Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 889/16.NW
Tenor
Die Ziffer 1 der polizeilichen Verfügung vom 3. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2016 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
- 2
Der unter Betreuung stehende 1964 geborene Kläger ist in A-Dorf wohnhaft. Im Jahre 2010 wurde gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und exhibitionistischen Handlungen eingeleitet. In der Anklageschrift vom 7. September 2011 warf ihm die Staatsanwaltschaft Landau vor, in der Zeit vom 3. August 2010 bis 8. September 2010 in mindestens drei Fällen morgens vor seiner Wohnung gestanden und dort auf Kinder, die sich auf dem Schulweg befanden, gewartet und sich mehreren Kindern jeweils mit geöffneter Hose und entblößtem Geschlechtsteil gezeigt zu haben. In der mündlichen Verhandlung des Amtsgerichts Germersheim vom 1. Oktober 2012 wurde ein nervenärztliche Attest von Dr. med. F vom 4. September 2012 vorgelesen. Ausweislich dessen litt der Kläger zu diesem Zeitpunkt an einem chronifizierten kombinierten Kopfschmerzsyndrom, an paranoider Schizophrenie, an einem coenästhetischen Syndrom und an einer chronischen somatoformen Schmerzstörung. Das Amtsgericht Germersheim stellte das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153 Strafprozessordnung – StPO – ein.
- 3
Im Frühjahr 2012 beschwerten sich mehrere Kinder bei der Polizeiinspektion Germersheim darüber, dass sie von einem Mann belästigt worden seien. Die Polizei nahm deshalb den Kläger ins Visier und führte ihm gegenüber am 28. März 2012 eine Gefährderansprache durch. Das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Landau mit Verfügung vom 6. November 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
- 4
Am Abend des 19. November 2015 kam es im A-Markt in A-Dorf zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einem Herrn A mit gegenseitigen Beleidigungen. Herr A gab später gegenüber der Polizei an, seine Kinder hätten erzählt, dass sie der Kläger seit fast einem Jahr belästige. Der Kläger halte sich häufig an Wegen auf, den auch seine Kinder nutzten. Seit mehreren Monaten versuche der Kläger Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, indem er Küsse in die Luft werfe und auch intensiven Blickkontakt herzustellen versuche. Zu einer tatsächlichen Annäherung sei es nicht gekommen. Eine räumliche Distanz von 30 bis 40 m sei gegeben gewesen.
- 5
Auf das gegen den Kläger wegen Beleidigung von der Staatsanwaltschaft Landau eingeleitete Ermittlungsverfahren erließ das Amtsgericht Germersheim am 1. Februar 2016 einen Strafbefehl in Höhe von 450 €. Der Kläger legte dagegen Einspruch ein, woraufhin das Amtsgericht Germersheim am 11. April 2016 das Verfahren gemäß § 153 Abs. 2 StPO einstellte.
- 6
Nach vorangegangener Anhörung ordnete der Beklagte mit Bescheid vom 3. Mai 2016 unter Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz – POG – in Ziffer 1 die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers an, lud ihn in Ziffer 2 für den 26. Mai 2016 oder 27. Mai 2016 vor und drohte in Ziffer 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € an. Der Beklagte begründete dies damit, eine solche Maßnahme sei für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig und geeignet, da aufgrund der Persönlichkeit des Klägers sowie der Art, der Schwere und der Begehungsweise der ihm zur Last gelegten Taten Wiederholungsgefahr bestünde. Bereits in der Vergangenheit sei der Kläger mehrfach mit Sexualdelikten in Erscheinung getreten.
- 7
Gegen diese Verfügung legte der Kläger über seinen Betreuer am 17. Mai 2016 Widerspruch mit der Begründung ein, er sei noch nie mit Sexualdelikten aufgefallen. Die in der Vergangenheit in den Jahren 2010 und 2012 vorgeworfenen Taten seien nur zum Zweck des Mobbings vorgetragen worden. Die Vorwürfe aus 2015 hätten sich als haltlos erwiesen. Es habe weder ein Missbrauch noch eine Belästigung stattgefunden.
- 8
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 stellte das Polizeipräsidium Rheinpfalz das Vorverfahren bezüglich der Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 3. Mai 2016 im Hinblick auf die eingetretene Erledigung ein und wies den Widerspruch des Klägers gegen die Ziffer 1 des Bescheids vom 3. Mai 2016 mit der Begründung zurück, die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen sei rechtmäßig. Er habe den ihn zur Rede stellenden besorgten Vater bedroht und beleidigt. Das Strafermittlungsverfahren sei zwar mittlerweile gemäß § 153 Abs. 2 StPO abgeschlossen. Dabei erscheine es nicht unerheblich, dass die Straftat, also die Beleidigung, in Zusammenhang stehe mit den Versuchen, mit Kindern in Kontakt zu kommen. Beim Kläger liege eine Neigung vor, Kinder für sich zu begeistern. Der Kläger sei in den letzten Jahren wiederholt mit Sexual- und Sittlichkeitsdelikten in Erscheinung getreten. Es stehe zu befürchten, dass er auch in Zukunft sich von Kindern angezogen fühle und sich ihnen in unsittlicher Art zeige oder sie belästige.
- 9
Die Wiederholungsprognose falle zu Ungunsten des Klägers aus, da dieser seit mehr als 5 Jahren immer wieder im Zusammenhang mit Sexualdelikten (Beleidigung auf sexueller Grundlage, sexueller Missbrauch eines Kindes durch exhibitionistische Handlungen) vor Kindern auffällig geworden sei. Das über Jahre gezeigte Verhalten belege, dass der Kläger trotz mehrerer Verfahren, die gegen ihn geführt worden seien, nicht bereit sei, die Beobachtungen und Belästigungen gegenüber Kindern einzustellen.
- 10
Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei auch verhältnismäßig und angemessen. Durch die Aufnahme von Lichtbildern und das Abnehmen von Fingerabdrücken solle eine leichtere Identifizierung des Täters bei künftigen Straftaten ermöglicht werden. Dabei dienten die Unterlagen sowohl der Überführung als auch der Entlastung des Klägers.
- 11
Dieser hat am 11. Oktober 2016 Klage erhoben. Er führt aus, die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung erweise sich als völlig überzogen. So seien schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG nicht gegeben. Lediglich Vermutungen reichten nicht aus, weil er, der Kläger, gerade nicht in nachweisbarer Form aufgefallen sei und somit auch keine Wiederholungsgefahr für eine nicht begangene Tat bestehe.
- 12
Der Kläger beantragt,
- 13
die Ziffer 1 der polizeilichen Verfügung vom 3. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2016 aufzuheben.
- 14
Der Beklagte beantragt,
- 15
die Klage abzuweisen.
- 16
Er ist der Auffassung, es sei unerheblich, dass der Kläger nicht verurteilt worden sei. Es bleibe ein polizeilicher begründeter Restverdacht, dass der (ehemals) beschuldigte Kläger die ihm vorgeworfenen Taten begangen haben könnte. In keinem der Fälle sei festgestellt worden, dass der Kläger die Taten nicht begangen habe. Die bisher geführten Ermittlungsverfahren hätten den Kläger auch nicht davon abgehalten, sich wieder Kindern hinzuwenden und zu zeigen, bzw. diese zu belästigen. Gerade der Umstand, dass der Kläger der Betreuung bedürfe, lasse befürchten, dass es auch an der Einsicht mangele, Kindern gegenüber nicht in beängstigender und sexueller Weise gegenüberzutreten zu dürfen. Das Vorliegen von erkennungsdienstlichem Material könnte bei einer entsprechenden beanzeigten Straftat unterstützend herangezogen werden und bei der Aufklärung helfen. Durch die Vorlage von Lichtbildern könnten Kinder den Kläger als mutmaßlichen Täter ausschließen oder wiedererkennen.
- 17
Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Verwaltungsakten des Beklagten und die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Landau mit den Aktenzeichen … Js …/..., … Js …/..., ... Js …/..., sowie … Js .../…, verwiesen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. September 2017.
Entscheidungsgründe
- 18
Die zulässige Anfechtungsklage ist auch in der Sache begründet. Die Ziffer 1 des Bescheids vom 3. Mai 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).
- 19
Rechtsgrundlage für die umstrittene Anordnung gegenüber dem Kläger, die Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu dulden, ist die Vorschrift des § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG. Danach kann die Polizei erkennungsdienstliche Maßnahmen vornehmen, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht.
- 20
Die genannte Vorschrift – und nicht die Bestimmung des § 81 b 2. Alternative StPO – ist hier einschlägig, denn im maßgebenden Zeitpunkt – Erlass des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. April 2016 – 1 S 275/16 –, VBlBW 2016, 424) – war das Ende 2015 eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Beleidigung bereits aufgrund der am 11. April 2016 erfolgten Einstellung des Verfahrens durch das Amtsgericht Germersheim abgeschlossen.
- 21
1. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2016 entspricht noch dem aus § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 37 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – folgenden Bestimmtheitsgebot.
- 22
Demgemäß muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Im Einzelnen richten sich dabei die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts. Grundsätzlich sollte sich die hinreichende Bestimmtheit des Verwaltungsakts bereits aus dem Tenor des Bescheids ergeben. Allerdings reicht es aus, dass sich der Regelungsgehalt aus der Anordnung insgesamt einschließlich ihrer Begründung ergibt. Für den Betroffenen und einen objektiven verständigen Dritten muss jedenfalls aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen des Verwaltungsakts die getroffene Regelung so klar und unzweideutig erkennbar sein, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 17. Auflage 2016, § 37 Rn. 5 m.w.N.). Geht es, wie hier, um einen Verwaltungsakt zur Gefahrenabwehr, muss dieser eindeutig erkennen lassen, welches Verhalten vom Adressaten verlangt wird. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um einen Eingriff in Grundrechte des Betroffenen handelt. Für die in § 11 Abs. 1 POG zugelassenen polizeilichen Präventivmaßnahmen ist daher zu fordern, dass die im Einzelfall konkret beabsichtigte erkennungsdienstliche Behandlung genau bezeichnet wird (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 30. Dezember 2009 – 7 A 11172/09.OVG –; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 5. Februar 2004 – 11 ME 271/03 –, NVwZ-RR 2004, 346). Allgemein gehaltene Formulierungen, wie die bloße Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung als solche, reichen auch in Anbetracht dessen, dass die vorgenannte gesetzliche Bestimmung in Absatz 3 einen nicht abgeschlossenen Katalog von erkennungsdienstlichen Maßnahmen (Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Aufnahme von Lichtbildern, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale und Messungen) enthält, die durchaus eine unterschiedliche Intensität haben können, nicht aus.
- 23
Vorliegend werden die von dem Beklagten konkret beabsichtigten erkennungsdienstlichen Maßnahmen in dem Tenor des Bescheids vom 3. Mai 2016 nicht näher bezeichnet. Allerdings benennt das Polizeipräsidium Rheinpfalz auf Seite 7 des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2016 ausdrücklich die Aufnahme von Lichtbildern und das Abnehmen von Fingerabdrücken mit der Begründung, dadurch solle eine leichtere Identifizierung des Täters bei künftigen Straftaten ermöglicht werden. Für einen objektiv verständigen Dritten ist somit noch erkennbar, dass von ihm (lediglich) die Aufnahme von Lichtbildern und das Abnehmen von Fingerabdrücken verlangt wird.
- 24
2. Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG liegen nach Auffassung der Kammer jedoch nicht vor.
- 25
2.1. Der Kläger ist zwar „Betroffener“ im Sinne der genannten Vorschrift. Das gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Landau eingeleitete Strafverfahren wegen Beleidigung war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 3. Mai 2016 bereits abgeschlossen, so dass die Polizei ermächtigt war, erkennungsdienstliche Maßnahmen außerhalb von Strafverfahren zu präventiven Zwecken zu treffen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. November 2000 – 11 B 11859/00 –, NVwZ-RR 2001, 238).
- 26
2.2. Allerdings ist die Anordnung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen gegenüber dem Kläger nicht zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich.
- 27
2.2.1. Nach den grundliegenden Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 19. Oktober 1982 – 1 C 114/79 –, NJW 1983, 1338 und Beschluss vom 6. Juli 1988 – 1 B 61/88 –, NJW 1989, 2640; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. August 2017 – 7 A 10856/17.OVG –) bemisst sich die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen durch die Polizei danach, ob der anlässlich gegen den Betroffenen gerichteter Strafverfahren festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist – Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen – den Betreffenden schließlich überführend oder entlastend – fördern könnten. § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG stellt dabei – ebenso wie § 81b 2. Alternative StPO – hinsichtlich der Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht (nur) auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahmen bzw. auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Dezember 2015 – 7 A 10187/15.OVG – zu § 81b StPO). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Notwendigkeit unterliegt dabei der vollen Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte (vgl. im Einzelnen Urteil der Kammer vom 28. April 2015 – 5 K 1056/14.NW –, juris m.w.N.). Lediglich das der polizeilichen Prognose über das künftige Verhalten des Betroffenen zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsurteil ist einer Kontrolle nur begrenzt zugänglich; diese erstreckt sich nur darauf, ob die Prognose auf zutreffender Tatsachengrundlage beruht und ob sie nach gegebenem Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens sachgerecht und vertretbar ist (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 1. August 2017 – 3 A 418/16 –, juris). Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung entscheidet sich dabei immer danach, ob die erkennungsdienstlichen Unterlagen gerade für die Aufklärung solcher Straftaten geeignet und erforderlich sind, für die eine Wiederholungsgefahr prognostiziert werden kann (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. April 2016 – 1 S 275/16 –, VBlBW 2016, 424).
- 28
Grundlage der Prognose der künftigen Begehung von Straftaten können auch Erkenntnisse aus einem nach §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren sein. Für die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG genügt es, dass der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben. So steht etwa die Einschätzung der Strafverfolgungsbehörde, das Ermittlungsergebnis gebe nicht genügenden Anlass zur Anklage, einer Bewertung des zugrunde liegenden Anfangsverdachts sowie des Ermittlungsergebnisses nach den Maßstäben kriminalistischer Erfahrung nicht entgegen. Daher können trotz der Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen bleiben (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Dezember 2015 – 7 A 10187/15.OVG –; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. April 2016 – 1 S 275/16 –, VBlBW 2016, 424). Ein Restverdacht kann auch bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 StPO bestehen. Die Anwendung des § 153 StPO setzt das Vorliegen zumindest eines Anfangsverdachts für eine strafbare Handlung voraus (Bay. VGH, Beschluss vom 5. Januar 2017 – 10 ZB 14.2603 –, juris). Bei einer Einstellung nach § 153 Abs. 1 oder Abs. 2 StPO bleibt offen, ob sich der Beschuldigte wirklich schuldig gemacht hat (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19. März 1996 – 1 Ws 57/96 –, NJW 1996, 2246; Diemer in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 153 Rn. 5 m.w.N.). Aus der Einstellung des Verfahrens bei geringer Schuld des Täters und fehlendem öffentlichen Verfolgungsinteresse folgt nicht zwingend, dass der Täter nicht zum Kreis möglicher Verdächtiger einer zukünftigen Straftat gehören wird und die erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht geeignet sind, die Ermittlungen – ergebnisoffen – zu fördern (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 15. Oktober 2008 – 3 L 491/04 –, NordÖR 2009, 89).
- 29
Die Berücksichtigung von Verdachtsgründen, die auch nach einer Verfahrenseinstellung fortbestehen können, stellt auch keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient. Sie verstößt daher auch nicht gegen die in Art. 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – verbürgte Unschuldsvermutung. Allerdings setzt die Annahme eines solchen Restverdachts die eingehende Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Gründe für die Einstellung des Verfahrens voraus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 05. April 2016 – 1 S 275/16 –, VBlBW 2016, 424).
- 30
Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – GG –), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahme verlangen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. September 2008 – 5 B 1046/08 –, juris). Wegen der Begrenzung auf das notwendige Maß darf die Schwere des mit der erkennungsdienstlichen Maßnahme verbundenen Grundrechtseingriffs im Einzelfall nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht des mit der Maßnahme verfolgten öffentlichen Interesses, insbesondere an der Aufklärung künftiger Straftaten stehen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Dezember 2015 – 7 A 10187/15.OVG –). Das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen im Fall des Betroffenen bemisst sich dabei nicht so sehr an der Schwere der konkreten Anlasstat, sondern vielmehr nach dem Gewicht und der Wahrscheinlichkeit derjenigen Straftaten, bei denen der Betroffene zukünftig zum Kreis der potentiellen Beteiligten gehören kann und zu deren Aufklärung die anzufertigenden Unterlagen dienen sollen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. August 2017 – 7 A 11131/17.OVG –; Bay. VGH, Beschluss vom 28. November 2012 – 10 ZB 12.1468 –, juris). Sexualdelikte sind regelmäßig von einer besonderen Veranlagung oder Neigung des Täters geprägt. Taten mit sexuellem Hintergrund bergen – ebenso wie etwa Betäubungsmitteldelikte – statistisch eine signifikant erhebliche Rückfallgefahr, so dass auch eine erstmalige Begehung beziehungsweise Verurteilung wegen einer solchen Tat die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu begründen vermag, wenn nicht die Tatumstände einschließlich aller weiteren bedeutsamen Faktoren auf eine zu erwartende „Einmaligkeit“ der Tat hindeuten (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 1. August 2017 – 3 A 418/16 –, juris; OVG Saarland, Beschluss vom 13. März 2009 – 3 B 34/09 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – 5 B 1284/07 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2016 – 17 K 3859/12 –, juris). Gilt es – wie hier – das hohe Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung anderer Menschen, insbesondere Kinder, gegen Übergriffe zu schützen, genügt eine geringere Wahrscheinlichkeit, um die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu rechtfertigen. Folgerichtig kann erst nach einem entsprechend längerem Zeitraum die notwendige Prognose auch künftigen rechtmäßigen Verhaltens eines Täters gewonnen werden (s. VG Gelsenkirchen, Urteil vom 14. März 2016 – 17 K 3859/12 –, juris).
- 31
2.2.2. Nach diesen Grundsätzen erweist sich die angefochtene Anordnung im Fall des Klägers als rechtswidrig, denn entgegen der Einschätzung des Beklagten kann die Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers nicht bejaht werden. Die Kammer ist der Auffassung, dass die von dem Beklagten angestellte Prognose, es sei wahrscheinlich, dass der Kläger auch künftig Kinder sexuell belästigen werde, nicht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage beruht; sie ist nach dem gegebenen Erkenntnisstand unter Einbeziehung des kriminalistischen Erfahrungswissens auch nicht sachgerecht und vertretbar.
- 32
Aus den beigezogenen Strafakten ergibt sich, dass der unter Betreuung stehende Kläger an mehreren Krankheiten leidet, u.a. an einem chronifizierten kombinierten Kopfschmerzsyndrom und an paranoider Schizophrenie (s. das nervenärztliche Attest von Dr. med. F vom 4. September 2012). Gegen ihn wurde wegen verschiedener Straftaten ermittelt. So wurde ihm in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Landau vom 7. September 2011 vorgeworfen, in der Zeit vom 3. August 2010 bis 8. September 2010 in mindestens drei Fällen morgens vor seiner Wohnung gestanden und dort auf Kinder, die sich auf dem Schulweg befanden, gewartet und sich mehreren Kindern jeweils mit geöffneter Hose und entblößtem Geschlechtsteil gezeigt zu haben. Angeklagt wurde der Kläger wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 4 Nr. 1 Strafgesetzbuch – StGB –) und des Verdachts exhibitionistischer Handlungen (§ 183 Abs. 1 StGB). Nach der zuerst genannten Bestimmung wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt, nach der zuletzt genannten Vorschrift wird ein Mann mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt. Gemäß § 184h StGB in der seit 27. Januar 2015 geltenden Fassung (entspricht weitgehend dem zuvor geltenden § 184g StGB a.F.) sind 1. sexuelle Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuches nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind, und 2. sexuelle Handlungen vor einer andern Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt. Ob die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, bestimmt sich vor allen nach Art, Intensität und Dauer des sexualbezogenen Vorgehens; zusätzlich ist der Handlungsrahmen des sexualbezogenen Akts sowie die Beziehung der Beteiligten untereinander zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15 –, NJW 2016, 2049). Liegt danach eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung vor, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten (BGH, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 574/16 –, NStZ-RR 2017, 277). Bestimmend ist auch der Grad der Gefährlichkeit der Handlung, weshalb eine sexuell getönte Handlung gegenüber einem Kind eher erheblich ist als gegenüber einem Erwachsenen (BGH, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15 –, NStZ-RR 2017, 43). Zur Beurteilung der Erheblichkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteil vom 26. April 2017 – 2 StR 574/16 –, NStZ-RR 2017, 277).
- 33
Vorliegend bedarf es keines näheren Eingehens auf die Frage, ob die Handlungen des Klägers im August 2010 vor mehreren Schulkindern bereits als „sexuelle Handlungen“ von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184g a.F. StGB zu qualifizieren waren oder ob es sich noch „nur“ um bloße – wenn auch grobe – Taktlosigkeiten und Geschmacklosigkeiten gehandelt hat (näher dazu s. Eisele in: Schönke/Schröder Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 184g Rn 15b m.w.N.; Ziegler in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, Stand August 2017, § 184h Rn. 5.1.- 5.3.). Selbst wenn trotz der Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO davon ausgegangen wird, dass der Kläger den objektiven Tatbestand der §§ 176 Abs. 4 Nr. 1 und § 183 Abs. 1 StGB erfüllt hat, ist die Aussage des Beklagten, der Kläger sei in den letzten Jahren wiederholt mit Sexual- und Sittlichkeitsdelikten in Erscheinung getreten, unzutreffend.
- 34
Was die Vorfälle im Jahre 2012 anbetrifft, so konnte nicht geklärt werden, ob der Kläger überhaupt zu dem Kreis der potentiellen Täter zählte (s. Blatt 36 der Strafakte … Js …/… Täter soll lange Haare gehabt haben, der Kläger hatte kurze Haare). Die Staatsanwaltschaft Landau stellte das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Eine solche Einstellung hat zu erfolgen, wenn die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage im Sinne von § 170 Abs. 1 StPO bieten. Diese Form der Einstellung ist die „beste“ Möglichkeit einer Einstellung eines Strafverfahrens und entspricht in diesem frühen Stadium des Verfahrens in etwa dem, was ein Freispruch im Gerichtsverfahren wäre (vgl. VG Neustadt/Wstr., Urteil vom 21. Mai 2013 – 5 K 969/12.NW –). Auch wenn bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft – parallel zur Situation des Freispruchs – ein Restverdacht fortbestehen kann, darf die Polizei für präventiv-polizeiliche Zwecke nicht von einem fortbestehenden Tatverdacht ausgehen, wenn sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung ergibt, dass der Beschuldigte eine Tat nicht begangen hat oder dass ein strafbarer Sachverhalt nicht vorliegt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010 – 6 C 5/09 –, NJW 2011, 405). Insofern ist immer der konkrete Ausgang des Strafverfahrens zu berücksichtigen (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 7. März 2017 – 3 A 853/16 –, juris).
