Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 22. Feb. 2018 - 1 K 862/17.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2018:0222.1K862.17.00
bei uns veröffentlicht am22.02.2018

Tenor

1. Der Bescheid vom 28. Juni 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 3. August 2017 des Beklagten werden aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 396,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten sowie Ziffer 2 des Tenors vorläufig vollstreckbar.

5. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Erstattung von im Rahmen der Jugendhilfe für einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer aufgewendeten Arztkosten.

2

Der am ... Oktober 2001 im Iran geborene Ausländer A. hielt sich unbegleitet im Bundesgebiet auf. Er wurde am 6.Oktober 2015 in Obhut genommen und auf Veranlassung des Jugendamtes der Klägerin untergebracht. Er ist am 30. September 2015 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Die Inobhutnahme durch die Klägerin endete zum 31. Oktober 2015. Ab dem 1. November 2015 erfolgte eine Übernahme des Falls durch den Landkreis L.

3

In diesem Zeitraum entstanden unter anderem Kosten für ärztliche Behandlungen und Laboruntersuchungen in Höhe von 396,00 €. Diese setzen sich wie folgt zusammen: Laboruntersuchung am 9. Oktober 2015 (Rechnung vom 19. November 2015) in Höhe von 55,37 €, Laboruntersuchung vom 8. Oktober 2015 (Rechnung vom 19. November 2015) in Höhe von 136,98 € und ärztliche Untersuchung vom 8. Oktober 2015 sowie vom 13. Oktober 2015 (Rechnung vom 3. Dezember 2015) in Höhe von 203,65 €.

4

Mit Bescheid vom 19. Februar 2016 bestimmte das Bundesverwaltungsamt das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Beklagten als erstattungspflichtigen überörtlichen Träger. Unter dem 24. März 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Kostenerstattung beim Beklagten, an den sie mit Schreiben vom 28. April 2016 erinnerte und eine Frist bis zum 31. Mai 2016 setzte. Mit Schreiben vom 16. September 2016 erkannte der Beklagte für die Zeit ab dem 6. Oktober 2015 bis längstens zur Volljährigkeit seine Kostenerstattungspflicht dem Grunde nach an.

5

Mit Schreiben vom 28. Juni 2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die eingereichte Kostenrechnung vom 28. April 2016 erhalten und geprüft worden sei. Die von der Klägerin geltend gemachten Arzt- und Labor- sowie Dolmetscherkosten in Höhe von insgesamt 937,93 € seien nicht erstattungsfähig, da sie bisher nicht durch Einzelnachweise belegt worden seien. Der Beklagte stellte eine erneute Prüfung der vorgenannten Positionen in Aussicht, wenn die entsprechenden Einzelnachweise nachgereicht würden. Insgesamt sei nur ein erstattungsfähiger Betrag von 3.676,21 € anzunehmen. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs angefügt.

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Mit E-Mail vom 6. Juli 2017 übersandte die Klägerin entsprechende Unterlagen bzw. Rechnungskopien hinsichtlich der Kostenanforderung vom 28. April 2016. Darunter unter anderem Rechnungen vom 19. November 2015 über 55,37 € bzw. 136,98 € sowie eine Rechnung vom 3. Dezember 2015 über einen Betrag von 203,65 € und eine Rechnung vom 16. Oktober 2015 über 541,93 € (Dolmetscherkosten).

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Der Beklagte erließ unter dem 3. August 2017 einen „Widerspruchsbescheid“. Darin wurde ausgeführt, dass die Dolmetscherkosten in Höhe von 541,93 € erstattungsfähig seien. Demgegenüber könne allerdings keine Kostenübernahme hinsichtlich der Arzt- und Laborkosten in Höhe von insgesamt 396,00 € erfolgen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der Krankenhilfe des § 40 SGB VIII der Hilfeumfang der §§ 47 bis 52 SGB XII analog gelte. In § 52 SGB XII sei festgehalten, dass diese in Art und Umfang dem Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche. Die Vergütungen seien in dem einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) bzw. dem Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) geregelt. Die vorliegenden Krankenhilfekosten basierten allerdings auf den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bzw. der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und entsprächen somit den Richtlinien der privaten Krankenversicherung. Auch die Reduzierung der Sätze auf den einfachen Satz entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen und könne daher nicht angewandt werden. Die Anwendung der Abrechnung analog der privaten Krankenversicherung sei auch nicht durch § 40 Satz 2 SGB VIII gedeckt, da dies auf den medizinischen Bedarf sowie eventuell Hilfsmittel bezogen sei, welche die Patienten in der Regel selbst zahlen müssten. Es sei zudem nicht nachvollziehbar, warum eine Abrechnung nach den Maßstäben der gesetzlichen Krankenversicherung durch niedergelassene Ärzte mit kassenärztlicher Zulassung nicht möglich gewesen sei. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die mögliche Erhebung einer Klage beim Verwaltungsgericht Mainz angefügt.

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Die Klägerin hatte bereits am 21. Dezember 2016 Klage erhoben (Az. 1 K 1467/16.MZ). Neben dem streitgegenständlichen Anspruch hatte sie damit gleichzeitig mehrere teilweise gleichgelagerte Ansprüche bei dem erkennenden Gericht mit einem Klagevolumen von insgesamt 1.305.958,09 € geltend gemacht. Die Kammer hat nach Erlass des „Widerspruchsbescheids“ am 3. August 2017 das Verfahren abgetrennt und unter dem hiesigen Aktenzeichen fortgeführt. Die Beteiligten betrachten dieses Verfahren gemeinsam mit zwei weiteren Verfahren (Az. 1 K 858/17.MZ und 1 K 863/17.MZ) als „Musterverfahren“ zu einigen der dort behandelten Rechtsfragen.

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Zur Begründung der hiesigen Klage verweist die Klägerin im Wesentlichen auf ihr Vorbringen im Verfahren 1 K 858/17.MZ. Dort trug sie wie folgt vor: Die unbegleiteten ausländischen Kinder und Jugendlichen würden vom Jugendamt der Klägerin in Obhut genommen und dabei auf der Grundlage von § 76 Abs. 1 SGB VIII von der Caritas versorgt. Diese übernehme auch die ärztliche Versorgung der Jugendlichen im Rahmen der Alltagssorge. Die Caritas arbeite bei der ärztlichen Versorgung mit Vertrauensärzten zusammen. Dies sei zunächst bei der ärztlichen wie zahnärztlichen Versorgung jeweils ein bestimmter Arzt gewesen, was aus Gründen des Kindeswohls vom Jugendamt der Klägerin gebilligt werde. Der Umgang mit dieser spezifischen Personengruppe setzte Erfahrung mit bestimmten Krankheitsbilder und Verhaltensweisen voraus. Ein auf diese Patienten spezialisierter Arzt sei auch in der Lage, bei Sprachproblemen angemessen zu reagieren. Es sei auch nicht so, dass es nach dieser Klientel bei den Ärzten eine große Nachfrage gäbe. Daher bestünden keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Caritas im Rahmen der Alltagssorge mit bestimmten Ärzten zusammenarbeite.

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Die Auswahl des Vertrauensarztes erfolge nach sachlichen Kriterien. Maßgeblich sei die Bereitschaft zum Umgang mit einer größeren Zahl dieser Klientel, die entsprechende Fachkompetenz und die Entfernung der Praxis zu der jeweiligen Unterbringungsstätte der Kinder und Jugendlichen. Die ärztliche Versorgung werde seit jeher von einem bestimmten Arzt wahrgenommen. Seit im Oktober 2013 die Zahl der zu versorgenden Kinder und Jugendlichen in die Höhe gegangen sei, seien dessen Behandlungskapazitäten erschöpft gewesen, sodass weitere drei Ärzte in Anspruch genommen worden seien. Diese seien von der Caritas nach den oben genannten Kriterien ausgewählt worden. Nach dem Rückgang der Zahlen einreisender unbegleiteter Kinder und Jugendlicher arbeiteten derzeit noch drei Vertrauensärzte für die Caritas. Die Reihenuntersuchungen setzten voraus, dass ein belastbares Röntgengerät zu Verfügung stehe. Hier sei zunächst mit dem Gesundheitsamt des Landkreises G. zusammengearbeitet worden. Nachdem dort die notwendigen Gerätschaften wegen Defekts nicht mehr zu Verfügung gestanden hätten, sei ein freier Lungenfacharzt aufgesucht worden. Derzeit würden diese Untersuchungen im Evangelischen Krankenhaus in G. vorgenommen. Der Vertrauensarzt sei seit 2006/2007 für die Caritas tätig. Hier hätten sich keine Kapazitätsprobleme ergeben.

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Das Jugendamt der Klägerin habe nach der Inobhutnahme der Kinder und Jugendlichen Krankenhilfe zu gewährleisten. Dabei gelte § 40 SGB VIII wegen fehlender Verweisung nicht unmittelbar, dennoch seien in Ermangelung anderer gesetzlicher Vorgaben dessen Grundsätze entsprechend anzuwenden. Grundsätzlich fänden daher die §§ 47 bis 52 SGB XII Anwendung. Daher sei die Krankenbehandlung zwar primär nach § 264 SGB V vorzunehmen. Eine Begrenzung der Kostenerstattung nach der Leistungshöhe sei gemäß § 40 Satz 2 SGB VIII jedoch nicht vorgesehen.

12

Die in § 264 SGB V vorgesehene Ausstellung der Versichertenkarte durch die Krankenkasse dauere in aller Regel vier Wochen. Solange könne mit Reihenuntersuchungen wegen des hohen Infektionsrisikos aber nicht gewartet werden. Das Jugendamt der Klägerin habe versucht, stattdessen die kurzfristige Ausstellung von Behandlungsscheinen einer gesetzlichen Krankenkasse zu erreichen. Die betreffende Krankenkasse habe den Versuch jedoch bereits nach wenigen Tagen wegen Belastung aufgrund des hohen Bedarfs an derartigen Scheinen eingestellt. Die Ärzte könnten verlangen, dass die Erstattungspflicht der Krankenkasse durch Vorlage der Versichertenkarte oder eines Behandlungsscheins nachgewiesen werde. Ein solches Verlangen sei auch berechtigt, weil sie anderenfalls das Risiko eingingen, auf den Behandlungskosten sitzen zu bleiben. Dieses Risiko müssten die Ärzte nur in dringenden Fällen übernehmen, also im Einzelfall. Die Behandlungspflicht gelte also nicht bei einem hohen Patientenaufkommen ohne Versichertenkarte. In diesen Fällen könnten die Ärzte die Behandlung verweigern oder die Abrechnung nach GOÄ und GOZ verlangen. Das Kind oder der Jugendliche habe nach § 40 Satz 2 SGB VIII aber einen Anspruch auf Übernahme der Kosten durch das Jugendamt der Klägerin.

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Die Ärzte seien offenbar nur bereit gewesen, Behandlungen von Personen zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenkassen zu übernehmen, wenn sie über eine Versichertenkarte verfügt hätten. Dazu seien sie berechtigt, wenn kein dringender Fall im Sinne von § 15 Abs. 5 SGB V vorliege. Die Ärzte seien nicht bereit gewesen, ohne Vorliegen der Versichertenkarte zu den Bedingungen der Krankenkassen abzurechnen, weil dafür der Verwaltungsaufwand zu groß sei. Auch dies sei nachvollziehbar. Die Abrechnung zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten erfolge nach einem bestimmten System, über das die Ärzte nicht allein verfügten, und das voraussetze, dass die elektronische Versichertenkarte vorliege. Sie müssten sich also so eine eigene Abrechnungslogistik aufbauen, die ohne die Versichertenkarte funktioniere. Das sei höchst aufwendig. Eine Pflicht, diesen Aufwand zu leisten, gebe es nicht. Also sei nur eine privatärztliche Abrechnung möglich gewesen. Die Nachweisobligation des § 15 Abs. 2 SGB V gebe es nämlich auch deshalb, weil die Versichertenkarte dem Vertragsarzt die Abrechnung mit der Krankenkasse überhaupt erst ermögliche. Das bedeute, dass der Gesetzgeber anerkenne, dass eine Abrechnung zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenkassen nur mit der Versichertenkarte möglich sei, und das nur in den Einzelfällen des § 15 Abs. 5 SGB V das Zahlungsrisiko, das bei fehlender Versichertenkarte eintrete, beim Arzt verbleibe. Das gelte also nicht bei einem hohen Aufkommen von Patienten ohne Versichertenkarte. Hier sei der Arzt nicht verpflichtet, das wirtschaftliche Risiko dafür zu übernehmen, dass der betreffende Patient versichert sei.

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Der Beklagte begründe seine Zahlungsverweigerung damit, dass die Ärzte nach § 95 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB V zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben verpflichtet seien. Dabei werde von dem Beklagten jedoch übersehen, dass zu den gesetzlichen Maßgaben auch gehöre, dass die Behandlung außer in dringenden Fällen erst nach Vorlage der Versichertenkarte oder des Behandlungsscheins begonnen werden müsse. Folglich seien die Ärzte berechtigt gewesen, die Leistungen privat abzurechnen soweit nicht im Einzelfall ein dringender Fall vorgelegen habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 28. Juni 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 3. August 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 396,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Er verweist im Wesentlichen auf seine Klageerwiderung im Verfahren 1 K 858/17.MZ. Mit der dortigen Klageerwiderung wiederholt und vertieft der Beklagte sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Wie aus der Klagebegründung hervorgehe, seien die entsprechenden Ärzte allein von der Caritas ausgewählt worden, was die Klägerin billigend in Kauf genommen habe. Die Tatsache, dass es sich bei den Klienten um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gehandelte habe, sei ebenfalls kein rechtlich zulässiger Grund für die Verweigerung einer Behandlung. Letztlich sei auch nicht davon auszugehen, dass es sich hierbei durchgehend um schwierige Personengruppe handle. Somit sei es auch nicht erforderlich gewesen, dass nur Ärzte aufgesucht würden, welche Erfahrungen mit diesen Personen aufwiesen. Da es in der Gesamtbevölkerung unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Charakteren gebe, müsste vielmehr davon ausgegangen werden, dass jeder Arzt in der Lage sei, mit Patienten entsprechend umzugehen. Hinsichtlich eventueller Sprachbarrieren gebe es diese ebenfalls auch in der Gesamtbevölkerung. Dass der Arzt gegebenenfalls die Muttersprache des Patienten spreche sei ebenfalls kein rechtlich zulässiger Grund für eine abweichende Abrechnung. Die Tatsache, dass die Krankenversichertenkarte nicht vorgelegen habe und die Krankenkasse auch keine entsprechenden Behandlungsscheine aufgrund der Masse ausgestellt habe, könne auch keine Begründung für eine ärztliche Versorgung auf Privatarztbasis ergeben. Letztlich könne das örtliche Jugendamt auch selbst entsprechende Behandlungsscheine ausstellen. Dies sei im Übrigen auch zum Teil noch gängige Praxis. Rückmeldungen, dass Ärzten in diesen Fällen keine Abrechnung nach den Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vornehmen könnten, lägen den Beklagten in diesem Zusammenhang nicht vor.

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Im Rahmen des § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) sei geregelt, dass der entsprechende Personenkreis nur in Akutfällen eine ärztliche Behandlung erhalte, sowie die erforderlichen Impfungen, dies sich aber auch nach den Richtlinien der gesetzlichen Krankenversicherung richte. Im Vergleich hierzu würden die unbegleiteten minderjährigen Ausländer durch die Anwendung des § 40 SGB VIII bereits bessergestellt. Dies könne aber nicht bedeuten, dass Ärzte letztlich einen höheren Profit, welcher aus Steuergeldern zu tragen sei, erwirtschafteten und dies mit einem erhöhten Patientenaufkommen aus dem Personenkreis der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge begründeten.

21

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg. Sie ist als Anfechtungs- bzw. Leistungsklage zulässig und begründet. Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage zum einen die Zahlung von Geld, hier die Erstattung aufgewendeter Kosten für die Gewährung von Krankenhilfe im Rahmen einer Inobhutnahme. Zum anderen war aber auch über die Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit der von dem Beklagten erlassenen (formellen) Verwaltungsakte zu entscheiden, da diese jedenfalls einen der Zahlungsverpflichtung des Beklagten entgegenstehenden Rechtsschein begründen.

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Hinsichtlich der von dem Beklagten erlassenen Bescheide, die eine Zahlung des streitgegenständlichen Betrages ablehnen, ist die Anfechtungsklage statthaft. Das eine Zahlung insoweit ablehnende Schreiben des Beklagten vom 28. Juni 2017 („Ablehnungsbescheid“) und der ebenso zurückweisende „Widerspruchbescheid“ vom 3. August 2017 erscheinen aufgrund ihrer äußeren Form als Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs X (SGB X). Dies folgt insbesondere aus der anhängenden Rechtsbehelfsbelehrung im Schreiben vom 28. Juni 2017, die auf die Möglichkeit der Erhebung eines Widerspruchs hinweist (vgl. dazu schon BVerwG, Urteil vom 1. Oktober 1963 – IV C 9/63 –, NJW 1964, 1151 [1152]). Dies lässt für den Adressaten nur den Schluss zu, dass per Verwaltungsakt gehandelt werden sollte, weil nur gegen diese grundsätzlich das Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft ist. Auch durch die Bezeichnung als „Widerspruchbescheid“ wird der Wille der Behörde, einen Verwaltungsakt zu erlassen, für einen objektiven Betrachter eindeutig erkennbar.

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Allerdings wird eine Maßnahme, die kein Verwaltungsakt im materiellen Sinne ist, nicht allein durch ihre äußere Form zu einem solchen Verwaltungsakt (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35, Rn. 72). Die in § 31 Satz 1 SGB X statuierten Voraussetzungen sind damit keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen, sondernmateriell-rechtliche Wesensmerkmale des Verwaltungsaktes (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35, Rn. 17). In dieser Hinsicht fehlt es hier an einer hoheitlichen Maßnahme, also einer solchen in einem Über-/Unterordnungsverhältnis, sodass die Ablehnung einer Zahlung durch den Beklagten ebenso wie die Anforderung der Erstattung durch die Klägerin per Verwaltungsakt unzulässig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 1970 – 10 RV 483/68 –, juris, Rn. 19; BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32). Es handelt sich hier um Erstattungsansprüche zwischen zwei Hoheitsträgern, die sich auf Gleichordnungsebene gegenüberstehen. Dem Beklagten fehlt es daher in diesem Zusammenhang an der Berechtigung durch Verwaltungsakt zu handeln (sog. „VA-Befugnis“). Wo sich zwei Rechtsträger des öffentlichen Rechts in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger begegnen, ist ein Verwaltungsakt grundsätzlich nicht denkbar (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 1957 – 4 RJ 228/55 –, BeckRS 1957, 00099, Rn. 21). Die VA-Befugnis kann im Verhältnis zwischen Hoheitsträgern nur ausnahmsweise durch den Gesetzgeber angeordnet werden, sodass dann insoweit eine hoheitliche Maßnahme vorliegen kann (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993 – 14a RKa 6/92 –, NJW-RR 1994, 788 [790] m.w.N.). Insofern ist dies nur für die Bestimmung des erstattungspflichtigen Trägers durch das Bundesverwaltungsamt gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. erfolgt. Hinsichtlich des Bestehens oder der Höhe eines Erstattungsanspruchs ist keine Entscheidung per Verwaltungsakt notwendig, weil dies bereits kraft Gesetzes feststeht und – über die Bestimmung des zuständigen Kostenträgers hinaus – keiner gesonderten Festsetzung mehr bedarf (vgl. zu den §§ 102 ff. SGB X: Weber, in: BeckOK Sozialrecht, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 102 SGB X, Rn. 43).

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Gleichwohl hat sich der Beklagte der äußeren Form nach dem Instrument eines Verwaltungsakts bedient. Es handelt sich damit allerdings nicht um einen materiellen, sondern nur um einen formellen Verwaltungsakt, der ebenso einer prozessualen Anfechtung zugänglich ist. In einem solchen Fall erstreckt sich die gerichtliche Prüfung der Begründetheit auch auf die Feststellung, dass die Behörde eine Maßnahme in die Form des Verwaltungsaktes kleiden konnte (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35, Rn. 16). Soweit es – wie hier – um die Aufhebung eines rein formellen Verwaltungsakts geht, ist die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 4 R 71/06 R –, BeckRS 2006, 44566, Rn. 16; BayVGH, Urteil vom 2. August 2016 – 22 B 16.619 –, BeckRS 2016, 50120, Rn. 35, 41 ff.; a. A. VG Wiesbaden, Urteil vom 5. März 2007 – 7 E 1536/06 –, NVwZ-RR 2007, 613: Feststellungsklage). Deren übrige Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere ein ordnungsgemäßes Vorverfahren sowie Einhaltung der Klagefrist, liegen vor. Es kann daher dahinstehen, ob die §§ 68 ff. VwGO auch bei rein formellen Verwaltungsakten, einschließlich der dadurch eintretenden Bestandskraft, Anwendung finden können.

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Die Klage ist im Übrigen als Leistungsklage zulässig, da der begehrten Erstattung – wie oben dargelegt – kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X vorausgehen muss (so ausdrücklich BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32).

27

Die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung liegen vor. Da die formellen (ablehnenden) Verwaltungsakte einen dem Zahlungsbegehren entgegenstehenden Rechtsschein erzeugen, stehen sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang mit dem Leistungsantrag (vgl. dazu Riese, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 33. EL Juni 2017, § 113, Rn. 194), sodass auch hier § 113 Abs. 4 VwGO heranzuziehen ist. Selbst wenn dieser bei formellen Verwaltungsakten nicht einschlägig wäre, ergäbe sich die Zulässigkeit der Klagehäufung aus § 44 VwGO.

28

Die Anfechtungsklage ist begründet, da dem Beklagten insgesamt bereits aufgrund des zwischen ihm und der Klägerin bestehenden Gleichordnungsverhältnisses – wie oben dargelegt – keine Verwaltungsaktbefugnis zukommt. Die eine Erstattung ablehnenden Bescheide sind schon deshalb (zumindest) rechtswidrig und aus Gründen der Rechtsklarheit auch im Tenor aufzuheben (vgl. für einen nicht ordnungsgemäß bekanntgegebenen Verwaltungsakt: OVG RP, Urteil vom 25. Juni 1986 – 8 A 92/85 –, NVwZ 1987, 899).

29

Im Übrigen ist die Klage – hinsichtlich der allgemeinen Leistungsklage – ebenfalls begründet, da die Klägerin einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat.

30

Die Klägerin hat einen Anspruch gemäß §§ 89d Abs. 1, Abs. 3 (a. F.), 89f Abs. 1 SGB VIII auf Erstattung der aufgewendeten auf privatärztlicher Grundlage berechneten Behandlungskosten für den in Obhut genommenen. Nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgewendet hat, vom Land zu erstatten, wenn an einen jungen Menschen oder einen Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Gemäß § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII – in der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung (vgl. BGBl. I 2015, 1802) – wurde, sofern (wie hier) die Person im Ausland geboren ist, das erstattungspflichtige Land auf der Grundlage eines Belastungsvergleichs vom Bundesverwaltungsamt bestimmt.

31

Vorliegend findet § 89d Abs. 3 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 Anwendung. Nach Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (VerbaKJUVBG) vom 28. Oktober (BGBl. I 2015, 1802) wurde § 89d Abs. 3 SGB VIII aufgehoben, wobei Art. 5 Abs. 1 VerbaKJUVBG bestimmt, dass Art. 1 Nr. 9 VerbaKJUVBG zum 1. Juli 2017 in Kraft tritt. Weder die Vorschriften des VerbaKJUVBG noch des SGB VIII enthalten insoweit eine Übergangsreglung, etwa der Gestalt, dass laufende Verwaltungsverfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind. Da der Gesetzgeber keine Übergangsregelung erlassen hat, sind in Ermangelung derartiger Vorschriften die Regeln des intertemporalen Rechts anzuwenden.

32

Danach wird der unmittelbar nur die Anwendbarkeit des neuen Rechts betreffende Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung durch den Grundsatz „tempus regit actum“ ergänzt, nachdem die Beurteilung eines Sachverhalts sich grundsätzlich, insbesondere auch für in der Vergangenheit liegende oder eingetretene Tatsachen nach dem Recht richtet, das im entsprechenden Zeitpunkt in Geltung war (EuGH, Urteil vom 21. September 2017 – C-88/15 –, juris, Rn. 38; BFH, Urteil vom 8. November 2006 – X R 45/02 –, juris, Rn. 22; OVG RP, Urteil vom 11 März 1997 – 6 A 10700/96.OVG –, juris, Rn. 29 ff.). Außer Kraft getretene Rechtsnormen bleiben danach anwendbar auf Sachverhalte, die während ihrer Geltung verwirklicht worden sind. Demgemäß finden auf das vorliegende Verfahren die bisherigen Vorschriften des SGB VIII Anwendung.

33

Zudem stellt § 89d Abs. 3 SGB VIII ohnehin vornehmlich eine Vorschrift zur Bestimmung der Zuständigkeit dar (vgl. OVG RP, Beschluss vom 12. Januar 2018 – 7 A 11652/17 –, juris, Rn. 13), die – sobald sie durch das Bundesverwaltungsamt einmal wirksam erfolgt ist – nicht durch Außerkrafttreten der ihr zugrundeliegenden Norm berührt wird. Ein derartiger Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 27. August 1998 – 16 A 3477/97 –, juris, Rn. 14) erwächst insoweit jedenfalls in materielle Bestandskraft, die grundsätzlich auch nicht durch nachträgliche Gesetzesänderungen beseitigt wird.

34

Hier hat die Klägerin den Betroffenen gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII in Obhut genommen und gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII Krankenhilfe gewährt. Dabei handelt es sich um Leistungen und Aufgaben der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 2 SGB VIII, sodass die aufgewendeten Kosten dem Grunde nach erstattungsfähig sind. Die Kostenerstattungspflicht wird hier auch dem Grunde nach von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt.

35

Der Anspruch ist mit Schreiben vom 24. März 2016 auch rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, also vor dem 1. August 2016, geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Ausschluss gemäß § 89d Abs. 4 SGB VIII. Die geltend gemachten Kosten sind im Zeitraum vom 9. bis 13. Oktober 2015 und damit vor dem 1. November 2015 entstanden (vgl. § 42d Abs. 4 und 5 SGB VIII).

36

Dem Anspruch der Klägerin steht im Übrigen auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, selbst wenn diese wirksam erhoben worden sein sollte. Erstattungsansprüche gemäß § 89d Abs. 1, Abs. 3 SGB VIII a. F. verjähren gemäß § 42d Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 SGB VIII i.V.m. § 113 Abs. 1 SGB X innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des Bundesverwaltungsamts über die Bestimmung des erstattungspflichtigen Landes Kenntnis erlangt hat. Denn jedenfalls Rahmen des § 89d Abs. 3 SGB VIII a.F. besteht eine mit § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X vergleichbare Interessenlage, sodass nicht auf das Entstehen des Anspruchs, sondern auf die Kenntnis hinsichtlich des Passivlegitimierten abzustellen ist. Die Vorschrift des § 42d Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 SGB VIII stellt eine Abweichung von der vierjährigen Verjährungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Hier hatte die Klägerin durch Zuweisungsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 19. Februar 2016 Kenntnis von der Leistungspflicht des beklagten Landes. Die Regelung des § 42d Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 SGB VIII ist gemäß Art. 1 Nr. 4 VerbaKJUVBG i.V.m. Art. 5 Abs. 2 VerbaKJUVBG am 1. November 2015 in Kraft getreten. Entsprechend der Umsetzungshinweise des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) soll damit für sämtliche am 1. November 2015 bestehende, nicht ausgeschlossene sowie nicht verjährte Ansprüche, eine neue einheitliche Verjährung zum 31. Dezember 2016 greifen (BMFSFJ, JAmt 2016, 302). Das bedeutet, sämtliche zum Zeitpunkt des Inkrafttretens laufende Verjährungsfristen richten sich ab 1. November 2015 nach der Neuregelung (BMFSFJ, JAmt 2016, 302). Maßgebliches Ereignis für den Verjährungsbeginn ist dann das Inkrafttreten des Gesetzes (BMFSFJ, JAmt 2016, 302; siehe auch Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 42d SGB VIII, Rn. 19.1). Mit der Regelung in § 42d Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 SGB VIII zielt der Gesetzgeber auf ein baldiges Ende von Erstattungen nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. ab, die aus der Zeit vor Geltung der §§ 42a ff. SGB VIII stammen (vgl. Kirchhoff, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 42d SGB VIII, Rn. 20). Unter Zugrundlegung dieser Grundsätze ist die Verjährungsfrist jedenfalls mit Klageerhebung am 21. Dezember 2016 gewahrt.

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Streitig ist zwischen den Beteiligten letztlich der Umfang der Kostenerstattungspflicht hinsichtlich der von der Klägerin für die ärztliche Behandlung der Hilfeempfängerin aufgewendeten Kosten. Dieser Frage wird von den Beteiligten – trotz des geringen Betrags wegen einer Vielzahl weiterer Abrechnungsfälle – offenbar eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen. Im Ergebnis sind die von der Klägerin mit dieser Klage geltend gemachten Kosten in Höhe von 396,00 € vollumfänglich erstattungsfähig.

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Zunächst gilt die Bagatellgrenze des § 89f Abs. 2 SGB VIII von 1.000 € ausdrücklich im Rahmen von § 89d SGB VIII nicht. Der Umfang der Kostenerstattung ergibt sich aus § 89f Abs. 1 SGB VIII. Unmittelbare ergänzende Anwendung finden darüber hinaus die §§ 108 Abs. 1 und 109 sowie 111 bis 113 SGB X (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 1). Ersetzt werden können nur die Sachkosten, nicht die Verwaltungskosten, wie sich aus § 109 Satz 1 SGB X ergibt (Wiesner, a. a. O., Rn. 5). Die Kosten sind gemäß § 89f SGB VIII nur erstattungsfähig, soweit die Aufgabenerfüllung den Vorschriften des SGB VIII entspricht (sog. Grundsatz der Gesetzeskonformität; vgl. dazu etwa Loss, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 3).

