt angreifen will und weshalb er abweichend vom Verwaltungsgericht die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig hält. Insbesondere den Ausführungen zur – nach Auffassung des Beklagten – Unbeachtlichkeit der Entstehungsgeschichte kann noch entnommen werden, dass auch die von ihm ins Feld geführten Aspekte der touristischen Struktur entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts eine atypische Situation begründen können sollen, die das Gebührenfinanzierungssystem des ZWAR rechtfertigten. Ferner hat er vorgetragen, „das Problem (solle) im Bereich der Kommunalabgaben verbleiben, wo es systematisch hingehöre, und nicht über die sonst zu erhebende Umlage in das die (auch die nicht bevorteilte) Allgemeinheit betreffende Steuerrecht verlagert werden“. Damit vertritt der Beklagte noch erkennbar auch den Standpunkt, dass systematisch das allgemeine Kommunalverfassungsrecht nicht die Auslegung des spezielleren Kommunalabgabenrechts determinieren könne. Ferner kann sein Vortrag dahin verstanden werden, dass zwar Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz erhoben werden müssen und nicht in eine Steuerfinanzierung ausgewichen werden dürfe, innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens aber keine Beitragserhebungspflicht bestehe. Eine darüber hinausgehende substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils verlangt § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO – anders als § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO – hingegen nicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris; vgl. allerdings auch BVerwG, Beschl. v. 02.07.2008 – 10 B 3.08 –, juris; Beschl. v. 03.03.2005 – 5 B 58.04 –, juris). Der Berufungsführer genügt grundsätzlich seiner gesetzlichen Begründungspflicht, wenn er in der Berufungsbegründung an seiner in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht insoweit hinreichend konkret erläuterten Auffassung festhält, der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig, und dadurch zum Ausdruck bringt, dass er von den gegenteiligen Erwägungen des angefochtenen Urteils nicht überzeugt ist. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO verlangt demgegenüber nicht, dass der Berufungsführer hierzu auf die Begründungserwägungen des angefochtenen Urteils im Einzelnen eingeht. Würde dies gefordert, lehnte sich der Senat zu eng an die Rechtsprechung zur Berufungsbegründung im Zivilprozess und zur Revisionsbegründung im Verwaltungsprozess an und berücksichtigte dabei zu wenig die Unterschiede zwischen diesen Verfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.06.2005 – 10 B 4.05 –, juris).

50

Ebenso wenig musste der Beklagte sich in seiner Berufungsbegründung näher dazu verhalten, dass der Senat in seinem Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – entscheidungstragend angenommen hatte, die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 sei wegen einer methodisch fehlerhaften Kalkulation unwirksam. Das Verwaltungsgericht ist – anders als etwa in seinem Beschluss vom 08. Juni 2010, Az. 3 B 406/10 (1 M 145/10), weil darin lediglich auf die S. 10 ff. des Entscheidungsumdrucks des vorliegend angefochtenen Urteils verwiesen wird – der entsprechenden Rechtsauffassung des Senats entgegen getreten. Da dies für den Beklagten günstig war, bestand unabhängig von der Frage der Richtigkeit der entsprechenden verwaltungsgerichtlichen Ausführungen für ihn keine Veranlassung, hierzu in der Berufungsbegründung näher vorzutragen.

51

II. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 24. Februar 2010 ist zu ändern und die Klage abzuweisen.

52

Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet; die angefochtenen Gebührenbescheide sind – soweit angefochten – rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

53

Den Bescheiden liegt mit der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung- über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung – WVGS 2008) vom 20. März 2008 in der Fassung der 1. Änderung vom 03. September 2008 die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche wirksame Rechtsgrundlage zugrunde. Das in § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 grundsätzlich und in weiteren Satzungsbestimmungen näher ausgeformte System der Finanzierung zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen (sog. reines Gebührenfinanzierungssystem) ist rechtmäßig. Es steht entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und der Klägerin nicht im Gegensatz zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, wonach „zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden sollen“.

54

§ 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 bestimmt für eine solche öffentliche Wasserversorgungseinrichtung, dass der Zweckverband Wasserversorgung nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen erhebt. Diese satzungsrechtlich vorgeschriebene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für die vom Zweckverband betriebene öffentliche Wasserversorgungsanlage steht sowohl mit § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) als auch mit sonstigem höherrangigen Recht (2.) in Einklang.

55

1. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründet keine Beitragserhebungspflicht in dem Sinne, dass eine teilweise oder vollständige Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes für alle Träger von Wasserversorgungseinrichtungen im Land Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich ausgeschlossen wäre. Die Bestimmung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass sie jedenfalls dann, wenn ein Versorgungsträger erstmalig (gewissermaßen in der „Stunde Null“) in rechtswirksamer Weise die Entscheidung über die Art und Weise der Refinanzierung des Herstellungsaufwandes für seine Einrichtung zu treffen hat bzw. sie – wie regelmäßig anzunehmen ist – in der Vergangenheit bereits getroffen hat, dessen grundsätzliches Wahlrecht hinsichtlich der Finanzierungsart, das schon nach altem Recht nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes vom 01. Juni 1993 (KAG 1993) bestand, nicht – rückwirkend – einschränkt. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hat, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungssystem zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. einzuschränken. Sie hat also gerade den „echten“ Systemwechsel im Blick, der dadurch zu charakterisieren ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebühren- oder anderweitige Finanzierung (privatrechtliche Entgelte) ablösen will. Eine Beitragserhebungspflicht begründet § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in allen Fällen, in denen eine wirksame Beitragssatzung und damit eine wirksame Rechtsgrundlage für eine Beitragserhebung existiert. Daraus folgt im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats insbesondere die Verpflichtung, einen wirksam entstandenen Beitragsanspruch vollständig auszuschöpfen, etwa auch Beiträge nachzuerheben (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris).

56

a) Einen zentralen Schlüssel und damit Zugang zum Verständnis des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bieten die Regelungen und das Normgefüge des Kommunalabgabengesetzes 1993 – hier insbesondere des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Diesen kann eine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen umfassenden Sinne, derzufolge Beiträge grundsätzlich in jedem Fall ausnahmslos – also nicht nur in der vorstehend skizzierten Situation – vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben sind, nach Überzeugung des Senats nicht entnommen werden. Vielmehr ließen die Bestimmungen des KAG 1993 dem Einrichtungsträger grundsätzlich eine Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes.

57

Eine reine Gebührenfinanzierung verstieß unter der Geltung des KAG 1993 nicht gegen dessen § 8 Abs. 1 KAG 1993. Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Aus- und Umbau, die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen und Anlagen sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbebetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Beiträge sind nach Vorteilen zu bemessen (Satz 2).

58

Diese Vorschrift hat keine Pflicht der abgabenberechtigten Körperschaft angeordnet, den Aufwand für Herstellung, Aus- und Umbau der öffentlichen Einrichtung speziell durch Beiträge zu decken. Ihr ist kein Vorrang der Beitragserhebung im Verhältnis zu einer Refinanzierung des Herstellungsaufwandes durch die Erhebung von Gebühren zu entnehmen (so auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1, S. 8 und Aussprung, Wichtige Änderungen des Kommunalabgabenrechts Mecklenburg-Vorpommern durch das Erste Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, NordÖR 2005, 245; vgl. auch Sauthoff, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2009, § 8 Rn. 1611 einerseits, Rn. 1614 am Ende andererseits).

59

Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht nicht zwingend für eine Beitragserhebungspflicht, die ein Refinanzierungssystem auf der Grundlage einer reinen Gebührenerhebung ausschließen würde. Er lässt für sich betrachtet im Gegenteil eher als die Festlegung einer Beitragserhebungspflicht ein Normverständnis zu, wonach sich die durch das Wort „sind“ geregelte Anordnung sprachlich auf die Art der Verteilungsmaßstäbe und den Kreis der Beitragspflichtigen bezieht und die Rechtsfolge von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 damit ihrer Zielrichtung nach der des Satzes 2 dieser Regelung entspricht. Danach sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Beitragserhebungspflicht stünde demgemäß nicht auf der Rechtsfolgenseite, sondern erwiese sich als tatbestandliche Voraussetzung und wäre inhaltlich also wie folgt zu verstehen: Wenn Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung … erhoben werden, dann sind sie (zwingend im Sinne einer Muss-Vorschrift) nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundstückseigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Mit diesem nach dem Wortlaut der Bestimmung deutlich näher liegenden Normverständnis ist ohne weiteres ersichtlich keine Beitragserhebungspflicht für Herstellungskosten insbesondere der leitungsgebundenen Einrichtungen der Wasserversorgung geregelt, erst recht kein Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenerhebung. Eine solche Interpretation der Bestimmung steht im Einklang mit der zu dem wortidentischen § 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein vertretenen herrschenden Rechtsauffassung. Auch dort wird der Gesetzeswortlaut so verstanden, dass für den Fall der Beitragserhebung Beiträge nach festen Verteilungsmaßstäben zu erheben sind, ohne dass hieraus eine Beitragserhebungspflicht hergeleitet werden könnte (vgl. Habermann, in: KAG S-H, Kommentar, Stand: November 2010, § 8, Rn. 12).

60

Gegen die Herleitung einer Beitragserhebungspflicht bereits aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 KAG 1993 spricht auch die dessen Satzstruktur ähnliche Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993. Danach „sind“ Benutzungsgebühren zu erheben, „wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend der Inanspruchnahme einzelner Personen oder Personengruppen dient, sofern nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“. Dieser Bestimmung ist im Sinne einer Definition der Benutzungsgebühr (s. dazu Siemers, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: August 2010, § 6, Anm. 2) zu entnehmen, dass die Gebühr im Falle der Inanspruchnahme einer Einrichtung oder Anlage durch einzelne Personen oder Personengruppen erhoben wird. Sie regelt hingegen nicht, dass für Einrichtungen oder Anlagen, die überwiegend der Inanspruchnahme durch Personen dienen, Gebühren erhoben werden müssen. Wollte man die Regelung in diesem Sinne als Muss-Vorschrift verstehen und entnähme man auch dem vergleichbar strukturierten § 8 Abs. 1 KAG eine Pflicht zur Erhebung von Beiträgen, so bestünde für dieselbe Anlage oder Einrichtung zugleich sowohl eine Gebühren- als auch eine Beitragserhebungspflicht. Denn nach beiden Bestimmungen kann ohne weiteres ausgehend von den jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen die Refinanzierung der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Trinkwasserversorgung in die jeweils geregelte Abgabenform einbezogen werden. Ein solches Ergebnis kann nicht gewollt sein. Die Festlegung einer auf die Erhebung bestimmter Abgaben gerichteten Pflicht des Einrichtungsträgers hätte daher eine dahingehend eindeutige und klare Bestimmung erfordert. Dies gilt umso mehr, als allgemein anerkannt ist, dass dem Ortsgesetzgeber bzw. Zweckverband bei abgabenrechtlichen Regelungen ein weitgehender Gestaltungsspielraum zusteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris).

61

Auch die Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 1 KAG 1993 erlaubt nicht den Schluss auf eine Verpflichtung des Abgabenberechtigten zur Erhebung von Beiträgen. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung zu dieser Bestimmung (LT-Drs. 1/2558) heißt es zwar, dass Beiträge zu erheben seien sowohl für die Herstellung, den Aus- und Umbau sowie für die Verbesserung, Erweiterung und Erneuerung von Straßen als auch für Maßnahmen der Abwasserbeseitigung (S. 25). An anderer Stelle der Begründung (a.a.O., S. 26) heißt es dann aber, dass öffentliche Einrichtungen und Anlagen (z.B. Abwasserbeseitigung, Wasserversorgung) Gegenstand der Maßnahmen seien, die eine Beitragspflicht auslösen „können“. Der bei Siemers (a.a.O., § 6, Anm. 5.4.2.2) wiedergegebenen Stellungnahme des Innenministeriums (Ausschussdrucksache 1/34) kann entnommen werden, dass es mit der Schaffung von § 8 Abs. 1 KAG 1993 (vgl. § 8 Abs. 1 KAG 1991 „können“) darum ging zu verhindern, dass den Kommunen auch bei Straßenbaubeiträgen (Ausbaubeiträgen) ein Wahlrecht zustehen würde, wenn das Gesetz den Begriff „können“ enthielte. Bei Straßenbaubeiträgen würde eine Gebührenerhebung ausscheiden und daher bestand die Befürchtung, dass bei einem Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen überhaupt keine Refinanzierung durch spezielle Entgelte stattfinden könnte. Es sollte für die Refinanzierung von Straßenausbaumaßnahmen der gleiche rechtliche Zustand geschaffen werden wie er nach den Bestimmungen des Baugesetzbuches für Erschließungsbeiträge bestehe, wonach die Gemeinden zur Erhebung verpflichtet seien. Dass der Gesetzgeber allgemein das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung hatte regeln wollen, ist damit an keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens festzumachen. Vielmehr drängt sich die Annahme auf, dass allein verhindert werden sollte, durch eine Erhebungsfreistellung bei Straßenausbaumaßnahmen Finanzierungsausfälle zu verursachen.

62

Ebenfalls gegen eine aus § 8 Abs. 1 KAG 1993 folgende Pflicht zur Erhebung von Beiträgen spricht, dass es den kommunalen Einrichtungsträgern freistand, anstelle von öffentlich-rechtlichen Beiträgen oder Gebühren privatrechtliche Entgelte zu erheben. Diese nunmehr ausdrücklich auch für das Verhältnis zu Beiträgen in § 1 Abs. 3 KAG M-V geregelte Refinanzierungsalternative hat ebenso unter Geltung des Kommunalabgabengesetzes vor der Novellierung im Jahre 2005 bestanden (vgl. Siemers, a.a.O., § 6, Anm. 4.7; vgl. auch Brüning, Kombination und Surrogation öffentlich-rechtlicher Abgaben und privatrechtlicher Entgelte in der kommunalen Ent- und Versorgungswirtschaft, KStZ 2004, 181 ff.). Zwar ist in § 6 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz KAG 1993 ausdrücklich nur die Erhebung von Benutzungsgebühren unter den Vorbehalt gestellt worden, dass nicht ein privatrechtliches Entgelt erhoben wird. Dieser Vorbehalt galt jedoch auch für das Verhältnis zur Beitragserhebung. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3 KAG M-V heißt es, dass diese Vorschrift Zweifel (vgl. dazu OVG Lüneburg, Urt. v. 25.06.1997 – 9 K 5855/95 –, NVwZ 1999, 566) daran ausräumen sollte, dass – wie im Übrigen für den überwiegenden Teil der Wasserversorgungseinrichtungen und verschiedene kommunale Abwasserentsorgungseinrichtungen tatsächlich bereits gehandhabt (s. dazu die Anlage zu dem Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652) – auch anstelle von Beiträgen privatrechtliche Entgelte erhoben werden konnten. Dies steht im Einklang mit der der Kommune grundsätzlich zustehenden Formenwahlfreiheit hinsichtlich der Regelung der Benutzungsverhältnisse ihrer öffentlichen Einrichtungen. Diese Wahlfreiheit ermöglicht eine privatrechtliche Ausgestaltung, etwa auch eine privatrechtliche Entgeltregelung, immer dann, wenn diese nicht durch kommunalrechtliche Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 06.04.2005 – 8 CN 1.04 –, juris, Rn. 27). Solche Ausschlussvorschriften sah das Kommunalabgabengesetz vor der Novellierung im Jahr 2005 ebenso wenig vor wie in der nunmehr geltenden Fassung.

63

Den Bestimmungen des § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 und des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 kann letztlich entnommen werden, dass der Gesetzgeber diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen wollte, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Nach seinen finanzpolitischen Vorstellungen soll der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, also billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich dem Steueraufkommen, gedeckt werden, sondern von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist (vgl. Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 4.1). Diese Zweckbestimmung der Vorschriften des KAG 1993 fand ihre Entsprechung in den kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen des § 44 Abs. 1 und 2 KV M-V. Werden nicht zulässigerweise privatrechtliche Entgelte erhoben, haben die Kommunen/Zweckverbände keine Wahlmöglichkeit, die öffentlichen Einrichtungen der Wasserversorgung entweder aus allgemeinen Finanzmitteln/Steuern oder aus Abgaben zu finanzieren. In diesem Sinne kann man von einer Abgabenerhebungspflicht sprechen (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, juris Rn. 27 f. zu Art. 8 Abs. 2 Bay KAG; vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris, Rn. 35). Eine Pflicht zur Beitragserhebung, die die Gebührenerhebung ausgeschlossen hat, bestand jedoch nicht (vgl. im Ergebnis wohl ebenso Siemers, a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.1 und 5.4.2.2; Aussprung, in: KAG M-V, Stand: August 2010, § 9 Anm. 2.1). Vielmehr dienen beide Abgabenarten demselben Ziel, Aufwendungen des Einrichtungsträgers für spezielle Leistungen sachgerecht zu finanzieren (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 – 23 B 97.1108 –, a. a. O.).

64

Schließlich steht der dargestellten Interpretation des Normgefüges des KAG 1993 allgemein und von § 8 Abs. 1 KAG 1993 im Besonderen auch nicht § 44 KV M-V i. V. m. § 161 Abs. 1 KV M-V entgegen. Nach § 44 Abs. 1 KV M-V erhebt die Gemeinde Abgaben nach den gesetzlichen Vorschriften. Sie hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erträge und Einzahlungen, soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Erträge und Einzahlungen nicht ausreichen (Absatz 2). Nach § 44 Abs. 3 KV M-V darf die Gemeinde Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen nur aufnehmen, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Dieser Bestimmung kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nichts Entscheidendes für einen Vorrang der Beitrags- gegenüber der Gebührenfinanzierung entnommen werden.

65

§ 44 Abs. 1 und Abs. 2 KV M-V enthalten für die Abgabenerhebung einen Verweis auf die gesetzlichen Vorschriften und damit auf das Kommunalabgabengesetz. Der Begriff „geboten“ in Absatz 2 Nr. 1 spricht die für Entgelte, u. a. Gebühren und Beiträge bestehenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes an (Schröder, in: Schröder u. a.: Kommunalverfassungsrecht M-V, Stand: Dezember 2010, § 44, Rn. 6.2). § 44 KV M-V selbst enthält sich jeder näheren Regelung zur Frage der Abgabenfinanzierung kommunaler öffentlicher Einrichtungen. Damit ist hinsichtlich der Art und Weise der Refinanzierung des Aufwandes für kommunale Einrichtungen bei richtigem Verständnis des Regelungszusammenhangs das Kommunalabgabengesetz gegenüber § 44 KV M-V das speziellere Gesetz und liegt die Annahme fern, das Verhältnis von Gebühren- und Beitragsfinanzierung im Sinne eines Vorranges einer der Finanzierungsformen gegenüber der anderen wäre bereits durch § 44 Abs. 3 KV M-V vorgegeben bzw. das Normverständnis von § 8 Abs. 1 KAG 1993 wäre von dieser allgemeinen Bestimmung vorgezeichnet. Es spricht nichts dafür, dass für die grundlegende und spezielle Frage des Finanzierungssystems von kommunalen Einrichtungen als einzige abgabenrechtliche Fragestellung und systematisch gegenläufig zu der in § 44 Abs. 1 KV M-V enthaltenen Verweisung auf die (speziellen) gesetzlichen Vorschriften bereits an dieser Stelle das entscheidende Kriterium im Sinne eines Vorrangs der Beitragserhebung festgelegt werden sollte.

66

Dagegen spricht vielmehr, dass das Kommunalabgabengesetz den rechtlichen Rahmen der Gebühren- und Beitragserhebung in detaillierter Form regelt und es unverständlich wäre, wenn der Gesetzgeber das Verhältnis von Gebühren- und Beitragserhebung im Sinne eines Vorranges der einen Finanzierungsform gegenüber der anderen nicht in demselben Spezialgesetz löste, vielmehr hier den Gesichtspunkt des Kreditbedarfs gar nicht anspricht, sondern einer allgemeinen Regelung der Kommunalverfassung überließe, obwohl diese für die fragliche Materie ihrerseits ausdrücklich auf andere „gesetzliche Vorschriften“ verweist. Folglich kann man § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 nicht als „bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten Grundsatzes“ entsprechend der vom Verwaltungsgericht zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vertretenen Rechtsauffassung betrachten.

67

Im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 44 Abs. 3 KV M-V und die sich aus § 8 KAG 1993 für die Frage der Finanzierungsmöglichkeit der Herstellungskosten der öffentlichen Einrichtung der leitungsgebundenen Wasser- und Abwasserversorgung ergebenden Konsequenzen genauer in den Blick zu nehmen: § 44 Abs. 3 KV M-V erlaubt die Kreditaufnahme insbesondere, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich wäre. § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG 1993 sah vor, dass die sachliche Beitragspflicht abgesehen von Sonderfällen mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung oder Anlage entsteht. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 entsteht die sachliche Beitragspflicht im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrages, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. § 8 Abs. 7 Satz 3 KAG 1993 regelte schließlich, dass die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Die Beitragserhebung sah mithin im Grundsatz vor, dass überhaupt erst einmal eine Einrichtung geschaffen worden sein musste, an die ein Grundstück angeschlossen werden konnte. Die Investitionen für die Herstellung müssen also schon – im Wesentlichen – getätigt sein, bevor eine Beitragserhebung erfolgen darf. Der Zeitpunkt einer möglichen Beitragserhebung verschiebt sich auf der Zeitachse noch weiter nach hinten, wenn es zunächst – wie es in der Vergangenheit häufig der Fall gewesen ist – an einer wirksamen Satzung fehlt, und nochmals weiter, wenn der Ortsgesetzgeber von der Möglichkeit der Bestimmung eines späteren Zeitpunkts Gebrauch macht. Eine Finanzierung dieses Herstellungsaufwandes aus Beiträgen ist also in derartigen Fällen – zunächst – nicht möglich im Sinne von § 44 Abs. 3 KV M-V, folglich eine Kreditfinanzierung ohne weiteres erlaubt, obwohl die grundsätzliche Möglichkeit der Abgabenfinanzierung durch Beitragserhebung besteht. Wenn aber auch im Falle der Beitragserhebung im erheblichen Umfang eine Kreditfinanzierung notwendig oder jedenfalls rechtlich möglich wird, besteht im Prinzip kein Unterschied zur Refinanzierung durch Gebührenerhebung. Kann hinsichtlich der Notwendigkeit der Kreditaufnahme kein prinzipieller Unterschied zwischen der endgültigen Finanzierung durch Beiträge oder Gebühren festgestellt werden, lässt sich aus § 44 Abs. 3 KV M-V diesbezüglich nichts für ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis entnehmen. § 44 Abs. 3 KV M-V und erst recht den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes lässt sich auch nichts dazu entnehmen, dass eine – theoretisch – geringere oder schneller zurückzuführende Kreditbelastung überhaupt Regelungsgegenstand oder gar ein Kriterium wäre, bestimmte abgabenrechtliche Refinanzierungsmöglichkeiten, die jeweils zu einer vollständigen Refinanzierung der öffentlichen Einrichtung führen, zu bevorzugen (vgl. schon Senatsbeschl. v. 25.05.2009 – 1 M 157/08 –, a.a.O.).

68

§ 44 KV M-V und insbesondere dessen Absatz 3 verfolgen zudem das Ziel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kommunen zu gewährleisten. Kann und wird eine Investition entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen letztlich endgültig aus Abgaben finanziert, ist es aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kommunen bzw. des § 44 Abs. 3 KV M-V aber grundsätzlich ohne Belang, wie eine erforderliche Zwischen- oder Überbrückungsfinanzierung ausgestaltet ist. Belange der Abgabenschuldner sind im Rahmen des § 44 Abs. 3 KV M-V nicht von Bedeutung. Demnach wird insoweit auch das Ermessen des Ortsgesetzgebers nicht eingeschränkt, ob er Beiträge und/oder Gebühren erhebt.

69

Ist nach alledem nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes 1993 eine Wahlfreiheit zwischen der Gebühren- und Beitragserhebung anzunehmen, so steht damit die bisherige Rechtsprechung des Senates und der Verwaltungsgerichte im Einklang, wonach seit jeher eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung für zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt gehalten worden ist (vgl. nur Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Die innere Rechtfertigung für die Zulässigkeit eines nur teilweisen Deckungsgrades kann nur in der bestehenden Wahlfreiheit zwischen der Refinanzierung durch Gebühren oder durch Beiträge liegen. Mit einer Beitragserhebungspflicht wäre eine gemischte Finanzierung des Herstellungsaufwandes in Form einer nur teilweisen Deckung des Aufwandes durch Beiträge nicht vereinbar.

70

Die Wahlmöglichkeit, – abgesehen von der Erhebung privatrechtlicher Entgelte – entweder nur Beiträge oder nur Gebühren oder Gebühren und Beiträge zu erheben, begegnet grundsätzlich auch unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG keinen Bedenken: Es macht unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit keinen erheblichen Unterschied, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris).

71

b) Regelte demgemäß das Kommunalabgabengesetz von 1993 keine Beitragserhebungspflicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne, dass Beiträge vorrangig gegenüber Gebühren zu erheben gewesen wären, sondern bestand danach vielmehr grundsätzlich eine Wahlfreiheit der Einrichtungs- und Versorgungsträger hinsichtlich der Art der Finanzierung des Herstellungsaufwandes, kann dies nicht ohne Bedeutung für das Verständnis der Neufassung, die Frage einer Beitragserhebungspflicht nach dessen Bestimmungen und die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bleiben.

72

Der Gesetzgeber fand im Jahr 2005 entstehungsgeschichtlich betrachtet eine Situation vor, in der sich auf der Grundlage des vorhergehenden KAG 1993 bereits alle Träger von Trinkwasserversorgungseinrichtungen (oder Abwasserentsorgungseinrichtungen) im Rahmen ihrer Wahlfreiheit nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen für ein bestimmtes Refinanzierungssystem entschieden hatten bzw. entschieden haben mussten. Der Gesetzgeber stand gerade nicht – mehr – vor der Notwendigkeit, erstmalig solche Refinanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen bzw. erstmalig im Sinne einer „Geburtsstunde“ hierfür gesetzliche Vorgaben zu regeln. Danach liegt es auf der Hand, dass eine gesetzliche Neuregelung im Bereich der Refinanzierung der leitungsgebundenen Einrichtungen zukunftsorientiert war bzw. nur zukunftsorientiert sein konnte. Nach Überzeugung des Senats verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber des Jahres 2005 habe die über viele Jahre auf der Grundlage der bisherigen gesetzlichen Regelungen gewachsenen Refinanzierungsstrukturen im Lande einer grundsätzlichen Revision unterziehen, die von zahlreichen Versorgungsträgern insbesondere im Trinkwasserbereich (vgl. zur geringen Zahl der Versorgungsträger, die jemals Anschlussbeiträge im Bereich der Trinkwasserversorgung erhoben haben, den Bericht der Landesregierung zur Erhebung von Anschlussbeiträgen gemäß §§ 7 und 9 KAG M-V für die zentrale Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, LT-Drs. 5/1652, S. 2 ff. sowie die entsprechende Anlage) gewählte Refinanzierungsform – mit unabsehbaren bzw. gesetzlich nicht aufgefangenen Folgen – „über den Haufen werfen“ bzw. zahlreiche Versorgungsträger wieder in „die Stunde Null“ zurückversetzen wollen. Hierfür bestand keinerlei Notwendigkeit oder Anlass; im Gegenteil erschiene die Annahme eines entsprechenden gesetzgeberischen Willens – auch unter dem Blickwinkel der Rechtssicherheit – abwegig.

73

Dies bestätigt auch die Bestimmung des § 22 Abs. 2 KAG M-V, deren Satz 1 bestimmt, dass Satzungen, die aufgrund des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993, geändert durch Art. 27 des Gesetzes vom 22. November 2001 gültig erlassen worden sind, weiterhin in Kraft bleiben. Dies gilt folglich auch für das in ihnen geregelte Finanzierungssystem. § 22 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V regelt darüber hinaus (nur), dass die betreffenden Satzungen bis zum 1. Januar 2007 dem geänderten Recht anzupassen sind. Von der „Anpassung“ einer bestehenden Satzung könnte aber im Wortsinne keine Rede mehr sein, wollte man annehmen, diejenigen Versorgungsträger, die sich unter der Geltung des KAG 1993 für eine (reine) Gebührenfinanzierung ihres Herstellungsaufwandes für ihre öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen entschieden hatten, wären bis zu dem genannten Datum etwa mit Blick auf § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V verpflichtet, ein System der Beitragsfinanzierung – erstmalig – zu installieren. Dabei handelte es sich nicht um eine „Anpassung“ einer bestehenden Satzung, sondern um eine in ihrem Kern bzw. hinsichtlich der Grundentscheidung für eine bestimmte Finanzierungsform „andere“ bzw. gänzlich „neue“ Satzung.

74

Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass dem Gesetzgeber die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes, die ohne weiteres seit jeher eine Finanzierung des Herstellungsaufwandes gleichzeitig sowohl über Beiträge als auch Gebühren zuließ (vgl. etwa OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris; Beschl. v. 05.02.2004 – 1 M 256/03 –, juris; OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; vgl. auch Beschl. v. 15.07.2003 – 1 M 60/03 –, juris; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris), bekannt war (vgl. auch die Hinweise von Aussprung im Rahmen der öffentlichen Anhörung, LT-Drs. 4/1576, S. 69), und nichts dafür ersichtlich ist, dass er dieser Rechtsprechung ein Ende bereiten wollte. Für eine Widersprüche vermeidende Auslegung der Neuregelung des KAG M-V bleibt damit nur das vorstehende Verständnis, dass es bei der grundsätzlichen Wahlfreiheit bleiben sollte.

75

c) Damit ergibt sich zwanglos und naheliegend, dass die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bzw. die in ihr enthaltene „Soll-Bestimmung“ die auf der Basis des KAG 1993 geschaffenen Finanzierungsstrukturen unberührt lassen sollte und wollte. Unter Zugrundelegung dieses Normverständnisses verbleibt folgender Regelungs- und Anwendungsbereich der Norm:

76

§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist dahingehend zu verstehen, dass damit nicht die Situation der „Stunde Null“, also des Moments der erstmaligen rechtswirksamen Entscheidung eines Entsorgungsträgers für ein bestimmtes Refinanzierungssystem, erfasst werden soll oder der Gesetzgeber die in dieser Situation grundsätzlich bestehende Wahlfreiheit des Ortsgesetzgebers bzw. des Norm setzenden Organs einengen wollte. Ihr unmittelbares Regelungsziel besteht vielmehr darin, (nur) in den Fällen, in denen sich ein Versorgungsträger in der Vergangenheit bereits rechtswirksam für eine Beitragsfinanzierung entschieden hatte, zukunftsgerichtet die Möglichkeit, von diesem Refinanzierungsmodell zu Gunsten eines anderen Systems wieder abzurücken, zwar nicht vollständig, aber doch weitgehend nach Maßgabe einer Soll-Bestimmung in der Regel auszuschließen bzw. weitgehend einzuschränken. Sie regelt gerade den Fall des „echten“ Systemwechsels, der dadurch charakterisiert ist, dass ein Versorgungsträger ein bestehendes System rechtswirksamer bzw. rechtmäßiger Beitragsfinanzierung seines Herstellungsaufwandes durch eine Gebührenfinanzierung oder anderweitige Finanzierungsform (privatrechtliche Entgelte) ablösen will.

77

Nicht erfasst ist demgegenüber der Fall, in dem es einem Versorgungsträger nicht gelungen ist, überhaupt eine rechtswirksame Refinanzierung zu schaffen, er sich also nach wie vor oder wiederum in dem Sinne in der Situation der „Stunde Null“ findet, als er erstmals eine rechtswirksame Entscheidung darüber zu treffen hat, wie er grundsätzlich die in seiner Trägerschaft befindliche Anlage refinanzieren will.

78

In dieses Bild fügt sich ebenfalls zwanglos die Senatsrechtsprechung (vgl. Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris) zur Nacherhebungspflicht im Falle einer rechtswirksam bestehenden Beitragssatzung ein, wonach das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft besteht, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass ein wirksam entstandener Anschlussbeitragsanspruch voll ausgeschöpft wird.

79

d) Ebenso können, wie die Ausführungen zur Rechtslage nach dem KAG 1993 gezeigt haben, die Regelungen bzw. das Normgefüge des KAG M-V im Übrigen ohne weiteres und in sich stimmig dahingehend ausgelegt werden, dass Gebührenerhebung und Beitragserhebung im Falle der – aus welchen Gründen auch immer – erstmalig zu treffenden Entscheidung für das Finanzierungssystem grundsätzlich „gleichberechtigt“ als Refinanzierungsinstrumente neben einander stehen und es der allgemein anerkannten weitgehenden Gestaltungsfreiheit des normsetzungsbefugten Aufgabenträgers bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts unterliegt, welches Instrument er zur Finanzierung des Investitions- bzw. Herstellungsaufwandes einer konkreten Versorgungseinrichtung wählt; aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgt nichts Abweichendes, die vorstehenden Erwägungen gelten mit Blick auf die Regelungen des § 9 KAG M-V entsprechend.

80

Nach wie vor enthält das Kommunalabgabengesetz M-V keine Bestimmung, die ausdrücklich ein Vorrang/Nachrang-Verhältnis von Gebühren und Beiträgen zueinander für den Fall vorsehen würde, dass beide Abgabenformen tatbestandlich gleichermaßen als Finanzierungsinstrument in Betracht kommen.

81

Auch § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sieht weiterhin vor, dass „Benutzungsgebühren zu erheben sind“. Nach wie vor enthält § 6 KAG M-V Bestimmungen (vgl. Abs. 2d, Abs. 3), die ausdrücklich die Wasserversorgungseinrichtungen zum Gegenstand haben, ohne eine ausdrückliche Einschränkung dahingehend vorzunehmen, dass ihre Herstellungskosten grundsätzlich nicht durch Gebühren finanziert werden dürften. Im Gegenteil werden in § 6 Abs. 2a Satz 4 und Abs. 2b Satz 1 KAG M-V nunmehr Herstellungswerte und Herstellungskosten sogar ausdrücklich erwähnt, ohne dass der Gesetzgeber klarstellend eine Einschränkung geregelt hätte, die die Finanzierung des Herstellungsaufwandes aus Benutzungsgebühren in irgendeiner Form einschränken würde.

82

Kommt damit tatbestandlich eine Finanzierung sowohl über Gebühren als auch Beiträge in Betracht, verhielte es sich nunmehr sogar so, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Muss-Vorschrift „stärker“ formuliert ist als die Soll-Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V.

83

Beide Regelungen können – wie § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 – als „Muss-Vorschriften“ in einem weiteren Sinne dergestalt begriffen werden, dass auch der Gesetzgeber des KAG M-V diejenigen zur Deckung des Aufwandes für eine öffentliche Einrichtung heranziehen will, denen aus ihr bzw. ihrer Inanspruchnahme ein – unterschiedlich definierter – Vorteil erwächst. Der Sonderaufwand für die kommunalen öffentlichen Versorgungseinrichtungen, die dem Vorteil oder den Bedürfnissen einzelner oder bestimmter Gruppen dienen, darf billigerweise nicht aus allgemeinen Finanzmitteln, letztlich also aus dem Steueraufkommen gedeckt werden, sondern muss von denen aufgebracht werden, denen nach dem Veranlassungs- oder Vorteilsprinzip dieser besondere Aufwand speziell zuzurechnen ist. Daraus folgt, dass nach wie vor keine Wahlmöglichkeit dahingehend besteht, die öffentlichen Einrichtungen etwa der Wasserversorgung aus allgemeinen Finanzmittel/Steuern oder aus Abgaben (alternativ: privatrechtlichen Entgelten, vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V) zu finanzieren: Die Refinanzierungmuss vielmehr über die Erhebung von Abgaben (oder privatrechtliche Entgelte) erfolgen. Dass es unter dem Gesichtspunkt der Abgabengerechtigkeit – Art. 3 Abs. 1 GG – keinen erheblichen Unterschied macht, wenn der Investitionsaufwand über Beiträge oder über Benutzungsgebühren finanziert wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, SächsVBl. 2006, 163 – zitiert nach juris), wurde bereits erläutert, ebenso, dass sich diese Betrachtungsweise nahtlos in das Bild einer weitgehenden Gestaltungsfreiheit des Ortsgesetzgebers/normsetzungsbefugten Zweckverbandes bei abgabenrechtlichen Regelungen des Satzungsrechts einfügt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.02.2006 – 8 BN 3.05 –, a. a. O.; Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76 – zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, - K 18/97 -, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris; OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –).

84

Dagegen, dass der Gesetzgeber mit dem Kommunalabgabengesetz 2005 erstmalig eine Beitragserhebungspflicht im Sinne der angefochtenen Entscheidung normieren wollte, spricht zudem ganz maßgeblich die Bestimmung des § 1 Abs. 3 KAG M-V. Nach § 1 Abs. 3 KAG M-V bleibt die Befugnis der in den Absätzen 1 und 2 genannten kommunalen Körperschaften, für ihre öffentlichen Einrichtungen Benutzungs- oder Entgeltregelungen in privatrechtlicher Form zu treffen, unberührt. Die Bestimmung fand – wie ausgeführt – zuvor nur eine teilweise Entsprechung in § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 („soweit nicht ein privatrechtliches Entgelt gefordert wird“). Nach Maßgabe der Begründung des insoweit unverändert Gesetz gewordenen Gesetzentwurfs der Landesregierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es den kommunalen Körperschaften grundsätzlich freigestellt sei, ob sie die Benutzung und die Entgelte ihrer öffentlichen Einrichtungen durch Satzung (öffentlich-rechtlich) oder privatrechtlich regeln. Der Gesetzgeber hat darauf reagiert, dass Zweifel daran geäußert worden seien (siehe dazu oben), ob das auch im Verhältnis zu den Anschlussbeiträgen gelte, weil in § 8 KAG 1993 eine mit § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 vergleichbare Regelung gefehlt habe. Mit der Neuregelung in § 1 Abs. 3 KAG M-V, die damit alle hierfür in Frage kommenden Entgeltabgaben (Benutzungsgebühren, Anschlussbeiträge, Erstattungen für Haus- und Grundstücksanschlüsse) erfasse, würden diese Zweifel ausgeräumt (vgl. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, LT-Drs. 4/1307, S. 24, zu Nr. 2b - § 1 Abs. 3). Wenn der Gesetzgeber den kommunalen Körperschaften damit aber ausdrücklich auch für die Erhebung von Anschlussbeiträgen die freie Wahl überlässt, sich anstelle einer Abgaben- bzw. Beitragsfinanzierung ihrer Einrichtungen für ein privatrechtliches Entgelt- bzw. Finanzierungssystem zu entscheiden, wäre es unverständlich, wenn im Rahmen der Finanzierungsoptionen nach dem KAG M-V demgegenüber eine grundsätzlich freie Wahl im hier entwickelten Sinne zwischen Gebühren- und/oder Beitragsfinanzierung ausgeschlossen sein sollte.