- 35
Hier hat der Beklagte, obwohl die Staatsanwaltschaft Landau in der Begründung ihrer Einstellungsverfügung vom 6. November 2012 nicht von einem strafbaren Sachverhalt ausgegangen ist, die Vorfälle aus dem Jahre 2012 zu Unrecht in ihre Entscheidung einbezogen. In der genannten Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft heißt es:
- 36
„Ein Straftatbestand ist nicht erfüllt. Die Frage des Beschuldigten an das Kind, ob es mit ihm knuddeln möchte, hat keinen beleidigenden und keinen sexuellen Charakter, so dass weder der Straftatbestand eines Vergehens der Beleidigung auf sexueller Grundlage, noch ein Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Kindern iSd §§ 185, 176 StGB erfüllt ist. Auch das auffällige Kratzen im Schritt lässt noch nicht den Schluss auf einen sexuellen Charakter zu.“
- 37
Die von der Staatsanwaltschaft Landau geäußerte Rechtsauffassung steht im Einklang mit der strafgerichtlichen Rechtsprechung zur Erheblichkeit von sexuellen Handlungen (s. dazu im Einzelnen die bei Eisele in: Schönke/Schröder, a.a.O., § 184g Rn 15b bzw. bei Ziegler in: BeckOK StGB, § 184h Rn. 5.1.- 5.3. wiedergegebene Rechtsprechung). Können aber in Bezug auf die Vorfälle im Jahr 2012 die Tatbestandsvoraussetzungen des § 176 StGB nicht als erfüllt angesehen werden, fehlte es jedenfalls zu diesem Zeitpunkt an einer fortdauernden strafrechtlich relevanten Auffälligkeit des Klägers.
- 38
Darüber hinaus kann nach Ansicht der Kammer im Rahmen der Prognose des Beklagten, ob beim Kläger von einer Rückfallgefahr auszugehen ist, auch das weitere Geschehen im A-Markt in A-Dorf im November 2015 keine Berücksichtigung finden. Denn dabei handelte es sich lediglich um eine verbale Auseinandersetzung zwischen zwei Erwachsenen. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang vertreten hat, dieser Vorfall habe einen sexuellen Hintergrund, teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Zwar behauptete der im Strafprozess gegen den Kläger auch als Zeuge vernommene Herr A, seine Kinder hätten erzählt, dass der Kläger sie seit fast einem Jahr belästige. Seit mehreren Monaten versuche der Kläger Kontakt zu den Kindern aufzunehmen, indem er Küsse in die Luft werfe und auch intensiven Blickkontakt herzustellen versuche. Zu einer tatsächlichen Annäherung sei es nicht gekommen. Eine räumliche Distanz von 30 bis 40 m sei gegeben gewesen. Selbst wenn die Vorwürfe von Herrn A zutreffen sollten, stellen die geschilderten Handlungen des Klägers erneut keine sexuellen Handlungen im Sinne des § 184h StGB sondern allenfalls Geschmacklosigkeiten dar.
- 39
Im Ergebnis durfte der Beklagte daher im Rahmen seiner Entscheidung, ob hinsichtlich des Klägers die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen besteht, weder die Geschehnisse aus dem Jahre 2012 noch den Vorfall im November 2015 berücksichtigen. Damit verblieb nur der Sachverhalt aus dem Jahre 2010, bei dem strafrechtlich vom Amtsgericht Germersheim auch nicht abschließend geklärt worden war, ob der Kläger erhebliche sexuelle Handlungen vor Kindern vorgenommen oder ob es sich nur um Taktlosigkeiten gehandelt hatte. Dies hat der Beklagte weder im Ausgangsbescheid vom 3. Mai 2016 noch im Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 ausreichend gewürdigt. Er ist vielmehr – unzutreffend – davon ausgegangen, der Kläger sei in den letzten Jahren wiederholt mit Sexual- und Sittlichkeitsdelikten in Erscheinung getreten, weshalb zu befürchten sei, dass er auch in Zukunft sich von Kindern angezogen fühle und sich ihnen in unsittlicher Art zeige oder sie belästige.
- 40
Zwar vermag, wie oben ausgeführt, auch eine einmalige Begehung beziehungsweise Verurteilung wegen einer Sexualstraftat die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu begründen. Es genügt daher eine geringere Wahrscheinlichkeit, um die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu rechtfertigen. Die notwendige Prognose des Beklagten ist jedoch auf einer fehlerhaften Grundlage erfolgt, da er nicht hinreichend geprüft hat, ob der Kläger überhaupt strafrechtlich relevante Taten begangen hat und nicht beachtet hat, dass die Vorfälle nach 2010 nicht in die Prognose eingestellt werden durften.
- 41
Es bedarf daher nicht mehr der weiteren Prüfung, ob der Beklagte unter korrekter Würdigung aller relevanten Umstände damals und noch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung der Kammer davon ausgehen durfte, dass Wiederholungsgefahr bestand und deshalb die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlage zur Prävention künftiger Straftaten und zur Erleichterung etwaiger späterer strafrechtlicher Ermittlungen erforderlich waren.
- 42
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
Beschluss
- 43
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 889/16.NW
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 889/16.NW
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 18. Sept. 2017 - 5 K 889/16.NW zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Februar 2016 - 3 K 2751/15 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu vier Fünfteln und der Antragsgegner zu einem Fünftel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
(2) Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2019/818 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern
- 1.
es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 2019/816 handelt, - 2.
der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 3.
keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und - 4.
die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist.
(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.
(4) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn
- 1.
der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde, - 2.
das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde oder - 3.
die alleinige Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung gegen den Beschuldigten rechtskräftig unterbleibt.
(5) Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 2019/816 gelten die §§ 481 bis 485. Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen die Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung.
- 2
Die Klägerin ist im Jahr 1990 geboren und russische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben studiert sie Design in M.... Sie war zunächst auch bei ihrer Mutter in S... gemeldet, im Herbst 2014 zog die Mutter nach B....
- 3
Die Klägerin fuhr nachweislich zwei Mal unter Drogeneinfluss Auto: Sie fiel am 11.01.2014 und am 19.01.2014 der Polizei in L... wegen ihres Fahrverhaltens auf und wurde kontrolliert. Bei beiden Kontrollen sagte sie, sie habe keine Drogen konsumiert. Bei der ersten Kontrolle gab sie an, viele verschiedene Medikamente gegen eine Haarwurzelkrankheit genommen zu haben. Bei der zweiten Kontrolle sagte sie, sie habe bereits vor einer Woche eine Blutprobe abgegeben, die negativ verlaufen sei. Das amtliche Untersuchungsergebnis der Blutproben wies für den Tattag 11.01.2014 eine Amphetamin-Konzentration von 840 ng/mL (0,84 mg/L) und für den Tattag 19.01.2014 von 490 ng/mL (0,49 mg/L) aus; Arzneimittel konnten nicht nachgewiesen werden.
- 4
Das Amtsgericht L... erließ am 04.07.2014 einen Strafbefehl für die Tat vom 11.01.2014 wegen eines Vergehens nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB in Höhe von 40 Tagessätzen, entzog der Klägerin die Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB und wies die Verwaltungsbehörde an, ihr vor Ablauf von neun Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen (Az. 5316 Js 19073/14). Am 29.07.2014 erließ das Amtsgericht L... für die Tat vom 19.01.2014 einen weiteren Strafbefehl ebenfalls wegen eines Vergehens nach § 316 Abs. 1 und 2 StGB in Höhe von 60 Tagessätzen, entzog der Klägerin die Fahrerlaubnis nach §§ 69, 69a StGB und wies die Verwaltungsbehörde an, ihr vor Ablauf von zwölf Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen (Az. 5316 Js 19086/14).
- 5
Mit Verfügung vom 19.04.2014 ordnete der Beklagte gemäß § 81 b Alt. 2 StPO unter Ziff. 1 die erkennungsdienstliche Behandlung der Klägerin an (Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Aufnahme von Lichtbildern, Messungen), ordnete unter Ziff. 2 die Vorladung für den 28.04.2014 an und drohte unter Ziff. 3 ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € an und für den Fall der Nichtbefolgung und der erfolglosen Festsetzung des Zwangsgeldes die Anwendung unmittelbaren Zwangs. Er begründete dies mit dem Verdacht einer Straftat nach § 29 BtmG und führte allgemein aus, es bestünden ausreichend Anhaltspunkte, dass sie künftig Verdächtige einer strafbaren Handlung sein könne und die Unterlagen geeignet seien, sie zu überführen oder zu entlasten.
- 6
Die Klägerin erschien nicht zum Vorladungstermin. Anrufe der Polizei brach sie ab oder nahm sie nicht an. Mit Schreiben vom 09.05.2014 hörte die Beklagte die Klägerin nachträglich zu der erkennungsdienstlichen Anordnung an.
- 7
Am 15.05.2014 legte die Klägerin Widerspruch gegen die erkennungsdienstliche Anordnung ein. Zur Begründung führte sie aus, sie könne nicht gezwungen werden, sich in einem Ermittlungsverfahren selbst zu belasten. Ihr sei weder eine schwere Straftat noch ein gewerbs- oder gewohnheitsmäßiges Verhalten vorzuwerfen. Zudem sei sie bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe angekündigt, mit den Ermittlungsbehörden kooperieren zu wollen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sich in ähnlicher Weise wieder strafbar machen werde.
- 8
Mit Verfügung vom 20.06.2014 stellte die Staatsanwaltschaft L... das Ermittlungsverfahren bezüglich der 1. Tat wegen des Besitzes oder Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 BtMG nach § 170 Abs. 2 StPO ein, da der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie Betäubungsmittel besessen oder erworben hatte. Zu Gunsten der Klägerin ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass sie die Betäubungsmittel nur konsumiert hatte (Az. ...). Nach Angaben der Klägerin wurde auch das Strafverfahren wegen der 2. Tat eingestellt.
- 9
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch bezüglich der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung in Ziff. 1 zurück und stellte das Verfahren bezüglich Ziff. 2 und 3 des Bescheids ein, da sich der Widerspruch insoweit erledigt habe. Er führte aus, die Anordnung fuße nun auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG. Auch wenn die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren wegen § 29 BtMG nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt habe, bestehe weiterhin der Verdacht, dass die Klägerin Amphetamine illegal besessen oder sich beschafft habe. Eine Wiederholungsgefahr sei anzunehmen, weil bereits der einmalige Konsum von Amphetaminen als harter Droge ein hohes Suchtpotential enthalte und eine starke psychische Abhängigkeit hervorrufe. Die Wiederholungsgefahr habe sich durch den zweimaligen Verstoß bereits bestätigt. Auch der toxikologische Befund habe ergeben, dass die Widerspruchsführerin nicht nur gelegentlich Drogen konsumiere. Gerade im Drogenbereich seien die Daten frühzeitig zu erfassen, da die Gefahr der Beschaffungskriminalität bestehe. Mit Hilfe des Automatischen Fingerabdruckidentifizierungssystems (AFIS) des Landeskriminalamts könnten Spuren immer öfter zugeordnet werden. Zudem könnten die Personen im Drogenmilieu anhand von Lichtbildern zugeordnet werden.
- 10
Dagegen hat die Klägerin am 01.12.2014 Klage erhoben. Sie führt ergänzend aus, Dritte hätten ihr ohne ihr Wissen und Wollen in einer Diskothek Amphetamin in ihr antialkoholisches Getränk gemischt. Sie lehne den bewussten Konsum von harten Drogen ab. Sie habe die ergangenen Strafbefehle akzeptiert und sich zur Warnung gereichen lassen. Es bestehe keine Wiederholungsgefahr. Sie betrete die Lokalität nicht mehr, habe sich von ihrem damaligen Freundeskreis gelöst und ihren Lebensmittelpunkt vollständig nach M... verlegt, um sich ihrem Studium zu widmen. Sie sei vorher und hinterher nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten. Zudem habe sie nie versucht, ihre Identität zu verschleiern. Daher seien erkennungsdienstliche Unterlagen nicht notwendig.
- 11
Die Klägerin beantragt,
- 12
den Bescheid des Beklagten vom 19.04.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.10.2014 aufzuheben.
- 13
Der Beklagte beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Zur Begründung verweist er auf die angegriffenen Bescheide.
- 16
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe
- 17
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
- 18
Die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung der Klägerin in Ziffer 1 der Verfügung und im dazu ergangenen Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 19
Zu Recht hat die Widerspruchsbehörde die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG gestützt, nachdem die Strafverfahren abgeschlossen waren. Verliert der Betroffene seine Beschuldigteneigenschaft, kann die Anordnung auf die Ermächtigungsnorm im POG gestützt werden, die ansonsten inhaltsgleich ist (vgl. VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 29. November 2011 – 5 K 550/11.NW –, juris, Rn. 15).
- 20
Die Anordnung ist formell rechtmäßig.
- 21
Zwar hatte es der Beklagte vor Erlass des Bescheids versäumt, die Klägerin gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG anzuhören. Er holte die Anhörung jedoch sogleich nach, so dass der Verfahrensfehler gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt wurde.
- 22
Die Anordnung ist auch materiell rechtmäßig.
- 23
Die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG liegen vor. Danach können erkennungsdienstliche Maßnahmen vorgenommen werden, wenn dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtig ist, eine Tat begangen zu haben, die mit Strafe bedroht ist, und wegen der Art und Ausführung der Tat die Gefahr der Wiederholung besteht. Demnach müssen drei Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen: Es muss der Verdacht einer Straftat (Anlasstat) bestehen (1). Zudem muss eine Wiederholungsgefahr bestehen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wie die Art, Schwere und Begehungsweise der Anlasstat, die Persönlichkeit der Betroffenen und der Zeitraum während dessen sie strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist (2). Zuletzt müssen die erkennungsdienstlichen Unterlagen erforderlich sein, um die Betroffene zu entlasten oder zu überführen (3) (vgl. ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Urteil vom 19. Oktober 1982,1 C 29/79 zu § 81b 2. Alt. StPO).
- 24
(1) Es liegt noch ein Restverdacht vor, dass die Klägerin Betäubungsmittel in strafbarer Weise nach § 29 Abs. 1 Nr. 1, 3 BtMG ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erworben oder besessen hat, obgleich die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte. Grundsätzlich kann der Verdacht einer Straftat bestehen bleiben, auch wenn das Strafverfahren eingestellt wurde oder die Betroffene freigesprochen wurde, es sei denn es wurden sämtliche Verdachtsmomente restlos ausgeräumt (vgl. BeckOK StPO/Ritzert StPO § 81b Rn. 2a-2, BVerfG, Beschluss vom 16. 5. 2002 – 1 BvR 2257/01, NJW 2002, 3231 zur Datenspeicherung). Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren nur deshalb ein, weil der Klägerin nicht nachgewiesen werden konnte, dass sie Betäubungsmittel illegal erworben oder besessen hatte. Die Staatsanwaltschaft ging daher von straflosem Konsum aus. Auch vor dem Verwaltungsgericht trägt die Klägerin vor, sie habe die Amphetamine unbewusst eingenommen. Dies ist jedoch eine gängige Einlassung von Betäubungsmittelkonsumenten. Eine solche Einlassung kann den Restverdacht nur ausräumen, wenn die Betroffene widerspruchsfrei, schlüssig und überzeugend angibt, wie es zu dem unbewussten Konsum gekommen sein soll (vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 25. Januar 2012 - 10 B 11430/11 -, juris zum Fahrerlaubnisrecht). Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung werden Betäubungsmittel nicht gänzlich unmotiviert anderen Personen verabreicht. Es müsste Anhaltspunkte dafür geben, dass ein Dritter die Betroffene schädigen oder willenlos machen wollte oder sie dauerhaft süchtig machen und als Abnehmerin von Betäubungsmitteln gewinnen wollte (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. November 2013 – 16 A 1716/13 –, juris, Rn. 8 zum Fahrerlaubnisrecht). Dazu müsste die Klägerin zumindest schildern, wer ihr wann und wie Amphetamin verabreicht haben könnte. Die Klägerin trägt jedoch nichts Konkretes vor zu den Tattagen oder der Vor- und Nachgeschichte. Weder ist nachvollziehbar, wie sie die Drogen unbewusst aufgenommen haben könnte noch ist ein Täter und dessen Motiv zu erahnen. Die Klägerin hat keine nachweisbaren Tatsachen genannt und keine Zeugen angeboten. Stattdessen erklärte sie ihren Zustand mit Medikamenten, die in der Blutuntersuchung nicht nachgewiesen werden konnten. Bei der zweiten Anlasstat gab sie an, der erste Drogentest sei negativ verlaufen. Da sie keine nachvollziehbaren Angaben machte, ist sie für die Zwecke der Gefahrenabwehr weiterhin einer Straftat nach § 29 BtMG verdächtig.
- 25
(2) Es besteht auch die Gefahr der Wiederholung. Um die Wiederholungsgefahr zu bestimmen, muss das Gericht eine eigene Prognoseentscheidung treffen, es kontrolliert die Entscheidung der Behörde voll (so auch der uneingeschränkte Prüfungsmaßstab in Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Oktober 1982, 1 C 29/79 zu § 81b 2. Alt. StPO, aA VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02 und VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 29. November 2011 – 5 K 550/11.NW –, juris, Rn. 19). Denn der Regelfall ist die gerichtliche Vollkontrolle gesetzlicher Tatbestandsmerkmale. Dies folgt zum einen aus dem Grundsatz der Gesetzesbindung der Verwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG und zum andern aus dem Rechtsschutzanspruch des Einzelnen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG. Ausnahmen gibt es nur, wenn das Gesetz bestimmt, dass die Verwaltung die Letztentscheidungskompetenz haben soll (sog. normative Ermächtigungslehre). Weder § 81b StPO noch § 11 POG enthalten ausdrücklich oder durch Auslegung einen Spielraum der Verwaltung auf Tatbestandsebene. Im Gegenteil enthalten sie ein typisches gefahrenabwehrrechtliches Prüfungsprogramm, das eine Tatsachengrundlage und ein Wahrscheinlichkeitsurteil erfordert. Auch die anderen polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen führen dazu, dass das Gericht an Stelle der Polizei die Tatsachen selbst ermitteln und eine eigenständige Prognoseentscheidung treffen muss. Auch für Prognoseentscheidungen gelten §§ 86, 108 VwGO, auch wenn diese immer unsicher sind, weil sie zukünftige Geschehnisse betreffen. Nur in bestimmen Ausnahme-Fallgruppen ist die gerichtliche Kontrolle typischerweise begrenzt, wie etwa bei prüfungsähnlichen Entscheidungen, beamtenrechtlichen Beurteilungen oder Entscheidungen durch Fachgremien. Eine solche Ausnahme-Fallgruppe liegt erkennbar nicht vor (zu allem vgl. Schwabenbauer/Kling, Gerichtliche Kontrolle administrativer Prognoseentscheidungen, Verwaltungsarchiv 2010, S. 231 ff.).
- 26
Prognosegrundlage sind alle Umstände dieses Falls. Sie lassen den Schluss zu, dass die Klägerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wieder verdächtig sein wird, eine Straftat nach § 29 BtMG begangen zu haben.
- 27
So ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits eine Wiederholungstäterin ist, da sie zwei Mal innerhalb von acht Tagen Amphetamin konsumiert hatte. Auch war die Amphetamin-Konzentration im Blut mit 840 ng/mL (0,84 mg/L) bzw. 490 ng/mL (0,49 mg/L) sehr hoch. Sie lag deutlich über dem Grenzwert für ein Fahrverbot von 25 ng/mL (0,025 mg/L) (vgl. Beschluss der Grenzwertkommission vom 20.11.2002 zu § 24a Abs. 2 StVG). Hinzu kommt das hohe Suchtpotential harter Drogen wie Amphetamin. Bereits der einmalige Konsum von Amphetamin kann süchtig machen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.10.2005 – 7 A 10667/05 nach Auskunft eines Gutachters).
- 28
Nicht nachvollziehbar ist, dass die Klägerin keine Drogen mehr nehmen werde, da sie sich von dem damaligen Personenkreis fernhalte, die Diskothek nicht mehr besuche und sich nunmehr in M... aufhalte, wo sie sich ihrem Studium widme. Auch bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr ist davon auszugehen, dass die Klägerin bewusst Drogen konsumiert hat. Wie bereits ausgeführt, hat sie den unbewussten Konsum nicht nachvollziehbar dargelegt, so dass ihr Vortrag als Schutzbehauptung gewertet werden muss. Außerdem spricht der wiederholte Konsum gegen eine unbewusste Einnahme. So ist nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht schon bei der ersten Anlasstat gewarnt war und sich von ihrem Freundeskreis und der Diskothek fern hielt. Ausgehend von einem bewussten Drogenkonsum würde es auch nicht die Wiederholungsgefahr beseitigen, wenn die Klägerin ihren Freundeskreis und ihren Aufenthaltsort wechselte. Denn wenn sie wiederholt Amphetamin in hoher Dosis nimmt, wird sie dies weiter tun, weil sie die starke Antriebssteigerung und den Eindruck gesteigerter Leistungsfähigkeit erreichen möchte (vgl. zu den Auswirkungen des Amphetaminkonsums OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.10.2005 – 7 A 10667/05) oder bereits körperlich oder psychisch abhängig ist. Wo und mit wem sie Drogen nimmt, ist für das Wahrscheinlichkeitsurteil nicht entscheidend. Es ist ebenso wahrscheinlich, dass sie sich in M... mit anderen Freunden Drogen beschafft. Der Umzug der Mutter dürfte sich ohnehin nicht entscheidend auf die Lebensverhältnisse der erwachsenen Klägerin auswirken.
- 29
(3) Die erkennungsdienstlichen Maßnahmen sind auch erforderlich im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG. Die erkennungsdienstlichen Unterlagen sind geeignet, die Klägerin bei zukünftigen Verdachtsfällen zu überführen oder zu entlasten. Durch Fingerabdrücke können Personen identifiziert werden, die Drogen erwerben oder verkaufen. Weiterhin kann damit gerechnet werden, dass Personen, die sich im Drogenmilieu bewegen, leichter identifiziert werden können, wenn einem Zeugen entsprechende Lichtbilder gezeigt werden können. Die Hinterlegung von erkennungsdienstlichen Daten kann auch insoweit vorbeugend wirken, als die Klägerin dadurch abgeschreckt wird, Drogendelikte zu begehen, da sie weiß, dass sie aufgrund der erkennungsdienstlichen Daten leichter überführt werden kann (VG Neustadt (Weinstraße), Urteil vom 29. November 2011 – 5 K 550/11.NW –, juris, Rn. 32).
- 30
Entgegen der Ansicht der Klägerin steht die Entscheidung des BayVGH (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 23. Juni 1997 – 24 B 95.3734 –, juris) der Anordnung nicht entgegen. Die zitierte Entscheidung beschränkt sich auf Sachverhalte, bei denen der Täter typischerweise feststeht und deshalb auch im Falle einer Wiederholung feststehen wird, wie beispielsweise bei Beleidigungen unter Bekannten. Gerade bei Betäubungsmitteldelikten steht der Täter angesichts der Anonymität des Milieus nicht von vornherein fest, sodass die erkennungsdienstliche Maßnahme erforderlich ist.
- 31
Anhaltspunkte für Ermessensfehler sind nicht erkennbar (§ 114 VwGO).
- 32
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.
- 33
Beschluss
- 34
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Februar 2016 - 3 K 2751/15 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu vier Fünfteln und der Antragsgegner zu einem Fünftel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Februar 2016 - 3 K 2751/15 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu vier Fünfteln und der Antragsgegner zu einem Fünftel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 17. August 2004 wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
- 1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegen den Kläger durch den Beklagten.