39

Im Rahmen der Krankenhilfe des § 40 SGB VIII, der auch auf die Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII sinngemäße Anwendung findet (vgl. § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII; dazu Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 42 SGB VIII, Rn. 33; Kunkel, in: Kunkel/Keppert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Auflage 2016, § 40, Rn. 2), gilt der Hilfeumfang der Sozialhilfe gemäß §§ 47 bis 52 SGB XII analog. Die sinngemäße Anwendbarkeit ergibt sich aus der Verwendung des Wortes „Krankenhilfe“ in § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII sowie der strukturellen Ähnlichkeit der Inobhutnahme mit den in § 40 Satz 1 SGB VIII explizit genannten Hilfen, nämlich solche nach den §§ 33 bis 35 oder nach § 35a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 SGB VIII. Diese Hilfen haben alle eine Unterbringung über Tag und Nacht in einer anderen Familie (§ 33 SGB VIII) oder einer sonstigen Einrichtung, z. B. einem Heim, zum Gegenstand (vgl. §§ 34, 35 und 35a Abs. 2 Nr. 3 oder 4 SGB VIII). Auf eine solche Unterbringung und Betreuung der Kinder und Jugendlichen außerhalb des Elternhauses zielt – hier gemäß § 42 SGB VIII als vorläufige Maßnahme – auch die Inobhutnahme ab. Bei der Anwendbarkeit der in § 40 SGB VIII enthaltenen Vorschriften ist allerdings auf das Wesen der (vorläufigen) Inobhutnahme als Mittel der „Krisenintervention“ (vgl. Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 42, Rn. 1) hinreichend Rücksicht zu nehmen. Anders als bei den vorgenannten Hilfen zur Erziehung ist eine Inobhutnahme regelmäßig vorläufig und zudem bei ihr auch nicht gesichert, dass das Kind oder der Jugendliche auf absehbare Zeit im Zuständigkeitsbereich des betreffenden Jugendamts verbleibt. Dies gilt insbesondere – wie hier – bei der (vorläufigen) Inobhutnahme von unbegleiteten minderjährigen Ausländern gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII, die unter Umständen wenige Tage nach der Inobhutnahme einem anderen Jugendhilfeträger zugewiesen werden oder abgängig sind. Gleichwohl ist hier grundsätzlich der Rechtsgedanke des § 40 SGB VIII – vorbehaltlich entsprechender Modifikationen – anzuwenden.

40

In § 52 Abs. 1 SGB XII ist festgehalten, dass die Leistungen der Krankenhilfe des SGB XII in Inhalt und Umfang dem Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Dementsprechend erhalten die Leistungsberechtigten grundsätzlich das Maß an medizinischer Krankenversorgung, wie die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (Siebel-Huffmann, in: BeckOK SozR, 46. Edition, Stand: 1. Juni 2017, § 52 SGB XII, Rn. 1). Das zuständige Jugendamt muss anstelle des Sozialamtes Krankenhilfe grundsätzlich nach dem SGB XII leisten, allerdings nur dem Umfang und der Art nach, nicht unter dessen materiellen und formellen Voraussetzungen und nicht mit dessen Kostenfolgen für den Hilfeempfänger (vgl. Kunkel, in: Kunkel/Keppert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Auflage 2016, § 40, Rn. 1, 8; Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 40, Rn. 6). Das bedeutet demnach nicht, dass die Jugendhilfe diese Leitungen auch nur in derselben Höhe zu erbringen hätte (Kunkel, a.a.O., Rn. 8). Der notwendige Bedarf im Einzelfall muss im vollen Umfang gedeckt werden (vgl. § 40 Satz 2 SGB VIII), sodass der Leistungsumfang der Krankenhilfe nach SGB VIII auch über den des SGB V und des SGB XII hinausgehen kann (vgl. Winkler, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 40 SGB VIII, Rn. 7).

41

Dahingehend sieht § 47 SGB XII auch die „vorbeugende Gesundheitshilfe“ vor. Dies umfasst die Verhütung und Früherkennung von Krankheiten (vgl. Zink/Lippert, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II: SGB XII, 37. Lfg. Juli 2017, § 47, Rn. 6). Der Anspruch auf vorbeugende Gesundheitshilfe entspricht nach Art, Form und Umfang den im 3. (§§ 20 ff.) und 4. Abschnitt (§§ 25 f.) des 3. Kapitels des SGB V genannten Leistungen und stellt eine ärztliche bzw. zahnärztliche Behandlung im Sinne des § 28 SGB V dar (vgl. Zink/Lippert, a.a.O., Rn. 6, 24). Darunter fallen gemäß § 20i SGB V auch Schutzimpfungen. Der Anspruch besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob ein begründeter Verdacht auf eine drohende oder schon bestehende Krankheit vorliegt (vgl. Zink/Lippert, a.a.O., Rn. 6). Es ist nicht einmal ein Verdacht schlechthin erforderlich, weil es sich um rein prophylaktische Maßnahmen handelt (Zink/Lippert, a.a.O., Rn. 6). Insoweit können sich Überschneidungen, etwa mit den Aufgabenbereichen der Gesundheitsämter, ergeben (vgl. Zink/Lippert, a.a.O., Rn. 8 ff.).

42

In § 48 SGB XII ist für nicht versicherte Personen vorgesehen, dass Leistungen zur Krankenbehandlung gemäß §§ 27 ff. SGB V (Drittes Kapitel, Fünfter Abschnitt, Erster Titel) erbracht werden, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. § 48 Satz 1 SGB V). Dies schließt auch die Verhütung und Früherkennung von Krankheiten im Sinne des § 47 SGB XII ein (vgl. Zink/Lippert, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II: SGB XII, 37. Lfg. Juni 2017, § 47, Rn. 6). Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 SGB V gehen allerdings den vorgenannten Leistungen der Hilfe bei Krankheit vor (vgl. § 48 Satz 2 SGB V). Das Jugendamt hat damit für die in Obhut genommenen, soweit dies nicht anderweitig – z. B. durch eine gesetzliche Krankenkasse – sichergestellt werden kann (vgl. § 10 Abs. 1 SGB VIII), Krankenhilfe zu leisten (Winkler, in: BeckOK SozR, 46. Edition, Stand: 1. September 2017, § 42 SGB VIII, Rn. 22a).

43

In § 264 Abs. 1 SGB V ist geregelt, dass die Krankenkasse für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmenkann, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird (Satz 1). Die Krankenkasse ist auch zu einer solchen Übernahme der Krankenbehandlung für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird (Satz 2). Damit wird deutlich, dass die Übernahme der Kosten für die Krankenkasse in diesen Konstellationen grundsätzlich fakultativ ist bzw. von einer entsprechenden Vereinbarung abhängt.

44

Demgegenüber legt § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V bereits zwingend fest, dass die Behandlungskosten unter anderem von – wie hier – nicht versicherten Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem SGB VIII zunächst von der jeweils zuständigen Krankenkasse übernommen werden. Dahingehend überträgt § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V den Krankenkassen die dem Jugendhilfeträger dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechenden Leistungen zu gewähren (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 20/13 R –, BeckRS 2015, 66821, Rn. 13). Dadurch wird die Krankenbehandlung der nach dem SGB VIII Leistungsberechtigten, die nicht versichert sind, von der Krankenkasse aufgrund gesetzlichen Auftrags im Sinne des § 93 SGB X übernommen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 20/13 R –, BeckRS 2015, 66821, Rn. 13). Darüber hinaus wird ebenso die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII sowie von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 AsylbLG von der Krankenkasse übernommen (vgl. § 264 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

45

Nicht erfasst sind gemäß § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V „aus Praktikabilitätsgründen“ (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 140) unter anderem Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen. Dementsprechend exkludiert der Gesetzgeber solche Leistungsempfänger aus dem Abrechnungsverfahren des § 264 SGB V, die voraussichtlich nur für eine kurze Dauer leistungsberechtigt sind und daher für sie der im Folgenden dargestellte Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig wäre.

46

Durch die gesetzliche Regelung des § 264 Abs. 2 bis 7 SGB V soll eine leistungsrechtliche, aber nicht mitgliedschaftsrechtliche, Gleichstellung der Betroffenen mit in den gesetzlichen Krankenversicherungen versicherten Personen hergestellt werden (BT-Drs. 15/1525, S. 141). Die Betroffenen haben gemäß § 264 Abs. 3 SGB V „unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers [...] der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt“. Sie erhalten gemäß § 264 Abs. 4 Satz 2 SGB V eine elektronische Gesundheitskarte im Sinne des § 291 SGB V. Als Maßstab für die „Unverzüglichkeit“ dürfte in analoger Anwendung von § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V regelmäßig ein Zeitraum von (zumindest) zwei Wochen anzusehen sein (vgl. Zink/Lippert, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II: SGB XII, 36. Lfg. Juni 2017, § 48, Rn. 54). Sofern bei Empfängern von Krankenhilfeleistungen kein Bedarf mehr besteht, meldet der jeweilige Jugendhilfeträger diese bei der Krankenversicherung ab und zieht die Gesundheitskarte ein (vgl. § 264 Abs. 5 Sätze 1 und 2 SGB V).

47

Durch Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte weisen die Betroffenen bei den behandelnden Ärzten ihre Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen nach (vgl. § 15 Abs. 2 SGB V). Damit wird der Versichertenstatus der Betroffenen fingiert (vgl. Groth, in: BeckOK Sozialrecht, 46. Edition, Stand: 1. September 2017, § 264 SGB V, Rn. 79). Das gilt gemäß § 264 Abs. 6 SGB V auch für die Abrechnung von mitgliederbezogenen Kopfpauschalen (vgl. Groth, in: BeckOK Sozialrecht, 46. Edition, Stand: 1. September 2017, § 264 SGB V, Rn. 92), die unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen zu entrichten sind (vgl. BT-Drs. 15/1525, S. 141). Ausnahmsweise besteht die Möglichkeit, einen papiergebundenen Anspruchsnachweis vorzulegen (Scholz, in: BeckOK Sozialrecht, 46. Edition, Stand: 1. September 2017, § 15 SGB V, Rn. 16). Gemäß § 19 Abs. 2 Sätze 2 und 3 des Bundesmantelvertrags – Ärzte (BMV-Ä) darf die gesetzliche Krankenversicherung einen solchen Anspruchsnachweis nur im Ausnahmefall zur Überbrückung von Übergangszeiten – bis der Versicherte eine elektronische Gesundheitskarte erhält – unter entsprechender Befristung ausstellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 35/13 R –, BeckRS 2015, 66425, Rn. 19, 33; Scholz, in: BeckOK Sozialrecht, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 19 BMV-Ä, Rn. 5).

48

Sowohl Gesundheitskarte als auch ein papiergebundener Anspruchsnachweis dienen unter anderem der Abrechnung von Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung (vgl. LSG BW, Urteil vom 21. Juni 2016 – L 11 KR 2510/15 –, juris, Rn. 26; Didong, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Auflage 2016, § 15, Rn. 25). Gemäß § 15 Abs. 5 SGB V kann die Gesundheitskarte in „dringenden Fällen“ nachgereicht werden. Ein dringender Fall ist in akuten Notsituationen bei unaufschiebbaren Leistungen anzunehmen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Januar 1996 – 1 RK 12/95 –, NZS 1996, 390 [392]). Nur wenn ein solch dringender Fall vorliegt, ist der jeweilige Arzt verpflichtet (vgl. § 95 Abs. 4 Satz 1 SGB V), dievertragsärztliche Behandlung ohne entsprechenden Nachweis vorzunehmen und das Zahlungsrisiko zu tragen (vgl. dazu VG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2005 – 21 BG 1565/05 –, juris, Rn. 11 ff.); jedenfalls solange der Patient als gesetzlich Versicherter behandelt werden will (Scholz, in: BeckOK Sozialrecht, 46. Edition, Stand: 1. September 2017, § 15 SGB V, Rn. 16). Ist dies nicht gegeben, obliegt es dem Arzt, ob er die Behandlung dennoch vornimmt oder auf privatärztlicher Grundlage direkt gegenüber dem Patienten abrechnet (vgl. auch § 13 Abs. 2 BMV-Ä). Eine Vergütung kann gemäß § 18 Abs. 8 Satz 3 BMV-Ä zudem von einem gesetzlich Versicherten unter anderem dann gefordert werden, wenn die elektronische Gesundheitskarte vor der ersten Inanspruchnahme im Quartal nicht vorgelegt worden ist bzw. ein sonstiger Anspruchsnachweis nicht vorliegt und nicht innerhalb einer Frist von zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme nachgereicht wird (Nr. 1) oder wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt (Nr. 2).

49

Sofern eine Behandlung auf vertragsärztlicher Grundlage durchgeführt wird, werden die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung entstehen, diesen dann von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 264 Abs. 7 Satz 1 SGB V vierteljährlich erstattet. Dabei sind den Krankenkassen gemäß § 264 Abs. 7 Satz 2 SGB V auch angemessene Personal- und Verwaltungskosten zu ersetzen. Diese Konstruktion hat damit zur Folge, dass die Krankenkassen lediglich in Vorleistung treten für die Behandlungskosten im Rahmen der Krankenhilfe. Die Kostenbelastung verbleibt aufgrund der Erstattungspflicht bei den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zuzüglich einer Aufwandsentschädigung für die Krankenkassen. Auch insoweit erscheint es sachgerecht, dass auch bei privatärztlicher Versorgung direkt zwischen Trägern der Jugendhilfe und den Ärzten abgerechnet werden kann. Dadurch würden gleichzeitig Verwaltungs- und Personalkosten der Krankenkassen eingespart, die ansonsten den Krankenkassen erstattet werden müssten.

50

Alternativ zu einer Abrechnung zwischen Arzt und gesetzlicher Krankenversicherung mit anschließender Kostenerstattung besteht die Möglichkeit für den Sozial- bzw. Jugendhilfeträger, dem Betroffenen einen „Behandlungsschein“ (vgl. etwa SG Hamburg, Urteil vom 29. August 2008 – S 56 SO 339/06 –, BeckRS 2008, 57347) oder „Krankenschein“ (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 14. November 1991 – 24 B 2376/91 –, NVwZ-RR 1992, 486) auszustellen, der zur Inanspruchnahme einer medizinischen Leistung unter Zusicherung der Kostenübernahme durch den Sozialhilfe- bzw. Jugendhilfeträger im Sinne des § 34 SGB X berechtigt (vgl. Siebel-Huffmann, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Juni 2017, § 48 SGB XII, Rn. 5). Daneben kann auch eine Zusicherung gegenüber dem behandelnden Arzt erfolgen (vgl. dazu Siebel-Huffmann, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Juni 2017, § 48 SGB XII, Rn. 5). In diesem Fall kann unmittelbar zwischen Sozial- bzw. Jugendhilfeträger und dem behandelnden Arzt abgerechnet werden. Möglich ist insoweit – nach entsprechender Vereinbarung – auch eine Abrechnung mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach den für die vertragsärztliche Versorgung gültigen Bestimmungen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 2. Februar 1998 – 5 B 99/97 –, NJW 1998, 1806 [1807]; SG Hamburg, Urteil vom 29. August 2008 – S 56 SO 339/06 –, BeckRS 2008, 57347, Rn. 3).

51

Insgesamt sind die Krankenkassen zwar im Bereich des § 48 SGB XII grundsätzlich vorrangig zuständig für die Krankenbehandlung (vgl. BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 20/13 R –, BeckRS 2015, 66821, Rn. 15; Siebel-Huffmann, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Juni 2017, § 48 SGB XII, Rn. 5). Die §§ 47 bis 52 SGB XII als Normen der Sozialhilfe sind jedoch im Bereich der Jugendhilfe über § 40 SGB VIII nur entsprechend anzuwenden, also auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsmaterie der Jugendhilfe (Kunkel, in: Kunkel/Keppert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 6. Auflage 2016, § 40, Rn. 9). Darüber hinaus gilt die durch § 40 SGB VIII getroffene Regelung für die Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII auch nur sinngemäß und gerade nicht durchausdrücklichen Anwendungsbefehl des Gesetzgebers. Insoweit können auch besondere Situationen bei der (vorläufigen) Versorgung insbesondere unbegleiteter minderjähriger Ausländer bei der Anwendung einfließen.

52

Die privatärztliche Versorgung ist der Krankenhilfe im Sinne des SGB VIII auch nicht gänzlich fremd. Insoweit sieht § 40 Satz 4 SGB VIII die Beitragsübernahme einer freiwilligen – auch privaten – Krankenversicherung vor, soweit sieangemessen ist (vgl. Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 40, Rn. 16). Grundsätzlich ist in § 52 Abs. 3 Satz 2 SGB XII normiert, dass Ärzte für ihre Leistungen Anspruch auf die Vergütung haben, welche die Ortskrankenkasse, in deren Bereich der Arzt niedergelassen ist, für ihre Mitglieder zahlt. Selbst wenn die Vorschrift bedeuten sollte – was hier offengelassen werden kann –, dass der jeweilige Arzt eine Behandlung der insoweit Leistungsberechtigten nur dann übernehmen kann und darf, sofern er bereit sei zu den Grundsätzen der gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen (vgl. Lippert, in: Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II: SGB XII, 37. Lfg. Juli 2017, § 52 SGB XII, Rn. 34), kann diese Regel vor dem Hintergrund der Sondersituation bei der Inobhutnahme Minderjähriger nach der Einreise keine Anwendung finden. Die Inobhutnahme als Mittel der Krisenintervention erfordert vor allem bei Eingangsuntersuchungen – insbesondere im Hinblick auf die Vorsorge gegen übertragbare Krankheiten – ein schnelles und zielgerichtetes Einschreiten des Jugendhilfeträgers. Dies würde erheblich dadurch gehindert, wenn nur solche Ärzte vom Jugendhilfeträger gewählt werden könnten, die zu einer Abrechnung nach den oben genannten Prinzipien bereit wären. Eine Verpflichtung zur Behandlung in den vorgenannten Fällen sieht das Gesetz in diesen Fällen gerade nicht vor; anders allerdings bei Vorlage der elektronischen Gesundheitskarte oder eines papiergebundenen Anspruchsnachweises der Krankenkasse (vgl. § 13 Abs. 1 BMV-Ä). Es spricht zudem auch überwiegendes dafür, dass § 52 Abs. 3 Satz 2 SGB XII – jedenfalls im Bereich der Jugendhilfe – eine andere und unter Umständen höhere Vergütung nicht ausschließt und insoweit disponibles Recht darstellt.

53

Es ist ein nachvollziehbares Anliegen des örtlichen Trägers der Jugendhilfe, einen Arzt auszuwählen, der zum einen mit der Handhabung von Eingangsuntersuchungen und der Behandlung von typischen Krankheitsbildern bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern geübt ist und zum anderen eine zeitnahe sowie zuverlässige Untersuchung gewährleisten kann. Darüber hinaus kann auch die Nähe zum Unterbringungsort des in Obhut genommenen eine Rolle spielen, die eine Kostenersparnis hinsichtlich der Fahrtkosten bewirken könnte. Zudem verbessert auch § 40 SGB VIII in den Sätzen 2 bis 4 die Versorgung von Kindern und Jugendlichen gegenüber den Hilfeempfängern nach SGB XII. Die Übernahme von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen im Sinne des § 40 Satz 3 SGB VIII sind dabei nur als Regelbeispiele einzuordnen (Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 40, Rn. 7a) und stellen daher keine abschließende Aufzählung dar. Etwaige Begrenzungen der Leistungshöhe nach SGB XII gelten ausweislich des § 40 Satz 2 SGB VIII nicht im selben Maße; die entstehenden Kosten müssen allerdings im Einzelfall als notwendig einzuordnen sein (Schmid-Obkirchner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 40, Rn. 7), was hier außer Frage steht.

54

Aus alledem ergibt sich, dass nicht notwendigerweise nach den Grundsätzen der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden muss. Die Träger der Jugendhilfe haben im Rahmen der Inobhutnahme ein Auswahlermessen, ob sie die Betroffenen auf privat- oder vertragsärztlicher Grundlage versorgen lassen und entsprechend mit den Ärzten abrechnen. Bei der Höhe der notwendigen Kosten im Einzelfall hat sich der örtliche Träger der Jugendhilfe an dem generellen Gebot der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit als allgemeinem Rechtsgrundsatz bei staatlichen Leistungen zu orientieren (vgl. dazu auch § 264 Abs. 7 Satz 3 SGB V). Soweit einzelne Ausgaben im Rahmen der Krankenhilfe bei vernünftiger Betrachtung in der konkreten Situation erforderlich und der Höhe nach – unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze – angemessen waren, sind sie grundsätzlich auch im Rahmen des § 89f SGB VIII erstattungsfähig. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

55

Grundsätzlich wird zu Beginn sowohl bei vertrags- als auch der privatärztlichen Behandlung in aller Regel ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient geschlossen (vgl. nur Schlegel, Medizin- und Gesundheitsrecht, 1. Auflage 2012, Rn. 9). Bei gesetzlich Versicherten erhält der behandelnde Arzt dann regulär seine Vergütung von der Krankenkasse (vgl. § 13 SGB V), wohingegen er sie bei Privatversicherten unmittelbar zunächst vom Patienten erhält, der seine Kosten dann bei der Versicherung geltend machen muss.

56

Eine wesentliche Abweichung im Ergebnis von den Kosten, die von einer gesetzlichen Krankenkasse zu tragen wären, hat der Beklagte zudem nicht dargelegt. Der Beklagte rügt alleine die Abrechnungsmethode und nicht die entstandenen Kosten der Höhe nach oder die Art der gewährten Krankenhilfe. Ausgehend davon, dass die §§ 47 bis 52 SGB XII jedenfalls im Rahmen des § 40 SGB VIII vornehmlich den „Umfang“ der durch die behandelnden Ärzte zu erbringenden Leistungen grundsätzlich bestimmen dürften, verfängt dieser Einwand – wie oben dargelegt – nicht. Zwar besteht gemäß § 264 Abs. 2 bis 4 SGB V weiterhin dieMöglichkeit einer Abrechnung über eine Krankenkasse mit späterer vierteljährlicher Erstattung. Allerdings war diese Alternative hier – für die Eingangsuntersuchung im Rahmen einer Inobhutnahme – nicht zwingend in Anspruch zu nehmen. Entscheidet sich der Jugendhilfeträger für eine direkte Abrechnung mit dem behandelnden Arzt, so kann dieser auch gemäß § 11 GOÄ in Verbindung mit §§ 12, 27 SGB I oder unter Umständen gemäß § 5 GOÄ auf Grundlage der GOÄ mit dem Jugendhilfeträger abrechnen. Mangels ausdrücklicher Verweisung im Rahmen des § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII auf § 40 SGB VIII – und damit auch nicht auf § 52 Abs. 3 Satz 2 SGB XII – ginge die darin enthaltene Vergütungsregel auch nicht gemäß § 1 Abs. 1 GOÄ vor, da sie jedenfalls – entsprechend den obigen Ausführungen – sinngemäß keine unmittelbare Anwendung findet.

57

Es obliegt damit dem jeweiligen Jugendhilfeträger, wie er in der Übergangszeit die Abrechnung in formaler Hinsicht vornimmt. Ein in § 48 Satz 2 SGB XII enthaltener Vorrang der Abrechnung „über die Krankenversicherung“ entfaltet im Rahmen seiner entsprechenden bzw. sinngemäßen Anwendung jedenfalls keine uneingeschränkte Geltung. Die Minderjährigen werden regelmäßig zunächst in Obhut genommen, wobei oftmals nicht genau feststeht, wie lange sie in der (vorläufigen) Obhut des jeweiligen Jugendamtes verbleiben. Jugendhilfe und Vormundschaft sind unter Umständen bei einer Vielzahl von Fällen gleichzeitig zu organisieren. Dabei verbleibt regelmäßig eine gewisse Anzahl der Minderjährigen aus eigenem Anlass nicht mehr im Bereich des Jugendhilfeträgers. Daher kann bereits aus diesen Gründen – vergleichbar der Regelung in § 264 Abs. 2 Satz 2 SGB V – eine Ausnahme von einer vorrangigen Übernahme der Fälle durch die gesetzlichen Krankenversicherungen bei einer sinngemäßen Anwendung der Vorschriften geboten sein.

58

Insoweit bleibt es dem jeweiligen Träger der Jugendhilfe bei der gegebenen Rechtslage im Einzelfall überlassen, auf derartige Situationen adäquat und situationsgerecht unter Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens zu reagieren. Ein Verweis auf eine zwingende Vorabversicherung würde die Handlungsmöglichkeiten des Trägers in einer Krisensituation und damit eine situationsgerechte Versorgung im Rahmen der Krankenhilfe unzumutbar einschränken. Dies galt hier insbesondere deshalb, weil niedergelassene Ärzte rechtmäßig auf eine Behandlung auf privatärztlicher Abrechnungsgrundlage bestehen konnten, da mangels Gesundheitskarte oder ähnlichen Nachweisen keine Leistungsberechtigung gegenüber einer gesetzlichen Krankenversicherung nachgewiesen werden konnte. Hinzu kommt, dass eine Einzelabrechnung direkt gegenüber dem Jugendhilfeträger auf Grundlage der gesetzlichen Krankenversicherung, die etwa sog. Kopfpauschalen o.ä. für ein ganzes Quartal vorsieht (unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen), unter Umständen für den Jugendhilfeträger sogar unwirtschaftlicher wäre. Ferner handelt es sich bei der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) um einen staatlich festgesetzten Gebührenrahmen, der auch bei privatärztlicher Behandlung einen hinreichend verlässlichen und vor allem objektiv nachvollziehbaren Maßstab zur Gebührenberechnung bildet. Im Ergebnis ist zudem festzuhalten, dass keine „bessere“ Behandlung des jeweiligen Patienten durch die Abrechnung nach GOÄ erfolgt ist, sondern lediglich eine für den Arzt zulässige Abrechnungsmethode gewählt wurde, die allenfalls geringe Mehrkosten zur Folge hatte.

59

Bei den abgerechneten Leistungen handelt es sich um ärztliche Untersuchungen, die sowohl der Vorsorge als auch der Behandlung konkreter Krankheiten dienten. Gerade diese Maßnahmen sind im Hinblick auf eine frühzeitige Erkennung von teils hoch ansteckenden Krankheiten und ihrer Prävention möglichst zeitnah und effektiv durch das jeweilige Jugendamt durchzuführen. Ebenso ist bei akuten Krankheitsbildern nur ein zeitnahes Einschreiten zumutbar. Dabei ist im Rahmen der Inobhutnahme den Jugendhilfeträgern hinreichender Spielraum, auch in Bezug auf die Abrechnungsmodalitäten zu lassen. Dies wird gerade – wie ausgeführt – durch den fehlenden ausdrücklichen Verweis in § 40 SGB VIII auf die Inobhutnahme durch den Gesetzgeber ermöglicht.

60

Der jeweilige Träger der Jugendhilfe ist jedoch hinsichtlich der Höhe der privatärztlichen Behandlungskosten allgemein an das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie speziell im Rahmen des § 89f SGB VIII an den kostenerstattungsrechtlichen Grundsatz der Interessenwahrung gebunden (vgl. zu letzterem: BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 16 ff.).

61

In § 11 Abs. 1 GOÄ ist vorgesehen, dass wenn ein Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I oder ein sonstiger öffentlich-rechtlicher Kostenträger die Zahlung leistet, die ärztlichen Leistungen nach den Gebührensätzen des Gebührenverzeichnisses (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ) zu berechnen sind. Das heißt, dass nur eine Abrechnung zum einfachen Satz möglich ist und eine Bemessung der Gebühren nach § 5 GOÄ ausscheidet (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 16. April 2008 – 7 K 105/07 –, BeckRS 2008, 40116; Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 11 GOÄ, Rn. 3; Miebach, in: Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auflage 2006, § 11 GOÄ, Rn. 1, 10). Hier wird jedenfalls faktisch die Zahlung durch die Klägerin als Träger der Jugendhilfe und damit als Leistungsträger im Sinne der §§ 12, 27 SGB I geleistet.

62

Die vorgenannte Spezialregelung gilt allerdings nur dann, wenn dem Arzt vor der Inanspruchnahme eine von dem die Zahlung Leistenden ausgestellte Bescheinigung vorgelegt wird (vgl. § 11 Abs. 2 GOÄ). Voraussetzung ist, dass der Arzt dann einen direkten Anspruch gegen den öffentlich-rechtlichen Leistungsträger hat (Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 11 GOÄ, Rn. 3). § 11 GOÄ gilt zumindest dann nicht, wenn der Patient selbst Honorarschuldner auf der Behandlungsseite ist und die Kosten nur vom jeweiligen Träger übernommen werden (vgl. Spickhoff, in: Spickhoff, Medizinrecht, 2. Auflage 2014, § 11 GOÄ, Rn. 4). Notwendig dürfte jedenfalls sein, dass der öffentliche Träger dem Arzt selbst als Vertragspartner gegenübertritt (vgl. VG Düsseldorf, Urteil vom 16. April 2008 – 7 K 105/07 –, BeckRS 2008, 40116: Auftragserteilung durch das Ordnungsamt).

63

Dies war hier nicht der Fall. Es ist nicht davon auszugehen, dass ein entsprechender schriftlicher Nachweis vorgelegt worden ist oder bereits vorlag. Damit findet § 11 GOÄ keine Anwendung. Dass der behandelnde Arzt in der vorgenannten Konstellation bei realistischer Betrachtung davon ausgehen konnte, dass am Ende wahrscheinlich die Rechnung vom Jugendamt der Klägerin beglichen wird, reicht dafür nicht aus (a. A. wohl VG Düsseldorf, Urteil vom 16. April 2008 – 7 K 105/07 –, BeckRS 2008, 40116). In dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf zu entscheidenden Fall, handelte es sich allerdings auch um eine Auftragserteilung durch das Ordnungsamt selbst. Hier hat die Klägerin glaubhaft ausgeführt, dass die Betreuung und die Durchführung der Arztbesuche von der Caritas als freiem Träger der Jugendhilfe im Rahmen der Alltagssorge übernommen worden sind. Auch die teilweise Adressierung der Rechnungen an das Jugendamt der Klägerin führt zu keiner anderen Bewertung. Insgesamt ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 GOÄ („ausgestellte Bescheinigung“) stets eine schriftliche Kostenübernahmeerklärung bzw. Zusicherung des Jugendamtes zu fordern, damit § 11 Abs. 1 GOÄ überhaupt Anwendung findet. Nur eine solche Zusicherung entfaltet auch tatsächlich Bindungswirkung für den öffentlichen Jugendhilfeträger (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X), sodass für den Arzt eine Bezahlung durch ihn sichergestellt ist. Aufgrund der damit einhergehenden erhöhten Zahlungssicherheit für den behandelnden Arzt, ist dann auch eine Verringerung des Gebührensatzes auf den einfachen Satz gerechtfertigt.

64

Dass keine Zusicherung durch das Jugendamt der Klägerin im Einzelfall erfolgte und damit die Anwendbarkeit des § 11 GOÄ ausscheidet, stellt auch keinen Verstoß gegen den Interessenwahrungsgrundsatz dar (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 16 ff.). Demnach muss der zur Kostenerstattung berechtigte Träger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 19; Urteil vom 29. Juni 2006 – 5 C 24/05 –, NVwZ-RR 2006, 702, Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 19; Urteil vom 26. Oktober 2006 – 5 C 7/05 –, NVwZ-RR 2007, 199, Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 19). Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 19).