85

Gegenteiliges folgt im Übrigen auch nicht aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts (Urt. v. 31.05.2005 – 4 KO 1499/04 –, LKV 2006, 178). Diese bezieht sich zum einen auf das dortige Landesrecht. Zum anderen betrifft sie die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen, die gerade nicht durch eine Gebührenfinanzierung ersetzt werden kann, und damit einen anderen Sachverhalt.

86

e) Das hier zugrunde gelegte Normverständnis insbesondere des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht auch zwanglos in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung beider Verwaltungsgerichte – auch des Verwaltungsgerichts Greifswald, wie in der angefochtenen Entscheidung noch einmal betont – und des Oberverwaltungsgerichts (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 21.03.2007 – 1 L 282/05 –; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, NordÖR 1998, 256 – zitiert nach juris), nach der seit jeher eine gemischte Refinanzierung leitungsgebundener Einrichtungen aus Beiträgen und Gebühren zulässig sein sollte und das ortsgesetzgeberische Ermessen u. a. eine gerichtlich nur beschränkt überprüfbare Entscheidung der Frage beinhaltet, „welcher Kostendeckungsgrad … durch das Erheben der Gebühren angestrebt wird, welcher Eigenanteil übernommen werden soll… bzw. wie im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen die Aufteilung zwischen Beiträgen und Gebühren erfolgen soll“ (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, 4 K 18/97 –, a.a.O.).

87

f) Demgegenüber vermag die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zum Vorrang der Beitragsfinanzierung nach näheren Maßgaben nicht zu überzeugen: Soweit sich diese Auffassung auf ein bestimmtes Verständnis des § 44 Abs. 3 KV M-V im Verhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezieht, kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.

88

Die Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll im Übrigen unter systematischem Rückgriff auf § 44 Abs. 3 KAG M-V nach Auffassung des Verwaltungsgerichts darin bestehen, dass das Gesetz mit dieser Regelung eine Kreditfinanzierung der Herstellungskosten insbesondere der Trinkwasserversorgungsanlagen ausschließen oder doch wenigstens auf das unabdingbare Maß reduzieren wolle, die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen müsse. Das anknüpfend an diese Zweckbestimmung vom Verwaltungsgericht entwickelte System von erforderlichem Deckungsgrad durch Beitragsfinanzierung, Regel und zulässiger bzw. unzulässiger Ausnahme überzeugt auch abgesehen von der Frage der zulässigen Anknüpfung an § 44 Abs. 3 KV M-V nicht.

89

Das Verwaltungsgericht begründet nicht, warum es § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als „bereichspezifische Ausprägung“ des § 44 Abs. 3 KV M-V von seinem Standpunkt aus grundsätzlich überhaupt erlauben sollte, die Trinkwasserversorgungsanlagen auch nur anteilig über Gebühren zu refinanzieren, da dies in jedem Fall nach Maßgabe seiner Argumentation gegenüber einer Beitragserhebung einen höheren Kreditbedarf auslösen würde. Im Verständnis einer Sollvorschrift im verwaltungsrechtlichen Sinne (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris; Urt. v. 26.03.2009 – 2 C 46.08 –, juris; Urt. v. 02.07.1992 – 5 C 39.90 –, BVerwGE 90, 275 – zitiert nach juris; Beschl. v. 03.12.2009 – 9 B 79.09 –, juris; Urt. v. 22.11.2005 – 1 C 18.04 –, BVerwGE 124, 326 – zitiert nach juris; Urt. v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 –, juris) „muss“ aber der Einrichtungsträger im Regelfall zur Refinanzierung Beiträge erheben. Gerade der vom Verwaltungsgericht herangezogene § 44 Abs. 3 KV M-V böte jedenfalls keine argumentativen Anhaltspunkte dafür, dass „ein wenig“ Gebührenfinanzierung bzw. „ein wenig mehr“ Kreditbedarf mit der gesetzlichen Regel bzw. regelmäßigen Finanzierungsform der Beitragserhebung vereinbar wäre oder dieser entspräche.

90

Mit Blick auf den Charakter des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V als Soll-Vorschrift bleibt in den Ausführungen des Verwaltungsgerichts regelungssystematisch unklar, warum eine Refinanzierung über Gebühren im Umfang von etwa 30 % der Herstellungskosten bzw. eine Kostendeckung von nur etwa 70 % der Herstellungskosten „voraussetzungslos“ zulässig bzw. nicht als Ausnahme von der Regel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu qualifizieren wäre, die das Vorliegen atypischer Umstände erforderte. Soweit das Verwaltungsgericht dazu auf das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (DVBl. 2005, 64) verweist, ersetzt dies keine Begründung aus dem Gesetz. Dies gilt umso mehr, als der Senat – woran festzuhalten ist – bereits in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – (NordÖR 2010, 299) dazu folgendes ausgeführt hat:

91

„Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die - wesentlich mit entscheidungstragenden - Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts den Eindruck erwecken, das OVG Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Urteil vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 - (a.a.O.) im Kontext des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG (M-V) eine Mindestgrenze für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge dergestalt festgelegt, dass ein Deckungsgrad von 70 % oder mehr angestrebt werde bzw. anzustreben sei und jedenfalls ein solcher Deckungsgrad "voraussetzungslos" zulässig sei. Derartige Aussagen, die diese und die daran anknüpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts stützen könnten, lassen sich diesem in Bezug genommenen Urteil jedoch nicht entnehmen. Zwar ist in dem Urteil der Gesichtspunkt des Deckungsgrades angesprochen, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang: In dem dortigen Verfahren ging es ausschließlich um die Frage, ob die sich aus einem Schreibfehler in der Kalkulation ergebende geringfügige Verschiebung des tatsächlichen Deckungsgrades durch Beiträge (71,24 %) gegenüber dem beschlossen Deckungsgrad von 70,01 % unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln einen beachtlichen Mangel der angegriffenen Satzung begründet habe (dort verneint). Mit dem erforderlichen Maß der beitragsfinanzierten Deckung befasst sich das Urteil demgegenüber nicht; es enthält - mangels diesbezüglicher Rügen - keine näheren Erwägungen hierzu. Allenfalls kann man der Entscheidung entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht den beschlossenen bzw. tatsächlichen Deckungsgrad nicht in einer Weise für offensichtlich problematisch erachtet hat, die eine nähere Auseinandersetzung erfordert hätte.

92

Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte "kritische Grenze" einer Kreditquote von etwa 1/3 bzw. 30 % findet demzufolge in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern keine Rechtfertigung. Das Verwaltungsgericht nennt auch keine rechtliche Grundlage, die - zumal nach dem Prüfungsmaßstab des summarischen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes - eine solche Grenzziehung erlaubte; insoweit wäre im Hinblick auf die Annahme einer solchen "Kreditquote" der Rahmen einer zulässigen richterlichen Rechtsauslegung bzw. Rechtsfortbildung zu bedenken. …“

93

Ebenfalls lässt das Verwaltungsgericht offen, was im Falle eines gebührenfinanzierten Anteils an den Herstellungskosten von 49 % bis 31 % gelten soll. Lediglich eine „vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung“ von Maßnahmen im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V soll nach seinen Ausführungen nämlich auf atypische Fälle beschränkt bleiben, wobei von „überwiegender“ Gebührenfinanzierung wohl begrifflich erst bei einem Prozentsatz von 51 % und mehr ausgegangen werden könnte.

94

Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts dazu, wann eine Ausnahme von der Sollvorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zulässig sei, erscheint nicht schlüssig: Eine an deren Regelungsziel orientierte Ausnahme sei danach immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa einem Drittel der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. In diesem Fall sei es „nicht einsehbar“, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein solle, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels sei bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote sei maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 Prozent anzustreben; vielmehr sei ein Deckungsgrad von nur 70 % nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG M-V „voraussetzungslos“ zulässig. Damit werde akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 % der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolge und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen könne, wobei diese Quote nicht als feste Grenze sondern als Richtwert zu verstehen sei.

95

Da diese Argumentation wiederum an die vorstehend schon erörterte Entscheidung des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 – 4 K 38/02 – (a. a. O.) anknüpft bzw. auf dieser beruht, kann zunächst auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. Darüber hinaus stellte der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt einen Regelfall und nicht einen atypischen Fall dar, da dieser vom Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im Sinne der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Zweckbestimmung erfasst wäre und in wesentlichen Grundzügen mit den zu regelnden Fällen übereinstimmte. Dieser Zweckbestimmung wird das Verwaltungsgericht mit der von ihm für zulässig erachteten Ausnahme nicht durch die bloße Aussage gerecht, „es sei nicht einsehbar“, warum in dem von ihm gebildeten Fall eine Kreditfinanzierung unzulässig sein sollte. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit es sich bei der vom Verwaltungsgericht erörterten Sachverhaltskonstellation um einen für den Normgeber unvorhersehbaren Ausnahmefall handeln könnte. Die Grenzziehungen, die das Verwaltungsgericht hinsichtlich erforderlichem Deckungsgrad und zulässiger Finanzierungsquote vornimmt, hätte der Gesetzgeber ohne weiteres im Kommunalabgabengesetz entsprechend regeln können, wenn er es denn gewollt hätte. Im Übrigen ist der vom Verwaltungsgericht entwickelte Fall schwer vorstellbar: An welches – zweckfreie – Eigenkapital zu denken wäre, bleibt hinsichtlich seiner Quelle unklar. Gleiches gilt für den Zusammenhang zwischen Eigenkapitalausstattung und Kreditbedarf für die Herstellungskosten, wenn doch nach den gesetzlichen Bestimmungen die Herstellungskosten von den Bevorteilten zu tragen und nicht, auch nicht teilweise, aus irgendwelchem Eigenkapital zu finanzieren sind (aus welchen Gründen auch immer solches ohne Zweckbindung vorhanden sein sollte). Eigenkapital aus Beiträgen kann nicht gemeint sein, da dann die eingesetzten Beiträge wiederum ihrerseits mit Krediten ersetzt werden müssten. Außerdem hieße das, dass erst Beiträge in der vom Verwaltungsgericht für erforderlich erachteten Höhe eingenommen worden sein müssten, bevor eine Gebührenerhebung zulässig würde. Es geht aber bei der Frage des zulässigen Finanzierungssystems gerade darum, ob die Refinanzierung von Anfang an auch aus Gebühren erfolgen kann. Auch Zuschüsse können nicht gemeint sein. Diese sind im Falle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG M-V nicht dazu da, Gebühren oder Beiträge vorzufinanzieren, sondern vermindern neben diesen den Kreditbedarf. Anderenfalls müssten die Zuschüsse ihrerseits durch Kredite zeitweise substituiert werden, was wiederum nicht mit der Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts vereinbar wäre. Zuschüsse im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 5, 6 KAG M-V können ebenfalls nicht gemeint sein, da sie per definitionem zweckgebunden sind.

96

g) § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V steht mit seinem vorstehend erläuterten Regelungsgehalt der vorliegend zu überprüfenden Entscheidung des Zweckverbandes Wasserversorgung, gemäß § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 – nach Maßgabe näherer Ausformung in der Satzung – eine reine Gebührenfinanzierung umzusetzen, nicht entgegen. Der Zweckverband befand sich zum Zeitpunkt der Entscheidung für dieses Finanzierungssystem in einer Situation, in der er sich auf die grundsätzliche Wahlfreiheit hinsichtlich der Art der Finanzierung seines Herstellungsaufwandes für die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung berufen konnte bzw. kann. Denn der Zweckverband verfügt weder aktuell über eine rechtwirksame Beitragssatzung, noch konnte er sich in der Vergangenheit auf eine solche stützen; auf das Vorliegen atypischer Umstände, die ein Abweichen von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V rechtfertigen könnten, kommt es folglich nicht an.

97

Die Satzung des Zweckverbandes „Wasserversorgung “ über die Erhebung von Anschlussbeiträgen und Kostenerstattungen für die Wasserversorgung – Wasserversorgungsbeitragssatzung – vom 09. Oktober 2002 (nachfolgend: WBS 2002) i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 18. Juni 2004, die in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen „zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen“ vorgeschrieben hat, ist – unabhängig von der Frage ihrer in zeitlicher Hinsicht nur teilweisen Aufhebung gemäß Aufhebungssatzung vom 03. September 2008 – unwirksam gewesen (vgl. dazu, dass im Übrigen alle früheren Wasserversorgungsbeitragssatzungen unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, bereits den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, unter Hinweis auf sein Urt. v. 31.08.2005 – 3 A 3684/04 und entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Die in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 geregelte Tiefenbegrenzungsregelung hat sich zwischenzeitlich als unwirksam erwiesen, was für entsprechende Vorläuferbestimmungen in gleicher Weise anzunehmen ist. Nach dieser Bestimmung gilt als beitragsfähige Grundstücksfläche bei Grundstücken, die (in Bezug auf ihre Tiefe) teils dem Innenbereich und im Übrigen dem Außenbereich zuzuordnen sind, oder bei denen (hinsichtlich ihrer Tiefe) fraglich sein kann, ob sie insgesamt dem Innenbereich zugeordnet werden können, die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen; bei Grundstücken, die nicht an eine Straße angrenzen oder nur durch einen zum Grundstück gehörenden Weg (oder durch Wegerecht über dritte Grundstücke) mit einer Straße verbunden sind (Hinterliegergrundstücke), die Fläche zwischen der der Straße abgewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen.

98

Diese sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzungsregelung genügt nicht den Anforderungen, die an eine solche Regelung nach Maßgabe höherrangigen Rechts und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu stellen sind. Danach gilt:

99

Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht grundsätzlich zulässig. Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG M-V). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden. Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem – wie in § 3 Abs. 2 WBS 2002 geregelten – kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen. Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise – höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie. Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt – wenn eine solche ermittelbar ist – die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar. Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht. Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren. Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu. Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln. Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden. Das Gericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Urt. v. 14.09.2010 – 4 K 12/07 – m. w. N.).

100

Der Zweckverband hat nach seinen eigenen Ausführungen, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, die Anforderungen an eine solche sorgfältige, methodenrichtige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet in der Vergangenheit nicht erfüllt. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, der Festlegung der Tiefenbegrenzung in den Satzungswerken des Zweckverbandes habe jedenfalls die vom Oberverwaltungsgericht im Sinne methodisch korrekten Kalkulationsvorgehens verlangte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse/ortsüblichen Bebauungstiefe nebst entsprechender Dokumentation zur Untermauerung der Ermessensentscheidungen auch zur Tiefenbegrenzung von 50 m zu keiner Zeit zu Grunde gelegen. Gezielte bzw. methodische Erhebungen geschweige denn explizite Dokumentationen diesbezüglich, die das Verbandsgebiet insgesamt oder auch nur ermessensrichtig ausgewählte Repräsentativ-Bereiche zum Gegenstand hätten, würden erst jetzt, im Nachgang zum Urteil des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14. September 2010 – 4 K 12/07 –, durchgeführt.

101

Damit fehlt es vorliegend an der für die ordnungsgemäße Ausübung des normgeberischen Ermessens vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung erforderlichen sorgfältigen und willkürfreien Ermittlung der örtlichen Verhältnisse in allen Bereichen des Verbandsgebiets. Die Tiefenbegrenzungsregelung in § 3 Abs. 4 Buchst d) WBS 2002 ist nach dem Vorbringen der Beklagten ausschließlich gestützt auf die sog. „Feuerwehrschlauch-Rechtsprechung“ insbesondere des Verwaltungsgerichts Greifswald und die „profunde persönliche Ortskenntnis“ der Behördenmitarbeiter. Die Festsetzung der Tiefenbegrenzung ist damit offensichtlich willkürlich erfolgt und unwirksam. Diese Unwirksamkeit zieht die Unwirksamkeit der Gesamtsatzung nach sich, weil es dann an einer Maßstabsregelung für Übergangsgrundstücke fehlt und entgegen dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit gleichheitswidrig nicht alle Beitragsfälle von der Satzung erfasst würden. Ebenso ist die Festlegung des Beitragssatzes ermessensfehlerhaft, da auf eine nach willkürlichen Kriterien erstellte Kalkulation gestützt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beklagte – unsubstantiiert – vorgetragen hat, nunmehr durchgeführte Untersuchungen würden die Tiefenbegrenzung vom 50 m stützen. Selbst wenn dies so wäre, würden sich die Grundlagen für eine Ermessensentscheidung über eine Tiefenbegrenzung inhaltlich in einer Weise verändert haben, die der Schlussfolgerung entgegenstünde, der Fehler sei unbeachtlich, weil mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, die Verbandsversammlung hätte auch auf der veränderten Basis die gleiche Regelung getroffen. Dies gilt umso mehr, als der Verbandsversammlung auf der Grundlage ordnungsgemäß ermittelter ortsüblicher Verhältnisse wiederum Ermessen eingeräumt ist.

102

Dem in diesem Zusammenhang lediglich im Schriftsatz vom 21. März 2011 gestellten Antrag der Klägerin auf „Akteneinsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge im Original zum Erlass aller Wasserversorgungsbeitragssatzungen im Verbandsgebiet nach der Wende, insbesondere für die Satzung vom 09.10.2002“ konnte der Senat schon deshalb nicht nachkommen, weil er solche Akten nicht beigezogen bzw. vorliegen hat. Es bestand im Übrigen auch keine Veranlassung, von Amts wegen im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes etwa die Vorlage weiterer Vorgänge zu fordern, da nach dem Vorbringen des Beklagten, der der prozessualen Wahrheitspflicht unterliegt, entsprechende Verwaltungsunterlagen zur Festlegung der Tiefenbegrenzung gerade nicht existieren (vgl. dazu, dass im Übrigen alle vorhergegangenen Wasserversorgungsbeitragssatzungen auch unwirksam gewesen sind, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG 1993 sog. Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind, den zwischen den Beteiligten ergangenen Beschl. des VG Greifswald v. 27.10.2008 – 3 B 1161/08 –, Der Überblick 2009, S. 40, 46, und im Ergebnis entsprechend den Senatsbeschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04 –, der die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 ebenfalls als erste wirksame Satzung betrachtet hat). Insbesondere mit Blick auf ggf. drohende strafrechtliche Konsequenzen hat das Gericht keine Veranlassung, an der Richtigkeit des Vortrags des Beklagten zu zweifeln, zumal dieser im Bereich der Schmutzwasserbeiträge durchaus negative Konsequenzen für ihn zeitigen kann.

103

2. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Buchst a) WVGS 2008 erweist sich auch nicht aus anderen Gründen wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht als unwirksam, weil sie eine ausschließliche Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes regelt.

104

a) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass aufgrund der zwischenzeitlichen Erkenntnisse zur satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzungsregelung die maßgeblichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 – nicht mehr tragfähig sind. Sie beruhten wesentlich auf der Annahme, dass eine wirksame und nicht rückwirkend aufgehobene Beitragssatzung eine Pflicht zum Behaltenmüssen der vereinnahmten Anschlussbeiträge begründet habe und deren Nichtberücksichtigung im Rahmen der Gebührenkalkulation deshalb fehlerhaft sei. Fehlte jedoch von Anfang an eine wirksame Beitragssatzung, entfällt zugleich die entsprechende Beitragserhebungs- und Behaltenspflicht. Eine Auseinandersetzung mit den ablehnenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem vom Senat eingenommenen Rechtsstandpunkt erübrigt sich damit. Aufgrund der bestandskräftigen Beitragsbescheide kann nur noch von einem „Behalten dürfen“ die Rede sein. Hat aber der Normgeber wie im vorliegenden Fall dann einen „Systemwechsel“ bzw. eine zukünftig reine Gebührenfinanzierung beschlossen und in seiner Gebührenkalkulation bzw. Gebührensatzung die vereinnahmten Beiträge nicht mehr gebührenmindernd berücksichtigt, ist eine Ermessensreduktion dahingehend eingetreten, dass die vereinnahmten Beiträge – mit welcher rechtlichen Konstruktion auch immer – zurückzuzahlen sind.

105

b) Die Wahlfreiheit des Zweckverbandes war auch nicht durch das Kommunalabgabengesetz M-V im Übrigen oder sonstiges höherrangiges Recht beschränkt.

106

Haben Nutzer bereits durch Beiträge zur Finanzierung des Aufwandes einer öffentlichen Einrichtung beigetragen, verstößt die undifferenzierte Erhebung von Gebühren von diesen Nutzern ohne Berücksichtigung ihrer geleisteten Beiträge im Verhältnis zu den übrigen Nutzern gegen das Verbot einer Doppelbelastung (vgl. hierzu ausführlich OVG Greifswald, Beschl. v. 25. Mai 2009 – 1 M 157/08 –; Urt. v. 15.12.2009 – 1 L 323/06 –, juris), den Grundsatz der Abgabengerechtigkeit sowie den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Denn erstere haben im Unterschied zu den übrigen Nutzern mit ihrer auf den Aufwand der Einrichtung bezogenen Leistung wirtschaftlich gesehen Anteile an den Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage erbracht. Zahlt der Einrichtungsträger im Fall einer Umstellung auf eine reine Gebührenfinanzierung die von den Nutzern geleisteten Beiträge nicht zurück, muss er diesen Grundsätzen auf andere Weise (Regelung unterschiedlicher <„gespaltener“> Gebührensätze, Ausgleich durch eine Billigkeitsregelung im Rahmen des Heranziehungsverfahrens ) Rechnung tragen (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 – 8 C 48.81 –, DVBl. 1982, 76; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. 06.06.2007 – 9 A 77.05 –, LKV 2008, 377 – zitiert nach juris).

107

Da der Beklagte eine Rückzahlung vereinnahmter Beiträge im Erlasswege schon weitgehend vorgenommen hat und auch laufend weiter durchführt, sind unter diesem Blickwinkel keine rechtlichen Bedenken gegen die Systemumstellung gegeben. Soweit die Klägerin die Rechtmäßigkeit des Rückzahlungsverfahrens in Frage stellt bzw. auf die Bestandskraft der Beitragsbescheide verweist, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sie insoweit in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Weil sie selbst in der Vergangenheit nicht Adressatin eines Beitragsbescheides geworden ist, scheidet für sie die Annahme einer Doppelbelastung aus.

108

Da der Anteil der vom Beklagten in der Vergangenheit bereits erhobenen Beiträge – ob aus billigenswerten Gründen kann dahingestellt bleiben – im Verhältnis zum voraussichtlichen Gesamtbeitragsvolumen vergleichsweise gering war (6 - 8 %), stellt sich die Systemumstellung im Sinne der erstmaligen Einführung einer Aufwandsfinanzierung ausschließlich über Gebühren gemäß § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 auch im Übrigen als zulässig dar.

109

Dabei erscheint dem Senat folgende Klarstellung geboten: Wenn eine Beitragserhebung schon – bis zu welcher Grenze kann vorliegend offen blieben und wird im Übrigen von den Umständen des Einzelfalles abhängen – erheblich fortgeschritten oder gar nahezu abgeschlossen wäre, würde sich eine Systemumstellung demgegenüber als offensichtlich fehlerhafte bzw. willkürliche Ausübung des ortsgesetzgeberischen Ermessens und eine Überschreitung der Grenzen der für das Normsetzungsorgan geltenden Gestaltungsfreiheit im Abgabenrecht darstellen, selbst wenn sich zu einem späteren Zeitpunkt herausgestellt haben sollte, dass die bisher als Rechtsgrundlage angesehene Beitragssatzung rechtswidrig und unwirksam war. Es wären kaum vernünftige, sachlich einleuchtende Gründe denkbar, die es rechtfertigen könnten, eine bereits in erheblichem Umfang oder weitgehend erfolgte und gelungene Refinanzierung des Herstellungsaufwandes wieder rückgängig zu machen, um eine nochmalige bzw. wiederholte Finanzierung auf anderem Wege vorzunehmen. Dagegen spricht zudem allein schon der erhebliche Verwaltungsaufwand, der dadurch ohne jede Rechtfertigung produziert würde. Die Vereinbarkeit einer solchen Vorgehensweise mit den Grundsätzen einer geordneten Haushaltswirtschaft erschiene ebenfalls kaum vorstellbar, die dadurch bedingte Gebührenerhöhung für die Gebührenschuldner voraussichtlich unzumutbar. Ein Aufgabenträger wäre in dieser Situation gehalten, eine neue Beitragssatzung zu erlassen, die Rechtsgrundlage für die bereits durchgeführte und zukünftig abzuschließende Beitragserhebung werden würde. Der Zweckverband Wasserversorgung stand demgegenüber jedoch faktisch erst „am Anfang“ der Umsetzung seines ursprünglichen Finanzierungssystems, das sich zwischenzeitlich als rechtswidrig herausgestellt hat.

110

Die systemumstellungsbedingte Erhöhung der Zusatzgebühr bewegt sich noch im Rahmen der im Lande Mecklenburg-Vorpommern üblichen Höhe von Trinkwasserverbrauchsgebühren (vgl. den statistischen Bericht des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern „Wasser- und Abwasserentgelte für die öffentliche Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Mecklenburg-Vorpommern 2010“ vom 21.01.2011 unter www.statistik-mv.de), so dass der Senat auch unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Umstellung für die Gebührenschuldner keine durchgreifenden Bedenken gegen die Ermessensentscheidung zur Einführung des reinen Gebührensystems hat. Für die von der Klägerin in der Zukunft befürchteten weiteren umstellungsbedingten erheblichen Gebührensteigerungen gibt es keine substantiellen Anhaltspunkte. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte schon in seinem Schreiben an das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 19. Dezember 2007 eine Erhöhung der Mengengebühr ansteigend bis zum Jahr 2012 um insgesamt ca. 0,50 Euro prognostiziert hatte und damit immer noch in dem genannten Rahmen läge. Die erhebliche zusätzliche Gebührenbelastung für die Klägerin ist letztlich angesichts ihres enormen Wasserverbrauchs vorteilsgerecht. Die Angriffe der Klägerin gegen die Gebührenkalkulation schließlich sind unsubstantiiert geblieben.

111

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

112

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

113

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 27. Oktober 2008 - 3 B 1161/08 - zu Ziffer 1. wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 3.139,29 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit des Umfangs der Heranziehung der Antragstellerin zu Gebühren für den Bezug von Trinkwasser im Monat Januar 2008 für die Verbrauchsstelle der Antragstellerin unter der Anschrift .... .

2

Mit streitgegenständlichem Änderungsbescheid vom 04. März 2008 setzte der Antragsgegner in Abweichung zu seinem vorherigen Bescheid vom 07. Februar 2008 für den Abrechnungszeitraum 01. bis 31. Januar 2008 Wassergebühren in Höhe von 61.986,33 Euro fest. Der Bescheid vom 07. Februar 2008 hatte zuvor für denselben Zeitraum und dieselbe Verbrauchsmenge eine Gebühr von 49.429,16 Euro vorgesehen.

3

Dem Änderungsbescheid vom 04. März 2008 lag eine zwischenzeitliche Veränderung des maßgeblichen Satzungsrechts des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (ZWAR) betreffend die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zugrunde: Ursprünglich sah die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004 in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen vor. Auf entsprechende Anfrage des Senats hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, dass auf dieser rechtlichen Grundlage Trinkwasseranschlussbeiträge im Umfang von rund 5 bis 6 Mio. Euro erhoben worden seien, was ca. 6 bis 8 % des gesamten zu erhebenden Beitragsvolumens entspreche. In annähernd allen offenen Fällen wäre - so der Antragsgegner - bei unterstellter Wirksamkeit der Wasserversorgungsbeitragssatzung mit Ablauf des 31. Dezember 2008 Festsetzungsverjährung eingetreten.

4

Am 28. August 2008 hat die Verbandsversammlung des ZWAR die Satzung des ZWAR zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung (Aufhebungssatzung) beschlossen, die am 03. September 2008 ausgefertigt wurde. Die Aufhebungssatzung enthält zwei Bestimmungen:

5

§ 1
Aufhebung

6

Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002, in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004, wird ersatzlos aufgehoben.

7

§ 2
Inkrafttreten

8

Diese Satzung tritt rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft.

9

In der Beschlussvorlage zur Aufhebungssatzung heißt es u.a.: "Vorgelegt wird ein förmlicher Satzungsbeschluss zur Aufhebung der Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2008".

10

Dem Erlass der Aufhebungssatzung vorausgegangen war ein - von der Kommunalaufsicht wegen seiner Form als ungeeignet zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung bewerteter - einfacher Beschluss der Verbandsversammlung vom 27. Februar 2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. In der Beschlussvorlage dazu hieß es im Wesentlichen, § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V eröffne als "Soll-Regelung" bei Vorliegen einer atypischen Situation die Möglichkeit, auf eine Beitragserhebung zu verzichten und eine reine Gebührenfinanzierung zu installieren. Eine solche atypische Situation werde im Verbandsgebiet gesehen. Insbesondere die unterschiedliche saisonale Auslastung der Wasserversorgungsanlagen und die Heranziehung der überwiegend großen Grundstücke im ländlichen Raum der Insel Rügen zu Beiträgen ließen ein reines Gebührenmodell opportun erscheinen. Durch das Innenministerium sei mit Schreiben vom 24. Januar 2008 bestätigt worden, dass bei Einführung des sogenannten Gebührenmodells keinerlei rechtsaufsichtliche Beanstandungen erfolgen würden.

11

Unter dem 27. Januar 2008 hatte die Verbandsversammlung die Satzung des ZWAR über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung - Wasserversorgungsgebührensatzung (nachfolgend: WVGS) beschlossen, ausgefertigt am 20. März 2008. Auch diese Satzung trat rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft. In § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS heißt es, der ZWAR erhebe nach Maßgabe der Wasserversorgungsgebührensatzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen. Die Zusatzgebühr (auch Mengen- oder Verbrauchsgebühr) beträgt gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 1,77 Euro/cbm. Demgegenüber regelte die Vorläuferbestimmung des § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS 2005 vom 03. November 2005 insoweit einen Gebührensatz von 1,41 Euro/cbm.

12

Den am 28. März 2008 beim Antragsgegner eingegangenen Widerspruch der Antragstellerin gegen den Änderungsbescheid, der u. a. darauf verwies, dass der erhöhte Gebührensatz bei ihr - als Vielfaches der "Anschlussgebühren" - zu jährlichen Mehrkosten in der Größenordnung von 72.000,00 Euro führe, hat dieser mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2008 - zugestellt am 19. Juli 2008 - zurückgewiesen und dabei erklärt, eine weitere Vollziehungsaussetzung werde nicht erfolgen.

13

Dem darauf beschränkten Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der - am 01. August 2008 erhobenen - Klage (Az. 3 A 1156/08 VG Greifswald) gegen den Änderungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides insoweit anzuordnen, als die Festsetzung den Betrag von 49.429,16 Euro übersteigt, hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. Oktober 2008 zu Ziffer 1. stattgegeben.

II.

14

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den ihm am 03. November 2008 zugestellten Beschluss, die mit dem am 07. November 2008 eingegangenen Schriftsatz fristgemäß (§ 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eingelegt und ebenso fristgerecht (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) begründet worden ist, hat im Ergebnis keinen Erfolg.

15

§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen ist. Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen.

16

In Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der gerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe nachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt. Wie sich aus § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 3 VwGO ergibt, können nur solche Gründe in die Prüfung einbezogen werden, die der Beschwerdeführer innerhalb der einmonatigen gesetzlichen Begründungsfrist vorbringt. Nach Ablauf dieser Frist können zwar fristgerecht - dem Darlegungserfordernis genügend - geltend gemachte Gründe vertieft, nicht aber neue Gründe in das Beschwerdeverfahren eingeführt werden. Die Beschwerde bleibt erfolglos, wenn sich die erstinstanzliche Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist und - soweit die entsprechenden Umstände bzw. rechtlichen Überlegungen bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren - den Beteiligten hierzu zuvor rechtliches Gehör gewährt worden ist.

17

1. Dem Verwaltungsgericht ist im Ergebnis darin zuzustimmen, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides bestehen, weil es dem Bescheid an einer gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen wirksamen Rechtsgrundlage jedenfalls insoweit fehlt, als der vorliegend allein streitgegenständliche "Erhöhungsbetrag" von 12.500,00 Euro in Rede steht; insoweit war die Beschwerde zurückzuweisen.

18

Mangels wirksamer Regelung zum Abgabensatz gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V ist die Satzung des ZWAR über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung - Wasserversorgungsgebührensatzung - vom 20. März 2008 (WVGS) unwirksam. Die Bestimmung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 WVGS, wonach die Zusatzgebühr 1,77 Euro beträgt, beruht auf einer methodisch fehlerhaften Kalkulation.

19

Nach Maßgabe der Beschlussvorlage betreffend die Trinkwassergebührenkalkulation 2008 vom 22. Februar 2008 ist "in dieser Kalkulation ... die Nichterhebung von Trinkwasserbeiträgen eingeflossen". Dies kann nur so verstanden werden, dass insbesondere die gemäß der erstinstanzlich vom Antragsgegner übermittelten Übersicht vom 08. September 2008 bis einschließlich 2007 bereits in einem Umfang von ca. 6,5 Mio. Euro erhobenen Trinkwasserbeiträge bei der Kalkulation der Zusatzgebühr, mit der auch der Aufwand für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen ersetzt werden soll, außer Betracht geblieben sind. Dies zeigen die unter den laufenden Nummern 4 und 5 der tabellarischen Übersicht "Gebührenkalkulation Trinkwasser 2008" ausgewiesenen Beträge für "Fördermittel/Zuschüsse/Beiträge per 31.12.2008" und "Fördermittel/Zuschüsse/Beiträge", die deutlich niedriger als die entsprechenden Beträge in der "Zusammenstellung Gebührenkalkulation Trinkwasser 2005 - 2007" unter der dortigen laufenden Nr. 4 sind. Außerdem hat der ZWAR ausweislich des Berichts der B... über die Prüfung des Lageberichts und des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2007 bereits eine Rückstellung für die Rückzahlung der vereinnahmten Trinkwasserbeiträge innerhalb der sonstigen Rückstellungen in Höhe von 6.543.000,00 Euro ausgewiesen. Diese Rückzahlung hat er laut Presseberichten öffentlichkeitswirksam für das Jahr 2009 angekündigt; sie ist allerdings laut Antwort auf eine entsprechende Anfrage des Senats noch nicht ins Werk gesetzt worden. Der Antragsgegner hat zwischenzeitlich ausdrücklich noch einmal bestätigt, dass die Trinkwassergebührenkalkulation dem vollzogenen Systemwechsel gemäß so angelegt sei, als habe es gleichsam nie Trinkwasserbeiträge gegeben; mithin sei insbesondere keinerlei aufwandsmindernde Berücksichtigung vereinnahmter Beiträge erfolgt, da diese ja vollständig an die Berechtigten ausgekehrt werden würden. Diese Nichtberücksichtigung der bis einschließlich 2007 vereinnahmten Trinkwasserbeiträge im Rahmen der Gebührenkalkulation 2008 erweist sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners mit Schriftsätzen vom 19. und 20. Mai 2009 als methodisch fehlerhaft, da auf der Grundlage des derzeitigen Standes des Satzungsrechts rechtlich nicht haltbar.

20

Nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern muss dem normsetzenden Organ, hier der Verbandsversammlung, - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtsetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtsetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können (st. Rspr. des OVG Greifswald, vgl. z.B. Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = juris; Urt. v. 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = LKV 2001, 516 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = FiWi 2002, 251 = Überblick 2001, 249; Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97 -, 1998 NordÖR 1998, 256 = VwRR MO 1998, 227 = KStZ 2000, 12 = NJ 1998, 609 = NVwZ-RR 1999, 144 = ZKF 1999, 111 = GemH 1999, 234 = Überblick 1998, 518; Urt. v. 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, RAnB 1995, 229 = FiWi 1995, 259 = KStZ 1996, 114 = NJ 1995, 448 = MDR 1995, 972 = ZKF 1995, 230 = DVBl. 1995, 1146 = Überblick 1995, 324; ebenso VGH Mannheim, Beschl. v. 29. Oktober 2003 - 2 S 1019/02 -, NVwZ-RR 2004, 286, 289, Urt. v. 04.12.2003 - 2 S 2669/02 -, NVwZ-RR 2004, 293 ff.).

21

Die Ungültigkeit einer Abgabensatzung ist dann anzunehmen, wenn erstens in erheblichem Umfang nicht beitrags- oder gebührenfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder zweitens, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht (OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = juris; Urt. v. 7.11.1996 - 4 K 11/96 -, RAnB 1997, 179 = VwRR MO 1997, 13 = FiWi 1999, 234 = NJ 1997, 280 = ZKF 1997, 157 = DVBl. 1997, 1072 = LKV 1997, 422 = Überblick 1997, 298). Die Ungültigkeit eines Abgabensatzes tritt als zwingende Folge immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan ansonsten ein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = juris; Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97 -, NordÖR 1998, 256 = VwRR MO 1998, 227 = KStZ 2000, 12 = NJ 1998, 609 = NVwZ-RR 1999, 144 = ZKF 1999, 111 = GemH 1999, 234 = Überblick 1998, 518).

22

Die Nichtberücksichtigung der bis einschließlich 2007 vereinnahmten Trinkwasserbeiträge im Rahmen der Gebührenkalkulation 2008 war und ist jedenfalls auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats rechtlich nicht zulässig und infolgedessen methodisch fehlerhaft:

23

Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004 sah in ihrem § 1 Abs. 2 Buchst. a) die Erhebung von Anschlussbeiträgen vor. Aufgrund von entsprechenden Trinkwasserbeitragsbescheiden sind Beiträge im genannten Umfang erhoben worden.

24

Die Aufhebungssatzung des ZWAR vom 03. September 2008 hat die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004 zwar gemäß ihrem § 1 ersatzlos aufgehoben. Nach diesem Wortlaut ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Aufhebung ex tunc, also von Anfang an, erfolgen sollte. Insbesondere folgt dies entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners nicht aus der Verwendung des Begriffs "ersatzlos". Eine "ersatzlose" Aufhebung kann auch mit Wirkung für die Zukunft erfolgen, ist also nicht gleichbedeutend mit einer rückwirkenden Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens. Da die rückwirkende Aufhebung einer Beitragssatzung in diesem Sinne in erheblichem Ausmaß Rückabwicklungsfragen impliziert, wäre auch eine insoweit schon nach dem Wortlaut eindeutige Regelung zu erwarten gewesen.

25

Systematisch betrachtet spricht zudem § 2 der Aufhebungssatzung gegen eine im vorstehenden Sinne rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung "von Anfang an": Nach ihrem § 2 sollte die Aufhebungssatzung rückwirkend zum 01. Januar 2008 in Kraft treten. Hätte bereits ihr § 1 die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 auf den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens ex tunc aufheben sollen, ist nicht ersichtlich, wieso es dann einer rückwirkenden Inkraftsetzung der Aufhebungssatzung - auf den 01. Januar 2008 - bedurft hätte. Dann enthielte die Aufhebungssatzung gleichsam eine doppelte Rückwirkungsregelung. Der Antragsgegner räumt selbst ein, dass die Rückwirkung gemäß § 2 der Aufhebungssatzung dann "schlechterdings entbehrlich" wäre. Schließlich erfordert eine Systemumstellung auch nicht zwingend eine rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung "von Anfang an".