- 2
Der Kläger ist durch das Landgericht Gießen mit rechtskräftigem Urteil vom 08.02.2002 wegen Betruges in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Baugewerbe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden. Die Vollstreckung der Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
- 3
Der Kläger war in der Folgezeit im Baugewerbe als Auftraggeber von größeren Bauvorhaben tätig. In diesem Zusammenhang erstattete ein vom Kläger beauftragter Bauunternehmer gegen diesen im Juli 2003 Strafanzeige wegen Betruges. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben einen Anfangsverdacht, der zur Einleitung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens und zur Anklageerhebung beim Amtsgericht Anklam im Jahr 2004 führte.
- 4
Der Beklagte ordnete mit für sofort vollziehbar erklärter Anordnung vom 05.11.2003 die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen gegenüber dem Kläger an und lud ihn vor. Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2004 zurückgewiesen wurde. Die dagegen eingelegte Klage wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit dem angefochtenen Urteil vom 17.03.2004 ab. Die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen finde ihre Grundlage in § 81b 2. Alt. StPO. Aus der früher erfolgten Verurteilung wegen Betruges, die auf ähnlichen Taten wie den jetzt dem Kläger vorgeworfenen beruhte, seinem auch weiterhin zu erwartenden Tätigsein als Bauherr und der Höhe des durch die Handlungen des Klägers verursachten möglichen Schadens ergebe sich die Notwendigkeit zur Vornahme erkennungsdienstlicher Maßnahmen. Auch die weiteren Voraussetzungen der Norm lägen vor.
- 5
Der Kläger hat die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil beantragt. Er begründet seinen Zulassungsantrag im Wesentlichen damit, dass nach der Rechtsprechung die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen gegeben sei, wenn der Betroffene wiederholt und regelmäßig Beschuldigter eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gewesen sei. Im Übrigen sei ihm bereits nach Aktenlage betrügerisches Handeln nicht nachweisbar. Der Anzeigenerstatter und die Zeugen versuchten nur, auf diesem Wege nicht durchsetzbare Werklohnansprüche geltend zu machen.
- 6
Der Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten. Er verweist auf die Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen, weil der Kläger erneut in ein Strafverfahren wegen Betruges verwickelt sei.
- 7
Das Amtsgericht Anklam hat das Strafverfahren gegen den Kläger mit Beschluss vom 03.03.2005 gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt und die Kosten nebst notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt.
II.
- 8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger legt keinen der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe in der erforderlichen Art und Weise dar.
- 9
Der Kläger benennt in seiner Begründung des Zulassungsantrages keinen Zulassungsgrund. Im Zusammenspiel mit dem Antragsschriftsatz vom 23.08.2004, in dem er sich die Begründung des Zulassungsantrages vorbehält und mitteilt, "Berufungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO" lägen vor, kann aus der kritischen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils in der Begründung des Zulassungsantrages gefolgert werden, dass er in der Sache den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, geltend machen will. Weitere Zulassungsgründe lassen sich auch bei wohlwollender Auslegung der Begründung des Zulassungsantrages nicht entnehmen.
- 10
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nach der Rechtsprechung des Senats bereits dann dargelegt, wenn sich der Zulassungsantrag mit schlüssigen Argumenten mit den tragenden Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt. Dieser Anforderung genügt die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Der Kläger führt zum einen an, die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung erkennungsdienstlicher Unterlagen setze eine wiederholte und regelmäßige Stellung des Adressaten einer solchen Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen als Beschuldigter in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren voraus. Diesen strengen Maßstab legt die Rechtsprechung entgegen der Darstellung des Klägers nicht an. Es genügt für die Notwendigkeit im Sinne des § 81b 2. Alt. StPO, wenn nach den Umständen des Einzelfalles aufgrund kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte für die Annahme vorliegen, der Verurteilte könne in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden und die erkennungsdienstlichen Maßnahmen könnten die dann zu führenden Ermittlungen - ergebnisoffen - fördern (BVerwG, Urt. v. 10.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192). Auf die Zahl der gegen den Adressaten einer solchen Anordnung eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kommt es für die Rechtmäßigkeit einer Anordnung nach § 81b 2. Alt. StPO nicht an; es genügt insoweit auch eine einmalige rechtskräftige Verurteilung (vgl. den Sachverhalt, der dem zitierten Urteil des BVerwG vom 19.10.1982 zugrunde lag, sowie den Sachverhalt bei BVerwG, Urt. v. 23.11.2005 - 6 C 2.05 -, DVBl. 2006, 923).
- 11
Soweit der Kläger zum anderen die Notwendigkeit der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen mit der Argumentation in Zweifel zieht, die abgeurteilte Tat läge sieben Jahre zurück und während dieser Zeit habe er sich strafrechtlich unauffällig benommen, ist dies zwar ein Aspekt, der bei der Bewertung des Einzelfalles mit zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG B. v. 16.02.2006 - 2 BvR 561/03). Er tritt aber angesichts der gegen den Kläger 2003 erhobenen strafrechtlich relevanten Vorwürfe, die auf ähnliche Straftaten wie die, die der Verurteilung zugrunde liegen, zielen, nicht so stark in den Vordergrund, dass sich aus ihm ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Überzeugung des Verwaltungsgerichts ergeben, die erkennungsdienstlichen Maßnahmen seien notwendig im Sinne des § 81b 2. Alt. StPO.
- 12
Der Kläger macht weiter - ausführlich dargelegt - geltend, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entbehrten einer sachlichen Grundlage und seien ungeeignet, für die Notwendigkeit der Anordnung herangezogen zu werden. Nach Ablauf der Begründungsfrist teilt er mit, das Strafverfahren sei nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Dieser Vortrag ist vollumfänglich bei der Entscheidung über die Zulassung zu berücksichtigen: Materiell-rechtlich ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Notwendigkeit der Anordnung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, U. v. 19.10.1982 - 1 C 29/79 -, BVerwGE 66, 192). Daraus folgt, dass auch nach Ablauf der Frist zur Begründung des Zulassungsantrages neue Tatsachen vorgetragen werden können und vom Senat zu berücksichtigen sind, wenn sie sich auf Rügen beziehen, die innerhalb der Begründungsfrist erhoben wurden (BVerwG, B. v. 11.11.2002 - 7 AV 3/02, NVwZ 2003,490; B. v. 15.12.2003 - 7 AV 2/03, NVwZ 2004, 744). Die Mitteilung über die Verfahrenseinstellung durch das Amtsgericht ergänzt den rechtzeitigen Vortrag in der Begründung des Zulassungsantrages über das Fehlen eines strafbaren Verhaltens des Klägers. Im danach maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats steht fest, dass das Strafverfahren gegen den Kläger wegen geringer Schuld und mangelnden öffentlichen Interesses an der weiteren Strafverfolgung nach § 153 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Daraus ergibt sich aber nicht, dass die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen nicht notwendig war. Denn das Verhalten des Klägers war nicht ohne strafrechtliche Relevanz, weil § 153 StPO eine strafbare Tat voraussetzt (Pfeiffer StPO, 5. Aufl. 2005, § 153 Rn.1; Meyer-Goßner StPO, 51. Auf. 2008, § 153 Rn. 3). Das Verfahren kann bei geringer Schuld des Täters und des fehlenden öffentlichen Verfolgungsinteresses eingestellt werden. Dies sind aber strafprozessuale Gesichtspunkte, die für die präventiv-polizeilichen zu beurteilende Notwendigkeit bei § 81 b 2. Alt. StPO nicht zu berücksichtigen sind. Aus einer Einstellung nach §153 StPO folgt daher nicht zwingend, dass der Täter nicht zum Kreis Verdächtiger einer zukünftigen Straftat gehören wird und die erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht geeignet sind, die Ermittlungen - ergebnisoffen - zu fördern. Zu den für die Abwägung im Einzelfall erforderlichen Überlegungen äußert sich die Begründung des Zulassungsantrages im Übrigen nicht.
- 13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 2 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
- 16
Mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig.
Tenor
Die Beschwerden der Antragstellerin und des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 2. Februar 2016 - 3 K 2751/15 - werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu vier Fünfteln und der Antragsgegner zu einem Fünftel.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
| ||||
|
Tenor
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2009 – 6 L 46/09 - wird zurückgewiesen.
Gründe
hierzu etwa Beschlüsse vom 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – und vom 14.10.2003 – 1 BvR 901/03 -, jeweils zitiert nach Juris,
siehe etwa Beschlüsse vom 26.1.2009 – 3 D 359/08 – und vom 11.1.2008 – 3 D 489/07 -
hierzu OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 2.9.2005 – 3 W 15/05 – und vom 22.8.2001 – 2 W 1/01 - und vom 14.11.2001 – 3 V 34/01 und 3 W 12/01 –; ebenso Bader, VwGO, 4. Auflage 2005, § 80 Rdnrn. 42 und 84; Redeker/von Oertzen, VwGO, 14. Auflage 2004, § 80 Rdnr. 52; zur abweichenden Meinung Kopp/Schenke, 15. Auflage 2007, § 80 Rdnrn. 149
hierzu Redeker/von Oertzen, VwGO, a.a.O., § 80 Rdnr. 53;
hierzu VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 – 10 C 08.2872 -; zitiert nach Juris; OVG Koblenz, Beschluss vom 17.11.2000 – 11 B 11859/00 -, NVwZ-RR 2001, 212, OVG Münster, Beschluss vom 13.1.1999 – 5 B 2562/98 -, NJW 1999, 2689.
hierzu vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2005 – 6 C 2/05 -, NJW 2006, 1225; Beschluss vom 6.7.1988, Buchholz 306, § 81 b StPO Nr. 1 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 C 29/79 –, BVerwGE 66, 192 ff..
hierzu VGH Mannheim, Urteile vom 29.5.2008 – 1 S 1503/07 -, zitiert nach Juris und vom 18.12.2003 – 1 S 2211/02 -, DÖV 2004, 440.
hierzu VGH München, Beschluss vom 17.11.2008 – 10 C 08.2872 -; VG Augsburg, Beschluss vom 23.12.2004 – Au 8 S 04.1820 –, jeweils bei Juris.
hierzu etwa OVG Münster, Beschlüsse vom 13.1.1999, a.a.O. und vom 14.6.1994 – 5 B 2693/93 –, zitiert nach Juris.
hierzu etwa OVG Lüneburg, Beschluss vom 20.11.2008 – 11 ME 297/08 – und Urteil vom 28.6.2007 – 11 LC 372/06 -, zitiert nach Juris; VGH Mannheim Urteil vom 18.12.2003, a.a.O.
vgl. etwa neben den erstinstanzlich angeführten Entscheidungen OVG Münster, Beschluss vom 23.2.2007 – 5 B 1284/07 -; VG Lüneburg, Beschluss vom 12.3.2002 – 3 B 14/02 -; VG Köln, Urteil vom 29.11.2007 – 20 K 3331/06 -, VG Dresden Beschluss vom 11.11.2004 – 14 K 2060/04 -; VG Minden, Urteil vom 12.4.2007 – 11 K 103/07 -.
hierzu etwa auch Urteil des VG Minden vom 6.4.2005 – 11 K 2085/04 -, zitiert nach Juris,
hierzu OVG Lüneburg, Beschluss vom 18.8.2008 – 5 B 597/08 -, zitiert nach Juris.
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 16.5.2002 – 1 BvR 2257/01 -, NJW 2002, 3231
hierzu BVerwG, Urteil vom 19.10.1982 – 1 C 29.79 -; VGH Mannheim, Urteil vom 29.5.2008 – 1 S 1503/07 – m.w.N., zitiert nach Juris
hierzu etwa OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.9.2007 – 2 O 218/07 -, zitiert nach Juris.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am °°°°° geborene Kläger wendet sich gegen die Anordnung seiner erkennungsdienstlichen Behandlung.
3Am 27. Januar 2010 führten Beamte des Landeskriminalamts NRW eine anlassunabhängige Recherche im ed2K-Netzwerk - einem Filesharing Netzwerk, das dem Nutzer im Internet eine Plattform zum Tauschen von Daten mit anderen Nutzern bietet - durch. Ziel war es, mit Hilfe einer bestimmten Software Anbieter von Bild und Videodateien mit kinderpornographischem Inhalt zu ermitteln und zu identifizieren. Eine hierbei auffällig gewordene Internet Protokoll Nummer wurde nachfolgend dem Kläger und seiner Ehefrau zugeordnet. Daraufhin wurde gegen die Vorbenannten Strafanzeige wegen des Verdachts der Verbreitung bzw. des Besitzes/Verschaffung von Kinderpornographie (§ 184b Abs. 1, 2, 4 StGB) erstattet.
4Auf der Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts F. (°°°°° (°°°°° StA F. )) fand am 30. September 2010 eine Durchsuchung der im 2. Obergeschoss links eines 3 ½ geschossigen Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung des Klägers und seiner Ehefrau statt, in der diese seit Juli 1996 gemeldet sind. Dabei wurden u. a. mehrere CDs, DVDs, externe Festplatten sowie 2 Laptops und 1 schwarzer PC (Miditower) sichergestellt. Die Auswertung der Medien ergab auf den externen Speichermedien keine relevanten Befunde. Demgegenüber fanden sich auf dem Miditower Dateien mit inkriminierten Inhalten (Kinderpornografie u.a.). Ausweislich des von Mitarbeitern des Beklagten erstellten Datensicherungsvermerks vom 23. März 2012 bzw. des Schlussvermerks vom 13. Juni 2012 fanden sich die inkriminierten Dateien auf dem Laufwerk mit der internen Bezeichnung FP 1.2. und dort in einem Dateiordner mit der Bezeichnung „aaaa“, der wiederum über zwei Unterordner mit den Bezeichnungen „sehr gut“ und „zeichentrick“ verfügt. In diesem Ordner bzw. Unterordnern befanden sich insgesamt 3862 ausschließlich pornographische Videodateien. Aufgrund der zum Teil eindeutigen Dateinamen könne, so wird im Schlussvermerk ausgeführt, erkannt werden, was den Betrachter nach Öffnen der entsprechenden Datei erwarte. Viele dieser Dateinamen ließen auf Videos mit Kinder-bzw. jugendpornographischen Inhalten schließen, bspw.: „russian dad fuck his 12yo daughter an her 13yo best friend“, „inceste-Mutter zeigts Tochter und Sohn“, „Mädchen wird vom Vater schön deutlich sichtbar richtig tief durchgefickt bis der Saft spritzt“, „Silke 14 Jahre wird vom Vater und Onkel gefickt“, „girl lick sister pussy and brother fuck her“, Kitty blowjob cumshot inside mouth“. Zudem wurden 2634 Dateien mit ganz überwiegend pornographischen Dokumenten gefunden, darunter 80 Dateien, die aufgrund der Dateibezeichnungen darauf schließen ließen, dass es sich um Geschichten mit Kinder- bzw. jugendpornographischen Inhalten, Inhalten mit Inzest- Phantasien und tierpornographischen Inhalten handele. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schlussvermerk (vgl. Bl. ° bis ° BA °) und den Datensicherungsvermerk sowie die teilweise von den Videodateien gefertigten Screenshots (Bl. ° bis ° BA °)) Bezug genommen.
5Mit Schriftsatz vom 31. Juli 2012 regten die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft F. eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 170 Abs. 2, ggf. § 153 a StPO an, weil ein wie auch immer geartetes strafbares Verhalten seiner Mandanten nicht ersichtlich sei. Als Beschuldigte kämen zahlreiche Personen in Betracht. Es handele sich um ein von mehreren Personen genutztes Gebäude. Welche Personen im einzelnen Zugriff hätten, sei völlig ungeklärt. Eine konkrete Tathandlung sei einer konkreten Person nach Aktenlage nicht zuordnenbar.
6Am 3. August 2012 wurde das Verfahren gegen die beschuldigte Ehefrau des Klägers eingestellt. Ausweislich des staatsanwaltschaftlichen Einstellungsvermerks zeigten die aufgefundenen kinderpornographischen Bilder zumindest in der Mehrzahl sexuelle Handlungen von erwachsenen Männern an weiblichen Kindern. Es handele sich daher augenscheinlich um „Männer-Phantasien“. Hinweise darauf, dass die beschuldigte Ehefrau mit der Verbreitung und der Sammlung von kinderpornographischen Schriften etwas zu tun habe, ergäben sich nicht.
7Der Kläger wurde demgegenüber mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft F. vom 3. August 2012 - °°°°° - angeklagt, in der Zeit vom 27. Januar 2010 bis 30. September 2010 in N. 1. durch zwei selbstständige Handlungen pornographische Schriften, die sexuelle Handlungen von, an oder vor Kindern zum Gegenstand haben verbreitet zu haben; 2. durch eine weitere selbstständige Handlung kinderpornographische Schriften, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder geben, besessen zu haben. Dem Angeschuldigten wurde zur Last gelegt: 1. Am 27. Januar 2010 um 21.08 Uhr über das ed2K-Netzwerk die kinderpornographische Datei „boylove_boy_nude_and_sex_71.mpg“ zum vollständigen Download für Nutzer angeboten zu haben; die Datei zeige ein ca. 8-10 Jahre altes, im Bereich des Unterkörpers unbekleidetes Mädchen, das von einem Erwachsenen Mann mit dem Finger anal penetriert werde und das bei dem erwachsenen Mann den Oralverkehr ausübe. 2. Am 28. Januar 2010 habe der Angeschuldigte um 23.18 Uhr die kinderpornographische Datei „Bondage und Fuck in Pussy and Ass.mpg“ zum vollständigen Download angeboten; die kinderpornographische Datei zeige, wie ein erwachsener Mann bei einem ca. zehnjährigen unbekleideten Mädchen, das an den Füßen gefesselt sei, den Analverkehr durchführe und das Mädchen gleichzeitig mit dem Finger vaginal penetriere. 3. Am 30. September 2010 seien anlässlich einer Durchsuchung ein PC Midi-Tower sichergestellt worden, auf dessen Festplatte sich mindestens 71 kinderpornographische Videodateien befanden. Die Videodateien zeigten den Oralverkehr zwischen unbekleideten Kindern unter 14 Jahren mit erwachsenen Männern, wobei auch Kinder gezeigt würden, die augenscheinlich unter fünf Jahre alt seien. Weiter werde der Vaginal- und der Analverkehr mit unbekleideten Kindern unter 14 Jahren durch erwachsene Männer gezeigt. Es handele sich um Vergehen nach §§ 184 b Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 4, 53, 74 StGB.
8Mit am 2. August 2012 bei den Prozessbevollmächtigten des Klägers eingegangenem Schreiben hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung an. Dagegen wandten die Prozessbevollmächtigten unter dem 7. August 2012 ein, eine solche Anordnung wäre erkennbar unzulässig. Insbesondere werde unter Verstoß gegen den Zweifelsgrundsatz in der Anhörung ausgeführt, dass der Kläger angeblich strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Demgegenüber sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO erfolge. Es gebe auch keinerlei Vorbelastungen.
9Mit Bescheid des Beklagten vom 16. August 2012 wurde die erkennungsdienstliche Behandlung des Klägers gemäß § 81 b 2. Alternative StPO angeordnet und der Kläger zur Durchführung der im Anhörungsschreiben vom 30. Juli 2012 benannten Maßnahmen der Anfertigung von Lichtbildern, einer Ganzaufnahme, von Finger- und Handflächenabdrücken sowie der Feststellung äußerer körperlicher Maßnahmen unter Androhung eines Zwangsgeldes für den 27. September 2012 vorgeladen. Zur Begründung führte der Beklagte unter umfänglicher Darlegung des sich nach Aktenlage ergebenden Sachverhalts aus:
10Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen ergebe sich, dass der Kläger gezielt kinder-und jugendpornographische Inhalte herunter geladen und ebenso gezielt in dem Ordner „aaaa“ auf dem PC abgelegt habe. Aufgrund der Dateinamen habe er genau gewusst, welche Videodateien er sich beschafft habe und welche Inhalte er dort zu sehen bekomme. Es handele sich um zahlreiche verabscheuungswürdige Bilddateien mit eindeutig kinderpornographischem Inhalt. Der Kläger sei mit hoher krimineller Energie gezielt vorgegangen, um zu den teils konspirativen Websites zu gelangen und habe über einen länger andauernden Zeitraum inkriminierte Dateien in großer Anzahl heruntergeladen und akribisch in Unterordnern abgespeichert. Er habe sich dazu auch auf eine Tauschplattform begeben, um Gleichgesinnten die Dateien zum downloaden anzubieten oder andere zu erhalten. Angesichts dessen vermöge ihn nicht zu entlasten, dass erstmalig ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt werde. Auch wenn der Kläger verheiratet sei, dürfe ihm eine ausgesprochene pädophile Neigung unterstellt werden. Eine gewisse pädosexuelle Ansprechbarkeit berge aber immer die Gefahr, dass er sich, zumal angesichts seines an den Tag gelegten Eifers, in Zukunft erneut nach § 184 b StGB strafbar machen könne. Auch wenn belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse kaum vorlägen, sei nach dem - näher dargelegten - Erkenntnisstand zudem jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt werden könnte. Aufgrund der sich hieraus ergebenden hohen Wahrscheinlichkeit einer wie auch immer gearteten Tatwiederholung sei es aus kriminalistischer Sicht notwendig, den Kläger erkennungsdienstlich zu behandeln, um künftige Straftaten zu verhindern bzw. diese aufzuklären. Hierbei könnten Fingerabdrucke von Nutzen sein, um beispielsweise Klarheit zu schaffen, wer einen bestimmten Computer oder sonstige Speichermedien benutzt habe. Im Rahmen der Güterabwägung sei das öffentliche Interesse an der Aufklärung von Straftaten insbesondere wegen des erhöhten Schutzgutes, Kinder vor Missbrauch zu schützen, höher zu werten als der demgegenüber geringer wertigere Eingriff in das Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides (Bl. ° bis ° BA °) verwiesen.
11Der Kläger hat am 24. August 2012 Klage erhoben.
12Er trägt zur Begründung zunächst vor:
13Der Bescheid seit bereits deshalb rechtswidrig, weil eine angebliche Tatbegehung unterstellt werde, ohne dass in irgendeiner Form der Nachweis geführt werde, dass er mit den maßgeblichen Vorgängen auch nur im Ansatz zu tun habe. Der Beklagte verwende ungeheuerliche Unterstellungen und allgemeine Phrasen. Es gebe weitere Personen, die sich regelmäßig in der Wohnung aufhielten und die als mögliche Täter der angeblich relevanten Handlungen in Betracht kämen. Warum eine alleinige Tatbegehung durch seine Ehefrau oder durch eine dritte Person ausgeschlossen sei, werde nicht einmal thematisiert. Es spreche nicht ein einziges Indiz für seine Täterschaft. Es liege ein evidenter Verstoß gegen den Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ vor. Ebenso werde gegen die Unschuldsvermutung aus Art. 6 Abs. 2 EMRK verstoßen. Allein seine Beschuldigteneigenschaft im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren rechtfertige die Maßnahme nicht. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht begründbar. Er sei strafrechtlich bisher noch nie in Erscheinung getreten und lebe in einer funktionierenden Ehe.