65

Die Klägerin hat berechtigterweise die einzelnen Tätigkeiten auf einen freien Träger der Jugendhilfe ausgelagert. Dass damit auch einhergeht, dass möglicherweise keine Behandlungsscheine oder Kostenübernahmeerklärungen im jeweiligen Einzelfall ausgestellt werden können, ist insoweit hinzunehmen. Die mit der Einschaltung eines freien Trägers entstehenden Mehrkosten sind auch insoweit in erstattungsrechtlicher Hinsicht zugunsten der Erleichterung der Ausführung der Inobhutnahme vertretbar. Es ist bei einer Auslagerung im Rahmen des § 76 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich nicht zumutbar, jede einzelne Maßnahme vorher abzustimmen. Dies würde gerade den Sinn und Zweck einer solchen Aufgabenübertragung konterkarieren. Vielmehr handelt der jeweilige Träger der freien Jugendhilfe bei der Durchführung der ihm übertragenen Aufgabe weitestgehend autonom. Zudem bot die von der Klägerin etablierte Praxis, auf die Vertrauensärzte der Caritas und deren selbstständige Durchführung der Arztbesuche eine erhöhte Gewissheit, dass die betreffenden Untersuchungen zeitnah und effektiv durchgeführt werden konnten. Diese Praxis kann daher – auch wenn sie Mehrkosten verursacht – nicht vom Beklagten als erstattungspflichtigem Träger beanstandet werden. Insoweit greift auch hier zumindest der Gedanke des sog. „Vor-Ort-Prinzips“ aus § 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Damit hat die Klägerin auch dargetan, dass sie in Bezug auf die hiesigen Fälle diejenige Sorgfalt angewandt hat, die sie auch in eigenen Angelegen anzuwenden pflegt. Insgesamt wurden die Interessen des Beklagten hinreichend gewahrt.

66

Findet § 11 GOÄ – wie hier – als speziellere Vorschrift keine Anwendung, kann der Arzt grundsätzlich innerhalb des Gebührenrahmens von § 5 GOÄ die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen bestimmen (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ). Insoweit trifft den jeweiligen Jugendhilfeträger allerdings die Pflicht, die Kosten im Ergebnis in einem vertretbaren Rahmen zu halten.

67

Am 8. und 13. Oktober 2015 fand eine ärztliche Untersuchung und Beratung statt (Rechnung vom 3. Dezember 2015). Die Diagnosen waren: „Allergie, nicht näher bezeichnet (T478.4 G), Schlafstörungen nicht organisch (F 51.9 G), Ausschluss n.n. bez. parasitäre Krankheiten (B89), Ausschluss sonstige, nicht näher bezeichnete Infektionskrankheiten (B99), Ärztliche Allgemeinuntersuchung (Z00.0), sonstige näher bezeichnete Protozoenkrankheiten (B60.8 G), Blastocystis“.

68

In diesem Rahmen wurden am 8. Oktober die folgenden Untersuchungen und Behandlungsmaßnahmen durchgeführt und nach Maßgabe des § 5 GOÄ abgerechnet. Im Einzelnen:

69

Die Abrechnung der Untersuchung zur Erhebung des Ganzkörperstatus einschließlich Dokumentation (Ziffer 8, Abschnitt B der GOÄ; Faktor 2,3), die Blutentnahme aus der Vene (Ziffer 250, Abschnitt C der GOÄ, Faktor 1,8), die Entnahme und ggf. Aufbereitung von Abstrichmaterial (Ziffer 298, Abschnitt C der GOÄ; Faktor 2,3), zwei Schutzimpfungen (Ziffer 375, Abschnitt C der GOÄ; Faktor 2,3) und Erörterung der Auswirkungen einer lebensverändernden Erkrankung (Ziffer 34, Abschnitt B; Faktor 2,3) entsprechen den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ. Demnach darf eine Gebühr in der Regel nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3-fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3-fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (siehe zum Ermessen des Arztes innerhalb der sog. „Regelspanne“: BGH, Urteil vom 8. November 2007 – III ZR 54/07 –, NJW-RR 2008, 436, Rn. 13 ff.). Ebenso nicht zu beanstanden sind die Kosten für die Impfstoffe (MMR-Impfung, Tetanus-Diphterie-Polio) und den Impfpass.

70

Die Abrechnung von Streifentest im Urin (Ziffer 3652, Abschnitt M der GOÄ; Faktor 1,15), Urinsediment, mikroskopisch (Ziffer 3653, Abschnitt M der GOÄ; Faktor 1,15) und Blutkörpersenkungsgeschwindigkeit (Ziffer 3501, Abschnitt M der GOÄ; Faktor 1,15) entspricht den Vorgaben des § 5 Abs. 4 GOÄ und ist nicht zu beanstanden.

71

Die abgerechnete Beratung am 13. Oktober 2015 (Ziffer 1, Abschnitt B der GOÄ; Faktor 2,3) hält die Vorgaben des § 5 Abs. 2 GOÄ ein.

72

Die Laboruntersuchungen am 8. und 9. Oktober 2015 von Blut (u.a. großes Blutbild, Hepatitis) und Stuhl (Wurmeier und Protozoen) sind allesamt mit dem Faktor 1,0 abgerechnet (siehe beide Rechnungen vom 19. November 2015). Da es sich jeweils um Leistungen aus dem Abschnitt M der Anlage zur GOÄ handelt, entspricht die Abrechnung den insoweit maßgeblichen Vorgaben des § 5 Abs. 4 GOÄ.

73

Anhaltspunkte dafür, dass die durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen sowie die dafür geltend gemachten Behandlungskosten hier der Höhe nach – auch vor dem Hintergrund der Abrechnungsmodalitäten der gesetzlichen Krankenkassen – unverhältnismäßig sind oder im Übrigen auf einer nicht mehr vertretbaren Entscheidung der Klägerin beruhen, bestehen nach alledem nicht. Der Beklagte hat die Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahmen im Einzelfall auch dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt. Insgesamt sind die – privatärztlich abgerechneten – Behandlungskosten in Höhe von 396,00 € nach alledem erstattungsfähig.

74

Ein Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich für die Klägerin in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 12). Dahingehend schließt § 89f Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zwar Verzugszinsen, aber keine Prozesszinsen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34/00 –, NVwZ 2001, 1057 [1058]).

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

76

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 VwGO. Dabei erstreckt sich bei rein formellen Verwaltungsakten die Rechtsfolge des § 167 Abs. 2 VwGO nicht auf die Leistungsklage (anders bei der Aufhebung von Verwaltungsakten im materiellen Sinne etwa: BFH, Urteil vom 16. Juli 1980 – VII R 24/77 –, BeckRS 1980, 22005403; HessVGH, Teilurteil vom 5. November 1986 – 1 UE 700/85 –, NVwZ 1987, 517).

77

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Die Frage, ob Krankenhilfekosten auf Grundlage der GOÄ im Rahmen des § 89d SGB VIII erstattungsfähig sind, ist bisher obergerichtlich noch nicht hinreichend geklärt und hat Auswirkungen auf eine Mehrzahl von Erstattungsfällen zwischen den Beteiligten dieses Verfahrens und auch im Hinblick auf andere bereits anhängige Erstattungserfahren mit anderen Beteiligten.

Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. Februar 2018

78

Der Streitwert wird auf 396,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

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Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 22. Feb. 2018 - 1 K 862/17.MZ zitiert 60 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 68


(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn 1. der Verwaltungsakt von einer ob

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 35a Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung


(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und2. daher ihre Teilhabe am Leben in d

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 95 Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung


(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in de

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 102 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers


(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. (2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorle

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 2 Leistungen in besonderen Fällen


(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechun

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 10 Verhältnis zu anderen Leistungen und Verpflichtungen


(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch ents

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 33 Vollzeitpflege


Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kind

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform


Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwi

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 34 Zusicherung


(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 2 Aufgaben der Jugendhilfe


(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. (2) Leistungen der Jugendhilfe sind:1.Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und J

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 264 Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, s

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44


Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 15 Ärztliche Behandlung, elektronische Gesundheitskarte


(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wen

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 175 Ausübung des Wahlrechts


(1) Die Ausübung des Wahlrechts ist gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Diese darf die Mitgliedschaft nicht ablehnen oder die Erklärung nach Satz 1 durch falsche oder unvollständige Beratung verhindern oder erschweren. Das Wahlrecht kan

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 291 Elektronische Gesundheitskarte


(1) Die Krankenkasse stellt für jeden Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte aus. (2) Die elektronische Gesundheitskarte muss technisch geeignet sein,1.Authentifizierung, Verschlüsselung und elektronische Signatur barrierefrei zu ermögl

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 48 Dauer des Krankengeldes


(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigke

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder


(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dies

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 113 Verjährung


(1) Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rü

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 4 Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt


(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von K

Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG | § 6 Sonstige Leistungen


(1) Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlic

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 48 Hilfe bei Krankheit


Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89f Umfang der Kostenerstattung


(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 20i Leistungen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten, Verordnungsermächtigung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes, dies gilt unabhängig davon, ob sie auch entsprechende Ansprüche gegen andere Kostenträger haben. Satz 1 gilt für Schutzimpfungen, d

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 5 Bemessung der Gebühren für Leistungen des Gebührenverzeichnisses


(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemißt sich, soweit in den Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Lei

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89d Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn 1. innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und2. sich die örtliche Zuständigke

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 12 Leistungsträger


Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

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Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 1 KR 20/13 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialger

Bundessozialgericht Urteil, 18. Nov. 2014 - B 1 KR 35/13 R

bei uns veröffentlicht am 18.11.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 13. Juni 2013 - 5 C 30/12

bei uns veröffentlicht am 13.06.2013

Tatbestand 1 Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pf
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 22. Feb. 2018 - 1 K 862/17.MZ.

Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 03. Juli 2018 - 1 K 1463/17.MZ

bei uns veröffentlicht am 03.07.2018

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 2017 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 19.465,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten. 3. Im Übrig

Referenzen

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn

1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

Tenor

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufgehoben.

II.

Die Streitsache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger und eine Frau A. S. schlossen am 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 mit dem Beklagten sowie dem Landkreis Regensburg eine Vereinbarung über Maßnahmen in Zusammenhang mit einer festgestellten Bodenkontamination. Diese Vereinbarung weist, soweit in vorliegendem Zusammenhang von Bedeutung, folgenden Wortlaut auf:

„I.

Vorbemerkungen:

Auf dem Grundstück Fl-Nr. 1559 (alt) Gemarkung N. ist durch Auffüllungen/Ablagerungen mit teerhaltigem Bodenmaterial eine Altlast i. S. d. Bundesbodenschutzgesetzes entstanden, die nach bundesbodenschutzrechtlichen Vorschriften zu sanieren ist.

Diese Sanierung wird vom Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, vorgenommen.

Eigentümer der landwirtschaftlichen Flur Nr. 1559/2 der Gemarkung N. sind Herr J. und Frau A. S. zu gleichen Teilen. …

II. Vereinbarung

1. Der Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, beseitigt entsprechend § 4 III BBodSchG die auf Fl. Nr. 1559 (alt) Gemarkung N., heute bestehend aus den Fl. Nr. 1559, 1559/2 und 1559/3, festgestellte Altlast.

Danach versetzt der Freistaat die maßnahmebetroffenen Flächen in einen dem ackerbaulichen Nutzungszustand vor Maßnahmebeginn gleichwertigen - hinsichtlich der Flächengröße annähernd gleichwertigen - Zustand und sorgt zudem nach guter fachlicher Praxis und in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde für eine gleichwertige Wiederanpflanzung der Böschung auf den Sanierungsflächen mit ortstypischen, tiefwurzelnden Pflanzen.

Ein Rechtsanspruch auf Wiederherstellung der exakt identischen Flächengrößen besteht nicht.

2. …

3. …

4. …

5. Nach Abschluss der Sanierung wird das Grundstück Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster herausgenommen. Der Abschluss der Sanierung der Altlast gemäß Ziffer II 1 und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster werden gegenüber Herrn J. und Frau A. S. durch Verwaltungsakt des Landratsamtes Regensburg bestätigt.

6. Herr J. und Frau A. S. leisten spätestens nach - kumulativ - Vorliegen einer Bestätigung des LRA über den Abschluss der Maßnahmen gemäß Ziffer II 1, Vorliegen der Bestätigung gemäß Ziffer II 5 und Vorliegen der Bestätigung einer Wiederanpflanzung der Böschung im Sinne der Ziffer II 1 durch die UNB, zur Abgeltung ihrer Pflichten aus § 25 BBodSchG gesamtschuldnerisch einen Wertausgleich in Höhe von Euro 7.500,00 an den Freistaat Bayern, Konto …

Dieser Wertausgleich wird spätestens 4 Wochen nach Erhalt der letzten der o. g. 3 Bestätigungen fällig.

…“

Am 4. September 2015 erließ das Landratsamt Regensburg gegenüber dem Kläger einen Bescheid, dessen verfügender Teil in der Nummer I. wie folgt lautet:

„Es wird festgestellt, dass für das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 der Gemarkung P. kein Altlastenverdacht mehr besteht. Das Grundstück wird aus dem Altlastenkataster entlassen.“

Als Rechtsgrundlage für diesen Ausspruch wurde in den Bescheidsgründen § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG genannt. Gemäß § 16 Abs. 1 i. V. m. § 11 BBodSchG, Art. 3 Abs. 2 BayBodSchG und der Nummer 4.1.5 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern (BayBodSchVwV) vom 11. Juli 2000 (AllMBl S. 473) seien nach einer erfolgreichen Sanierung deren Abschluss und die Entlassung aus dem Altlastenverdacht durch Bescheid festzustellen. Eine erfolgreiche Sanierung liege gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG dann vor, wenn dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstünden. Eine Sanierung sei im vorliegenden Fall deshalb erforderlich gewesen, weil der in der Altablagerung enthaltene teerhaltige Altasphalt eine Grundwassergefährdung dargestellt habe. In den im Sanierungsplan festgelegten Sanierungsbereichen sei der größte Teil der Böden und Altasphaltmengen mit einem über 25 mg/kg liegenden PAK-Gehalt entfernt worden. Eine Untersuchung von Feststoffproben habe ergeben, dass nach der in den Monaten von November 2011 bis Juli 2012 durchgeführten Sanierung keine nennenswerten Belastungen mehr vorhanden seien. Anders verhalte es sich nur hinsichtlich der Randprobe RP 3, bei der der Hilfswert 1 von 5 mg/kg (vgl. die Tabelle 1 im Anhang 3 zum Merkblatt Nr. 3.8/1 des ehemaligen Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 31.10.2001 - „Untersuchung und Bewertung von Altlasten, schädlichen Bodenveränderungen und Gewässerverunreinigungen - Wirkungspfad Boden-Gewässer“) überschritten sei, sowie der Randprobe RP 6, bei der eine Überschreitung des bei 25 mg/kg liegenden Hilfswerts 2 nach der gleichen Tabelle festgestellt worden sei. Das ursprüngliche Analyseergebnis der letztgenannten Randprobe, das eine PAK-Konzentration von 45 mg/kg gezeitigt habe, sei einer Nachuntersuchung unterzogen worden, bei der sich PAK-Belastungen von 18, 27 und 33 mg/kg ergeben hätten; der sich insoweit ergebende Durchschnittswert von 30 mg/kg liege geringfügig über dem Hilfswert 2. Mit Schreiben vom 10. September 2012 habe das Wasserwirtschaftsamt Regensburg mitgeteilt, das Sanierungsziel sei sowohl hinsichtlich des Wirkungspfads Boden-Grundwasser als auch hinsichtlich des Trinkwassers als erreicht anzusehen. Mit Schreiben vom 20. August 2012 und in einem Telefongespräch vom 10. September 2012 habe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Amberg bestätigt, dass auch für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze keine Gefahr vorliege. Da nach Angabe des Gesundheitsamts der Wirkungspfad Boden-Mensch im vorliegenden Fall nicht betroffen sei, bestehe kein Altlastenverdacht mehr. Außerhalb der Sanierungsbereiche 5, 6 und 7 ließen sich zwar vereinzelte über dem Hilfswert 1 liegende PAK-Belastungen nicht ausschließen; nach dem Ergebnis der Vorerkundungen könnten sie jedoch allenfalls kleinräumig auftreten. Eine von gutachterlicher Seite vorgenommene Frachtberechnung habe ergeben, dass in dem nicht ausgehobenen Bereich verbliebene Schadstoffnester keine Gefährdung für das Grundwasser darstellten und sie toleriert werden könnten. Das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 gelte damit nicht nur hinsichtlich der Sanierungsbereiche, sondern in seiner Gesamtheit als saniert und altlastenfrei.

Zur Begründung der von ihm am 2. Oktober 2015 zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg gegen den Bescheid vom 4. September 2015 erhobenen Anfechtungsklage führte der Kläger im Wesentlichen aus, ein einzuholendes Sachverständigengutachten werde ergeben, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. 1559/2 erhebliche schädliche Bodenveränderungen verblieben seien. Außerdem sei - was ebenfalls durch eine sachverständige Begutachtung nachgewiesen werden könne - im Rahmen der Wiederverfüllung, insbesondere bei der Aufbringung der obersten Bodenschicht, erneut mit teerhaltigem Asphalt belastetes Material auf dieses Grundstück verbracht worden. Namentlich in dem für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanzen relevanten Bereich der obersten 60 cm seien damit weiterhin schädliche Bodenveränderungen vorhanden; eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sei damit nicht möglich. Die im August bzw. September 2012 erfolgte Beurteilung durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei nicht aussagekräftig, da die Maßnahme in jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht berichtigte das Landratsamt den Bescheid vom 4. September 2015 dahingehend, dass das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 in der Gemarkung N. liege.

Durch Urteil vom 30. November 2015 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab. Der streitgegenständliche Bescheid verletze den Kläger im Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO nicht in subjektiven Rechten, da der Entlassung aus dem Altlastenkataster - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof imBeschluss vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) ausgesprochen habe - keine konstitutive Wirkung dergestalt zukomme, dass damit das Nichtvorliegen einer Altlast oder eines Altlastenverdachts verbindlich festgestellt würde. Aus der im Jahr 2012 geschlossenen Vereinbarung ergebe sich nichts anderes. Zwar seien die Vertragschließenden, wie in der Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV vorgegeben, wohl davon ausgegangen, dass die Entlassung aus dem Altlastenkataster durch Bescheid zu erfolgen habe; diese Auffassung lasse jedoch die vorerwähnte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unberücksichtigt. Ob das streitgegenständliche Grundstück vereinbarungsgemäß saniert sei, sei nicht Streitgegenstand.

Mit der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt der Kläger:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird aufgehoben.

2. Der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 4. September 2015 wird aufgehoben.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof erwägen, die Streitsache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, beantragt der Kläger,

die Aufhebung des Urteils vom 30. November 2015 und die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Regensburg.

Die Klage sei deshalb zulässig, weil der Kläger Adressat des streitgegenständlichen Bescheids sei, der sich für ihn als belastender Verwaltungsakt darstelle. Die belastende Wirkung ergebe sich aus der Verknüpfung des Bescheids mit dem Vertrag vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010. Der Bescheid sei geeignet, die Zahlungsverpflichtung nach der Nummer II.6 dieses Vertrags mit auszulösen. Da er nach dem Willen des Landratsamts die in der Nummer II.5 des Vertrages vorgesehene Feststellung - nämlich die Bestätigung des Abschlusses der Altlastensanierung und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Fl.Nr. 1559/2 aus dem Altlastenkataster - enthalte, würde mit dem Eintritt seiner Bestandskraft ferner bindend feststehen, dass der Freistaat Bayern bzw. der Landkreis Regensburg die vertraglichen Verpflichtungen nach der Nummer II.1 des Vertrages erfüllt hätten.

Ein wesentlicher Unterschied des vorliegenden Falles gegenüber der Sachverhaltsgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde gelegen habe, bestehe u. a. darin, dass durch den in jener Gerichtsentscheidung zu beurteilenden Bescheid die Sanierungsverpflichtung nicht aufgehoben worden sei. Der hier inmitten stehende Bescheid ziele nach dem Willen des Landratsamts jedoch gerade darauf ab, den Freistaat Bayern und den Landkreis Regensburg aus der vertraglich übernommenen Sanierungspflicht zu entlassen.

Materiell rechtswidrig sei der Bescheid deshalb, weil das Landratsamt in einem Schreiben vom 15. November 2011 das festgelegte Sanierungsziel dahingehend umschrieben habe, dass alles Material, das einen höheren PAK-Gehalt als 5 mg/kg aufweise, entfernt werden solle. Dieses mit den Fachbehörden und den vorgesetzten Stellen abgestimmte Ziel sei jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden. Am Nordrand des betroffenen Grundstücks seien auf einer Tiefe von 30 m keine Ablagerungen entfernt worden, obwohl sich dort Boden befinde, der die vorerwähnte Belastungsgrenze überschreite. Ebenso verhalte es sich im Südosten dieses Grundstücks. Überdies sei der aufgebrachte Boden erneut belastet. Dies habe die Untersuchung von Bodenproben ergeben, die auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 1559 gewonnen worden seien; dort sei der gleiche Oberboden aufgebracht worden. Im Rahmen dieser Untersuchungen gezogene Mischproben hätten einen PAK-Gehalt von bis zu 436 mg/kg aufgewiesen. Der Kläger regt an, zum Nachweis der Richtigkeit dieser Behauptungen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch die Einvernahme eines namentlich benannten Mitarbeiters eines für ihn tätig gewordenen geowissenschaftlichen Büros als Zeugen zu erheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch in der hier vorliegenden Konstellation, dass zwischen einer Behörde und einem Grundstückseigentümer ein Vertrag geschlossen worden sei, der den Erlass eines den Wegfall des Altlastenverdachts feststellenden Bescheids vorsehe, komme der förmlichen Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster kein Regelungscharakter zu. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung inmitten stehe, dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob an die Entlassung aus dem Altlastenkataster weitere (vertragliche) Folgen geknüpft würden; denn die Rechtsnatur staatlicher Handlungen könne nicht durch vertragliche Vereinbarungen (fremd-)bestimmt werden. Vorliegend seien der Erlass eines Verwaltungsakts und die hieran geknüpfte Zahlungsverpflichtung vertraglich vereinbart worden sei. Es erscheine fragwürdig, wenn der Kläger das vertragsgemäße Vorgehen als solches als Belastung einstufe. Durch die Verneinung einer Klagebefugnis werde er nicht rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr hätte er, sollte die Sanierung aus seiner Sicht noch nicht im vereinbarten Umfang abgeschlossen sein, vertragliche Ansprüche geltend machen müssen. Richtiges Mittel hierzu sei die Feststellungsklage, dass der Sanierungserfolg noch nicht eingetreten sei; infolge dessen sei „auch die Entlassung hinfällig“. Sein eigentliches Ziel, eine „bessere“ Sanierung des Grundstücks zu erlangen, könne der Kläger nicht dadurch erreichen, dass er sich gegen die Entlassung aus dem Altlastenkataster als solche wende.

Unabhängig hiervon sei die Klage jedenfalls unbegründet, da es an der nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Rechtsverletzung fehle. Denn weder der vorliegend geschlossene Vertrag noch das Gesetz selbst würden die Bejahung einer erfolgreichen Sanierung von der Beseitigung aller schädlichen Bodenveränderungen abhängig machen. Die Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 nehme auf § 4 Abs. 3 BBodSchG Bezug, in dem u. a. der rechtliche Maßstab für Sanierungsziele festgelegt sei; der Begriff der Sanierung selbst sei in § 2 Abs. 7 BBodSchG gesetzlich definiert. Aus diesen Bestimmungen gehe deutlich hervor, dass das Bundes-Bodenschutzgesetz keine vollständige Freiheit von jeglichen Belastungen anstrebe, zumal dies in der Praxis nicht realisierbar wäre. Nach der Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 sollten die betroffenen Flächen einer dem ackerbaulichen Nutzungszustand gleichwertigen Beschaffenheit zugeführt werden; Sanierungsziele dergestalt, dass bestimmte Belastungsgrenzwerte eingehalten werden müssten, würden darin nicht genannt. Auch aus dem Sanierungsplan ergebe sich nicht, dass auf der gesamten Fläche eine PAK-Belastung von 5 mg/kg nicht überschritten werden dürfe. Er sei vielmehr darauf ausgelegt gewesen, die Belastungsschwerpunkte durch einen Teilaushub zu beseitigen. Die durchgeführten Beprobungen hätten in Verbindung mit der umfangreichen Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen ergeben, dass die Sanierung gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG als abgeschlossen zu bezeichnen seien. Die in der Berufungsbegründung erwähnte PAK-Belastung von bis zu 436 mg/kg habe man in einer Mischprobe festgestellt, bei der verschiedene Teerproben vermengt worden seien; dies entspreche nicht den Vorgaben für die Bewertung von Mischproben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Über die zulässige Berufung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.

Dieses Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von der durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz Gebrauch gemacht wird.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers (§ 42 Abs. 2 VwGO) zu Unrecht verneint und dessen Anfechtungsklage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

1.1 Um Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 4. September 2015 hat der Kläger in zutreffender Weise gemäß § 42 Abs. 1 VwGO durch Erhebung einer Anfechtungsklage nachgesucht. Die Feststellung, dass für ein bestimmtes Grundstück kein Altlastenverdacht mehr besteht (Nr. I Satz 1 des angefochtenen Bescheids), hat den Rechtscharakter einer feststellenden Regelung (Art. 35 BayVwVfG). Auf die Statthaftigkeit dieser Klageart bleibt es auch ohne Einfluss, dass der im Satz 2 der Nummer I dieses Bescheids enthaltene behördliche Ausspruch die in Art. 35 Satz 1 BayVwVfG vorgegebenen Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts in doppelter Hinsicht nicht erfüllt.

1.1.1 Es trifft zu, dass die Erklärung des Landratsamts, das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 werde aus dem Altlastenkataster entlassen, keine „Regelung“ im Sinn dieser Bestimmung (d. h. den Ausspruch eines Ge- oder Verbots bzw. die Feststellung, Begründung oder Aufhebung eines Rechts oder rechtserheblicher Eigenschaften einer Sache) beinhaltet und nicht darauf gerichtet ist, eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen hin zu erzeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

Bei dem bayerischen Altlastenkataster (Art. 3 BayBodSchG) handelt es sich um eine ausschließlich behördeninterne Arbeitshilfe; den darin enthaltenen Eintragungen kommt keine verbindliche Außenwirkung zu (BayVGH, B. v. 28.9.2012 - 22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177 Rn. 14). Denn es dient dazu, einen Überblick über den Stand der Behandlung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen in Bayern zu vermitteln und die Kontrolle eines landesweit einheitlichen Vollzugs des Bodenschutz- und Altlastenrechts zu ermöglichen (so die Begründung des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zum Schutz des Bodens in Bayern, LTDrs. 14/31 S. 12); als „wichtiges Instrument für eine effiziente Umweltpolitik“ (LTDrs. 14/31 S. 12) ist es mithin dazu bestimmt, die Staatsregierung und die zuständigen Staatsministerien in die Lage zu versetzen, ihre verfassungsrechtlichen Leitungs- und Vollzugsaufgaben (Art. 43 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Nr. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern) erfüllen zu können.

Im Einklang mit dieser ausschließlich verwaltungsinternen Zweckbestimmung des bayerischen Altlastenkatasters steht es, dass Eintragungen in dieses Register gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayBodSchG durch unmittelbaren Datentransfer von den nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayBodSchG zuständigen Kreisverwaltungsbehörden an das Bayerische Landesamt für Umwelt vorgenommen werden. Dieser Weg der Eintragung in das Altlastenkataster soll nach dem Willen des Gesetzgebers „ausschließlichen“ Charakter tragen (vgl. die Begründung zu § 1 Nr. 1 des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Änderung des Bayerischen Bodenschutzgesetzes, LTDrs. 16/4442, durch das Art. 3 Abs. 1 BayBodSchG um den heutigen Satz 2 ergänzt wurde). Für Veränderungen einmal vorgenommener Eintragungen - insbesondere die Herausnahme eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster - kann nichts anderes gelten.

Einen diesem „schlichten Verwaltungshandeln“ (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 11 Rn. 42 hinsichtlich der Art und Weise der Vornahme einer Löschung bzw. Berichtigung von Eintragungen im Altlastenkataster) vorgeschalteten Verwaltungsakt, durch den die Altlasteneigenschaft eines Grundstücks (positiv oder negativ) festgestellt wird, sehen weder das Bundes-Bodenschutzgesetz noch das Bayerische Bodenschutzgesetz vor; angesichts des abschließenden Charakters des im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelten Maßnahmenbündels (BVerwG, U. v. 26.4.2006 - 7 C 15.05 - BVerwGE 126, 1 Rn. 10) hätte dem Landesgesetzgeber für die Schaffung einer Norm, die zum Erlass solcher Verwaltungsakte ermächtigt, überdies die Gesetzgebungskompetenz gefehlt (BVerwG, U. v. 26.4.2006 a. a. O. Rn. 13). Auch die Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV geht nur von einer durch Bescheid auszusprechenden „Entlassung aus dem Altlastenverdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG“, nicht aber von der mittels eines Verwaltungsakts zu verfügenden Entlassung eines Grundstücks aus.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt bei alledem nicht, dass die Eintragung eines Grundstücks in das Altlastenkataster mit (u. U. erheblichen) Nachteilen für den Betroffenen einhergehen kann. Denn da die in diesem Register gespeicherten Informationen trotz seines nur behördeninternen Charakters gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG grundsätzlich jedermann zugänglich sind (eingehend dazu Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 35 - 37), kann die Aufnahme eines Grundstücks in dieses Verzeichnis negative Auswirkungen auf die Werthaltigkeit eines Grundstücks und seine Verkäuflichkeit zeitigen (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 34). Hierbei handelt es sich indes nur um eine mittelbare (faktische) Folge der Eintragung; auf ihre Herbeiführung ist eine solche behördliche Maßnahme nicht im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG „unmittelbar gerichtet“.

1.1.2 Dies steht im vorliegenden Fall der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage aber nicht entgegen.

Wird eine behördliche Entscheidung, die die gesetzlichen Merkmale eines Verwaltungsakts nicht erfüllt, gleichwohl in die äußere Form eines Verwaltungsakts gekleidet, so ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer hiergegen erhobenen Anfechtungsklage vom Vorliegen eines Verwaltungsakts auszugehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 52). Dies gilt selbst dann, wenn die Behörde von Rechts wegen nicht einmal dazu befugt war, überhaupt durch Verwaltungsakt zu handeln (BVerwG, B. v. 9.11.1984 - 7 C 5.84 - NVwZ 1985, 264).

Dass das Landratsamt im vorliegenden Fall die Handlungsform des Verwaltungsakts auch hinsichtlich des Satzes 2 der Nummer I des Bescheidstenors benutzt hat, ergibt sich in zweifelsfreier Deutlichkeit aus der Tatsache, dass diese behördliche Erklärung ebenfalls in ein Dokument aufgenommen wurde, das mit „Bescheid“ überschrieben ist, einen von den Bescheidsgründen deutlich abgesetzten Tenor aufweist und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält (vgl. zur Aussagekraft dieser Umstände für die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts des behördlichen Verhaltens U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 72; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 54).

1.2 Durch beide in der Nummer I des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen behördlichen Aussprüche kann der Kläger, wie dies für die Bejahung seiner Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendig, aber auch ausreichend ist, in eigenen Rechten verletzt werden.