26

Vor diesem Hintergrund verbietet sich die Annahme eines Redaktionsversehens mit der doppelten Konsequenz, § 1 der Aufhebungssatzung einen ergänzenden Inhalt entnehmen und in § 2 die dort geregelte - begrenzte - Rückwirkung ausblenden zu müssen.

27

Auch die Entstehungsgeschichte liefert für die vom Antragsgegner bevorzugte "Auslegung" der Aufhebungssatzung keine genügenden Anhaltspunkte. Weder im Beschluss vom 27. Februar 2008 noch in der entsprechenden Beschlussvorlage findet sich die Aussage, die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung solle rückwirkend erfolgen. Die Stellungnahme der Rechtsaufsichtsbehörde vom 24. April 2008 mag Anlass für die Rückwirkungsregelung in § 2 gewesen sein; im Sinne des Beschwerdevorbringens ist sie unergiebig. Gegen das Verständnis des Antragsgegners spricht zudem die Erläuterung der Beschlussvorlage zum TOP 8.4 der Verbandsversammlung vom 28. August 2008, in der es heißt, "vorgelegt wird ein förmlicher Satzungsbeschluss zur Aufhebung der Satzung rückwirkend zum 1. Januar 2008". Hier ist also gerade davon die Rede, dass die Wasserversorgungsbeitragssatzung rückwirkend zum 1. Januar 2008 aufgehoben werden soll. Angesichts dieser Erläuterung spricht Überwiegendes dafür, dass auch die Mitglieder der Verbandsversammlung bei ihrer Beschlussfassung über die Aufhebungssatzung davon ausgegangen sind, die Wasserversorgungsbeitragssatzung solle - nur - rückwirkend zum 1. Januar 2008 aufgehoben werden. Dieser Umstand steht erst recht der Annahme eines redaktionellen (= unbeachtlichen) Versehens bei der Formulierung der Aufhebungssatzung entgegen.

28

Im Übrigen kann der Antragsgegner schon wegen § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO mit seinem vorstehend wiedergegebenen Vorbringen nicht durchdringen, da das Verwaltungsgericht ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass "jedenfalls die vor dem 31.12.2007 entstandenen sachlichen Beitragspflichten ... durch die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung nicht berührt worden (sind), da die Rückwirkung nur bis zum 01.01.2008 reicht"; innerhalb der Begründungsfrist ist der Antragsgegner diesen Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht entgegen getreten, so dass sein entsprechender Vortrag mit Schriftsatz vom 19. Mai 2009 auch nicht als Vertiefung bisherigen fristgemäßen Vorbringens betrachtet werden kann.

29

Im Ergebnis hat die Aufhebungssatzung die Rechtsgrundlage für eine Beitragserhebung in Gestalt der Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004 erst ab dem 01. Januar 2008 zukunftsgerichtet entfallen lassen. Die Wasserversorgungsbeitragssatzung vom 09. Oktober 2002 i. d. F. der 1. Satzung zur Änderung der Satzung vom 18. Juni 2004 ist folglich hinsichtlich der bis einschließlich 2007 erlassenen Trinkwasserbeitragsbescheide nach wie vor wirksame Rechtsgrundlage. Da der Antragsgegner nach Maßgabe des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an das Satzungsrecht des ZWAR auch insoweit gebunden bzw. zum Vollzug der Satzung verpflichtet ist, bestand und besteht - jedenfalls derzeit noch - für ihn keine - ohne Weiteres - rechtlich zulässige Möglichkeit, die Trinkwasserbeitragsbescheide aufzuheben bzw. die Beitragserhebung rückgängig zu machen. Auch sonst ist insbesondere keine satzungsrechtliche Bestimmung ersichtlich, die ihm dies erlauben würde. In diesem Sinne bzw. die bereits erfolgte Beitragserhebung betreffend ist dem Verwaltungsgericht darin zuzustimmen, wenn es ausführt, der Antragsgegner könne über bereits entstandene - und befriedigte - Ansprüche (auf Beitragszahlungen) nicht frei verfügen bzw. solche Ansprüche aufgeben.

30

Auch der Vortrag des Antragsgegners gemäß Schriftsatz vom 20. Mai 2009, er habe nicht die Absicht, von seinem "Recht zum Behalten der vereinnahmten Beiträge Gebrauch zu machen", und insoweit verschiedene Möglichkeiten, dies zu dokumentieren bzw. umzusetzen, vermag an diesen Erwägungen nichts zu ändern. Abgesehen davon, dass der Antragsgegner von den seinerseits angesprochenen Optionen augenscheinlich noch keinen Gebrauch gemacht hat, verkennt dieses Vorbringen, dass nicht nur ein "Recht zum Behalten der vereinnahmten Beiträge" besteht, sondern nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen eine entsprechende Pflicht, die jedenfalls derzeit das vom Antragsgegner erwogene Vorgehen verbieten dürfte. Die Frage der Modalitäten der Rückabwicklung im Falle gezahlter Beiträge stellt sich zumindest deshalb derzeit nicht bzw. ist im vorliegenden Kontext unerheblich.

31

Folglich mussten die vereinnahmten Trinkwasserbeiträge - was nicht geschehen ist - im Rahmen der Gebührenkalkulation 2008 aufwandsmindernd berücksichtigt werden.

32

2. Auch wenn es hierauf nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, sieht der Senat im Interesse der Beteiligten Anlass zu folgenden Hinweisen betreffend die vom Verwaltungsgericht angenommenen Verstöße der Wasserversorgungsgebührensatzung 2008 gegen die "Soll-Regelung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (a) und gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (b).

33

a) § 1 Abs. 1 Buchst. a) WVGS 2008 bestimmt, dass der ZWAR nach Maßgabe der Wasserversorgungsgebührensatzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen erhebt. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts verstößt diese Bestimmung hinsichtlich der Regelung zur Deckung des Aufwandes für die Herstellungskosten gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V.

34

Nach dieser Vorschrift sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden.

35

Eine im Sinne dieser "Soll-Bestimmung" erforderliche atypische Situation (vgl. hierzu etwa VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 - 4 A 1319/06 -; VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.1004 - B 4 K 04.578 -, juris), die es erlaubte von einer Beitragserhebung vollständig abzusehen, liege im Falle des ZWAR nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor.

36

Das Verwaltungsgericht geht davon aus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen müsse. Dem werde dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 % oder mehr angestrebt werde (S. 7 des Beschlusses). Das Verwaltungsgericht beruft sich dabei - mit "vgl. " - auf das Urteil des OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 - (DVBl. 2005, 64 = juris). Diesen Ansatz greift es dann später mit seiner Annahme auf, eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme sei immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - so gut sei, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteige. Für die Bemessung der Quote sei maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V den Aufgabenträger nicht dazu zwinge, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 % anzustreben; vielmehr sei der Deckungsgrad von nur 70 % nach der bereits genannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit werde akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 % der Herstellungskosten durch Gebühren erfolge und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen könne, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen sei.

37

An diese Maßgaben anknüpfend nimmt das Verwaltungsgericht dann in den Blick, ob der ZWAR hinsichtlich der von ihm vorgesehenen reinen Gebührenfinanzierung des Herstellungsaufwandes die zulässige Kreditquote deutlich übersteigt.

38

Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die - wesentlich mit entscheidungstragenden - Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts den Eindruck erwecken, das OVG Mecklenburg-Vorpommern habe in seinem Urteil vom 02. Juni 2004 - 4 K 38/02 - (a.a.O.) im Kontext des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG (M-V) eine Mindestgrenze für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge dergestalt festgelegt, dass ein Deckungsgrad von 70 % oder mehr angestrebt werde bzw. anzustreben sei und jedenfalls ein solcher Deckungsgrad "voraussetzungslos" zulässig sei. Derartige Aussagen, die diese und die daran anknüpfenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts stützen könnten, lassen sich diesem in Bezug genommenen Urteil jedoch nicht entnehmen. Zwar ist in dem Urteil der Gesichtspunkt des Deckungsgrades angesprochen, dies jedoch in einem anderen Zusammenhang: In dem dortigen Verfahren ging es ausschließlich um die Frage, ob die sich aus einem Schreibfehler in der Kalkulation ergebende geringfügige Verschiebung des tatsächlichen Deckungsgrades durch Beiträge (71,24 %) gegenüber dem beschlossen Deckungsgrad von 70,01 % unter verschiedenen rechtlichen Blickwinkeln einen beachtlichen Mangel der angegriffenen Satzung begründet habe (dort verneint). Mit dem erforderlichen Maß der beitragsfinanzierten Deckung befasst sich das Urteil demgegenüber nicht; es enthält - mangels diesbezüglicher Rügen - keine näheren Erwägungen hierzu. Allenfalls kann man der Entscheidung entnehmen, dass das Oberverwaltungsgericht den beschlossenen bzw. tatsächlichen Deckungsgrad nicht in einer Weise für offensichtlich problematisch erachtet hat, die eine nähere Auseinandersetzung erfordert hätte.

39

Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte "kritische Grenze" einer Kreditquote von etwa 1/3 bzw. 30 % findet demzufolge in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern keine Rechtfertigung. Das Verwaltungsgericht nennt auch keine rechtliche Grundlage, die - zumal nach dem Prüfungsmaßstab des summarischen Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes - eine solche Grenzziehung erlaubte; insoweit wäre im Hinblick auf die Annahme einer solchen "Kreditquote" der Rahmen einer zulässigen richterlichen Rechtsauslegung bzw. Rechtsfortbildung zu bedenken. Im Übrigen müsste jedenfalls geprüft werden, ob eine entsprechende Grenze ggfs. anders zu ziehen wäre und ob nicht darüber hinaus den Umständen des Einzelfalles - dafür spricht das Erfordernis atypischer Umstände - maßgebliche Bedeutung zukommen müsste. Jedenfalls nach dem Prüfungsmaßstab der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (vgl. § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO) kann eine Grenzziehung im Sinne der angegriffenen Entscheidung nicht ohne Weiteres zum Erfolg des Antrages auf vorläufigen Rechtsschutz führen.

40

Selbst wenn man der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Grenzziehung folgen wollte, erschließt sich aus der Begründung des angegriffenen Beschlusses nicht, warum es vorliegend unter diesem Blickwinkel die aufschiebende Wirkung der Klage nach dem Prüfungsmaßstab der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes im beantragten Umfang angeordnet hat. Das Verwaltungsgericht stellt ausdrücklich fest, die Frage der Kreditquote sei im vorliegenden Fall "offen"; die Angaben des Antragsgegners seien ungenau. Es gelangt dabei sogar zu der Annahme, dass die kritische Grenze durch den ZWAR unter bestimmten Voraussetzungen nicht überschritten bzw. eine "Punktlandung" erreicht worden sein könnte. Anschließend wirft es jedoch wiederum Gesichtspunkte in Form offener Fragen auf, die sich - bei entsprechender Klärung - im Ergebnis zu Lasten des ZWAR auswirken könnten. Diese Erwägungen münden schließlich darin, dass aus Sicht des Verwaltungsgerichts zweifelhaft sei, ob die Frage des Überschreitens der "kritischen" Grenze im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden könne, wobei der Antragsgegner das Risiko der Nichterweislichkeit trage, was aus §9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V folge. Gelinge ihm der Beweis einer Ausnahme - also einer atypischen Situation - nicht, sei von einem Verstoß gegen die Grundregel auszugehen.

41

Hinsichtlich dieser abschließenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts ist zu fragen, in welchem Verhältnis sie zu der Schlussfolgerung, die Frage der Kreditquote sei offen, stehen. Ist das Verwaltungsgericht der Auffassung, die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides sei unter dem hier erörterten Blickwinkel offen, wäre - abgesehen von der bereits angeschnittenen Frage des Maßstabes nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO - ggfs. eine Interessenabwägung unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu erwarten gewesen. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung und hypothetische Beweislastentscheidung für das Hauptsacheverfahren bei gleichzeitiger Unterstellung, dass der Antragsgegner den aus Sicht des Verwaltungsgerichts erforderlichen Nachweis im Hauptsacheverfahren möglicherweise nicht würde führen können, erscheint nicht zulässig und setzt sich zudem in Widerspruch zu der Annahme, die Frage der "Kreditquote" sei offen. Die Aussage, wer sich auf eine Ausnahme berufe, müsse das Vorliegen ihrer Voraussetzungen darlegen und ggfs. auch beweisen, steht - zumal sich diese Erwägung auf das Hauptsacheverfahren bezieht - zudem nicht in Einklang mit dem Untersuchungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

42

Hinsichtlich der Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Frage des Verhältnisses von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu § 44 Abs. 3 KV M-V und der sich daraus nach seinem Dafürhalten ergebenden Auslegung von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist über die im Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03. Dezember 2008 - 4 M 158/08 - hierzu enthaltenen Überlegungen hinausgehend - vorläufig - Folgendes anzumerken:

43

Die zentrale - systematisch abgeleitete - Argumentation des Verwaltungsgerichts geht dahin, dass die vollständige Refinanzierung des Herstellungsaufwandes über eine Gebührenerhebung einen deutlich höheren Kreditbedarf nach sich ziehe als eine Beitragsfinanzierung. Deshalb sei eine solche Gebührenfinanzierung grundsätzlich unzulässig bzw. nach Maßgabe der "Soll-Bestimmung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nur ausnahmsweise zulässig. Für die Ermittlung atypischer Ausnahmen im Sinne dieser Vorschrift komme es allein auf die Höhe der Kreditfinanzierungsquote an.

44

Diese Überlegungen wendet das Verwaltungsgericht aber schon selbst nicht konsequent an, wenn es von einem Deckungsgrad von 70 % aufwärts an eine teilweise Gebührenfinanzierung - "voraussetzungslos" - für zulässig erachtet. Es wird nicht nachvollziehbar erläutert, warum die in diesem Fall im Sinne der Ausführungen des Verwaltungsgerichts anzunehmenden höheren Kreditkosten für die Vorfinanzierung eines Anteils an den Herstellungskosten von kleiner bzw. gleich einem Drittel ohne Weiteres, also gleichsam ohne Beachtung der "Soll-Bestimmung", zulässig sein sollen.

45

Zudem berücksichtigen die Überlegungen des Verwaltungsgerichts nicht, dass auch im Falle einer Beitragserhebung regelmäßig aus verschiedenen Gründen (z. B. Dauer des Heranziehungsverfahrens, unwirksame Rechtsgrundlagen, erst zukünftige Schaffung von Anschlussmöglichkeiten, Stundung) ein nicht unwesentlicher Teil der Herstellungskosten zunächst über Kredite gedeckt werden muss, so dass sich die Kreditkosten beider Refinanzierungsmöglichkeiten regelmäßig tatsächlich nicht in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Umfang unterscheiden dürften. Diese Frage bedarf einer sorgfältigen Klärung im Hauptsacheverfahren. Ihre Beantwortung kann das Gewicht des Arguments des Verwaltungsgerichts, § 44 Abs. 3 KV M-V zwinge zu der von ihm vorgenommenen Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, nachhaltig beeinflussen.

46

Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe die Annahme einer atypischen Situation im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KV M-V rechtfertigen können (insbesondere unterschiedliche saisonale Auslastung der Wasserversorgungsanlagen und die Heranziehung der überwiegend großen Grundstücke im ländlichen Raum), stellt sich hinsichtlich ihrer tatsächlichen Grundlagen nach dem Maßstab des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens als offen dar; die Klärung dieser Frage dürfte - auch mit Blick auf das umfangreiche Vorbringen der Antragstellerin hierzu - dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten sein.

47

Zu beachten könnte zudem Folgendes sein: Zwischenzeitlich ist nach entsprechender Mitteilung des Antragsgegners wohl in nahezu allen Fällen, in denen ursprünglich - soweit noch nicht geschehen - eine Beitragserhebung hätte erfolgen können und nach Maßgabe der vormaligen Wasserversorgungsbeitragssatzung auch hätte erfolgen müssen, Festsetzungsverjährung eingetreten (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz KAG M-V). Dies beträfe gut 90 % des ursprünglichen Beitragsvolumens. In diesen Fällen bzw. in diesem Umfang dürfte folglich eine Refinanzierung des entsprechenden Herstellungsaufwandes durch Beiträge nicht mehr möglich sein. Wollte man nun in der Konsequenz der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts auch eine Gebührenfinanzierung aus Rechtsgründen für unzulässig erachten, wäre überhaupt keine Heranziehung der durch die Herstellung der Trinkwasserversorgungsanlage Bevorteilten zur Deckung der Herstellungskosten mehr möglich. Im Ergebnis würden diese entgegen den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes M-V der Allgemeinheit aufgebürdet. Damit würde jedenfalls ein mit Blick auf § 44 Abs. 3 KV M-V und § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V deutlich gesetzesfernerer Zustand zu verzeichnen sein, als ihn das Verwaltungsgericht in der Systemumstellung von Beitragserhebung auf Gebührenfinanzierung erblickt. Insoweit wäre zu erwägen, ob der Umstand, dass eine andere - vollständige - Refinanzierung des Herstellungsaufwandes nach dem Kommunalabgabengesetz M-V als diejenige über eine Gebührenerhebung nicht mehr möglich wäre, als atypische Situation im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu werten sein könnte. Insoweit könnte dem ZWAR nach derzeitigem Erkenntnisstand auch wohl nicht vorgeworfen werden, er habe diese Situation absichtsvoll herbeigeführt, um letztlich damit den angestrebten Systemwechsel erreichen zu können. Denn der ZWAR ist - selbst wenn sich seine entsprechenden Erwägungen im Ergebnis nicht als tragfähig erweisen sollten - im Vorfeld jedenfalls davon ausgegangen, dass er sich auf atypische Umstände im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V berufen könne. Er hat sich insoweit auch entsprechend beim Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern rückversichert; die untere Rechtsaufsichtsbehörde ist der Systemumstellung ebenfalls nicht entgegen getreten. In dieser Situation könnte es dem Antragsgegner wohl nicht vorgehalten werden, dass er im Vertrauen auf das Zustandekommen des Systemwechsels offensichtlich - weiterhin - davon Abstand genommen hat, gewissermaßen vorsichtshalber tausende von Beitragsbescheiden zu versenden, um einer möglichen Festsetzungsverjährung zu entgehen, falls der angestrebte Wechsel letztlich fehlschlagen sollte (vgl. hierzu auch OVG Greifswald, Beschl. v. 03.12.2008 - 4 M 158/08 -). Dass die "Soll-Bestimmung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V gerade in solchen Fällen zum Tragen kommen soll, erscheint nicht fernliegend. Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern hat in dem zitierten Beschluss - im vorliegenden Kontext passend (der Antragsgegner hat jahrelang ohne Konsequenzen seitens der Rechtsaufsichtsbehörden sein eigenes Satzungsrecht faktisch weitgehend nicht angewandt) - in Erwägung gezogen, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V möglicherweise auch eine ggfs. bisherige rechtswidrige Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger im Bereich der Wasserversorgung legalisieren wollte. Dafür sprechen folgende Gesichtspunkte: Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (LTDrs. 4/1576 zu Nummer 10, S. 75) führen aus, die Regelung über die Erhebung von Anschlussbeiträgen als Soll-Vorschrift "würde auch den Fällen gerecht werden, bei denen es in begründeten Ausnahmen bislang nicht zur Erhebung von Beiträgen gekommen sei. Zur Wahrung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden sollte das Gesetz diesen Umständen Rechnung tragen und eine Soll-Regelung aufgreifen, die in atypischen Fällen gleichsam einen Verzicht auf die Erhebung von Beiträgen ermögliche". Entsprechend hat der Abgeordnete Müller für die Fraktion der SPD in der zweiten Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfs der Landesregierung - Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes, Drs. 4/1307, ausgeführt (Plenarprotokoll 4/53 vom 09.03.2005, S. 2980, 2985 f.):

48

"Ich hielte es auch für einen vernünftigen Grund, auf Beitragserhebungen zu verzichten, wenn das bisherige Verfahren - wir leben ja nicht im luftleeren Raum, sondern in einer Wirklichkeit - eine Beitragssatzung als nicht durchsetzbar erscheinen lässt, wenn wir beispielsweise, und diesen Fall gibt es ja im Land, eine Situation haben, wo einst Beiträge erhoben worden sind, wo man auf eine reine Gebührenfinanzierung umgestiegen ist. Wenn wir jetzt in einer solchen Situation sagen würden, nein, wir gehen jetzt wieder zurück auf die Beiträge, ich glaube, dann würden wir uns öffentlich zum Affen machen. In einem solchen Fall soll die Ausnahmeregelung greifen."

49

Daneben nennt er weitere Umstände, die aus seiner Sicht bzw. der Sicht der Fraktion der SPD einen atypischen Fall begründen könnten (vgl. aber auch die Stellungnahme der Abgeordneten Schulz für die Fraktion des PDS, Plenarprotokoll 4/53 vom 09.03.2005, S. 2980, 2987).

50

Vor diesem Hintergrund gibt es zwar, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, keine "normative Kraft des Faktischen", aber möglicherweise eine normative Anerkennung des Faktischen durch den Gesetzgeber.

51

Das Verwaltungsgericht meint demgegenüber in seinem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Beschluss vom 13. Januar 2009 - 3 B 2079/08 - (Beschwerdeverfahren Az. 1 M 19/09) unter Bezugnahme auf Sauthoff (in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/05, § 8 Rn. 1614), auch eine die Entstehungsgeschichte der Vorschrift berücksichtigende Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V führe zu der Annahme, dass der vom Zweckverband durchgeführte Wechsel des Refinanzierungssystems "jedenfalls im ländlichen Raum - wozu auch das Geschäftsgebiet des Antragsgegners zählt - unzulässig ist"; mit dieser Auffassung habe sich das OVG Mecklenburg-Vorpommern in seinem Beschluss vom 03. Dezember 2008 - 4 M 158/08 - nicht auseinandergesetzt. Hierzu ist zu bemerken, dass unter der angegebenen Fundstelle zu der Aussage des Verwaltungsgerichts lediglich die Stellungnahme des Landesrechnungshofes aus der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses (LTDrs. 4/1576, S. 43, 45) in einem kurzen Ausschnitt wiedergegeben wird, die zudem auch nicht dahin geht, dass pauschal jedenfalls im ländlichen Raum eine reine Gebührenfinanzierung bzw. Systemumstellung unzulässig sei, sondern dahin, dass "im ländlichen Raum ... dagegen der Verzicht auf die Beitragserhebung zu ökonomisch und sozial nicht mehr verträglichen Gebühren mit entsprechenden Vermeidungseffekten führen (dürfte)". Führte - was eine Überprüfung im Einzelfall erforderte - der Verzicht auf eine Beitragserhebung nicht zu derartigen Effekten, wäre folglich auch nach Auffassung des Landesrechnungshofes wohl eine Systemumstellung nicht von vornherein ausgeschlossen. Zudem verweist der Landesrechnungshof auch darauf, dass "nur dort, wo nur relativ wenige Beiträge entrichtet worden seien, ... daher verantwortbar die Rückzahlung der Beiträge in Erwägung gezogen werden (könne)". Diese Voraussetzungen könnten beim ZWAR gerade erfüllt sein. In seinem Beschluss vom 03. Dezember 2008 - 4 M 158/08 - hatte der 4. Senat auch keine Veranlassung, die Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V umfassend zu würdigen; dennoch sind insoweit auch Gesichtspunkte angesprochen worden, die im zu entscheidenden Fall entstehungsgeschichtlich gegen einen Systemwechsel hätten sprechen können (unter Angabe einer Fundstelle, die auch bei Sauthoff, a.a.O., zitiert wird). Im Übrigen ist zum Gesichtspunkt der Entstehungsgeschichte auf die vorstehenden Erwägungen zu verweisen.

52

Die in demselben Beschluss des Verwaltungsgerichts enthaltene Argumentation gegen ein mögliche Interpretation des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V im vorstehenden Sinne, diese erscheine mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG bedenklich, ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da sie ja ggfs. für die rechtliche Zulässigkeit eines Systemwechsels sprechen könnte. Wieso mit Blick auf die Soll-Bestimmung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V und deren Auslegung "Fehler, die irreparabel und daher besonders schwerwiegend sind, abgabenrechtlich folgelos blieben", ist aufgrund der Pauschalität dieser Annahme nicht verständlich. Gleiches gilt für das Beispiel der "Überdimensionierung einer Anlage", die "im Rahmen einer Beitrags- oder Gebührenerhebung unbeachtlich sei".

53

b) Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung unabhängig tragend auch darauf gestützt, dass die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20. März 2008 i. d. F. der Änderung vom 03. September 2008 die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragerhebung folgenden Anforderungen nicht hinreichend berücksichtige. Dem Verwaltungsgericht ist im Grundsatz darin zuzustimmen, dass dieser Grundsatz bzw. das Verbot der Doppelbelastung unter bestimmten Voraussetzungen einer Gebührenerhebung - teilweise - entgegenstehen kann; zweifelhaft erscheint jedoch seine Annahme, Grundlage des Verbots einer Doppelbelastung sei bereits das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht.

54

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nach diesem Grundsatz nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung - hinsichtlich desselben Aufwands - grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 08.07.2004 - 1 M 170/04 -, juris; Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; OVG Berlin/Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 - 9 A 77.05 -, LKV 2008, 377; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris; VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 05.11.1992 - 2 S 152/90 -; Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -: jeweils juris; VG Potsdam, Urt. v. 18.09.2008 - 9 K 1128/05 -, juris; VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.1004 - B 4 K 04.578 -, juris; vgl. auch VGH Kassel, Beschl. v. 12.04.2005 - 5 TG 116/05 -, NVwZ-RR 2006, 143 - zitiert nach juris).

55

Die Einmaligkeit der Leistung des Kanalanschlussbeitrags folgt aus dem Wesen des Beitrags, der an einen bestimmten Zustand ("Möglichkeit der Inanspruchnahme") anknüpft und der den bei Verwirklichung des Zustands gebotenen wirtschaftlichen Vorteil insgesamt abgelten soll. Der Grundstückseigentümer erbringt die "Gegenleistung" für den ihm durch die Anschlussmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil, der der Natur der Sache nach mit der Anschlussmöglichkeit entsteht und auch in der Zukunft in der Regel nicht verändert wird. Der Kanalanschlussbeitrag ist daher grundsätzlich nur einmal zu leisten (vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.09.1980 - 2 A 1653/79 -, DVBl. 1981, 831 - zitiert nach juris). Die Einmaligkeit der Beitragserhebung ist Folge des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzgedankens (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -, juris).

56

Das Bundesverwaltungsgericht spricht in seinem Urteil vom 16. September 1981 - 8 C 48.81 - (DVBl. 1982, 76 - zitiert nach juris) die Situation desjenigen, der bereits einen Anschlussbeitrag geleistet hat und der nach einer Systemumstellung zu Gebühren herangezogen werden soll, unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes bzw. Äquivalenzprinzips wie folgt an:

57

"Zwar trifft es zu, daß die Heranziehung zu Benutzungsgebühren nach einem für alle Benutzer geltenden einheitlichen Gebührensatz den Gleichheitssatz und ggf. das Äquivalenzprinzip im Hinblick auf solche Grundstückseigentümer verletzen kann, die im Gegensatz zu anderen Benutzern der Abwasseranlage Leistungen auf den Investitionsaufwand erbracht haben, der gemäß § 8 KAG durch Beiträge gedeckt werden kann. Wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner das Landesrecht betreffenden Erwägungen dargelegt hat, wirkt sich die Erhebung von Beiträgen auf die Höhe der Benutzungsgebühren aus: Erhebt eine kommunale Körperschaft Beiträge, so führt dies zu einem niedrigeren Gebührensatz, weil bei der Ermittlung der Höhe der Kosten der aus Beiträgen aufgebrachte Anteil am Aufwand für die Abwasseranlage bei der Verzinsung unberücksichtigt bleibt (§ 6 Abs. 2 Satz 3 KAG). Sieht die kommunale Körperschaft von einer Beitragserhebung ab, erhöhen sich die Kosten und damit der Gebührensatz um die nunmehr (voll) zu berücksichtigenden Zinsen. Im Fall der Nichterhebung von Beiträgen verstößt die undifferenzierte Erhebung von Gebühren von denjenigen Benutzern der Abwasseranlage, die zu deren Aufwand beigetragen haben, im Verhältnis zu den übrigen Benutzern gegen den Gleichheitssatz. Denn erstere haben im Unterschied zu den übrigen Benutzern mit ihrer auf den Aufwand der Abwasseranlage bezogenen Leistung wirtschaftlich gesehen Anteile an den hier maßgebenden (höheren) Zinsen mittelbar erbracht. (Gleiche Rechtsfragen treten auf, wenn eine Gemeinde, die Beiträge und Gebühren erhoben hat, in Zukunft nur noch Gebühren erhebt oder wenn eine Gemeinde, die Beiträge erhoben hat, in eine Gemeinde eingegliedert wird, welche keine Beiträge, sondern nur Gebühren erhebt.) Zahlt die kommunale Körperschaft die erbrachte Leistung nicht zurück, so führt der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu der Pflicht, in der Satzung entsprechend unterschiedliche Gebührensätze festzusetzen oder bei Vorliegen von Einzelfällen den Ausgleich durch eine Billigkeitsregelung im Rahmen des Heranziehungsverfahrens vorzunehmen. ..."

58

Hieran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf das aus dem Gleichheitssatz folgende, durch ihn aber zugleich auch inhaltlich festgelegte sogenannte Verbot der Doppelbelastung oder Doppelveranlagung ausgeführt, eine abgabenrechtliche Doppelbelastung "k a n n" gegen den Gleichheitssatz verstoßen. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass eine Pflicht der Gemeinde zur Differenzierung bei Benutzungsgebühren für eine Abwasseranlage beispielsweise dann bestehe, wenn ein Teil der Benutzer bereits zu Beiträgen für die Errichtung der Anlage herangezogen wurde, ein anderer Teil hingegen nicht. Anderenfalls würden die Benutzer, die bereits Beiträge entrichtet haben, unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz doppelt belastet. Ferner ist im Urteil vom 11. November 1987 - 8 C 49.86 - (BVerwGE 78, 275, 280) im Zusammenhang mit einer abwasserabgabenrechtlichen Umlage ausgeführt, für den Fall, dass bei der Bemessung dieser Umlage etwaige (Gebühren-)Vorleistungen außer Betracht blieben, führe das zu einer nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbaren Doppelbelastung einzelner Umlageschuldner. Der Sache nach ging es in diesen Entscheidungen jeweils um Konstellationen, in denen eine Gruppe von Grundeigentümern im Verhältnis zu einer anderen Gruppe deshalb unterschiedlich belastet wurde, weil die Angehörigen der ersten Gruppe anders als die der zweiten Gruppe für die gleiche gemeindliche Leistung (Abwasserbeseitigung) in der einen oder anderen Weise "vorbelastet" waren und sich deshalb die nunmehr erfolgende gleichmäßige Abgabenerhebung als gleichheitswidrige Doppelbelastung auswirken konnte (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 26.02.1992 - 8 C 70.89 -, NVwZ 1992, 668; vgl. auch VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.1004 - B 4 K 04.578 -, juris).

59

Im Ergebnis kann deshalb mit Blick auf die vom ZWAR vorgenommene Systemumstellung das Verbot der Doppelbelastung nicht nur einer nochmaligen Heranziehung zu einem Beitrag für denselben Aufwand entgegenstehen, sondern auch einer äquivalenten Gebührenerhebung.

60

Insoweit spricht vom Grundgedanken her Vieles dafür, dass jedenfalls diejenigen, die vom Antragsgegner bereits zu Trinkwasserbeiträgen herangezogen worden sind und diese tatsächlich entrichtet haben, nicht durch eine Gebührenerhebung, die teilweise zur Refinanzierung des Herstellungsaufwandes bestimmt ist, doppelt belastet werden dürfen. Entscheidet sich ein Aufgabenträger nachträglich für die Finanzierung des Herstellungsaufwandes seiner Anlage ausschließlich über Benutzungsgebühren, muss er einen entsprechenden Ausgleich vornehmen, um eine solche doppelte Belastung zu vermeiden. Dabei bieten sich vom Grundsatz her verschiedene Möglichkeiten an: Zunächst könnten unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen (vgl. dazu auch vorstehend unter 1.) die vereinnahmten Beiträge zurückgezahlt werden. In Betracht käme die Schaffung einer ortsgesetzlichen Regelung mit unterschiedlichen Gebührensätzen einerseits für die Grundstückseigentümer, die bereits einen Beitrag entrichtet haben, und andererseits für diejenigen, die dies noch nicht getan haben. Als weitere Option an Stelle der Schaffung einer satzungsrechtlichen Ausgleichsbestimmung wäre an eine Billigkeitsentscheidung im Einzelfall zu denken (§§ 163 Abs. 1 Satz 1, 227 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V; vgl. zum Ganzen OVG Münster, Urt. v. 17.09.1980 - 2 A 1653/79 -, DVBl. 1981, 831; BVerwG, Beschl. v. 22.03.2007 - 10 BN 5/06 -, NVwZ 2007, 955; Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48.81 -, DVBl. 1982, 76 -; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 - 9 A 77.05 -, LKV 2008, 377; jeweils zitiert nach juris; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris; VG Potsdam, Urt. v. 18.09.2008 - 9 K 1128/05 -, juris). Die letztgenannte Vorgehensweise könnte allerdings einerseits fraglich sein, da vorliegend wohl nicht "Einzelfälle" im Sinne vereinzelter Fälle in Rede stehen und infolgedessen eine Satzungsbestimmung zu fordern sein könnte (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48.81 -, a.a.O.). Andererseits könnte eine möglicherweise zu hohe Komplexität einer solchen Bestimmung wiederum aus Gründen der Praktikabilität eine Billigkeitsentscheidung erlauben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.03.2007 - 10 BN 5/06 -, NVwZ 2007, 955; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris).

61

Vor diesem Hintergrund führte der Umstand, dass die Wasserversorgungsgebührensatzung 2008 keine satzungsrechtliche Ausgleichsbestimmung enthält, nicht ohne Weiteres bereits zur Annahme ihrer Gesamtunwirksamkeit bzw. zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides.

62

Wurde in der Vergangenheit ein Grundstück durch einen Bescheid wirksam zu einem Beitrag veranlagt und wurde der Beitrag entsprechend entrichtet, ist im Übrigen zu erwägen, ob nur dann Raum für eine erneute Heranziehung eines Grundstückseigentümers zu Benutzungsgebühren für denselben Aufwand besteht, wenn jener Bescheid bestandskräftig oder doch zumindest in sofort vollziehbarer Weise (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) oder durch rechtskräftiges Urteil aufgehoben worden ist (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 05.11.1992 - 2 S 152/90 -; Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -; jeweils juris). Dabei gewinnt wiederum der Umstand Bedeutung, ob nach Maßgabe des Ortsrechts überhaupt eine entsprechende Aufhebung rechtlich zulässig wäre (vgl. dazu unter 1.).

63

Da die Antragstellerin noch nicht zu einem Trinkwasserbeitrag herangezogen worden ist, fällt sie allerdings nicht unter die vorstehend umrissene Fallgruppe und könnte sich unter diesem Blickwinkel nicht auf das Verbot der Doppelbelastung berufen.

64

Das Verwaltungsgericht hat sich allerdings auf den Standpunkt gestellt, die Wasserversorgungsgebührensatzung 2008 berücksichtige die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragerhebung folgenden Anforderungen nicht hinreichend, der ZWAR dürfte bei dem von ihm favorisierten reinen Gebührenmodell trotz einer beabsichtigten Rückzahlung der vereinnahmten Beiträge nicht ohne gespaltene bzw. gestaffelte Gebührensätze auskommen.

65

Abgesehen davon, dass das Verwaltungsgericht sich dabei nicht mit der - vorstehend erörterten - Frage befasst, ob dem ZWAR nicht noch eine andere Option zur Verfügung steht, begegnet seine hierfür maßgebliche rechtliche Erwägung im Hinblick auf den Maßstab der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Gebührenbescheides Bedenken. Das Verwaltungsgericht nimmt dabei den Standpunkt ein, Grundlage des Verbots einer Doppelbelastung und des daraus resultierenden Vertrauensschutzes sei nicht die Zahlung des Beitrags, sondern das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, die durch die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung nicht berührt werde. Folglich führe die Rückzahlung vereinnahmter Beiträge nicht zu einem Wegfall des Verbots der Doppelbelastung. Alle diejenigen, zu deren Lasten die sachlichen Beitragspflichten entstanden seien, könnten sich vielmehr auf dieses Verbot berufen.

66

Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Kontext der Auffassung ist, die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung könne keine Auswirkungen auf den Ablauf der Festsetzungsfrist haben, dürfte dem zwar zu folgen sein; eine Festsetzungsverjährung könnte nicht dadurch umgangen werden, dass eine rechtmäßige Beitragssatzung rückwirkend aufgehoben wird, nur um anschließend eine neue derartige Satzung zu erlassen. Es erscheint jedoch bereits vom Begriff des "Verbots der Doppelbelastung" fraglich, ob von einer doppelten Belastung im Wortsinne gesprochen werden kann, wenn es auf der einen Seite um die Belastung durch die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ohne eine entsprechende Veranlagung durch Bescheid mit anschließender Zahlung geht, auf der anderen Seite aber um die von ihrer Qualität her andersartige Zahlung aufgrund einer Gebührenpflicht; anders formuliert ist zu erwägen, ob nicht eine "doppelte" Belastung eine gleichartige Belastung in Gestalt von - konkretisierten - Geldzahlungspflichten erfordert. Soweit ersichtlich wird das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Verständnis vom Inhalt des Verbots der Doppelbelastung anknüpfend allein an die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in keiner der veröffentlichen Gerichtsentscheidungen hierzu vertreten (vgl. insoweit die oben angeführten Zitate). Vielmehr ist diesen Entscheidungen gemein, dass sie das Verbot der Doppelbelastung nur für Fälle einer bereits erfolgten Beitragsveranlagung durch entsprechenden Bescheid mit daraufhin erfolgter Zahlung in den Blick nehmen. Dies erscheint auch folgerichtig: In den betreffenden Entscheidungen werden grundsätzlich zwei Gruppen von Beitragspflichtigen gegenübergestellt, einerseits diejenigen, die bereits zu Beiträgen herangezogen worden sind, andererseits diejenigen, bei denen dies noch nicht erfolgt ist. Für diese unterschiedlichen Gruppen müssten dann im Rahmen der Gebührenerhebung Differenzierungen vorgenommen werden. Wäre die Auffassung des Verwaltungsgerichts richtig, müssten diese Gruppen anders, nämlich dergestalt gebildet werden, dass einerseits diejenigen zu betrachten wären, für die die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, und andererseits diejenigen, für die dies nicht zutrifft. Eine solche Differenzierung wird jedoch - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung nicht vorgenommen.

67

Darüber hinaus ist zu beachten, dass etwa der VGH Baden-Württemberg das Eingreifen des Verbots der Doppelbelastung davon abhängig macht, dass das abstrakte, auf die Entstehung einer einmaligen Beitragsschuld grundsätzlich beschränkte Beitragsschuldverhältnis durch einen Beitragsbescheid konkretisiert worden ist (vgl. Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -; jeweils juris).