14Das gegen den Kläger eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren hat während des vorstehend anhängigen Klageverfahrens folgenden Verlauf genommen:
15Nach Zustellung der Anklageschrift haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Amtsgericht mit der wesentlichen Begründung angeregt, eine Täterschaft des Klägers sei erkennbar nicht nachweisbar. Sowohl seine Ehefrau als auch dritte Personen hätten sich regelmäßig in den dortigen Wohnräumlichkeiten aufgehalten. Die staatsanwaltschaftliche Bewertung, es stünden „Männer-Phantasien“ in Rede, sei nicht nachvollziehbar. In einer dazu eingeholten staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme vom 21. September 2012 wird ausgeführt, es blieben keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten (Klägers); die Ausführungen in Bezug auf eine Täterschaft der Ehefrau oder „unbekannte Dritte“ erschienen nicht lebensnah. Im Anschluss daran verfügte das Amtsgericht F. die Eröffnung des Hauptverfahrens und bestimmte einen Termin zur Hauptverhandlung im Januar 2013. In der Folgezeit regten die Prozessbevollmächtigten des Klägers angesichts der „günstigen Beweislage“ die Einstellung des Verfahrens gemäß 153 StPO an, zumal der Kläger gesundheitlich angeschlagen sei. Dem stimmte die Staatsanwaltschaft für den Fall zu, dass der Kläger mit der außergerichtlichen Einziehung aller asservierten Gegenstände einverstanden sei. Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers dazu ihr Einverständnis erklärt hatten, stellte das Amtsgericht F. mit Beschluss vom 26. November 2012 (°°°°°-°°°°°-°°°°°) das Verfahren gegen den Kläger gemäß § 153 Abs. 2 StPO auf Kosten der Landeskasse ein; die notwendigen Auslagen des Angeklagten (Klägers) hatte dieser selbst zu tragen.
16Darauf bezugnehmend trägt der Kläger klagebegründend ergänzend vor: Er habe sich auf die Einstellung des Verfahrens trotz des mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Freispruchs nur deshalb eingelassen, weil eine Verhandlung für ihn eine enorme psychische Belastung dargestellt hätte, die gerade bei Krebspatienten zu einer erheblichen Problematik führe. Mit der Einstellung sei keinerlei Schuldanerkenntnis verbunden. Keinesfalls sei das Verhalten des Beklagten tragfähig, gewisse Tatsachen in seiner, des Klägers Person als feststehend anzunehmen, etwa hinsichtlich einer „pädosexuelle(n) Ausrichtung“ oder des „Beschaffen(s) von kinderpornographischen Material im Internet“. Der Beklagte verkenne die Grundrechtsrelevanz. Es gebe keinen Restverdacht, der sich auf Tatsachen stütze und kein objektives Kriterium, das dafür spreche, dass er, der Kläger, die ihm zur Last gelegten Handlungen begangen habe. Schließlich seien die veranlassten erkennungsdienstlichen Behandlungen im Hinblick auf die angebliche Anlasstat nicht geeignet, dem Zweck des § 81 b 2. Alt. StPO zu dienen. Es sei nicht erkennbar, dass das Anfertigen von Lichtbildern und Ganzaufnahmen sowie von Finger- und Handflächenabdrücken bei weiteren gleichartigen Straftaten zur Aufklärung beitragen könnten.
17Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
18den Bescheid des Beklagten vom 16. August 2012 aufzuheben.
19Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
20die Klage abzuweisen.
21Er trägt ergänzend vor: Es sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die ungewöhnlich hohe Anzahl relevanter Dateien und die Art und Weise deren Speicherung belege, dass die entsprechenden Dateien mit hoher krimineller Energie erlangt worden seien. Bei Taten mit sexuellem Hintergrund, insbesondere im Bereich der Kinderpornographie, bestehe nach kriminalistischer Erfahrung eine signifikant erhebliche Rückfallgefahr. Die Versuche der Prozessbevollmächtigten des Klägers, einen „unbekannten Dritten“, welcher sich unbemerkt den Zugriff auf den Rechner verschafft habe, oder dessen Ehefrau als mögliche Täter darzustellen, habe bereits die Staatsanwaltschaft als nicht lebensnah erachtet. Die gleichwohl erfolgte Einstellung nach § 153 Abs. 2 StPO sei in Anbetracht der Vielzahl und Inhalte der gefundenen Dateien absolut ungewöhnlich. Unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles sei der Tatverdacht gegen den Kläger keineswegs vollständig entfallen. Der Vortrag zu den Gründen, warum sich der Kläger auf eine Einstellung des Verfahrens geeinigt habe, beinhalte bloße Behauptungen. Vielmehr bestünden gerade auch aufgrund seiner Einlassungen begründete Anhaltspunkte dafür, dass er auch zukünftig Anlass zu polizeilichen Ermittlungen bieten könnte. Dem stehe nicht entgegen, dass er bisher nicht einschlägig kriminalpolizeilich aufgefallen sei und in geordneten Verhältnissen lebe. Im hier in Rede stehenden Bereich der Kriminalität bestehe durch die Anonymität des Internets ein sehr hohes Dunkelfeld.
22Bei der Prognose, ob und in welcher Hinsicht anzunehmen sei, dass der Kläger wieder in den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Verbreitung bzw. dem Besitz kinderpornografischer Schriften gerate, sei auch die Entscheidung des Gesetzgebers zu berücksichtigen, in § 184 b StGB zugleich ein Risikodelikt zu normieren, da jedenfalls nicht auszuschließen sei, dass der Betrachter kinderpornographischer Darstellungen zum Kindesmissbrauch angeregt werde.
23Die erkennungsdienstlichen Unterlagen seien geeignet, der Kriminalpolizei zur Erforschung und Aufklärung derartig gelagerter Delikte sächliche Hilfsmittel bereitzustellen, sowie erforderlich und stünden auch in einem angemessenen Verhältnis zu den zu erwartenden Gefahren und Schäden für Schutzgüter Dritter, hier von Kindern.
24Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2016 hat der Beklagte die ursprünglich verfügte Fristsetzung und Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 16. August 2012 im Hinblick auf die Klageerhebung aufgehoben. Dazu hat der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
25Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter erklärt.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie die beigezogene Strafakte der Staatsanwaltschaft F. (°°°°°) Bezug genommen.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
28Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (vgl. §§ 101 Abs. 2, 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
29Die Klage ist unbegründet.
30Der Bescheid des Beklagten vom 16. August 2012 in der Gestalt, die er nach Aufhebung der darin ursprünglich enthaltenen Fristsetzung und Zwangsgeldandrohung im Schriftsatz des Beklagten vom 3. Februar 2016 erhalten hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, vgl. § 113 Abs.1 Satz 1 VwGO.
31Rechtsgrundlage für die umstrittene Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung ist § 81 b 2. Alternative StPO. Danach dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, wenn dies für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist.
32Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werden erkennungsdienstliche Unterlagen nach § 81 b 2. Alternative StPO nicht für Zwecke eines gegen den Betroffenen gerichteten oder irgendeines anderen konkreten Strafverfahrens erhoben. Ihre Anfertigung, Aufbewahrung und systematische Zusammenstellung in kriminalpolizeilichen Sammlungen dient nach ihrer gesetzlichen Zweckbestimmung vielmehr der vorsorgenden Bereitstellung von sächlichen Hilfsmitteln für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten. Ein unmittelbarer Zweckzusammenhang zwischen der Beschuldigteneigenschaft des Betroffenen und den gesetzlichen Zielen der Aufnahme und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nach § 81 b 2. Alternative StPO besteht nicht. Dass eine erkennungsdienstliche Behandlung nach dieser Vorschrift nur gegen einen Beschuldigten angeordnet werden darf, besagt lediglich, dass die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlungen nicht an beliebige Tatsachen anknüpfen und zu einem beliebigen Zeitpunkt ergehen kann, sondern dass sie aus einem konkret gegen den Betroffenen als Beschuldigten geführten Strafverfahren hervorgehen und jedenfalls auch aus den Ergebnissen dieses Verfahrens die gesetzlich geforderte Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Behandlung herleitbar sein muss.
33Vgl. BVerwG, Urteile vom 23. November 2005 - 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225 und vom 19. Oktober 1982 - 1 C29.79 -, BVerwGE 66, 192.
34Vorstehend war der Kläger zum – insoweit – maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung,
35vgl. dazu OVG Hamburg, Urteil vom 11. April 2013 – 4 Bf 141/11 -, juris, RdNr. 32, 35 ff,
36Beschuldigter i.S.d. § 81 b 2. Alt. StPO, weil gegen ihn bei der Staatsanwaltschaft F. (°°°°°) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes kinderpornographischer Schriften geführt wurde. Die Einstellung dieses Verfahrens im November 2012 steht als solche der Anwendbarkeit des § 81 b 2. Alt. StPO und der Rechtmäßigkeit der verfügten erkennungsdienstlichen Behandlung nicht entgegen. Die Maßnahme ist insbesondere notwendig im Sinne dieser Bestimmung.
37Die Notwendigkeit der Anfertigung und Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen bemisst sich danach, ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Ermittlungs- oder Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalles - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit unter Berücksichtigung des Zeitraumes, während dessen er strafrechtlich (nicht mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen fördern könnten, indem sie den Betroffenen überführen oder entlasten.
38Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 - 6 C 2.05 -, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 4. September 2014 – 5 A 988/13 -.
39Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), der verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und der präventive Charakter der erkennungsdienstlichen Maßnahme verlangen eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verhinderung und Aufklärung von Straftaten und dem Interesse des Betroffenen, entsprechend dem Menschenbild des Grundgesetzes nicht bereits deshalb als potenzieller Rechtsbrecher behandelt zu werden, weil er sich irgendwie verdächtig gemacht hat oder angezeigt worden ist.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. September 2008– 5 B 1046/08 –, juris, RdNr. 6.
41Insoweit bedarf es aber keines Tatnachweises oder gar einer strafgerichtlichen Verurteilung, um ein strafrechtlich erhebliches Verhalten bei der zu erstellenden Gefahrenprognose zu berücksichtigen. In der Rechtsprechung ist insoweit geklärt, dass die im Rahmen der Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen anzustellende Gefahrenprognose nicht nur an strafgerichtliche Verurteilungen anknüpfen, sondern sich auch auf nach §§ 153 ff. oder § 170 Abs. 2 StPO eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren stützen darf, wenn in dem jeweiligen Verfahren die Verdachtsmomente nicht ausgeräumt sind. Ein Restverdacht kann im Einzelfall nicht nur nach Einstellung des Strafverfahrens – wie hier nach § 153 Abs. 2 StPO -, sondern auch dann noch bestehen, wenn ein Freispruch erfolgt ist. Insoweit bedarf es der eingehenden Würdigung aller hierfür relevanten Umstände des Einzelfalls. Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere danach zu differenzieren, in welchem Umfang noch Verdachtsmomente gegen den Betroffenen bestehen. Sind die für das Ermittlungsverfahren bestimmenden Verdachtsmomente ausgeräumt, ist eine Anfertigung der erkennungsdienstlichen Unterlagen nicht mehr notwendig im Sinne des § 81 b 2. Alt. StPO. Ist das nicht der Fall, kommt es entscheidend darauf an, welcher Art das Delikt ist, auf das sich die verbliebenen Verdachtsmomente beziehen. Je schwerer ein Delikt wiegt, je höher der Schaden für die geschützten Rechtsgüter und die Allgemeinheit zu veranschlagen ist und je größer die Schwierigkeiten einer Aufklärung einzustufen sind, desto mehr Gewicht erlangt das oben beschriebene öffentliche Interesse.
42Vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 1. Juni 2006- 1 BvR 2293/03 -, juris, Rn. 12; OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2015- 5 A 1980/14 -, 4. September 2014 - 5 A 988/13 - und 27. November 2012 – 5 E 815/12 –; Nds. OVG, Urteil vom 20. November 2014 - 11 LB 15/14 -, juris, Rn. 33; Sächs. OVG, Beschluss vom 31. Januar 2013 - 3 A 565/11 -, juris, Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 21. Oktober 2002 - 24 C 02.2268 -, juris, Rn. 10.
43Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Beklagte zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers angenommen. Die Vorschrift stellt – anders als für die Beschuldigteneigenschaft - hinsichtlich der Notwendigkeit der Maßnahmen nicht (nur) auf den Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung, sondern auch auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Vornahme dieser Maßnahme ab. Im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle kommt es deshalb auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982- 1 C 29.79 -, a.a.O.
45Die mit der streitigen Verfügung angeordnete Maßnahmen (Aufnahme von Zehnfinger- und Handflächenabdrücken, Lichtbildaufnahme, Fertigung einer Ganzaufnahme, Beschreibung äußerlicher körperlicher Merkmale) sind solche, die grundsätzlich nach § 81 b 2. Alternative StPO verfügt werden können. Diese Maßnahmen sind zum Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig, weil die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Kläger auch zukünftig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und deshalb eine Wiederholungsgefahr besteht. Dem steht die Einstellung des einschlägigen Strafverfahrens durch das Amtsgericht N. mit Beschluss vom 26. November 2012 nicht entgegen, weil ein relevanter Restverdacht gegen den Kläger verblieben ist.
46Auf der Grundlage des Akteninhalts ist unter Würdigung der Angaben des Klägers nicht ansatzweise ersichtlich, dass in dem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jegliche Verdachtsmomente gegen den Kläger ausgeräumt worden wären. Eher das Gegenteil ist der Fall. Der wesentliche klägerische Einwand – der allerdings nur vage aufgezeigt worden ist -, die inkriminierten Dateien auf dem fraglichen PC könnten von einer „dritten Person“ heruntergeladen bzw. dort abgespeichert worden sein, überzeugt nicht und rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, der gegen ihn bestehende Tatverdacht sei vollständig entfallen. Es fehlen nachvollziehbare Darlegungen, die es als plausibel erscheinen lassen könnten, dass ein (unbekannter) Dritter mehrere tausend Dateien aus dem Internet heruntergeladen und in den im Tatbestand näher bezeichneten, „versteckten“ (Unter-) Verzeichnissen auf dem PC abgespeichert haben könnte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich dieser PC nicht etwa in einem öffentlich zugänglichen Gebäude oder in einem jedenfalls einer Mehrzahl von Personen frei zugänglichen Raum/Büro befunden hat, sondern in dem Arbeitszimmer der in einem 3 ½ geschossigem Mehrfamilienhaus gelegenen, vom Kläger und seiner Ehefrau seit langem bewohnten Privatwohnung. Es erschließt sich überdies nicht ohne weiteres, welchen Sinn es haben könnte, dass ein „Dritter“ derartige Dateien auf einem in der Privatwohnung des Klägers befindlichen PC abspeichert, wo sie dem Zugriff dieses „Dritten“ regelmäßig entzogen wären.
47Es hätte angesichts dessen zum mindesten eines substantiierten Vortrages dazu bedurft, welche Person(en)/“Dritte“, wann in welcher Art und Weise nicht nur Zugang zu der Privatwohnung und zu dem fraglichen PC gehabt hatte(n), sondern auch Gelegenheit gehabt haben soll(en), insbesondere zu den fraglichen Zeiten (bspw. am 27. Januar 2010 um 21.08 Uhr und 28. Januar 2010 um 23.18 Uhr) die einschlägigen Dateien herunterzuladen bzw. anzubieten. An einem solchen in sich nachvollziehbaren Vorbringen des Klägers fehlt es trotz der seine Version von der Täterschaft eines „unbekannten Dritten“ nachdrücklich in Zweifel ziehenden Klageerwiderung des Beklagten in Gänze. Es mag deshalb offen bleiben, ob selbst bei einem dahingehenden Vortrag der Tatverdacht gegen den Kläger vollständig entfallen wäre.
48Dass der Kläger allen Ernstes nicht nur „unbekannte Dritte“, sondern darüber hinaus auch seine Ehefrau als eine (mögliche) Täterin des strafrelevanten Verhaltens bezichtigen will, ist nicht anzunehmen. Selbst wenn das der Fall sein sollte, wäre eine etwaige Behauptung von einer Alleintäterschaft seiner Ehefrau angesichts der Art der in Rede stehenden, im Tatbestand näher beschriebenen kinderpornographischen Dateien ebenfalls nicht überzeugend. Die Kammer pflichtet insoweit sowohl der staatsanwaltschaftlichen Beurteilung in dem die Ehefrau des Klägers betreffenden Einstellungsvermerk vom 6. August 2012 gemäß § 170 Abs. 2 StPO als auch deren nachfolgender Stellungnahme vom 21. September 2012, wonach „keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten (bleiben)“ und „die Ausführungen in Bezug auf eine Täterschaft der Ehefrau oder „unbekannte Dritte“… „nicht lebensnah (erscheinen)“, aufgrund eigener Würdigung ausdrücklich bei. Warum das Strafverfahren nach Zulassung des Hauptverfahrens bei insoweit faktisch unverändert gebliebenem Sachverhalt gleichwohl vom Amtsgericht gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht. Diese strafgerichtliche Entscheidung ist im verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren indes nicht weiter zu überprüfen.
49Gesamtwürdigend ist das klägerische Vorbringen jedenfalls nicht geeignet, die gegen den Kläger bestehenden Verdachtsmomente, Straftaten nach § 184 b Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 4 StGB begangen zu haben, im vorstehenden Zusammenhang der Strafverfolgungsvorsorge auszuräumen.
50Eine solche Bewertung verstößt nicht gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“. Der Kläger verkennt insoweit, dass es für die Annahme einer die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen rechtfertigenden Wiederholungsgefahr nicht entscheidend darauf ankommt, ob die Tat, die der Betroffene verdächtigt wurde begangen zu haben, letztlich mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden konnte, sondern darauf, ob in Fällen, in denen das der Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zugrunde liegende Anlassverfahren – wie hier – eingestellt worden ist, der Restverdacht ausgeräumt ist.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2015- 5 A 1980/14 -, m.w.N.
52Letzteres ist hier, wie ausgeführt, nicht der Fall.
53Die Verwertung verbliebener Verdachtsmomente auch solcher Straftaten, die dem Betroffenen in einem Strafverfahren nicht nachgewiesen werden konnten oder deretwegen er aus anderen Gründen nicht verurteilt werden konnte, verstößt auch nicht gegen die Unschuldsvermutung, die ein Element des Rechtsstaatsprinzips ist und auch in Art. 6 Abs. 2 der Menschenrechtskonvention ihren Niederschlag gefunden hat. Sie beinhaltet keine Schuldfeststellung oder –zuweisung.
54Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 2002- 1 BvR 2257/01 -, DVBl. 2002, 1110 m.w.N; OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2015 – 5 A 1980/14 -,4. September 2014 - 5 A 988/13 - und 11. November 2013 - 5 A 390/12 -
55Die mittlerweile verstrichene Zeit von gut fünf Jahren, innerhalb derer der Kläger sich, soweit ersichtlich, nichts mehr hat zuschulden kommen lassen, stehen der Rechtmäßigkeit der Anordnung ebenfalls nicht entgegen. Zwar ist die bisher abgelaufene Zeit, während der der Kläger unbescholten gelebt hat, nach den o. g. Maßstäben bei der nach der jetzigen Sachlage zu treffenden gerichtlichen Entscheidung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Denn je länger sich ein Betroffener rechtstreu verhält, desto eher ist regelmäßig eine ihm günstige Prognose über sein zukünftiges Verhalten möglich, desto weniger wahrscheinlich ist entsprechend die erneute Begehung einer vergleichbaren Tat. Allerdings ist der für die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen maßgebliche Grad der Wahrscheinlichkeit einer erneuten Tat auch insoweit abhängig von der Schwere des jeweils in Rede stehenden Delikts. Gilt es - wie hier - das hohe Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung anderer Menschen, insbesondere Kinder, gegen Übergriffe zu schützen, genügt eine geringere Wahrscheinlichkeit, um die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung zu rechtfertigen. Folgerichtig kann erst nach einem entsprechend längerem Zeitraum die notwendige Prognose auch künftigen rechtmäßigen Verhaltens eines Täters gewonnen werden.
56Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 3. März 2005 - 5 A 4916/04 – und 27. August 2014 – 5 A 1692/13 -, juris, RdNr. 9.
57Nach dieser Maßgabe bestehen nach wie vor genügend Anhaltspunkte, um die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung zu rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die Vielzahl der in der klägerischen Wohnung sichergestellten pornographischen Dateien (3862 ausschließlich pornographischer Videodateien sowie 2634 Dateien mit ganz überwiegend pornographischen Dokumenten), darunter zahlreiche mit kinderpornographische Inhalts. Gerade die große Menge des gespeicherten Materials lässt die Gefahr der Begehung einer erneuten Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung hinreichend wahrscheinlich erscheinen.
58Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 27. August 2014– 5 A 1692/13 -, juris, RdNr. 9, 7. Juli 2014 - 5 B 348/14 - und vom 23. Oktober 2007 - 5 B 1284/07 -, juris, Rn. 6.
59Damit ist eine pädosexuelle Disposition des die Dateien abspeichernden Täters wahrscheinlich. Diese rechtfertigt die Prognose des Beklagten, dass der Kläger zukünftig erneut in den Verdacht geraten könnte, sich nach § 184 b Abs. 1, Abs. 4 StGB strafbar gemacht zu haben bzw. zu machen.
60Die Prognose einer Wiederholungsgefahr resultiert auch aus dem Charakter der in Rede stehenden Straftat als Sexualstraftat. Bei Sexualstraftaten entspricht es, worauf der Beklagte zutreffend abgestellt hat, kriminalistischen Erfahrungen und Erkenntnissen, dass allgemein eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht.
61Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 5 B 1284/07 - , juris; OVG des Saarlandes, Urteil vom 13. März 2009 - 3 B 34/09 -, juris; VG Köln, Urteil vom 20. November 2008 - 20 K 3088/08 -, juris.
62Darüber hinaus ist auch die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass gegen den Kläger zukünftig wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach §§ 176 f. StGB zu ermitteln sein könnte. Seitens des Beklagten sind zwar keine empirischen Untersuchungen verifiziert worden, die einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornographie und realen sexuellen Übergriffen auf Kinder belegen. Dennoch ist die vom Beklagten auch insoweit angestellte Negativprognose im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insbesondere bedarf es für die vorstehend zu treffende Gefahrenprognose keines wissenschaftlich genauen Nachweises.
63Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2012- 5 A 2507/11 -.
64Dabei ist wiederum in Rechnung zu stellen, dass die Anforderungen an eine Wiederholungsgefahr umso geringer sind, je höher das verletzte Rechtsgut ist. Vorstehend steht ein Verstoß gegen § 184 b Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 4 StGB in Rede. Danach macht sich strafbar, wer kinderpornographische Schriften verbreitet bzw. kinderpornografische Schriften besitzt, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Es ist davon auszugehen, dass zum Zwecke der eigenen sexuellen Befriedigung zum Einsatz gebrachte kinderpornographische Darstellungen die Hemmschwelle für einen realen Missbrauch absenkt. Denn ein entsprechender Konsum birgt die entscheidungserhebliche Gefahr in sich, dass Mitleid mit den Opfern nicht mehr empfunden wird und die sexuelle Ausbeutung von Kindern zunehmend als normal empfunden wird. Bereits der Gesetzgeber hat bei Einführung der Strafbarkeit auch des Besitzes kinderpornographischer Darstellungen vor Augen gehabt, dass der Betrachter derartigen Materials zum Kindesmissbrauch angeregt werden kann.
65Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Mai 2008- 1 S 1503/07 -, NJW 2008, 3082 mit weiteren Nachweisen; vgl. VG Kassel. Urteil vom 30. November 2009 - 4 K 1084/08.KS -, juris, RdNr. 26; VG Köln, Urteil vom 20. November 2008 - 20 K 3088/08 -, a.a.O. und im Einzelnen: VG Gelsenkirchen, Urteil vom 27. September 2011 – 17 K 2900/09 -, nachfolgend OVG NRW, Beschluss vom 15. November 2012 – 5 A 2507/11 -.
66Die zu treffende Negativprognose wird auch nicht durch sonstige besondere Umstände des Einzelfalls entscheidungserheblich in Frage gestellt. Der Umstand, dass der Kläger, soweit ersichtlich, in geordneten Verhältnissen lebt, gebietet das nicht. Dies hat er auch in dem Zeitraum getan, als die inkriminierten Dateien auf dem im Arbeitszimmer der von ihm bewohnten Wohnung befindlichen PC heruntergeladen worden sind. Angesichts des Inhalts sowie der Menge des abgespeicherten Materials ist daher nicht erkennbar, weshalb die geordneten Verhältnisse in Zukunft zuverlässig vor abermaligem Herunterladen und Speichern derartigen Materials, ggf. auch an einem anderen Ort, abhalten sollten.
67Die angeordneten erkennungsdienstlichen Unterlagen sind auch für künftige Ermittlungen erforderlich. Die Finger- und Handflächenabdrücke sind insbesondere geeignet, auch für Ermittlungen im Zusammenhang mit sog. Onlinedelikten eine Hilfestellung zu bieten. So kann etwa die tatsächliche Nutzung eines (auch vom Kläger verwendeten) Computers durch Fingerabdrücke belegt werden, die von der Tastatur genommen werden können. Nichts anderes gilt, wenn einschlägige Dateien mittels eines mobilen Datenträgers ausgetauscht werden, wobei in diesem Zusammenhang auch Lichtbilder eine Bedeutung gewinnen können.
68Vgl.: OVG NRW, Beschlüsse vom 17. September 2015 – 5 A 1980/14 -, 27. August 2014 – 5 A 1692/13 –, juris, und vom 7. Juli 2014 – 5 B 348/14–.
69Der dem Kläger zugemutete Grundrechtseingriff ist schließlich im Hinblick auf die hohen Schutzgüter (Rechte der Kinder auf sexuelle Selbstbestimmung und Achtung ihrer körperlichen Integrität) verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Folgen einer pornographischen Ausbeutung von Kindern, sind verhängnisvoll. Sie führen bei den kindlichen Missbrauchsopfern zu schwerwiegenden Folgen, die weit über erlittene Körperverletzungen hinausreichen und zu lebenslangen psychischen und sozialen Beeinträchtigungen bis hin zu schweren Schäden führen können. Wegen des schwerwiegenden Charakters dieser Folgen reicht bereits eine relativ geringe Gefahr eines Verstoßes gegen § 184 b Abs. 4 StGB und eines möglichen tatsächlichen sexuellen Übergriffs aus, um den Eingriff, den der Kläger durch die Erhebung und die Speicherung seiner Daten erleidet, zu rechtfertigen. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung geschützte Interesse des Klägers, selbst über Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten zu bestimmen, hat daher zurückzutreten.
70Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
71Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird.
(4) Absatz 3 gilt auch, wenn ein Mann oder eine Frau wegen einer exhibitionistischen Handlung
- 1.
nach einer anderen Vorschrift, die im Höchstmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht, oder - 2.
nach § 174 Absatz 3 Nummer 1 oder § 176a Absatz 1 Nummer 1
Im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind, - 2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.
Wer der Prostitution
- 1.
in der Nähe einer Schule oder anderen Örtlichkeit, die zum Besuch durch Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, oder - 2.
in einem Haus, in dem Personen unter achtzehn Jahren wohnen,
BUNDESGERICHTSHOF
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. März 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Mayer, Gericke, Dr. Tiemann als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - , Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen in sechs Fällen, Körperverletzung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Jugendlichen sowie sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen in vier Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen trat bei dem Angeklagten bereits im Kindesalter eine Vorliebe für die Durchführung körperlicher Untersuchungen auf. Die Vorstellung, im Rahmen einer pseudomedizinischen Untersuchung einen männlichen Jugendlichen insbesondere im Genitalbereich zu berühren, sexuelle Funktionen zu betrachten und einen Blasenkatheter in die Harnröhre oder eine Analsonde bzw. einen Finger in den Anus der anderen Person einzuführen, erregt ihn sexuell. Um solche Handlungen vornehmen und seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen zu können, nahm der Angeklagte über das Internet Kontakt zu einer Vielzahl von männlichen jugendlichen Personen auf. Diesen bot er die Durchführung körperlicher Untersuchungen an. Hierbei gab er wahrheitswidrig vor, eine sportmedizinische Studie zu erstellen und selbst Rettungssanitäter zu sein. Um einen materiellen Anreiz zu schaffen, versprach der Angeklagte den Teilnehmern der Studie die Zahlung eines Entgelts. Dieses sollte zwischen 20 € und 100 € betragen und sich am Umfang der von dem Angeklagten durchgeführten Untersuchung ausrichten. Den Höchstbetrag wollte er zahlen, wenn der Teilnehmer zu allen Untersuchungen einschließlich der Abgabe einer Spermaprobe bereit war.
- 3
- Zwischen dem 19. März 2013 und dem 13. April 2014 kam es vor diesem Hintergrund in elf Fällen zu "Untersuchungen" des Angeklagten an Jugendlichen im Alter zwischen vierzehn und siebzehn Jahren. Diese gingen aufgrund der von dem Angeklagten entworfenen Legende irrig davon aus, dass es sich bei ihm um einen entsprechend qualifizierten Rettungssanitäter handele, der die vorgegebene Studie durchführe. An den zum Teil vollständig entkleideten Personen nahm der Angeklagte diverse, jeweils medizinisch nicht indizierte Untersuchungshandlungen vor: Mit Einmalspritzen injizierte er Kochsalzlösungen in die Harnröhre und den Hodensack, legte Blasenkatheter, führte seinen Finger und eine Analsonde in den After ein, betastete die Hoden, vermaß den Penis und schob dessen Vorhaut zurück. Im Fall 10 der Urteilsgründe verursachte er mittels eines sog. TENS-Geräts schmerzhafte Stromstöße im Unterbauch des vierzehnjährigen M. ; sodann nahm er dessen Penis in die Hand und rieb mit seiner Hand daran, um eine Erektion zu bewirken.
- 4
- 2. Die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen (tateinheitlichen) sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen gemäß § 182 Abs. 2 StGB. Hierzu gilt:
- 5
- a) Bei den von dem Angeklagten an den Jugendlichen mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen handelte es sich um sexuelle im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB).
- 6
- aa) Der danach erforderliche sexuelle Bezug liegt nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei Handlungen vor, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12; vom 22. Oktober 2014 - 5 StR 380/14, BGHR StGB § 184g Nr. 1 Sexuelle Handlung 1). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Beschluss vom 23. August 1991 - 3 StR 292/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 5; Urteil vom 6. Februar 2002 - 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432; Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Urteil vom 22. Mai 1996 - 5 StR 153/96, juris Rn. 8; Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 - 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3; S/S-Eisele, StGB, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
- 7
- Nach diesen Maßstäben wies die im Fall 10 der Urteilsgründe von dem Angeklagten begonnene Stimulation des Penis von M. schon dem äußeren Erscheinungsbild nach sexuellen Charakter auf. Ob auch die übrigen, sämtlich medizinisch nicht indizierten Tätigkeiten des Angeklagten bereits objektiv ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10), bedarf keiner Entscheidung. Deren Sexualbezug ergibt sich jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen.
- 8
- bb) Die Handlungen überschritten auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184g Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB). Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 - 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 - 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW- StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.). Unerheblich ist hingegen, ob das Opfer den sexuellen Charakter der Handlung erkennt. Dies hat der Bundesgerichtshof bereits für die Fälle entschieden, in denen an Kindern vorgenommene sexualbezogene Tätigkeiten zu bewerten waren (BGH, Urteil vom 24. September 1980 - 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338 f.; Urteil vom 24. September 1991 - 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325). Es besteht kein Grund, diese Rechtsprechung, der die herrschende Literatur im Anwendungsbereich des § 184g Nr. 1 StGB aF zugestimmt und bereits teilweise ohne weitere Differenzierung nach dem Alter des Opfers verallgemeinert hat (BeckOK StGB/Ziegler, § 184h Rn. 4; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 4; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 8; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 28, 30, allerdings auch Rn. 4 zu ambivalenten Handlungen; NK-StGB-Frommel, 4. Aufl., § 184g Rn. 3; S/SEisele , StGB, 29. Aufl., § 184g Rn. 18), auf kindliche Opfer zu beschränken. Schon nach der Fassung des § 184g Nr. 1 StGB aF bzw. § 184h Nr. 1 StGB nF knüpft die Erheblichkeit lediglich objektiv an die sexuelle Handlung an, nicht aber auch an subjektive Vorstellungen des Opfers. Die rein objektive Bestimmung des Merkmals steht zudem im Einklang mit der Rechtsprechung zu den ambivalenten Tätigkeiten, bei deren Bewertung als sexuell es ebenfalls nicht auf die Opfersicht ankommt.
- 9
- Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an den Jugendlichen vorgenommenen Handlungen erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder "zufälligen" Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich um intensive Manipulationen an den entblößten Geschlechtsorganen, die zudem in den Fällen 1 bis 4, 7 bis 9 und 11 der Urteilsgründe mit einem Eindringen in den Körper verbunden waren.
- 10
- b) Der Angeklagte nahm seine sexuellen Handlungen auch gegen Entgelt (§ 11 Abs. 1 Nr. 9 StGB) vor.
- 11
- aa) Wesentlich dafür ist das Bestehen eines Gegenseitigkeitsverhältnisses zwischen der sexuellen Handlung und der in einem Vermögensvorteil bestehenden Gegenleistung. Ausreichend ist, dass sich Täter und Opfer vor oder spätestens während des sexuellen Kontakts hierüber einig sind und der Minderjährige durch die Entgeltvereinbarung zu seinem Sexualverhalten wenigstens mitmotiviert wird (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2004 - 4 StR 5/04, NStZ 2004, 683; Urteil vom 12. Oktober 2005 - 5 StR 315/05, NStZ 2006, 444; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl., § 182 Rn. 32, 36; SSWStGB /Wolters, 2. Aufl., § 182 Rn. 14). Über diese konkrete Verknüpfung zwischen sexueller Handlung und Entgelt hinaus ist nicht erforderlich, dass der Minderjährige im Tatzeitpunkt den sexuellen Charakter der von oder an ihm vorgenommenen Handlungen erfasst (so - allerdings anknüpfend an das Merkmal der Erheblichkeit im Sinne von § 184g Nr. 1 StGB aF bzw. § 184f Nr. 1 StGB - LK/Laufhütte/Roggenbuck, StGB, 12. Aufl., § 184g Rn. 23; ähnlich S/S-Lenckner/Perron/Eisele, StGB, 27. Aufl., § 184f Rn. 18). Der Wortlaut der Norm verlangt eine derartige Einschränkung, die dem Erfordernis eines subjektiven Tatbestandes auf Opferseite gleichkommt, nicht. Auch Schutzzwecküberlegungen sprechen dagegen: Ratio legis der Einführung des heutigen § 182 Abs. 2 StGB war, dass der Gesetzgeber den Gefahren vorbeugen wollte, die das Erleben von Sexualität als "käufliche Ware" für die sexuelle Entwicklung des Minderjährigen birgt; darüber hinaus sollte dem Abgleiten in eine häufig mit Begleitkriminalität verbundene "Szene", nämlich der Prostitution (vgl. BT-Drucks. 16/3439, S. 8), begegnet und die Vorschrift des § 180 Abs. 2 StGB ergänzt werden (BT-Drucks. 12/4584, S. 8). Diese Gefahrenlagen bestehen unabhängig davon, ob das Opfer die sexuelle Natur der vorgenommenen Handlung im Einzelfall erkennt (so auch LK/Laufhütte/Roggenbuck [aaO] zur Vorschrift des § 180 Abs. 2 StGB, die ebenfalls dem Abgleiten des Minderjährigen in die Prostitution begegnen will); denn es lässt sich nicht vorhersehen, ob sowie gegebenenfalls wann der Erkenntnisprozess bei dem Minderjährigen stattfindet, wie er seine Erfahrung verarbeitet und sich zunächst nicht genau eingeordnete Vorfälle zu einem späteren Zeitpunkt auf seine sexuelle oder soziale Entwicklung auswirken (vgl. auch MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 28). Deshalb kommt es auch nicht darauf an, aus welchem Grunde er den wahren Gehalt der sexuellen Handlung verkennt. Ungeachtet dessen wird die im Angebot einer Gegenleistung liegende Manipulation des Selbstbestimmungsrechts (vgl. BT-Drucks. 12/4584, S. 8) auch nicht dadurch relativiert, dass der Täter noch weitergehend - etwa wie hier durch erfolgreiche Täuschung über seine wahren Absichten (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 14. März 2012 - 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10) - auf das Vorstellungsbild des Opfers einwirkt. Eine solche Einschränkung des Anwendungsbereichs würde zum einen den listig agierenden Täter privilegieren; zum anderen wäre sie geeignet, den Anwendungsbereich der Norm hinsichtlich - insbesondere aufgrund ihres Alters - leichtgläubiger und damit gerade besonders schutzwürdiger Opfer in zweckwidriger Weise einzuschränken.
- 12
- bb) Das nach vorstehenden Maßstäben erforderliche Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den (getarnten) sexuellen Handlungen des Angeklagten und dem Verhalten der zumindest auch von finanziellen Motiven geleiteten Jugendlichen lag vor; denn die Höhe der von dem Angeklagten in Aussicht gestellten Zahlungen hing unmittelbar von der Bereitschaft der Geschädigten ab, die gegenständlichen sexuell motivierten "Untersuchungshandlungen" an sich zu dulden.
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 12. April 2017 in der Sitzung am 26. April 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenklägerinnen,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte seine am 19. Juni 2008 geborenen Zwillingstöchter F. und J. am 30. Januar 2016 während eines Besuchsaufenthalts der Kinder in seiner Wohnung.
- 3
- Gegen 21:00 Uhr ging der Angeklagte in das Schlafzimmer zu seiner Tochter F. . „Er fasste dort mit einer Hand in den Schlafsack des mit einem TShirt und einer Unterhose bekleideten Kindes und führte sie in der Absicht, sich sexuell zu erregen, über ihrer Unterhose bis einige Zentimeter oberhalb ihres Genitalbereichs und streichelte seine Tochter dort. Als F. äußerte, sie wolle das nicht, ließ er von ihr ab“ (Fall 1 der Anklage).
- 4
- Der Angeklagte forderte danach seine Tochter J. auf, mit ihm zu kommen. Zu F. sagte er, ihre Schwester J. komme gleich wieder. Im Wohnzimmer entkleidete er J. . Anschließend ging er mit ihr in das Badezimmer , wo er seine Hose und Unterhose herunterzog und sich auf die Toilette setzte. Auf sein Geheiß setzte sich das Kind auf seinen Schoß. Als das Kind erklärte, dies nicht zu wollen, hob er es herunter. Danach ging er mit J. wieder ins Wohnzimmer, wo er ihren Körper im Bereich der Brust ableckte. Er veranlasste sodann das Kind dazu, Joghurt auf seinem Körper zu verteilen. Dann forderte er es auf, seinen Penis, der auch mit Joghurt benetzt war, in den Mund zu nehmen. Dem folgte das Kind zunächst, erklärte dann aber weinend, es wolle dies nicht. Darauf beendete der Angeklagte den Oralverkehr (Fall 2 der Anklage
).
II.
- 5
- Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob bei der Tat des Angeklagten zum Nachteil der Tochter F. (Fall 1 der Anklage), die das Landgericht als Vergehen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 in Tateinheit mit § 176 Abs. 1 StGB bewertet hat, eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB vorlag.
- 6
- 1. Die Strafkammer hat zwar bei der rechtlichen Würdigung nicht erläutert , dass das Streicheln der zur Tatzeit siebeneinhalbjährigen Zwillingstochter „über deren Unterhose knapp über deren Genitalbereich“ im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit war (§ 184h Nr. 1 StGB). Das bedurfte aber keiner besonderen Begründung (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 – 2 StR 490/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit
1).
- 7
- Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Bei Tatbeständen, die Kinder und Jugendliche schützen, können weniger strenge Maßstäbe anzulegen sein (vgl. Senat, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 6; Laubenthal in Festschrift für Streng, 2017, S. 87, 95). Letztlich sind aber auch beim Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern (§ 176 StGB) nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43,
44).
- 8
- Nach den Feststellungen des Landgerichts lagen sexuelle Handlungen des Angeklagten zum Nachteil seiner zur Tatzeit erst siebeneinhalbjährigen Tochter F. vor, die ersichtlich für das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit waren. Dies folgt aus der Tatbegehung in der besonderen Beziehung zwischen Vater und Tochter, aus dem deutlich unter der Schutzaltersgrenze liegenden Alter des Kindes zur Tatzeit, aus der Art der sexuellen Handlung und aus den Begleitumständen, wie der Tatsache, dass das Kind situativ in die nachfolgende Tat zum Nachteil der Zwillingsschwester einbezogen wurde.
- 9
- 2. Die Gesetzesänderungen durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.
- 10
- Die Einführung eines Auffangtatbestands für belästigend wirkende körperliche Berührungen in sexuell bestimmter Weise in § 184i StGB wirkt sich nicht auf die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit in § 184h Nr. 1 StGB aus (anders aber El Ghazi, ZIS 2017, 157, 160 f.; Lederer, AnwBl. 2017, 514, 517 f.). Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des § 184i StGB nicht, bisher von § 184h Nr. 1 StGB erfasste Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich herauszulösen und diese nunmehr nur noch unter den dort genannten Voraus- setzungen in § 184i StGB unter Strafe zu stellen. Ziel der Neuregelung war es vielmehr, bisher strafrechtlich nicht erfasstes Verhalten auch unterhalb der Schwelle des § 184h Nr. 1 StGB zu poenalisieren (BT-Drucks. 18/9097 S. 29).
- 11
- Ein Einfluss auf die Auslegung des § 184h Nr. 1 StGB ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung der Erheblichkeit der sexuellen Handlung auf eine nach Art, Intensität und Dauer sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts abstellt, womit bisher eine Abgrenzung zwischen strafbaren und straflosem Verhalten verbunden war, nunmehr aber nur noch eine solche zwischen Tatbeständen gemäß §§ 174, 176, 177 StGB einerseits und demjenigen des § 184i StGB andererseits vorzunehmen ist. Denn dieser Begriff der „sozial nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung“ bezieht sich auf andere, weiterrei- chende Rechtsgüter als dasjenige, das von § 184i StGB geschützt ist. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl, Dr. Eschelbach, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Ott, Richter am Bundesgerichtshof Zeng,
Erster Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Widerstandsunfähigen, sowie wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften in Tateinheit mit Besitz jugendpornografischer Schriften zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision wendet sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung in den Fällen 2, 3 und 4 der Ur- teilsgründe sowie gegen die Einzelstrafaussprüche und die verhängte Gesamtstrafe. Sein Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
- 2
- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die zur Tatzeit 13jährige D. mit der Tochter des Angeklagten befreundet. Sie fuhr mehrfach mit der Familie des Angeklagten in den Urlaub, so auch in den Osterferien 2007. Dabei umfasste der Angeklagte während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner linken Hand die mit einem Badeanzug bekleidete linke Brust des Mädchens und drückte zu (Fall 1).
- 3
- Im Sommerurlaub 2007 äußerte sich der Angeklagte der Geschädigten gegenüber wiederholt dahin, dass sie den Körper einer Frau habe und sich gar nicht bewusst sei, welche Reize sie aussende. Dabei fasste er ihr ans Gesäß oder an die Brust. Als das Mädchen daraufhin ihren Vater anrief und vergeblich darum bat, abgeholt zu werden, bestand der Angeklagte auf einer „Versöh- nung“, wobei die Geschädigte sich auf seinen Schoß setzen musste. Bei einem nachfolgenden Schwimmbadbesuch umarmte der nur mit einer Badehose bekleidete Angeklagte die mit einem Bikini bekleidete Geschädigte, um sich durch den dadurch entstehenden Kontakt sexuell zu erregen. Er umfasste ihre Taille und zog sie so nah an sich, „dass entsprechend seiner Absicht direkter Kontakt zwischen ihren unbekleideten und bekleideten Körperpartien zu seinen nackten Oberschenkeln und seinem nackten Oberkörper und insbesondere an ihrem Unterleib der unmittelbare und deutlich spürbare Kontakt zu seinem Penis ent- stand“ (Fall 2).
- 4
- In den Osterferien 2008 fuhr die zur Tatzeit 13 Jahre alte S. , die ebenfalls mit der Tochter des Angeklagten befreundet war, mit der Familie des Angeklagten in den Skiurlaub. Während eines gemeinsamen Schwimmbadbesuchs griff der Angeklagte in sexuell motivierter Absicht von hinten in die Badehose des Mädchens und berührte ihr nacktes Gesäß. Zur Intensivierung der Berührung hob er sie, ihr nacktes Gesäß umfassend, in die Höhe (Fall 3).
- 5
- Bei einer weiteren Gelegenheit während des Osterurlaubs trat der Angeklagte in der Nacht an das schlafende Mädchen heran, führte seine Hand unterhalb des Hosenbeins in ihre Schlafanzughose ein und streichelte ihr nacktes Gesäß. Als die Geschädigte erwachte, veränderte sie – während der Angeklagte sie weiterhin am Gesäß streichelte – scheinbar schlafend die Körperposition, so dass der Angeklagte von ihr abließ (Fall 4).
- 6
- Nach diesen Vorfällen wollte die Geschädigte nicht mehr mit der Familie des Angeklagten in Urlaub fahren. Sie erzählte ihrer Mutter von den Vorfällen, die ihr jedoch – nach einem Gespräch mit dem Angeklagten – nicht glaubte. Auf Druck ihrer Mutter fuhr sie schließlich mit der Familie des Angeklagten auch in den Sommerurlaub 2008. Bei mindestens einer Gelegenheit, als sichS. und die Tochter des Angeklagten nach der Rückkehr vom Strand ihre Badekleidung ausgezogen hatten, bestand der Angeklagte darauf, die unbekleidete Geschädigte am ganzen Körper, namentlich an der Brust und am Gesäß einzucremen und Insektenschutzmittel aufzutragen (Fall 5).
- 7
- Bei einer weiteren Gelegenheit fasste der Angeklagte während eines Schwimmbadbesuchs in sexuell motivierter Absicht mit seiner rechten Hand in die Bikinihose der Geschädigten, wobei er ihre Scheide berührte (Fall 6).
- 8
- Der Angeklagte besaß am 29. November 2011 und davor in nicht rechtsverjährter Zeit zahlreiche Bilddateien und Videos. Darauf waren sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen und zwischen Kindern und Jugendlichen untereinander zu sehen, insbesondere Geschlechts-, Oralund Analverkehr von erwachsenen Männern mit Kindern, die gegenseitige Manipulation an Geschlechtsteilen von Kindern und Jugendlichen untereinander, der Oralverkehr von Kindern untereinander sowie das Einführen eines Dildos und eines Fingers in die Scheide eines Kindes (Fall 7).