Die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung resultiert zum einen daraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts mit diesem Inhalt eine der Voraussetzungen darstellt, von deren Erfüllung nach der Nummer II.6 Abs. 1 und 2 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 das Fälligwerden des u. a. vom Kläger zu entrichtenden Wertausgleichsbetrages abhängt; der Existenz eines solchen Verwaltungsakts kommt insoweit „Tatbestandswirkung“ zu. Die Notwendigkeit, dem Kläger die Befugnis zur Anfechtung dieses Verwaltungsakts zuzuerkennen, folgt bereits aus dem Umstand, dass er andernfalls nach dem Ablauf der Klagefrist keine Möglichkeit mehr besäße, mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, die materiellen Voraussetzungen für die Ausstellung einer derartigen Bescheinigung lägen nicht vor. Desgleichen könnte er bei einer Verneinung der Klagebefugnis in Zukunft nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, der Beklagte habe das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 entgegen der in der Nummer I Satz 1 des Bescheidstenors getroffenen Feststellung nicht in einer Weise saniert, angesichts derer nicht einmal mehr ein Altlastenverdacht vorliege. Denn die Bestandskraft eines Verwaltungsakts bewirkt, dass die in ihm ausgesprochene Rechtsfolge von da an nicht nur zwischen dem Rechtsträger der Behörde, die diesen Verwaltungsakt erlassen hat, und den in Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bezeichneten Personen bindend feststeht; vielmehr haben auch alle anderen Träger öffentlicher Gewalt - auch die Gerichte - bei ihren Entscheidungen sowohl die Tatbestands- als auch die Feststellungswirkung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts der hier inmitten stehenden Art, soweit sie in inhaltlicher und personeller Hinsicht reicht, zu beachten (vgl. zur Bedeutung bestandskräftiger Verwaltungsakte als eines für die gerichtliche Sachverhalts- und Rechtsprüfung maßgeblichen Umstandes Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 20; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 16).

Angesichts der dem streitgegenständlichen Bescheid zukommenden Feststellungs- bzw. Tatbestandswirkung und der ihm innewohnenden Möglichkeit, in Bestandskraft zu erwachsen, ist er geeignet, die Fragen, ob der Beklagte die von ihm gegenüber dem Kläger eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (bzw. einen Teil hiervon) ordnungsgemäß erfüllt hat, und ob der nach der Nummer II.6 Abs. 1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 zu entrichtende Wertausgleich (nach Ausstellung der in dieser Klausel erwähnten weiteren Bestätigungen) fällig geworden ist, einer verbindlichen Entscheidung zuzuführen. In der dem Bescheid vom 4. September 2015 zukommenden Feststellungs- und Tatbestandswirkung liegt zugleich der ausschlaggebende Unterschied gegenüber der Fallgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde lag; dort waren weder unmittelbare noch mittelbare Auswirkungen der seinerzeit streitgegenständlichen behördlichen Maßnahme auf subjektive Rechte der Klägerin jenes Verfahrens ersichtlich.

2. Es erscheint angemessen, dass die nach alledem gebotene Würdigung des sachlichen Begehrens des Klägers, also dessen tatsächliche und rechtliche Aufbereitung, durch das Verwaltungsgericht erfolgt. Hierfür spricht nicht nur die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit des ersten und des zweiten Rechtszuges, wie sie ihren Niederschlag in den §§ 47 f. und den §§ 124 ff. VwGO gefunden hat. Diese hat insbesondere dann Bedeutung, wenn - wie hier - die Sachverhaltsaufklärung noch ganz am Anfang steht und nicht ohne einen gewissen Aufwand möglich ist (vgl. BayVGH, U. v. 6.6.2016 - 22 B 16.611 - Rn. 28). Gewicht kommt im vorliegenden Fall darüber hinaus vor allem dem Umstand zu, dass die insoweit zu leistende Auslegungs- und Aufklärungsarbeit eine hohe Affinität zu Fragen aufweist, die auch in dem vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen RO 8 K 16.640 seit kurzer Zeit anhängigen Klageverfahren des Sohnes des Klägers aufgeworfen sind. Ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz der Klagebevollmächtigten vom 12. Juli 2016 hat diese Klage u. a. nämlich ebenfalls - bezogen auf das unmittelbar benachbarte Grundstück Fl.Nr. 1559 - die umstrittene Thematik einer bereits erfolgten Entfernung sämtlichen Straßenaufbruchs und der Aufbringung einer von Schadstoffen freien Humusschicht zum Gegenstand. Es wäre mit den Erfordernissen der Prozessökonomie und der Vermeidung einander widersprechender Gerichtsentscheidungen ersichtlich nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof diesen Fragen parallel zueinander nachgehen würden. Es entspricht deshalb pflichtgemäßer Ausübung des durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Ermessens, vorliegend von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht, wie sie der Kläger hilfsweise beantragt hat, Gebrauch zu machen (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Entscheidung auch auf einen bloßen diesbezüglichen Eventualantrag hin Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 7).

Maßgeblich für die hier vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Ermessensentscheidung ist auch, dass keine Möglichkeit besteht, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids aus formellen Gründen zu verneinen.

Die Notwendigkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vom Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4. September 2015 erhobenen Einwänden entfällt nicht im Hinblick darauf, dass sich der Kläger und der Beklagte im vorliegenden Fall als Parteien eines öffentlichrechtlichen Vertrages gegenüberstehen (vgl. zum öffentlichrechtlichen Charakter bodenschutzrechtlicher Sanierungsverträge Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 54 Rn. 157). Denn dies führt nicht dazu, dass der Beklagte schon aus diesem Grund keinen Verwaltungsakt mit dem inmitten stehenden Inhalt hätte erlassen dürfen. Es begegnet nämlich grundsätzlich keinen Bedenken, wenn ein Privatrechtssubjekt in einem öffentlichrechtlichen Vertrag der Behörde - wie hier geschehen - ausdrücklich die Befugnis einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die vertragliche Beziehung einseitig hoheitlich (d. h. durch Verwaltungsakt) zu handeln (Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2013, Art. 54 BayVwVfG Anm. VI; ähnlich Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 35 Rn. 13). Wenn nämlich Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sogar die Möglichkeit eröffnet, dass sich eine Privatperson in einem subordinationsrechtlichen öffentlichrechtlichen Vertrag der sofortigen Vollstreckung unterwirft, ohne dass angesichts der für einen solchen Vertrag nach Art. 57 BayVwVfG ausreichenden Schriftform die besonderen formellen Schutzvorkehrungen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der Aufnahme einer solchen Erklärung in eine gerichtliche oder notarielle Urkunde erfüllt sein müssen, kann es nicht unzulässig sein, wenn die Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zur Vornahme einseitiger vertragsbezogener Rechtshandlungen ermächtigt wird, die ihrer Bedeutung nach keinesfalls schwerer wiegen als die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.

Es ist insofern nicht erforderlich, dass für jede der Hohen Hand in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zuerkannte Befugnis eine gesetzliche Ermächtigung besteht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 54 Rn. 44; Hettich in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 73 - 77); im Rahmen solcher Rechtsbeziehungen unterliegt die öffentliche Gewalt grundsätzlich nur dem Prinzip des Vorrangs, nicht aber demjenigen des Vorbehalts des Gesetzes (Kopp/Ramsauer, ebenda). Mit zwingendem Gesetzesrecht aber ist es vereinbar, wenn der Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag die Befugnis eingeräumt wird, durch einseitigen Rechtsakt Feststellungen zu treffen, denen für die weitere Entwicklung der vertraglich und gesetzlich geregelten Beziehungen der Beteiligten zueinander Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich aus dem hier entsprechend anwendbaren § 315 BGB, wonach die einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei gestattet werden kann (vgl. zur Zulässigkeit von Regelungen der letztgenannten Art auch in öffentlichrechtlichen Verträgen angesichts der in § 62 Satz 2 VwVfG erfolgten ergänzenden Bezugnahme u. a. auf § 315 BGB BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 7 C 6.88 - BVerwGE 84, 236/243). Eine solche Klausel geht für den Vertragspartner der öffentlichen Hand mit keiner minder großen Beschwer einher als die der Behörde hier sinngemäß eingeräumte Befugnis zur Feststellung der erfolgten Erfüllung von Verpflichtungen, die ihrem Rechtsträger nach dem geschlossenen Vertrag obliegen.

Ob den Beteiligten an einem öffentlichrechtlichen Vertrag auch die Rechtsmacht zusteht, zu bestimmen, dass eine Handlung, die sich als bloßes Verwaltungsinternum darstellt (hier: die Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster), durch Verwaltungsakt vorgenommen (oder - falls die Auslegung des Bescheids vom 4.9.2015 dies ergeben sollte - durch Verwaltungsakt bekanntgemacht) wird oder welcher rechtlich mögliche Inhalt Satz 2 der Nr. I des Bescheidstenors sonst zu entnehmen sein könnte, muss dem weiteren Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgericht vorbehalten bleiben.

3. Wie in § 130 Abs. 2 VwGO vorgesehen, war der kassatorische Ausspruch außer auf das erstinstanzliche Urteil auch auf das ihm vorausgegangene Verfahren zu erstrecken. Hierdurch wird im vorliegenden Fall zugleich klargestellt, dass die dem Kläger mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 gemäß § 87b Abs. 1 VwGO gesetzte Präklusionsfrist keine rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet.

4. Ein Kostenausspruch ist bei einer Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst (vgl. z. B. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 130 Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 19).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.


Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 10. August 2017 wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 923,32 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

2

Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Zulassungsantrag verspätet gestellt worden ist. Zufolge der vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Abschlussverfügung vom 22. August 2017 sollte beiden Beteiligten je eine Ausfertigung des Urteils des Verwaltungsgerichts gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden (vgl. S. 72 GA). Ausweislich des Datumstempels, der Paraphe der tätig gewordenen Justizbeschäftigten und des handschriftlichen Vermerks "2 x EB" auf der Abschlussverfügung wurden die Urteilsausfertigungen nebst Empfangsbekenntnis-Vordrucken noch am 22. August 2017 zur Post gegeben. Zufolge einer ergänzenden Verfügung des Berichterstatters ebenfalls vom 22. August 2017 sollte eine Ausfertigung des Urteils beiden Beteiligten "vorab per Fax ... jeweils gegen EB" zugestellt werden (vgl. S. 76 GA). Ausweislich des Datumstempels, der Paraphe der Justizbeschäftigten und des handschriftlichen Vermerks "2 x EB" auf der ergänzenden Verfügung wurde diese noch am 22. August ausgeführt; dem Übertragungsprotokoll vom 22. August 2017 ist zu entnehmen, dass dem Beklagten 21 Seiten per Fax übermittelt wurden. Zufolge des (1-seitigen) Anschreibens wurden zusammen mit diesem jedoch nur eine beglaubigte Abschrift des (15-seitigen) Urteils und der (4-seitigen) Sitzungsniederschrift übermittelt. Angesichts dessen ist es zwar möglich, dass dem Beklagten per Fax auch ein Empfangsbekenntnis-Vordruck übermittelt wurde. Jedoch lässt sich die Behauptung des Beklagten, er habe den Empfangsbekenntnis-Vordruck erst am 28. August 2017 auf dem Postweg erhalten, aufgrund des Akteninhalts nicht widerlegen, sodass sein am 28. September 2017 eingegangener Berufungszulassungsantrag nicht als verspätet verworfen werden kann.

3

Jedoch ist der Zulassungsantrag des Beklagten zumindest unbegründet.

4

Gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn einer der in § 124 Abs. 2 VwGO abschließend genannten Gründe dargelegt ist und vorliegt. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind zur Begründung des Zulassungsantrags die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Eine Darlegung in diesem Sinne erfordert neben der Bezeichnung mindestens eines Zulassungsgrundes substantiierte Ausführungen dazu, warum der geltend gemachte Zulassungsgrund oder die geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegen. Mithin ist zu verlangen, dass sich der Antragsteller mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzt, Tatsachen- und/oder Rechtsfragen aufbereitet und so die Begründung der angegriffenen Entscheidung substantiiert in Frage stellt (vgl. nur Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Loseblatt, § 124a Rn. 91 [Stand: Oktober 2015] m.w.N.).

5

Zur Darlegung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die der Beklagte zunächst geltend gemacht hat, muss deshalb unter substantiierter Auseinandersetzung mit der Begründung des angefochtenen Urteils dargelegt werden, dass und weshalb die Argumentation des Verwaltungsgerichts unzutreffend ist oder das gefundene Ergebnis gleichwohl nicht trägt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Ausführungen im Zulassungsantragbegründungsvorbringen des Beklagten gehen vielmehr fast zur Gänze am Urteil des Verwaltungsgerichts vorbei und sind im Übrigen zumindest so nicht zutreffend und stellen mithin die Argumentation des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Im Einzelnen:

6

Nach einer Sachverhaltsschilderung bis Mitte der dritten Seite des Schreibens des Beklagten vom 26. Oktober 2017 finden sich sodann folgende Ausführungen:

7

"Kosten der Vormundschaftstätigkeit sind nicht erstattungsfähig, da sie weder unmittelbare Aufwendungen für Jugendhilfemaßnahmen noch Annexleistungen i.S. des § 39 SGB VIII sind.

8

Die Vergütung von Vormündern, die durch die Amtsgerichte Familiengericht – bestellt werden, erfolgt nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG –). § 7 regelt dabei die Vergütung von Vereinsvormündern. Es besteht somit eine eigengesetzliche Regelung für die Vergütung aus der Staatskasse (Justizbudget).

9

Die Erstattung der Kosten der Wahrnehmung der Vormundschaft durch einen Verein nach der Erstattungsregelung des § 89d Abs. 3 SGB VIII entspricht... damit nicht der Rechtslage."

10

Dies alles trifft so nicht zu.

11

Gemäß § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, vom Land zu erstatten, wenn innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder nach § 19 SGB VIII Leistungsberechtigten "Jugendhilfe gewährt wird" und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach einer Zuweisungsentscheidung richtet. Die Gewährung von Jugendhilfe in diesem Sinne umfasst das gesamte Spektrum der in § 2 SGB VIII genannten Aufgaben der Jugendhilfe, also sowohl Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII als auch andere Aufgaben im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII (vgl. nur Streichsbier in jurisPK-SGB VIII, § 89d Rn. 6). Dazu zählen gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 11 SGB VIII auch die Amtsvormundschaft und die Gegenvormundschaft des Jugendamtes. Kosten, die ein örtlicher Träger hierfür aufwendet, sind daher nach § 89d Abs. 1 SGB VIII erstattungsfähig, sofern auch die weiteren Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind. Zu einer solchen Erstattung kommt es in der Praxis in aller Regel nur deshalb nicht, weil Verwaltungskosten nach § 109 Satz 1 SGB X nicht und Auslagen nach Satz 2 dieser Bestimmung nur dann erstattet werden, wenn sie im Einzelfall 200 € übersteigen.

12

Ferner erhalten gemäß § 1835a Abs. 5 und § 1836 Abs. 3 BGB weder ein Jugendamt noch ein rechtsfähiger Verein, das bzw. der vom Familiengericht zum Vormund bestellt wurde, eine Aufwandentschädigung oder eine Vergütung. Es besteht somit in diesen Fällen keine "eigengesetzliche Regelung für die Vergütung aus der Staatskasse (Justizbudget)". Der vom Beklagten erwähnte § 7 VBVG regelt unmittelbar nur "Vergütung und Aufwendungsersatz für Betreuungsvereine", falls ein Vereinsbetreuer, d.h. ein Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins (vgl. § 1908f BGB), also eine natürliche Person, zum Betreuer im Sinne der §§ 1896 ff. BGB bestellt worden ist. Zwar ist diese Bestimmung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs analog auch auf Vormundschaftsvereine im Sinne von § 1791a BGB i.V.m. § 54 Abs. 1 SGB VIII anwendbar, wenn ein Vereinsvormund, d.h. ein Mitarbeiter eines solchen Vormundschaftsvereins, also eine natürliche Person, zum Vormund bestellt wurde (vgl. dessen Urteil vom 25. Mai 2011 – XII ZB 625/10 – NJW 2011, 2727 [2728 f. Rnrn. 26 bis 36]). Auf dies alles hat bereits das Verwaltungsgericht ebenso zutreffend hingewiesen wie auf den Umstand, dass im vorliegenden Fall vom Familiengericht der Vormundschaftsverein selbst und nicht ein Vereinsvormund zum Vormund bestellt worden ist, der Vormundschaftsverein also weder Vergütung noch Aufwendungsersatz "aus der Staatskasse" erhält.

13

Schließlich ist der vom Beklagten erwähnte § 89d Abs. 3 SGB VIII bereits seit dem 1. Juli 2017 aufgehoben, enthielt aber auch zuvor keine Erstattungsregelung, sondern eine Regelung zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Landes bei im Ausland geborenen Personen im Sinne von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII.

14

Das gesamte weitere Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Berufungszulassungsantrages sowohl in seinem Schreiben vom 26. Oktober 2017 als auch in dem erst nach Ablauf der Antragsbegründungsfrist am 30. Oktober 2017 verfassten und übermittelten Schreiben vom 15. November 2017 fußt auf der Annahme, "die von der Klägerin vorgenommene Übertragung der Aufgabe Amtsvormundschaft auf einen freien Träger der Jugendhilfe" sei "nach dem SGB VIII nicht statthaft", weil eine "Übertragung von Aufgaben der Jugendämter auf einen freien Träger der Jugendhilfe ... nur in den in § 76 Abs. 1 SGB VIII genannten Fällen zulässig" sei und auch "§ 54 SGB VIII... hierfür keine Grundlage" bilde, sodass "die Übertragung der Vormundschaft durch die Klägerin auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. ... somit ohne rechtliche Grundlage" erfolgt sei. Diese Prämisse ist aber unzutreffend: Weder ist die Klägerin im vorliegenden Fall zum Vormund bestellt worden noch hat sie eine Vormundschaft auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. übertragen. Hiervon ist auch nicht etwa das Verwaltungsgericht ausgegangen, es hat derartiges auch nicht etwa zu Unrecht als rechtmäßig angesehen. Im Einzelnen:

15

Wie sich aus dem Sachverhalt des Urteils des Verwaltungsgerichts eindeutig ergibt, hat im vorliegenden Fall das Familiengericht Würzburg mit Beschluss vom 1. Oktober 2014 zwar zunächst das Jugendamt der Klägerin zum Vormund bestellt, durch Beschluss vom 14. November 2014 aber als Vormund entlassen und den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. zum neuen Vormund bestellt (UA S. 2 unten = juris Rn. 3). Mithin erfolgte keine Übertragung der Amtsvormundschaft der Klägerin durch diese auf den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im Folgenden ausgegangen. Zwar hat es zur Begründung seiner Annahme, bei den Zahlungen der Klägerin an den Sozialdienst katholischer Frauen e.V. handele es sich nicht um nach § 109 Satz 1 SGB X nicht erstattungsfähige Verwaltungskosten, auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2010 – 5 C 16.08 – NVwZ-RR 2010, 148 (149 ff. Rnrn. 16 bis 26) hingewiesen, wonach Zahlungen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe an einen Träger der freien Jugendhilfe für die Erledigung von Sach- und Dienstleistungen, mit denen letzterer (nicht nur gemäß § 56 SGB VIII, sondern mit Blick auf § 4 Abs. 2 SGB VIII befugterweise auch sonst) beauftragt worden war, eindeutig abgrenzbare Kosten zur Deckung von außerhalb des Verwaltungsapparates des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe entstehender Personal- und Sachkosten und damit keine Verwaltungskosten im Sinne von § 109 Satz 1 SGB X darstellen (UA S. 7 und 8 oben = juris Rnrn. 22 bis 24). Das Verwaltungsgericht ist im Folgenden aber ausdrücklich davon ausgegangen, dass "die Bestellung des Vereins als Vormund ... im Einzelfall auf Grundlage von § 1791a Abs. 2... BGB ... durch Beschluss des Familiengerichts" erfolgt und dass das Sozialgesetzbuch Achtes Buch "hinsichtlich der Bestellung eines Vereins zum Vormund des Hilfeempfängers ... gerade keine eigenständige Aufgabenübertragung durch das Jugendamt selbst" vorsieht (UA S. 8 unten = juris Rn. 25; vgl. auch UA S. 12 Mitte = juris Rn. 32). Ferner hat das Verwaltungsgericht ausdrücklich angemerkt, damit sei "die Übernahme der Vereinsvormundschaft ... unabhängig von einer Aufgabenübertragung im Sinne des § 76 SGB VIII zulässig" und es habe "einer Erwähnung in § 76 SGB VIII... damit schon aus systematischen Gründen nicht" bedurft (UA S. 8 unten = juris Rn. 25).

16

Vorsorglich merkt der Senat insoweit an, dass er nur die Entscheidungsgründe des Urteils selbst berücksichtigen kann und nicht etwa den zu diesem Urteil in juris veröffentlichten Leitsatz 2, der die Entscheidungsgründe unzutreffend widerspiegelt und auch mit der dort in Bezug genommenen Rn. 26 nicht zu vereinbaren ist. Darin und in den folgenden Randnummern meint das Verwaltungsgericht, dass die Bereitschaft eines für seine Tätigkeit als Vormund keine Aufwandsentschädigung oder Vergütung erhaltenden Vormundschaftsvereins, die gemäß § 1791a Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB für seine Bestellung zum Vormund erforderliche Einwilligung zu erklären, durch eine in § 74 SGB VIII vorgesehene finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe bewirkt werden könne, und geht davon aus, weil durch die mittels finanzieller Förderung bewirkte Einwilligung des Vormundschaftsvereins in seine Bestellung zum Vormund das Jugendamt von seiner Verpflichtung zur Übernahme einer Amtsvormundschaft freigestellt und der Vormundschaftsverein mithin im Sinne von § 77 Satz 1 SGB VIII "in Anspruch genommen" werde, sei diesbezüglich der Abschluss von Vereinbarungen in unmittelbarer, hilfsweise analoger Anwendung von § 77 SGB VIII rechtens. Von einer "Aufgabenübertragung", zumal "gemäß § 76 SGB VIII", ist in diesem Zusammenhang im Urteil des Verwaltungsgerichts – anders als im in juris veröffentlichten Leitsatz 2 – keine Rede.

17

Auf diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts, der Träger der öffentlichen Jugendhilfe könne durch eine finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe nach § 74 SGB VIII die Einwilligung eines Vormundschaftsvereins in dessen Bestellung zum Vormund bewirken und darüber mit dem Vormundschaftsverein eine Vereinbarung in unmittelbarer oder analoger Anwendung von § 77 SGB VIII über die Höhe der Kosten treffen, und auf die sich daran anschließende Frage, ob auch durch eine – in § 2 Abs. 2 und 3 SGB VIII nicht als Aufgabe der Jugendhilfe genannte – finanzielle Förderung der freien Jugendhilfe im Sinne von § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII "Jugendhilfe gewährt wird", geht das Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Zulassungsantrages mit keinem Wort ein. Damit sind insoweit Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts nicht dargelegt.

18

Zugleich ist damit nicht dargelegt, dass die Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzliche Bedeutung hat, weil der Beklagte eine entscheidungserhebliche Frage von grundsätzlicher Bedeutung nicht einmal auch nur aufgeworfen hat.

19

Nach alledem kann aufgrund der eingangs erörterten, so nicht zutreffenden Ausführungen des Beklagten wie aufgrund seiner irrigen Annahme, die Klägerin habe eine Vormundschaft, mit der sie betraut gewesen sei, ohne dafür existierende Rechtsgrundlage auf einen Vormundschaftsverein übertragen bzw. das Verwaltungsgericht sei hiervon ausgegangen und habe eine solche Übertragung als rechtens angesehen, kann die Berufung des Beklagten nicht zugelassen werden.

20

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren aus § 47 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.

21

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.

(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:

1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40),
6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind

1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a),
6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a),
10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54),
11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57),
12.
Beurkundung (§ 59),
13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rückerstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Erstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Rückerstattungsansprüche verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern

1.
für die Dauer des Erstattungszeitraumes und
2.
für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
auf Antrag mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. § 44 Abs. 3 des Ersten Buches findet Anwendung; § 16 des Ersten Buches gilt nicht.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung soll Jugendlichen gewährt werden, die einer intensiven Unterstützung zur sozialen Integration und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen. Die Hilfe ist in der Regel auf längere Zeit angelegt und soll den individuellen Bedürfnissen des Jugendlichen Rechnung tragen.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Leistungen für Schutzimpfungen im Sinne des § 2 Nr. 9 des Infektionsschutzgesetzes, dies gilt unabhängig davon, ob sie auch entsprechende Ansprüche gegen andere Kostenträger haben. Satz 1 gilt für Schutzimpfungen, die wegen eines erhöhten Gesundheitsrisikos durch einen Auslandsaufenthalt indiziert sind, nur dann, wenn der Auslandsaufenthalt beruflich oder durch eine Ausbildung bedingt ist oder wenn zum Schutz der öffentlichen Gesundheit ein besonderes Interesse daran besteht, der Einschleppung einer übertragbaren Krankheit in die Bundesrepublik Deutschland vorzubeugen. Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 auf der Grundlage der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch-Institut gemäß § 20 Abs. 2 des Infektionsschutzgesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Bedeutung der Schutzimpfungen für die öffentliche Gesundheit; die Leistungen können auch Schutzimpfungen mit zugelassenen Arzneimitteln für Indikationen und Indikationsbereiche umfassen, für die die Arzneimittel nicht von der zuständigen Bundesoberbehörde oder der Europäischen Kommission zugelassen sind. Abweichungen von den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission sind besonders zu begründen. Zu Änderungen der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission hat der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Veröffentlichung eine Entscheidung zu treffen. Kommt eine Entscheidung nicht fristgemäß zustande, dürfen insoweit die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen mit Ausnahme von Schutzimpfungen nach Satz 2 erbracht werden, bis die Richtlinie vorliegt.

(2) Die Krankenkasse kann in ihrer Satzung weitere Schutzimpfungen und andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe vorsehen.

(3) Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, nach Anhörung der Ständigen Impfkommission und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass Versicherte Anspruch auf weitere bestimmte Schutzimpfungen oder auf bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe haben. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, bis zum 7. April 2023 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen, dass

1.
Versicherte Anspruch auf
a)
bestimmte Schutzimpfungen oder auf bestimmte andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe haben, im Fall einer Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 insbesondere dann, wenn sie aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, wenn sie solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen oder wenn sie zur Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen, Kritischer Infrastrukturen oder zentraler Bereiche der Daseinsvorsorge eine Schlüsselstellung besitzen,
b)
bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit einem bestimmten Krankheitserreger oder auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen diesen Krankheitserreger haben,
c)
bestimmte Schutzmasken haben, wenn sie zu einer in der Rechtsverordnung festzulegenden Risikogruppe mit einem signifikant erhöhten Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf nach einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gehören,
2.
Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, Anspruch auf Leistungen nach Nummer 1 haben.
Der Anspruch nach Satz 2 kann auf bestimmte Teilleistungen beschränkt werden; er umfasst auch die Ausstellung einer Impf- und Testdokumentation sowie von COVID-19-Zertifikaten nach den §§ 22 und 22a des Infektionsschutzgesetzes. Sofern in der Rechtsverordnung nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2 ein Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 festgelegt wird, kann zugleich im Fall beschränkter Verfügbarkeit von Impfstoffen eine Priorisierung der Anspruchsberechtigten nach Personengruppen festgelegt werden; die in § 20 Absatz 2a Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes genannten Impfziele sind dabei zu berücksichtigen. Als Priorisierungskriterien kommen insbesondere das Alter der Anspruchsberechtigten, ihr Gesundheitszustand, ihr behinderungs-, tätigkeits- oder aufenthaltsbedingtes SARS-CoV-2-Expositionsrisiko sowie ihre Systemrelevanz in zentralen staatlichen Funktionen, Kritischen Infrastrukturen oder zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge in Betracht. Ein Anspruch nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b besteht nicht, wenn die betroffene Person bereits einen Anspruch auf die in Satz 2 Nummer 1 Buchstabe b genannten Leistungen hat oder einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für diese Leistungen hätte. Sofern in der Rechtsverordnung nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe c ein Anspruch auf Schutzmasken festgelegt wird, ist das Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen herzustellen und kann eine Zuzahlung durch den berechtigten Personenkreis vorgesehen werden. Sofern in der Rechtsverordnung nach Satz 2 ein Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 auch für Personen, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, festgelegt wird, beteiligen sich die privaten Krankenversicherungsunternehmen anteilig in Höhe von 7 Prozent an den Kosten, soweit diese nicht von Bund oder Ländern getragen werden. Die Rechtsverordnung nach Satz 2 ist nach Anhörung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu erlassen. Sofern in der Rechtsverordnung nach Satz 2 ein Anspruch auf Schutzimpfungen oder andere Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe festgelegt wird, ist vor ihrem Erlass auch die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut anzuhören. Sofern in der Rechtsverordnung nach Satz 2 ein Anspruch auf Schutzmasken festgelegt wird, ist vor ihrem Erlass auch der Deutsche Apothekerverband anzuhören. Sofern die Rechtsverordnung nach Satz 2 Regelungen für Personen enthält, die privat krankenversichert sind, ist vor Erlass der Rechtsverordnung auch der Verband der Privaten Krankenversicherung anzuhören. In der Rechtsverordnung nach Satz 2 kann auch das Nähere geregelt werden
1.
zu den Voraussetzungen, zur Art und zum Umfang der Leistungen nach Satz 2 Nummer 1,
2.
zu den zur Erbringung der in Satz 2 genannten Leistungen berechtigten Leistungserbringern, einschließlich der für die Leistungserbringung eingerichteten Testzentren und Impfzentren, zur Vergütung und Abrechnung der Leistungen und Kosten sowie zum Zahlungsverfahren,
3.
zur Organisation der Versorgung einschließlich der Mitwirkungspflichten der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bei der Versorgung mit den in Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a genannten Leistungen,
4.
zur vollständigen oder anteiligen Finanzierung der Leistungen und Kosten aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds,
5.
zur anteiligen Kostentragung durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen nach Satz 8, insbesondere zum Verfahren und zu den Zahlungsmodalitäten, und
6.
zur Erfassung und Übermittlung von anonymisierten Daten insbesondere an das Robert Koch-Institut über die aufgrund der Rechtsverordnung durchgeführten Maßnahmen.
Im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 werden aufgrund von Rechtsverordnungen nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b, auch in Verbindung mit Nummer 2, sowie Satz 13 Nummer 4 aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlte Beträge aus Bundesmitteln erstattet, soweit die Erstattung nicht bereits gemäß § 12a des Haushaltsgesetzes 2021 erfolgt. Soweit Leistungen nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe c aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden, sind diese aus Bundesmitteln zu erstatten; in den Rechtsverordnungen nach Satz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b, auch in Verbindung mit Nummer 2, kann eine Erstattung aus Bundesmitteln für weitere Leistungen nach Satz 2 geregelt werden. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ausschließlich zur Abwicklung einer aufgrund des Satzes 2 erlassenen Rechtsverordnung zu bestimmen, dass Regelungen dieser Rechtsverordnung, die die Abrechnung und die Prüfung bereits erbrachter Leistungen, die Zahlung aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds sowie die Erstattung dieser Zahlungen aus Bundesmitteln betreffen, bis zum 31. Dezember 2024 fortgelten. Soweit und solange eine auf Grund des Satzes 1 oder des Satzes 2 erlassene Rechtsverordnung in Kraft ist, hat der Gemeinsame Bundesausschuss, soweit die Ständige Impfkommission Empfehlungen für Schutzimpfungen abgegeben hat, auf die ein Anspruch nach der jeweiligen Rechtsverordnung besteht, in Abweichung von Absatz 1 Satz 5 Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang von diesen Schutzimpfungen nach Absatz 1 Satz 3 für die Zeit nach dem Außerkrafttreten der jeweiligen Rechtsverordnung in Richtlinien nach § 92 zu bestimmen; die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Schutzimpfungen dürfen nach Außerkrafttreten der Rechtsverordnung so lange erbracht werden, bis die Richtlinie vorliegt.