68

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

69

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 47 GKG, wobei der streitige Abgabenbetrag - Differenz zwischen den festgesetzten Gebühren gemäß Bescheiden vom 07. Februar 2008 und 04. März 2008 - nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Eilverfahren zu vierteln ist.

70

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägerinnen als Gesamtschuldnerinnen auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Den Klägerinnen wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag (Schmutzwasser).

2

Die Klägerinnen sind Eigentümerinnen des Grundstücks G 1 in einer Größe von 780 m². Das Grundstück ist an die vom Beklagten betriebene zentrale Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen.

3

Mit Bescheid vom 29. Mai 2008 zog der Beklagte die Klägerinnen zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 3.276,00 EUR heran. Mit rechtskräftigem Urteil vom 9. März 2011 (– 3 A 1978/08 –) hob das Verwaltungsgericht den Beitragsbescheid auf und führte zur Begründung aus, dass die der Beitragserhebung zu Grunde liegende Satzung wegen einer nicht ordnungsgemäßen Ermittlung der satzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung nichtig sei.

4

Mit dem vorliegend streitgegenständlichen Bescheid vom 10. August 2012 zog der Beklagte die Klägerinnen erneut zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 3.276,00 EUR heran. Ihren hiergegen gerichteten aber nicht näher begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2013 – zugestellt am 4. Juni 2013 – zurück.

5

Am 1. Juli 2013 haben die Klägerinnen Anfechtungsklage erhoben. Sie sind der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Schmutzwasserbeitragssatzung sei nichtig. Der darin normierte Beitragssatz beruhe auf einer fehlerhaften Kalkulation. Der Zweckverband habe die Kalkulation anhand des Aufwandes für 11 (technische) Anlagen und der von diesen Anlagen erschlossenen Flächen erstellt. Dies sei zwar grundsätzlich zulässig. Es aber erforderlich, dass die berücksichtigten Anlagen und die von ihnen erschlossenen Flächen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien. Hieran fehle es. Nach den Kalkulationsunterlagen reinigten die berücksichtigten Anlagen 79,8 v.H. des im Verbandsgebiet anfallenden Abwassers (ausgedrückt durch Einwohnergleichwerte). Da der Zweckverband aber insgesamt 39 technische Anlagen betreibe, bedeute dies, dass 28 technische Anlagen lediglich 20,2 v.H. des Abwassers reinigten. Aufgrund dieser Diskrepanz könne nicht davon ausgegangen werden, dass die berücksichtigten Anlagen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien.

6

Die Anlage sei zudem überdimensioniert. Der Beklagte sei in einer früheren Kalkulation selbst davon ausgegangen, dass die Überdimensionierung 12 v.H. betrage.

7

Weiter sei der Kalkulation nicht zu entnehmen, inwieweit der Aufwand für Erschließungsverträge vor 2005 einbezogen sei. Es sei davon auszugehen, dass dem Zweckverband in erheblichem Umfang Leistungen sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich übergeben worden seien, ohne dass eine entsprechende Berücksichtigung in der Betragskalkulation erfolgt sei.

8

Zudem sei es fehlerhaft, dass der Beklagte einen Aufwand von 155.000,00 EUR für Kanalsanierung und Beschichtungen berücksichtigt habe. Hierbei handele es sich um Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen, die im Rahmen der Kalkulation eines Herstellungsbeitrags nicht berücksichtigungsfähig seien. Gleiches gelte für die aufwandserhöhende Berücksichtigung von Kosten für die thermische Verwertung i.H.v. mehr als 12 Mio. EUR. Anlagen zur thermischen Verwertung seien nicht Bestandteil der vom Zweckverband betriebenen öffentlichen Einrichtung. Auch der prognostizierte Aufwand für die Kanalnetze in B., A-Stadt und S. i.H.v. mehr als 7 Mio. EUR sei nicht berücksichtigungsfähig, weil diese Anlagen bereits fertiggestellt seien. Dies habe der Beklagte durch die Aufnahme in das Anlagenverzeichnis bei der Gebührenkalkulation zumindest schlüssig erklärt.

9

Die Zuordnung der Grundstücksanschlüsse in § 2 Nr. 5 Buchst. b und Nr. 8 Satz 2 der Abwasseranschlusssatzung zur öffentlichen Einrichtung sei in sich widersprüchlich. Die erstgenannte Bestimmung ordne Grundstücksanschlüsse einschränkungslos der öffentlichen Einrichtung zu. Nach der zuletzt genannten Bestimmung gelte dies nur für nach dem 20. Juli 1999 hergestelle öffentliche Abwassereinrichtungen.

10

Die Maßstabsregelung in § 3 Abs. 5 SBS sei unvollständig. Sie enthalte keine Umrechnungsformel zur Ermittlung der Anzahl der Vollgeschosse bei Bebauungsplänen, die eine Baumassenzahl und eine zulässige Gebäudehöhe festsetzten. Ein solcher Bebauungsplan existiere im Gebiet der Stadt A-Stadt (Gewerbegebiet Mukran).

11

Die Klägerinnen beantragen,

12

den Bescheid des Beklagten vom 10. August 2012 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2013 aufzuheben.

13

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Mit Beschluss vom 3. Juli 2014 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerinnen daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Er findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Beiträgen für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung - SBS) vom 21.06.2012.

18

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam.

19

a. So ist die Maßstabsregelung – es gilt ein abgestufter Vollgeschossmaßstab (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 SBS) – nicht zu beanstanden. Dies betrifft zunächst die in § 3 Abs. 4 Buchst. d SBS normierte „qualifizierte“ Tiefenbegrenzung. Die Fehler bei der Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe, die zur Unwirksamkeit der dem Beitragsbescheid vom 29. Mai 2008 zugrunde liegenden Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 20. März 2008 geführt hatten, sind vom Beklagten zwischenzeitlich behoben worden (eingehend VG Greifswald, Urt. v. 26.07.2012 – 3 A 1424/09 –, juris Rn. 30). Soweit das erkennende Gericht bisher von der Unzulässigkeit der in der Satzung normierten „qualifizierten“ Tiefenbegrenzung ausging (VG Greifswald, Urt. v. 15.11.2012 – 3 A 684/10 –, juris Rn. 19 im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 289/11 –, juris), wird daran mit Blick auf die neuere obergerichtliche Rechtsprechung (OVG Greifswald, Urt. v. 30.04.2014 – 1 L 80/12 –, S. 7 ff. des Entscheidungsumdrucks) nicht mehr festgehalten.

20

Die Maßstabsregelung weist auch im Übrigen keinen zur Nichtigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung führenden Fehler auf. Nach § 3 SBS erfolgt die Ermittlung der Beitragseinheiten nach einem abgestuften Vollgeschossmaßstab, der unter Vorteilsgesichtspunkten unbedenklich ist. Zwar ist die Bestimmung in § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS unvollständig. Danach gilt bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan die Zahl der Vollgeschosse nicht festgesetzt, sondern nur eine zulässige Baumassenzahl oder nur die zulässige Höhe der baulichen Anlage angegeben ist, die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl bzw. die durch 3,5 höchstzulässige Gebäudehöhe, jeweils auf ganze Zahlen gerundet als Zahl der Vollgeschosse nach Absatz 2. Die Vorschrift enthält damit eine Umrechnungsformel, anhand derer aus der im Bebauungsplan enthaltenen Festsetzung der zulässigen Gebäudehöhe bzw. Baumassenzahl die Anzahl der maßgeblichen Vollgeschosse ermittelt werden kann. Eine solche Regelung ist zulässig und geboten, wenn im Verbandsgebiet Grundstücke existieren, für die ein Bebauungsplan entsprechende Festsetzungen aufweist (VG Halle, Urt. v. 26.02.2004 – 4 A 683/01 –, juris Rn. 36 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 – C 61-68 und 80-84.75 –, BauR 1979, 315 [zum Erschließungsbeitragsrecht]). Da § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS keinen Bezugspunkt für die Ermittlung der zulässigen Gebäudehöhe angibt, ist wegen seines Regelungszusammenhangs zur Vollgeschossdefinition davon auszugehen, dass als Bezugspunkt die Geländeoberfläche dient (vgl. § 87 Abs. 2 Bauordnung – LBauO M-V).

21

Unvollständig ist die genannte Bestimmung, weil sie nur Fälle erfasst, in denen der Bebauungsplan die Baumassenzahl oder die zulässige Höhe der baulichen Anlage festsetzt. Die Bestimmung geht offensichtlich von einem Alternativverhältnis dieser Festsetzungen aus („nur“). Nun existiert im Gebiet der Stadt A-Stadt aber der mit Ablauf des 9. Juni 2008 in Kraft getretene Bebauungsplan Nr. 7.1 „Gewerbe- und Industriegebiet Hafen Mukran“. Dieser weist für die in seinem Geltungsbereich gelegenen Grundstücke sowohl eine Baumassenzahl als auch eine zulässige Gebäudehöhe aus. Dieser Fall wird von § 3 Abs. 5 Buchst. b SBS nicht erfasst. Auch durch Auslegung lässt sich nicht ermitteln, wie bei einer kumulativen Festsetzung von Baumassenzahl und zulässiger Gebäudehöhe die Anzahl der Vollgeschosse zu ermitteln ist.

22

Allerdings führt diese Unvollständigkeit nach dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit nur dann zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung und damit zur Nichtigkeit der Schmutzwasserbeitragssatzung (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V), wenn die Berücksichtigung der Baumassenzahl zu einer anderen Vollgeschosszahl und damit zu einer anderen Beitragsbelastung führt als die Berücksichtigung der zulässigen Gebäudehöhe. Dies steht jedoch nicht fest und wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet. Der Bebauungsplan weist durchgängig die Baumassenzahl 10,0 aus, was nach einer Teilung durch 3,5 und Aufrundung zu einem Ansatz von drei Vollgeschossen führt. Als zulässige Gebäudehöhen sieht der Bebauungsplan Höhen zwischen 30,00 und 36,00 m über HN (Höhennormal/Pegel Kronstadt)als Bezugspunkt vor. Da die Geländeoberfläche im Geltungsbereich des Bebauungsplanes nicht dem Höhennormal entspricht – dies ist in der mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen –, kann aus der zulässigen Gebäudehöhe gemessen am Höhennormal nicht auf die zulässige Gebäudehöhe gemessen an der Geländeoberfläche geschlossen werden.

23

b. Ebenfalls fehlerhaft ist die Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS, wonach Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen, die an die öffentliche Einrichtung der biologisch reinigenden zentralen Schmutzwasserbeseitigungsanlagen angeschlossen werden können und die baulich oder gewerblich genutzt werden. Die Bestimmung verstößt gegen das Vorteilsprinzip.

24

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: § 2 Abs. 1 Buchst. a bis c SBS definiert, welche Grundstücke bereits beim Bestehen einer bloßen Anschlussmöglichkeit an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage der sachlichen Beitragspflicht unterliegen. Dabei bezieht sich § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS auf Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen (§ 30 BaugesetzbuchBauGB), da nur in Bebauungsplänen einen bauliche oder gewerbliche Nutzung „festgesetzt“ werden kann. § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS bezieht sich auf Grundstücke im unbeplanten Innenbereich. Auch wenn die Vorschrift nicht ausdrücklich auf § 34 Abs. 1 BauGB verweist, folgt dies aus der Wendung „ … die aber baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen …“. Damit stellt die Bestimmung nicht auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung, sondern auf die zulässige ab. Außerhalb von Gebieten im Geltungsbereich von Bebauungsplänen ist eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nur noch im unbeplanten Innenbereich zulässig; bei Außenbereichsflächen scheidet sie regelmäßig aus (vgl. § 35 Abs. 2 BauGB). Demgegenüber stellt § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS allein auf die tatsächliche bauliche oder gewerbliche Nutzung ab. Da Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen bereits von § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS und Grundstücke im unbeplanten Innenbereich bereits von § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS erfasst sind, ist der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS auf Außenbereichsgrundstück beschränkt. Aus der Konjunktion „oder“ in der genannten Bestimmung folgt auch, dass nach es für die Beitragspflicht nach dieser Bestimmung nicht zusätzlich auf den tatsächlichen Anschluss an die zentrale Abwasseranlage ankommen soll.

25

Die Vorschrift ist damit so zu verstehen, dass Außenbereichsgrundstücke bei bestehender Anschlussmöglichkeit der Beitragspflicht unterliegen, wenn sie tatsächlich baulich oder gewerblich genutzt werden. Dies ist mit dem Vorteilsprinzip nicht zu vereinbaren. Denn bei (bebauten) Außenbereichsgrundstücken ist die Vorteilslage – anders als bei Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im unbeplanten Innenbereich – erst gegeben, wenn das Grundstück an die zentrale Abwasseranlage tatsächlich angeschlossen ist (OVG Greifswald, Urt. v. 15.04.2009 – 1 L 205/07 –, juris Rn. 43).

26

Die Fehlerhaftigkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS schlägt aber ebenfalls nicht auf die übrigen Bestimmungen der Vorschrift durch. Denn deren Regelungsbereiche sind logisch von dem des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS trennbar. Die verbleibenden Regelungen des § 2 Abs. 1 SBS sind auch vollständig, denn die Bestimmungen decken die drei in Betracht kommenden Fallgruppen (Grundstücke im Geltungsbereich von Bebauungsplänen – § 2 Abs. 1 Buchst. a SBS, Grundstücke im unbeplanten Innenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. b SBS und Grundstücke im Außenbereich – § 2 Abs. 1 Buchst. d SBS) vollständig ab. Offen bleiben kann auch, ob und in welchem Umfang auf Grundlage des § 2 Abs. 1 Buchst. c SBS Beitragseinheiten auf der Flächenseite der Beitragskalkulation berücksichtigt worden sind. Deren Berücksichtigung wäre ist zwar unzulässig. Der – hier nur unterstellte – Fehler führt jedoch lediglich dazu, dass die Anzahl der Beitragseinheiten überhöht ist. Wegen der damit verbundenen Absenkung des (höchstzulässigen) Beitragssatzes führt dies nicht zu einer Benachteiligung der Beitragspflichtigen. Es liegt damit ein Fall der Teilnichtigkeit nach dem Rechtsgedanken aus § 139 BGB vor.

27

c. Der normierte Beitragssatz von 4,20 EUR/m² ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Er beruht auf einer ordnungsgemäßen Beitragskalkulation. Die gegen die Kalkulation erhobenen Einwände der Klägerinnen verfangen nicht.

28

aa. Zunächst ist nicht nachvollziehbar, warum die Aufwands- und Flächenermittlung anhand von 11 technischen Anlagen und der von diesen Anlagen erschlossenen Flächen nicht für das Verbandsgebiet repräsentativ sein soll. In den berücksichtigten Anlagen werden beinahe 80 v.H. des im Verbandsgebiet anfallenden Abwassers behandelt. Soweit in dem Einwand anklingt, dass die berücksichtigten „großen“ Anlagen nicht repräsentativ sind, weil die restlichen 20 v.H. des Abwassers in insgesamt 28 „kleinen“ technischen Anlagen behandelt werden, kann dem nicht gefolgt werden. Denn die Entscheidung, welche technischen Anlagen als repräsentativ angesehen werden, steht im Ermessen des Beklagten. Dieser hat sich offenbar davon leiten lassen, dass „große“ Anlagen für das Verbandsgebiet repräsentativ seien. Den Klägerinnen ist zwar zuzugeben, dass die Auswahl der repräsentativen Anlagen wohl auch unter Einbeziehung kleinerer Anlagen fehlerfrei hätte erfolgen können. Dies zwingt jedoch nicht zur Annahme eines Ermessensfehlers. Denn Ermessensentscheidungen sind dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel nicht eine, sondern mehrere zutreffende Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Aus der Möglichkeit, eine andere Auswahl zu treffen, kann daher nicht auf die Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung geschlossen werden.

29

bb. Soweit die Klägerinnen behaupten, die Anlage sei überdimensioniert, ist der Einwand unsubstantiiert. Da dieser Einwand trotz eines entsprechenden Hinweises in der mündlichen Verhandlung nicht näher begründet oder belegt worden ist, besteht auch kein Anlass für weitere Ermittlungen zu dieser Frage. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

30

cc. Nicht nachvollziehbar ist der Einwand, der Kalkulation könne nicht entnommen werden, „inwieweit der Aufwand für Erschließungsverträge vor 2005“ einbezogen sei. Denn Erschließungsverträge i.S.d. § 124 Baugesetzbuch a.F. (BauGB a.F.) sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass der Erschließungsträger die Kosten der so genannten „inneren Erschließung“ zunächst selbst trägt und über die Kaufpreis auf die Erwerber der von ihm erschlossenen Baugrundstücke abwälzt. Damit entsteht der Gemeinde bzw. dem Zweckverband insoweit kein beitragsfähiger Aufwand. Anhaltspunkte dafür, dass die genannten Erschließungsgebiete auf der Flächenseite der Kalkulation nicht berücksichtigt worden sind, bestehen nicht. Dies wird von den Klägerinnen auch nicht behauptet.

31

dd. Der an den Aufwand für die thermische Verwertung des im Rahmen der Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlamms anknüpfende Einwand ist ebenfalls unerheblich. Dabei kann offen bleiben, ob ein solcher Aufwand überhaupt beitragsfähig ist. Dies ist zweifelhaft, weil die Abwasserbeseitigung nach § 54 Abs. 2 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) nur das Entwässern von Klärschlamm im Zusammenhang mit der Abwasserbeseitigung umfasst. Die thermische Verwertung dient nicht der Abwasserbeseitigung, sondern der Abfallbeseitigung (und der Energiegewinnung). Daher spricht manches dafür, dass für die thermische Verwertung nicht das abwasserrechtliche, sondern das abfallrechtliche Regelungssystem gilt (zur Abgrenzung vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 24.01.2014 – 17 K 2868/11 –, juris Rn. 60 ff.). Ob eine Anlage, die möglicherweise dem Abfallrecht unterliegt, Bestandteil einer beitragsfähigen Abwasserbehandlungsanlage sein kann, ist fraglich.

32

Die Zweifel können jedoch auf sich beruhen. Die Beitragskalkulation (Stand 4. April 2012) weist zwei Varianten auf. Variante 1 basiert auf dem Aufwand unter Einschluss der Kosten der thermischen Verwertung. Im Rahmen der Variante 2 wurden die Kosten der thermischen Verwertung aus dem Gesamtaufwand herausgerechnet. Die Variante 2 weist aus, dass ein Beitragssatz von 4,20 EUR/m² einem angestrebten Deckungsgrad vom 75 v.H. entspricht. Diese Variante wurde ausweislich der Beschlussvorlage vom 4. Juni 2012 zur Beschlussfassung gestellt. Damit wurden die Kosten der thermischen Verwertung kalkulatorisch nicht berücksichtigt.

33

ee. Soweit sich die Klägerinnen gegen die Berücksichtigung des Aufwandes für Kanalsanierung und Beschichtungen wenden, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Maßgeblich ist nicht die Qualität einer bestimmten Einzelmaßnahme. Mit Blick auf das im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen geltende Gesamtanlagenprinzip kommt es für die Erhebung eines Herstellungsbeitrages nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V lediglich darauf an, ob sich die Einrichtung (noch) in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe nicht erreicht hat. Hat sie ihre Endausbaustufe dagegen erreicht, kommt eine Erneuerung i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 bzw. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in Betracht. Innerhalb dieser beiden Phasen ist die Einordnung einer bestimmten Einzelmaßnahme entbehrlich. So ist es in Fällen, in denen die Anlage ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, ohne Belang, ob die Umgestaltung eines vorhandenen Mischwasserkanals in einen Schmutz- und einen Niederschlagswasserkanal einen „Umbau“ darstellt, ob die Anbindung eines neu entstandenen Wohngebiets eine „Erweiterung“ oder ob der Austausch einzelner Komponenten eines Klärwerks eine „Verbesserung“ darstellt. Denn bei den genannten Maßnahmen handelt sich jeweils um unselbstständige Kostenfaktoren des Merkmals „Herstellung“. Diese Betrachtungsweise entspricht der ständigen Rechtsprechung des OVG Greifwald zu § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 (vgl. Beschl. v. 21.04.1999 – 1 M 12/99 –, juris Rn. 22; Beschl. v. 04.04.2001– 1 M 21/00 –, juris Rn. 19) und zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (eingehend: OVG Greifswald, Beschl. v. 13.02.2013 – 4 K 16/10 –, juris Rn. 20).

34

Aus denselben Erwägungen ist auch der prognostizierte Aufwand für die Kanalnetze in B., A-Stadt und S. nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass diese Anlagenteile Bestandteil der beitragsfähigen und der gebührenfähigen öffentlichen Einrichtung sind, schließt es nicht aus, dass an ihnen beitragsfähige Maßnahmen (Herstellungsbeitrag) durchgeführt werden.

35

ff. Ebenfalls unzutreffend ist der Einwand, die Kalkulation sei fehlerhaft, weil es der Beklagte versäumt habe, die auf die Anlagewerte entfallenden Abschreibungen aufwandsmindernd zu berücksichtigen. Eine solche Berücksichtigung ist in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V nicht vorgesehen. Hiernach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Bei den gemäß § 6 Abs. 2 und 2a KAG M-V im Rahmen der Gebührenkalkulation zu berücksichtigenden Abschreibungen handelt sich insbesondere nicht um Leistungen Dritter i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Soweit die Klägerinnen zum Beleg ihrer gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 14. November 2013 (– OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 51) verweisen, kann dem für die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern nicht gefolgt werden. Insbesondere besteht nicht die Gefahr einer Doppelbelastung mit Herstellungsbeiträgen und um Abschreibungen erhöhte Benutzungsgebühren. Denn die Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 und 2a KAG M-V dienen nicht der Finanzierung der Herstellung der beitragsfähigen Einrichtung, sondern ihrer Erneuerung (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in dem Beschluss vom 6. November 2012 (– 9 BN 2/12 –, juris Rn. 3) zur Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

36

Die von dem Antragsteller angesprochene Problematik der Doppelbelastung durch Gebühren und Beiträge kann sich im Falle eines Systemwechsels, insbesondere bei der Umstellung des Finanzierungssystems von einer Beitragsfinanzierung auf eine reine Gebührenfinanzierung sowohl der Herstellungs- als auch der laufenden Kosten einschließlich der Abschreibungen stellen, nicht dagegen dann, wenn von Anfang an der "Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen" (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG Mecklenburg-Vorpommern - KAG M-V) durch Anschlussbeiträge finanziert wird und die gleichzeitig erhobenen Benutzungsgebühren nicht zur Refinanzierung der Herstellungskosten, sondern zur Abdeckung der übrigen Kosten der Einrichtung dienen. Mit der Rüge, eine Doppelbelastung liege darin, dass er über Abschreibungen die Investitionskosten "tilge", übersieht der Antragsteller, dass Abschreibungen nicht der Tilgung von Herstellungskosten, sondern dazu dienen, den eintretenden Wertverzehr der Anlagegüter in der Rechnungsperiode abzugelten, um die Ersatzbeschaffung der Anlagegüter nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer zu finanzieren (…). Eine Doppelbelastung kann daher in der vorliegenden Konstellation allenfalls dann entstehen, wenn zu einem späteren Zeitpunkt für die Erneuerung der abgeschriebenen Anlage Beiträge ohne Anrechnung der durch Gebühren bereits finanzierten Abschreibungen erhoben werden sollten (…).

37

Dem ist aus Sicht der Kammer nichts hinzuzufügen.

38

gg. Schließlich leidet die Kalkulation nicht an einem abgeleiteten Fehler, denn die Definition der beitragsfähigen öffentlichen Einrichtung in der Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über den Anschluss an die öffentlichen zentralen Abwassereinrichtungen und ihre Benutzung (Abwasseranschlusssatzung – AAS) vom 21. Juni 2012 begegnet keinen Bedenken. Die ordnungsgemäße Definition des Umfangs der öffentlichen Einrichtung ist Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Abgabenkalkulation, weil nur auf Grundlage einer ordnungsgemäßen Einrichtungsdefinition der beitragsfähige Aufwand ermittelt werden kann. Daher muss die Einrichtungsdefinition in sich widerspruchsfrei sein. Dies ist entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch in Ansehung der Grundstücksanschlüsse der Fall, die im Geschäftsgebiet des Zweckverbandes zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass der diesbezügliche Aufwand im Rahmen der Beitragskalkulation berücksichtigungsfähig ist (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V).

39

Insoweit bestimmt § 2 Nr. 5 Buchst. b AAS in nicht zu beanstandender Weise, dass die dort näher definierten Grundstücksanschlüsse zu den öffentlichen Abwassereinrichtungen gehören. Hierzu steht § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS nur scheinbar im Widerspruch. Nach dieser Vorschrift ist der Grundstücksanschluss Bestandteil der öffentlichen Einrichtung, soweit die öffentliche Abwasseranlage nach dem 20. Juli 1999 hergestellt wurde. Den Klägerinnen ist zuzugeben, dass die Vorschrift insoweit missverständlich ist, als von der Herstellung der „öffentlichen Abwasseranlage“ und nicht von der Herstellung des Grundstücksanschlusses die Rede ist. Diese Unklarheit lässt sich jedoch ohne weiteres durch Auslegung der Bestimmung beseitigen. Hierfür ist das in § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS enthaltene Datum von maßgeblicher Bedeutung. Denn in dem am 20. Juli 1999 erschienenen Amtsblatt des damaligen Landkreises Rügen Nr. 59 erfolgte die Bekanntgabe der Abwasseranschlusssatzung vom 13. Juli 1999. Diese Satzung sah die Einbeziehung der Grundstücksanschlüsse in die öffentliche Einrichtung erstmals vor. Nach der zuvor geltenden Abwassersatzung vom 2. März 1995 war dies nicht der Fall (vgl. § 2 Nr. 5 Abwassersatzung 1995). Da die vor dem 20. Juli 1999 hergestellten Grundstücksanschlüsse nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung sind, darf deren Herstellungsaufwand in der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden; dieser Aufwand war über Kostenersatzansprüche (vgl. § 10 Abs. 2 KAG M-V) zu decken. Daraus folgt, dass die Grundregel des § 2 Nr. 5 Buchst. b AAS einer Präzisierung in zeitlicher Hinsicht bedarf. Nichts anderes ist in § 2 Nr. 8 Satz 2 AAS geschehen.

40

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Insbesondere ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V mit dem Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. Juni 2012 entstanden. Nach dieser Bestimmung, an deren Verfassungsgemäßheit auch mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (–1 BvR 2457/08 –) keine Zweifel bestehen (eingehend: OVG Greifswald, Urt. v. 01.04.2014 – 1 L 142/13 –, S. 22 ff. des Entscheidungsumdrucks), entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Die Vorschrift gibt damit keine bestimmte zeitliche Reihenfolge für das Vorliegen der Entstehungsvoraussetzungen der sachlichen Beitragspflicht vor. Ausreichend – aber auch erforderlich – ist das Vorliegen eines Anschlusses bzw. einer Anschlussmöglichkeit des Grundstücks und die Existenz einer wirksamen Beitragssatzung. Liegen beide Voraussetzungen vor, so entsteht ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge ihres Eintritts die sachliche Beitragspflicht. Daraus folgt, dass bei Grundstücken, die – wie hier – vor dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung an die Anlage angeschlossen worden sind, die sachliche Betragspflicht gleichwohl erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entsteht.

41

Die am 22. Juni 2012 bekannt gemachte Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung ist die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht ablaufen, denn die vor dem 22. Juni 2012 Geltung beanspruchenden Satzungen des Zweckverbandes sind allesamt unwirksam. Die in der Schmutzwasserbeseitigungsbeitragssatzung vom 21. Juni 2010 normierte Tiefenbegrenzung von 50 m beruht, wie bereits in dem gegenüber den Beteiligten ergangenen Urteil vom 11. Juli 2011 dargelegt, nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet. Sie ist damit unwirksam. Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an, so dass von einer Einzeldarstellung – auch zusätzlicher Fehler – abgesehen werden kann.

42

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

1

Die Beschwerde, die sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache stützt, bleibt ohne Erfolg.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Frage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

3

Die Beschwerde will geklärt wissen,

ob eine Entwässerungsgebührensatzung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn die Festsetzung der Niederschlagswassergebühren ausschließlich von der Größe der versiegelten Fläche des jeweiligen Grundstücks abhängig gemacht wird und ausschließlich die Grundstückseigentümer als Gebührenschuldner herangezogen werden, deren versiegelte Grundstücksfläche den festgelegten Maßstab überschreitet.

4

Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in dem erstrebten Revisionsverfahren so nicht stellen würde. Die Beschwerde geht von einer unzutreffenden Prämisse aus, indem sie unterstellt, nach der einschlägigen landesrechtlichen Gebührenregelung (Entwässerungsgebührenortsgesetz - EGebOG - i.d.F. vom 2. Januar 2011, Brem.GBl. S. 17) würden Gebühren für Niederschlagswasser nur bei Grundstücken mit einer an das öffentliche Kanalsystem angeschlossenen versiegelten Fläche von 1 000 m² oder mehr erhoben, während für Grundstücke mit einer versiegelten Fläche von weniger als 1 000 m² nur eine Schmutzwassergebühr zu zahlen sei. Damit verkennt sie, dass die Eigentümer kleinerer Grundstücke, auch soweit sie keinen Antrag auf getrennte Veranlagung stellen (§ 4 Abs. 2 EGebOG), nicht die reine Schmutzwassergebühr, sondern die höhere - einen pauschalen Niederschlagswasserkostenanteil enthaltende - Abwassergebühr zu entrichten haben (§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1 EGebOG). Von einer "Doppelbelastung" der Eigentümer größerer Grundstücke kann daher entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht die Rede sein.

5

Unabhängig davon zeigt die Beschwerde einen grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich des Art. 3 Abs. 1 GG nicht auf. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vermag die Rüge der Nichtbeachtung von Bundesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft; die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit sowie die Entscheidungserheblichkeit in dem anhängigen Verfahren sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 8. Mai 2008 - 6 B 64.07 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 13. Mai 2008 - 9 B 19.08 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 107 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Hinweis der Beschwerde auf eine ersichtlich nicht einschlägige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - NJW 2015, 303 zur Privilegierung des Betriebsvermögens bei der Erbschaftssteuer) kann die Formulierung einer konkreten, aber fallübergreifenden Frage und die Darlegung ihrer Klärungsbedürftigkeit und Entscheidungserheblichkeit nicht ersetzen.

6

Das Bundesverwaltungsgericht hat zudem bereits eingehend zu den Vorgaben Stellung genommen, die sich aus dem Äquivalenzprinzip und dem Gleichheitssatz für die Ausgestaltung des Maßstabes von Entwässerungsgebühren ergeben. Beide Grundsätze fordern danach in Verbindung miteinander, dass die Benutzungsgebühr nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, also nicht in einem groben Missverhältnis zu der Leistung der Verwaltung steht. In Anbetracht des Gestaltungsspielraums des Normgebers kann nicht verlangt werden, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Vielmehr sind Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen zulässig, solange die dadurch entstehende Ungleichbehandlung noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht (s. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 25. März 1985 - 8 B 11.84 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 53 S. 39, vom 19. September 2005 - 10 BN 2.05 - juris Rn. 8 und vom 20. September 2007 - 9 BN 2.07 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 105 Rn. 5, jeweils m.w.N.).

7

Auf der anderen Seite ist allerdings auch geklärt, dass der Grundsatz der Typengerechtigkeit nur auf solche Sachbereiche Anwendung findet, in denen eine ausgeprägt an der Benutzungsintensität ausgerichtete Gebührengestaltung unproblematisch möglich ist und die Zahl der Ausnahmen, bei denen eine Differenzierung nach der Benutzungsintensität entfällt, ohne unangemessenen erhebungstechnischen Aufwand gering gehalten werden kann (BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 2011 - 9 B 41.11 - juris Rn. 2 und vom 2. April 2013 - 9 BN 4.12 - juris Rn. 2). Um eine solche Gebührengestaltung geht es bei der Anwendung des Frischwassermaßstabes auf eine Niederschlagswassergebühr nicht, denn zwischen dem Wasserverbrauch und der Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers besteht kein direkter Zusammenhang. Daher können die Gebühren für die Beseitigung des Niederschlagswassers im Wesentlichen nur dann wie die Schmutzwassergebühren nach dem Wasserverbrauch bemessen werden, wenn der Anteil der Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung an den gesamten Entwässerungskosten geringfügig ist, d.h. nicht mehr als 12 % beträgt (BVerwG, Beschlüsse vom 25. März 1985 - 8 B 11.84 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 53 S. 39 und vom 2. April 2013 - 9 BN 4.12 - juris Rn. 2). Ein Vorbehalt ist allenfalls für solche Fallgestaltungen gerechtfertigt, in denen die Umstellung auf einen flächenbezogenen Maßstab ohne unvertretbaren finanziellen Aufwand nicht möglich oder ein besonderer Ausgleich für Benachteiligungen, insbesondere durch eine Gebührendegression für Wassergroßverbraucher, vorgesehen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Mai 2008 - 9 B 19.08 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 107 Rn. 7 und vom 2. April 2013 - 9 BN 4.12 - juris Rn. 2).

8

Einen darüber hinausgehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde - unbeschadet der vom Senat geteilten Zweifel, ob das Oberverwaltungsgericht die vorbezeichneten Rechtsgrundsätze zutreffend auf den Streitfall angewendet hat - nicht auf. Soweit zwischen den Beteiligten Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob die Anwendung eines uneingeschränkt flächenbezogenen Maßstabes für die Niederschlagswassergebühr unter den hier vorliegenden Umständen zu einem unvertretbaren Mehraufwand führen würde, fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts. Rechtsfragen, die sich in einem Revisionsverfahren erst auf der Grundlage weiterer, von der Vorinstanz nicht festgestellter Tatsachen stellen würden, können die Zulassung der Revision regelmäßig - und auch hier - nicht rechtfertigen (stRspr, s. BVerwG, Beschlüsse vom 17. März 2000 - 8 B 287.99 - BVerwGE 111, 61 <62> und vom 11. Juli 2014 - 9 B 58.13 - juris Rn. 11). Das Oberverwaltungsgericht hat zwar angenommen, dass für das umstrittene Gebührenmodell im Hinblick auf die spezifische Siedlungsstruktur in Bremen "gewichtige Gründe der Verwaltungspraktikabilität" sprächen; eine Ermittlung der konkreten Entwässerungsverhältnisse für jedes einzelne auch der kleineren Grundstücke mit einer an die Kanalisation angeschlossenen Fläche von weniger als 1 000 m² hätte einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand zur Folge. In diesem Zusammenhang hat sich das Oberverwaltungsgericht aber nicht mit möglichen Typisierungen bei der Ausgestaltung einer durchgehend flächenbezogenen Niederschlagswassergebühr auseinandergesetzt (vgl. etwa VGH München, Urteil vom 29. April 1999 - 23 B 97.1628 - juris Rn. 38 und Beschluss vom 4. August 2014 - 20 ZB 14.576 - ZfW 2015, 20 = juris Rn. 4 m.w.N. zum Maßstab eines "Gebietsabflussbeiwertes" im Sinne eines Mittelwertes für den statistisch zu erwartenden Anteil der bebauten und befestigten Flächen an der Gesamtgrundstücksfläche) und dazu keine tatsächlichen Feststellungen getroffen. Soweit auf der Grundlage solcher Feststellungen die Erhebung einer separaten Niederschlagswassergebühr keinen unvertretbaren Mehraufwand verursachen und daher bundesrechtlich geboten sein sollte, stehen die betreffenden Rechtsgrundsätze ersichtlich, ohne dass dies in einem Revisionsverfahren geklärt werden müsste, nicht in der Weise zur Disposition des Einzelnen, dass eine verfassungskonforme Gebührenerhebung je nach Grundstücksgröße von einer besonderen Antragstellung des jeweiligen Gebührenschuldners abhängig gemacht werden könnte (vgl. auch VG Regensburg, Urteil vom 23. September 2009 - RN 3 K 08.01610 - juris Rn. 44 zum sog. "Freiburger Modell").

9

Soweit die Klägerin als Eigentümerin eines Grundstücks mit mehr als 1 000 m² versiegelter Fläche sinngemäß die Teilnichtigkeit der angegriffenen Regelung im Hinblick auf eine unzureichende Trennung von Schmutzwassergebühr und Niederschlagswassergebühr für kleinere Grundstücke rügt, stehen wiederum diejenigen Grundsätze fest, nach denen die Teilnichtigkeit einer Norm zu deren Gesamtnichtigkeit führt. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung davon abhängig, ob - erstens - die Beschränkung der Nichtigkeit eine mit höherrangigem Recht vereinbare sinnvolle (Rest-) Regelung des Lebenssachverhalts belässt und ob - zweitens - ein entsprechender hypothetischer Wille des Normgebers angenommen werden kann (vgl. BVerfG, Urteile vom 28. Mai 1993 - 2 BvF 2/90 u.a. - BVerfGE 88, 203 <333> und vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 - NJW 2015, 303 Rn. 97 ff.; s. zu kommunalabgabenrechtlichen Satzungen auch BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 2008 - 9 B 40.08 - Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 56 Rn. 13 und vom 13. Januar 2012 - 9 B 56.11 - Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 42 Rn. 5, jeweils m.w.N.). Ob das Berufungsgericht aus den anerkannten Rechtsgrundsätzen die richtigen Folgerungen gezogen hat, ist auch in diesem Zusammenhang nicht von allgemeiner Bedeutung.

10

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 24. Mai 2005 - 4 A 1095/04 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 3.135,11 Euro festgesetzt.

Gründe

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des Grundstücks F.straße … (Gemarkung Güstrow, Flur …, Flurstück ...) in Güstrow gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigung in Höhe von 3.135,11 Euro durch den Beklagten. Die der Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung bzw. die Beitragserhebung sei rechtswidrig.

2

Der nach Zustellung des angefochtenen klageabweisenden Urteils am 27. Juli 2005 fristgemäß (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO) am 26. August 2005 gestellte und mit am 27. September 2005 per Telefax auch beim Oberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso fristgerecht begründete (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Unabhängig von der Frage der hinreichenden Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegt der zunächst zur Begründung angeführte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) jedenfalls in der Sache nicht vor.

4

In der Sache sieht der Senat diesen Zulassungsgrund als gegeben an, wenn die Zulassungsschrift - gegebenenfalls i.V.m. einem weiteren innerhalb der Antragsfrist eingegangenen Schriftsatz - Anlass gibt, das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Damit ist gesagt, dass sich der Begriff der ernstlichen Zweifel nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen kann, sondern zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen hat. So liegen etwa in den Fällen, in denen zwar die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung ersichtlich unzutreffend ist, eine andere tragfähige Begründung sich dem Senat aber ohne weiteres aufdrängt, ernstliche Zweifel im Sinne des Zulassungsrechts nicht vor. Ernstliche Zweifel können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend überschauen lassen, die Zulassungsschrift aber dem Senat die Einsicht vermittelt, dem Rechtsmittel seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen (OVG Greifswald, Beschluss vom 02.06.1998 - 1 O 23/98 -, NordÖR 1998, 306; Beschluss vom 05.08.1998 - 1 L 74/97 -, NVwZ-RR 1999, 476).