- 9
- 2. Der Angeklagte hat die sexuell motivierten Übergriffe zu Lasten der beiden Geschädigten anlässlich der gemeinsamen Urlaube und den ihm im Fall 7 zur Last gelegten Besitz eingeräumt.
II.
- 10
- Auf die Sachbeschwerde ist die im Fall 2 der Urteilsgründe erfolgte Verurteilung aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen. Im Übrigen hat die materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils weder in Hinblick auf die Schuldsprüche in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe noch auf die Einzelstrafaussprüche oder die verhängte Gesamtstrafe Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
- 11
- Der näheren Erörterung bedürfen lediglich die Schuldsprüche wegen sexuellen Missbrauchs in den Fällen 2, 3 und 4 der Urteilsgründe und zwar dahingehend , inwiefern es sich bei den von dem Angeklagten an den Geschädigten mit Körperkontakt vorgenommenen Handlungen um sexuelle im Sinne von § 184f Nr. 1 StGB aF (nunmehr: § 184h Nr. 1 StGB) handelte.
- 12
- 1. Der dafür erforderliche sexuelle Bezug liegt in allen Fällen vor. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung zunächst bei solchen Handlungen der Fall, die bereits objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild die Sexualbezogenheit erkennen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR437/15, NJW 2016, 2049 mwN). Daneben können auch sog. ambivalente Tätigkeiten, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein; insoweit ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt (BGH, Urteil vom 6. Februar 2002 – 1 StR 506/01, NStZ 2002, 431, 432). Hierbei ist auch einzustellen, ob der Angeklagte von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2004 – 3 StR 256/04, NStZ-RR 2005, 361, 367 bei Pfister; Urteil vom 20. Dezember 2007 – 4 StR 459/07, NStZ-RR 2008, 339, 340; MüKoStGB/Hörnle, 2. Aufl., § 184g Rn. 3f.; Eisele in: Schönke/ Schröder, 29. Aufl., § 184g Rn. 9 mwN zur Gegenansicht).
- 13
- Ungeachtet dessen, ob die jeweils ohne einen besonderen situativ bedingten Anlass vorgenommenen Handlungen des Angeklagten in den Fällen 2 („Umarmung“) sowie 3 und 4 der Urteilsgründe (Streicheln des nackten Gesäßes ) bereits von ihrem äußeren Erscheinungsbild ihre Sexualbezogenheit erkennen ließen (vgl. zum Legen eines Blasen- und Analkatheters BGH, Urteil vom 14. März 2012 – 2 StR 561/11, NStZ-RR 2013, 10, 12), ergibt sich deren Sexualbezug vorliegend jedenfalls aus der den Angeklagten leitenden Motivation , seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen (vgl. insoweit BGH, Urteil vom 10. März 2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049 mwN).
- 14
- 2. Die Handlungen überschritten indes nur in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe auch die Erheblichkeitsschwelle des § 184f Nr. 1 StGB aF. Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beein- trächtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus (BGH, Urteile vom 3. April 1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324, 325; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; Lackner/Kühl/Heger, 28. Aufl., § 184g Rn. 5; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, § 184g Rn. 7; differenzierend SSW-StGB/Wolters, 2. Aufl., § 184g Rn. 9 f.).
- 15
- Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen neben der Intensität und Dauer des Kontakts auch etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 1 Ss 70/09, NStZ-RR 2010, 45, 46). Zu berücksichtigen ist auch, dass bei einem dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern dienenden Tatbestand, die Anforderungen geringer sein können. Das Erheblichkeitsmerkmal ist entsprechend im Sinne des § 176 StGB auszulegen, der dem Ziel dient, Kinder vor einer Beeinträchtigung ihrer Gesamtentwicklung durch sexuelle Handlungen zu schützen (BGH, Urteil vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 340; Senat, Beschluss vom 6. Juli 1983 – 2 StR 350/83, StV 1983, 415; BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553). Letztlich sind aber auch bei diesem Tatbestand nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen , die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553).
- 16
- a) Gemessen an diesen Grundsätzen waren die von dem Angeklagten an der Geschädigten S. vorgenommenen Handlungen in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe erheblich im vorstehenden Sinne. Sie bestanden nicht nur in flüchtigen oder „zufälligen“ Berührungen bekleideter Körperregionen. Vielmehr handelte es sich in beiden Fällen um gezielte körperliche Berührungen des Mädchens in Badebekleidung bzw. im Schlafanzug. Zwar stellt das Gesäß weder ein primäres noch sekundäres Geschlechtsmerkmal dar. Wie aber auch das Berühren der nackten weiblichen Brust wird das Streicheln des nackten Gesäßes aber gemeinhin jedenfalls dann nicht als sozialübliche Berührung wahrgenommen , wenn es von einem erwachsenen Mann gegenüber einem 13 Jahre alten Mädchen erfolgt. Das nicht nur kurzzeitige Streicheln des entblößten Gesäßes durch Einführen der Hand in die Kleidung des erst 13-jährigen Mädchens lässt daher unter Berücksichtigung der beschriebenen allgemeinen Tatsituation eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung des Mädchens besorgen und stellt daher auch eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne des § 184f Nr. 1 StGB dar.
- 17
- Hierbei ist zu berücksichtigen, dass das fortschreitende Alter eines Kindes keineswegs stets zu einer Reduzierung der Erheblichkeit bestimmter Handlungen führt. So werden Handlungen wie das Eincremen am ganzen Körper oder das Streicheln an Brust oder Gesäß bei kleinen Kindern oft keine beeinträchtigende Wirkung haben; bei denselben Handlungen an einem pubertierenden 13-jährigen Kind wird eine Beeinträchtigung regelmäßig naheliegen.
- 18
- b) Die Feststellungen tragen indes nicht die Annahme der Erheblichkeit der „Umarmung“ im Fall 2 der Urteilgründe. Zwar wurden entblößte Körperteile der Geschädigten an den Angeklagten gedrückt; zudem bestand ein spürbarer Kontakt zum Penis des Angeklagten. Das reicht aber für sich genommen nicht aus, denn zum einen konnten weder zur Dauer und Intensität der Handlung Feststellungen getroffen werden, zum anderen hält sich eine Berührung unbekleideter Körperteile bei einer kurzen Umarmung in situationsadäquater Badebekleidung im Rahmen des Üblichen.
- 19
- 3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs im Fall 2 der Urteilsgründe. Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch ergänzende Feststellungen zu dem zwischenzeitlich über acht Jahre zurückliegenden Geschehen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten in diesem Fall zu tragen vermögen, spricht er den Angeklagten insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
- 20
- Angesichts der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von zweimal sechs Monaten, zweimal 120 Tagessätzen und einmal 60 Tagessätzen ist es auszuschließen , dass das Landgericht ohne die aufgrund des Freispruchs weggefallene Einzelgeldstrafe von 90 Tagessätzen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Fischer Appl Eschelbach Ott Zeng
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 12. April 2017 in der Sitzung am 26. April 2017, an denen teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Eschelbach, Zeng, die Richterinnen am Bundesgerichtshof Dr. Bartel, Wimmer,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Verteidigerin, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Vertreter der Nebenklägerinnen,
Amtsinspektorin in der Verhandlung, Justizangestellte bei der Verkündung als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte der Angeklagte seine am 19. Juni 2008 geborenen Zwillingstöchter F. und J. am 30. Januar 2016 während eines Besuchsaufenthalts der Kinder in seiner Wohnung.
- 3
- Gegen 21:00 Uhr ging der Angeklagte in das Schlafzimmer zu seiner Tochter F. . „Er fasste dort mit einer Hand in den Schlafsack des mit einem TShirt und einer Unterhose bekleideten Kindes und führte sie in der Absicht, sich sexuell zu erregen, über ihrer Unterhose bis einige Zentimeter oberhalb ihres Genitalbereichs und streichelte seine Tochter dort. Als F. äußerte, sie wolle das nicht, ließ er von ihr ab“ (Fall 1 der Anklage).
- 4
- Der Angeklagte forderte danach seine Tochter J. auf, mit ihm zu kommen. Zu F. sagte er, ihre Schwester J. komme gleich wieder. Im Wohnzimmer entkleidete er J. . Anschließend ging er mit ihr in das Badezimmer , wo er seine Hose und Unterhose herunterzog und sich auf die Toilette setzte. Auf sein Geheiß setzte sich das Kind auf seinen Schoß. Als das Kind erklärte, dies nicht zu wollen, hob er es herunter. Danach ging er mit J. wieder ins Wohnzimmer, wo er ihren Körper im Bereich der Brust ableckte. Er veranlasste sodann das Kind dazu, Joghurt auf seinem Körper zu verteilen. Dann forderte er es auf, seinen Penis, der auch mit Joghurt benetzt war, in den Mund zu nehmen. Dem folgte das Kind zunächst, erklärte dann aber weinend, es wolle dies nicht. Darauf beendete der Angeklagte den Oralverkehr (Fall 2 der Anklage
).
II.
- 5
- Die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil ist unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Frage, ob bei der Tat des Angeklagten zum Nachteil der Tochter F. (Fall 1 der Anklage), die das Landgericht als Vergehen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 in Tateinheit mit § 176 Abs. 1 StGB bewertet hat, eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB vorlag.
- 6
- 1. Die Strafkammer hat zwar bei der rechtlichen Würdigung nicht erläutert , dass das Streicheln der zur Tatzeit siebeneinhalbjährigen Zwillingstochter „über deren Unterhose knapp über deren Genitalbereich“ im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit war (§ 184h Nr. 1 StGB). Das bedurfte aber keiner besonderen Begründung (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 1992 – 2 StR 490/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit
1).
- 7
- Als erheblich in diesem Sinne sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen (vgl. etwa BGH, Urteile vom 24. September 1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24. September 1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 1. Dezember 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44). Dazu bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus. Bei Tatbeständen, die Kinder und Jugendliche schützen, können weniger strenge Maßstäbe anzulegen sein (vgl. Senat, Urteil vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44; Heger in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., § 184g Rn. 6; Laubenthal in Festschrift für Streng, 2017, S. 87, 95). Letztlich sind aber auch beim Schutz der sexuellen Selbstbestimmung von Kindern (§ 176 StGB) nicht sämtliche sexualbezogenen Handlungen, die sexuell motiviert sind, tatbestandsmäßig. Auszuscheiden sind vielmehr kurze oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. September 2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43,
44).
- 8
- Nach den Feststellungen des Landgerichts lagen sexuelle Handlungen des Angeklagten zum Nachteil seiner zur Tatzeit erst siebeneinhalbjährigen Tochter F. vor, die ersichtlich für das geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit waren. Dies folgt aus der Tatbegehung in der besonderen Beziehung zwischen Vater und Tochter, aus dem deutlich unter der Schutzaltersgrenze liegenden Alter des Kindes zur Tatzeit, aus der Art der sexuellen Handlung und aus den Begleitumständen, wie der Tatsache, dass das Kind situativ in die nachfolgende Tat zum Nachteil der Zwillingsschwester einbezogen wurde.
- 9
- 2. Die Gesetzesänderungen durch das 50. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung - vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460) geben keinen Anlass zu einer für den Angeklagten günstigeren Bewertung als milderes Recht im Sinne von § 2 Abs. 3 StGB.
- 10
- Die Einführung eines Auffangtatbestands für belästigend wirkende körperliche Berührungen in sexuell bestimmter Weise in § 184i StGB wirkt sich nicht auf die Auslegung des Begriffs der Erheblichkeit in § 184h Nr. 1 StGB aus (anders aber El Ghazi, ZIS 2017, 157, 160 f.; Lederer, AnwBl. 2017, 514, 517 f.). Der Gesetzgeber bezweckte mit der Einführung des § 184i StGB nicht, bisher von § 184h Nr. 1 StGB erfasste Verhaltensweisen aus dem Schutzbereich herauszulösen und diese nunmehr nur noch unter den dort genannten Voraus- setzungen in § 184i StGB unter Strafe zu stellen. Ziel der Neuregelung war es vielmehr, bisher strafrechtlich nicht erfasstes Verhalten auch unterhalb der Schwelle des § 184h Nr. 1 StGB zu poenalisieren (BT-Drucks. 18/9097 S. 29).
- 11
- Ein Einfluss auf die Auslegung des § 184h Nr. 1 StGB ergibt sich auch nicht dadurch, dass die Rechtsprechung bei der Prüfung der Erheblichkeit der sexuellen Handlung auf eine nach Art, Intensität und Dauer sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts abstellt, womit bisher eine Abgrenzung zwischen strafbaren und straflosem Verhalten verbunden war, nunmehr aber nur noch eine solche zwischen Tatbeständen gemäß §§ 174, 176, 177 StGB einerseits und demjenigen des § 184i StGB andererseits vorzunehmen ist. Denn dieser Begriff der „sozial nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung“ bezieht sich auf andere, weiterrei- chende Rechtsgüter als dasjenige, das von § 184i StGB geschützt ist. Krehl Eschelbach Zeng Bartel Wimmer
(1) Hat das Verfahren ein Vergehen zum Gegenstand, so kann die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Der Zustimmung des Gerichtes bedarf es nicht bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind.
(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren einstellen. Der Zustimmung des Angeschuldigten bedarf es nicht, wenn die Hauptverhandlung aus den in § 205 angeführten Gründen nicht durchgeführt werden kann oder in den Fällen des § 231 Abs. 2 und der §§ 232 und 233 in seiner Abwesenheit durchgeführt wird. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
(1) Ein Mann, der eine andere Person durch eine exhibitionistische Handlung belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Das Gericht kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe auch dann zur Bewährung aussetzen, wenn zu erwarten ist, daß der Täter erst nach einer längeren Heilbehandlung keine exhibitionistischen Handlungen mehr vornehmen wird.
(4) Absatz 3 gilt auch, wenn ein Mann oder eine Frau wegen einer exhibitionistischen Handlung
- 1.
nach einer anderen Vorschrift, die im Höchstmaß Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe androht, oder - 2.
nach § 174 Absatz 3 Nummer 1 oder § 176a Absatz 1 Nummer 1
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Tenor
Der Beklagte wird – unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juni 2012 und des Widerspruchsbescheids vom 11. Oktober 2012 – verpflichtet, die im Zusammenhang mit der Anzeige vom 19. Oktober 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Daten zu löschen und die dabei abgenommene Speichelprobe zu vernichten.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Vernichtung oder Löschung der bei einer erkennungsdienstlichen Behandlung (Fingerabdrücke, Feststellungen über körperliche Merkmale) und der ihm abgenommenen Speichelprobe im Jahre 2011 gewonnenen Daten. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
- 2
Aufgrund einer Anzeige vom 19. Oktober 2011 bei der Polizei seines Heimatortes war gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses eingeleitet worden. Nach Aussage einer Zeugin soll er an diesem Tag morgens gegen 8.00 Uhr in der Nähe der Grundschule in seinem Fahrzeug sitzend mit der Hand in seiner Hose gespielt haben, sich also möglicherweise selbst befriedigt haben. Mit diesem Verdacht wurde der Kläger erst durch Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung bei der Kriminalinspektion X... vom 1. Dezember 2011 konfrontiert. Er machte am 7. Dezember 2011 dort zunächst keine Angaben zur Sache, widersetzte sich aber der erkennungsdienstlichen Behandlung und der Abnahme einer Speichelprobe nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 25. Januar 2012 an die Staatsanwaltschaft in Y... verwahrte sich der Kläger gegen den Tatvorwurf. Er ließ vortragen, er bringe jeden Morgen gegen 7.40 Uhr sein Kind zur Grundschule seines Heimatortes. Die ihm zur Last gelegte und angeblich beobachtete Tat habe er zu keinem Zeitpunkt begangen. An der Wahrnehmung und den Angaben der Zeugin bestünden erhebliche Zweifel. Sie könne, wenn sie von vorne auf den PKW des Klägers zugegangen sei, nur sehr kurz in den PKW hineingeschaut haben. Bedenken bestünden auch im Hinblick darauf, dass die Zeugin angegeben habe, sie habe bereits früher einen ähnlichen Vorfall erlebt. Einen Monitor – wie von der Zeugin erwähnt – besitze der Kläger nicht, nur ein Handy.
- 3
Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 183 StGB wurde am 10. April 2012 gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zur Begründung heißt es unter anderem, ein strafbares Verhalten könne nicht mit der für eine Anklageerhebung hinreichenden Sicherheit nachgewiesen werden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei ein Tatnachweis unmöglich, weil eindeutige Beweismittel fehlten und die Begehung der Tat bestritten werde. Insbesondere sei nicht klar, welche Bewegungen der Kläger überhaupt durchgeführt habe „oder eben nicht“. Die Zeugin habe gerade nicht ausgesagt, dass sie tatsächlich einen Vorgang der Selbstbefriedigung gesehen habe. Sie habe nach eigenen Angaben auch beim Vorübergehen an dem PKW nur einen flüchtigen Blick ins Innere getan.
- 4
Mit Schreiben vom 26. April 2012 beantragte der Kläger durch seinen Rechtsanwalt die sofortige Löschung der erkennungsdienstlichen Erkenntnisse und die Vernichtung des DNA-Abstriches.
- 5
Mit Bescheid vom 4. Juni 2012 lehnte der Beklagte den Antrag auf Löschung der polizeilich gespeicherten Daten ab.
- 6
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Zulässigkeit der Datenspeicherung ergebe sich aus § 33 Abs. 4 POG. Die Voraussetzungen für eine Löschung nach § 39 Abs. 2 POG lägen nicht vor. Die weitere Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten von Personen, die einer Straftat verdächtig seien, sei zulässig, wenn nach kriminalistischer Erfahrung Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die betreffende Person auch künftig strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Hier sei der Verdacht eines Sexualvergehens durch die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht gänzlich ausgeräumt. Die Zeugin habe ihn in seinem Auto sitzend an seinem Geschlechtsteil manipulieren sehen. Gerade Sexualstraftaten würden eine signifikant hohe Rückfallgefahr bergen. Der Kläger sei in der Vergangenheit zweimal als Sexualstraftäter verurteilt worden, 1986 wegen versuchter und vollendeter Vergewaltigung zu drei Jahren Jugendstrafe und 1994 wegen einer exhibitionistischen Handlung zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Damals sei er auch erkennungsdienstlich behandelt worden. 2002 habe es ein Verfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses (sog. Spannen) gegeben, das gem. § 153 StPO eingestellt worden sei. Nun sei er nach weiteren neun Jahren nochmals als Sexualstraftäter auffällig geworden. Erschwerend komme die Tatörtlichkeit an der Grundschule hinzu, so dass er billigend in Kauf genommen habe, dass auch Kinder ihn bei exhibitionistischen Handlungen sehen könnten. Unter diesen Umständen sei die Speicherung und Aufbewahrung von Daten aus präventivpolizeilichen Gründen notwendig und auch verhältnismäßig. Gem. § 33 Abs. 4 POG erfolge die Prüfung zur Löschung von Daten im Oktober 2013. Eine vorzeitige Löschung werde abgelehnt.
- 7
Der rechtzeitig erhobene, jedoch nicht weiter begründete Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums W... vom 11. Oktober 2012 zurückgewiesen mit der Begründung, ein Anspruch auf Löschung der personenbezogenen Daten gem. § 39 POG bestehe nicht. Sie seien nach wie vor erforderlich. Der Widerspruchsbescheid listet dazu alle in der kriminalpolizeilichen Datensammlung enthaltenen, den Kläger betreffenden Eintragungen seit 1985 auf und führt – im Wesentlichen wie der Ausgangsbescheid - weiter aus, die für die Zulässigkeit der weiteren Speicherung und Nutzung der über den Kläger vorliegenden Daten anzustellende Prognose, dass die Daten zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich seien, sei angesichts des Verhaltens des Klägers, der seit 1985 immer wieder als Tatverdächtiger einer Straftat mit sexuellem Hintergrund in Erscheinung getreten sei, gerechtfertigt. Insbesondere der Umstand, dass er als Tatort die Nähe einer Grundschule gewählt habe, mache seine niedrige Hemmschwelle zu sexuellen und exhibitionistischen Handlungen deutlich. Nach kriminalistischer Erfahrung deuteten gerade Sexualstraftaten auf Persönlichkeitsmängel und krankhafte Neigungen hin. Hier bestehe eine signifikant höhe Rückfallgefahr. Die vorhandenen Unterlagen seien für eine schnellere Aufklärung hilfreich, gerade auch bei in bestimmten regionalen Bereichen agierenden Tätern. Ihr Vorhandensein könne auch den potentiellen Täter unter Umständen von weiteren Straftaten abhalten.
- 8
Mit seiner am 13. November 2012 eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Löschung bzw. Vernichtung der von ihm im Zusammenhang mit der Anzeige vom Oktober 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Daten und der Speichelprobe weiter. Die Klagebegründung setzt sich mit den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden auseinander und beanstandet insbesondere, dass der Beklagte trotz der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO und entgegen der dortigen Begründung davon ausgeht, der Kläger habe am 19. Oktober 2011 eine Straftat mit sexuellem Hintergrund begangen. Auch sei erschwerend auf die Nähe der Grundschule abgestellt worden, ohne zu berücksichtigen, dass der Kläger jeden Morgen sein Kind in diese Grundschule bringe. Es werde außerdem außer Acht gelassen, dass der Kläger seit mehr als 19 Jahren straffrei sei und seit der Verfahrenseinstellung aus dem Jahre 2002 auch fast 10 Jahre vergangen seien, ohne dass ihm etwas vorzuwerfen gewesen sei. Die früheren Straftaten seien im Bundeszentralregister getilgt. Anders als vom Beklagten in dem Bescheid wiedergegeben, habe die Zeugin auch gerade nicht angegeben, dass sie den Kläger an seinem Geschlechtsteil manipulieren sah. Aufgrund der nicht eindeutigen Angaben der Zeugin sei die Staatsanwaltschaft zu der Auffassung gekommen, dass ein hinreichender Tatverdacht nicht bestehe.
- 9
In der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts hat der Kläger berichtet, dass er an einem Tag im Oktober 2011 von der Polizei in seinem Wagen kontrolliert worden sei, als er gerade sein Kind in die Schule gebracht hatte. Er habe gedacht, Anlass dafür sei gewesen, dass er sein Auto gegen die Fahrtrichtung geparkt hatte. Erst im Dezember 2011 habe er dann davon erfahren, dass gegen ihn wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses ermittelt werde. Er begehre auch nur die Vernichtung der in diesem Zusammenhang über ihn erhobenen Daten, nicht die vorzeitige Löschung sämtlicher sonst in der polizeilichen Sammlung über ihn gespeicherten personenbezogenen Daten.
- 10
Der Kläger beantragt,
- 11
den Beklagten zu verurteilen bzw. zu verpflichten, die von ihm im Dezember 2011 erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen sowie die ihm abgenommene Speichelprobe zu vernichten.
- 12
Der Beklagte beantragt,
- 13
die Klage abzuweisen.