(4) Soweit Versicherte Anspruch auf Leistungen für Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 haben, schließt dieser Anspruch die Bereitstellung einer Impfdokumentation nach § 22 des Infektionsschutzgesetzes ein. Die Krankenkassen können die Versicherten in geeigneter Form über fällige Schutzimpfungen und über andere Maßnahmen nach den Absätzen 2 und 3, auf die sie einen Anspruch auf Leistungen haben, versichertenbezogen informieren.

(5) Die von den privaten Krankenversicherungsunternehmen in dem Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021 nach Absatz 3 Satz 8 und 13 Nummer 5 getragenen Kosten werden aus Bundesmitteln an den Verband der Privaten Krankenversicherung erstattet. Der Verband der Privaten Krankenversicherung teilt dem Bundesministerium für Gesundheit die nach Satz 1 zu erstattenden Beträge bis zum 30. November 2021 für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 30. November 2021 und bis zum 31. März 2022 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2021 bis zum 31. Dezember 2021 mit. Die Beträge nach Satz 2 sind binnen der in Satz 2 genannten Fristen durch den Verband der Privaten Krankenversicherung durch Vorlage der von den Ländern an den Verband der Privaten Krankenversicherung gestellten Rechnungen und der Zahlungsbelege über die vom Verband der Privaten Krankenversicherung an die Länder geleisteten Zahlungen nachzuweisen. Das Bundesministerium für Gesundheit erstattet dem Verband der Privaten Krankenversicherung nach dem Zugang der Mitteilung nach Satz 2 und der Vorlage der Nachweise nach Satz 3 die mitgeteilten Beträge. Der Verband der Privaten Krankenversicherung erstattet die vom Bundesministerium für Gesundheit erstatteten Beträge an die privaten Krankenversicherungsunternehmen.

Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor.

(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.

(2) Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate

1.
nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und
2.
erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen.

(3) Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht für Zeiten des Bezuges von Verletztengeld nach dem Siebten Buch.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Versicherte erhalten Krankengeld ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit jedoch für längstens achtundsiebzig Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tage des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an. Tritt während der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, wird die Leistungsdauer nicht verlängert.

(2) Für Versicherte, die im letzten Dreijahreszeitraum wegen derselben Krankheit für achtundsiebzig Wochen Krankengeld bezogen haben, besteht nach Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums ein neuer Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit, wenn sie bei Eintritt der erneuten Arbeitsunfähigkeit mit Anspruch auf Krankengeld versichert sind und in der Zwischenzeit mindestens sechs Monate

1.
nicht wegen dieser Krankheit arbeitsunfähig waren und
2.
erwerbstätig waren oder der Arbeitsvermittlung zur Verfügung standen.

(3) Bei der Feststellung der Leistungsdauer des Krankengeldes werden Zeiten, in denen der Anspruch auf Krankengeld ruht oder für die das Krankengeld versagt wird, wie Zeiten des Bezugs von Krankengeld berücksichtigt. Zeiten, für die kein Anspruch auf Krankengeld besteht, bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht für Zeiten des Bezuges von Verletztengeld nach dem Siebten Buch.

(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.

(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sind die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden Schutzimpfungen entsprechend den §§ 47, 52 Absatz 1 Satz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und die medizinisch gebotenen Vorsorgeuntersuchungen erbracht. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist.

(2) Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.

(3) Die zuständige Behörde stellt die Versorgung mit den Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 sicher. Sie stellt auch sicher, dass den Leistungsberechtigten frühzeitig eine Vervollständigung ihres Impfschutzes angeboten wird. Soweit die Leistungen durch niedergelassene Ärzte oder Zahnärzte erfolgen, richtet sich die Vergütung nach den am Ort der Niederlassung des Arztes oder Zahnarztes geltenden Verträgen nach § 72 Absatz 2 und § 132e Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch. Die zuständige Behörde bestimmt, welcher Vertrag Anwendung findet.

(1) Sonstige Leistungen können insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerläßlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Die Leistungen sind als Sachleistungen, bei Vorliegen besonderer Umstände als Geldleistung zu gewähren.

(2) Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes besitzen und die besondere Bedürfnisse haben, wie beispielsweise unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wird die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe gewährt.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 115 309,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung des vom klagenden Landkreis geleisteten Aufwendungsersatzes für die Krankenbehandlung von drei Sozialhilfeempfängern.

2

Der SGB II-Leistungsträger gewährte A (im Folgenden: Berechtigte R.) im Jahr 2005 Arbeitslosengeld II, stellte aber mit Wirkung zum 1.1.2006 die Leistungen ein. Der Kläger als zuständiger Sozialhilfeträger bewilligte ihr und ihren beiden damals minderjährigen Söhnen anschließend Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Er beauftragte die beklagte Krankenkasse (KK), für die Berechtigte R. und ihre Söhne als nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger die Krankenbehandlung von 2006 bis 2009 zu übernehmen. Hierfür leistete der Kläger der Beklagten zunächst Aufwendungsersatz und meldete bei ihr einen Erstattungsanspruch - zuletzt über 115 423,04 Euro - an (am 7.6.2006 , am 21.1.2010 und am 2.2.2010 ). Die Beklagte erkannte nach einem Rechtsstreit das Bestehen einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. rückwirkend zum 1.1.2006 an (22.12.2009), weigerte sich aber, den gesamten geleisteten Aufwendungsersatz zurückzuzahlen. Der Kläger hat unter Berücksichtigung eines "umgebuchten" Betrages von 113,88 Euro am 1.12.2010 Klage auf Erstattung von 115 309,16 Euro erhoben. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Dem Kläger stehe ein nicht verjährter öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Der Erstattungsanspruch richte sich nicht nach den §§ 102 ff SGB X. Die einjährige Ausschlussfrist des § 111 SGB X finde keine Anwendung. Die Krankenbehandlung sei ausschließlich eine Sozialleistung der Beklagten gewesen. Maßgeblich sei die Sicht der Leistungsberechtigten. Sie hätten nur Ansprüche auf Krankenbehandlung gegen die KK, nicht aber gegen den Sozialhilfeträger (Urteil vom 22.5.2013).

3

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 102 ff SGB X, insbesondere des § 111 SGB X. Sie habe die Krankenbehandlung zwar tatsächlich der Berechtigten R. und ihren Söhnen zugewendet. Die Leistungen seien aber nach der Rechtsprechung des BSG dem Kläger als von ihm erbrachte Sozialleistungen zuzurechnen. Der hierfür nur nachrangig verpflichtete Kläger habe seinen Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 2.6.2006 und 19.1.2010 nicht hinreichend konkret geltend gemacht.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält das SG-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision der beklagten KK ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2, Abs 4 S 1 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat macht von seinem Ermessen Gebrauch, die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 4 S 1 SGG). Es wird die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben.

8

Der erkennende Senat ist prozessual an einer Entscheidung nicht gehindert (dazu 1.). Der klagende Sozialhilfeträger kann wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. ab Jahresbeginn 2006 von der Beklagten Erstattung der Leistungen beanspruchen, die er für die Berechtigte R. vom 21. bis 31.1. und vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Der erkennende Senat kann hierüber aber wegen fehlender Tatsachenfeststellungen zur Höhe des Anspruchs nicht abschließend entscheiden (dazu 2.). Es kommt zudem in Betracht, dass der Kläger als nachrangig verpflichteter Leistungsträger von der Beklagten Erstattung der Leistungen beanspruchen kann, die er für die beiden Söhne der R. vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Der erkennende Senat kann auch hierüber nicht abschließend entscheiden, denn die hierfür erforderlichen Feststellungen zum Versichertenstatus der beiden Söhne der R. und zum Umfang der für sie erbrachten Leistungen fehlen (dazu 3.).

9

1. Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Die Berechtigte R. und ihre Söhne waren nicht notwendig beizuladen. Einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG bedarf es im Erstattungsstreit nur dann, wenn sich die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X auf weitere Rechte des Leistungsempfängers auswirkt(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 10a mwN). Hat der Berechtigte die Leistung aber bereits erhalten, kann er diese nicht noch einmal beanspruchen. Hat die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkung auf seine Rechtsposition, ist eine notwendige Beiladung nicht erforderlich (vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 5 RdNr 9; Leitherer aaO). Das gilt auch im Verhältnis zwischen Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträger (missverständlich insoweit BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 20). So liegt der Fall hier. Die Berechtigte R. und ihre Söhne erhielten vom Kläger bereits Sozialleistungen (näher dazu unter II. 2. und 3.). Sie können diese Leistungen - unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Erstattungsrechtsstreits - weder nochmals von den Beteiligten beanspruchen noch kommt wegen § 107 SGB X in Betracht, dass sie der Beklagten die erbrachten Leistungen erstatten müssen(vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 10 mwN). Vorliegend geht es lediglich noch um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern (vgl ähnlich BSG SozR 4-2500 § 39a Nr 1 RdNr 9 mwN).

10

2. Der Kläger hat wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. lediglich als nachrangig verpflichteter Leistungsträger gegen die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger Anspruch auf Erstattung der Leistungen, die er für die Berechtigte R. vom 21. bis 31.1. und vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Rechtsgrundlage des Anspruchs ist die Regelung des § 104 Abs 1 SGB X(dazu a). Die Anspruchsvoraussetzungen sind dem Grunde nach ab Beginn der freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. 2006 erfüllt (dazu b). Der Anspruch erlosch jedoch für bis zum 20.1.2009 und am 1.2.2009 erbrachten Leistungen wegen fruchtlosen Ablaufs der Ausschlussfrist des § 111 S 1 SGB X(dazu c). Es fehlt an Feststellungen, um über die Höhe des Anspruchs zu entscheiden (dazu d). Andere Anspruchsgrundlagen kommen für den geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht (dazu e).

11

a) § 104 Abs 1 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGB X vom 18.1.2001, BGBl I 130) regelt Folgendes: Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist gemäß § 104 Abs 1 S 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nach § 104 Abs 1 S 3 SGB X besteht kein Erstattungsanspruch, soweit der nachrangige Träger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers hätte erbringen müssen.

12

b) Der Kläger erbrachte nach den den erkennenden Senat bindenden, im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Feststellungen des SG (§ 161 Abs 4 SGG)in der Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 der Berechtigten R. Krankenbehandlung mittels Beauftragung der Beklagten (dazu aa). Der Kläger war für die Gewährung von Krankenbehandlung nur nachrangig zuständig. Vorrangig zuständiger Leistungsträger war die Beklagte (dazu bb). Auch die übrigen Voraussetzungen für das Entstehen des Erstattungsanspruchs waren erfüllt (dazu cc).

13

aa) Der Kläger erbrachte für die Zeit von 2006 bis Ende 2009 Sozialleistungen an die Berechtigte R., nämlich Krankenbehandlung. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 17.6.2008 entschieden hat, erbringen die KKn die Krankenbehandlung von nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten Sozialhilfeempfängern nach § 264 SGB V aufgrund gesetzlichen Auftrags iS des § 93 SGB X(vgl ausführlich BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1; siehe auch BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 12/14 R - RdNr 11 mwN, für SozR vorgesehen; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 3 RdNr 31<12. Senat>; so auch: Huck in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2014, K § 264 RdNr 14; Böttiger in Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand September 2013, § 264 RdNr 42; Marburger, WzS 2004, 289, 291; Peters in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 264 SGB V RdNr 4; Baierl in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 264 RdNr 32; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 48 SGB XII RdNr 47; aA BSG Urteil vom 27.5.2014 - B 8 SO 26/12 R - Juris RdNr 20, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 264 Nr 5; Sunder, Gutachten Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2004, 320, 323; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 48 SGB XII RdNr 10; Zink/Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 48 SGB XII RdNr 43 ff, Stand April 2014; wohl auch: Zeitler, NDV 2004, 45, 46; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand April 2014, K § 48 RdNr 5; noch offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 23<8. Senat>). Insoweit überträgt § 264 SGB V den KKn in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der GKV entsprechenden Leistungen zu gewähren(vgl § 48 SGB XII). Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 SGB V die Krankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von der KK "übernommen"(vgl zum Ganzen BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1).

14

Der erkennende Senat muss bei dieser Auslegung nicht wegen Divergenz beim 8. Senat des BSG im Hinblick auf dessen Rechtsprechung (BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 5, auch für BSGE vorgesehen)anfragen (§ 41 Abs 3 SGG). Dort waren nicht Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern betroffen, sondern das Bestehen einer sog "Quasiversicherung" nach § 264 Abs 2 SGB V. Soweit der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung ausführt, dass der Sozialhilfeträger in das unmittelbare krankenversicherungsrechtliche Leistungsgeschehen in keiner Weise eingebunden ist, ihm lediglich Meldeverpflichtungen und die Verpflichtung zur Einziehung der Krankenversichertenkarte für die KK (§ 264 Abs 5 und Abs 3 S 3 SGB V) obliegen und keinen Statusbescheid über eine "Quasiversicherung" erlassen darf, folgt dem auch der erkennende Senat. Aber selbst wenn man ein Auftragsverhältnis ablehnen und lediglich ein "auftragsähnliches Verhältnis" bejahen wollte (vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 5 RdNr 20), änderte dies im Übrigen nichts. Denn auch dann wären Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des SGB allein dem Aufgabenbereich des Sozialhilfeträgers zuzurechnen und die zwischen Sozialleistungsträgern geltenden Erstattungsregelungen der §§ 102 ff SGB X entsprechend anzuwenden(vgl auch BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 12/14 R - RdNr 12 mwN, für SozR vorgesehen).

15

bb) Vorrangig zuständig für die Krankenbehandlung war die Beklagte. Die Berechtigte R. hatte gegen die Beklagte als freiwillig versichertes Mitglied ab 1.1.2006 einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V. Die Leistungspflicht der Beklagten entstand nicht erst ex nunc mit ihrem von der Berechtigten R. angenommenen Anerkenntnis über den Beginn der freiwilligen Versicherung ab 1.1.2006 am 22.12.2009, sondern von Anbeginn der freiwilligen Versicherung an. Der Kläger war nur nachrangig zuständig für die Erbringung der Krankenbehandlung. Nach § 2 Abs 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (sog Nachranggrundsatz, Selbsthilfeobliegenheit). Die Norm regelt keinen eigenständigen Ausschlusstatbestand (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 20; BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 25; BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - Juris RdNr 13). Wenn tatsächlich keine anderen Leistungen erbracht werden, stellt die Erfüllung der Selbsthilfeobliegenheit in § 2 Abs 1 SGB XII deshalb kein ungeschriebenes (negatives) Tatbestandmerkmal eines Sozialhilfeanspruchs dar. So liegt der Fall hier. Die vorrangig zuständige Beklagte erbrachte nach den Feststellungen des SG keine Leistungen.

16

cc) Der Erstattungsanspruch scheitert nicht an § 104 Abs 1 S 3 SGB X. Danach besteht kein Erstattungsanspruch, soweit der nachrangige Träger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers hätte erbringen müssen. Dies ist - wie zuvor dargelegt (vgl II. 2. b bb) - gerade nicht der Fall. Hätte die Beklagte Krankenbehandlung erbracht, hätte der Kläger nicht leisten müssen. Die nach § 104 SGB X erforderliche Kongruenz (Gleichartigkeit) der Leistungen liegt vor.

17

c) Der Anspruch des Klägers auf Erstattung erlosch für die im Zeitraum bis zum 20.1.2009 und für den 1.2.2009 erbrachten Leistungen nach § 111 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGB X vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Ablaufs der Ausschlussfrist. Gemäß § 111 S 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, "für" den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

18

Der Tag, "für" den eine Leistung erbracht wird, entspricht bei bestehender Leistungsbeziehung, wenn der erstattungsberechtigte Träger von Anfang an - wie hier der Kläger aufgrund seines Vorgehens nach § 264 Abs 2 SGB V - in die Leistungserbringung eingebunden war, dem Tag, an dem die Leistung dem Berechtigten tatsächlich zugutekommt(vgl nur BSGE 65, 31, 38 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24; BSG Urteil vom 28.11.1990 - 5 RJ 50/89 - Juris RdNr 25 = USK 90174; anders dagegen bei rückwirkender Leistungsbewilligung bzw Zahlung aufgrund einer Leistungserbringerforderung ohne zuvor mit dem Leistungsgeschehen befasst gewesen zu sein: BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 21 f; BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4, RdNr 9). Auf den Tag, "an" dem die Leistung vergütet wurde, kommt es demgegenüber nicht an (vgl BSGE 65, 27, 30 = SozR 1300 § 111 Nr 4 S 15 sowie BSGE 65, 31, 37 f = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24; BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 13/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2008-6). Unerheblich ist deswegen, dass die Beklagte Krankenbehandlungsleistungen, die im Jahr 2008 erfolgten, ggf teilweise erst im Jahr 2009 den Leistungserbringern bezahlte.

19

Der Kläger wahrte die Frist des § 111 S 1 SGB X hinsichtlich seiner Leistungen für die Berechtigte R. erst mit seinen Schreiben vom 19. und 29.1.2010 für die Zeiträume vom 21. bis 31.1.2009 und vom 2.2. bis 31.12.2009. Das Schreiben vom 2.6.2006 genügte dagegen nicht den Anforderungen an die wirksame "Geltendmachung" des Erstattungsanspruchs für die Zeiträume von 2006 bis 20.1.2009 und für den 1.2.2009. Der Begriff des "Geltendmachens" meint im Zusammenhang mit § 111 S 1 SGB X keine gerichtliche Geltendmachung und keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern das Behaupten oder Vorbringen. Allerdings muss der Wille erkennbar werden, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloß "vorsorgliche" Anmeldung reicht dagegen nicht aus. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussfrist, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht, muss der in Anspruch genommene Leistungsträger bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dies kann er ohne Kenntnis des Forderungsbetrages feststellen, wenn die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruches maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistungen erbracht wurden (§ 111 S 1 SGB X), hinreichend konkret mitgeteilt sind. Da der Erstattungsanspruch iS des § 111 S 1 SGB X bereits geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat, können allgemeine Angaben genügen, die sich auf die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhandenen Kenntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken(zum Ganzen BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 5 RdNr 15 mwN).

20

Der Kläger wies in dem Schreiben vom 2.6.2006 nicht auf die Leistungsart "Krankenbehandlung" hin und machte nicht deutlich, dass es ihm um die Erstattung dieser von ihm bereits durch die Beklagte erbrachten und zukünftig noch zu erbringenden Leistungen ging. Die Schreiben vom 19. und 29.1.2010 genügten dagegen den dargelegten Anforderungen an ein fristwahrendes "Geltendmachen". Die Beklagte musste beim Zugang dieser Anmeldungen der Erstattungsansprüche von einem rechtssichernden Willen des Klägers ausgehen. Sie konnte im Zugangszeitpunkt jeweils ohne weitere Nachforschungen beurteilen, ob die erhobenen Forderungen ausgeschlossen waren. Das Schreiben vom 19.1.2010 verweist nämlich auf den Zeitraum (1.2.2006 bis 31.1.2009), die Art der Leistungen ("Hilfe bei Krankheit") und bezieht sich auf die Fortsetzung der Mitgliedschaft der Berechtigten R. bei der Beklagten aufgrund angenommenen Anerkenntnisses (Rechtsstreit SG Dresden - S 39 KR 191/08). Das Schreiben vom 29.1.2010 informiert nicht nur über die Leistungsempfänger (Berechtigte R. und ihre beiden genau bezeichneten Söhne), den Leistungszeitraum (1.1.2006 bis 31.12.2009) und die Art der Leistungen ("Krankenhilfe"), sondern auch über den geltend gemachten Betrag, aufgelistet nach Personen und Quartalen.

21

Zu Recht ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass der Lauf der Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht gemäß § 111 S 2 SGB X auf einen späteren Zeitpunkt als den nach § 111 S 1 SGB X maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung hinausgeschoben war. Die Regelung lautet: "Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat". Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann bei Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander eine solche, den Fristenlauf hinausschiebende Kenntnisnahme von der "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht" nicht vorliegen, wenn der Erstattungsverpflichtete eine materiell-rechtliche Entscheidung über Leistungen, wie sie der Erstattungsberechtigte bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 LS 1 und RdNr 15 f; dem folgend BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 16 f; ebenso BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 ff = USK 2008-6). Das ist in aller Regel der Fall, wenn - wie hier - der Versicherte die Sachleistung bereits erhalten hat. Der Bedarf des Versicherten ist insoweit - wenn auch durch einen nachrangig zuständigen Träger - bereits gedeckt. Der (vorrangig) zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - hat keine Befugnis mehr, gegenüber der Berechtigten R. nochmals eine materiell-rechtliche Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung gerade dieser Leistungen zu treffen und die Leistung zu bewilligen. Für einen entsprechenden Antrag der Versicherten würde es von vornherein an der dafür erforderlichen rechtlichen Betroffenheit fehlen. Denn ihr Anspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger, der Beklagten, ist sowohl faktisch als auch rechtlich kraft der Fiktion des § 107 SGB X erfüllt(BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 18).

22

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hindert die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers nicht, sich auf den Fristablauf zu berufen. Die in § 111 S 1 SGB X normierte Frist ist nämlich eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist(BT-Drucks 9/95 S 26 f). Sie unterliegt als solche grundsätzlich nicht dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn die Versäumung der Ausschlussfrist auf ein grob rechtswidriges, zB vorsätzliches Verhalten dessen zurückzuführen ist, der durch die Ausschlussfrist begünstigt wird (vgl zum Ganzen BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 20). Hierfür fehlt es aber nach den Feststellungen des SG an jeglichem Anhaltspunkt.

23

d) Es fehlt für den erkennenden Senat an hinreichend getroffenen Feststellungen des SG, um über die Höhe des Anspruchs abschließend zu entscheiden. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für die Beklagte, den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs 3 SGB X). Der Erstattungsanspruch ist insoweit in zweierlei Weise begrenzt: Der erstattungsberechtigte Träger - hier: der Kläger - darf nicht mehr erhalten, als er selbst dem Leistungsempfänger an Leistungen erbracht hat. Der erstattungspflichtige Leistungsträger - hier: die Beklagte - soll nicht mehr erstatten müssen, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte (vgl BSGE 58, 128, 133 = SozR 1300 § 103 Nr 4; zustimmend BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 35-36; Kater in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 104 SGB X RdNr 36). Verwaltungskosten sind nicht zu erstatten (vgl näher § 109 SGB X).

24

Das SG hat schon nicht festgestellt, welchen Aufwendungsersatz ohne Verwaltungskosten (§ 264 Abs 7 S 2 SGB V) der Kläger für seine Leistungen an die Berechtigte R. für die Zeit vom 21. bis 31.1.2009 und vom 2.2. bis 31.12.2009 gezahlt hat. Soweit das SG die vom Kläger als "Pauschalen gemäß § 264 SGB V für 3 Personen" für die Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 geltend gemachten Beträge von 15 600 Euro als "Verwaltungspauschalen" bezeichnet, kann es sich schon rechnerisch nicht um Verwaltungskosten iS des § 264 Abs 7 S 2 SGB V handeln. Denn die in der Forderungsaufstellung ausgewiesenen Pauschalen von insgesamt 15 600 Euro können nicht die in § 264 Abs 7 S 2 SGB V auf höchstens 5 vH der abgerechneten Leistungsausgaben begrenzten Verwaltungskosten sein, die der Kläger berechnen durfte(5 vH aus 99 823,04 Euro = 4991,152 Euro). Diese Diskrepanz hat das SG auch nicht durch ergänzende Tatsachenfeststellungen plausibilisiert.

25

Der erkennende Senat kann auch nicht beurteilen, ob es sich - was nahe liegt - bei den "Pauschalen" um die in § 9 der "Vereinbarung zur Umsetzung der Leistungserbringung und Abrechnung nach § 264 SGB V" zwischen den Rechtsvorgängern der Beklagten und der IKK Classic einerseits sowie dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag e.V. und dem Sächsischen Landkreistag e.V. andererseits geregelten Abschlagszahlungen der Sozialhilfeträger (390 Euro je Leistungsempfänger und Quartal) handelt. In diesem Falle käme in Betracht, dass die gezahlten Pauschalen als Abschlagszahlungen mit Aufwendungsersatzansprüchen der Beklagten für durch Behandlungsmaßnahmen entstandene Kosten verrechnet wurden und der Kläger insgesamt deutlich weniger für die Leistungen an die Berechtigte R. ohne Verwaltungskosten an die Beklagte zahlte, als er bisher geltend macht. Der erkennende Senat kann mangels Feststellungen des SG auch nicht nachvollziehen, ob und ggf welche Forderung des Klägers die Beklagte mit der zugunsten des Klägers vorgenommenen "Umbuchung" von 113,88 Euro tilgte.

26

e) Der Kläger hat wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. ab 2006 keinen Zahlungsanspruch aus einer anderen Rechtsgrundlage als § 104 SGB X, insbesondere weder aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus einem Schadenersatzanspruch wegen einfacher Pflichtverletzung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses entsprechend § 280 Abs 1 BGB. Denn die Regelung der Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels SGB X durch die §§ 102 ff SGB X ist insoweit bewusst abschließend. Sie ist in ihrem Anwendungsbereich erschöpfend. Sie erlaubt keinen Rückgriff auf allgemeine Rechtsinstitute wie den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Schadenersatzansprüche entsprechend § 280 Abs 1 BGB aufgrund der Rechtsbeziehung von Leistungsträgern untereinander, die den Regelungsgehalt der §§ 102 ff SGB X zu unterlaufen drohen(vgl zur Geschäftsführung ohne Auftrag BSGE 85, 110 = SozR 3-2500 § 60 Nr 4 = Juris RdNr 19, unter Hinweis insbesondere auf BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; zur öffentlich-rechtlichen Erstattung BSG Urteil vom 29.5.1991 - 9a RV 10/90 - Juris RdNr 9 = USK 9183; Böttiger in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, Vor §§ 102-114, RdNr 17; Kater in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 104 SGB X RdNr 36; ähnlich BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 59/98 R - zum abschließenden Charakter öffentlich-rechtlicher ärztlicher Gebührenordnungen). Die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Sozialgesetzbuchs (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - zum Entwurf der späteren §§ 102 ff SGB X(BT-Drucks 9/95 S 24, vor §§ 108 ff des Entwurfs) spricht in diesem Sinne von einer "geschlossene(n) Lösung".

27

Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kommt - soweit hier von Interesse - lediglich bei Fehlern im gesetzlichen Auftragsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und KK nach § 264 SGB V in Betracht, etwa bei unwirksamer Auftragserteilung oder Überzahlung. Der Kläger hat solches bisher nicht geltend gemacht.

28

3. Der erkennende Senat kann auch nicht darüber entscheiden, ob der Kläger wegen des Bestehens einer Versicherung der beiden Söhne der Berechtigten R. als nachrangig verpflichteter Leistungsträger gegen die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger Anspruch auf Erstattung der Leistungen hat, die er für die beiden Söhne der Berechtigten R. von 2006 bis Ende 2009 erbrachte. Entsprechend den oben dargelegten Anforderungen (vgl II. 2. a, b) fehlt es schon an Feststellungen dazu, dass die beiden Söhne der Berechtigten R. in dieser Zeit oder einem Teilbereich hiervon bei der Beklagten versichert waren. Ein Erstattungsanspruch kommt wegen fruchtlosem Ablauf der Ausschlussfrist (§ 111 S 1 SGB X; vgl oben, II. 2. c) lediglich hinsichtlich der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 2.2. bis 31.12.2009 in Betracht. Denn das Schreiben vom 19.1.2010 wirkte nicht fristwahrend. Es führte in identifizierbarer Form lediglich die Berechtigte R. als Leistungsempfängerin auf, nicht aber ihre beiden Söhne. Den oben genannten Anforderungen genügte erst das Schreiben vom 29.1.2010. Soweit danach die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs erfüllt sind, wird das LSG auch Feststellungen zur Höhe des Erstattungsumfangs entsprechend den oben dargelegten Anforderungen (vgl II. 2. d) zu treffen haben.

29

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 sind das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch und Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die sich seit 18 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Die Sonderregelungen für Auszubildende nach § 22 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch finden dabei jedoch keine Anwendung auf

1.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 1, 3 und 4 in einer nach den §§ 51, 57 und 58 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung sowie
2.
Leistungsberechtigte nach § 1 Absatz 1 Nummer 3 und 4 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung, deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erhalten.
Bei Leistungsberechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 in einer nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung gilt anstelle des § 22 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch, dass die zuständige Behörde Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch als Beihilfe oder als Darlehen gewährt. § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch in Verbindung mit dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und den §§ 28a, 40 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch findet auf Leistungsberechtigte nach Satz 1 mit den Maßgaben entsprechende Anwendung, dass
1.
bei der Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft im Sinne von § 53 Absatz 1 des Asylgesetzes oder in einer Aufnahmeeinrichtung nach § 44 Absatz 1 des Asylgesetzes für jede erwachsene Person ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird;
2.
für jede erwachsene Person, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, unverheiratet ist und mit mindestens einem Elternteil in einer Wohnung im Sinne von § 8 Absatz 1 Satz 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zusammenlebt, ein Regelbedarf in Höhe der Regelbedarfsstufe 3 anerkannt wird.

(2) Bei der Unterbringung von Leistungsberechtigten nach Absatz 1 in einer Gemeinschaftsunterkunft bestimmt die zuständige Behörde die Form der Leistung auf Grund der örtlichen Umstände.

(3) Minderjährige Kinder, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Haushaltsgemeinschaft leben, erhalten Leistungen nach Absatz 1 auch dann, wenn mindestens ein Elternteil in der Haushaltsgemeinschaft Leistungen nach Absatz 1 erhält.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Die Krankenkasse stellt für jeden Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte aus.

(2) Die elektronische Gesundheitskarte muss technisch geeignet sein,

1.
Authentifizierung, Verschlüsselung und elektronische Signatur barrierefrei zu ermöglichen,
2.
die Anwendungen der Telematikinfrastruktur nach § 334 Absatz 1 zu unterstützen und
3.
sofern sie vor dem 1. Januar 2026 ausgestellt wird, die Speicherung von Daten nach § 291a, und, wenn sie nach diesem Zeitpunkt ausgestellt wird, die Speicherung von Daten nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 3 und 6 zu ermöglichen; zusätzlich müssen vor dem 1. Januar 2025 ausgegebene elektronische Gesundheitskarten die Speicherung von Daten nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 bis 5 in Verbindung mit § 358 Absatz 4 ermöglichen.