5

Gemessen an dem vorstehend erläuterten Maßstab ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gegeben.

6

Das zentrale Argument des Prozessbevollmächtigte des Klägers geht dahin, für sog. "altangeschlossene" Grundstücke wie das des Klägers, der bereits im Jahre 1941 einen "Anschlussbeitrag" gezahlt habe, dürfe nicht "nochmals", nunmehr gestützt auf § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. die entsprechende Anschlussbeitragssatzung der Stadt Güstrow ein Anschlussbeitrag erhoben werden, weil dies gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verstoße.

7

Mit der Problematik der sog. "altangeschlossenen" Grundstücke hat sich das Oberverwaltungsgericht und speziell auch der Senat bereits in der Vergangenheit auseinandergesetzt; an diese Rechtsprechung knüpft das angefochtene Urteil auf dessen zutreffende Erwägungen verwiesen wird (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), an. Die dagegen vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Gründe greifen nicht durch. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 18. Oktober 2005 - 1 L 197/05 - (NordÖR 2006, 160) unter Fortführung der bisherigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts im Übrigen nochmals bekräftigt, dass von den altangeschlossenen Grundstücken ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann, insbesondere auch wenn vor 1945 bereits Abgaben für einen Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation entrichtet worden sind. Der Senat hat u.a. ausgeführt:

8

"1. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist geklärt, dass von den so genannten altangeschlossenen Grundstücken, zu denen auch das hier streitige Grundstück gehört, ein Herstellungsbeitrag erhoben werden kann.

9

Die beitragsrechtliche Frage, wie mit den Kosten einer bereits zu DDR-Zeiten entstandenen (Schmutzwasser-)Beseitigungsanlage umzugehen ist, ist zwar auch mehr als ein Jahrzehnt nach In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze der neuen Länder nach wie vor in der Diskussion (siehe z.B. Hentschke , LKV 2004, 447, für das Recht von Brandenburg; Aussprung , LKV 2005, 202, für Mecklenburg-Vorpommern; Abgeordneter Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984; Abgeordnete Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987; ferner die Landtagsdrucksachen im Verfahren zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes 4/1101, 4/1106, 4/1230 und 4/1307; schließlich die öffentliche Anhörung des federführenden Innenausschusses des Landtages vom 10. November 2004).

10

Die genannte Frage ist jetzt durch den Landesgesetzgeber inzident entschieden: Der Landesgesetzgeber hat sich - in Kenntnis der oben genannten Diskussion - nicht zu einer ausdrücklichen Änderung des Kommunalabgabengesetzes im Hinblick auf die Altanschließerproblematik entschlossen. Dies ergibt sich mittelbar auch aus den Stellungnahmen des Abgeordneten Müller , SPD, bei der Schlussabstimmung über das KAG M-V 2005 im Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2984 und der Abgeordneten Schulz , PDS, a.a.O., S. 2987.

11

Auf der Grundlage der weiter geltenden Gesetzeslage ist die folgende zwischenzeitig gefestigte Rechtsprechung des OVG Greifswald entstanden, die daher nach wie vor aktuell ist:

12

Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83). Da die Abgaben erhebenden Behörden nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen geschaffen haben, darf und muss ein Herstellungsbeitrag erhoben werden. Der Begriff der öffentlichen Einrichtung ist rechtlich (d.h. im beitragsrechtlichen Sinne), nicht aber tatsächlich zu verstehen (OVG Greifswald, Urteil vom 15. November 2000 - 4 K 8/99 -, LKV 2001, 516 = VwRR MO 2001, 175 = ZKF 2001, 160 = KStZ 2001, 174 = DÖV 2001, 610 = DVBl. 2001, 1376 = Überblick 2001, 249). Es ist daher rechtlich geboten, auch so genannte altangeschlossene Grundstücke mit Herstellungsbeiträgen zu belasten (OVG Greifswald, Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; vgl. auch OVG Greifswald, Beschluss vom 12. Mai 2005 - l L 477/04 -; OVG Greifswald, Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -).

13

Im Urteil vom 30. 6. 2004 - 4 K 34/02 - (NJ 2004 S. 573 = LKV 2005 S. 76 = Überblick 2004 S. 623 = NordÖR 2004 S. 417 = BauR 2005 S. 150) hat das OVG Greifswald entschieden:

14

"Die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für altangeschlossene bzw. neu anschließbare Grundstücke ist im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. l GG nicht vereinbar.

15

Die an einen Mischwasserkanal altangeschlossenen Grundstückseigentümer werden im konkreten Fall ohne sachlichen Grund bevorteilt; sie haben nur einen Beitrag nach dem Beitragssatz I zu entrichten und können dafür sowohl Schmutz- als auch Niederschlagswasser entsorgen. Schlechtergestellt werden demgegenüber die Fälle der Neuanschlüsse an einen Niederschlagswasserkanal. (Nur) hier entsteht zusätzlich auch ein Beitrag nach dem Beitragssatz II."

16

Ein Herstellungsbeitrag ist auch dann zu erheben, wenn der Betreiber der Abwasserbeseitigung eine Altanlage "übernommen" hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, LKV 2000, 161 = NordÖR 1999, 302 = VwRR MO 2000, 60 = KStZ 2000, 118 = DVBl. 1999, 1669 = Überblick 1999, 471).

17

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA.

18

Die geltende Rechtslage, wonach auch die so genannten "altangeschlossenen" Grundstücke zu (Herstellungs-)Beiträgen heranzuziehen sind, erscheint keineswegs unbillig. Hier tut sich keine sog. "Gerechtigkeitslücke" auf. Beitragsfähig sind nämlich nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind. Damit geht der Einwand, der in zahlreichen Prozessen erhoben worden ist, die Anlage sei bereits zu DDR-Zeiten "schon einmal bezahlt worden", ins Leere. Die heute erhobenen Beiträge betreffen lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung. Dieser Gesichtspunkt geht in der (fach-)öffentlichen Diskussion zumeist unter. Er ist aber bei den Beratungen über das Kommunalabgabengesetz 2005 durchaus im Landtag auch in dieser zutreffenden Art und Weise erörtert worden (siehe den Redebeitrag der Abgeordneten Schulz , PDS, Landtagsprotokoll 4/53 vom 9. März 2005, S. 2987).

19

Anderer Ansicht ist z.B. das OVG Magdeburg (Urteil vom 4. Dezember 2003 - 1 L 226/03 -, DVBl. 2004, 588 = LKV 2004, 514) unter Verweise auf die besondere Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA (Stichtagsregelung). Nach § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA entsteht eine Beitragspflicht nicht für Investitionen, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes abgeschlossen wurden. Die sich aus dieser Vorschrift ergebende Differenzierung zwischen angeschlossenen und anzuschließenden Grundstücken verstoße - so führt das OVG Magdeburg (Urt. vom 4. 12. 2003 a.a.O.) aus - nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber habe berücksichtigen dürfen, dass der Anschluss an eine Abwasserbeseitigungseinrichtung nach den faktischen Verhältnissen auch vor In-Kraft-Treten des KAG und der Kommunalverfassung dauerhaft gesichert gewesen sei. Der sachliche Grund für die vom Gesetzgeber mit § 6 Abs. 6 Satz 3 KAG LSA vorgesehene Differenzierung liege darin, dass sich der Gesetzgeber von der Annahme habe leiten lassen dürfen, dass die Anschlussmöglichkeit für die Grundstückseigentümer, die vor In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes an eine leitungsgebundene Einrichtung angeschlossen gewesen seien, jedenfalls faktisch dauerhaft gesichert gewesen sei, sodass den Grundstückseigentümern eine dem § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA der Sache nach gleichkommende Vorteilslage bereits vor dem In-Kraft-Treten des Kommunalabgabengesetzes geboten worden sei. Damit habe der Gesetzgeber den faktischen Verhältnissen in der ehemaligen DDR Rechnung getragen.

20

Dieser Auffassung kann so nicht gefolgt werden. Sie läuft in der Sache darauf hinaus, dass die von den heute Abgaben erhebenden Körperschaften nach der Wende, aber vor In-Kraft-Treten der Kommunalabgabengesetze getätigten Investitionen allein auf die Neuanschlussnehmer umgelegt werden müssten. Hierin ist, wie oben ausgeführt, ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen. Vom OVG Magdeburg wird in der genannten Entscheidung, in der ausdrücklich auf die gegenteilige Ansicht des OVG Greifswald hingewiesen wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 -, a.a.O.), der rechtliche Gesichtspunkt, dass Beiträge nur die nach der Wende getätigten Investitionen refinanzieren sollen, nicht hinreichend in den Blick genommen. Außerdem sind in Sachsen-Anhalt dann die nicht über Herstellungsbeiträge zu deckenden Kosten über Verbesserungsbeiträge refinanzierbar ( Klausing in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 3/05, § 8 Rn. 1057b), was zu wirtschaftlich vergleichbaren Ergebnissen führt.

21

2. Ferner ist in der Rechtsprechung des OVG Greifswald geklärt, dass im Anschlussbeitragsrecht nach der Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. die sachliche Beitragspflicht erst im Zeitpunkt hat entstehen können, zu dem eine wirksame Beitragssatzung erlassen worden ist. Der von der Klägerseite erhobene Verjährungseinwand schlägt daher fehl.

22

Die (auch) in Mecklenburg-Vorpommern anzutreffende gesetzliche Regelung, dass im Bereich der Anschlussbeiträge die (sachliche) Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten einer Satzung entsteht (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F., jetzt § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), wird in ständiger Rechtsprechung vom OVG Greifswald (so bereits Beschluss vom 8. April 1999 - 1 M 41/99 -, n.v.) dahin gehend verstanden, dass es sich hierbei um eine wirksame Satzung handeln muss. Dies entspricht auch der seit dem 31. März 2005 in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Gesetzeslage. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V spricht von der "ersten wirksamen Satzung".

23

Diese Ansicht (zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V a.F.) wurde in der Rechtsprechung zunächst nahezu einheitlich vertreten. Erst nachdem das OVG Münster (Urt. vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, 535) unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung hergeleitet hat, dass auch eine nicht wirksame (d.h. ungültige, nichtige) Satzung für den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht relevant ist, ist die Diskussion in Gang geraten. Das OVG Münster hat seine Auffassung damit begründet, der Zweck des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW erschöpfe sich darin, den Gemeinden eine ordnungsgemäße verwaltungstechnische Abwicklung der Vielzahl von Beitragsfällen zu ermöglichen, die mit dem In-Kraft-Treten des KAG NRW am 1. Januar 1970 (!) entstanden wären. Dieser Auffassung hat sich das OVG Frankfurt/Oder (Urt. vom 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE -, LKV 2001, 132 = VwRR MO 2000, 410) im Ergebnis angeschlossen. Da aus diesem Grunde die Gefahr einer Verjährung von Beitragsforderungen drohte, ist in Brandenburg der Landesgesetzgeber im Jahre 2003 tätig geworden und hat in § 8 Abs. 7 S. 2 BbgKAG klargestellt, dass die Beitragspflicht frühestens mit In-Kraft-Treten der "rechtswirksamen" Satzung entsteht.

24

Das OVG Greifswald (zuletzt im Beschluss vom 3. Mai 2005 - 1 L 56/04 -; ferner im Beschluss vom 11. August 2004 - 1 M 181/04 -; Beschluss vom 29. Juni 2004 - 1 L 288/04 -; Urteil vom 2. Juni 2004 - 4 K 38/02 -, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschluss vom 2. Dezember 2003 - 1 M 72/03 -; auch Urteil vom 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132 = NVwZ-RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; auch Becker , KStZ 2001, 181) ist der vom OVG Münster beziehungsweise OVG Frankfurt/Oder vertretenen Rechtsauffassung nachdrücklich entgegengetreten und hat an seiner ständigen Rechtsprechung zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F., wonach es für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auf das In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung ankommt, festgehalten. Zudem hat der Landesgesetzgeber durch § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V eventuelle letzte Zweifel ausgeräumt.

25

Da es sich bei den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes und auch der Abgabenordnung, soweit sie über § 12 Abs. 1 KAG (a. F. bzw. M-V) Anwendung findet, um Landesrecht handelt, ist es rechtlich nicht erheblich, dass für andere Landesrechte andere Oberverwaltungsgerichte eventuell eine andere Rechtsauffassung zu ähnlichen Rechtsfragen vertreten haben bzw. vertreten.

26

3. Soweit sich die Klägerseite in der Begründungsschrift auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, weil das Verwaltungsgericht ihr Vorbringen nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe, verleiht dies der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Der weitere Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist von Klägerseite nicht geltend gemacht worden. Im Übrigen liegt ein Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, auch in der Sache nicht vor.

27

a) Das von Klägerseite zitierte Kapitel des Einigungsvertrages (Kap. XIV Abschnitt II Zif. 11) ist dann auch in das Bundesrecht übernommen worden (heute § 242 Abs. 9 BauGB). Wie bereits dem von Klägerseite zitierten Wortlaut des Einigungsvertrages entnommen werden kann, bezieht sich diese Regelung ausschließlich auf Erschließungsbeiträge nach Bundesrecht (BauGB). Darum geht es im vorliegenden Fall indes nicht. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Erhebung eines Anschlussbeitrages nach Landesrecht.

28

b) Rechtlich nicht relevant ist, ob nach dem von Klägerseite zitierten Landesabgabengesetz vom 07. April 1934 seinerzeit hätten Abgaben welcher Art auch immer für einen Anschluss eines Grundstücks an eine Kanalisation erhoben werden können. In der Rechtsprechung des OVG Greifswald ist nämlich ferner geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften bezieht. Das bedeutet, dass selbst in dem Falle, dass auf der Grundlage des Landesabgabengesetzes von 1934 eine einem Beitrag vergleichbare Entgeltabgabe entrichtet worden ist, das Grundstück nach der Wende zu einem Herstellungbeitrag nach dem KAG 1993 herangezogen werden kann. Der Einwand der Einmaligkeit der Beitragerhebung greift somit nicht durch. So führt auch das OVG Bautzen, Beschluss vom 24. Oktober 1996 - 2 S 175/96 -, LKV 1997, 219, zu Recht aus:

29

"Gegen eine unter dem SächsKAG entstehende Beitragspflicht bestehen auch unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Bedenken, wenn vor 1945 schon einmal ein Beitrag erhoben wurde oder hätte erhoben werden können. Der Mangel an Rechtskontinuität der Abgaben erhebenden Behörden hat zur Folge, dass vor 1945 entrichtete Beiträge keine Sperrwirkung unter dem Gesichtspunkt der Einmaligkeit der Beitragserhebung entfalten können. Eine erneute Beitragserhebung ist also ohne Berücksichtigung und Anrechnung der vor 1945 gezahlten 'Altbeiträge' zulässig."

..."

30

Insbesondere der Umstand, dass die heute vom Beklagten erhobenen Beiträge lediglich "Nachwendeinvestitionen" in die öffentliche Einrichtung betreffen, macht deutlich, dass sich die Problematik des Rückwirkungsverbotes gar nicht stellt und auch nicht von einer "nochmaligen" Beitragserhebung in dem Sinne, dass der Kläger für dieselbe Sache/Einrichtung im Rechtssinne ein zweites Mal zahlen müsste, ausgegangen werden kann.

31

Aus den vorstehenden Gründen bzw. wegen der in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts geklärten Rechtslage ergibt sich zugleich, dass die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache) und Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) jedenfalls nicht vorliegen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 47 GKG.

33

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

34

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit auf Antrag über die Gültigkeit

1.
von Satzungen, die nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 des Baugesetzbuchs
2.
von anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen. Er ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, welche die Rechtsvorschrift erlassen hat. Das Oberverwaltungsgericht kann dem Land und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, deren Zuständigkeit durch die Rechtsvorschrift berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung binnen einer zu bestimmenden Frist geben. § 65 Abs. 1 und 4 und § 66 sind entsprechend anzuwenden.

(2a) (weggefallen)

(3) Das Oberverwaltungsgericht prüft die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist.

(4) Ist ein Verfahren zur Überprüfung der Gültigkeit der Rechtsvorschrift bei einem Verfassungsgericht anhängig, so kann das Oberverwaltungsgericht anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des Verfahrens vor dem Verfassungsgericht auszusetzen sei.

(5) Das Oberverwaltungsgericht entscheidet durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluß. Kommt das Oberverwaltungsgericht zu der Überzeugung, daß die Rechtsvorschrift ungültig ist, so erklärt es sie für unwirksam; in diesem Fall ist die Entscheidung allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre. Für die Wirkung der Entscheidung gilt § 183 entsprechend.

(6) Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist.

Tenor

Die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 23. Dezember 2009 wird für unwirksam erklärt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt (Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück 48) mit einer Größe von 11.000 qm. Er ist für sein im Bereich des beklagten Verbandes liegendes Grundstück bisher nicht zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden.

2

Die Verbandsversammlung des Antragsgegners beschloss am 4. Dezember 2006 die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz (TBS). Die Satzung wurde am 14. Dezember 2006 von der Verbandsvorsteherin ausgefertigt und am 6. Januar 2007 öffentlich bekanntgemacht. Am 5. November 2007 beschloss die Verbandsversammlung die Erste Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz. Diese Satzung wurde am 15. November 2007 ausgefertigt. Sie ändert die in § 4 d) TBS enthaltene Regelung über die Tiefenbegrenzung von im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich liegenden Grundstücken. Der dem Satzungsbeschluss zugrundeliegenden Vorlage (Nr. 09-1/2007) beigefügt war eine fünfseitige "Dokumentation der Ermessenserwägungen bezüglich Auswahl, Ermittlung und Festsetzung einer qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern". Mit der am 21. Dezember 2009 beschlossenen und am 23. Dezember 2009 ausgefertigten Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung wurde § 5 TBS dahingehend geändert, dass der Beitragssatz je Quadratmeter bevorteilter Grundstücksfläche nicht mehr wie zuvor 6,- Euro einschließlich Umsatzsteuer, sondern nunmehr 5,04 Euro zuzüglich gesetzlich geltender Umsatzsteuer beträgt.

3

Der Antragsteller hat am 15. Juni 2007 einen Normenkontrollantrag gegen die Schmutzwasserbeitrags- und die Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners gestellt (4 K 10/07). Mit Beschluss vom 10. Juli 2007 hat der Senat das Verfahren gegen die Trinkwasserbeitragssatzung abgetrennt und unter dem vorliegenden Aktenzeichen weitergeführt.

4

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor:

5

Die Kalkulation des in § 5 TBS bestimmten Beitragssatzes sei zu beanstanden. Der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes identisch. In der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über kostenlos übernommenes Vermögen. Nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Einrichtung zuzurechnen seien. Unterlagen hierzu seien den Beitragsunterlagen nicht zu entnehmen. Auch der Umfang der Gesamtinvestitionen von 18.081.197,- € sei nicht nachvollziehbar. Es sei unklar, inwieweit es sich um Nettobeträge handele. Der Anlagespiegel sei nicht nachvollziehbar. Es gebe begründete Anhaltspunkte dafür, dass Aufwand für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten in die Kalkulation einbezogen worden sei. Beispielhaft werde auf die Positionen 60721950022, 6072192002 und 0560110 hingewiesen. Fraglich sei, ob der Aufwand für früher hergestellte Hausanschlüsse zu Recht in die Beitragskalkulation eingestellt worden sei. Die zur Beschlussfassung vorgelegten Kalkulationsunterlagen enthielten unterschiedliche Aussagen zum Zeitraum der Globalkalkulation. Die korrekte Berechnung der beitragsfähigen Flächen werde bestritten. Den Vertretern in der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 4. Dezember 2006 die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll entnommen werden. Gleiches gelte für die Beschlussfassung über den geänderten Beitragssatz in der Verbandsversammlung vom 21. Dezember 2009. Der an diesem Tage beschlossenen Änderung (§ 5 TBS) hätte aufgrund verschiedener mittlerweile eingetretener Veränderungen auf der Flächenseite eine neue bzw. überarbeitete Kalkulation, die auch eine Überprüfung der Aufwandsseite erfordert hätte, zugrundegelegt werden müssen. Verschiedene Bestimmungen der Trinkwasserbeitragssatzung seien unwirksam. Den Kreis der Beitragsschuldner erstrecke § 6 Abs. 1 TBS im Widerspruch zu § 7 KAG auf "dinglich Berechtigte". Dies führe zur Unwirksamkeit der gesamten Beitragssatzung. Nach § 2 Abs. 1 TBS unterlägen auch Außenbereichsgrundstücke, die bebaut seien und nur angeschlossen werden könnten, ohne bereits angeschlossen zu sein, der Beitragspflicht. Im Außenbereich reiche aber die Bebauung des Grundstücks allein nicht aus, um die Beitragspflicht entstehen zu lassen. Die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Tiefenbegrenzung von 50 m sei methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Die durchschnittliche Bebauungstiefe beruhe auf einer fehlerhaften arithmetischen Mittelung der tatsächlichen Bebauung. Die Tiefenbegrenzung entspreche außerdem nicht den örtlichen Gegebenheiten. § 4 Abs. 2 d) TBS leide außerdem darunter, dass danach im Falle einer Zuwegung zum Grundstück die Grundstücksfläche beginnend vom Ende der Zuwegung bis zu einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen zu messen sei und die Zuwegung somit flächenmäßig unberücksichtigt bliebe. Nach § 4 Abs. 2 b) TBS würden die Grundstücke, die im Plangebiet liegen und in den Außenbereich übergehen, gegenüber vollständig im Außenbereich liegenden Grundstücken ungerechtfertigt bessergestellt. Nach § 4 Abs. 2 g) TBS komme auf privaten Grünflächen und Parkplätzen trotz bauakzessorischer Nutzung eine Beitragserhebung nicht in Betracht. Dies sei nicht vorteilsgerecht. § 4 Abs. 5 TBS sei gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als gemäß der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Insbesondere Dachgeschosse von Neubauten mit Dachschrägen könnten baurechtlich ebenfalls zu Wohn- und gewerblichen Zwecken genutzt werden, ohne dass sie beitragsrechtlich als Vollgeschosse zu werten seien. Abweichend von anderen Beitragssatzungen enthalte § 4 Abs. 5 TBS keinerlei Einschränkungen bezüglich der Anrechenbarkeit bei Dachschrägen und einer geringeren Geschosshöhe des Obergeschosses gegenüber dem Untergeschoss, die eine Ungleichbehandlung relativieren bzw. sachlich legitimieren. Ein sachlicher Grund für diese weitgehende Regelung zum Vollgeschossmaßstab bestehe nicht.

6

Der Antragsteller beantragt,

7

die Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der zweiten Änderungssatzung vom 23. Dezember 2009 für unwirksam zu erklären.

8

Der Antragsgegner beantragt,

9

den Antrag abzuweisen.

10

Er tritt den Einwänden des Antragstellers in allen Punkten entgegen. Insbesondere die in § 4 Abs. 2 d) TBS normierte Regelung über die Tiefenbegrenzung für sogenannte Übergangsgrundstücke sei nicht zu beanstanden. Die Festlegung der qualifizierten Tiefenbegrenzung von 50 Metern entspreche den tatsächlichen örtlichen Verhältnissen im Verbandsgebiet.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

12

Der nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 13 AGGerStrG statthafte Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).

13

I. Der Antrag ist fristgerecht nach § 47 Abs. 2 Satz 1, § 195 Abs. 7 VwGO binnen eines Jahres nach Bekanntmachung der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung bei Gericht eingegangen. Die Satzung ist in ihrer ursprünglichen Fassung am 6. Januar 2007 veröffentlicht worden. Der Normenkontrollantrag wurde am 15. Juni 2007 gestellt.

14

Änderungen oder Neuregelungen der angegriffenen Rechtsvorschrift setzen die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Lauf, wenn mit ihnen eine neue oder zusätzliche Beschwer verbunden ist. Ein erneuter Fristenlauf beginnt dann, wenn sich aus der Neuregelung eine neue belastende Wirkung ergibt, z. B. durch das Zusammenwirken mit geänderten anderen Bestimmungen (vgl. OVG Bautzen, 20.08.2008 - 5 D 24/06 -, juris). Die mit der Ersten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 15. November 2007 vorgenommene Änderung der Tiefenbegrenzungsregel nach § 4 Abs. 2 d) TBS hat im Wesentlichen der Klarstellung schon geltenden Satzungsrechts gedient, insbesondere verläuft die Tiefenbegrenzungslinie nach der neuen Regelung unverändert zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 Metern dazu verlaufenden Parallelen. Danach hat die Erste Satzungsänderung keinen neuen Fristlauf ausgelöst. Die geänderte Bestimmung ist vielmehr von dem gegen die im Januar 2007 veröffentlichte Ursprungssatzung gerichteten Normenkontrollantrag vom 15. Juni 2007 erfasst.

15

Soweit der Antrag nunmehr auch die Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 und damit § 5 TBS mit dem jetzt geltenden Beitragssatz in Höhe von 5,04 € erfasst, liegt hierin eine in entsprechender Anwendung von § 91 VwGO zulässige Antragsänderung, insbesondere war die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach Bekanntmachung der Satzungsänderung noch nicht abgelaufen.

16

Der Antragsteller ist schließlich als noch nicht zu Trinkwasseranschlussbeiträgen herangezogener Eigentümer eines im Verbandsgebiet liegenden Grundstückes antragsbefugt i. S. v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Er kann geltend machen, möglicherweise durch die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung in seinen Rechten verletzt zu werden, indem er auf ihrer Grundlage zu Beitragszahlungen durch - bei angenommener Unwirksamkeit der Satzung - rechtswidrige Beitragsbescheide verpflichtet wird.

17

Der Senat versteht den nicht ausdrücklich beschränkten Antrag des Antragstellers, die Trinkwasserbeitragssatzung für unwirksam zu erklären, in der Weise (§ 133 BGB), dass die Ordnungswidrigkeitenbestimmung des § 11 TBS nicht angegriffen ist. Regelungen des Ordnungswidrigkeitenrechtes unterfallen nicht dem Verwaltungsrechtsweg und können daher von vornherein nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle sein (OVG Greifswald, 27.07.2005 - 4 K 4/03 -, KStZ 2006, 156, 157). Durch die Erklärung der Unwirksamkeit der übrigen Satzungsbestimmungen verliert auch die Regelung über die Ordnungswidrigkeiten ihren rechtlichen Gehalt.

18

II. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Zwar greifen die Einwendungen des Antragstellers ganz überwiegend nicht durch (nachfolgend 1.). Die angefochtene Trinkwasserbeitragssatzung des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt/Lübz vom 14. Dezember 2006 in der Fassung der Zweiten Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung vom 23. Dezember 2009 war aber nach § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO insgesamt für unwirksam zu erklären, weil die Tiefenbegrenzungsregelung des § 4 Abs. 2 d) TBS gegen die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes (KAG) und den aus dem Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit verstößt, daher unwirksam ist und die daraus folgende Satzungslücke zur Ungültigkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung führt (nachfolgend 2.).

19

Die formelle Ordnungsgemäßheit der Trinkwasserbeitragssatzung hat der Antragsteller nicht in Zweifel gezogen. Dem Senat drängen sich entsprechende Mängel nicht auf (vgl. zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren OVG Greifswald, 02.06.2004 – 4 K 38/02 -, juris, Rn. 133 = DVBl. 2005, 64 [nur Leitsätze]).

20

1. Die gegen die Gültigkeit der angefochtenen Satzung erhobenen Einwände des Antragstellers treffen ganz überwiegend nicht zu. Dies gilt insbesondere für die auf die Kalkulation des Beitragssatzes zielenden Rügen (nachfolgend a. bis f.). Die gegen die Gültigkeit einzelner Satzungsbestimmungen gerichteten Angriffe führen ebenfalls überwiegend nicht zum Erfolg (g. bis l.).

21

a. Wenn der Antragsteller geltend macht, der der Beitragsbemessung zugrundeliegende Zeitraum der Globalkalkulation sei nicht mit dem Zeitraum des Trinkwasserversorgungskonzeptes des Antragsgegners identisch, ist dem nicht zu folgen. Zwar trifft es zu, dass bei einer Globalkalkulation nach § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG der notwendige Aufwand für die Herstellung der gesamten öffentlichen Einrichtung auf der Grundlage der von dem Verband gewählten Wasserversorgungskonzeption zu ermitteln ist (vgl. Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2010, § 8 Rn. 678b). Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dies hier nicht geschehen ist.

22

Die Kalkulation des Anschlussbeitrages Trinkwasser nennt einen Investitionszeitraum bis zum Jahre 2020 ("geplante Investitionen von 2006 bis 2020: 18.081.197,- €"). Das Trinkwasserversorgungskonzept des Wasser- und Abwasserzweckverbandes B-Stadt-Lübz ("Investitionen Rohrnetz [2006 bis 2020]") sieht Investitionen bis zum Jahr 2018 vor. Für die Jahre 2019 und 2020 ist für Investitionen jeweils der Betrag von 0,- € prognostiziert. Ein Widerspruch zwischen Kalkulation und Trinkwasserversorgungskonzept ist danach nicht zu erkennen. Der Antragsgegner hat zu diesem Einwand des Antragstellers ausgeführt, bei der Überarbeitung des Trinkwasserversorgungskonzeptes im Jahre 2006 habe sich bei der Spezifikation der einzelnen notwendigen Maßnahmen ergeben, dass bei günstigem zeitlichen Verlauf der Investitionen von einer Fertigstellung der Einrichtung bereits im Jahr 2018 auszugehen sei. Da zeitliche Verschiebungen nicht auszuschließen seien, sei auf eine Änderung des Zeitraumes für die Gültigkeit des Trinkwasserversorgungskonzeptes verzichtet worden. Die Kalkulation habe daher den nach dem Trinkwasserversorgungskonzept maßgeblichen Investitionszeitraum zutreffend berücksichtigt.

23

b. Auch der Einwand des Antragstellers führt nicht weiter, in der Kalkulation fänden sich unterschiedliche Abzugsbeträge über (von der Westmecklenburger Wasser GmbH) bei Errichtung des Verbandes kostenlos übernommenes Vermögen. Die Folge sei, dass möglicherweise nicht nur 14.267.518,75 €, sondern 16.283.771,09 € hätten in Abzug gebracht werden müssen. Es trifft zu, dass es nach der Auffassung des Senates dann, wenn eine Altanlage kostenlos übernommen wird, rechtlich nicht zulässig ist, für diese Altanlage einen Wert in die Kalkulation einzustellen. Denn bei dem Wert der Altanlage handelt es sich dann nicht um Kosten, die dem Zweckverband für die Herstellung der Anlage tatsächlich entstanden sind. Anderes gilt, wenn dabei Schulden übernommen werden. Diese können als eigener Aufwand in die Kalkulation eingestellt werden (vgl. OVG Greifswald, 15.11.2000 - 4 K 8/99 -, KStZ 2001, 174, 177). Wenn der Antragsgegner danach aus dem Wert des Anlagevermögens für den Bereich Trinkwasser das kostenlos von "WMW" übernommene Vermögen abzuziehen hatte, so ist das offenbar auch im gebotenen Umfang geschehen. Der Senat hat nach der im gerichtlichen Verfahren abgegebenen plausiblen Erläuterung des Antragsgegners zu dem tatsächlichen Hintergrund des auf Blatt 172 der Verwaltungsvorgänge dargestellten Wertes von 16.283.771,09 € jedenfalls keinen Anlass, an der Richtigkeit des in der Kalkulation abgesetzten Betrages von 14.267.518,75 € zu zweifeln. Nach den Ausführungen des Antragsgegners hat der Verband die Summe der kostenlos übernommenen Anlagegüter aus einer Addition der in den Abschreibungsbuchunterlagen enthaltenen Angaben gewonnen und so einen Wert von vor 1993 angeschafften Gütern von 14.267.518,75 € ermittelt. Diesen Wert hat er anhand einer Obergrenze einer Plausibilitätsüberprüfung unterzogen, indem er ihn einem in der Bilanz zum 31.12.1993 ausgewiesenen übertragenen Gesamtvermögen von 16.283.771,09 € gegenübergestellt hat. Anhand dieser Gegenüberstellung konnte er kontrollieren, ob der Gesamtwert aus den Einzelwerten der Anlagegüter nicht etwa oberhalb des übertragenen Gesamtvermögens lag. Das Gesamtvermögen soll nach der Stellungnahme des Antragsgegners zum einen nicht beitragsfähige Positionen enthalten und zum anderen auch Anlagegüter, die nicht Bestandteil der öffentlichen Einrichtung geworden seien. So erkläre sich die Differenz zwischen den beiden Werten. Darin liegt eine nachvollziehbare Begründung für die in den Kalkulationsunterlagen enthaltenen, das übernommene Anlagevermögen betreffenden unterschiedlichen Werte, die an dieser Stelle eine weitere Sachaufklärung nicht erfordert. Ob schließlich der Antragsgegner den Wert von 14.267.518,75 € korrekt ermittelt hat, hatte der Senat mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht weiter zu prüfen.

24

c. Der Einwand des Antragstellers, es sei zu bezweifeln, dass die in der Kalkulation aufgeführten übernommenen Darlehen ("Darlehen Investitionen KfW" in Höhe von 588.088,43 €) in dem einbezogenen Umfang der jeweiligen Wasserversorgungseinrichtung zuzurechnen seien, trifft nicht zu. Der Antragsgegner hat im gerichtlichen Verfahren Kopien der Beschlüsse seiner Verbandsversammlung vorgelegt, die die Übertragung von vier "KfW-Krediten" für der Wasserversorgung dienende Bauvorhaben in Goldberg und B-Stadt von der Westmecklenburger Wasser GmbH E-Stadt auf den Antragsgegner belegen. Die Summe der dort aufgeführten und in Anspruch genommenen bzw. abgerufenen Kreditbeträge ergibt den in der Kalkulation ausgewiesenen Betrag.

25

d. Der Antragsgegner hat auf den Einwand des Antragstellers, er habe in den beitragsfähigen Aufwand auch Aufwendungen für Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eingestellt, ausgeführt, solche Aufwendungen würden nicht aktiviert, sondern in die laufenden Kosten gebucht und über Gebühren finanziert. Weiteren Anlass zur Prüfung sieht der Senat danach an dieser Stelle ebenfalls nicht. Zu den von Antragstellerseite angesprochenen drei verschiedenen im Anlagespiegel enthaltenen Positionen hat der Antragsgegner erläutert, bei der Position 60721950022 ("Auswechslung Knotenpunkte") handele es sich um die planmäßige Umsetzung des im Trinkwasserversorgungskonzept bezüglich einer veralteten Altanlage vorgesehenen Standards und nicht um Instandhaltungs- oder Reparaturarbeiten. Gleiches gelte für eine unter der Position "05in60110" verzeichnete Baumaßnahme aus dem Jahr 2005 am Reinwasserbehälter im Wasserwerk Herzberg. Hier sei eine als Provisorium anzusehende veraltete Steuerungstechnik in einer seinerzeit kostenlos übernommenen Altanlage durch neue Steuerungstechnik ersetzt worden. Der im Anlagespiegel an der zugehörigen Stelle verwendete Begriff der Sanierung sei insoweit nicht zutreffend. Es handele sich nicht um eine Sanierung neu errichteter Anlagenteile, sondern um die erstmalige Verwirklichung des im Trinkwasserkonzept vorgesehenen Standards. Die Position 6072192002 sei schließlich in den Herstellungsaufwand nicht eingerechnet worden, weil sie zu dem vom Verband kostenlos übernommenen Vermögen gehöre. Danach war auch zu diesen Punkten keine vertiefte Überprüfung angezeigt.

26

Entgegen den Ausführungen des Antragstellers ergibt sich außerdem der Umfang der Gesamtinvestitionen aus dem Trinkwasserkonzept. Hier wird - entgegen dessen Auffassung - auch hinreichend deutlich, dass es sich um Nettoinvestitionen handeln soll.

27

e. Der Antragsteller rügt, den Vertretern der Verbandsversammlung hätten zum Zeitpunkt der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2009 über die Änderung des Beitragssatzes in § 5 TBS (Zweite Satzung zur Änderung der Trinkwasserbeitragssatzung) die Kalkulationsunterlagen nicht zur Kenntnis vorgelegen. Gleiches gelte für die Beschlussfassung vom 4. Dezember 2006. Anderes könne weder der Ladung zur Verbandsversammlung noch den weiteren Unterlagen, insbesondere nicht dem Protokoll der Verbandsversammlung entnommen werden. Diese Rüge ist unzutreffend.

28

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates (vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG, Stand: Juni 2010, § 2 Anm. 8.3.1.2) muss der Verbandsversammlung - neben der Beschlussvorlage über die Satzung - eine (Global-) Kalkulation bei der Beschlussfassung über die Abgabensatzung vorliegen. Wird dem Rechtssetzungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Ungültigkeit des Abgabensatzes zur Folge, weil das Rechtssetzungsorgan das ihm bei der Festsetzung der Abgabensätze eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei hat ausüben können.

29

Es unterliegt aus Sicht des Senates keinen Zweifeln, dass der Verbandsversammlung in ihrer Sitzung vom 4. Dezember 2006 ebenso wie in der Sitzung vom 21. Dezember 2009 die Kalkulationsunterlagen mit der Möglichkeit zur Kenntnisnahme vorgelegen haben. Das folgt für die Sitzung vom 4. Dezember 2006 aus der wohl nach späterem Abhören des Tonbandmitschnittes am 19. März 2008 gefertigten Ergänzung zum Protokoll der Verbandsversammlung Nr. 02/2006, wonach im Anschluss an den Tagesordnungspunkt 5 die Verbandsvorsteherin explizit darauf hingewiesen habe, dass zur Beratung alle Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme vorlagen. Diese in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegte Protokollergänzung ist als öffentliche Urkunde nach §§ 98 VwGO, 418 ZPO anzusehen, die den vollen Beweis der darin (aufgrund eigener Wahrnehmung, § 418 Abs. 3 ZPO) bezeugten Tatsache begründet, mithin dass der Hinweis durch die Verbandsvorsteherin auf die ausliegenden Kalkulationsunterlagen ergangen ist (vgl. dazu MüKo ZPO, § 418, Rn. 4; Rudisile in: Schoch, VwGO § 98, Rn. 206;). Die Voraussetzungen des § 418 ZPO liegen vor. Die Verbandsversammlung (§§ 155, 156 KV) ist eine öffentliche Behörde i.S.d. Definition der öffentlichen Urkunde nach § 415 Abs. 1 ZPO. Als solche Behörden werden nicht nur Verwaltungsbehörden angesehen, sondern die in den allgemeinen Organismus der Behörden eingefügte Organe der Staatsgewalt, die dazu berufen sind, unter öffentlicher Autorität für die Erreichung der Zwecke des Staates oder der von ihm geförderten Zwecke tätig zu sein, gleichviel ob das Organ unmittelbar vom Staate oder einer dem Staate untergeordneten Körperschaft zunächst für deren eigene Zwecke bestellt ist (BGH, 16.10.1963 - IV ZB 171/63 -, BGHZ 40, 225, 228; vgl. OVG Magdeburg, 10.12.1998 - C 2 S 477/96 -, juris: Protokoll über die Sitzung des Gemeinderats ist öffentliche Urkunde, die nach § 418 ZPO den vollen Beweis begründet). Die von Antragstellerseite geäußerte Einschätzung, es sei ungewöhnlich, dass die Protokollergänzung so spät gekommen sei, ist danach unbeachtlich.