- 14
Er führt hierzu aus, die Entscheidung, ob gem. § 33 Abs. 4 POG die Speicherung und Nutzung personenbezogener Daten notwendig und damit gerechtfertigt sei, sei von einer kriminalpolizeilichen Prognose abhängig, d. h. davon, ob Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass der Betroffene zukünftig in den Kreis Verdächtiger einer noch aufzuklärenden Straftat einzubeziehen wäre und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen für die zu führenden Ermittlungen – den Kläger entlastend oder belastend - förderlich sein könnten. Dabei seien Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen zur Last gelegten Straftaten, seine Persönlichkeit sowie der Zeitraum zu berücksichtigen, in dem er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten sei. Dieser Maßstab gelte auch dann, wenn wie vorliegend das Verfahren gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, weil weder Einstellung noch Freispruch per se einen fortbestehenden Tatverdacht notwendigerweise ausschlössen, wenn noch ein Restverdacht bestehen bleibe. Dafür komme es auf die Umstände des Einzelfalles an. Ein Restverdacht bestehe unter Berücksichtigung der Einstellungsverfügung und der weiteren Gesamtumstände, insbesondere der Vergangenheit des Klägers weiter. Er sei, auch nachdem er in den 80er Jahren eine Therapie gemacht habe, noch mehrmals wegen Straftaten mit sexuellem Hintergrund aufgefallen, wenn auch in langen zeitlichen Abständen. Zuletzt sei 2002 ein Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt worden. Das aktuelle Ermittlungsverfahren sei aus Mangel an Beweisen eingestellt worden und nicht wegen erwiesener Unschuld.
- 15
Die weitere Speicherung seiner Daten sei auch nicht unverhältnismäßig. Das hohe Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Sexualdelikten überwiege gegenüber dem Interesse des Klägers an einer Löschung.
- 16
In der mündlichen Verhandlung haben die Vertreter der Beklagten ihre Praxis im Zusammenhang mit Einstellungsverfügungen dargelegt und noch ausgeführt, dass die derzeit einschlägigen Richtlinien für die Aufbewahrung kriminalpolizeilicher Unterlagen vorsähen, dass Unterlagen erst gelöscht würden, wenn zehn Jahre lang keine neuen Vorfälle im Zusammenhang mit der betroffenen Person bekannt geworden seien.
- 17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie der Strafakten der Staatsanwaltschaft Y... ... Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 18
Die zulässige Verpflichtungsklage ist auch begründet.
- 19
Der Kläger hat Anspruch auf die begehrte Löschung bzw. Vernichtung der über ihn am 7. Dezember 2011 angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen (dazu unten I) und der ihm abgenommenen Speichelprobe. Der Antrag umfasst bei sachgerechter Auslegung auch die Löschung der anhand dieses Körpermaterials durch DNA–Analyse erstellten DNA-Identifizierungsmuster, die im weiteren Sinne ebenfalls erkennungsdienstliche Daten darstellen (dazu unten II). Der die Löschung ablehnende Bescheid des Beklagten vom 4. Juni 2012 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2012 sind rechtswidrig und daher gem. § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben; die Beklagte ist antragsgemäß zu verpflichten. .
- 20
I) Zunächst ist klarzustellen, dass als Rechtsgrundlage für die begehrte Vernichtung der aufgrund der erkennungsdienstlichen Maßnahmen gewonnenen Unterlagen hier nicht die von dem Beklagten herangezogene Vorschrift des § 39 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – POG - sein kann, da sie sich nicht auf – etwa nach § 11 POG oder nach §§ 81 b ff. StPO - durch besondere erkennungsdienstliche Maßnahmen erlangte Daten über die körperliche Beschaffenheit einer Person bezieht, sondern in der polizeilichen Sammlung vorhandene personenbezogene schriftliche/nachrichtliche Hinweise und Erkenntnisse, die sich aus früheren Verhaltensweisen des Betroffenen ergeben, also z.B. hier die im Widerspruchsbescheid wiedergegebenen sog. Merkblätter über das Vorleben des Klägers, frühere Straftaten und Verurteilungen etc. (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 1990, NJW 90, 20768). Deren Löschung begehrt der Kläger ausdrücklich nicht, wie in der mündlichen Verhandlung nochmals klargestellt wurde.
- 21
Der Löschungsanspruch ergibt sich stattdessen hinsichtlich der beim Kläger am 7. Dezember durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen (im Folgenden: ED-Maßnahmen), wie sie in § 11 Abs. 3 POG aufgeführt sind und auch auf der Grundlage von § 81 b der Strafprozessordnung – StPO – erhoben werden, aus § 11 Abs. 2 Satz 1 POG. Danach kann der Betroffene die Vernichtung von präventiv erhobenen erkennungsdienstlichen Unterlagen im Sinne von § 11 Abs. 3 POG (Finger- und Handflächenabdrücke, Lichtbilder, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Messungen) verlangen, wenn die Voraussetzungen zu ihrer Erhebung nach Absatz 1 entfallen sind. § 11 Abs. 2 POG ist auch anwendbar, wenn die ED-Behandlung ursprünglich nicht auf der Grundlage von § 11 Abs. 1 POG durchgeführt wurde, sondern – wie auch hier - auf der Grundlage von § 81 b StPO, der so lange Anwendung findet, wie der von der Maßnahme Betroffene noch Beschuldigter eines strafrechtlichen Verfahrens ist. Ist ein solches Verfahren nicht (mehr) anhängig, so ist dann § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG die Grundlage für präventiv-polizeiliche ED-Maßnahmen. Die materiellen Voraussetzungen der beiden Vorschriften sind – trotz unterschiedlicher Formulierungen in § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG und in § 81 b StPO – gleich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. August 2005 – 12 A 11100/05.OVG – ständige Rechtsprechung).
- 22
Die Entscheidung, ob die Voraussetzungen für die (weitere) Aufbewah-rung/Speicherung erkennungsdienstlicher Unterlagen noch gegeben sind, richtet sich im Wesentlichen nach denselben Kriterien wie die Entscheidung, ob eine ED-Behandlung angeordnet wird. Erkennungsdienstliche Unterlagen dürfen aufbewahrt werden, wenn der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalstatistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen, den Betroffenen überführend oder entlastend, fördern könnten (BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1982, BVerwGE 66, 202, dort zu § 81 b stopp; st. Rspr.). Liegen dahin gehende Anhaltspunkte nicht (mehr) vor, so ist die Anfertigung erkennungsdienstlicher Unterlagen oder die Aufbewahrung bereits erhobener Unterlagen nicht (mehr) zulässig (BVerwGE 26, 169,171).
- 23
Da es sich hier um eine Verpflichtungsklage handelt, ist für die Beurteilung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts maßgebend. Es kann daher offenbleiben, ob die erkennungsdienstliche Behandlung am 7. Dezember 2011 zunächst rechtmäßig war. Da man noch am Anfang des Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat nach § 183 a StGB stand, mag die Einschätzung der Polizei, dass eine ED-Behandlung vorzunehmen sei, aus damaliger Sicht auf der Grundlage von § 81b StPO und unter Berücksichtigung der über den Kläger vorhandenen personenbezogenen Unterlagen, die auch auf frühere Sexualstraftaten hinwiesen, rechtlich in Ordnung gewesen sein.
- 24
Die Sachlage hat sich jedoch danach wesentlich geändert. Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens, in dem der Kläger sich durch seinen Rechtsanwalt im Januar 2012 gegenüber der Staatsanwaltschaft auch zur Sache geäußert hatte, durch Einstellungsverfügung nach § 170 Abs. 2 StPO vom 10. April 2012 lagen die Voraussetzungen für die Anordnung einer ED-Behandlung nicht mehr vor, so dass auch die weitere Aufbewahrung der dabei gefertigten Unterlagen nicht gerechtfertigt ist.
- 25
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
- 26
Voraussetzung für die Anordnung von ED-Maßnahmen nach § 81 b StPO und nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 POG ist zum Einen vor allem, dass der Betroffene verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben, und zum andern, dass wegen der Art und Ausführung der Tat eine Gefahr der Wiederholung besteht. An beidem fehlt es vorliegend.
- 27
Der Beklagte weist zwar zu Recht darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verdacht grundsätzlich auch fortbestehen kann, obwohl das Strafverfahren ohne Schuldspruch endet. So hat sogar das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Einschätzung bestätigt, dass bei der Verfahrensbeendigung durch Einstellung nach § 153 ff. StPO oder bei einem Freispruch, der ausweislich der Gründe aus Mangel an Beweisen erfolgt, der Straftatverdacht nicht notwendig ausgeräumt sei. Gleiches gelte bei einer Verfahrensbeendigung aus anderen Gründen. Dürfe ein fortbestehender Verdacht Grundlage für Maßnahmen der weiteren Datenspeicherung sein, so stehe die Unschuldsvermutung als solche dem nicht entgegen (BVerfG, Nichtannahme-beschluss vom 16. Mai 2002, NJW 2002, 3231 f.).
- 28
Auch bei einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft kann - parallel zur Situation des Freispruchs – ein Restverdacht fortbestehen. Ergibt sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung, dass der Beschuldigte eine Tat nicht begangen hat oder dass ein strafbarer Sachverhalt nicht vorliegt, dann darf auch die Polizei für präventiv-polizeiliche Zwecke nicht von einem fortbestehenden Tatverdacht ausgehen (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2010, BVerwGE 137, 133 ff. zum speziellen Löschungsanspruch nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG). Andernfalls kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an.
- 29
Hierzu führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Oktober 1983 (a.a.O.), dem eine Einstellung des Anlass-Strafverfahrens nicht nach § 170 Abs. 2 StPO, sondern wegen fehlenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung zugrunde lag, Folgendes aus:
- 30
„Nach diesen verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Maßstäben bemißt sich auch, welches Gewicht der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, bei der Entscheidung darüber zukommt, ob die Anfertigung oder die weitere Aufbewahrung von Unterlagen für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Entgegen der Auffassung der Revision läßt die Einstellung von Strafverfahren diese Notwendigkeit nicht ohne weiteres entfallen; vielmehr hängt es von einer Würdigung der gesamten Umstände des einzelnen Falles ab, ob wegen der Einstellung von Strafverfahren, die gegen den Betroffenen gerichtet waren, die Anfertigung oder Aufbewahrung von erkennungsdienstlichen Unterlagen nach den dargelegten Maßstäben nicht mehr notwendig ist“.
- 31
Vorliegend beruht die Einstellung des Verfahrens auf § 170 Abs. 2 StPO. Eine solche Einstellung hat zu erfolgen, wenn die Ermittlungen keinen genügenden Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage im Sinne von § 170 Abs. 1 StPO bieten. Diese Form der Einstellung ist die „beste“ Möglichkeit einer Einstellung eines Strafverfahrens und entspricht in diesem frühen Stadium des Verfahrens in etwa dem, was ein Freispruch im Gerichtsverfahren wäre.
- 32
Der Beklagte hat hier zu Unrecht aus den Gründen der Einstellungsverfügung vom 10. April 2012 geschlossen, es handele sich um eine Einstellung aus Mangel an Beweisen, so dass die Annahme eines Restverdachts ohne Weiteres zulässig sei. Zwar trifft es zu, dass die Staatsanwaltschaft nicht von erwiesener Unschuld des Klägers spricht. Sie führt vielmehr in der Begründung zunächst aus, nach dem Ergebnis der Ermittlungen sei ein Tatnachweis unmöglich, weil eindeutige Beweismittel fehlten und die Begehung der Tat bestritten werde. Aus den Gründen der Einstellungsverfügung wird aber darüber hinaus deutlich, dass die Staatsanwaltschaft auch den Tatbestand einer strafbaren Handlung nicht feststellen konnte, indem es dort unter anderem heißt:
- 33
„... jedoch ist weiterhin überhaupt nicht klar, ob und was der Beschuldigte in seinem Auto für Bewegungen durchführte oder eben nicht. Die Zeugin gab mehrmals gegenüber der Polizei an, dass es „..so aussah, als ob er sich selbst befriedige..“ und dass er sich „wohl selbst befriedigt…“ habe. Dass ein solcher Vorgang tatsächlich beobachtet wurde, wurde jedoch gerade nicht ausgesagt. Dies ist auch gerade unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass ein Vorbeilaufen an einem PKW nur wenige Augenblicke dauert und in einer solchen Situation – also bei einem flüchtigen Blick in das Innere eines Wagens- wohl kaum beurteilt werden kann, was eine Person gerade genau tut oder nicht tut…“
- 34
Auch wenn es nicht explizit formuliert wird, ergibt sich daraus sinngemäß, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 183 a StGB – Erregung öffentlichen Ärgernisses – nicht als erfüllt angesehen werden können. Gem. § 183 a StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich sexuelle Handlungen vornimmt und dadurch absichtlich oder wissentlich ein Ärgernis erregt, sofern die Tat nicht gem. § 183 StGB mit Strafe bedroht ist.
- 35
Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm sind auch dann nicht erfüllt, wenn zuträfe, was die Zeugin bekundet hat, dass nämlich ein Mann auf dem Fahrersitz einen Monitor vor sich hielt und mit einer Hand in seiner Hose spielte, und dass es für sie so aussah, als ob er sich wohl selbst befriedige. Es fehlt schon an einer ö f f e n t l i c h e n Vornahme einer sexuellen Handlung (in einem geschlossenen, am Straßenrand geparkten Auto, nur sichtbar für jemanden, der am Auto nicht nur vorbeigeht, sondern auch direkt hineinschaut). Außerdem sind weitere Merkmale der Norm zum subjektiven Tatbestand nicht erfüllt. Hierzu kann auf einen Beschluss des OLG Bamberg vom 22. Februar 2011, 3 Ss 136/10 – juris -, Leitsatz 2, verwiesen werden, in dem es heißt:
- 36
„Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183a StGB setzt in subjektiver Hinsicht hinsichtlich des sexuellen Charakters der Handlung und ihrer Erheblichkeit zwar nur bedingten Vorsatz voraus, der auch die Öffentlichkeit der Begehung umfassen muss. Bezüglich der Erregung des Ärgernisses muss der Täter jedoch in der Absicht handeln, Ärgernis zu erregen, d.h. es muss ihm entweder gerade darauf ankommen, dass er Ärgernis erregt, oder er muss wissen, nämlich als sicher voraussehen, dass dies geschieht, weshalb es nicht ausreichend ist, wenn der Täter die Möglichkeit des Zusehens durch andere lediglich in Kauf nimmt“.
- 37
Weder der Zeugenaussage selbst noch deren Würdigung durch die Staatsanwaltschaft sind irgendwelche Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Kläger – wiederum unterstellt, er hätte wirklich eine Hand in seiner Hose bewegt – dies getan haben könnte, um absichtlich oder wissentlich Ärgernis zu erregen.
- 38
Während die Staatsanwaltschaft in der Einstellungsverfügung zu diesen Fragen keine näheren Ausführungen machen musste, weil es von ihrem Standpunkt aus darauf nicht mehr ankam, hätte sich der Beklagte, der den Kläger weiter als Verdächtigen betrachtete, bei der Entscheidung über den Löschungsantrag die Frage nach der Strafbarkeit der in Rede stehenden Handlung jedoch notwendig stellen müssen, denn er durfte die Löschung nur ablehnen, wenn der Kläger auch einer strafbaren Handlung verdächtig war. Dies hat der Beklagte nicht geprüft. Vielmehr verwendet er in seinen ablehnenden Bescheiden Formulierungen, die zum einen eine sexuelle Handlung zum Zweck der Selbstbefriedigung als feststehend erscheinen lassen und zum andern auch den Eindruck erwecken, dass die Zeugin gesehen habe, dass der Kläger an seinem Geschlechtsteil manipuliert habe. Dies findet weder in den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft noch im Wortlaut der Einstellungsverfügung eine Stütze. Verfehlt ist es weiter, dass in den Bescheiden auch von „exhibitionistischen Handlungen“ die Rede ist. Der Zeugenaussage kann nicht entnommen werden, dass der Mann in dem Auto sich in irgendeiner Form entblößt gezeigt hätte. Soweit der Beklagte dem Kläger schließlich vorwirft, es falle erschwerend ins Gewicht, dass er für seine Tat den Standort vor der Grundschule „gewählt“ habe, setzt das ebenfalls implizit – aber sachlich unzutreffend - die Annahme einer strafbaren Handlung voraus.
- 39
Fehlt es nach alledem schon an einer strafbaren Anlasstat, so erübrigt sich die andernfalls erforderliche weitere Prüfung, ob der Beklagte unter korrekter Würdigung aller relevanten Umstände damals und noch bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung des Verwaltungsgerichts davon ausgehen durfte, dass Wiederholungsgefahr bestand und deshalb die gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlage zur Prävention künftiger Straftaten und zur Erleichterung etwaiger späterer strafrechtlicher Ermittlungen erforderlich waren (siehe dazu noch die folgenden Ausführungen zu § 81 g StPO).
- 40
II) Der Kläger hat auch Anspruch auf Vernichtung der Speichelprobe, sofern sie noch verwahrt wird, und außerdem auf Löschung seines mit Hilfe der Speichelprobe erstellten „genetischen Fingerabdrucks“, die ebenfalls als erkennungsdienstlich gewonnene Daten anzusehen sind. Anspruchsgrundlage ist insoweit § 32 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz – BKAG -). Danach sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. § 11 Abs. 2 POG ist hier nicht anwendbar, weil solche Daten von dieser Vorschrift nicht erfasst sind.
- 41
Rechtsgrundlage für die Abnahme der Speichelprobe zu präventiv-polizeilichen Zwecken konnte hier nur § 81 g Abs. 1 StPO sein. Danach dürfen zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren einem Beschuldigten Körperzellen entnommen und zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters sowie des Geschlechts molekulargenetisch untersucht werden, wenn der Beschuldigte einer Straftat von erheblicher Bedeutung oder einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig ist und u.a. wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Die wiederholte Begehung sonstiger Straftaten kann im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen (Absatz 1 Satz 2).
- 42
Die aus den Körperzellen nach sog. DNA-Analyse gewonnenen DNA-Identifizierungsmuster werden von den sie erhebenden Polizeidienststellen in das polizeiliche Informationssystem eingegeben, das beim Bundeskriminalamt als Zentralstelle nach § 11 BKAG geführt wird. Dort werden die Daten gespeichert und dürfen nach Maßgabe des BKAG verwendet werden (so ausdrücklich § 81 g Abs. 5 StPO; vgl. dazu auch Frister in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, G 270 ff., 288; VG Augsburg, Urteil vom 25. September 2012, Au 1 K 12536 – juris - ). Das Gericht geht davon aus – die Akten enthalten dazu keine Angaben – dass dieses Verfahren auch im Falle des Klägers, der sich mit der Abnahme der Speichelprobe einverstanden erklärt hatte, eingehalten wurde.
- 43
Die Voraussetzungen für die Löschung der so erhobenen Daten gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG sind erfüllt. Danach sind die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Zuständig für die Entscheidung über die Löschung ist nach § 32 Abs. 9 Satz 1 BKAG dann, wenn nicht das BKA selbst die Daten erhoben hat, sondern als Zentralstelle fungiert, die Stelle des mitteilenden Landes, die nach § 12 Abs. 2 BKAG die Daten eingegeben hat. Dies waren vorliegend ebenfalls die beklagten Polizeibehörden in X...
- 44
Der Löschungsanspruch ist aus denselben Erwägungen begründet wie der Anspruch auf Löschung der erkennungsdienstlichen Unterlagen.
- 45
Auch in diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob die Abnahme der Speichelprobe und die daraufhin wahrscheinlich vorgenommene molekular-genetische Untersuchung anfänglich rechtmäßig waren. Daran bestehen allerdings durchaus Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit. Denn auch wenn der Straftatbestand des § 183 a StGB zu den in § 81 g StPO genannten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zählt, handelt es sich doch bei der Abnahme von Körperzellen und der Erstellung von DNA-Identitätsmustern um einen deutlich schwerer wiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte einer Person als bei Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung nach § 81 b StPO oder § 11 POG, bei der es nur um die Feststellung äußerer Merkmale geht. Deshalb dürfen gem. § 81 g Abs. 3 StPO die Entnahme der Körperzellen und deren molekular-genetische Untersuchung ohne schriftliche Einwilligung des Beschuldigten auch grundsätzlich nur nach richterlicher Anordnung geschehen. Ob hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gewahrt war, kann bei angemessener Würdigung der konkreten Umstände, selbst unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger früher wegen Sexualstraftaten verurteilt worden war, bezweifelt werden. Es wäre nämlich zu seinen Gunsten auch zu berücksichtigen gewesen, dass die verbüßte Freiheitsstrafe schon Mitte der 1980er Jahre und die letzte Bewährungsstrafe 1994 verhängt worden war und dass auch der letzte in den Polizeiakten vermerkte Vorfall – die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 183 a StGB – im Jahre 2002 offenbar nicht schwerwiegend war, weil es sonst nicht zu einer Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld gem. § 153 StPO gekommen wäre. So ist auch im Bundeszentralregister über den Kläger keine Eintrag vorhanden, er gilt also im allgemeinen Rechtsverkehr als nicht vorbestraft.
- 46
Unabhängig von der Beurteilung der anfänglichen Unzulässigkeit der Datenerhebung zur DNA-Identitätsfeststellung ist die Speicherung der Daten ebenso wie die weitere Aufbewahrung der eventuell noch vorhandenen Speichelprobe selbst jedenfalls jetzt nicht mehr zulässig, weil - wie unter I) schon dargelegt – der Kläger im Zusammenhang mit dem Geschehen am 19. Oktober 2011 nicht mehr als einer Straftat nach § 183 a StGB verdächtig angesehen werden kann. Deshalb kann daraus auch die weiter für die Rechtfertigung der Datenerhebung nach § 81 g Abs. 1 Satz1 StPO notwendige Voraussetzung nicht mehr hergeleitet werden, dass „Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind“ oder dass die „wiederholte Begehung sonstiger Straftaten“ zu befürchten wäre, die „im Unrechtsgehalt einer Straftat von erheblicher Bedeutung gleichstehen“ würde (§ 81 g Abs. 1 Satz 2 StPO). Diese veränderte Sachlage schlägt auf die Berechtigung zur Speicherung der betreffenden Daten in dem vom BKA zentral geführten Register durch, weil dadurch ihre Speicherung im Sinne von § 33 Abs. 2 Satz 1 BKAG für die Aufgabenerfüllung auch nicht mehr als erforderlich angesehen werden kann.
- 47
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 48
Beschluss
- 49
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5000.- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
- 50
Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
Tatbestand
- 1
-
Der im Jahr 1987 geborene Kläger begehrt die Löschung von personenbezogenen Daten aus der Datei "Gewalttäter Sport", die in das polizeiliche Informationssystem (§ 11 BKAG) - einem elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern - einbezogen ist.
- 2
-
Der Kläger ist Anhänger des Fußballvereins Hannover 96 und war zeitweise in der vom Fanprojekt der Landeshauptstadt Hannover als nicht gewaltbereit eingestuften Fangruppierung "Brigade Nord 99" aktiv. Am 24. Mai 2006 besuchte der Kläger das Regionalligaspiel zwischen den Amateurmannschaften von Hannover 96 und Eintracht Braunschweig. Auf der Tribüne des Stadions waren die gegnerischen Fanblöcke durch eine Polizeikette voneinander getrennt. Kurz nach Spielbeginn betrat der Kläger in einer Gruppe von etwa 30 bis 40 Anhängern von Hannover 96 das Stadion. Der Gruppe gelang es, die Absperrung zwischen dem Zuschauerbereich und der Laufbahn des Stadions zu überwinden und vor den Braunschweiger Fanblock zu ziehen. Aus der Gruppe heraus wurden Feuerwerkskörper und - wohl auch - ein fester Gegenstand - möglicherweise ein Stein - geworfen. Nach Zeugenberichten lief der Kläger mit an der Spitze der Gruppe. Als Einsatzkräfte der Polizei die Gruppe aufhielten, kam es zu einem Zusammenstoß. Der Kläger wurde in polizeilichen Gewahrsam genommen. Bei seiner Durchsuchung wurde eine sog. Sturmhaube, d.h. eine Kopfmaske aus Stoff, gefunden. Der Kläger wurde nach dem Vorfall erkennungsdienstlich behandelt.