(3) Elektronische Gesundheitskarten, die die Krankenkassen nach dem 30. November 2019 ausgeben, müssen mit einer kontaktlosen Schnittstelle ausgestattet sein. Die Krankenkassen sind verpflichtet,

1.
Versicherten auf deren Verlangen unverzüglich eine elektronische Gesundheitskarte mit kontaktloser Schnittstelle zur Verfügung zu stellen,
2.
Versicherten, die eine elektronische Patientenakte beantragen, gleichzeitig eine elektronische Gesundheitskarte mit kontaktloser Schnittstelle und eine persönliche Identifikationsnummer (PIN) zur Verfügung zu stellen, soweit dies noch nicht erfolgt ist,
3.
Versicherten, die bis zum 31. Dezember 2022 eine elektronische Patientenakte beantragt haben, bis spätestens zum 30. Juni 2023 eine elektronische Gesundheitskarte mit kontaktloser Schnittstelle und eine PIN zur Verfügung zu stellen, soweit dies noch nicht erfolgt ist, und
4.
Versicherten ab dem 1. November 2023 als Verfahren zur nachträglichen, sicheren Identifikation nach § 336 Absatz 5 Nummer 3 und zur sicheren Identifikation nach § 336 Absatz 6 auch die Nutzung eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes anzubieten.

(3a) Bei der Ausgabe von elektronischen Gesundheitskarten mit einer kontaktlosen Schnittstelle nach Absatz 3 informieren die Krankenkassen Versicherte barrierefrei über

1.
die Möglichkeit und das Verfahren, eine zugehörige persönliche Identifikationsnummer (PIN) beantragen zu können und
2.
die Nutzungsmöglichkeiten solcher Karten für Anwendungen nach § 334 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1, 4, 6 und 7.
Die Krankenkassen informieren nach Satz 1 auch die Versicherten, denen eine elektronische Gesundheitskarte mit kontaktloser Schnittstelle ohne diese Informationen zur Verfügung gestellt wurde. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen berichtet dem Bundesministerium für Gesundheit halbjährlich beginnend ab dem 1. Januar 2023 über die jeweilige Anzahl der von den einzelnen Kassen an die Versicherten ausgegebenen elektronischen Gesundheitskarten mit einer kontaktlosen Schnittstelle und die jeweilige Anzahl der an die Versicherten versendeten PINs.

(4) Die elektronische Gesundheitskarte gilt nur für die Dauer der Mitgliedschaft bei der ausstellenden Krankenkasse und ist nicht übertragbar. Die Krankenkasse kann die Gültigkeit der Karte befristen.

(5) Spätestens bei der Versendung der elektronischen Gesundheitskarte an den Versicherten hat die Krankenkasse den Versicherten umfassend und in allgemein verständlicher, barrierefreier Form zu informieren über die Funktionsweise der elektronischen Gesundheitskarte und die Art der personenbezogenen Daten, die nach § 291a auf der elektronischen Gesundheitskarte oder durch sie zu verarbeiten sind.

(6) Die Krankenkasse hat bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte die in der Richtlinie gemäß § 217f Absatz 4b vorgesehenen Maßnahmen und Vorgaben zum Schutz von Sozialdaten der Versicherten vor unbefugter Kenntnisnahme umzusetzen. Die Krankenkasse kann zum Zwecke des in der Richtlinie zum 1. Oktober 2023 vorzusehenden Abgleichs der Versichertenanschrift mit den Daten aus dem Melderegister vor dem Versand der elektronischen Gesundheitskarte und deren persönlicher Identifikationsnummer (PIN) an den Versicherten die Daten nach § 34 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5, 9 und 11 des Bundesmeldegesetzes aus dem Melderegister abrufen.

(7) Spätestens ab dem 1. Januar 2022 stellen die Krankenkassen den Versicherten gemäß den Festlegungen der Gesellschaft für Telematik ein technisches Verfahren barrierefrei zur Verfügung, welches die Anforderungen nach § 336 Absatz 4 erfüllt.

(8) Spätestens ab dem 1. Januar 2024 stellen die Krankenkassen den Versicherten ergänzend zur elektronischen Gesundheitskarte auf Verlangen eine sichere digitale Identität für das Gesundheitswesen barrierefrei zur Verfügung, die die Vorgaben nach Absatz 2 Nummer 1 und 2 erfüllt und die Bereitstellung von Daten nach § 291a Absatz 2 und 3 durch die Krankenkassen ermöglicht. Ab dem 1. Januar 2026 dient die digitale Identität nach Satz 1 in gleicher Weise wie die elektronische Gesundheitskarte zur Authentisierung des Versicherten im Gesundheitswesen und als Versicherungsnachweis nach § 291a Absatz 1. Die Gesellschaft für Telematik legt die Anforderungen an die Sicherheit und Interoperabilität der digitalen Identitäten fest. Die Festlegung der Anforderungen an die Sicherheit und den Datenschutz erfolgt dabei im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der oder dem Bundesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit auf Basis der jeweils gültigen Technischen Richtlinien des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik und unter Berücksichtigung der notwendigen Vertrauensniveaus der unterstützten Anwendungen. Eine digitale Identität kann über verschiedene Ausprägungen mit verschiedenen Sicherheits- und Vertrauensniveaus verfügen. Das Sicherheits- und Vertrauensniveau der Ausprägung einer digitalen Identität muss mindestens dem Schutzbedarf der Anwendung entsprechen, bei der diese eingesetzt wird. Abweichend von Satz 6 kann der Versicherte nach umfassender Information durch die Krankenkasse über die Besonderheiten des Verfahrens in die Nutzung einer digitalen Identität einwilligen, die einem anderen angemessenen Sicherheitsniveau entspricht. Die Anforderungen an die Sicherheit und Interoperabilität dieses Nutzungsweges der digitalen Identität werden von der Gesellschaft für Telematik festgelegt. Die Festlegung erfolgt hinsichtlich der Anforderungen an die Sicherheit und den Datenschutz im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und der oder dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit. Spätestens ab dem 1. Juli 2023 stellen die Krankenkassen zur Nutzung berechtigten Dritten Verfahren zur Erprobung der Integration der sicheren digitalen Identität nach Satz 1 zur Verfügung.

(1) Die Ausübung des Wahlrechts ist gegenüber der gewählten Krankenkasse zu erklären. Diese darf die Mitgliedschaft nicht ablehnen oder die Erklärung nach Satz 1 durch falsche oder unvollständige Beratung verhindern oder erschweren. Das Wahlrecht kann nach Vollendung des 15. Lebensjahres ausgeübt werden.

(2) Hat vor der Ausübung des Wahlrechts zuletzt eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden, informiert die gewählte Krankenkasse die bisherige Krankenkasse im elektronischen Meldeverfahren unverzüglich über die Wahlentscheidung des Mitgliedes. Die bisherige Krankenkasse bestätigt der gewählten Krankenkasse im elektronischen Meldeverfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Meldung, das Ende der Mitgliedschaft; ist der Zeitraum nach Absatz 4 Satz 1 oder § 53 Absatz 8 Satz 1 noch nicht abgelaufen, ist als Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft das Datum des Ablaufs des Zeitraums anzugeben.

(2a) Liegen der Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig abgelehnt hat oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, hat sie diesen Anhaltspunkten unverzüglich nachzugehen und die Krankenkasse zur Behebung einer festgestellten Rechtsverletzung und zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen zu verpflichten. Das gilt auch, wenn die bisherige Krankenkasse einen Krankenkassenwechsel behindert oder die Meldung nach Absatz 2 Satz 1 nicht fristgerecht beantwortet. Als rechtswidrig ist insbesondere eine Beratung durch die angegangene Krankenkasse anzusehen, die dazu führt, dass von der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 ganz abgesehen wird oder diese nur unter erschwerten Bedingungen abgegeben werden kann. Die Verpflichtung der Krankenkasse nach den Sätzen 1 und 2 ist mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 50 000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbinden. Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde nach den Sätzen 1, 2 und 4 haben keine aufschiebende Wirkung. Vorstandsmitglieder, die vorsätzlich oder fahrlässig nicht verhindern, dass die Krankenkasse entgegen Absatz 1 Satz 2 eine Mitgliedschaft rechtswidrig ablehnt oder die Abgabe der Erklärung nach Absatz 1 Satz 1 verhindert oder erschwert, sind der Krankenkasse zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(3) Versicherungspflichtige haben der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich Angaben über die gewählte Krankenkasse zu machen. Hat der Versicherungspflichtige der zur Meldung verpflichteten Stelle nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht Angaben über die gewählte Krankenkasse gemacht, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand; bestand vor Eintritt der Versicherungspflicht keine Versicherung, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen bei einer nach § 173 wählbaren Krankenkasse anzumelden und den Versicherungspflichtigen unverzüglich über die gewählte Krankenkasse in Textform zu unterrichten. Nach Eingang der Anmeldung hat die Krankenkasse der zur Meldung verpflichteten Stelle im elektronischen Meldeverfahren das Bestehen oder Nichtbestehen der Mitgliedschaft zurückzumelden. Für die Fälle, in denen der Versicherungspflichtige keine Angaben über die gewählte Krankenkasse macht und keine Meldung nach Satz 2 erfolgt, legt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Regeln über die Zuständigkeit fest.

(3a) Bei Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse haben Versicherungspflichtige spätestens innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Schließungsbescheids oder der Stellung des Insolvenzantrags (§ 160 Absatz 3 Satz 1) der zur Meldung verpflichteten Stelle Angaben über die gewählte Krankenkasse zu machen. Werden die Angaben nach Satz 1 über die gewählte Krankenkasse nicht oder nicht rechtzeitig gemacht, gilt Absatz 3 Satz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass die Anmeldung durch die zur Meldung verpflichtete Stelle innerhalb von weiteren zwei Wochen mit Wirkung zu dem Zeitpunkt zu erfolgen hat, an dem die Schließung wirksam wird. Bei Stellung eines Insolvenzantrags erfolgt die Meldung zum ersten Tag des laufenden Monats, spätestens zu dem Zeitpunkt, an dem das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Antrag mangels Masse abgewiesen wird. Wird die Krankenkasse nicht geschlossen, bleibt die Mitgliedschaft bei dieser Krankenkasse bestehen. Die gewählten Krankenkassen haben die geschlossene oder insolvente Krankenkasse im elektronischen Meldeverfahren unverzüglich über die Wahlentscheidung des Mitglieds zu informieren. Mitglieder, bei denen keine zur Meldung verpflichtete Stelle besteht, haben der geschlossenen Krankenkasse innerhalb von drei Monaten nach dem in Satz 1 genannten Zeitpunkt über die gewählte Krankenkasse zu informieren.

(4) Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte sind an die von ihnen gewählte Krankenkasse mindestens zwölf Monate gebunden. Satz 1 gilt nicht bei Ende der Mitgliedschaft kraft Gesetzes. Zum oder nach Ablauf des in Satz 1 festgelegten Zeitraums ist eine Kündigung der Mitgliedschaft zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, gerechnet von dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt. Bei einem Wechsel in eine andere Krankenkasse ersetzt die Meldung der neuen Krankenkasse über die Ausübung des Wahlrechts nach Absatz 2 Satz 1 die Kündigungserklärung des Mitglieds; die Kündigung gilt mit Zugang der Meldung der neuen Krankenkasse über die Ausübung des Wahlrechts nach Absatz 2 Satz 1 bei der bisherigen Krankenkasse als im Zeitpunkt des Zugangs der Wahlerklärung nach Absatz 1 Satz 1 bei der neuen Krankenkasse erklärt. Erfolgt die Kündigung, weil keine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse begründet werden soll, hat die Krankenkasse dem Mitglied unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigungserklärung eine Kündigungsbestätigung auszustellen; die Kündigung wird wirksam, wenn das Mitglied innerhalb der Kündigungsfrist das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Erhebt die Krankenkasse nach § 242 Absatz 1 erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie ihren Zusatzbeitragssatz, kann die Kündigung der Mitgliedschaft abweichend von Satz 1 bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird; Satz 4 gilt entsprechend. Die Krankenkasse hat spätestens einen Monat vor dem in Satz 6 genannten Zeitpunkt ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben auf das Kündigungsrecht nach Satz 6 und dessen Ausübung, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a sowie auf die Übersicht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu den Zusatzbeitragssätzen der Krankenkassen nach § 242 Absatz 5 hinzuweisen; überschreitet der neu erhobene Zusatzbeitrag oder der erhöhte Zusatzbeitragssatz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz, so sind die Mitglieder auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln. Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht nach Satz 7 gegenüber einem Mitglied verspätet nach, gilt eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben wird oder für den der Zusatzbeitragssatz erhöht wird; hiervon ausgenommen sind Kündigungen, die bis zu dem in Satz 6 genannten Zeitpunkt ausgeübt worden sind. Satz 1 gilt nicht, wenn die Kündigung eines Versicherungsberechtigten erfolgt, weil die Voraussetzungen einer Versicherung nach § 10 erfüllt sind oder wenn die Kündigung erfolgt, weil keine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse begründet werden soll. Die Krankenkassen können in ihren Satzungen vorsehen, dass die Frist nach Satz 1 nicht gilt, wenn eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse der gleichen Kassenart begründet werden soll.

(4a) Die Hinweispflicht der Krankenkassen nach § 175 Absatz 4 Satz 7 besteht nicht für eine Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes, die im Zeitraum vom 1. Januar 2023 bis zum 30. Juni 2023 wirksam wird. Die Krankenkassen haben stattdessen spätestens einen Monat vor dem in Absatz 4 Satz 6 genannten Zeitpunkt ihre Mitglieder auf andere geeignete Weise auf das Kündigungsrecht nach Absatz 4 Satz 6 und dessen Ausübung, auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a, die Möglichkeit, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln sowie auf die Übersicht des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu den Zusatzbeitragssätzen der Krankenkassen nach § 242 Absatz 5 hinzuweisen. Absatz 4 Satz 8 gilt entsprechend.

(5) Absatz 4 gilt nicht für Versicherungspflichtige, die durch die Errichtung oder Ausdehnung einer Betriebs- oder Innungskrankenkasse oder durch betriebliche Veränderungen Mitglieder einer Betriebs- oder Innungskrankenkasse werden können, wenn sie die Wahl innerhalb von zwei Wochen nach dem Zeitpunkt der Errichtung, Ausdehnung oder betrieblichen Veränderung ausüben; Absatz 2 gilt entsprechend.

(6) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt für die Meldungen und Informationspflichten nach dieser Vorschrift einheitliche Verfahren und Vordrucke fest und bestimmt die Inhalte für das elektronische Meldeverfahren zwischen den Krankenkassen nach den Absätzen 2, 3a, 4 und 5 sowie für das elektronische Meldeverfahren zwischen den Krankenkassen und den zur Meldung verpflichteten Stellen nach Absatz 3.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Obliegenheit, die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) nachzuweisen.

2

Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Kläger lehnte es ab, der Beklagten ein Lichtbild zur Herstellung seiner eGK zu überlassen. Er sehe sich zu Unrecht gezwungen, künftig mittels eGK seine Berechtigung zur Inanspruchnahme vertrags(zahn)ärztlicher Leistungen nachzuweisen und einen online erfolgenden Abgleich der Versichertenstammdaten dulden zu müssen. Die Beklagte forderte ihn vergeblich auf, ein Lichtbild bis zum 25.6.2012 zur Verfügung zu stellen. Andernfalls erhalte er eine eGK ohne Lichtbild. Der Kläger ist mit seinem Begehren, ihm eine andere Möglichkeit als eine eGK zum Nachweis seiner Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen als Versicherter zu eröffnen, im Verwaltungsverfahren (Bescheid vom 22.5.2012; Widerspruchsbescheid vom 28.8.2012), beim SG (Urteil vom 23.1.2013) und beim LSG erfolglos geblieben: Das Nachweiserfordernis der Berechtigung mittels eGK stehe in Einklang mit den datenschutzrechtlichen Regelungen und verletzte nicht sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Speicherung medizinischer Daten sei nicht obligatorisch. Die zukünftigen Online-Funktionalitäten seien datenschutzrechtlich unbedenklich, weil sie gesetzesgestützt der Verbesserung des Datenschutzes, der Missbrauchsbekämpfung und der Wirtschaftlichkeit dienten (Urteil vom 26.9.2013).

3

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 67 Abs 1 SGB X und des § 291a SGB V. Es sei zur Erfüllung der Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht erforderlich, die Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten mit der eGK abweichend von der bisherigen Krankenversichertenkarte vorzunehmen. Zudem befinde sich die Telematikinfrastruktur noch in der Erprobung. Die Datensicherheit sei bislang nicht gewährleistet. Insgesamt sei das Risiko missbräuchlicher Datenverwendung durch Dritte zu groß.

4

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 2013 und des Sozialgerichts Kassel vom 23. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den Nachweis seiner Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen durch ein anderes, für die Dauer des Versicherungsverhältnisses geltendes Nachweisdokument als die elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild und ohne Chip zu ermöglichen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat zu Recht seine Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen. Die vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig (dazu 1.), aber unbegründet (dazu 2.).

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1. Der Kläger begehrt nicht nur die Aufhebung der Ablehnung, ihm eine andere Möglichkeit als die eGK zum Nachweis seiner Berechtigung als Versicherter zu eröffnen (Bescheid vom 22.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.8.2012). Vielmehr will er darüber hinaus erreichen, dass die Beklagte verpflichtet wird, ihm einen Weg zu eröffnen, auf dem er in gleicher Weise wie bisher seine Berechtigung zur Inanspruchnahme von vertragsärztlichen Leistungen nachweisen kann, welche auch die Abrechnung der KKn mit den Leistungserbringern ermöglichen darf (vgl § 15 Abs 2 SGB V, § 291 Abs 1 S 3 SGB V), ohne dabei die eGK nach § 291a SGB V(idF durch Art 4 Nr 8 Gesetz zur Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen vom 21.7.2012, BGBl I 1613) verwenden und einen online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten dulden zu müssen.

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Hingegen begehrt der Kläger nicht die Verschaffung konkreter Sachleistungen. Ausgehend von seinem gegen das Lichtbild und die Telematikfunktionalitäten der eGK gerichteten Rechtsschutzbegehren wendet sich der Kläger nicht gegen die Obliegenheit, einen Berechtigungsnachweis entsprechend den bisher, vor Einführung der eGK bestehenden Regelungen führen zu müssen. Hierzu bestimmt § 291 Abs 2 S 1 SGB V(idF durch Art 1 Nr 9 nach Maßgabe des Art 2 § 3 Gesetz zur Einführung des Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte vom 11.12.2001, BGBl I 3526 mWv 1.1.2002): Die Krankenversichertenkarte enthält neben der Unterschrift des Versicherten in einer für eine maschinelle Übertragung auf die für die kassenärztliche Versorgung vorgesehenen Abrechnungsunterlagen und Vordrucke (§ 295 Abs 3 Nr 1 und 2 SGB V) geeigneten Form ausschließlich folgende Angaben: 1. Bezeichnung der ausstellenden KK, einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat, 2. Familienname und Vorname des Versicherten, 3. Geburtsdatum, 4. Anschrift, 5. Krankenversichertennummer, 6. Versichertenstatus, für Versichertengruppen nach § 267 Abs 2 S 4 SGB V in einer verschlüsselten Form, 7. Tag des Beginns des Versicherungsschutzes, 8. bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs.

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Der Kläger greift auch nicht die Mitwirkungsobliegenheit für die Herstellung weiterer Berechtigungsscheine an. Ergänzend zu den Regelungen der eGK bestimmt § 15 Abs 4 S 1 SGB V im Hinblick auf die in § 15 Abs 3 SGB V geregelte Befugnis der KKn, auch in anderen Fällen ihren Versicherten Berechtigungsscheine auszustellen(vgl dazu Begründung eines Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 82), dass in den Berechtigungsscheinen die Angaben nach § 291 Abs 2 S 1 Nr 1 bis 9 SGB V und bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs aufzunehmen sind. § 15 Abs 4 S 2 SGB V regelt für die Berechtigungsscheine zudem ausdrücklich, dass weitere Angaben nicht aufgenommen werden dürfen.

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Die Klage zielt schließlich nicht gegen den lediglich auf der Rückseite der eGK aufgedruckten Berechtigungsnachweis (bloßer Sichtausweis) zur Inanspruchnahme von Leistungen in einem Mitgliedstaat der EU, einem Vertragsstaat des EWR oder der Schweiz (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V; Europäische Krankenversicherungskarte ; zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben vgl Beschlüsse der Verwaltungskommission für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Nr S1 vom 12.6.2009 betreffend die europäische Krankenversicherungskarte <2010/C 106/08>, ABl 2010 C 106/23 vom 24.10.2010, und Nr S2 vom 12.6.2009 betreffend die technischen Merkmale der europäischen Krankenversicherungskarte <2010/C 106/09>, ABl 2010 C 106/26 vom 24.10.2010).

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Der Kläger hat für sein Begehren ein Rechtsschutzbedürfnis. Dies ermöglicht im Interesse effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) die gebotene fachgerichtliche Kontrolle der Rechtsanwendung der Beklagten. Denn der Kläger sieht sich durch das Erfordernis der Verwendung einer eGK mit ihren weiteren Angaben zur Person, den deutlich erweiterten technischen Möglichkeiten und dem Lichtbilderfordernis in seinen Rechten verletzt. Er ist lediglich bereit, die - ebenfalls mit einem Chip versehene - Krankenversichertenkarte in ihrer bisherigen Gestalt vor Einführung der eGK oder ein gleichwertiges Pendant als Berechtigungsnachweis und zur Abrechnung von Leistungen zu verwenden.

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Es ist mit Blick auf die angegriffene ablehnende Entscheidung der Beklagten unerheblich, dass sie dem Kläger im März 2014 eine eGK ohne Lichtbild übersandte, ihm auch nicht die Verpflichtung auferlegte, ein Lichtbild zu übergeben oder zumindest die Möglichkeit seiner Herstellung zu eröffnen, und dass die nach § 291a SGB V im Rahmen der Telematikinfrastruktur vorgesehenen Funktionalitäten der eGK noch weiterer technischer Umsetzungsschritte bedürfen(vgl zu den Umsetzungserfordernissen unten, II. 2. d).

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2. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte lehnte es rechtmäßig ab, den Kläger mit einem anderen Berechtigungsnachweis als der eGK auszustatten. Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB V sind anwendbar. Sie gehen den allgemeinen Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) vor (dazu a). Den Kläger trifft kraft Gesetzes die Obliegenheit, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V idF durch Art 1 Nr 5 Buchst a GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190; § 291 Abs 2 S 1 SGB V nF = insgesamt idF durch Art 1 Nr 5a Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010, BGBl I 983). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Die Karte lässt rechtlich auch den online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten zu (§ 291 Abs 2b SGB V). Der Kläger hat nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die von ihm gewünschten Ausnahmen (dazu b). Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang(dazu c). Die vom Kläger - neben dem Datenzugriffsschutz - bestrittene Datensicherheit im Sinne des Datennutzungs- und -zugangsschutzes (vgl zu dieser Kategorisierung Ronellenfitsch in Festschrift Udo Steiner - Nach geltendem Verfassungsrecht - 2009, S 644, 645) ist auch an dem durch das GG gewährleisteten Grundrechtsschutz zu messen. Insoweit fehlt es aber an einer hinreichend verfestigten Telematikinfrastruktur als Prüfungsgegenstand eines Grundrechtseingriffs (dazu d).

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a) Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die eGK bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar. SGB I, SGB X und SGB V regeln den Schutz von Sozialdaten grundsätzlich gleichrangig vorbehaltlich ausdrücklich davon abweichender spezialgesetzlicher Kollisionsregeln (vgl BSGE 107, 86 = SozR 4-1300 § 83 Nr 1, RdNr 20 und LS 1). Eine Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ist nur unter den Voraussetzungen des Zweiten Kapitels des SGB X zulässig (§ 35 Abs 2 SGB I). Die datenschutzrechtlichen Regelungen im SGB X sind als "Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt" ausgestaltet, wie es den grundrechtlichen Vorgaben entspricht (vgl Bieresborn in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 67b RdNr 3; Rombach in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Juni 2014, § 67a RdNr 3 und § 67d RdNr 25 f; kritisch in Bezug auf die Terminologie Sokol in Simitis, BDSG, 7. Aufl 2011, § 4 RdNr 3). Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Sie kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als "Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt" aus. Hierbei dürfen die KKn Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind (vgl § 284 Abs 1 S 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 159 Buchst a GMG vom 14.11.2003, BGBl I 2190).

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Die anzuwendenden Datenschutzregelungen des SGB (§ 35 SGB I; §§ 67 ff SGB X iVm §§ 15, 291, 291a SGB V) gehen den Regelungen des BDSG vor. Sie sind bereichsspezifisches Datenschutzrecht bezogen auf den Geltungsbereich des SGB iS von § 1 Abs 3 S 1 BDSG. Die Vorschriften des BDSG sind dagegen nur nachrangig und subsidiär heranzuziehen, soweit das SGB nicht hierauf verweist (vgl BSGE 107, 86 = SozR 4-1300 § 83 Nr 1, RdNr 22 mwN zum Verhältnis von SGB I, SGB V, SGB X und BDSG; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 18, 33 ff mwN).

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b) Die gesetzlichen Regelungen des SGB V erlegen dem Kläger die Obliegenheit auf, an der Herstellung der eGK mit Lichtbild und den beiden zusätzlichen Angaben (Geschlecht und Zuzahlungsstatus, § 291 Abs 2 S 1 Nr 4 und 8 SGB V nF) mitzuwirken und diese zu verwenden, um seine Berechtigung zur Inanspruchnahme vertrags(zahn)ärztlicher Versorgung nachzuweisen und damit zugleich Abrechnungen der Leistungserbringer, den online erfolgenden Abgleich von Versichertenstammdaten und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen zu ermöglichen. Weist ein Versicherter seine Berechtigung nicht mittels eGK nach, muss er den sich daraus ergebenden Nachteil hinnehmen: Er kann sich dort keine Sachleistungen verschaffen, wo die eGK zum Nachweis der Berechtigung und zur Ermöglichung von Verschaffungsvorgängen erforderlich ist. Rechtsgrundlage dieser Obliegenheit sind die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V(vgl dazu aa). Keine Obliegenheit betrifft demgegenüber die Erweiterung der eGK um fakultative Angaben (dazu bb).

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aa) Nach § 15 Abs 2 SGB V haben Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, dem Arzt (Zahnarzt) vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen(§ 291 Abs 2 S 1 Nr 1 bis 10 SGB V) oder, soweit sie noch nicht eingeführt ist, einen Krankenschein auszuhändigen. Damit übereinstimmend ordnet § 291 Abs 1 S 3 SGB V an, dass die Krankenversichertenkarte vorbehaltlich § 291a SGB V nur für den Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sowie für die Abrechnung mit den Leistungserbringern verwendet werden darf. Das Lichtbilderfordernis für die Krankenversichertenkarte besteht seit 1.1.2006: Die "Erweiterung der Krankenversichertenkarte um das Lichtbild" hat nämlich "spätestens bis zum 1. Januar 2006 zu erfolgen; Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild" (§ 291 Abs 2 S 1 Teils 2 und 3 SGB V). Es ändert am eindeutigen Normbefehl nichts, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass die gesetzlich angeordneten Änderungen der Krankenversichertenkarte zeitgleich mit der nach § 291 Abs 2a S 1 SGB V für den 1.1.2006 vorgesehenen, aber nicht realisierten Einführung der eGK zusammenfallen würden (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 144; aA Bales/von Schwanenflügel, NJW 2012, 2475, 2477, mit unzutreffendem Hinweis auf BT-Drucks 15/1525 S 144).

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Die Ausnahmebestimmungen über eine eGK ohne Lichtbild (vgl zum Ausnahmecharakter auch Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BR-Drucks 676/04 S 53, Zu Nummer 17 <§ 291>)greifen nicht zu Gunsten des Klägers ein, wie er auch selbst nicht verkennt. Es entspricht dem Zweck der Regelung des § 291 Abs 2 S 1 SGB V, die zwingenden Angaben auf der Krankenversichertenkarte abschließend festzulegen. Der Kläger erfüllt keine der abschließend geregelten Voraussetzungen der Ausnahmen vom Lichtbilderfordernis. Die Beklagte hätte dem Kläger keine eGK ohne Lichtbild zur Verfügung stellen dürfen (vgl allgemein zur Voraussetzung der Lichtbildübermittlung für die Ausstellung der eGK auch Bales/von Schwanenflügel, NJW 2012, 2475, 2477). Zugleich verstieß die Beklagte gegen § 15 Abs 6 S 2 SGB V, der sie verpflichtet, einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken.

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Die Obliegenheit des Klägers erstreckt sich auf die weiteren obligatorischen Angaben und Funktionalitäten der eGK, die er mit seiner Klage angreift. § 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V enthält die von ihm angegriffenen obligatorischen Angaben: "Die eGK hat die Angaben nach § 291 Abs 2 SGB V zu enthalten und muss geeignet sein, Angaben aufzunehmen für 1. die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form …". Dass es hierbei um obligatorische Angaben geht, folgt aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungssystem des Gesetzes. Schon die Gesetzesmaterialien weisen hierauf hin (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 144). Zudem sieht lediglich § 291a Abs 3 S 4 SGB V einen Einwilligungsvorbehalt vor. Hiernach dürfen Zugriffsberechtigte nach § 291a Abs 4 S 1 und Abs 5a S 1 SGB V mit dem Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten der Versicherten nach § 291a Abs 3 S 1 SGB V erst beginnen, wenn die Versicherten gegenüber einem zugriffsberechtigten Arzt, Zahnarzt, Psychotherapeuten oder Apotheker dazu ihre Einwilligung erklärt haben. Im Umkehrschluss gilt dies nicht für die ärztliche Verordnung (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V). Ferner bestimmt § 291a Abs 5 S 1 SGB V, dass das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK in den Fällen des § 291a Abs 3 S 1 SGB V nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig ist; Abs 5 regelt in seinen weiteren Sätzen technische Aspekte. § 291a SGB V sieht hingegen für die Angaben und Funktionalitäten nach § 291a Abs 2 S 1 SGB V (Pflichtanwendungen) keinen Einwilligungsvorbehalt Versicherter vor. Die Erhebungs- und Verarbeitungsprozesse laufen auf gesetzlicher Grundlage ohne die Notwendigkeit einer Einwilligung der Versicherten ab (ebenso Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, B I, § 291a RdNr 12). Auch ist eine technische Autorisierung durch die Versicherten nicht vorgesehen. § 291a Abs 6 S 1 und 2 SGB V eröffnet dem Versicherten lediglich die Möglichkeit, das Löschen der Daten nach § 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V (ärztliche Verordnungen) zu verlangen oder eigenständig vorzunehmen(vgl § 291a Abs 6 S 2 SGB V, eingefügt durch Art 2 Nr 1 Buchst f Gesetz zur Regelung der Entscheidungslösung im Transplantationsgesetz vom 12.7.2012, BGBl I 1504 mWv 1.11.2012). Die Verarbeitung und Nutzung der Daten für Zwecke der Abrechnung bleiben davon unberührt (vgl auch Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, B I, § 291a RdNr 122 ff).

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Schließlich muss der Kläger - von ihm angegriffen - nach der Gesetzeslage dulden, dass die Beklagte als KK verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V, nicht dagegen nach § 291a SGB V)bei den KKn online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die -Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der KK vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematikinfrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. § 15 Abs 5 SGB V ist entsprechend anzuwenden(Online-Versichertenstammdatendienst oder Versichertenstammdatenmanagement - VSDM -, vgl § 291 Abs 2b S 1 und 2 bis 6 SGB V idF durch Art 1 Nr 5a Gesetz zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24.7.2010, BGBl I 983; zur Begründung der vom Ausschuss für Gesundheit vorgeschlagenen Fassung vgl BT-Drucks 17/2170 S 38 f).