30

Damit erweist sich die Rüge fehlender Kalkulationsunterlagen allein als offenbar ungeprüfte und unzutreffende Vermutung. Gleiches gilt für den inhaltlich gleichlautenden, die Sitzung vom 21. Dezember 2009 betreffenden Einwand. Hier ist schon der Sitzungsniederschrift (Verbandsversammlung 03/2009) selbst zu entnehmen, dass die Kalkulationsunterlagen zur Einsichtnahme im Präsidium ausgelegen haben. Im Übrigen besteht kein einziger Anhaltspunkt, dass ein Verbandsvertreter Bedarf an einer Einsichtnahme in die Unterlagen geäußert hätte und diese nicht möglich gewesen wäre.

31

f. Wenn weiter eingewandt wird, die dem Beschluss der Verbandsversammlung über die Änderung des Beitragssatzes vom 21. Dezember 2009 zugrundeliegende Kalkulation habe der Antragsgegner nicht ohne Prüfung der Aktualität von Aufwands- und Flächenseite verwenden dürfen, insbesondere seien seit dem Jahre 2006 im Verbandsgebiet verschiedene Flächennutzungs- und Bebauungspläne sowie Abrundungssatzungen in Kraft getreten, so führt auch das nicht zum Erfolg. Der Erlass oder die Änderung solcher Pläne und Satzungen sind mit Blick auf die zahlreichen Gemeinden des gesamten Verbandsgebietes ein permanent stattfindender Vorgang der bauplanungsrechtlichen Fortentwicklung, der zu einer Vergrößerung ebenso wie zu einer Verkleinerung der beitragsrelevanten Gesamtfläche führen kann. Damit zusammenhängende Ungenauigkeiten der Flächenberechnung müssen bei einer gesetzlich zulässigen (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG) Globalkalkulation ebenso wie andere mit einer mehrere Jahre in die Zukunft reichenden Investitionsprognose verbundene Schätzungen in Kauf genommen werden. Anderenfalls müsste eine Kalkulation bei jeder Änderung der bauplanungsrechtlichen Gegebenheiten in einem Teil des Verbandsgebietes überarbeitet werden, um auch minimale Veränderungen der Aufwandsverteilung zu berücksichtigen. Dies ist aber angesichts der ohnehin nur scheinbar vorhandenen Präzision der Kalkulation (Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 3.4) nicht zu fordern. Vielmehr wird - ohne dass sich der Senat an dieser Stelle mangels Entscheidungserheblichkeit abschließend äußern muss - angesichts der Regelung in § 6 Abs. 2 d) KAG eine Beitragskalkulation grundsätzlich für den Zeitraum von fünf Jahren als hinreichend aktuell angesehen (Aussprung, a.a.O., § 9 Anm. 3.4; vgl. dazu auch OVG M-V, 15.11.2000, a.a.O., 177).

32

Damit reicht allein der Hinweis des Antragstellers auf eine Veränderung bzw. den Erlass von Bebauungsplänen und Abrundungssatzungen nicht aus, um die Aktualität der Globalkalkulation des Antragsgegners in Zweifel zu ziehen. Anhaltspunkte dafür, dass dies ausnahmsweise anders gesehen werden müsste, etwa weil besonders intensive Flächenänderungen betroffen wären, die erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation hätten, fehlen im Vortrag des Antragstellers. Solche drängen sich bei der aus dem August 2006 stammenden Flächenkalkulation für den im Dezember 2009 getroffenen Beschluss über den Beitragssatz auch nicht auf.

33

g. § 2 TBS ist nicht im Hinblick auf eine etwaige Beitragspflicht noch nicht angeschlossener bebauter Außenbereichsgrundstücke zu beanstanden. Die Vorschrift lautet:

34

(1) Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die an die öffentliche Einrichtung zur zentralen Trinkwasserversorgung angeschlossen werden können und

35

(a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden können, oder

36

(b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung der Gemeinden zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen, oder

37

(c) wenn sie bebaut sind.

38

(2) Wird ein Grundstück an die Trinkwasserversorgung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht vorliegen.

(3).....................

39

§ 2 Abs. 1 c) TBS ist nicht so zu verstehen, dass bebaute Außenbereichsgrundstücke, die an die Einrichtung nur angeschlossen werden können, ohne schon angeschlossen zu sein, bereits der Beitragspflicht unterliegen sollen und dass die Bestimmung damit gegen das Vorteilsprinzip nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG verstieße. Mangels Baulandqualität solcher Grundstücke führt bei ihnen allein die Anschlussmöglichkeit noch nicht zu einer gesicherten Vorteilslage (vgl. Klausing in: Driehaus, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1032). Entgegen der Auffassung des Antragstellers zwingt der Wortlaut des § 2 Abs. 1 TBS nicht zu einer solchen Deutung der Norm, denn er ist nicht in diesem Sinne eindeutig und lässt Raum für eine Lesart, die zu einer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht führt.

40

Sollten schon nichtangeschlossene und nur anschließbare bebaute Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterstellt werden, so müsste die Bestimmung folgendermaßen gelesen werden: "Der Beitragspflicht unterliegen Grundstücke, die ....angeschlossen werden können und wenn sie bebaut sind". Der Satz müsste dann aber richtigerweise lauten: "...angeschlossen werden können und bebaut sind". Wegen dieser grammatikalischen Ungenauigkeit lässt sich § 2 Abs. 1 TBS auch so verstehen, dass sich die Formulierung unter Buchstabe c) ("wenn sie bebaut sind") allein auf die unter den Buchstaben a) und b) geregelten Fälle festgesetzter oder nach der Verkehrsauffassung bestehender, aber noch nicht verwirklichter Bebaubarkeit bezieht (beplanter bzw. Innenbereich) und sie um die Fälle schon realisierter Bebauung solcher Grundstücke ergänzt. Der von dem Antragsteller angesprochene Fall des angeschlossenen und bebauten Außenbereichsgrundstückes unterfiele dann allein § 2 Abs. 2 TBS. Dass dieses nach dem Wortlaut mögliche Verständnis der Norm vorzugswürdig gegenüber einer Interpretation ist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führt, versteht sich von selbst. Darüber hinaus fügt sich allein die so verstandene Bestimmung auch in das weitere Satzungsgefüge ein. Dies wäre nicht der Fall, wenn man § 2 Abs. 1 c) TBS entnehmen wollte, dass bereits bebaute und nur über eine Anschlussmöglichkeit verfügende Außenbereichsgrundstücke der Beitragspflicht unterfallen sollen. Für solche Grundstücke fehlte es dann nämlich an einem Beitragsmaßstab mit der Folge, dass sie zwar der Beitragspflicht unterstellt würden, letztendlich jedoch überhaupt nicht veranlagt werden könnten. Nach § 4 Abs. 1 TBS ("Beitragsmaßstab") wird der Anschlussbeitrag für die bevorteilte Grundstücksfläche unter Berücksichtigung der Art und des Maßes der Bebaubarkeit des Grundstückes berechnet. Ist eine Grundstücksfläche nicht bevorteilt, wird danach dafür auch kein Beitrag berechnet. Das trifft aber auf mit noch nicht angeschlossenen Baulichkeiten bebaute Außenbereichsgrundstücke mangels gesicherter Vorteilslage zu. Damit übereinstimmend regelt § 4 Abs. 2 i) TBS, dass bei bebauten Grundstücken im Außenbereich der mit 0,2 vervielfachte Teil der Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten als Grundstücksfläche gilt. Ohne bereits angeschlossene Baulichkeiten errechnet sich danach keine unter Geltung des Grundstücksflächenmaßstabes für die Beitragserhebung erforderliche Grundstücksfläche.

41

h. Der Antragsteller meint, § 4 Abs. 2 b) TBS ordne für Grundstücke, die im Bereich eines Bebauungsplanes liegen und über die Grenzen des Bebauungsplanes hinausreichen, für den Außenbereichsteil die Geltung der Grundstücksfläche im Umfang der Grundfläche der Baulichkeit an. § 4 Abs. 2 i) TBS bestimme hingegen für ganz im Außenbereich liegende bebaute Grundstücke die durch die GRZ 0,2 geteilte Grundfläche als beitragspflichtige Fläche. Hierin sei eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zu erkennen. Das trifft nicht zu.

42

§ 4 Abs. 2 b) TBS enthält entgegen der von dem Antragsteller vertretenen Auffassung keine Regelung für Grundstücke, die teils im Gebiet eines Bebauungsplanes und teils im Außenbereich liegen. Die Bestimmung setzt nämlich voraus, dass die Fläche außerhalb des Plangebietes baulich oder gewerblich genutzt werden kann. Die Möglichkeit einer baulichen Nutzung besteht jedoch für Außenbereichsflächen grundsätzlich nicht. Der Außenbereich ist nach § 35 Abs. 2 BauGB grundsätzlich unbebaubar (Battis/Krautzberger/Löhr, 11. Aufl., Vorb §§ 29-38, Rn. 5). Befindet sich ein Gebäude auf einer Außenbereichsfläche, so mag dieses Bestandsschutz genießen und als solches genutzt werden können. Damit ist jedoch nicht zugleich die Außenbereichsfläche selbst baulich nutzbar. Würde das Gebäude zerstört, dürfte es im Grundsatz wegen seiner Lage im Außenbereich nicht wieder aufgebaut werden (vgl. BVerwG, 20.09.1974 - IV C 70.72 -, DÖV 1975, 104, 105).

43

Damit ist § 4 Abs. 2 i) TBS alleinige Norm zur Berechnung der Grundstücksfläche bei bebauten und angeschlossenen Grundstücken im Außenbereich. Der von Antragstellerseite gerügte Konflikt mit § 4 Abs. 2 b) TBS besteht nicht.

44

Die von Antragstellerseite monierte Ungleichbehandlung führte aber auch nur dann zum Fehlen einer erforderlichen Maßstabsregelung, also einer Satzungslücke und somit zur Nichtigkeit der Satzung, wenn es im Verbandsbereich überhaupt vom Bebauungsplanbereich in den Außenbereich übergehende Grundstücke gäbe. Nur dann könnte sich eine nichtige Maßstabsregelung vor dem Hintergrund des im Recht der leitungsgebundenen Einrichtung geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit als rechtlich problematisch darstellen und ggf. zur Nichtigkeit der Satzung insgesamt führen (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004 - 4 K 34/02 -, juris, NordÖR 2004, 417[nur Leitsätze]). Der Antragsgegner hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, es gebe in seinem Verbandsgebiet keine Veranlagungsfälle, bei denen einzelne Buchgrundstücke über die Bebauungsplangrenze hinausreichten, direkt in den Außenbereich übergingen und trotz vorhandener Baulichkeiten nicht dem unbeplanten Innenbereich zuzurechnen wären.

45

i. Die § 4 Abs. 2 d) Satz 2 TBS betreffende Rüge des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Der Antragsteller meint, dass danach bei von der Tiefenbegrenzungsregelung betroffenen sogenannten "Pfeifenstielgrundstücken" die Zuwegung zum Grundstück bei der Berechnung des Beitrages außer Betracht bleibe, was mit dem Gleichheitssatz unvereinbar sei. Wegeflächen auf Grundstücken müssten bei der Kalkulation in vollem Umfang berücksichtigt werden.

46

Die Vorschrift lautet:

47

"Als Grundstücksfläche gilt:

d) bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen."

48

Die Bedenken des Antragstellers sind bei richtigem Verständnis der Bestimmung unbegründet. Im Falle einer Grundstückszuwegung wird nicht der straßenseitige Anfang der zu berechnenden Fläche von der Straße weg bis zum Ende der Zuwegung und Anfang der eigentlichen Grundstücksfläche verlegt mit der Folge, dass die Fläche der Zuwegung nicht mitzählte, sondern nur der Verlauf der Tiefenlinie, indem insoweit der Abstand von 50 Metern erst ab dem Ende der Zuwegung gemessen wird. Maßgeblich ist grundsätzlich die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Bei "Pfeifenstiel-" bzw. "Zuwegungsgrundstücken" wird nur der Verlauf dieser Parallele verschoben, indem der 50 Meter betragende Abstand (zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und der Parallelen) erst von dem Ende der Zuwegung an gemessen wird. Die der Straße zugewandte Grundstücksseite wird nicht verschoben. Daher fällt die Zuwegung - anders als der Antragsteller meint - in die beitragspflichtige Fläche.

49

j. Die Rüge, § 4 Abs. 2 g) TBS sei nicht vorteilsgerecht, greift nicht durch. Die Bestimmung lautet:

50

"bei Grundstücken, für die im Bebauungsplan sonstige Nutzung ohne oder mit nur untergeordneter Bebauung festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden (z.B. Schwimmbäder, Camping- und Sportplätze), die Grundfläche der an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl (GRZ) 0,2. Die unter Berücksichtigung des Maßes der Nutzung ermittelte Fläche wird den betreffenden Gebäuden so zugeordnet, dass ihre Grenzen jeweils im gleichen Abstand von den Außenwänden der Gebäude verlaufen. ..."

51

Nach Auffassung des Antragstellers blieben danach bauakzessorisch genutzte private Grünflächen oder private Parkplätze beitragsfrei, da sich auf diesen Flächen üblicherweise keine an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Baulichkeiten befänden. Gleiches gelte, wenn in einem Bebauungsplan für Teilflächen eines Buchgrundstückes sowohl eine sonstige Nutzung ohne Bebauung als auch eine andere Teilfläche "Bebauung" geplant sei. Bei konsequenter Anwendung der Vorschrift wäre die Folge, dass trotz der Bebaubarkeit nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes nur die Grundfläche des an die Trinkwasserversorgung angeschlossenen Gebäudes geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2 als Grundstücksfläche beitragsfähig wäre. Dies sei nicht vorteilsgerecht.

52

Dem ist nicht zu folgen.

53

Im Anschlussbeitragsrecht ist im Interesse von Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007 - 1 L 256/06 - (Volkswerft), NordÖR 2008, 40, 41; 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Für die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage der beitragsrechtlich maßgeblichen Ausnutzbarkeit des Grundstückes, insbesondere die Frage, ob das gesamte Grundstück oder nur Teile baulich nutzbar sind, muss ebenfalls grundsätzlich die (gesamte) Fläche des im Bereich eines Bebauungsplanes nach § 30 BauGB oder vollständig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB liegenden Buchgrundstückes betrachtet werden. Eine Unterteilung des Grundstückes nach verschiedenen Nutzungsarten (Bauland, Parkplatz, Grünfläche etc.) scheidet - von Ausnahmen abgesehen - aus. Für die Frage der Baulandeigenschaft des Grundstückes ist dessen gesamte Fläche einheitlich und nicht nach Grundstücksteilen getrennt zu betrachten, obgleich so gut wie nie die gesamte Fläche der baulichen (oder sonstwie beitragsrechtlich relevanten) Nutzung zugeführt werden bzw. voll überbaut werden darf. Denn die Zulässigkeit einer Bebauung setzt zumeist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraus, für die Ausführbarkeit eines Bauvorhabens muss daher in der Regel mehr an Fläche zur Verfügung stehen, als für die bauliche Anlage als solche benötigt wird. Baulinien, Baugrenzen, Abstands- und Anbauverbotsvorschriften sind für den Umfang der zu berücksichtigenden Grundstücksfläche ebenso ohne Belang wie bauplanungsrechtliche Festsetzungen von Grundstücksteilen als private Grünfläche (BVerwG, 29.11.1994 - 8 B 171/94 -, NVwZ 1995, 1215, 1216; vgl. Klausing in: Driehaus, a.a.O., § 8, Rn. 1029). Anderes gilt nur, wenn ein Grundstücksteil einer privaten Nutzung durch den Eigentümer - wie etwa bei der Festsetzung als öffentliche Grünfläche - schlechthin entzogen ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 8).

54

Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass § 4 Abs. 2 g) TBS eine von diesen Maßstäben abweichende Regelung treffen will. Wird demnach ein im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplanes oder vollständig im Bereich nach § 34 BauGB liegendes baulich nutzbares Grundstück in Teilen auch "sonstig" i.S.v. § 4 Abs. 2 g) TBS genutzt, so bleibt es für die Frage der Baulandqualität bei der gesamten Grundstücksfläche. Nur wenn das Grundstück ausschließlich im in § 4 Abs. 2 g) TBS angesprochenen Sinne nutzbar ist oder im Bereich nach § 34 BauGB in dieser Weise genutzt wird, gilt der dort geregelte Maßstab für die "sonstige Nutzung". Ein Verstoß gegen das Vorteilsprinzip kann daher nicht gesehen werden.

55

k. § 4 Abs. 5 TBS ist nicht zu beanstanden. Die im Zusammenhang mit § 4 Abs. 3 und 4 TBS stehende Bestimmung lautet:

56

(Abs.3) Zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der Nutzung wird die Fläche nach Abs. 2 mit einem Vom-Hundert-Satz für jedes Vollgeschoss wie folgt bewertet:

a) für das erste Vollgeschoss 25 %,

b) für jedes weitere Vollgeschoss 20 % der Grundstücksfläche nach Absatz 2

57

(Abs. 4) Als Zahl der Vollgeschosse gilt:

a) soweit ein B-Plan besteht, die hier festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse,

b) soweit kein B-Plan besteht oder in einem B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist:

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,

- bei genehmigten Vorhaben die Zahl der genehmigten Vollgeschosse,

- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse.

58

(Abs. 5) Als Vollgeschoss gelten alle Geschosse, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern Vollgeschosse sind. Bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, müssen die Mindesthöhen gemäß der Landesbauordnung Mecklenburg-Vorpommern nicht erreicht werden.

59

Der Antragsteller hält § 4 Abs. 5 TBS für gleichheitswidrig, weil danach für Bauten, die vor dem 30. April 1994 errichtet worden seien, keine konkrete Regelung zur Geschosshöhe bestehe. Die Vorschrift sei daher unbestimmt, und es bliebe letztlich der Entscheidung des rechtsanwendenden Sachbearbeiters überlassen, wie die zahlreich vor 1994 errichteten Gebäude zu veranlagen seien. Eine derartige Unterscheidung zwischen vor und nach dem 30. April 1994 errichteten Bauten sei auch nur dann zulässig, wenn Altbauten auch mit geringerer Deckenhöhe als der Vollgeschossregelung für Neubauten generell weitgehender nutzbar wären. Das sei aber nicht der Fall. Diesen Einwänden vermag der Senat nicht zu folgen.

60

§ 4 Abs. 5 TBS ist nicht unbestimmt. Einer Norm - auch einer Bestimmung in einer kommunalen Beitragssatzung - fehlt nicht deshalb die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit oder Klarheit, weil sie der Auslegung bedarf. Der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichtet den Normgeber, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Klarheit und Justiziabilität entsprechen. Normen müssen so formuliert sein, dass die davon Betroffenen die Rechtslage erkennen können und die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Vorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren. Das Gebot der Bestimmtheit darf nicht übersteigert werden, weil die Normen sonst starr und kasuistisch würden und der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte oder der Besonderheit des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden könnten. Es ist deshalb ausreichend, wenn der Norminhalt durch die anerkannten Auslegungsmethoden zweifelsfrei ermittelt werden kann. Dabei ist die Interpretation nicht durch den formalen Wortlaut der Norm begrenzt. Ausschlaggebend ist der objektive Wille des Gesetzgebers, soweit er wenigstens andeutungsweise im Gesetzestext einen Niederschlag gefunden hat (BayVerfGH, 22.06.2010 - Vf. 15-VII-09 -; juris; OVG Weimar, 18.12.2000 - 4 N 472/00 -, LKV 2001, 415ff; BVerwG, 14.12.1995 - 4 N 2/95 -, NVwZ-RR 1996, 429). Im Interesse der Normerhaltung kann eine Bestimmung nur dann für nichtig gehalten werden, wenn keine nach anerkannten Auslegungsregeln zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigende Auslegung möglich ist (BVerwG, 20.08.2003 - 6 CN 5/02 -, juris; 15.12.1993 - 6 C 20/92 -, BVerwGE 94, 352, 358).

61

Danach kann § 4 Abs. 5 TBS in einer Weise ausgelegt werden, die auch im Satzungstext hinreichend deutlich ihren Ausdruck findet. Die Vorschrift für unbestimmt zu halten oder anzunehmen, sie treffe für Bauwerke, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtet worden sind, im Hinblick auf die Anforderungen an deren Geschosshöhen überhaupt keine Regelung, sodass der Rechtsanwender nicht mehr in der Lage sei zu erkennen, was der Satzungsgeber für diese Fälle bestimmt habe, geht fehl.

62

Der Sinn der Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS, wonach bei Gebäuden, die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden, die Mindesthöhen nach der Landesbauordnung nicht eingehalten werden müssen, ist in ausreichend deutlicher Weise der Regelungssystematik des in § 4 Abs. 3 bis 5 TBS bestimmten Vollgeschossmaßstabes zu entnehmen. Zur Ermittlung der für den Anschlussbeitrag maßgeblichen Grundstücksfläche (§ 4 Abs. 1 TBS) ist die nach § 4 Abs. 2 TBS ermittelte Fläche nach § 4 Abs. 3 TBS für das erste Vollgeschoss mit 25% und für jedes weitere Vollgeschoss mit 20% zu bewerten. Nach § 4 Abs. 4 b) TBS gilt, soweit kein Bebauungsplan besteht oder in einem solchen Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht bestimmt ist, bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse. Absatz 5 des § 4 TBS schließlich regelt, dass als Vollgeschoss alle Geschosse gelten, die nach den Vorschriften der Landesbauordnung Vollgeschosse sind. Das sind nach § 2 Abs. 6 LBauO v. 26. April 1994 (GVOBl. 1994, 518) Geschosse, die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder, wenn kein darunterliegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Ähnliches gilt nach § 87 Abs. 2 LBauO v. 18. April 2006 (GVOBl. 2006, 102), wonach die Geschosse über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben müssen, was auch schon nach § 2 Abs. 4 Gesetz über die Bauordnung v. 20. Juli 1990 (Gesetzblatt Teil I 1990, 929) geltendes Recht war (vgl. zur Legaldefinition des Vollgeschosses OVG Greifswald, 11.10.2007 - 3 M 169/07 -, LKV 2008, 421).

63

Wenn der Satzungsgeber vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen anordnet, dass für die Bewertung von Gebäuden, die vor Inkrafttreten der den Beurteilungsmaßstab für Vollgeschosse enthaltenden Rechtsvorschrift errichtet worden sind, die Anforderungen dieser Vorschrift nicht gelten sollen, so ist dem ohne Weiteres der Sinn zu entnehmen, dass für diese Gebäude - was die Mindesthöhe der Geschosse anbelangt - ein weniger strenger Begriff des Vollgeschosses gelten soll. Denn ordnete die Satzung auch für solche früher errichtete Gebäude den Vollgeschossmaßstab nach der Landesbauordnung an, so könnte der Fall eintreten, dass ein solches Gebäude allein deshalb, weil seine Geschosshöhen die an ein "Vollgeschoss" zu stellenden Voraussetzungen nicht erfüllen mussten und nicht erfüllten, obwohl es wie ein neueres Gebäude mit nach der Landesbauordnung vorgeschriebenen Geschosshöhen genutzt wird, vorteilswidrigerweise zu gering oder überhaupt nicht veranlagt wird, weil es keine Vollgeschosse i.S.d. Landesbauordnung, sondern nur niedrigere Geschosse aufwiese. Die Regelung will demnach verhindern, "Altbauten" wegen der Maßgeblichkeit der Anzahl der Vollgeschosse besser zu stellen, wenn sie die für Vollgeschosse geltenden Mindesthöhen der Landesbauordnung nicht erreichen. Da der vom Maß der Nutzung abhängige wirtschaftliche Vorteil bei Vollgeschossen einerseits und bei Geschossen unterhalb der Vollgeschossigkeit andererseits annähernd gleich ist (OVG NW, 29.08.2000 - 15 A 4178/00 -, juris, Rn. 4) verstieße das - wenn es denn solche Gebäude im Verbandsgebiet gäbe - gegen das nach § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG geltende Vorteilsprinzip, wonach die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen sind.

64

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS ist zu entnehmen, dass sich für früher errichtete Gebäude die Qualifizierung als für die Flächenberechnung (§ 4 Abs. 3 TBS) relevantes Geschoss nach den zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Anforderungen bestimmen soll. Dies findet in dem Satzteil "..., die vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet wurden,..." hinreichend Ausdruck. Eine andere sinnvolle Interpretation der Norm bietet sich nicht an. Insbesondere scheidet eine Deutung aus, die quasi am Buchstaben des § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS haftete. Bei einer solchen Interpretation müssten die Mindesthöhen der Landesbauordnung nur dann nicht eingehalten werden, wenn das Gebäude vor Inkrafttreten der Landesbauordnung entsprechend den Anforderungen des bisherigen Rechts errichtet worden ist. Das hieße, dass Gebäude, die unter Missachtung der seinerzeitigen rechtlichen Anforderungen errichtet worden sind, nicht unter die Freistellung von den Mindesthöhen nach der Landesbauordnung fielen mit der Folge, dass für sie der Vollgeschossbegriff der Landesbauordnung anzuwenden wäre. Dann könnten Grundstücke mit solchen "illegalen" Gebäuden mangels Erreichen der Mindestgeschosshöhe nicht in vorteilsgerechtem Maße oder sogar überhaupt nicht herangezogen werden. Dies widerspräche dem Willen des Satzungsgebers, möglichst vorteilsgerechte Ergebnisse auch bezüglich der "Altbauten" zu erzielen.

65

Die Bestimmung kann auch nicht - wie der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts E-Stadt vom 22. Januar 2010 (- 8 A 1364/09 -, Urteilsabdruck, S. 6) meint - deshalb beanstandet werden, weil danach satzungsrechtliche Einschränkungen für die Anrechenbarkeit von Dachräumen mit schrägen Wänden fehlten und Altbauten deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund in höherem Maße als Neubauten zur Berechnung des Vorteils herangezogen würden. Diese Erwägung ist nicht zwingend. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS befreit lediglich von der Geltung der für Vollgeschosse vorgesehenen Mindesthöhen. Das Kriterium nach den oben genannten Bestimmungen der verschiedenen Landesbauordnungen, wonach die Mindesthöhe auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses oder der eigenen Grundfläche des Geschosses (vgl. § 2 Abs. 6 LBauO 1994) vorliegen muss, wird von § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht berührt. Somit gilt auch für Dachgeschosse älterer Gebäude, dass die seinerzeitigen Anforderungen an die Mindesthöhe von Vollgeschossen bzw. von nach der beitragsrechtlich relevanten Nutzung her nicht anders zu behandelnden "Geschossen" gleichermaßen wie für Dachgeschosse von Neubauten auf zwei Dritteln der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses vorliegen müssen. Ein Dachraum in einem unter Geltung der Deutschen Bauordnung (DBO) vom 2. Oktober 1958 errichteten Gebäude muss danach eine lichte Höhe von 2,20 m (vgl. §§ 93c, 366 Abs. 2 DBO) über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunterliegenden Geschosses haben, um als Vollgeschoss i.S.v. § 4 Abs. 3 bis 5 TBS zu zählen.

66

§ 4 Abs. 5 Satz 2 TBS verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Bestimmung schon vor Inkrafttreten der Landesbauordnung errichtete Gebäude von der Geltung der dort geregelten Mindesthöhen ausnimmt, obwohl auch nach dem zuvor geltenden Gesetz über die Bauordnung dieselbe Mindesthöhe einzuhalten war (so aber VG Greifswald, 28.04.2010 - 3 A 1398/07 -, Urteilsabdruck, S. 5 zu einer vergleichbaren Satzungsregelung). Wie oben ausgeführt ist nach § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS für ältere Gebäude hinsichtlich der Mindesthöhe der Räume das seinerzeitige Recht anzuwenden, sodass für unter Geltung des Gesetzes über die Bauordnung errichtete Gebäude ebenfalls die nach den späteren Fassungen der Landesbauordnung vorgesehene Mindesthöhe (2,30 m) zugrundezulegen ist. § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS bleibt insoweit ohne rechtliche Bedeutung.

67

Wenn § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS danach im Einzelfall eines älteren Gebäudes nicht einfache Fragen nach den früheren rechtlichen Anforderungen an die Errichtung baulicher Anlagen in Bezug auf die Mindesthöhe von Geschossen aufwerfen kann und sich sein Regelungsgehalt erst aufgrund einer Auslegung der Norm vollständig erschließt, so kann darunter womöglich eine reibungslose Anwendung der Bestimmung im Einzelfall leiden. Eine Unwirksamkeit der Norm und damit womöglich der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung lässt sich daraus aber nicht ableiten. Im Übrigen weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 TBS nicht auf sämtliche vor 1994 errichtete Gebäude Anwendung findet, sondern sich ihre Geltung auf solche Gebäude beschränkt, deren Geschosse niedriger als 2,30 m sind.

68

l. § 6 Abs. 1 TBS verstößt zwar gegen § 7 Abs. 2 KAG, soweit neben dem Eigentümer des Grundstückes der zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigte als Beitragsschuldner bezeichnet wird. Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung. § 6 Abs. 1 TBS lautet:

69

"Beitragsschuldner ist, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstückes oder zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigter ist. Bei einem erbbaubelasteten Grundstück ist der Erbbauberechtigte an Stelle des Eigentümers Beitragsschuldner. Ist das Grundstück mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Art. 233 § 4 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch belastet, so ist der Inhaber dieses Rechtes anstelle des Pflichtigen nach Satz 1 oder Satz 2 beitragspflichtig."

70

Damit bestimmt § 6 Abs. 1 TBS auch den zur Nutzung des Grundstückes dinglich Berechtigten zum Beitragspflichtigen, obwohl nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, von dem Sonderfall des Inhabers eines Gewerbebetriebes im Zusammenhang mit § 8 Abs. 7 KAG abgesehen, allein der Eigentümer des bevorteilten Grundstückes Beitragspflichtiger ist. Dieser wird nach § 7 Abs. 2 Satz 3 KAG nur im Falle eines erbbaubelasteten Grundstückes durch den Erbbauberechtigten als Beitragspflichtigen ersetzt und nach Satz 4 dieser Bestimmung im Falle der Belastung des Grundstückes mit einem dinglichen Nutzungsrecht nach Artikel 233 § 4 EGBGB durch den Inhaber dieses Rechts. Weitere dinglich Berechtigte scheiden nach den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes daher, anders als noch nach § 8 Abs. 10 KAG in der Fassung vom 1. Juni 1993, als Beitragspflichtige aus. § 6 Abs. 1 TBS geht unzulässigerweise darüber hinaus.

71

Dieser Fehler führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der angegriffenen Trinkwasserbeitragssatzung. Zwar gehört die Bestimmung des Kreises der Abgabenschuldner zu dem in § 2 Abs. 1 KAG geregelten notwendigen Umfang einer Abgabensatzung. Hier ist aber § 6 Abs. 1 TBS trotz des angesprochenen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 KAG nur teilnichtig, denn die Norm bleibt auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll, insbesondere umfasst der Restbestand der Bestimmung den von § 2 Abs. 1 KAG erforderten Mindestinhalt, und es ist anzunehmen, dass der Antragsgegner § 6 Abs. 1 TBS auch ohne den nichtigen Teil (Bestimmung des dinglich Berechtigten als Beitragspflichtigen) erlassen hätte (vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG, 27.01.1978 - VII C 44.76 -, DVBl. 1978, 536, 537; Sauthoff in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8 Rn. 1714; OVG Greifswald, 29.11.2001 - 1 M 66/01 -, NordÖR 2002, 81, 82; 02.06.2004, a.a.O.). Die letztgenannte Annahme wird auch nicht dadurch widerlegt, dass der Antragsgegner die fragliche Satzungsbestimmung im Laufe des Prozesses verteidigt hat. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass er § 6 Abs. 1 TBS mit einem dem Kommunalabgabengesetz entsprechenden Regelungsgehalt nicht erlassen hätte. Diese Annahme wäre nicht nur deshalb fernliegend, weil der Antragsgegner als Körperschaft des öffentlichen Rechts per se um den Erlass gesetzeskonformer Satzungen bemüht sein muss, sondern auch deshalb, weil es nach der in der mündlichen Verhandlung gegebenen Auskunft des Antragsgegners aus seiner Sicht im Verbandsgebiet Anwendungsfälle des "dinglich Berechtigten" neben den in § 6 Abs. 1 TBS erfassten Fallgruppen (Erbbauberechtigter, Inhaber des Rechts nach Art. 233 § 4 EGBGB) nicht geben soll. Daher ist dem Antragsgegner an dieser Stelle auch kein Regelungsbedürfnis zu unterstellen, das der Annahme widersprechen könnte, er hätte die Satzungsbestimmung auch ohne den zu beanstandenden Teil erlassen.

72

2. § 4 Abs. 2 d) TBS verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit die hier geregelte Tiefenbegrenzungslinie bei grundsätzlich 50 m gezogen wird (a.). Dieser Verstoß führt zur Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregel und damit zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung (b.).

73

§ 4 Abs. 2 d) lautet:

74

Als Grundstücksfläche gilt:

… bei Grundstücken, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich (§ 35 BauGB) liegen, die Gesamtfläche des Grundstückes, höchstens jedoch die Fläche zwischen der der Straße zugewandten Grundstücksseite und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Dieser Abstand wird bei Grundstücken, die mit der Straße nur durch eine Zuwegung verbunden sind, vom Ende der Zuwegung an gemessen...

75

a. Die Bestimmung regelt eine sogenannte qualifizierte Tiefenbegrenzung, denn sie gilt ausschließlich für Grundstücke, die im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) zum Außenbereich liegen, nicht jedoch (auch) für vollständig im Innenbereich liegende Grundstücke (sogenannte schlichte Tiefenbegrenzung). Eine Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht nach der Rechtsprechung des Senates grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, 15.03.1995 - 4 K 22/94 -, KStZ 1996, 114, 118; 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, NVwZ-RR 2002, 687ff; 02.06.2004, a.a.O.). Daran hat sich mit Einführung von § 9 Abs. 5 KAG durch die Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 nichts geändert. Ziel der Einführung dieser Bestimmung war es nicht, ein in der Rechtsprechung allgemein anerkanntes Rechtsinstitut auf nunmehr besonders geregelte Fälle einzuschränken. Vielmehr sollte dem Satzungsgeber zusätzlich die Möglichkeit an die Hand gegeben werden, für bebaute Grundstücke im baurechtlichen Innenbereich mit einem überdurchschnittlich großen nicht bebauten Grundstücksteil aus abgabenpolitischen Gründen eine Flächenbegrenzung vorzusehen (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung, LT-Drs. 4/1307, S. 49/50; dazu Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 10).

76

Die Tiefenbegrenzung ist eine nur in Ausnahmefällen widerlegbare Vermutung, dass der diesseits der Begrenzungslinie liegende Teil des Grundstücks Bauland ist. Die damit verbundene und im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen allgemein als zulässig angesehene Pauschalierung wirkt sich in Einzelfällen mehr oder weniger zu Lasten einzelner Beitragspflichtiger aus. Eine Tiefenbegrenzung findet gerade im Anschlussbeitragsrecht ihre Rechtfertigung darin, dass im Rahmen der Beitragskalkulation die Ermittlung der Gesamtbeitragsfläche erforderlich ist, die auf metrische Festlegungen angewiesen ist. Dadurch gewinnt der Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität und -vereinfachung besondere Bedeutung. Ohne Tiefenbegrenzung müsste gegebenenfalls eine exakte Einzelfallbewertung sämtlicher der Beitragspflicht unterliegender unbeplanten Grundstücke trotz verbleibender Unsicherheiten in der Abgrenzung des Innenbereichs angestellt werden. Die Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität stehen im Spannungsfeld mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorteilsprinzip (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG). Danach sind die Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Die Vorteile bestehen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung, für die die Beiträge erhoben werden (vgl. dazu eingehend OVG Greifswald, 10.10.2007, a.a.O.). Da eine exakte Bemessung der Vorteile in der Praxis mit einem nicht akzeptablen Aufwand verbunden wäre, sind Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe anerkannt, insbesondere ist es zulässig, Vorteile nach einem - wie in § 4 Abs. 1 TBS geregelten - kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab zu bemessen (vgl. BVerwG, 26.07.1993 - 8 B 85/93 -, juris, Rn. 3). Nach diesem Maßstab ist die Größe der bevorteilten Fläche des Grundstückes ein wesentlicher Faktor zur Errechnung des auf das Grundstück entfallenden Beitrages. Je größer die Fläche des Grundstückes bzw. bei Grundstücken im Übergangsbereich vom Innen- zum Außenbereich der im Innenbereich liegende (bebaubare) Teil des Grundstückes ist, desto größer ist im Prinzip der zu leistende Beitrag. Dieser Zusammenhang ist bei der Normierung einer Tiefenbegrenzung zu beachten. Denn läge bei exakter Betrachtung des einzelnen Grundstückes die Grenze des baurechtlichen Innenbereiches (§ 34 Abs. 1 BauGB) vor (straßenseits) der Tiefenbegrenzungslinie, so würde der Eigentümer des Grundstückes - aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich zulässigerweise - höher belastet als es ohne eine Tiefenbegrenzungsregelung der Fall wäre. Gleichermaßen würde derjenige Grundstückseigentümer, dessen Grundstück ohne die Vermutung der Tiefenbegrenzung erst jenseits der Tiefenlinie in den Außenbereich überginge, besser gestellt als ohne Geltung der Tiefenbegrenzungslinie.