- 3
-
Das gegen den Kläger wegen Landfriedensbruchs eingeleitete Ermittlungsverfahren stellte die Staatsanwaltschaft Hannover mit Verfügung vom 25. Oktober 2006 nach § 170 Abs. 2 StPO ein, da dem Kläger "eine Beteiligung an Ausschreitungen in der Menge (...) nach den vorliegenden Zeugenaussagen nicht nachzuweisen (ist)".
- 4
-
Auf ein von ihm gestelltes Auskunftsersuchen vom 31. Januar 2007 teilte die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 19. Februar 2007 mit, dass er "im Zusammenhang (...) mit einem polizeilichen Einschreiten am 24.05.2006" wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" insbesondere mit Name und Vorname, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Personalausweisdaten und Vereinszuordnung erfasst sei und dass die Löschung des Datensatzes am 24. Mai 2011 anstehe. Mit Schreiben vom 20. Februar 2007 beantragte der Kläger unter Vorlage der Einstellungsnachricht der Staatsanwaltschaft Hannover vom 25. Oktober 2006 die Löschung der über ihn gespeicherten Daten. Mit Bescheid vom 2. April 2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Speicherung der Daten des Klägers sei zulässig und auch weiterhin zur Aufgabenerfüllung erforderlich. Die Einstellung des Verfahrens wegen Landfriedensbruchs führe nicht zur Unzulässigkeit der Speicherung, da ein Resttatverdacht fortbestehe. Die Einstellung sei nämlich nicht darauf gestützt worden, dass jeglicher Verdacht entfallen sei. Der Vorfall vom 24. Mai 2006 rechtfertige auch die Annahme, dass in Zukunft mit vergleichbaren Vorkommnissen zu rechnen sei.
- 5
-
Mit Urteil vom 22. Mai 2008 hat das Verwaltungsgericht Hannover die Beklagte auf die Klage des Klägers verpflichtet, die über ihn in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" gespeicherten oder aufbewahrten personenbezogenen Daten zu löschen.
- 6
-
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht durch Urteil vom 16. Dezember 2008 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für das Klagebegehren sei § 32 Abs. 2 BKAG; danach seien die gespeicherten Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich sei. Zwar sei die weitere Speicherung der Daten des Klägers nicht schon nach § 8 Abs. 3 BKAG als unzulässig anzusehen. Denn aus den Gründen der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsverfügung ergebe sich nicht, dass der Kläger den ihm vorgeworfenen Landfriedensbruch nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Daten für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich seien. Vielmehr rechtfertige das Verhalten des Klägers am 24. Mai 2006 die Befürchtung, dass er sich auch bei anderen Fußballspielen nicht ordnungsgemäß verhalten werde. Die Aufnahme der Daten in die Datei wäre demnach bei Bestehen einer wirksamen Rechtsgrundlage nicht zu beanstanden. Die Datenerhebung und -speicherung stelle sich jedoch deshalb als unzulässig dar, weil es bislang an der nach § 7 Abs. 6 BKAG erforderlichen Rechtsverordnung fehle, die für die Rechtmäßigkeit der Datenspeicherung konstitutiv sei.
- 7
-
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, der Erlass der in § 7 Abs. 6 BKAG vorgesehenen Rechtsverordnung sei keine notwendige Voraussetzung für die Speicherung von Daten in einer Verbunddatei, denn das Gesetz selbst treffe alle wesentlichen Regelungen über Zweck und Umfang der Datensammlung. Jedenfalls aber habe die Verordnung vom 4. Juni 2010 über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen, die etwa bestehende Regelungslücke geschlossen.
- 8
-
Die Beklagte beantragt,
-
die Urteile des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2008 und des Verwaltungsgerichts Hannover vom 22. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
- 10
-
Der Kläger beantragt,
-
die Revision zurückzuweisen.
- 12
-
Er tritt der Revision entgegen und verteidigt das Berufungsurteil: Unbeschadet des Umstandes, dass es an der in § 7 Abs. 6 BKAG vorgeschriebenen Rechtsverordnung bis zuletzt gefehlt habe, sei die Speicherung seiner personenbezogenen Daten auch deshalb rechtswidrig, weil das seinerzeit gegen ihn geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren den Tatverdacht nicht erhärtet habe, sondern eingestellt worden sei.
Entscheidungsgründe
- 14
-
Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) (1.). Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO) (2.). Über die Revision kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden; weiterer tatsächlicher Ermittlungen oder Würdigungen bedarf es nicht (3.).
- 15
-
1. Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, die über ihn gespeicherten und/oder aufbewahrten Daten in der Datei "Gewalttäter Sport" zu löschen. Als Rechtsgrundlage für den Löschungsanspruch kommt § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG in Betracht (a)). Die Beklagte ist für diesen Anspruch passivlegitimiert (b)). In dem für die revisionsgerichtliche Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt trifft allerdings die Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht mehr zu, die Voraussetzungen für den Löschungsanspruch aus § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG lägen vor, weil es an der nach § 7 Abs. 6 BKAG vorgesehenen Rechtsverordnung über die Art der Daten fehle, die nach §§ 8 und 9 BKAG gespeichert werden dürfen (c)).
- 16
-
a) Die Voraussetzungen des Löschungsanspruchs beurteilen sich nach § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG. Danach hat das Bundeskriminalamt die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig ist oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist.
- 17
-
b) Der Kläger begehrt zwar die Löschung von Daten aus einer Datei, die vom Bundeskriminalamt errichtet worden ist und betrieben wird. Dennoch nimmt er zu Recht die beklagte Polizeidirektion Hannover für die Löschung der über ihn gespeicherten Daten in Anspruch.
- 18
-
Aufgrund der Feststellungen im Berufungsurteil steht fest, dass die streitgegenständlichen Daten von der Beklagten in das polizeiliche Informationssystem "Gewalttäter Sport" beim Bundeskriminalamt eingegeben worden sind. Das polizeiliche Informationssystem (§ 11 BKAG - INPOL) wird im Rahmen der Bundesaufgabe des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 3 BKAG geführt. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 BKAG bestimmt das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit den Innenministerien/Senatsinnenverwaltungen der Länder die Dateien, die in das polizeiliche Informationssystem einzubeziehen sind. Zu diesen Dateien zählt die Datei "Gewalttäter Sport" als eine Verbunddatei. Verbunddateien sind vom Bundeskriminalamt als Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern geführte Dateien des polizeilichen Informationssystems, wobei die jeweils von den Ländern in eigener Zuständigkeit gewonnenen Daten dezentral und unmittelbar in das Verbundsystem eingegeben und diese Daten im System für alle Verbundteilnehmer zum Abruf bereitgehalten werden (s. § 11 Abs. 2 BKAG; vgl. auch Petri, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl. 2007, S. 854 ff.; Ahlf/Daub/Lersch/Störzer, BKAG 2000, § 8 Rn. 2a).
- 19
-
Bei in Dateien des polizeilichen Informationssystems gespeicherten personenbezogenen Daten obliegt die Pflicht zur Löschung im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG der Stelle, welche die datenschutzrechtliche Verantwortung nach § 12 Abs. 2 BKAG trägt (§ 32 Abs. 9 BKAG). Die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten, namentlich die Rechtmäßigkeit der Erhebung, die Zulässigkeit der Eingabe sowie die Richtigkeit oder Aktualität der Daten, obliegt im Rahmen des polizeilichen Informationssystems gemäß § 12 Abs. 2 BKAG der Stelle, welche die Daten unmittelbar eingegeben hat. Dementsprechend hat nach § 11 Abs. 3 BKAG nur diese Behörde die Befugnis zur Änderung, Berichtigung oder Löschung von Daten (vgl. Urteil vom 22. Oktober 2003 - BVerwG 6 C 3.03 - Buchholz 402.46 BKAG Nr. 2 S. 3 f.).
- 20
-
c) Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass die Datenerhebung und -speicherung grundsätzlich so lange im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG unzulässig war, wie es an der Rechtsverordnung gemäß § 7 Abs. 6 BKAG fehlte. Die Notwendigkeit zum Erlass einer derartigen Rechtsverordnung ergibt sich daraus, dass § 11 Abs. 2 Satz 3 BKAG für die Dateneingabe auf §§ 7 bis 9 BKAG verweist und damit auch auf § 8 Abs. 1 BKAG - betreffend die Speicherung der dort aufgeführten Basisdaten von Beschuldigten - und § 8 Abs. 2 BKAG - betreffend die Speicherung weiterer personenbezogener Daten von Beschuldigten sowie personenbezogener Daten von Tatverdächtigen. Von der Verweisung in § 11 Abs. 2 Satz 3 BKAG wird ebenfalls § 7 Abs. 6 BKAG erfasst, wonach das Bundesministerium des Innern mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung "das Nähere über die Art der Daten" bestimmt, die u.a. nach § 8 BKAG gespeichert werden dürfen. Bei der Regelung des § 7 Abs. 6 BKAG handelt es sich nicht um eine bloße Verordnungsermächtigung, sondern um einen strikten Regelungsauftrag, durch den der Gesetzgeber das Bundesministerium des Innern zum Erlass der Rechtsverordnung verpflichtet hat. Von einer näheren Begründung sieht der Senat insoweit ab. Denn hierauf kommt es jetzt nicht mehr entscheidend an.
- 21
-
Den Mangel einer fehlenden Rechtsverordnung nach § 7 Abs. 6 BKAG hat das Bundesministerium des Innern nämlich bis zum rechtserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat am 9. Juni 2010 behoben. An diesem Tag ist die "Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen" vom 4. Juni 2010 (BGBl I S. 716) - DatenVO - in Kraft getreten (vgl. Art. 3 Abs. 1 DatenVO). Zu den Daten, die gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKAG vom Bundeskriminalamt von Beschuldigten gespeichert werden dürfen, gehören demnach gemäß § 1 Abs. 1 DatenVO u.a. Familienname (Nr. 1), Vornamen (Nr. 2), Geschlecht (Nr. 12), Geburtsdatum (Nr. 13), Geburtsort (Nr. 14) und Staatsangehörigkeit (Nr. 18), ferner gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 8 DatenVO Angaben zu Identitätsdokumenten wie dem Personalausweis; zu den weiteren personenbezogenen Daten von Beschuldigten im Sinne von § 8 Abs. 2 BKAG zählen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 DatenVO Beziehungen zu Personen und Gruppenzugehörigkeit. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b DatenVO führt das Bundeskriminalamt als Zentralstelle auf der Grundlage von § 8 BKAG unter anderem Dateien, die der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere mit Fußballspielen, dienen. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil wurde der Kläger im Zusammenhang mit einem polizeilichen Einschreiten bei einem Fußballspiel wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs in der Verbunddatei "Gewalttäter Sport" insbesondere mit den Daten Name und Vorname, Geburtsdatum und -ort, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Personalausweisdaten und Vereinszuordnung erfasst. Die Speicherung dieser Angaben steht mit § 8 Abs. 1 und 2 BKAG in Verbindung mit voranstehend aufgeführten Regelungen in der DatenVO in Einklang.
- 22
-
Der Senat hat diese geänderte Rechtslage zu berücksichtigen.
- 23
-
Der Prüfung des geltend gemachten Verpflichtungsbegehrens ist die Rechtslage zugrunde zu legen, die das Berufungsgericht zu berücksichtigen hätte, wenn es nunmehr anstelle des Revisionsgerichts entschiede (Urteil vom 9. September 1998 - BVerwG 1 C 14.95 - Buchholz 402.46 BKAG Nr. 1 m.w.N.). Dem Anspruch auf Löschung von Daten hätte das Berufungsgericht nunmehr die Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Soweit es um die Frage geht, ob die begehrte behördliche Maßnahme schon aus Rechtsgründen getroffen oder versagt werden muss, ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz abzustellen. Dem Bundeskriminalamtgesetz und der zu seiner Ausführung ergangenen Rechtsverordnung lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass dieser Grundsatz nicht gelten soll. Im Gegenteil spricht die Zielsetzung dieses Gesetzes, die verfassungsrechtlich gebotenen bereichsspezifischen Rechtsgrundlagen für die polizeiliche Informationsverarbeitung zu schaffen (vgl. BTDrucks 13/1550 S. 19; 13/7208 S. 1), für seine Anwendung auch auf Daten, die vor dem Inkrafttreten der Rechtsverordnung gespeichert worden sind, und auf diesbezügliche Löschungs- und Auskunftsbegehren unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Geltendmachung (Urteil vom 9. September 1998 a.a.O. S. 2).
- 24
-
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die streitgegenständlichen Daten sind nämlich gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG weder zu löschen, weil ihre Speicherung im Hinblick auf die fehlenden Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 BKAG unzulässig (a)), noch weil ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist (b)).
- 25
-
a) Unzulässig im Sinne von § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG ist die Speicherung von Daten eines Beschuldigten nach § 8 Abs. 3 BKAG dann, wenn der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt worden ist und sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Das den vorliegenden Rechtsstreit auslösende Verfahren ist nicht nur vorübergehend gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Entscheidend ist daher, ob sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Das ist nach den für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht der Fall.
- 26
-
Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 BKAG zeigt, dass die Speicherung nur unzulässig ist, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung positiv ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Das Gesetz stellt nicht darauf ab, ob sich aus der Entscheidung ergibt, dass Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Restverdacht besteht (s. Urteil vom 22. Oktober 2003 a.a.O. S. 2). Ergibt sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung nicht, dass die Einstellung positiv deshalb erfolgt ist, weil der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat, so ist der Tatbestand des § 8 Abs. 3 BKAG nicht erfüllt. Mit dieser Auslegung steht das Gesetz mit höherrangigem Recht in Einklang und verstößt insbesondere nicht gegen die in Art. 6 Abs. 2 EMRK verbürgte Unschuldsvermutung. Denn die Berücksichtigung von Verdachtsgründen, die auch nach einer Verfahrensbeendigung durch Freispruch oder Einstellung fortbestehen können, stellt keine Schuldfeststellung oder -zuweisung dar, wenn und soweit sie bei Wiederholungsgefahr anderen Zwecken, insbesondere der vorbeugenden Straftatenbekämpfung, dient (s. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231).
- 27
-
Nach den Feststellungen im Berufungsurteil ergibt sich aus den Gründen der Einstellungsverfügung nicht, dass die Einstellung positiv deshalb erfolgt ist, weil der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat. Das nach dem Vorfall vom 24. Mai 2006 gegen den Kläger wegen Landfriedensbruchs (§ 125 StGB) eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde nämlich von der Staatsanwaltschaft Hannover im Oktober 2006 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da "eine Beteiligung an Ausschreitungen in der Menge dem Kläger nach den vorliegenden Zeugenaussagen nicht nachzuweisen ist" (Berufungsurteil S. 3). Das Oberverwaltungsgericht hat die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 BKAG ausdrücklich verneint, da sich aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO nicht positiv ergebe, dass der Kläger die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen habe. Die Einstellung sei vielmehr erfolgt, weil kein hinreichender Tatnachweis zu erbringen gewesen sei. Ein Resttatverdacht sei damit nach wie vor im Raum (Berufungsurteil S. 9).
- 28
-
An diesem auf den insoweit eindeutigen, bindenden und revisionsrechtlich nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil (§ 137 Abs. 2 VwGO) beruhenden Ergebnis ändert sich auch nichts dadurch, dass dem Kläger selbst nur die Einstellung des Ermittlungsverfahrens als solche ohne jegliche Begründung mitgeteilt wurde.
- 29
-
Die staatsanwaltschaftliche Rechtspraxis der Handhabung und Begründung einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO beruht auf den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV). Dort ist unter Nr. 88 "Mitteilung an den Beschuldigten" vorgesehen: "In der Mitteilung an den Beschuldigten nach § 170 Abs. 2 StPO sind die Gründe der Einstellung nur auf Antrag und dann auch nur soweit bekannt zu geben, als kein schutzwürdiges Interesse entgegensteht. Hat sich herausgestellt, dass der Beschuldigte unschuldig ist oder dass gegen ihn kein begründeter Verdacht mehr besteht, so ist dies in der Mitteilung auszusprechen." Daraus folgt, dass die von Nr. 88 RiStBV vorgesehene Auskunftspraxis an den Beschuldigten bei Verfahrenseinstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO einerseits und die Gründe für eine unzulässige Speicherung gemäß § 8 Abs. 3 BKAG zwar auf denselben Bezugspunkt - die Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens - zielen, sich aber inkompatibler Kategorien bedienen. Nach Nr. 88 RiStBV wird ggf. ausgesprochen, "dass der Beschuldigte unschuldig ist oder dass gegen ihn kein begründeter Verdacht mehr besteht", während nach § 8 Abs. 3 BKAG verlangt wird "dass der Betroffene die Tat nicht (1. Alt.) oder nicht rechtswidrig begangen hat (2. Alt.)". Wird die Einstellungsverfügung gemäß den Regeln der RiStBV formuliert, ist ihr nicht unmittelbar zu entnehmen, ob der Kläger "die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat", weil nur etwas über seine "Unschuld" mitgeteilt wird oder den nicht mehr bestehenden "begründeten Verdacht". Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre deshalb eine Anpassung der Begrifflichkeiten in § 170 StPO, Nr. 88 RiStBV, § 8 Abs. 3 BKAG und § 484 Abs. 2 Satz 2 StPO mit dem Ziel nützlich, die Folgen der Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens für die Befugnis zur Datenspeicherung aus Gründen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung oder der Strafverfolgungsvorsorge normklarer zu gestalten.
- 30
-
Für die Frage, ob sich im Sinne von § 8 Abs. 3 BKAG aus den Gründen der (verfahrenseinstellenden) Entscheidung ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat, kommt es allerdings nicht in erster Linie auf die Mitteilung der Staatsanwaltschaft an den Beschuldigten, sondern vielmehr auf die Mitteilung der Staatsanwaltschaft an die Polizeibehörde an, die im Rahmen des polizeilichen Informationssystems die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten trägt (§ 12 Abs. 2 BKAG). Nach § 482 Abs. 2 StPO unterrichtet die Staatsanwaltschaft die Polizeibehörde, die mit der Angelegenheit befasst war, über den Ausgang des Verfahrens zwar grundsätzlich nur durch Mitteilung der Entscheidungsformel; sie kann "im Falle des Erforderns" aber auch die mit Gründen versehene Einstellungsentscheidung übersenden. Die verantwortliche Polizeibehörde ist ggf. gehalten, ein solches Ersuchen an die Staatsanwaltschaft zu richten, bevor sie nach einer Verfahrenseinstellung über die Speicherung bzw. Löschung von Beschuldigtendaten entscheidet. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der ihr mitgeteilten Kurzbegründung der Staatsanwaltschaft entnommen, dass gegen den Kläger ein Resttatverdacht fortbesteht.
- 31
-
b) Das Bundeskriminalamt hat gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten ferner zu löschen, wenn ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist. Gemäß § 32 Abs. 3 BKAG prüft das Bundeskriminalamt bei der Einzelfallbearbeitung und nach festgesetzten Fristen, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Die Aussonderungsprüffristen dürfen bei Erwachsenen zehn Jahre nicht überschreiten, wobei nach Zweck der Speicherung sowie Art und Schwere des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 8 BKAG sind in der Errichtungsanordnung Prüffristen und Speicherungsdauer festzulegen. Regelmäßig ist die Kenntnis der Daten im Sinne des § 32 Abs. 2 BKAG nicht mehr erforderlich, wenn die Aussonderungsprüffrist abgelaufen ist. Die Aussonderungsprüffrist beginnt gemäß § 32 Abs. 5 Satz 1 BKAG regelmäßig mit dem Tag, an dem das letzte Ereignis eingetreten ist, das zur Speicherung der Daten geführt hat. Diese Regelung unterscheidet sich von derjenigen in § 489 Abs. 6 StPO und § 494 Abs. 2 StPO dadurch, dass nach den zuletzt genannten Bestimmungen ausdrücklich spätere Speicherungen berücksichtigt werden, indem sie die Löschung hinausschieben, bis für alle Eintragungen die Löschungsvoraussetzungen erfüllt sind. Demgegenüber knüpft § 32 Abs. 5 BKAG an das letzte Ereignis an, das zur Speicherung der Daten geführt hat (Urteil vom 22. Oktober 2003 a.a.O. S. 3). Nach Nr. 8.1.1 Satz 1 der Errichtungsanordnung für die Datei "Gewalttäter Sport" beträgt die Aussonderungsprüffrist für Erwachsene und Jugendliche grundsätzlich fünf Jahre.
- 32
-
Die Voraussetzungen zur Löschung liegen demnach noch nicht vor. Bezogen auf die mündliche Verhandlung im Berufungsverfahren war die Fünfjahresfrist noch nicht verstrichen. Die Umstände des Einzelfalles gebieten keine Verkürzung der Frist. Dies ergibt sich aus den Feststellungen im Berufungsurteil. Darin ist ausgeführt, wenn es auch im Einzelnen strittig sei, wie es zu der Schlagverletzung bei dem Kläger gekommen sei, so hätten doch zwei Zeugen übereinstimmend und vom Kläger auch nicht bestritten ausgesagt, dass er an der Spitze der Gruppe von ca. 30 bis 40 Personen gelaufen sei, die über die Absperrung hinweg auf die Tartanbahn des Sportplatzes gelangt und auf die gegnerische Fangemeinde zugelaufen sei. Schon dieses Verhalten des Klägers zeige, dass er als Sportzuschauer nicht gewillt sei, sich an die Vorgaben der Polizei zu halten und Absperrungen zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Fußballspieles zu beachten. Dass es sich auch aus Sicht der veranstaltenden Vereine um ein erhebliches Fehlverhalten gehandelt habe, werde daran deutlich, dass gegenüber dem Kläger von dem Fußballverein Hannover 96 für den Zeitraum von Februar 2007 bis Juni 2008 ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen worden sei. Auch wenn die "Brigade Nord 99", zu der der Kläger gehört, nicht als gewaltbereite Fangruppierung eingestuft werde, rechtfertige sein Verhalten am 24. Mai 2006 die Befürchtung, dass er auch bei anderen Fußballspielen sich nicht ordnungsgemäß verhalten werde. Diese Feststellungen sind ausreichend, die Aufnahme des Klägers in die Datei "Gewalttäter Sport" gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 BKAG weiterhin für erforderlich zu halten.
- 33
-
3. Über die Revision kann der Senat gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden; weiterer tatsächlicher Ermittlungen oder Würdigungen bedarf es nicht. Aus den vorgenannten Gründen waren die Urteile des Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung öffentlich, in einer Versammlung, durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) oder mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
Im Sinne dieses Gesetzes sind
- 1.
sexuelle Handlungen nur solche, die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind, - 2.
sexuelle Handlungen vor einer anderen Person nur solche, die vor einer anderen Person vorgenommen werden, die den Vorgang wahrnimmt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.