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bb) Keine Obliegenheit trifft demgegenüber den Kläger hinsichtlich der von ihm ebenfalls angegriffenen fakultativen Angaben (§ 291a Abs 3 S 1 Halbs 1 SGB V): "Über Absatz 2 hinaus muss die Gesundheitskarte geeignet sein, folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von 1. medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind, 2. Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in elektronischer und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsübergreifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief), 3. Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit, 4. Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte), 5. durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten, 6. Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die Versicherten (§ 305 Abs 2 SGB V), 7. Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende, 8. Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende sowie 9. Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen nach § 1901a BGB." Wie dargelegt ist das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK in diesen Fällen nur mit dem Einverständnis des Klägers zulässig. Er hat hiermit nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG und seinem Vorbringen kein Einverständnis erklärt. Dafür, dass trotz Fehlens seines Einverständnisses mit seiner eGK fakultative Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ist nichts ersichtlich. Eine Rechtsverletzung des Klägers ist diesbezüglich ausgeschlossen, eine verfassungsrechtliche Überprüfung erübrigt sich. Selbst wenn bei fehlender Einwilligung im Einzelfall medizinische Daten rechtswidrig gespeichert würden, könnten Ärzte oder Dritte hiervon weitgehend keinen Gebrauch machen. Denn die eGK ist technisch so zu gestalten, dass der Zugriff auf Angaben nach § 291a Abs 3 S 1 Halbs 1 Nr 2 bis 6 SGB V nur durch Autorisierung der Versicherten möglich ist(§ 291a Abs 5 S 2 SGB V). Im Falle der Notfallversorgungsdaten (§ 291a Abs 3 S 1 Halbs 1 Nr 1 SGB V) ist immerhin der Zugriff nur über eine sichere Authentifizierungsmöglichkeit mit qualifizierter elektronischer Signatur und nachfolgender Protokollierung möglich. Eine drohende Beeinträchtigung des Klägers ist auch auf tatsächlicher Ebene insoweit nicht ersichtlich.

23

c) Die aufgezeigten gesetzlichen Grundlagen stehen mit höherrangigem Recht in Einklang. Sie begründen zwar einen Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung als eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art 2 Abs 1 in Verbindung mit Art 1 Abs 1 GG), der aber gerechtfertigt ist. Hieraus erwächst kein Anspruch des Klägers auf Eröffnung eines Weges, in gleicher Weise wie vor Inkrafttreten des § 291 SGB V idF des GMG seine Berechtigung zur Inanspruchnahme von vertragsärztlichen Leistungen nachzuweisen und die Abrechnung der KKn mit den Leistungserbringern zu ermöglichen. Im Übrigen hat weder der Kläger vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die gesetzlichen Regelungen Europäisches Datenschutzrecht verletzen (vgl dazu Art 7 Buchst e und Art 8 Abs 1 und 3 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl 1995 L 281/31 vom 23.11.1995, idF durch Verordnung Nr 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.9.2003, ABl 2003 L 284/1 vom 31.10.2003 S 1; vgl insgesamt zum europäischen Datenschutzrecht und insbesondere zur RL 95/46/EG Schneider in Wolff/Brink, Datenschutzrecht, 2013, Sys B).

24

Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Es umfasst den Schutz gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe persönlicher Daten (BVerfGE 65, 1, 43; 67, 100, 143). Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wäre es nicht vereinbar, wenn die Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß (BVerfGE 65, 1, 43). Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist aber nicht uneingeschränkt und schrankenlos gewährleistet. Vielmehr sind Eingriffe in dieses Recht im überwiegenden Allgemeininteresse hinzunehmen und gerechtfertigt (BVerfGE 65, 1, 43 f); der Einzelne kann keine absolute, uneinschränkbare Herrschaft über ihn betreffende Daten beanspruchen, sondern ist eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, die nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Die Beschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung bedarf allerdings nach Art 2 Abs 1 GG einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar erkennbar ergeben und die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (stRspr, vgl BVerfGE 65, 1, 43 f; BVerfGE 115, 320, 345; BVerfG SozR 4-1300 § 25 Nr 1 RdNr 20; BVerfG Beschluss vom 2.12.2014 - 1 BvR 3106/09 - Juris RdNr 30; s auch BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 20 ff). Bei den Regelungen hat der Gesetzgeber ferner den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, weil Grundrechte vom Staat jeweils nur insoweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist (BVerfGE 65, 1, 44 mwN; BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr 1, RdNr 23). Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Pflicht der KKn, die eGK herzustellen und im vom Kläger angegriffenen, zu überprüfenden Umfang zu nutzen.

25

aa) Wie oben dargelegt (vgl II. 2. b aa), regeln die §§ 15 Abs 2, 291 und 291a Abs 2 SGB V die angegriffenen Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung einfachgesetzlich für die eGK. Hieraus ergeben sich Voraussetzungen und Umfang der Beschränkungen klar erkennbar. Die Regelungen entsprechen auch dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit. Es unterliegt keinem Zweifel, welche Angaben von wem zu welchem Zweck gespeichert, verwendet und verarbeitet werden dürfen. Die detaillierte Ausgestaltung der bereichsspezifischen Normen der §§ 291 f SGB V belegt, dass der Gesetzgeber im Falle der eGK dem Sozialdatenschutz in ganz besonderem Maße hohe Bedeutung beimisst(vgl Weichert, GesR 2005, 151, 152 f; ders in Pitschas, Regulierung des Gesundheitsrechts durch Telematikinfrastruktur - die elektronische Gesundheitskarte, 2009, S 38 f: " … dass die normativen Festlegungen zur eGK in § 291a … geradezu als vorbildlich bezeichnet werden können."; Ernestus in Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, G 5, S 294 ff, insbesondere RdNr 7; vgl allgemein zu bereichsspezifischen datenschutzrechtlichen Normen im SGB V BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 19 f).

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bb) Die vom Kläger angegriffenen Beschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch die Regelungen über die eGK sind durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt. Denn sie sind zur Verhinderung von Missbrauch und zur Kosteneinsparung zwecks Erhalt der finanziellen Stabilität der GKV geeignet, erforderlich und angemessen.

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(1) Das Aufbringen eines Lichtbildes, die Angabe des Geschlechts und der online erfolgende Abgleich der Versichertenstammdaten dienen dazu, die Aktualität und Zuordnung der Krankenversichertenkarte zum jeweiligen Karteninhaber zu überprüfen und dadurch Missbrauch zu verhindern (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 143). Diese Maßnahmen sind evident geeignet, die Identifizierung einer Person, die vertrags(zahn)ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen will, zu erleichtern und Nichtberechtigte vom Leistungsbezug auszuschließen. Der online auszuführende Versichertenstammdatendienst ermöglicht es, ungültige sowie als verloren oder gestohlen gemeldete Karten zu identifizieren (vgl Begründung des Ausschusses für Gesundheit BT-Drucks 17/2170 S 38). Zugleich trägt er dazu bei, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in der GKV zu verbessern (§ 2 Abs 4, § 12 Abs 1, § 72 Abs 2 SGB V). Denn er erlaubt, administrative Daten auf den Karten zu berichtigen. Der bisherige Austausch von Karten durch die KKn, der derzeit jährlich rund ein Viertel des Kartenbestandes der Krankenversichertenkarten betrifft, kann dadurch voraussichtlich in der Hälfte der Fälle entfallen (vgl Begründung des Ausschusses für Gesundheit BT-Drucks 17/2170 S 38).

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Die elektronische ärztliche Verordnung soll die Wirtschaftlichkeit der GKV durch Vermeidung von Medienbrüchen in diesem Bereich erhöhen. Sie wird - neben dem Berechtigungsnachweis - nach Schaffung der Telematikinfrastruktur die Kernanwendung der eGK mit dem wohl größten kurzfristig erzielbaren Einspareffekt sein (vgl U. Kruse/B. Kruse in WzS 2006, 129, 133; s ferner Borchers, Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in das deutsche Gesundheitswesen, 2008, S 89). Die Speicherung des Zuzahlungsstatus ist für Realisierung der elektronischen ärztlichen Verordnung erforderlich, um eine sichere Übernahme von Zuzahlungsbefreiungen sicherzustellen. Der Gesetzgeber des GMG erwartete durch das Verhindern von unberechtigten Zuzahlungsbefreiungen geschätzte Einsparungen von 150 bis 250 Mio Euro (vgl Begründung des Gesetzentwurfs eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucks 15/1525 S 143 f).

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(2) Es ist für die vom Kläger angegriffenen Regelungen nicht ersichtlich, dass es andere gleich geeignete, weniger belastende Möglichkeiten gibt, um die Ziele des Gesetzgebers zu erreichen. So war die bisherige Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild, Angabe des Geschlechts und Möglichkeit des Versichertenstammdatendienstes nur bedingt geeignet, einer missbräuchlichen Verwendung zu begegnen (zu Schadensschätzungen von 1 Mrd Euro pro Jahr, die auf vor mehr als zehn Jahren durchgeführten Untersuchungen der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern beruhen, vgl www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/chipkarten-abzocken-per-krankenkarte-1147791.html; www.welt.de/print-wams/article120100/Milliardenbetrug-mit-Chipkarten.html; www.aerzteblatt.de/archiv/39642/Gesetzliche-Krankenversicherung-Wandernde-Chipkarten; alle abgerufen am 11.11.2014). Sie wies ein erhebliches Missbrauchspotential auf (vgl Borchers, Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in das deutsche Gesundheitswesen, 2008, S 74; vgl zu einem Missbrauchssachverhalt auch BSGE 101, 33 = SozR 4-2500 § 109 Nr 9), das deutlich höher war als jenes der eGK. Soweit der Kläger darauf verweist, dass die bisherige Krankenversichertenkarte durch die Vorlage des Personalausweises flankiert werden könne, kann damit der erforderliche Austausch der Krankenversichertenkarte bei notwendiger Änderung der administrativen Daten (zB Änderung der Anschrift, Zuzahlungsstatus, Versichertenstatus) - anders als bei der eGK - ohnehin nicht vermieden werden. Im Übrigen sind zur Identitätsfeststellung berechtigte Behörden im Sinne des Personalausweisgesetzes (PAuswG) öffentliche Stellen, die befugt sind, zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben als hoheitliche Maßnahme die Identität von Personen festzustellen (§ 2 Abs 2 PAuswG). Die Vertrags(zahn)ärzte sind im Sinne dieser Vorschrift aber keine öffentlichen Stellen. Sie nehmen keine Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr und sind erst recht keine Amtsträger iS des § 11 Abs 1 Nr 2 Buchst c StGB(vgl BGH Beschluss vom 29.3.2012 - GSSt 2/11 - BGHSt 57, 202, RdNr 8 ff). Sie dürfen jedenfalls die regelhafte Vorlage des Personalausweises nicht verlangen. Unerheblich ist dagegen, ob sie in einem konkreten Verdachtsfall zum Ausschluss bzw zur Verhinderung eines Betrugs den Patienten um Vorlage seines Personalausweises bitten und im Weigerungsfall die Behandlung ablehnen können. Dies entspricht nicht der vom Gesetzgeber beabsichtigten regelhaften - gleichsam beiläufigen - Kontrolle bei Inanspruchnahme vertrags(zahn)ärztlicher Leistungen. Angesichts dessen liegt es im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, nicht die Vertrags(zahn)ärzte insoweit zu beleihen, sondern den GKV-systemkonformen Weg der eGK zu beschreiten.

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Auch für die elektronische ärztliche Verordnung nebst Speicherung des Zuzahlungsstatus ist kein weniger belastender, ebenso effektiver Weg ersichtlich.

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(3) Alle angegriffenen Maßnahmen sind auch bei Abwägung der Eingriffsschwere gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an der Zielverwirklichung angemessen. Das Lichtbilderfordernis, die Speicherung des Geschlechts sowie der Versichertenstammdatendienst beschränken die Versicherten in ihrem informationellen Selbstbestimmungsrecht nur relativ geringfügig. Die demgegenüber damit zu erwartenden Vorteile für die Missbrauchsabwehr und Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung wiegen dagegen schwer. Die nur vorübergehende Speicherung des Lichtbildes (vgl Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, B I § 291 RdNr 19 f, zur Speicherung einer eingescannten Unterschrift ebenda RdNr 21) ist den Versicherten zumutbar. Im Übrigen besitzen sie die alleinige Verfügungsgewalt über das auf der eGK aufgebrachte Lichtbild. Die mit diesen Funktionen zu erwartende Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV ist ein überragend wichtiger Gemeinwohlbelang (vgl BVerfGE 114, 196, 248 = SozR 4-2500 § 266 Nr 9 RdNr 139).

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Auch die Einführung der elektronischen ärztlichen Verordnung nebst Erfassung des Zuzahlungsstatus sind gemeinsam als Mittel zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne verhältnismäßig. Rechtlich gewichtige anerkennenswerte Interessen der Versicherten, die elektronische ärztliche Verordnung als solche zu verhindern, bestehen nicht. Davon abzugrenzen ist die Frage der zukünftigen technischen Ausgestaltung. Dies ist jedoch nicht Prüfungsgegenstand dieses Rechtsstreits.

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Der erkennende Senat vermag der Literaturauffassung nicht zu folgen, dass aus dem Zuzahlungsstatus auf gesundheitliche Probleme von erheblichem Umfang beim Versicherten geschlossen werden könne (Hornung, Die digitale Identität, 2005, S 279 f). Sie meint, deswegen dürfe der Zuzahlungsstatus als Gesundheitsdatum nicht frei auslesbar sein. Dies sei aber der Fall und genüge insofern nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Aufgrund der Funktion des Zuzahlungsstatus müssen die Leistungserbringer Kenntnis von dem Zuzahlungsstatus erlangen. Insoweit ist es unerheblich, ob dies durch einen Befreiungsnachweis in Papierform oder in elektronischer Form erfolgt. In beiden Fällen muss der Versicherte seinen Zuzahlungsstatus preisgeben, um in den Genuss der Befreiung bei der konkreten Versorgung zu gelangen. In beiden Fällen - wie auch bei der ärztlichen Verordnung (vgl Bales/Dierks/Holland/Müller, Die elektronische Gesundheitskarte, 2007, B I § 291 RdNr 14 f) - hat es der Versicherte in der Hand, ob und wem er die Kenntniserlangung ermöglichen will.

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d) Soweit der Kläger die Datensicherheit bezweifelt, begründet dies keine Grundrechtsverletzung. Die Rechtsordnung schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. So regelt § 291a Abs 6 SGB V - wie dargelegt - neben der Löschung das Gebot technischer Vorkehrungen für Zwecke der Datenschutzkontrolle. Er gebietet, die Protokolldaten durch geeignete Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen (vgl § 291a Abs 6 S 5 SGB V). Das Gesetz erlegt - als institutionelle Sicherung - den einbezogenen Verbänden die Pflicht auf, die für die Einführung und Anwendung der eGK, insbesondere des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderliche interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematikinfrastruktur) zu schaffen (vgl § 291a Abs 7 S 1 SGB V). Sie nehmen diese Aufgabe durch eine Gesellschaft für Telematik nach Maßgabe des § 291b SGB V wahr(vgl § 291a Abs 7 S 2 SGB V). Die Rechtsordnung stellt zudem unberechtigte Zugriffe auf die Sozialdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a SGB V unter Strafe(§ 307b SGB V). Dies schützt zusammen mit dem Bußgeldtatbestand in § 307 Abs 1 SGB V das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet aller Vorkehrungen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, um auf sich künftig zeigende Sicherheitslücken zu reagieren. Der Kläger macht aber selbst nicht geltend, dass die derzeit noch gar nicht voll entwickelte, über das Teststadium nicht hinausreichende Telematikinfrastruktur Sicherheitslücken zeigt. Der bisherige Stand der Einführung der eGK ("Basis-Rollout") geht - abgesehen vom Lichtbild und der Angabe des Geschlechts bei den administrativen Versichertenstammdaten und gemessen an derzeit möglichen, mangels Telematikinfrastruktur aber noch nicht realisierbaren Funktionalitäten der eGK - nicht über die Anwendungsbreite der Krankenversichertenkarte hinaus (vgl www.gematik.de/cms/de/egk_2/anwendungen/ verfuegbare_anwendungen/verfuegbare_anwendungen_1.jsp; www.gematik.de/cms/de/egk_2/ anwendungen/vorbereitung/vorbereitung_1.jsp zum "Online-Rollout"; alle abgerufen am 11.11.2014; s ferner Bales/von Schwanenflügel, NJW 2012, 2475, 2476). Die konkrete technische Entwicklung der Telematikinfrastruktur ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Die Online-Anwendungen befinden sich noch in der Vorbereitungsphase.

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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.05.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Obliegenheit, die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen mittels elektronischer Gesundheitskarte (eGK) nachzuweisen. Der Kläger wehrt sich grundsätzlich gegen die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und die Nutzung derselben. Er hält §§ 291a und 291b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) teilweise für verfassungswidrig.
Im August 2011 forderte die Beklagte vom Kläger ein Lichtbild an und bat um Überprüfung der persönlichen Daten zur Ausstellung der eGK. Mit Schreiben vom 25.02.2012 (Bl 20 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) teilte der Kläger mit, dass er die eGK nicht verwenden wolle, da die Karte und die dahinter stehende Infrastruktur gegen seine Rechte auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstießen. Er wolle weiterhin seine alte Krankenversichertenkarte benutzen und bitte um Erneuerung der Karte nach altem Muster.
Die Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 04.04.2012 (Bl 19 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER), dass sie gesetzlich verpflichtet sei, die eGK einzuführen.
Mit Schreiben vom 31.05.2012 (Bl 18 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) erhob der Kläger sodann Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2012 (Bl 13 SG-Akte S 3 KR 3629/12 ER) als unbegründet zurückwies. Zur Begründung erläuterte sie die auf der eGK enthaltenen Angaben und verwies darauf, dass das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK nur mit dem Einverständnis des Versicherten zulässig sei.
Hiergegen hat der Kläger am 08.10.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Mit Beschluss vom 23.10.2012 (S 3 KR 3629/12 ER) hat das SG den Antrag abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 30.11.2012 (L 11 KR 4746/12 ER-B) zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner aufrechterhaltenen Klage vor dem SG hat der Kläger vorgetragen, dass die eGK und die dahinter stehende Telematik-Infrastruktur gegen seine Rechte auf Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung verstießen. Es bestehe keine ausreichende Kontrolle, dass nicht zu einem späteren Zeitpunkt die auf der eGK gespeicherten Daten in falsche Hände kämen, insbesondere dass keine Speicherung in einer über das Internet vernetzten, potentiell unsicheren Telematik-Infrastruktur erfolge. Er verlange von der Beklagten, dass sein Versichertenstatus nicht über die Telematik-Infrastruktur übertragen werde. Dieser Versichertenstatus werde in bestimmten Fällen Informationen über seine Diagnosen enthalten, nämlich ggf über seine Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm bei chronischen Krankheiten nach § 137f SGB V (sog Disease Management Programme - DMP). Diese DMP-Daten würden über das Internet übertragen, sobald der Antragsteller die eGK nutze. Es sei ihm nicht zumutbar, erst in dem Moment gegen die Preisgabe von Gesundheitsinformationen im Internet klagebefugt zu sein, wenn er zB als Diabetiker unter Schmerzen und Schwächeanfällen leide und er nur angemessen behandelt werden könne, wenn er an einem Programm teilnehme, bei dem seine Diagnosen über das Internet unsicher übertragen und unkontrolliert im Klartext gespeichert würden. Ein vernünftiger Kranker mache sich in dieser Situation nicht zum Märtyrer des Datenschutzes, weshalb die Prüfung, ob die Preisgabe der Daten verhältnismäßig und zumutbar sei, vorher erfolgen müsse. Bereits heute sei der Name der Krankheit bei den sieben Millionen Teilnehmern von DMP Programmen auf ihrer Krankenversichertenkarte offen ersichtlich. Dies sei für jeden Besitzer eines Computers mit Kartenleser oder bei Installation der notwendigen, frei erhältlichen Software offen lesbar. In der aktuellen eGK-Spezifikation der Gematik für den Wirkbetrieb werde der besondere Schutzbedarf für die DMP Diagnose zwar eingeräumt, jedoch für eine beschränkte Übergangsfrist die offene Speicherung und Übertragung im ungeschützten Container ohne Zusatzauthentifikation festgelegt. Für den Antragsteller sei das Nicht-Akzeptieren der eGK der letzte praktikable Zeitpunkt, zu dem er die Übertragung seiner Diagnosen bei chronischer Krankheit im Internet und ihre Speicherung in einer unsicheren technischen Infrastruktur verhindern könne. Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Vorratsdatenspeicherung (02.03.2010, 1 BvR 256/08) sei klargestellt worden, dass abstrakte Programmsätze zum Schutz kritischer Daten nicht ausreichten. Abstrakte Programmsätze würden jedoch in § 291b Abs 1 Satz 2 SGB V für die Gematik aufgestellt. Das BVerfG habe wesentlich konkretere Vorschriften für die Speicherung von besonders kritischen Daten gefordert, insbesondere wenn die Speicherung bei gewinnorientierten Unternehmen unter Kostendruck stattfinde. Gesundheitsdaten seien besonders schutzwürdig. Datenübermittlung und -speicherung in der Telematik-Infrastruktur würden nicht von der Gematik oder den Krankenkassen, sondern privaten Unternehmen durchgeführt nach öffentlicher Ausschreibung (§ 291b Abs 1b SGB V). So bestehe die Gefahr, dass die Unternehmen ihre Kostendeckung durch Kompromisse bei der Datensicherheit verbesserten. Die Regelungen in §§ 291a und 291b SGB V blieben in mehreren Punkten hinter den Maßstäben des BVerfG zurück. Als fatal erweise sich, dass bei der eGK eine unabhängige Kontrolle des Datenschutzes fehle. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz kontrolliere einerseits die öffentlichen Stellen des Bundes bei der Einführung der eGK, zugleich berate er als Mitglied des Beirats die Gematik seit ihrem Bestehen hinsichtlich eben der Aktivitäten, die er kontrollieren solle. Hilfsweise sei die Sache dem BVerfG vorzulegen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Der Kläger könne nicht beanspruchen, von der Nutzung der eGK befreit zu werden. Ein Verstoß gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung liege nicht vor. Der Kläger nehme gegenwärtig an keinem DMP-Programm teil. Sie biete derzeit folgende DMP-Programme an: Brustkrebs, Asthma bronchiale, COPD, koronare Herzerkrankung, Diabetes mellitus Typ I und Typ II. Der Kläger leide an keiner der für die Teilnahme an einem DMP-Programm erforderlichen Erkrankung, so dass eine Teilnahme für ihn nicht möglich sei. Ein hypothetisches Konstrukt führe zu keiner unmittelbaren Beschwer des Versicherten. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorgaben des § 291a SGB V zu berücksichtigen. Soweit der Kläger vortrage, er wolle zu den 30% gehören, die nicht mit einer eGK versorgt würden, finde sich eine prozentuale Regelung der Versorgung nicht in den gesetzlichen Vorgaben und werde so auch nicht von der Beklagten umgesetzt.
Mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, ihm eine nicht zur elektronischen Gesundheitskarte erweiterte Krankenversichertenkarte auszustellen und mit Leistungen gemäß SGB V zu versorgen, ohne dass er die elektronische Gesundheitskarte benutzen müsse. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen sei, sei gerechtfertigt. Der Kläger müsse es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte verpflichtet sei, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren könnten (unter Hinweis auf BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).
10 
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 12.05.2015 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Gerichtsbescheid des SG hat der Kläger am 12.06.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er vorgebracht, dass der Gerichtsbescheid des SG seine zentralen Anliegen ignoriert habe. Die vom SG in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R) sei vorliegend nicht einschlägig. Das BSG habe sich nicht mit allen denkbaren Gründen auseinandergesetzt, die gegen die Einführung der ekG sprächen. Das BSG berufe sich auf offensichtlich parteiliche Aufsätze und nehme fachkundige kritische Aufsätze nicht zur Kenntnis, die den vom BSG verkannten Unterschied zwischen Normenklarheit und Gesetzgebungsdilettantismus greifbar machten.
11 
Er sei durch die rechtswidrige Dokumentation seiner Zugehörigkeit zu einem strukturierten Behandlungsprogramm bei chronischen Krankheiten nach § 137f SGB V sowie die lebenslange Krankenversichertennummer beschwert. Diese beiden Themen seien vom Bundessozialgericht nicht abgehandelt worden. Die derzeitigen Strukturen des egK-Programms produzierten erhebliche sinnlose Kosten und große Datenschutzprobleme. Grund hierfür seien die zu weit gehenden Vollmachten der Selbstverwaltung und deren strukturelle Defizite. Nach der aktuellen Planung werde im Jahr 2017 die erste Anwendung der egK, der Stammdatenabgleich, in den Testbetrieb gehen. Prof. Dr. P. von der Hochschule B.-R.-S. habe dargelegt, dass die vorgesehene Übertragung und Speicherung der Daten völlig unsicher sei. Mit der lebenslangen Versicherungsnummer könnten medizinische Lebensläufe der Versicherten erstellt werden, dies könne auch von außen geschehen, etwa durch ausländische Geheimdienste, die sich die Daten beschaffen und entschlüsseln könnten oder durch ungetreue Mitarbeiter wie bei den Steuer-CDs.
12 
Es sei rechtswidrig, dass eine Zugehörigkeit zu einem Disease Management Programm (DMP) auf der eGK stehe und damit von jedem Besitzer eines Lesegeräts und geeigneter Software auslesbar sei. Es sei abzulehnen, dass die DMP-Zugehörigkeit bei der Pflichtanwendung „Versichertenstammdaten-Management“ (VSDM) gemäß § 291 Abs 2b SGB V von der Krankenkasse zu jedem Arzt übertragen werde. Die Speicherung der DMP-Zugehörigkeit auf der Karte und ihre Weitergabe im Telematik-Netz stütze sich auf § 291 Abs 2 Nr 7 SGB V. Die von der Beklagten und den anderen Krankenkassen vorgenommene Speicherung und Übertragung der DMP-Zugehörigkeit sei rechtswidrig. Solange diese Verfahrensweise andauere, sei er nicht verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen, auch wenn er derzeit an keinem DMP-Programm teilnehme. Der bisherige Wortlaut des § 291 Abs 2 Nr 7 SGB V sei unklar und könne dazu genutzt werden, dem Arztgeheimnis unterfallende Daten offen auslesbar auf der Gesundheitskarte zu speichern und zwischen Arzt und Krankenkasse zu übertragen, ohne dass der Versicherte dies verhindern könne. Auch wenn der Kläger nicht in einem DMP sei, sei er hiervon gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Er werde durch die offen auslesbare Veröffentlichung seiner DMP-Zugehörigkeit auf der eGK davon abgeschreckt, sich zukünftig ggf einem DMP anzuschließen. Zudem sei auch das Nichtbestehen einer DMP-Diagnose oder die Nichtbehandlung in einem DMP eine Information über ihn, die dem Arztgeheimnis unterliege. Diese Information werde bereits jetzt auf der eGK veröffentlicht. Dies belaste ihn in seinen Interessen gegenüber Arztpraxen und Apotheken, die die Daten auslesen könnten.
13 
Die alte Krankenversichertenkarte habe als Identifikation des Versicherten die alte Krankenversicherungsnummer enthalten, die nur innerhalb einer Krankenkasse eindeutig gewesen sei. Nunmehr werde mit der eGK eine lebenslange Krankenversichertennummer übermittelt. Mit dieser Nummer würden Behandlungsdaten über den Kläger verbunden, die im Praxisinformationssystem seiner Ärzte gespeichert und in jedem Quartal an die Krankenkasse übertragen würden; in Zukunft über die Telematik-Infrastruktur der eGK. Während für die bei der Krankenkasse gespeicherten medizinischen Daten die spätere Löschung vorgeschrieben sei, würden die Daten im Praxissystem des Arztes sowie in Metadaten darüber in Systemen der Telematik-Infrastruktur ohne Speicherfrist vorgehalten; die lebenslange Versichertennummer sei Teil dieser Daten. Dadurch werde es technisch möglich, einen medizinischen Lebenslauf jedes Versicherten zu erstellen, der der Kontrolle des Versicherten entzogen sei. Die Speicherung und Übertragung der medizinischen Daten der Versicherten mit der lebenslangen Versichertennummer verstoße gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit (§ 3a Bundesdatenschutzgesetz).
14 
Der Kläger beantragt,
15 
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 07.05.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 04.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2012 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, ihm eine nicht zur elektronischen Gesundheitskarte erweiterte Krankenversichertenkarte auszustellen und ihn mit Leistungen nach dem SGB V zu versorgen, ohne dass er die elektronische Gesundheitskarte (eGK) und die Telematik-Infrastruktur benutzen müsse,
16 
hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger mitgeteilt, er habe eine eGK ohne Lichtbild erhalten, um Leistungen in Anspruch nehmen zu können.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
22 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
23 
Die Klage ist zulässig. Ein Versicherter, der sich durch das Erfordernis der Verwendung einer eGK (vgl http://www.bmg.bund.de/themen/krankenversicherung/e-health-initiative-und-telemedizin/allgemeine-informationen-egk.html , abgerufen am 20.06.2016) mit ihren weiteren Angaben zur Person, den deutlich erweiterten technischen Möglichkeiten und dem Lichtbilderfordernis in seinen Rechten verletzt sieht, hat für sein Begehren ein Rechtsschutzbedürfnis (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).
24 
Klage und Berufung sind unbegründet. Die Beklagte lehnt es rechtmäßig ab, den Kläger mit einem anderen Berechtigungsnachweis als der eGK auszustatten. Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die elektronische Gesundheitskarte bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Ein Anspruch auf Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte besteht nicht. Jeder Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und „Weiterleben in einer analogen Welt“.
25 
Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Diese Vorschriften „kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als „Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt“ aus. Hierbei dürfen die KKn Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind“ (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 15).
26 
Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat mit Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO entschieden, dass Versicherte kraft Gesetzes die Obliegenheit trifft, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Versicherte haben nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die vom Kläger gewünschten Ausnahmen. Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl zu alledem eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).
27 
Die bisher gültige Krankenversicherungskarte wird gemäß §§ 291, 291a SGB V zur eGK erweitert. Die Pflichtangaben für die eGK, die vom Kläger anzugeben sind, unterscheiden sich dabei nicht von den Angaben, die für die bisherige Krankenversicherungskarte erforderlich waren (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Es handelt sich neben Unterschrift und Lichtbild des Versicherten um folgende Angaben: (1.) Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat, (2.) Familienname und Vorname des Versicherten, (3.) Geburtsdatum, (4.) Geschlecht, (5.) Anschrift, (6.) Krankenversicherungsnummer, (7.) Versichertenstatus, (8.) Zuzahlungsstatus, (9.) Tag des Beginns des Versicherungsschutzes, (10.) bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs.
28 
Soweit die eGK nach § 291a Abs 2 Nr 1 SGB V geeignet sein muss, Angaben aufzunehmen für die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form ist das „elektronische Rezept“ noch nicht eingeführt, so dass derzeit eine Rechtsbeeinträchtigung weder ersichtlich ist noch in absehbarer Zeit drohen kann.
29 
Soweit sich der Kläger gegen die in § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK wendet, folgt der Senat seiner Auffassung nicht.
30 
Nach § 291 Abs 3 Satz 1 SGB V muss die eGK geeignet sein, folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von (1.) medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind, (2.) Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in elektronischer und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsübergreifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief), (3.) Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit, (4.) Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte), (5.) durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten, (6.) Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die Versicherten (§ 305 Abs 2), (7.) Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende, (8.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende sowie (9.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen nach § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
31 
Indes ist die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung dieser Daten nur zulässig, wenn der Versicherte einwilligt (§ 291a Abs 3 Satz 4 und Abs 5 S 1 SGB V), wobei die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (§ 291a Abs 3 Satz 5 SGB V). Der Kläger kann damit schon durch die Verweigerung seiner Einwilligung verhindern, dass entsprechende Daten überhaupt erst erhoben werden. Damit ist auch im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers eine unmittelbare Beschwer nicht gegeben (vgl SG Düsseldorf 28.06.2012, S 9 KR 111/09, juris). Soweit der Kläger schließlich bereits aus der Möglichkeit, zukünftig an einer Krankheit zu erkranken, die ihn faktisch zwinge, über die Teilnahme an DMP-Programmen einer entsprechenden Datennutzung zuzustimmen, eine Rechtsverletzung ableitet, kann der Senat sich dem nicht anschließen. Der Kläger leidet aktuell an keiner Erkrankung, für die von der Beklagten DMP-Programme angeboten werden.
32 
Die anzuwendenden Datenschutzregelungen des SGB (§ 35 SGB I; §§ 67 ff SGB X iVm §§ 15, 291, 291a SGB V) gehen den Regelungen des BDSG vor. Sie sind bereichsspezifisches Datenschutzrecht bezogen auf den Geltungsbereich des SGB iS von § 1 Abs 3 S 1 BDSG (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Die Vorschriften des BDSG sind dagegen nur nachrangig und subsidiär heranzuziehen, soweit das SGB nicht hierauf verweist (vgl BSGE 107, 86 = SozR 4-1300 § 83 Nr 1, RdNr 22 mwN zum Verhältnis von SGB I, SGB V, SGB X und BDSG; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 18, 33 ff mwN). Über § 291a Abs 2 S 2 SGB V findet § 6c BDSG Anwendung, der sicherstellt, dass die Stelle, die ein mobiles personenbezogenes Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgibt oder ein Verfahren zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, das ganz oder teilweise auf einem solchen Medium abläuft, auf das Medium aufbringt, ändert oder hierzu bereithält, den Betroffenen über ihre Identität und Anschrift, in allgemein verständlicher Form über die Funktionsweise des Mediums einschließlich der Art der zu verarbeitenden personenbezogenen Daten, darüber, wie er seine Rechte nach den §§ 19, 20, 34 und 35 BDSG ausüben kann, informieren muss. Damit sind iVm mit den in § 15 Abs 6 SGB V geregelten Maßnahmen zur Verhinderung missbräuchlicher Verwendung die mit der Einführung der egK verbundenen Ziele in Anbetracht der zukünftig zu bewältigenden Gesundheitskosten zur Legitimation der gesetzlichen Regelung in Anbetracht der getroffenen Vorkehrungen gegen Datenmissbrauch dem Grunde nach ausreichend (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, § 291a Rn 8; Didong in jurisPK SGB V, 3. Aufl. 2016, § 291a Rn 15).
33 
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen ist, ist gerechtfertigt (vgl BSG 18.11.2014 aaO; LSG Berlin-Brandenburg 20.03.2015, L 1 KR 18/14; Hessisches LSG 26.09.2013, L 1 KR 50/13; vgl auch Senatsbeschluss vom 30.11.2012, L 11 KR 4746/12 ER-B). Der Kläger muss es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte als Krankenkasse verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die -Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. § 15 Abs 5 SGB V ist entsprechend anzuwenden (Online-Versichertenstammdatendienst oder Versichertenstammdatenmanagement; vgl eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 21).
34 
Dieses Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG 13.02.2006, 1 BvR 1184/14 unter Hinweis auf BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1 ff; 29.09.2013, 2 BvR 939/13, juris Rn 13). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist (vgl BVerfG 14.12.2000, 2 BvR 1741/99, BVerfGE 103, 21, 33).
35 
Zwar wurzelt das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf Menschenwürde und gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Einzelne hat jedoch kein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten. Er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, stellen ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich den Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt insoweit, dass die Einschränkung des Rechts von hinreichenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (BVerfGE 65, 1, 41 f.; 56, 37, 41 ff.).
36 
Vorliegend überwiegt das Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Klägers.
37 
Die Identifikationsfunktion eines Lichtbilds auf der Karte wird benötigt, um eine missbräuchliche Verwendung möglichst einzuschränken. Dies kann im Rahmen der Massenverwaltung nur funktionieren, wenn die in § 15 Abs 2 SGB V vorgesehene Verfahrensweise („Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt [Zahnarzt] vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen [...] auszuhändigen“) auch von allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung befolgt wird. Entsprechendes gilt für den Onlineabgleich der Versichertenstammdaten (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 27). Da der Kläger von der Beklagten eine Karte ohne Lichtbild erhalten, fehlt es vorliegend ohnehin an einer Selbstbetroffenheit.
38 
Soweit der Kläger sich schon heute durch die künftigen in § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK in eigenen Rechten verletzt sieht und in Verbindung mit der Versichertennummer (§ 291 Abs 2 Nr 6 SGB V) den „gläsernen Patienten“ befürchtet, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Bei den Anwendungsmöglichkeiten nach § 291a Abs 3 Satz 1 SGBV handelt es sich nicht um die Pflichtangaben der eGK, sondern um eine vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, auf freiwilliger Basis über die rein administrative Funktion der eGK Datenanwendungsmöglichkeiten zu nutzen. Bereits das Erheben als auch das Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK ist in den Fällen des § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig (§ 291a Abs 5 Satz 1 SGB V, vgl dazu Dochow WzS 2015, 137, 144). Dafür, dass trotz Fehlens seines Einverständnisses mit seiner eGK fakultative Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ist nichts ersichtlich. Eine Rechtsverletzung des Klägers ist diesbezüglich jedenfalls derzeit ausgeschlossen, eine verfassungsrechtliche Überprüfung erübrigt sich. Selbst wenn bei fehlender Einwilligung im Einzelfall medizinische Daten rechtswidrig gespeichert würden, könnten Ärzte oder Dritte hiervon weitgehend keinen Gebrauch machen (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R Rn 22).
39 
Soweit der Kläger die Datensicherheit bezweifelt, begründet auch dies schließlich keine Grundrechtsverletzung (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R). Die Rechtsordnung schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. So regelt § 291a Abs 6 SGB V neben der Löschung das Gebot technischer Vorkehrungen für Zwecke der Datenschutzkontrolle. Er gebietet, die Protokolldaten durch geeignete Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen (vgl § 291a Abs 6 Satz 5 SGB V). Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat darauf hingewiesen, dass das Gesetz als institutionelle Sicherung den einbezogenen Verbänden die Pflicht auferlegt, die für die Einführung und Anwendung der eGK, insbesondere des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderliche interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematik-Infrastruktur) zu schaffen (vgl § 291a Abs 7 Satz 1 SGB V). Sie nehmen diese Aufgabe durch eine Gesellschaft für Telematik nach Maßgabe des § 291b SGB V wahr (vgl § 291a Abs 7 S 2 SGB V). Die Rechtsordnung stellt zudem unberechtigte Zugriffe auf die Sozialdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a SGB V unter Strafe (§ 307b SGB V). Dies schützt zusammen mit dem Bußgeldtatbestand in § 307 Abs 1 SGB V das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet aller Vorkehrungen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, um auf sich künftig zeigende Sicherheitslücken zu reagieren.
40 
Zudem müssen die Grundsätze der sog Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfG 08.08.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, juris Rn 77 und 80) ebenso eingehalten werden wie der Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 67c Abs 1 S 1 SGB X iVm § 284 SGB V, vgl auch § 84 Abs 2 S 2 SGB X). Das Bundesverfassungsgericht hat auch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Anforderung aufgestellt, dass Einschränkungen dieses Grundrechts einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage bedürfen, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1, juris Rn 151).
41 
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff des „Versichertenstatus“ in § 291 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB V, der nach der Gesetzesbegründung zu den „administrativen Daten der elektronischen Gesundheitskarte“ gehört (BT-Drs 18/5293, 41 f), nicht durch untergesetzliche Vereinbarungen beliebig ausgefüllt und „datenmäßig erweitert“ werden kann. Gemäß § 264 Abs 4 Satz 3 und 4 SGB V gilt als Versichertenstatus nach § 291 Abs 2 Nr 7 SGB V für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung „Mitglied“, für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung „Rentner“. Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung „Familienversicherte“. Weitere Entscheidungen zur Ausfüllung des administrativen Begriffs „Versichertenstatus“ hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Die eGK soll aber zusätzliche sog „statusergänzende Merkmale“ enthalten.
42 
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren in Verträgen nach § 87 Abs 1 SGB V das Nähere über die Einführung und Nutzung der elektronische Gesundheitskarte (§ 291 Abs 3 SGB V). In der „Vereinbarung zur Gestaltung und zum Inhalt der elektronische Gesundheitskarte“ Stand 01.01.2015 sind nähere Einzelheiten geregelt (http://www.kbv.de/media/sp/04a_elektr._Gesundheitskarte.pdf, abgerufen am 20.06.2016). Dort wird in Bezug auf die Gestaltung und die technischen Eigenschaften der eGK auf die geltenden Vorgaben der gematik verwiesen (§ 3 Abs 1 Satz 2 der Vereinbarung). Die „Technische Anlage zu Anlage 4a BMV-Ä/EKV“ (Anwendung eGK), Version 1.06, Stand 27.05.2014, S 13 und 15 (http://www.kbv.de/media/sp/04a_elektr._Gesundheitskarte _technische_Anlage.pdf, abgerufen am 20.06.2016) wiederum enthält neben der Versichertenart weitere ausdrücklich als „statusergänzende Merkmale“ aufzunehmende Daten, insb Besondere Personengruppe, DMP-Kennzeichnungen, und Angaben über die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV-Kennzeichen). Die Befugnis, diese Daten auf der eGK zu speichern dürfte sich weder aus dem Gesetz ergeben noch von der Ermächtigung des § 291 Abs 3 SGB V („Näheres zur bundesweiten Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis“) gedeckt sein (vgl im Übrigen zum Versichertenstatus allgemein die Stellungnahme der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit unter http://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Gesundheit_Soziales/Gesundheits-karteArtikel/KrankenversichertenkarteUndeGK.html, abgerufen am 20.06.2016). Da der Kläger von den „statusergänzenden Merkmalen“ derzeit nicht konkret betroffen ist, bedarf es hierüber keiner abschließenden Entscheidung.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht erfüllt sind.