77

Die Bestimmung einer Tiefenbegrenzungslinie hat sich daher zur Einhaltung des Vorteilsprinzips und zur Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) an Kriterien für eine möglichst realitätsnahe Abgrenzung der Innen- von den Außenbereichsflächen im Geltungsbereich der Tiefenbegrenzung auszurichten. Ein sachgerechter Anhaltspunkt dafür, dass eine bauliche Nutzung über eine bestimmte Tiefe hinaus in der Regel nicht stattfindet, stellt - wenn eine solche ermittelbar ist - die ortsübliche Tiefe der baulichen Nutzung dar (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 39). Der Senat hat daher in seiner bisherigen Rechtsprechung durchweg darauf abgestellt, ob sich die gewählte Tiefenlinie als ortsangemessen darstellt bzw. den örtlichen Verhältnissen entspricht (15.11.2000, - 4 K 8/99 -, a.a.O.; 13.11.2001, - 4 K 16/00 -, a.a.O.; 02.06.2004, - 4 K 38/02 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Greifswald, 29.11.2001, - 1 M 66/01 -,a.a.O.). Dies stimmt mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts im Erschließungsbeitragsrecht an die satzungsrechtliche Tiefenbegrenzung überein. Danach muss die gewählte Tiefenbegrenzung die typischen örtlichen Verhältnisse tatsächlich widerspiegeln und sich an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren (BVerwG, 01.09.2004 - 9 C 15/03 -, BVerwGE 121, 365, 369). Für die Festsetzung der an diesen Verhältnissen zu orientierenden Tiefenbegrenzung steht dem Ortsgesetzgeber ein normgeberisches Ermessen zu (BVerwG, 30.07.1976 - IV C 65.74 -, DÖV 1977, 247; OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., § 17, Rn. 43). Um dieses Ermessen ordnungsgemäß ausüben zu können, muss er vor Beschlussfassung über die Satzung und Festlegung der Tiefenbegrenzung die örtlichen Verhältnisse sorgfältig und willkürfrei in allen Bereichen des Verbandsgebietes ermitteln (OVG Greifswald, 15.03.1995, a.a.O.; 15.11.2000, a.a.O.; 13.11.2001, a.a.O.; 20.11.2003, a.a.O.; 27.08.2008 - 1 L 155/06 -, n.v.). Die Ergebnisse dieser Ermittlung sollen als Nachweis für die Kalkulation dokumentiert werden (vgl. Erläuterungen zu den Gemeinsamen Satzungsmustern des Städte- und Gemeindetages M-V e.V. und des Innenministeriums M-V über Beiträge und Gebühren für die Schmutzwasserbeseitigung und die zentrale Niederschlagswasserbeseitigung, Anm. 10, abgedruckt bei Aussprung, a.a.O., KAG-Anhang 7.3). Das Normenkontrollgericht hat die Ermessensausübung durch den Satzungsgeber nur auf deren Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen zu überprüfen, darf jedoch keine eigene Entscheidung an die Stelle der zu überprüfenden Ermessensentscheidung setzen (OVG Weimar, 18.12.2000, a.a.O.).

78

Hier hat der Antragsgegner die Anforderungen an eine solche sorgfältige Ermittlung der örtlichen Verhältnisse im Verbandsgebiet grundsätzlich erfüllt. Der Senat hält insbesondere die von dem Antragsgegner angestellte Ermittlung der örtlichen Verhältnisse begrenzt auf repräsentativ ausgewählten Ortslagen für zulässig. Müsste der Ortsgesetzgeber die tatsächlichen Bebauungstiefen in allen Ortslagen des Verbandsgebietes untersuchen, verlöre die Tiefenbegrenzung als Instrument zur Verwaltungsvereinfachung ihre Berechtigung, denn dann würden die Grundstücksdaten, die aufgrund der Tiefenbegrenzungsregel nicht sollen erhoben werden müssen, schon für die Bildung der Regel benötigt (vgl. Bloemenkamp in: Driehaus, KAG, Stand: März 2010, § 8, Rn. 1464). Auf welche Weise der Satzungsgeber die ortsüblichen Verhältnisse zu ermitteln hat, ist nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch dies liegt in seinem Ermessen. Dass er dabei von zutreffenden tatsächlichen Umständen wie etwa der richtigen Anzahl der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Ortslagen auszugehen hat, bedarf keiner näheren Ausführungen.

79

Der Antragsgegner hat sodann jedoch die Tiefenbegrenzung nicht nach diesen Ermittlungen bestimmt, sondern die gewonnenen Ergebnisse mit im vorliegenden Zusammenhang rechtlich nicht zutreffenden Erfordernissen des auch im Abgabenrecht geltenden Grundsatzes der Typengerechtigkeit kombiniert. Damit hat er sich von seinen Daten über die ortsübliche Bebauungstiefe der vom Innen- in den Außenbereich übergehenden Grundstücke aufgrund eines hier nicht maßgeblichen Kriteriums entfernt und insoweit die Tiefenbegrenzungslinie nicht nach dem Maßstab von § 7 Abs. 1 Satz 3 KAG, Art. 3 Abs. 1 GG rechtsfehlerfrei festgesetzt.

80

Der Grundsatz der Typengerechtigkeit dient der Erhaltung der dem Normgeber im Abgabenrecht in Bezug auf das Gleichbehandlungsgebot eingeräumten Gestaltungsfreiheit. Danach ist es ihm gestattet, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dabei stellt das Auftreten solcher abweichenden Einzelfälle die Entscheidung des Normgebers nicht in Frage, solange nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit bewahrt damit die im Interesse der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität getroffene Entscheidung des Normgebers für einen bestimmten "Regelungstypus" davor, durch das Auftreten von Einzelfällen, die der Regelung unterfallen, dem Typus aber widersprechen, in Frage gestellt zu werden (BVerwG, 30.04.2009 - 9 B 60/08 -, Buchholz 401.9, Nr. 57; 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231, 232; 19.09.1983 - 8 N 1/83 -, BVerwGE 68, 36, 41; vgl. zum Grundsatz der Typengerechtigkeit, Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863, 879).

81

Der Antragsgegner hat nach dem Inhalt seiner der Beschlussvorlage Nr. 09-1/2007 beigefügten Dokumentation der Ermessenserwägungen zur Ermittlung der Tiefenbegrenzung und der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, der Dokumentation seinerzeit ebenfalls beigefügten Excel-Tabelle festgestellt, dass 77% der in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke im Übergangsbereich vom Innen- in den Außenbereich kleiner oder gleich 40 Meter tief und 84% der Grundstücke kleiner oder gleich 45 Meter tief bebaut sind. Den weiteren Angaben ist zu entnehmen, dass danach nicht nur 7% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke eine Bebauungstiefe von 40 bis 45 Metern aufwiesen, sondern auch nur 9 % eine Tiefe von 45 bis 50 Metern und 7% eine über 50 Meter hinausreichende Bebauungstiefe. Die Tiefenbegrenzungslinie hat er daraufhin in einem Abstand von 50 Meter gezogen, da dies – wie er meinte - nur dann willkürfrei geschehen könne, wenn die ermittelten örtlichen Verhältnisse belegten, dass die Grundstücke im unbeplanten Übergangsbereich mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzungslinie die Ausnahme, d.h. weniger als 10% der von der Tiefenbegrenzung betroffenen Grundstücke, darstellten. Nur dann stehe die Ungleichbehandlung in einem angemessenen Verhältnis zu den Vorteilen der Typisierung. Betrage die Anzahl der übertiefen Grundstücke mehr als 10%, so lasse sich die Einführung einer Tiefenbegrenzung nicht mehr auf den Gesichtspunkt der Verwaltungspraktikabilität stützen.

82

Diese Auffassung führt zu unzutreffenden Ergebnissen. Die Anwendung der Regel auf die Festlegung der Tiefenbegrenzungslinie, wonach nicht mehr als 10% der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen dürfen, bedingt bereits eine vorteils- und gleichheitswidrige Tiefenbegrenzungsregelung, wenn der Satzungsgeber allein die Grundstücke mit Baulandqualität jenseits der Tiefenbegrenzung im Blick hat. Eine solche Vorgehensweise übersieht, dass nicht nur die bei exakter Einzelfallbetrachtung der örtlichen Grundstücksverhältnisse jenseits der Linie noch Baulandqualität aufweisenden Grundstücke "dem Typ" widersprechen. Auf die Grundstücke, deren Baulandeigenschaft bei genauer Betrachtung schon diesseits der Linie endet, trifft dies ebenso zu. Je weiter der Ortsgesetzgeber die Tiefenlinie in Richtung des Außenbereiches verlegt, desto geringer wird zwar die Anzahl der Grundstücke mit tieferer Bebaubarkeit, umso größer aber die Anzahl derer, deren Bebaubarkeit eigentlich schon eher (diesseits der Linie) endet. Auch diese Fälle widersprechen im Sinne des Grundsatzes der Typengerechtigkeit dem generalisierend normierten Regelfall. Die Zahl der von der Regel abweichenden Fälle kann durch ein Verschieben der Linie weg von den tatsächlich ermittelten Bebauungstiefeergebnissen daher nicht verringert werden. Geschieht dies - wie im vorliegenden Fall - dennoch, so geht dies zu Lasten der Eigentümer von Grundstücken mit geringerer Bebauungstiefe. Das im Übergangsbereich gelegene Grundstück, das bei exakter Betrachtung beispielsweise nur bis zur Tiefe von 35 Metern Baulandqualität hat, würde bei einer entsprechend einer ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet von (angenommen) 40 Metern verlaufenden Tiefenbegrenzung - zulässigerweise pauschalierend - so behandelt, als wenn es fünf Meter tiefer Baulandqualität hätte. Bei einem Hinausschieben der Tiefenlinie auf 50 Meter verdreifachte sich aber bereits die beitragspflichtige Fläche, die bei genauer Grundstücksbetrachtung ohne Tiefenbegrenzungsregelung für die Bemessung des Beitrages überhaupt nicht angerechnet würde. Weicht der Satzungsgeber von dem aus Verwaltungsvereinfachungsgründen zulässigen Kriterium der ortsüblichen bzw. typischen Bebauungstiefe ab und gelangt so zu einem abweichenden Verlauf der Tiefenlinie, so entfernt er sich damit ohne vertretbaren Grund von dem wegen des Vorteilsprinzips (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG) und aus Gründen der Gleichbehandlung bestehenden Erfordernis einer realitätsnahen Abgrenzung von Innen- und Außenbereichsflächen.

83

Die Anwendung der als Begrenzung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit aufgestellten Quantifizierungsregel von höchstens 10% zulässiger Ausnahmefälle auf die Ermittlung der Tiefenbegrenzung erscheint aber auch grundsätzlich als unzutreffend. Die erforderliche Orientierung der Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung (BVerwG, 01.09.2004, a.a.O.) enthält bereits den entscheidenden Zulässigkeitsmaßstab der Pauschalierung und schließt die Anwendung der "10%-Regel" aus. Der Maßstab der ortsüblichen bzw. -angemessenen Bebauungstiefe greift weiter als das mit 90% und 10% quantifizierte Regel-Ausnahmeverhältnis. Ortsüblich ist die Bebauungstiefe, die im zu betrachtenden Gebiet üblich i.S.v. normal, geläufig, verbreitet oder in der Mehrzahl der ermittelten Fälle anzutreffen ist (vgl. Bloemenkamp, a.a.O., Rn. 1464). Dafür ist nicht erforderlich, dass sie in mindestens 90% der Fälle auftritt. Dies würde wegen der unterschiedlichen Verteilung der die einzelnen Grundstücke betreffenden Bebauungstiefen wohl auch zumeist zur Unanwendbarkeit der Tiefenbegrenzung führen. Denn schon sobald sich die Streubreite der tatsächlich anzutreffenden Bebauungstiefen ausgehend von der festgesetzten Tiefenbegrenzungslinie um mehr als 5% nach oben und unten erstreckte, wäre die Höchstgrenze von 10% überschritten. Es ist - wie zuvor ausgeführt - anerkannt, dass sich die Tiefenbegrenzung an der ortsüblichen baulichen Nutzung orientieren muss. Die Begriffe "ortsüblich" und "orientieren" bringen mit der ihnen inbegriffenen Unschärfe zum Ausdruck, dass es nicht um die Ermittlung einer exakt zu berechnenden Größe geht, von der nur zu bestimmten Prozentanteilen abgewichen werden darf. Das Erfordernis der Üblichkeit einer Bebauungstiefe setzt vielmehr schon voraus, dass es daneben eine nicht nur geringe Anzahl von Grundstücken mit im Gebiet nicht üblichen Bebauungstiefen geben muss, die nicht dem mit normal, geläufig oder verbreitet zu bezeichnenden Maß entsprechen muss. Aus all dem folgt, dass für die Annahme der Ortsüblichkeit ausreichend eine zahlenmäßig hinreichend große Gruppe von Grundstücken ist, die in etwa die gleichen Bebauungstiefen aufweisen, so dass von einer üblichen Tiefe gesprochen werden kann (vgl. dazu Bloemenkamp, a.a.O.). Der Senat hätte keine Bedenken, dies in dem vorliegenden Fall etwa für die Gruppe der bis zu 40 m tief bebauten Grundstücke anzunehmen, für die der Antragsgegner den Wert von immerhin 77% aller in die Betrachtung einbezogenen Grundstücke bei einer durchschnittlichen Bebauungstiefe aller Grundstücke von 34,85 m ermittelt hat.

84

Die bisherige Rechtsprechung des mit dem Abgabenrecht befassten 1. Senates steht dazu nicht im Widerspruch. Soweit er sich bislang zu Fragen der Tiefenbegrenzung in Verbindung mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit geäußert hat (04.12.2007 - 1 M 27/07 -, n.v.), ist das allein in dem Zusammenhang geschehen, dass eine im erstinstanzlichen Verfahren von dem Verwaltungsgericht festgestellte Kollision der festgesetzten Tiefenbegrenzung mit der "10%-Regel" nach Überarbeitung der Kalkulation durch den Zweckverband im Beschwerdeverfahren nicht mehr festgestellt werden konnte. Eine Aussage über die Anwendbarkeit dieser Quantifizierung im Zusammenhang mit der Tiefenbegrenzung ist damit entgegen anderslautender Einschätzung in der Kommentarliteratur (vgl. Aussprung, a.a.O., § 9, Anm. 4.3) nicht verbunden gewesen.

85

Der Senat hat dennoch erwogen, die vorliegend festgelegte Tiefenbegrenzungslinie von 50 Metern für ermessensgerecht zu erachten, weil bei Abgrenzung des Innen- vom Außenbereich zu berücksichtigen sein mag, dass der Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht unbedingt mit der Außenwand der letzten Baulichkeit enden muss, sondern je nach den örtlichen Gegebenheiten etwa noch einen Hausgarten einschließen kann (bauakzessorische Nutzung) und auch topographische Verhältnisse dabei eine prägende Rolle spielen können (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Kommentar, § 34, Rn. 25f; Rieger in: Schrödter, Baugesetzbuch, Kommentar, 7. Aufl., § 34, Rn. 14). Der Senat sieht sich jedoch gehindert, die hier getroffene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung von 50 Metern aufgrund dieser Überlegungen für fehlerfrei zu halten. Der Antragsgegner hat ausweislich seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen diesen Gesichtspunkt bei der Festlegung der Tiefengrenze selbst nicht mit einbezogen, sondern allein die hintere Begrenzung des letzten nach seiner Einschätzung für einen Bebauungszusammenhang nach § 34 Abs. 1 BauGB relevanten Gebäudes ausschlaggebend sein lassen. Allein danach und nach der Eingruppierung in derart definierte Tiefengruppen („Grenzwerte“ von 40,45 und 50 Metern) hat er die ortsübliche Bebauungstiefe ermittelt. Der Senat müsste damit an die Stelle der ortsgesetzgeberischen Ermessensentscheidung des Antragsgegners eine eigene Entscheidung über die Tiefenbegrenzung setzen; dies ist ihm jedoch verwehrt. Außerdem erforderte eine Berücksichtigung dieser Umstände womöglich eine weitere Ermittlung der örtlichen Verhältnisse, weil das Ziehen der Grenze zwischen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und dem Außenbereich grundsätzlich eine Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes erfordert (BVerwG, 06.11.1968 – IV C 2.66 -, BVerwGE 31, 20, 21).

86

b. Der danach festzustellende Verstoß von § 4 Abs. 2 d) TBS gegen den Vorteilsgrundsatz (§ 7 Abs. 1 Satz 3 KAG) und das Gleichbehandlungsprinzip führt zur Unwirksamkeit der gesamten Trinkwasserbeitragssatzung.

87

Die Normierung einer Tiefenbegrenzung ist im Anschlussbeitragsrecht zwar nicht vorgeschrieben. Ihre Anordnung steht vielmehr im Ermessen des Ortsgesetzgebers. Fehlt sie, sind in jedem Einzelfall die örtlichen Grundstücksverhältnisse zu betrachten und der Kalkulation des Beitragssatzes sowie der Heranziehung des einzelnen Grundstückseigentümers zugrundezulegen. Dies kann dazu führen, dass eine Kanalbaubeitragssatzung trotz festgestellter Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzung fortbesteht.

88

Hier ist eine Fortgeltung der Trinkwasserbeitragssatzung trotz Unwirksamkeit der Tiefenbegrenzungsregelung nach § 4 Abs. 2 d) TBS jedoch ausgeschlossen. Die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung schlägt nur dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durch, wenn die Restbestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, daß sie auch ohne diesen erlassen worden wären (BVerwG, 27.01.1978, a.a.O.). Vorliegend sind beide Voraussetzungen nicht gegeben.

89

§ 4 Abs. 2 d) TBS könnte ohne die Regelung über die Tiefenbegrenzung nicht fortbestehen, weil dann bei Grundstücken im Übergangsbereich vom unbeplanten Innenbereich zum Außenbereich als Grundstücksfläche die Gesamtfläche des Grundstücks zählen würde. Dies wäre vorteilswidrig, weil dann auch die einer Bebauung entzogene Außenbereichsfläche mitgerechnet würde. Betrachtete man deshalb die gesamte Regelung unter § 4 Abs. 2 d) TBS als nichtig, so fehlte dem Beitragsmaßstab eine Regelung über die anrechenbare Grundstücksfläche von solchen Übergangsgrundstücken. Da im Verbandsgebiet zahlreiche Grundstücke dieser Art existieren, wäre die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG unabdingbare Bestimmung des Beitragsmaßstabes wegen des im Anschlussbeitragsrecht geltenden Grundsatzes der konkreten Vollständigkeit (vgl. OVG Greifswald, 30.06.2004, a.a.O., juris, Rn. 91) zu beanstanden. Darüber hinaus würde sich die Unwirksamkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS auf den Bestand weiterer Satzungsbestimmungen auswirken [(§ 4 Abs. 2 e) und f)], die auf diese Bestimmung Bezug nehmen.

90

Eine isolierte Nichtigkeit der Tiefenbegrenzungsregelung bei Fortbestand der weiteren Satzungsbestimmungen scheidet auch deshalb aus, weil sie nicht dem Willen des Satzungsgebers entspräche. Nach seiner Dokumentation der Ermessenserwägungen waren Vorstand und Verbandsvorsteher zu dem Ergebnis gekommen, dass aus Gründen der Rechtssicherheit und Verwaltungspraktikabilität eine Vermutungsregel in Form einer Tiefenbegrenzung aufgestellt und keine konkreten Einzelabgrenzungen von Innen- und Außenbereichsflächen vorgenommen werden sollten. Denn eine ohne Tiefenbegrenzungsregel erforderliche einzelfallbezogene Abgrenzung von Innenbereichs- und Außenbereichsflächen wäre sehr zeit- und kostenaufwändig.

91

Danach würde dem Antragsgegner bei Annahme der alleinigen Nichtigkeit von § 4 Abs. 2 d) TBS eine Beitragssatzung aufgenötigt, die dieser ausdrücklich so nicht erlassen wollte. Somit musste der Senat die gesamte Trinkwasserbeitragssatzung des Antragsgegners für unwirksam erklären.

92

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

93

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur dann zurückgenommen werden, wenn

1.
er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist,
2.
er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist,
3.
ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren,
4.
seine Rechtswidrigkeit dem Begünstigten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war.

(3) Erhält die Finanzbehörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Fall des Absatzes 2 Nr. 2.

(4) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist; § 26 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat,
3.
wenn die Finanzbehörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde.
§ 130 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Finanzbehörde keinen späteren Zeitpunkt bestimmt.

(4) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts die nach den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit zuständige Finanzbehörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Finanzbehörde erlassen worden ist.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kostenschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Kostengläubigers abzuwenden, wenn nicht der Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Nacherhebung eines Anschlussbeitrages für die Schmutzwasserbeseitigung.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus und einem Ferienhaus bebauten und 2.191 qm großen Grundstücks Gemarkung ##, Flur #, Flurstück ###. Es ist an die von der Gemeinde Zingst betriebene zentrale Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 28. Juni 1995 hatte der Beklagte den Kläger zu Anschlussbeiträgen in Höhe von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) herangezogen, mit Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 zu weiteren 1.514,47 (2.962,05 DM). Der Berechnung des Beitrages gemäß Bescheid vom 28. Juni 1995 war eine Grundstücksfläche von 1.500 m² (x 4,65 DM = 6.975,00 DM) und eine Geschossfläche von 179 m² (x 16,50 DM = 2.953,50 DM) zugrunde gelegt worden. Der Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 legte eine beitragspflichtige Grundstücksfläche von 2.137 m² zugrunde (2.191 abzüglich 54 m² Wasserfläche), von der die bereits veranlagte Fläche von 1.500 m² in Abzug gebracht wurde. Den Betrag von 5.076,36 EUR zahlte der Kläger. Ein gegen den Bescheid vom 15. Oktober 1999 anhängig gemachtes Klageverfahren (VG Greifswald, Az. 3 A 1288/01) ist nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt worden.

3

Mit dem streitgegenständlichen Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 zum Nachveranlagungsbescheid vom 15. Oktober 1999 setzte der Beklagte im Wege der Nacherhebung einen Anschlussbeitrag in Höhe von 12.263,10 EUR fest. Im Bescheid heißt es, die Differenz zwischen dem bereits gezahlten und dem neu festgesetzten Anschlussbeitrag betrage 7.186,74 .

4

Auf den unter dem 23. Juni 2003 dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers reduzierte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. August 2004, zugestellt am 18. August 2004, den zu zahlenden Beitrag auf 3.656,80 EUR und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, die bereits 1995 veranlagte Teilfläche von 1.500 m² habe wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht erneut veranlagt werden dürfen. Für die Restfläche von 637 m² errechne sich eine beitragspflichtige Fläche von 891,80 m² (erstes Vollgeschoss: 100 %, zweites Vollgeschoss: 40 % - § 4 Abs. 3 der Abwasserbeitragssatzung). Bei einem Beitragssatz von 4,10 EUR ergebe sich ein Nacherhebungsbeitrag von 3.656,38 EUR.

5

Dagegen hat der Kläger am 20. September 2004 (Montag) Klage erhoben.

6

Zu ihrer Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt,

7

seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Satzungsgrundlage. Die Abwasserbeitragssatzung des Beklagten vom 10. April 2003 sei bereits nicht ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Der "Zingster Strandbote", jedenfalls dessen Ausgabe vom April 2003, genüge wegen eines Verstoßes gegen § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 4 KV-DVO a. F nicht den gesetzlichen Anforderungen für ein amtliches Bekanntmachungsblatt. Die Satzung sei auch materiell-rechtlich unwirksam. §4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße gegen den Gleichheitssatz. Zudem halte § 3 Abs. 2 ABS einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, indem die Bestimmung ein Abweichen vom Buchgrundstücksbegriff zugunsten des wirtschaftlichen Grundstücksbegriffes auch dann zulasse, wenn die Anwendung des Buchgrundstücksbegriffes nicht zu gröblich unangemessenen Ergebnissen führen würde. Die Satzungsanwendung sei ebenfalls fehlerhaft. Eine Nacherhebung sei wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung unzulässig.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

den Beitragsbescheid des Beklagten vom 16.06.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.08.2004 aufzuheben.

10

Der Beklagte hat beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er hat vorgetragen,

13

die formell-rechtlichen Einwände gegen die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung seien unbegründet. Gleichwohl sei der "Zingster Strandbote" in seinem Erscheinungsbild geändert und die Abwasserbeitragssatzung im Februar 2005 vorsorglich erneut bekannt gemacht worden. § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei rechtlich zulässig, die Grenze der baulichen oder gewerblichen Nutzung bei der am weitesten entfernten Gebäudegrenze zu ziehen. Außerdem gebe es in der Gemeinde Zingst keine übergreifende, nicht-bauliche gewerbliche Nutzung und damit den vom Kläger angesprochenen Fall nicht. Auch § 3 Abs. 2 ABS sei nicht zu beanstanden. Die Regelung sei auch kein einziges Mal angewendet, sondern stets das Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinne zugrundegelegt und herangezogen worden.

14

Mit dem angefochtenen Urteil vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der rechtmäßige Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung) vom 10. April 2003, bekanntgemacht durch Veröffentlichung im "Zingster Strandboten" vom 16. April 2003. Die Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und

15

24. Mai 1996 seien unwirksam und schieden deswegen als Rechtsgrundlage aus.

16

Die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 sei rechtswirksam. Sie sei ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung der Gemeinde Ostseebad Zingst vom 07. Dezember 2001 erfolgten öffentliche Bekanntmachungen von Satzungen im amtlichen Bekanntmachungsorgan der Gemeinde, dem monatlich erscheinenden "Zingster Strandboten". Dieser genüge den Anforderungen des §6 Abs. 1 KV-DVO, insoweit werde auf den Beschluss der Kammer vom 11. Februar 2005 - 3 B 3820/04 - Bezug genommen. Darüber hinaus dürfte der klägerische Einwand wegen der Neubekanntmachung im "Zingster Strandboten" vom 18. Februar 2005 hinfällig geworden sein.

17

Die Satzung sei auch materiell-rechtlich wirksam und weise den erforderlichen Mindestinhalt auf.

18

Entgegen der Auffassung des Klägers sei insbesondere § 4 Abs. 2 Buchst. d ABS fehlerfrei. Die Bestimmung finde ihre Rechtfertigung darin, dass die in der Tiefenbegrenzung liegende Vermutung, wonach jenseits der Tiefengrenze der Außenbereich beginne, in Fällen sogenannter übergreifender baulicher bzw. gewerblicher Nutzung widerlegt sei und daher in diesen Fällen die beitragspflichtige Fläche durch die hintere Grenze der Nutzung begrenzt werde. Wenn der Kläger meine, dass die Regelung eine übergreifende gewerbliche Nutzung, die nicht zugleich bauliche Nutzung sei, nicht erfasse, berücksichtige er nicht, dass eine "nur gewerbliche" Nutzung, die nicht auch bauliche Nutzung sei, in Bezug auf die Schmutzwasserentsorgung kaum denkbar sei. Der Hinweis auf "zahlreiche" gewerbliche Grundstücksnutzungen, deren Grenze nicht durch eine bauliche Anlage gezogen werde, treffe nicht zu. Mit Blick auf den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit habe der Beklagte zudem unwidersprochen dargelegt, dass es jedenfalls im Gebiet der Gemeinde Zingst kein Grundstück gebe, das jenseits der Tiefenbegrenzungslinie "nur gewerblich" genutzt würde, ohne dass zugleich eine (übergreifende) Gebäudenutzung vorhanden wäre. Fehlerhaft und damit unwirksam sei allerdings § 3 Abs. 2 ABS, wenn die Gemeinde nach dieser Bestimmung ermächtigt werde, unter dort näher genannten Voraussetzungen im Einzelfall den wirtschaftlichen Grundstücksbegriff anzuwenden. Der Fehler wirke sich aber auf die Rechtswirksamkeit der Satzung insgesamt nicht aus. An die Stelle der insoweit nichtigen Regelung trete der gesetzliche Grundstücksbegriff mit der Folge, dass die Satzung weiterhin zur Beitragserhebung geeignet sei. Der Satzungsfehler in § 3 Abs. 2 ABS habe sich auch nicht auf die Rechtmäßigkeit der Beitragskalkulation ausgewirkt. Der Beklagte habe unwidersprochen vorgetragen, dass die Regelung für die Berechnung der Beitragseinheiten in keinem einzigen Fall angewendet worden sei.

19

Auch die Satzungsanwendung sei nicht zu beanstanden. Rechtmäßig sei insbesondere die Nacherhebung des Beitrages. Ihr stehe der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang gehe das Verwaltungsgericht von folgenden Grundsätzen - nach Maßgabe seines Beschlusses vom 27. Februar 2006 - 3 B 3023/05 - aus: Dem Beitragswesen immanent sei das Merkmal der Einmaligkeit. Der Grundsatz der Einmaligkeit schränke zugleich auch die Möglichkeit einer Nacherhebung ein. Jedoch schließe die grundsätzlich bestehende - auch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V fortgeltende - Verpflichtung, Beiträge nach Maßgabe der geltenden landes- und ortsrechtlichen Vorschriften zu erheben, die Verpflichtung ein, einen entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen. Sei ein Beitragspflichtiger - etwa weil die für sein Grundstück verteilungsrelevante Fläche ohne rechtfertigenden Grund (versehentlich) nur zum Teil berücksichtigt worden sei - oder seien alle Beitragspflichtigen - etwa weil ein Rechnungsposten bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes übersehen worden sei - zu niedrig veranlagt worden, sei die Gemeinde regelmäßig gehalten, bis zum Eintritt der Festsetzungsverjährung durch selbständige Bescheide entsprechende Nachforderungen zu erheben, um dadurch ihren Beitragsanspruch voll auszuschöpfen. Die Bestandskraft eines Heranziehungsbescheides, mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt worden sei, stehe einer Nacherhebung durch einen weiteren (selbständigen) Bescheid, mit dem der noch nicht ausgeschöpfte Teil eines entstandenen Beitragsanspruch gefordert werde, nicht entgegen. Insbesondere hinderten Vertrauensschutzgesichtspunkte eine Nacherhebung nicht. Denn der Betroffene müsse sich entgegenhalten lassen, dass die Gemeinde ihre Leistungen unter anderem auch zu seinen Gunsten erbracht habe und dass sie und die hinter ihr stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern könnten, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts der Gemeinde, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit. Allerdings seien über die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V die §§ 172 ff. AO über die nachträgliche Aufhebung und Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden entsprechend anwendbar. Diese Vorschriften stünden aber einer Nachveranlagung nicht entgegen, weil durch den Nacherhebungsbescheid der (bestandskräftige) frühere Heranziehungsbescheid nicht im Sinne der genannten Vorschriften aufgehoben oder abgeändert, sondern lediglich der Beitragsanspruch ausgeschöpft werde. Die Gegenauffassung berücksichtige nicht genügend das den Entgeltabgaben zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Die §§ 172 ff. AO basierten auf einem vorrangigen Vertrauensschutz gegenüber bestandskräftigen Steuerbescheiden, wobei Steuern ohne Gegenleistung geschuldet würden. Bei Entgeltabgaben stehe demgegenüber die Zahlungspflicht in unmittelbarer Beziehung zu einer von der Allgemeinheit erbrachten Leistung. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, dass eine fehlerhafte Abgabenfestsetzung nicht innerhalb der Festsetzungsfrist auch zu Lasten des Abgabenschuldners behoben werden sollte. Dabei sei zu beachten, dass die Unabänderbarkeit fehlerhafter Bescheide, die Beiträge zu niedrig festgesetzt hätten, zu einem Defizit führen würde, das entweder durch Abgabenerhöhung von den übrigen Benutzern der Einrichtung oder vom Steuerzahler getragen werden müsste.

20

Gemessen an diesen Grundsätzen sei die in dem angefochtenen Bescheid erfolgte Nachveranlagung nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe lediglich den in den vorherigen Beitragsbescheiden unberücksichtigt gebliebenen Teilbetrag des Anschlussbeitrags festgesetzt. Hierzu sei er nach der Beitragssatzung und dem genannten Grundsatz, den entstandenen Beitragsanspruch in vollem Umfang geltend zu machen, auch verpflichtet gewesen. Im Übrigen komme es für die Frage, ob die Einmaligkeit der Beitragserhebung verletzt sei, auf den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht an. Das bedeute, eine Nacherhebung sei immer dann zulässig und geboten, wenn - wie vorliegend - der (niedrigere) Beitrag zunächst auf Grundlage einer Satzung errechnet und erhoben worden sei, die sich später als rechtsunwirksam erwiesen habe. Hier sei zu berücksichtigen, dass die sachliche Beitragspflicht erstmals mit Inkrafttreten der Abwasserbeitragssatzung von 2003 entstanden sei. Offen bleiben könne, ob die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages im Widerspruchsbescheid rechtmäßig gewesen sei. Denn dies verletze den Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten. Schließlich sei die Beitragsforderung nicht in Folge Festsetzungsverjährung erloschen.

21

Das Urteil ist dem Kläger am 02. Oktober 2006 zugestellt worden. Auf den am 01. November 2006 eingegangenen und unter dem 04. Dezember 2006 (Montag) begründeten Antrag hin hat der Senat mit Beschluss vom 22. Oktober 2009, dem Kläger am 26. Oktober 2009 zugestellt, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Unter dem 16. November 2009 hat der Kläger seine Berufung begründet.

22

Er hält die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dem angefochtenen Nacherhebungsbescheid stünde trotz Bestandskraft des ursprünglichen Heranziehungsbescheides §12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. den §§172 ff. AO nicht entgegen, für unzutreffend. Gegenstand der Kanalbaubeitragspflicht sei nach dem KAG M-V (a.F.) der auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke umzulegende Aufwand für die - hier erstmalige - Herstellung der öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst, wobei die Beiträge "nach den Vorteilen zu bemessen" seien. Die Vorteilsbemessung bzw. gleichheitsgerechte Verteilung des Aufwandes auf die Eigentümer der bevorteilten Grundstücke habe der Gesetzgeber den Kommunen überlassen. Anknüpfungspunkt für die gleichheitsgerechte Bemessung des Beitragssatzes für einen Kanalbaubeitrag könne richtigerweise nur die Größe bzw. Bebaubarkeit des bevorteilten Grundstücks selbst sein. Hieran habe sich die Gemeinde Zingst mit ihren Vorgängersatzungen vom 26. Juni 1993 und vom 24. Mai 1996 auch gehalten, selbst wenn diese Satzungen - wovon auch er ausgehe - im Ergebnis nichtig gewesen seien. Im vorliegenden Fall habe sich weder die Grundstücksfläche noch die Bebaubarkeit seines Grundstücks im Zuge der Nacherhebung verändert. Die Nacherhebung sei nichts anderem geschuldet gewesen als dem mehrfach geänderten Satzungsrecht der Gemeinde Zingst, nicht aber dem Umstand, dass sein Grundstück etwa "nur teilweise" von den Vorgängersatzungen berücksichtigt und veranlagt worden sei, sodass er "für" sein Grundstück mit dem Ursprungsbescheid hinsichtlich des Herstellungsaufwandes für die öffentlichen Abwasseranlagen der Gemeinde Zingst bereits "vollständig" und bestandskräftig veranlagt worden sei. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die §§ 172 ff. AO vorliegend deswegen nicht anwendbar seien, weil Steuern grundsätzlich ohne, Beiträge dagegen für eine Gegenleistung des Staates erhoben würden, möge allenfalls als Hinweis an den Gesetzgeber verstanden werden. Dieser habe nämlich auch mit § 12 Abs. 1 KAG M-V n. F. geregelt, dass auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung entsprechend anwendbar seien, während eine ganze Anzahl von Bundesländern mit ihren Kommunalabgabengesetzen insoweit Einschränkungen gemacht hätten. Es bedürfe keiner richterlichen "Korrektur" des § 12 Abs. 1 KAG M-V im Sinne der Gesetze anderer Bundesländer. Der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern habe nämlich den Abgaben erhebenden Behörden durch vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der Abgabenordnung genügend Instrumente an die Hand gegeben, im Zweifel genau die Probleme zugunsten der öffentlichen Haushalte zu lösen, die das Verwaltungsgericht wegen Satzungsfehlern - d. h. wegen Fehlern von Rechtsnormen - zulasten der Bürger lösen wolle. Denn eine Abgaben erhebende Behörde sei durch nichts daran gehindert (gewesen), wegen § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 164 AO einen Kanalbaubeitragsbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen. Dass die Behörden dies regelmäßig nicht tun würden, dürfe die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht dazu veranlassen, entgegen § 12 Abs. 1 KAG M-V die Abgabenordnung nur auf kommunale Steuern anzuwenden. Angesichts dessen, dass kommunale Steuern gegenüber Beiträgen und Gebühren nur einen verschwindend geringen Anteil ausmachten, wäre es nicht erklärlich, wenn der Gesetzgeber die §§172 ff. AO nur auf kommunale Steuern angewendet wissen wollte. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V sei nicht mehr zu fragen, ob auch auf Kanalbaubeiträge die §§ 172 AO ff. "entsprechend" anwendbar seien. Schließlich seien dem Gesetzgeber im Hinblick auf die Kommentierungen zum KAG a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht bei Novellierung des KAG ausschließen würde. Er habe dennoch an der uneingeschränkten Verweisung in § 12 Abs. 1 KAG M-V festgehalten.

23

Er, der Kläger, halte außerdem die Abwasserbeitragssatzung der Gemeinde Zingst vom 10. April 2003 (ABS) auch in ihrer Fassung der 1. Änderungssatzung vom 25. April 2008 deshalb für nichtig, weil sie einen fehlerhaften Beitragsmaßstab aufweise. So regele § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei widersprüchlich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe. Zudem sei auch § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS rechtswidrig. Wegen der mit dieser Regelung erfolgenden "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches in dieser Tiefe beidseits durch jeweils eine Straße erschlossen wäre, ohne sachlichen Grund beitragsfrei. Er halte schließlich daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei.

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Der Kläger beantragt,

25

das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 20. September 2006 - 3 A 2268/04 - zu ändern und den Änderungsbescheid des Beklagten vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 aufzuheben.

26

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

28

Er verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Wesentlichen vor, der Grundsatz der Einmaligkeit stehe einer Nacherhebung nicht entgegen; dieser sei nicht gleichbedeutend mit einem Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheides. Der Kläger gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass § 12 Abs. 1 KAG M-V die Anwendung der Abgabenordnung vorbehaltlos anordne. Denn die Abgabenordnung gelte nur "entsprechend". Die Aufnahme des Begriffs "entsprechend" berücksichtige die Unterschiede bei den Regelungsgegenständen der Abgabenordnung einerseits und des Kommunalabgabenrechts andererseits. Es sei jeweils zu prüfen, ob eine in der Abgabenordnung getroffene, sich auf Steuern beziehende Regelung dem Wesen etwa kommunaler Entgeltabgaben gerecht werde. Das den Entgeltabgaben zugrundeliegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verlange, dass eine - gleichgültig aus welchem Grunde - zu niedrig festgesetzte Abgabe innerhalb der Festsetzungsfrist bis zur richtigen Höhe nacherhoben werden müsse, um die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Diesem Prinzip stünden die §§ 172 ff. AO von ihrem Sinn und Zweck her nicht unproblematisch, wenn nicht sogar unvereinbar gegenüber. Sie könnten daher im Bereich der Entgeltangaben keine strikte Anwendung finden. So habe das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits entschieden, dass die §§ 172 ff. AO auf Erschließungsbeiträge nicht anwendbar seien. Entsprechendes müsse für Anschlussbeiträge gelten. § 9 Abs. 1 KAG M-V verlange eine Ausschöpfung des Beitragsanspruchs. Jedenfalls habe er sein ihm in der Gesamtschau der Regelungen der §§ 172 ff. AO zustehendes Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Ein hinsichtlich der Beitragshöhe zu niedriger Bescheid sei im Übrigen ein ausschließlich belastender Verwaltungsakt, der keine begünstigenden Elemente aufweise. Eine Begünstigung liege nur vor, soweit sie im Verwaltungsakt ausdrücklich ausgesprochen worden sei, wenn also die Behörde ausnahmsweise und verbindlich zum Ausdruck bringe, dass sie von einer Mehrforderung absehen wolle. Einen solchen Anschein habe er nicht erweckt. Auch das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes stehe einem Nachveranlagungsbescheid nicht entgegen. Der Beitragsschuldner müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung entgegenhalten lassen, dass der Beitrag ein Entgelt für eine Leistung der Gemeinde sei. Er könne nicht erwarten, diese zu Lasten der Allgemeinheit ohne volle Gegenleistung und kostengünstiger als andere zu erhalten. Erst durch die Nacherhebung sei eine "nach den Vorteilen zu bemessende" Veranlagung erfolgt. Der Beklagte verteidigt schließlich die Maßstabsregelungen des §4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 und Buchst. e ABS.

29

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, die Gerichtsakte im Verfahren Az. 1 L 324/06 samt Beiakten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

30

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Änderungsbescheid vom 16. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2004 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Der angefochtene Bescheid findet seine nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Gemeinde Seeheilbad Zingst (Abwasserbeitragssatzung - ABS) vom 10. April 2003; der Senat legt dabei in Übereinstimmung mit den Beteiligten und dem Verwaltungsgericht zugrunde, dass die Vorläufersatzungen nicht wirksam gewesen sind (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 09.04.2002 - 1 M 1/02 -, juris; VG Greifswald, Urt. v. 12.01.2005 - 3 A 2331/01 -). Die Satzung ist wirksam (1.) und die konkrete Rechtsanwendung nicht zu beanstanden (2.).

32

1. Die Wirksamkeit der Abwasserbeitragssatzung unterliegt weder unter dem Blickwinkel ihrer ordnungsgemäßen Bekanntmachung (a) noch hinsichtlich ihrer seitens des Klägers angegriffenen Maßstabsregelungen (b) durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

33

a) Der Senat stimmt dem Verwaltungsgericht zunächst darin zu, dass die Abwasserbeitragssatzung - jedenfalls zwischenzeitlich - wirksam bekannt gemacht worden sei (§ 130b Satz 2 VwGO). Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bekanntmachung im "Zingster Strandboten" im April 2003 auch mit Blick darauf nicht zu beanstanden ist, dass nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 KV-DVO a.F. das amtliche Bekanntmachungsblatt durch seine Bezeichnung auf seinen amtlichen Charakter und den Träger der öffentlichen Verwaltung, der es herausgibt, hinweisen muss. Denn insoweit sind - ohne dass dies den normunterworfenen Bürger überfordern würde - "Zingster Strandbote" und die konkrete Beilage, in der die Abwasserbeitragssatzung abgedruckt worden ist, im Zusammenhang zu betrachten. Schon die äußere Gestaltung der Beilage mit dem Aufdruck "Gemeinde Seeheilbad Zingst", dem darunter befindlichen Gemeindewappen, das sich - worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - auch auf dem "Zingster Strandboten" findet, und der Auflistung der verschiedenen Satzungen, die im Inhalt zu finden sind, lässt keinen Zweifel am amtlichen Charakter des Bekanntmachungsblattes und hinsichtlich des herausgebenden Trägers der öffentlichen Verwaltung zu (vgl. auch das Impressum der Beilage, in dem die Gemeindeverwaltung Zingst als Herausgeber bezeichnet ist). Zudem ist die Bekanntmachung jedenfalls im Februar 2005 wirksam nachgeholt worden. Soweit der Kläger - nachdem er den rechtlichen Gesichtspunkt der Bekanntmachung zunächst zweitinstanzlich nicht mehr thematisiert hatte - in seinem Schriftsatz vom 07. Dezember 2009 vorgetragen hat, er halte daran fest, dass eine Beitragssatzung nur dann ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht werden könne, wenn die Hauptsatzung der Gemeinde in Bezug auf ihre Regelungen über die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen selbst ordnungsgemäß öffentlich bekannt gemacht worden sei, handelt es sich lediglich um eine rechtliche Feststellung. Der Kläger trägt damit schon selbst nicht ausdrücklich vor, dass die Bekanntmachung der Hauptsatzung fehlerhaft gewesen sein könnte. Jedenfalls ist dieses Vorbringen dermaßen unspezifiziert, dass der Senat keine Veranlassung gesehen hat, hier gleichsam "ins Blaue" weitere Ermittlungen von Amts wegen vorzunehmen. Schließlich spricht mit Blick auf das vorliegende Exemplar der Hauptsatzung, das als Beilage zum "Zingster Strandboten" im Dezember 2001 erschienen ist, unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nichts für einen Bekanntmachungsfehler.

34

b) Die in der Abwasserbeitragssatzung enthaltenen, vom Kläger angegriffenen maßstäblichen Regelungen sind wirksam.

35

Soweit der Kläger rügt, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. e ABS sei mit Blick auf die Bestimmungen, die Grundstücke mit baulicher bzw. möglicher baulicher Nutzung erfassten, widersprüchlich und damit gleichheitswidrig, dringt er damit nicht durch.

36

Nach § 4 Abs. 2 Buchst. e Satz 1 ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die im B-Plan eine sonstige Nutzung (z.B. als Sportplatz, Grünfläche, Friedhof) festgesetzt ist oder die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles (§ 34 BauGB) tatsächlich so genutzt werden, die Grundfläche der an die Anlage zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung anschließbaren Baulichkeiten geteilt durch die Grundflächenzahl 0,2, höchstens jedoch die tatsächliche Grundstücksgröße. In den nachfolgenden Sätzen schließen sich Regelungen zur Zuordnung der so ermittelten Abgeltungsfläche an.

37

Diese Vorschrift regele - so meint der Kläger - den Fall einer gegenüber einer baulichen oder gewerblichen Nutzung eines Grundstücks "sonstigen" Nutzung, also nur eine solche, die gerade nicht baulich oder gewerblich sei. Es sei daher ein Widerspruch in sich, dass die Regelung für eine sonstige Nutzung in diesem Sinne zur Bestimmung der maßgeblichen Grundstücksfläche gleichwohl an eine anschließbare Baulichkeit und sodann weitergehend gar an ein auf dem Grundstück stehendes Gebäude anknüpfe.

38

Dieses Vorbringen geht fehl. Das Merkmal der "sonstigen" Nutzung will nicht besagen, dass mit der Satzungsregelung nur Grundstücke ohne jede Bebauung/Bebauungsmöglichkeit erfasst werden sollen, sondern will - so das zutreffende Vorbringen des Beklagten - Grundstücke mit bestimmten "sonstigen" (= untergeordneten baulichen) Nutzungen wie Sportplätze durch einen Artabschlag erfassen und begünstigen, ohne dass damit auf den entsprechenden Flächen angeschlossene oder anschließbare Baulichkeiten ausgeschlossen würden. Eine solche Regelung, die den atypisch niedrigen Vorteil solcher Flächen berücksichtigen will, begegnet keinen Bedenken und liegt im ortsgesetzgeberischen Ermessen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 24.03.2004 - 1 L 58/02 -, juris).

39

Auch die Rüge, die Maßstabsregelung des § 4 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 ABS stelle als "doppelte" Anwendung der Tiefenbegrenzung eine sachwidrige Privilegierung dar, führt nicht zum Erfolg der Berufung. Gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. c ABS gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein B-Plan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der Straßengrenze der dem Innenbereich zugewandten Straße und einer im Abstand von siebzig Meter dazu verlaufenden Parallelen (Satz 1). Liegt das Grundstück an mehreren Straßen, so ist die Tiefenbegrenzung von jeder einer Straßenseite zugewandten Grundstücksseite anzusetzen (Satz 2).

40

Der Kläger meint, wegen der in Satz 2 der Regelung aus seiner Sicht vorgesehenen "doppelten" Anwendung der Tiefenbegrenzung wäre ein 140 m tiefes Grundstück, welches beidseits durch eine Straße erschlossen ist, beitragsfrei. Wie der Beklagte zutreffend ausführt, ist jedoch das Gegenteil der Fall, die Gesamtfläche wäre in diesem Fall beitragspflichtig. Die von jeweils einer Straße aus gesehen der Beitragspflicht unterliegende Fläche mit einer Tiefe von siebzig Metern geht der Freistellung derselben Fläche durch die Tiefenbegrenzung ausgehend von der anderen Straße vor.

41

2. Die mit dem streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Beitragsnacherhebung, mit der der Kläger zusätzlich zu dem durch Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 ursprünglich festgesetzten und bezahlten Beitrag von 5.076,36 EUR (9.928,50 DM) nochmals zu einem Betrag 3.656,38 EUR herangezogen wird, ist rechtmäßig.

42

Eine solche Nacherhebung ist unter den vorliegenden Sachverhaltsgegebenheiten, insbesondere der Unwirksamkeit der Vorgängersatzungen, grundsätzlich zulässig und auch in der konkreten Rechtsanwendung ohne Rechtsfehler durchgeführt worden.

43

Der Beklagte ist nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V und auf der Grundlage der Abwasserbeitragssatzung grundsätzlich berechtigt und verpflichtet, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass er einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist. Einer solchen Nacherhebung stehen der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragerhebung, die Rechtsfolgen der Bestandskraft des Erstheranziehungsbescheides und der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ebenso wenig entgegen wie die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KAG M-V und die darin enthaltene Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung.

44

Eine Nacherhebung ist zwar weder ausdrücklich Gegenstand der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Abwasserbeitragssatzung noch finden sich insoweit Bestimmungen im Kommunalabgabengesetz M-V, die ausdrücklich die Möglichkeit einer Nacherhebung in Fällen der vorliegenden Art vorsehen. Auch ist die Beitragserhebung im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen insoweit nicht bundesrechtlich determiniert und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris; Urt. v. 26.01.1996 - 8 C 14.94 -, NVwZ-RR 1996, 465; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218; Beschl. v. 05.03.1997 - 8 B 37.97 -, Buchholz 406.11 § 127 BauGB Nr. 86; Beschl. v. 12.08.1991 - 8 B 108.91 -; Urt. v. 07.07.1989 - 8 C 86.87 -, BVerwGE 82, 215 - jeweils zitiert nach juris; vgl. auch OVG Greifswald, Beschl. v. 19.11.2007 - 1 L 1/07 -, juris) zur Verpflichtung der Kommunen, einen entstandenen Erschließungsbeitragsanspruch ggfs. auch im Wege der Nacherhebung auszuschöpfen, nicht unmittelbar einschlägig. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit einer Nacherhebung ist eine solche des irrevisiblen Landesrechts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 103.98 -, juris; Beschl. v. 10.09.1998 - 8 B 102.98 -, juris).

45

Wie im Erschließungsbeitragsrecht ergibt sich jedoch aus den landesrechtlichen Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes M-V grundsätzlich auch im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen das Recht und die Verpflichtung der beitragserhebenden Körperschaft, eine Nacherhebung in dem Sinne vorzunehmen, dass sie einen wirksam entstandenen Anschlussbeitragsanspruch voll ausschöpft, soweit dies etwa auf der Basis einer früheren unwirksamen Satzung noch nicht durch eine erste Beitragserhebung erfolgt ist.

46

Die rechtliche Zulässigkeit der Nacherhebung und die Pflicht zur Ausschöpfung der kommunalen Beitragsanspruchs lässt sich - so zutreffend das Verwaltungsgericht - zunächst grundsätzlich § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (wie schon der Vorläuferbestimmung des § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG a. F.) entnehmen.

47

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sollen zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser oder Wärme oder zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung Anschlussbeiträge erhoben werden. Nur in atypischen Situationen kann von dieser "Soll"-Bestimmung abgewichen werden (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris). Beiträge sind dabei Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes insbesondere für die Herstellung öffentlicher Einrichtungen dienen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Sie werden nach näheren gesetzlichen Maßgaben als Gegenleistung dafür erhoben, dass den Beitragspflichtigen durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme Vorteile geboten werden (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich die grundsätzliche Vorstellung des Landesgesetzgebers, dass die Herstellungskosten einer öffentlichen Einrichtung - ggfs. bis zur Höhe eines in rechtmäßiger Ausübung ortsgesetzgeberischen Ermessens festgesetzten bzw. mit der Beitragserhebung zu erzielenden Kostendeckungsgrades - vollständig als Gegenleistung für die Verschaffung der Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Ver- oder Entsorgungseinrichtung durch Beiträge gedeckt werden sollen. Daraus folgt, dass grundsätzlich im Falle einer bei erstmaliger Heranziehung unterbliebenen Ausschöpfung des Beitragsanspruchs für die beitragserhebende Körperschaft die Möglichkeit bestehen muss, eine solche Ausschöpfung - zeitlich limitiert bis zur Grenze der Festsetzungsverjährung - durch eine Nacherhebung zu erreichen. Dies galt erst recht nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V a.F. Diese Vorschrift regelte noch strenger als § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, dass Beiträge "zu erheben sind".

48

Dieser Annahme steht zunächst - anders als der Kläger meint - nicht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entgegen, der insbesondere nach Maßgabe der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern auch im Abgabenrecht des Landes Mecklenburg Vorpommern Geltung beansprucht.

49

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung besagt zum einen, dass die sachliche Beitragspflicht (abstrakte Beitragsschuld) für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung zu Lasten eines Grundstücks nur einmal entsteht. Ist sie entstanden, kann sie nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt und in anderer Höhe noch einmal entstehen. Zum anderen schließt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung das Verbot der Doppelbelastung in dem Sinne ein, dass ein Grundstück für dieselbe öffentliche Einrichtung bzw. Teileinrichtung - hinsichtlich desselben Aufwands - grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen werden darf (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris; Beschl. v. 08.07.2004 - 1 M 170/04 -, juris; Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, NordÖR 2004, 262; OVG Berlin/Brandenburg, Urt. v. 06.06.2007 - 9 A 77.05 -, LKV 2008, 377; OVG Weimar, Beschl. v. 03.05.2007 - 4 EO 101/07 -, juris; VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -; VGH Mannheim, Beschl. v. 05.11.1992 - 2 S 152/90 -; Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -Beschl. v. 20.03.1991 - 2 S 1313/89 -; Beschl. v. 19.07.1990 - 2 S 412/90 -: jeweils juris; VG Potsdam, Urt. v. 18.09.2008 - 9 K 1128/05 -, juris; VG Bayreuth, Urt. v. 07.07.2004 - B 4 K 04.578 -, juris; vgl. auch VGH Kassel, Beschl. v. 12.04.2005 - 5 TG 116/05 -, NVwZ-RR 2006, 143 - zitiert nach juris). Die Einmaligkeit der Leistung des Kanalanschlussbeitrags folgt aus dem Wesen des Beitrags, der an einen bestimmten Zustand ("Möglichkeit der Inanspruchnahme") anknüpft und der den bei Verwirklichung des Zustands gebotenen wirtschaftlichen Vorteil insgesamt abgelten soll. Der Grundstückseigentümer erbringt die "Gegenleistung" für den ihm durch die Anschlussmöglichkeit gebotenen wirtschaftlichen Vorteil, der der Natur der Sache nach mit der Anschlussmöglichkeit entsteht und auch in der Zukunft in der Regel nicht verändert wird. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung ist auch Folge des aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Vertrauensschutzgedankens (vgl. VGH München, Urt. v. 15.04.1999 - 23 B 97.1108 -, juris; vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 25.05.2009 - 1 M 157/08 -, juris).

50

Nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V (vgl. auch § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. und die dazu ergangenen Rspr. des OVG Greifswald, etwa Beschl. v. 21.07.2006 - 1 M 60/06 -, juris) entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung geht das Landesrecht davon aus, dass der beitragsrelevante Vorteil mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung bereits vollständig ausgebildet ist und die Erhebung des Beitrags in voller Höhe rechtfertigt. Auch die Höhe des Beitrags, mit dem das bevorteilte Grundstück zu den Herstellungskosten herangezogen wird, steht auf der Grundlage der - wirksamen - Beitragssatzung zu diesem Zeitpunkt endgültig fest. Der Beitrag ruht - in Höhe der sachlichen Beitragspflicht - als öffentliche Last auf dem Grundstück (§ 7 Abs. 6 KAG M-V). Daraus folgt, dass - vorbehaltlich der Regelung des § 9 Abs. 7 KAG M-V - jedenfalls Nacherhebungstatbestände in einer Beitragssatzung, die eine zusätzliche Beitragspflicht für dasselbe Grundstück daran knüpfen, dass sich nach dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - was eine rechtswirksame Satzung voraussetzt - die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück verändert haben, grundsätzlich unzulässig sind (vgl. ebenso zur Rechtslage in Thüringen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, LKV 2009, 35 - zitiert nach juris).

51

Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung bedeutet danach zusammengefasst, dass die sachliche Beitragspflicht nur einmal und endgültig in der Höhe des nach Maßgabe der wirksamen Satzung abzugeltenden Vorteils entsteht und dass der entsprechende Aufwand durch einen einmaligen Beitrag in dieser Höhe gedeckt wird. Daraus kann aber noch nicht geschlossen werden, dass ein ergangener Beitragsbescheid in keinem Fall durch einen weiteren Bescheid ergänzt oder ersetzt werden dürfte. Dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung entspricht keineswegs ein ebenso strikter - so plastisch das Thüringische OVG - Grundsatz der Einmaligkeit des Beitragsbescheids. Der Umstand, dass erst der Beitragsbescheid das Beitragsschuldverhältnis für den Beitragsschuldner konkretisiert (vgl. § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) und mit der Festsetzung des Beitrags die Grundlage für die Zahlungsaufforderung in bestimmter Höhe schafft, vermag nicht zu begründen, dass die Einmaligkeit und Endgültigkeit, die für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht gilt, auch für den Beitragsbescheid gelten solle (vgl. zum Ganzen ebenso OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat für das Erschließungsbeitragsrecht - insoweit auf das Anschlussbeitragsrecht übertragbar - angenommen, dass sich die Rechtswidrigkeit eines Nacherhebungsbescheids nicht mit einem aus dem materiellen Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragspflicht herzuleitenden Verbot einer Doppelveranlagung begründen lasse, da jedenfalls sicher sei, dass sich ein solches Verbot allenfalls auf eine zweite Veranlagung zu ein und demselben Beitragsbetrag beziehen könnte, nicht aber auf eine Nacherhebung im hier in Rede stehenden Sinne, die lediglich einen noch nicht ausgeschöpften bzw. nicht bescheidmäßig festgesetzten Teil des Beitragsanspruchs einfordert (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris).

52

Somit ist die Frage, ob und inwieweit der Beitragsschuldner sich auf die Endgültigkeit eines ihm gegenüber ergangenen Beitragsbescheides verlassen darf, nicht schon mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung beantwortet. Denn dieser Grundsatz lässt das Recht und die Pflicht des Einrichtungsträgers zur vollständigen Erhebung des Beitrags in Höhe der - wirksam - entstandenen sachlichen Beitragspflicht unberührt. Wenn der Einrichtungsträger in einem ersten Beitragsbescheid den Beitrag - wie hier - etwa auf der Basis einer im Nachhinein als unwirksam erkannten Beitragssatzung fehlerhaft in einer Höhe festgesetzt hat, die die später tatsächlich entstandene sachliche Beitragspflicht der Höhe nach nicht ausschöpft, hat er grundsätzlich das Recht und darüber hinaus eine Pflicht zur Nachforderung (vgl. auch OVG Magdeburg, Beschl. v. 16.11.2006 - 4 L 191/06 -, LKV 2008, 139; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2009, § 8 Rn 26 ff.). Nur wenn der Beitragsbescheid die sachliche Beitragspflicht bereits voll ausgeschöpft hat, steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung und das daraus folgende Verbot der Doppelbelastung im Ergebnis auch jedem weiteren Nachforderungsbescheid oder einer Ersetzung durch einen Bescheid mit höherer Beitragsforderung für die gleiche Maßnahme entgegen. Wenn der Erstbescheid dagegen die - einmalig und endgültig entstandene - sachliche Beitragspflicht in der Höhe noch nicht ausgeschöpft hat, führt dieser Erstbescheid regelmäßig auch nicht zur Beendigung des Beitragsschuldverhältnisses. Denn das Beitragsschuldverhältnis entsteht entsprechend § 38 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V mit der Verwirklichung des Beitragstatbestandes und erlischt nicht mit einer bestandskräftigen Beitragsfestsetzung, sondern entsprechend § 47 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V insbesondere durch Zahlung, Aufrechnung, Erlass oder Verjährung (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.).

53

Die streitgegenständliche Nacherhebung wird auch nicht mit Blick auf eine Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 ausgeschlossen. Die Frage, ob der Eintritt der Bestandskraft des Anschlussbeitragsbescheids vom 28. Juni 1995 das durch das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragspflicht begründete Beitragsschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger beendet hat, ist nach dem einschlägigen materiellen Recht zu beantworten (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - zitiert nach juris; VGH München, Beschl. v. 23.04.2009 - 22 ZB 07.819 -, juris), hier also nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes. Diesen liegt - wie ausgeführt - die Vorstellung zugrunde, dass die der Abgaben erhebenden Körperschaft zustehenden Beitragsansprüche grundsätzlich in vollem Umfang bzw. dem Betrag nach voll auszuschöpfen sind.

54

Das landesrechtliche Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs schließt nicht nur die Auffassung aus, die Bestandskraft eines den entstandenen Beitragsanspruch nicht voll ausschöpfenden Heranziehungsbescheids könne zur Beendigung eines Beitragsschuldverhältnisses führen, sondern zwingt überdies zu der Annahme, dass ein solches Schuldverhältnis unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dessen Bestandskraft erst in dem Zeitpunkt endet, in dem - aus welchen Gründen immer - der Beitragsanspruch selbst erlischt. Diese Betrachtungsweise liegt auch der vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 6 KAG M-V (§ 8 Abs. 11 KAG a.F.) getroffenen Regelung zur dinglichen Sicherung des Beitragsanspruchs durch das Institut der öffentlichen Last zugrunde. Die dingliche Sicherung einer Beitragsforderung beginnt mit ihrem Entstehen, d.h. mit dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, und sie endet unabhängig vom Erlass eines Heranziehungsbescheids und dem Eintritt von dessen Bestandskraft erst mit dem Erlöschen der sachlichen Beitragspflicht (vgl. zum Ganzen entsprechend zum Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 115.86 -, NVwZ 1988, 938 - jeweils zitiert nach juris). § 7 Abs. 6 KAG M-V geht damit ebenfalls von der Pflicht zur Ausschöpfung des Beitragsanspruchs aus: Es erschiene widersinnig, auf der einen Seite eine öffentliche Last im vollen Umfang der sachlich entstandenen Beitragspflicht anzunehmen, auf der anderen Seite aber der Abgaben erhebenden Körperschaft im Falle einer erstmalig zu niedrigen Beitragsfestsetzung im hier erörterten Sinne zu verwehren, den Beitragsanspruch in entsprechender Höhe zu realisieren. Wollte man diesen Standpunkt einnehmen, hätte dies zur Folge, dass die öffentliche Last zwar fortbestünde, soweit der Beitragsanspruch nicht befriedigt oder anderweitig erloschen ist, für die Behörde jedoch keinerlei Möglichkeit mehr bestünde, den durch die öffentliche Last auch insoweit gesicherten Beitragsanspruch durchzusetzen.

55

Vor diesem Hintergrund enthält die Beitragsfestsetzung in bestimmter Höhe regelmäßig auch keine - begünstigende - verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll. Ein Beitragsbescheid ist nach seinem Tenor grundsätzlich ausschließlich belastender Verwaltungsakt und enthält keine begünstigende Regelung des Inhalts, "mehr" werde von dem jeweiligen Beitragsschuldner nicht verlangt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163; vgl. auch Beschl. v. 19.05.1999 - 8 B 61.99 -, NVwZ 1999, 1218 - jeweils zitiert nach juris). Wenn der Regelungsgehalt des Erstbescheids somit in der Regel nicht einer späteren vollständigen Ausschöpfung der entstandenen Beitragspflicht entgegensteht, bedarf es auch nicht zwingend einer Aufhebung des Erstbescheids. Vielmehr kann ein neuer Bescheid den Erstbescheid ergänzen und den Differenzbetrag zwischen ursprünglicher Festsetzung und tatsächlich entstandener Beitragspflicht festsetzen. Lediglich klarstellende Bedeutung hätte dann eine Mitteilung der mit beiden Bescheiden insgesamt festgesetzten Beitragshöhe (vgl. zum Ganzen OVG Weimar, Beschl. v. 29.04.2008 - 4 ZKO 610/07 -, a.a.O.). Diesen grundsätzlichen Erwägungen entsprechend enthält der Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 keine verbindliche Regelung dahingehend, dass eine spätere Nacherhebung ausgeschlossen sein soll.

56

Auch das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes rechtfertigt nicht die Annahme, mit Rücksicht auf den bestandskräftig gewordenen Anschlussbeitragsbescheid vom 28. Juni 1995 sei der angefochtene Änderungs- bzw. Nacherhebungsbescheid wegen eines Verstoßes gegen dieses Gebot rechtswidrig. Zwar ist ein Bescheid, mit dem ein entstandener Beitragsanspruch nicht voll ausgeschöpft, d.h. mit dem ein zu niedriger Beitrag verlangt wird, ein nach seinem Tenor ausschließlich belastender Verwaltungsakt. Auch ein solcher Bescheid kann allerdings ein geeigneter Gegenstand für ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen sein. Ein solches Vertrauen setzt jedoch außer einer adäquaten Vertrauensbetätigung des Betroffenen und der Schutzwürdigkeit dieser Vertrauensbetätigung voraus, dass im Zuge der bei Vorliegen dieser Voraussetzungen gebotenen Abwägung die Interessen des Betroffenen die der Allgemeinheit überwiegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). An alledem fehlt es hier. Insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zum öffentlichen Interesse an der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs verwiesen werden. Da sich die Abwasserbeitragssatzung vom 10. April 2003 ausweislich ihres § 10 keine Rückwirkung beigemessen hat und sie dies auch nicht musste, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage vorliegend der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz ist - insoweit kommt es auf das materielle Recht an, hier § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. mit der Regelung zur sachlichen Beitragspflicht -, stellen sich keine weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem früher in § 2 Abs. 5 Satz 4 KAG a.F. normierten einfachgesetzlichen Schlechterstellungsverbot.

57

Schließlich ergibt sich auch aus der in § 12 Abs. 1 KAG M-V enthaltenen Verweisung auf die Bestimmungen der Abgabenordnung nicht, dass eine Nacherhebung allgemein oder im konkreten Fall des Klägers nicht in Betracht käme. Gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieses Gesetz oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten.

58

Die Vorschriften der Abgabenordnung, die vorliegend von Bedeutung sein könnten, finden sich vor allem in den Bestimmungen der §§ 172 ff. AO, die eine erhöhte Bestandskraft von Steuerbescheiden zum Gegenstand haben, indem sie die Aufhebung oder Änderung von Steuerbescheiden einschränkenden Voraussetzungen unterwerfen. Der Verweis des § 12 Abs. 1 KAG M-V führt zu der Frage, ob auch Anschlussbeitragsbescheiden eine dermaßen erhöhte Bestandskraft innewohnt. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

59

Nach Maßgabe des Vorstehenden greift hinsichtlich der Nacherhebung von Anschlussbeiträgen bereits der Vorbehalt der "besonderen Vorschriften nach diesem Gesetz" gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V: Wie ausgeführt enthält dieses Gesetz im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen das "besondere" Gebot der Ausschöpfung des Beitragsanspruchs, das keinen einschränkenden Voraussetzungen unterliegt. Die Anwendung der §§ 172 ff. AO würde in zahlreichen Fällen dazu führen, dass die Ausschöpfung des Anschlussbeitragsanspruchs nicht möglich wäre, und infolgedessen dem entsprechenden gesetzlichen Ziel zuwider laufen. Damit ist bereits grundsätzlich eine entsprechende Anwendung der §§ 172 ff. AO im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen ausgeschlossen, soweit sie einer Ausschöpfung des Beitragsanspruchs entgegensteht; eine solche Anwendung im Bereich andersartiger Abgaben bleibt davon unberührt. Dabei kann dahin stehen, ob dem Kläger darin gefolgt werden kann, wenn er vorträgt, die Erhebung von Steuern durch die Kommunen mache im Vergleich mit dem Aufkommen aus Gebühren und Beiträgen nur einen geringen Teil der kommunalen Abgaben aus. Denn jedenfalls bliebe für die Verweisung des § 12 Abs. 1 KAG M-V auf die Abgabenordnung hinsichtlich der Erhebung kommunaler Steuern grundsätzlich insbesondere auch ein Anwendungsbereich für die §§ 172 ff. AO.

60

Darüber hinaus folgt der Senat dem Wortlautargument des Verwaltungsgerichts, demzufolge die Ausschöpfung des Beitragsanspruchs den früheren Beitragsbescheid nicht "ändern" oder "aufheben" (vgl. § 172 AO), sondern ergänzen will. Auch vorliegend soll der zwar hinsichtlich seiner Begründung fehlerhafte, aber bezüglich des festgesetzten Betrages zu niedrige und damit jedenfalls - weil nicht belastend - der Höhe nach nicht zu beanstandende Erstheranziehungsbescheid unverändert bleiben. Nach dem Inhalt von Nachveranlagungsbescheid und streitgegenständlichem Änderungsbescheid ist auch vorliegend nicht ersichtlich, dass der bestandskräftige Bescheid vom 28. Juni 1995 geändert oder aufgehoben werden sollte.

61

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen "passen" die §§ 172 ff. AO in ihrem ausdifferenzierten Regelungsgehalt und ihrem Wortlaut nach jedenfalls für die Nacherhebung von Anschlussbeiträgen im hier in Rede stehenden Sinne offensichtlich nicht ohne weiteres. Dies gilt umso mehr, als die Fälle der vorliegenden Art dadurch geprägt sind, dass die Erstheranziehung deshalb zu niedrig ausgefallen ist, weil ihr eine fehlerhafte bzw. im Nachhinein als unwirksam erkannte Satzung bzw. Rechtsgrundlage zugrundelag und die sachliche Beitragspflicht in der "richtigen" Höhe gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit der ersten wirksamen Satzung entstanden ist. Diese Situation und Rechtslage sowie die daraus resultierende Interessenlage haben die §§ 172 ff. AO erkennbar nicht vor Augen; zudem hat das Verwaltungsgericht zutreffend auf das dem Beitragsrecht im Unterschied zur Steuererhebung zugrunde liegende Prinzip von Leistung und Gegenleistung verwiesen, das ebenfalls die unterschiedliche Interessenlage in den beiden Gebieten der Abgabenerhebung erhellt. Da es nach Auffassung des Senats an hinreichend schlüssigen rechtlichen Konstruktionen zu einer Transformation des Regelungssystems der §§ 172 ff. AO für die Beitragsnacherhebung im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen fehlt, spricht auch dies grundsätzlich gegen eine Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO in diesem Bereich.

62

Insoweit führt auch der Hinweis des Klägers auf § 164 AO (i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V) und die mit dieser Vorschrift eröffnete Möglichkeit, einen Steuerbescheid unter den Vorbehalt der Nachprüfung stellen zu können, nicht weiter. Dieses Vorbringen lässt bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO unberücksichtigt. Steuern können nach § 164 Abs. 1 Satz 1 AO, solange der Steuerfall nicht abschließend geprüft ist, allgemein oder im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt werden, ohne dass es einer Begründung bedarf. Ein Anschlussbeitragsbescheid ergeht jedoch grundsätzlich nach abschließender Prüfung des Abgabenfalles in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, so dass die einzige Voraussetzung für die Beifügung eines Vorbehalts regelmäßig nicht erfüllt ist. Die Abgaben erhebende Behörde darf nicht trotz abschließender Prüfung eine Vorbehaltsfestsetzung vornehmen, nur um den Abgabenfall offen zu halten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 13). § 164 AO dient der Beschleunigung des Veranlagungsverfahrens. Der Vorbehalt ermöglicht im Interesse des Fiskus eine rasche Steuererhebung ohne Notwendigkeit zur sofortigen und abschließenden Prüfung, andererseits wird der Steuerfall im Interesse sowohl des Staates als auch des Steuerpflichtigen offen gehalten (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl., § 164 Rn. 1). Diese Vorschrift ist jedoch nicht dafür gedacht, eine Beitragserhebung generell wegen des bloßen Verdachts oder der theoretischen Möglichkeit, die als Rechtsgrundlage herangezogene Satzung könnte unwirksam sein, einem Nachprüfungsvorbehalt zu unterwerfen. Eine solche Möglichkeit eröffnet auch § 165 AO im Übrigen in der Regel nicht, da die vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraussetzt und die steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen selbst hiervon nicht erfasst wird. Diese rechtfertigt vielmehr nur unter den Voraussetzungen des § 165 Abs. 1 Satz 2 AO eine vorläufige Festsetzung, die jedoch im Bereich der kommunalen Beitragserhebung regelmäßig nicht vorliegen werden.

63

Im Sinne der vorstehenden Erwägungen hat der Senat in seinem Beschluss vom 19. November 2007 - 1 L 1/07 - (juris) ausgeführt, der Gesetzgeber in M-V habe keine "vorbehaltlose Anordnung der entsprechenden Anwendung der AO" getroffen. Zum einen liege schon in dem Begriff der "entsprechenden" Anwendung eine Einschränkung; diese erfordere bei jeder Einzelnorm der Abgabenordnung die Prüfung ihrer Zielsetzung und der Vergleichbarkeit der Anwendungsbereiche (siehe auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 12 Anm. 1.2). Daher könne allein aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern im Unterschied zu einigen anderen Bundesländern nicht bestimmte Regelungen der Abgabenordnung ausdrücklich für unanwendbar erklärt hat, nicht umgekehrt geschlossen werden, sie seien grundsätzlich anwendbar.

64

Der Senat hat zudem bereits in seinem Beschluss vom 28. November 2005 - 1 M 140/05 - (juris) darauf hingewiesen, dass klärungsbedürftig sei, wie die "entsprechend" anzuwendenden Vorschriften der §§ 172 und 173 AO ihrem Sinn und Zweck nach vom bundesrechtlichen Steuerrecht auf das Kommunale Abgabenrecht (und hier speziell auf das Beitragsrecht) zu übertragen sein können. Insbesondere § 172 Abs. 1 AO sei erkennbar auf bundesrechtliche Steuern zugeschnitten. Eine Unterscheidung zwischen Verbrauchssteuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 AO) und anderen Steuern (§ 172 Abs. 1 Nr. 2 AO) sei dem kommunalen Abgabenrecht fremd. Daher seien auch die einzelnen, gleichfalls speziell auf das bundesrechtliche Steuerrecht zugeschnittenen Tatbestände des § 172 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht ohne Weiteres auf das Kommunale Abgabenrecht "1 zu 1" zu übertragen. Der Senat hat deshalb dort in Erwägung gezogen, aus einer Gesamtschau der Regelungen des § 172 Abs. 1 AO im Bereich des Kommunalen Abgabenrechts eine im Ermessen der Abgaben erhebenden Behörde stehende Kompetenz zu bejahen, Abgabenbescheide zu ändern, ebenso wie dies bundesrechtlich für die Verbrauchssteuern geregelt ist. Nimmt man die Regelung des § 173 Abs. 1 AO hinzu, die eine Aufhebungs- oder Änderungspflicht normiert, spräche auch einiges dafür, den Sachverhalt der zunächst unerkannt fehlerhaften Rechtsgrundlage, der zu einer zu niedrigen Steuerfestsetzung geführt hat, "entsprechend" (§ 12 Abs. 1 KAG M-V) dem nachträglichen Bekanntwerden neuer Tatsachen gleichzustellen, die zu höheren Steuern führen. Bei - unabhängig von den obigen Ausführungen - unterstellter Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO wäre nach Auffassung des Senats mit Blick auf die erörterte Ausschöpfungspflicht und die "Regelungspole" der §§ 172 und 173 AO aufgrund der durch § 12 Abs. 1 KAG M-V angeordneten "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO jedenfalls von einer Regelverpflichtung zur Nacherhebung im Sinne einer "Soll"-Bestimmung auszugehen. Dafür spricht auch nachhaltig der schon angesprochene Aspekt, dass der Beitragsanspruch mit Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in der zu diesem Zeitpunkt in Anwendung einer wirksamen Satzung errechneten Höhe als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Es wäre - wie gesagt - nicht folgerichtig sondern widersprüchlich, würde man einerseits eine öffentliche Last in entsprechender Höhe annehmen, der beitragserhebenden Kommune andererseits aber unter Rückgriff auf die §§ 172 ff. AO die Geltendmachung des Beitragsanspruchs in dieser Höhe erschweren oder gar verwehren. Bejahte man eine grundsätzliche Anwendbarkeit der §§ 172 ff. AO mit einem Regelungsgehalt in diesem Sinne, gelangte man folglich regelmäßig und auch vorliegend nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung der Zulässigkeit der Nacherhebung.

65

Schließlich kann für die Annahme der grundsätzlichen Ausschöpfungspflicht im Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts die Erwägung angeführt werden, dass dem Gesetzgeber die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nacherhebungs- und Ausschöpfungspflicht im Erschließungsbeitragsrecht bekannt war.

66

Angesichts der insoweit für den Bereich etwa des Anschlussbeitragsrechts geringen Regelungsdichte des § 12 Abs. 1 KAG M-V und der erläuterten, nicht von der Hand zu weisenden Auslegungsschwierigkeiten bei einer "entsprechenden" Anwendung der §§ 172 ff. AO erscheint die Annahme ausgeschlossen, der Gesetzgeber habe für das Anschlussbeitragsrecht gegenüber dem Erschließungsrecht bewusst Abweichendes regeln wollen. Dies gilt erst recht, nimmt man die insoweit identische Interessenlage in den Blick: Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht - was in vollem Umfang auch für den Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen gilt - ausgeführt, ein Kläger müsse sich im Rahmen einer Interessenabwägung jedenfalls durchgreifend entgegenhalten lassen, dass der Einrichtungsträger seine Leistung u.a. auch zugunsten des Klägers erbracht habe und dass er und die hinter ihm stehende Allgemeinheit die volle dafür nach dem Gesetz entstandene Gegenleistung fordern können, und zwar nicht nur im Interesse des Haushalts des Einrichtungsträgers, sondern auch im Interesse der Beitragsgerechtigkeit (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.03.1988 - 8 C 92.87 -, BVerwGE 79, 163 - zitiert nach juris). Demgegenüber tritt der vom Kläger angeführte Umstand, dass dem Gesetzgeber im Hinblick auf Kommentierungen zum Kommunalabgabengesetz a. F. die Konsequenzen für eine Nacherhebung bekannt gewesen sein müssten, wenn er die Anwendung der §§ 172 ff. AO nicht im Zuge der Novellierung des KAG ausschließe, zurück.

67

Die Rechtsanwendung des Beklagten im Übrigen führt nicht zum Erfolg der Berufung. Soweit die Reduzierung des Nacherhebungsbetrages durch den Widerspruchsbescheid mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen rechtlichen Bedenken unterliegt, wäre der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Soweit der Widerspruchsbescheid in seinem Tenor zu Ziffer 1. einen Betrag von 3.656,80 EUR statt wie in der Begründung zutreffend errechnet von 3.656,38 EUR angibt, handelt es sich offensichtlich um ein Versehen. Der Tenor ist entsprechend korrigierend auszulegen.

68

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

69

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.