Gründe

 
21 
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
22 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft, zulässig aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
23 
Die Klage ist zulässig. Ein Versicherter, der sich durch das Erfordernis der Verwendung einer eGK (vgl http://www.bmg.bund.de/themen/krankenversicherung/e-health-initiative-und-telemedizin/allgemeine-informationen-egk.html , abgerufen am 20.06.2016) mit ihren weiteren Angaben zur Person, den deutlich erweiterten technischen Möglichkeiten und dem Lichtbilderfordernis in seinen Rechten verletzt sieht, hat für sein Begehren ein Rechtsschutzbedürfnis (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, BSGE 117, 224, SozR 4-2500 § 291a Nr 1).
24 
Klage und Berufung sind unbegründet. Die Beklagte lehnt es rechtmäßig ab, den Kläger mit einem anderen Berechtigungsnachweis als der eGK auszustatten. Die Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V über die Obliegenheit der Versicherten, die elektronische Gesundheitskarte bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Berechtigungsnachweis dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen, sind mit Vorrang vor dem BDSG anwendbar (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Ein Anspruch auf Befreiung von der Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte besteht nicht. Jeder Versicherte ist grundsätzlich verpflichtet, die elektronische Gesundheitskarte zu nutzen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährt kein Recht auf Verhinderung der Digitalisierung und „Weiterleben in einer analogen Welt“.
25 
Die datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB X verweisen ua auf die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des SGB V. Nach § 67a Abs 1 S 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. § 67b Abs 1 S 1 SGB X erlaubt die Verarbeitung und Nutzung von Sozialdaten ua nur, soweit die datenschutzrechtlichen Vorschriften des SGB X oder eine andere Vorschrift des SGB es erlauben oder anordnen. Zu den anderen Vorschriften des SGB zählen auch die hier einschlägigen datenschutzrechtlichen Regelungen des SGB V, insbesondere die §§ 15, 291, 291a SGB V. Diese Vorschriften „kategorisieren nach dem Regelungskonzept des Gesetzgebers den für die eGK erforderlichen Datenschutz nach Pflichtangaben, Pflichtanwendungen sowie einwilligungsabhängigen freiwilligen Angaben und Anwendungen und gestalten ihn ebenfalls als „Verbotsnorm mit Erlaubnisvorbehalt“ aus. Hierbei dürfen die KKn Sozialdaten für Zwecke der Krankenversicherung erheben und speichern, soweit diese für die Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte erforderlich sind“ (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 15).
26 
Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat mit Urteil vom 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO entschieden, dass Versicherte kraft Gesetzes die Obliegenheit trifft, die eGK in ihrer gesetzlichen Ausgestaltung, erweitert um die Angaben des Geschlechts und Zuzahlungsstatus, bei Inanspruchnahme vertragsärztlicher Leistungen vor Beginn der Behandlung zum Nachweis seiner Berechtigung dem Vertrags(zahn)arzt auszuhändigen (vgl § 15 Abs 2 SGB V). Die Nachweisobliegenheit bezweckt neben der Missbrauchsabwehr, die Abrechnung von Leistungen (§ 291 Abs 1 S 3 SGB V) und die Übermittlung ärztlicher Verordnungen (§ 291a Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V) zu ermöglichen. Versicherte haben nach der Gesetzeslage keinen Anspruch auf die vom Kläger gewünschten Ausnahmen. Die betroffenen Regelungen der §§ 15, 291, 291a SGB V stehen mit höherrangigem Recht in Einklang (vgl zu alledem eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO).
27 
Die bisher gültige Krankenversicherungskarte wird gemäß §§ 291, 291a SGB V zur eGK erweitert. Die Pflichtangaben für die eGK, die vom Kläger anzugeben sind, unterscheiden sich dabei nicht von den Angaben, die für die bisherige Krankenversicherungskarte erforderlich waren (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Es handelt sich neben Unterschrift und Lichtbild des Versicherten um folgende Angaben: (1.) Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse einschließlich eines Kennzeichens für die Kassenärztliche Vereinigung, in deren Bezirk das Mitglied seinen Wohnsitz hat, (2.) Familienname und Vorname des Versicherten, (3.) Geburtsdatum, (4.) Geschlecht, (5.) Anschrift, (6.) Krankenversicherungsnummer, (7.) Versichertenstatus, (8.) Zuzahlungsstatus, (9.) Tag des Beginns des Versicherungsschutzes, (10.) bei befristeter Gültigkeit der Karte das Datum des Fristablaufs.
28 
Soweit die eGK nach § 291a Abs 2 Nr 1 SGB V geeignet sein muss, Angaben aufzunehmen für die Übermittlung ärztlicher Verordnungen in elektronischer und maschinell verwertbarer Form ist das „elektronische Rezept“ noch nicht eingeführt, so dass derzeit eine Rechtsbeeinträchtigung weder ersichtlich ist noch in absehbarer Zeit drohen kann.
29 
Soweit sich der Kläger gegen die in § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK wendet, folgt der Senat seiner Auffassung nicht.
30 
Nach § 291 Abs 3 Satz 1 SGB V muss die eGK geeignet sein, folgende Anwendungen zu unterstützen, insbesondere das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von (1.) medizinischen Daten, soweit sie für die Notfallversorgung erforderlich sind, (2.) Befunden, Diagnosen, Therapieempfehlungen sowie Behandlungsberichten in elektronischer und maschinell verwertbarer Form für eine einrichtungsübergreifende, fallbezogene Kooperation (elektronischer Arztbrief), (3.) Daten zur Prüfung der Arzneimitteltherapiesicherheit, (4.) Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen für eine fall- und einrichtungsübergreifende Dokumentation über den Patienten (elektronische Patientenakte), (5.) durch von Versicherten selbst oder für sie zur Verfügung gestellte Daten, (6.) Daten über in Anspruch genommene Leistungen und deren vorläufige Kosten für die Versicherten (§ 305 Abs 2), (7.) Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende, (8.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Erklärungen zur Organ- und Gewebespende sowie (9.) Hinweisen der Versicherten auf das Vorhandensein und den Aufbewahrungsort von Vorsorgevollmachten oder Patientenverfügungen nach § 1901a des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
31 
Indes ist die Erhebung, Nutzung und Verarbeitung dieser Daten nur zulässig, wenn der Versicherte einwilligt (§ 291a Abs 3 Satz 4 und Abs 5 S 1 SGB V), wobei die Einwilligung jederzeit widerrufen werden kann (§ 291a Abs 3 Satz 5 SGB V). Der Kläger kann damit schon durch die Verweigerung seiner Einwilligung verhindern, dass entsprechende Daten überhaupt erst erhoben werden. Damit ist auch im Hinblick auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Antragstellers eine unmittelbare Beschwer nicht gegeben (vgl SG Düsseldorf 28.06.2012, S 9 KR 111/09, juris). Soweit der Kläger schließlich bereits aus der Möglichkeit, zukünftig an einer Krankheit zu erkranken, die ihn faktisch zwinge, über die Teilnahme an DMP-Programmen einer entsprechenden Datennutzung zuzustimmen, eine Rechtsverletzung ableitet, kann der Senat sich dem nicht anschließen. Der Kläger leidet aktuell an keiner Erkrankung, für die von der Beklagten DMP-Programme angeboten werden.
32 
Die anzuwendenden Datenschutzregelungen des SGB (§ 35 SGB I; §§ 67 ff SGB X iVm §§ 15, 291, 291a SGB V) gehen den Regelungen des BDSG vor. Sie sind bereichsspezifisches Datenschutzrecht bezogen auf den Geltungsbereich des SGB iS von § 1 Abs 3 S 1 BDSG (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R aaO). Die Vorschriften des BDSG sind dagegen nur nachrangig und subsidiär heranzuziehen, soweit das SGB nicht hierauf verweist (vgl BSGE 107, 86 = SozR 4-1300 § 83 Nr 1, RdNr 22 mwN zum Verhältnis von SGB I, SGB V, SGB X und BDSG; BSGE 102, 134 = SozR 4-2500 § 295 Nr 2, RdNr 18, 33 ff mwN). Über § 291a Abs 2 S 2 SGB V findet § 6c BDSG Anwendung, der sicherstellt, dass die Stelle, die ein mobiles personenbezogenes Speicher- und Verarbeitungsmedium ausgibt oder ein Verfahren zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten, das ganz oder teilweise auf einem solchen Medium abläuft, auf das Medium aufbringt, ändert oder hierzu bereithält, den Betroffenen über ihre Identität und Anschrift, in allgemein verständlicher Form über die Funktionsweise des Mediums einschließlich der Art der zu verarbeitenden personenbezogenen Daten, darüber, wie er seine Rechte nach den §§ 19, 20, 34 und 35 BDSG ausüben kann, informieren muss. Damit sind iVm mit den in § 15 Abs 6 SGB V geregelten Maßnahmen zur Verhinderung missbräuchlicher Verwendung die mit der Einführung der egK verbundenen Ziele in Anbetracht der zukünftig zu bewältigenden Gesundheitskosten zur Legitimation der gesetzlichen Regelung in Anbetracht der getroffenen Vorkehrungen gegen Datenmissbrauch dem Grunde nach ausreichend (Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, § 291a Rn 8; Didong in jurisPK SGB V, 3. Aufl. 2016, § 291a Rn 15).
33 
Der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungsrecht aus Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG, welcher in der Pflicht zur Angabe bzw zur Verfügungstellung von Lichtbild und Unterschriftsleistung sowie der zur Identifikation dienenden Angaben von Namen, Geburtsdatum, Geschlecht, Anschrift, und Versichertennummer nach §§ 291 Abs 2, 291a Abs 2 S 1 SGB V zu sehen ist, ist gerechtfertigt (vgl BSG 18.11.2014 aaO; LSG Berlin-Brandenburg 20.03.2015, L 1 KR 18/14; Hessisches LSG 26.09.2013, L 1 KR 50/13; vgl auch Senatsbeschluss vom 30.11.2012, L 11 KR 4746/12 ER-B). Der Kläger muss es nach der Gesetzeslage auch dulden, dass die Beklagte als Krankenkasse verpflichtet ist, Dienste anzubieten, mit denen die Leistungserbringer die Gültigkeit und die Aktualität der Versichertenstammdaten (Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V) bei den Krankenkassen online überprüfen und auf der eGK aktualisieren können. Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte, Einrichtungen und Zahnärzte prüfen bei der erstmaligen Inanspruchnahme ihrer Leistungen durch einen Versicherten im Quartal die Leistungspflicht der KK durch Nutzung der Dienste. Dazu ermöglichen sie den Online-Abgleich und die -Aktualisierung der auf der eGK gespeicherten Daten nach § 291 Abs 1 und 2 SGB V mit den bei der Krankenkasse vorliegenden aktuellen Daten. Die Prüfungspflicht besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem die Dienste nach § 291 Abs 2b S 1 SGB V sowie die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur zur Verfügung stehen und die Vereinbarungen nach § 291a Abs 7a und 7b SGB V geschlossen sind. § 15 Abs 5 SGB V ist entsprechend anzuwenden (Online-Versichertenstammdatendienst oder Versichertenstammdatenmanagement; vgl eingehend BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 21).
34 
Dieses Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG 13.02.2006, 1 BvR 1184/14 unter Hinweis auf BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1 ff; 29.09.2013, 2 BvR 939/13, juris Rn 13). Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist (vgl BVerfG 14.12.2000, 2 BvR 1741/99, BVerfGE 103, 21, 33).
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Zwar wurzelt das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Bürgers im allgemeinen Persönlichkeitsrecht und dem Grundrecht auf Menschenwürde und gewährleistet die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Der Einzelne hat jedoch kein Recht im Sinne einer absoluten, uneinschränkbaren Herrschaft über „seine“ Daten. Er ist vielmehr eine sich innerhalb der sozialen Gemeinschaft entfaltende, auf Kommunikation angewiesene Persönlichkeit. Informationen, auch soweit sie personenbezogen sind, stellen ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich den Betroffenen allein zugeordnet werden kann. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verlangt insoweit, dass die Einschränkung des Rechts von hinreichenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (BVerfGE 65, 1, 41 f.; 56, 37, 41 ff.).
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Vorliegend überwiegt das Allgemeininteresse an einer Funktionsfähigkeit des Sachleistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung im Verhältnis zur rechtlichen Betroffenheit des Klägers.
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Die Identifikationsfunktion eines Lichtbilds auf der Karte wird benötigt, um eine missbräuchliche Verwendung möglichst einzuschränken. Dies kann im Rahmen der Massenverwaltung nur funktionieren, wenn die in § 15 Abs 2 SGB V vorgesehene Verfahrensweise („Versicherte, die ärztliche oder zahnärztliche Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt [Zahnarzt] vor Beginn der Behandlung ihre Krankenversichertenkarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen [...] auszuhändigen“) auch von allen Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung befolgt wird. Entsprechendes gilt für den Onlineabgleich der Versichertenstammdaten (vgl BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R, Rn 27). Da der Kläger von der Beklagten eine Karte ohne Lichtbild erhalten, fehlt es vorliegend ohnehin an einer Selbstbetroffenheit.
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Soweit der Kläger sich schon heute durch die künftigen in § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V vorgesehenen Anwendungsmöglichkeiten der eGK in eigenen Rechten verletzt sieht und in Verbindung mit der Versichertennummer (§ 291 Abs 2 Nr 6 SGB V) den „gläsernen Patienten“ befürchtet, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Bei den Anwendungsmöglichkeiten nach § 291a Abs 3 Satz 1 SGBV handelt es sich nicht um die Pflichtangaben der eGK, sondern um eine vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit, auf freiwilliger Basis über die rein administrative Funktion der eGK Datenanwendungsmöglichkeiten zu nutzen. Bereits das Erheben als auch das Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der eGK ist in den Fällen des § 291a Abs 3 Satz 1 SGB V nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig (§ 291a Abs 5 Satz 1 SGB V, vgl dazu Dochow WzS 2015, 137, 144). Dafür, dass trotz Fehlens seines Einverständnisses mit seiner eGK fakultative Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, ist nichts ersichtlich. Eine Rechtsverletzung des Klägers ist diesbezüglich jedenfalls derzeit ausgeschlossen, eine verfassungsrechtliche Überprüfung erübrigt sich. Selbst wenn bei fehlender Einwilligung im Einzelfall medizinische Daten rechtswidrig gespeichert würden, könnten Ärzte oder Dritte hiervon weitgehend keinen Gebrauch machen (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R Rn 22).
39 
Soweit der Kläger die Datensicherheit bezweifelt, begründet auch dies schließlich keine Grundrechtsverletzung (BSG 18.11.2014, B 1 KR 35/13 R). Die Rechtsordnung schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. So regelt § 291a Abs 6 SGB V neben der Löschung das Gebot technischer Vorkehrungen für Zwecke der Datenschutzkontrolle. Er gebietet, die Protokolldaten durch geeignete Vorkehrungen gegen zweckfremde Verwendung und sonstigen Missbrauch zu schützen (vgl § 291a Abs 6 Satz 5 SGB V). Das BSG, dem sich der Senat anschließt, hat darauf hingewiesen, dass das Gesetz als institutionelle Sicherung den einbezogenen Verbänden die Pflicht auferlegt, die für die Einführung und Anwendung der eGK, insbesondere des elektronischen Rezeptes und der elektronischen Patientenakte, erforderliche interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur (Telematik-Infrastruktur) zu schaffen (vgl § 291a Abs 7 Satz 1 SGB V). Sie nehmen diese Aufgabe durch eine Gesellschaft für Telematik nach Maßgabe des § 291b SGB V wahr (vgl § 291a Abs 7 S 2 SGB V). Die Rechtsordnung stellt zudem unberechtigte Zugriffe auf die Sozialdaten auf der elektronischen Gesundheitskarte nach § 291a SGB V unter Strafe (§ 307b SGB V). Dies schützt zusammen mit dem Bußgeldtatbestand in § 307 Abs 1 SGB V das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Ungeachtet aller Vorkehrungen trifft den Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht, um auf sich künftig zeigende Sicherheitslücken zu reagieren.
40 
Zudem müssen die Grundsätze der sog Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts (vgl BVerfG 08.08.1978, 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, 89, juris Rn 77 und 80) ebenso eingehalten werden wie der Grundsatz der Erforderlichkeit (§ 67c Abs 1 S 1 SGB X iVm § 284 SGB V, vgl auch § 84 Abs 2 S 2 SGB X). Das Bundesverfassungsgericht hat auch zum Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Anforderung aufgestellt, dass Einschränkungen dieses Grundrechts einer (verfassungsmäßigen) gesetzlichen Grundlage bedürfen, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht (BVerfG 15.12.1983, 1 BvR 209/83 ua, BVerfGE 65, 1, juris Rn 151).
41 
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Begriff des „Versichertenstatus“ in § 291 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB V, der nach der Gesetzesbegründung zu den „administrativen Daten der elektronischen Gesundheitskarte“ gehört (BT-Drs 18/5293, 41 f), nicht durch untergesetzliche Vereinbarungen beliebig ausgefüllt und „datenmäßig erweitert“ werden kann. Gemäß § 264 Abs 4 Satz 3 und 4 SGB V gilt als Versichertenstatus nach § 291 Abs 2 Nr 7 SGB V für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung „Mitglied“, für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung „Rentner“. Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung „Familienversicherte“. Weitere Entscheidungen zur Ausfüllung des administrativen Begriffs „Versichertenstatus“ hat der Gesetzgeber nicht getroffen. Die eGK soll aber zusätzliche sog „statusergänzende Merkmale“ enthalten.
42 
Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren in Verträgen nach § 87 Abs 1 SGB V das Nähere über die Einführung und Nutzung der elektronische Gesundheitskarte (§ 291 Abs 3 SGB V). In der „Vereinbarung zur Gestaltung und zum Inhalt der elektronische Gesundheitskarte“ Stand 01.01.2015 sind nähere Einzelheiten geregelt (http://www.kbv.de/media/sp/04a_elektr._Gesundheitskarte.pdf, abgerufen am 20.06.2016). Dort wird in Bezug auf die Gestaltung und die technischen Eigenschaften der eGK auf die geltenden Vorgaben der gematik verwiesen (§ 3 Abs 1 Satz 2 der Vereinbarung). Die „Technische Anlage zu Anlage 4a BMV-Ä/EKV“ (Anwendung eGK), Version 1.06, Stand 27.05.2014, S 13 und 15 (http://www.kbv.de/media/sp/04a_elektr._Gesundheitskarte _technische_Anlage.pdf, abgerufen am 20.06.2016) wiederum enthält neben der Versichertenart weitere ausdrücklich als „statusergänzende Merkmale“ aufzunehmende Daten, insb Besondere Personengruppe, DMP-Kennzeichnungen, und Angaben über die Ambulante Spezialfachärztliche Versorgung (ASV-Kennzeichen). Die Befugnis, diese Daten auf der eGK zu speichern dürfte sich weder aus dem Gesetz ergeben noch von der Ermächtigung des § 291 Abs 3 SGB V („Näheres zur bundesweiten Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte als Versicherungsnachweis“) gedeckt sein (vgl im Übrigen zum Versichertenstatus allgemein die Stellungnahme der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit unter http://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Gesundheit_Soziales/Gesundheits-karteArtikel/KrankenversichertenkarteUndeGK.html, abgerufen am 20.06.2016). Da der Kläger von den „statusergänzenden Merkmalen“ derzeit nicht konkret betroffen ist, bedarf es hierüber keiner abschließenden Entscheidung.
43 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
44 
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 SGG nicht erfüllt sind.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

(1) An der vertragsärztlichen Versorgung nehmen zugelassene Ärzte und zugelassene medizinische Versorgungszentren sowie ermächtigte Ärzte und ermächtigte Einrichtungen teil. Medizinische Versorgungszentren sind ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister nach Absatz 2 Satz 3 eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Der ärztliche Leiter muss in dem medizinischen Versorgungszentrum selbst als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig sein; er ist in medizinischen Fragen weisungsfrei. Sind in einem medizinischen Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, tätig, ist auch eine kooperative Leitung möglich. Die Zulassung erfolgt für den Ort der Niederlassung als Arzt oder den Ort der Niederlassung als medizinisches Versorgungszentrum (Vertragsarztsitz).

(1a) Medizinische Versorgungszentren können von zugelassenen Ärzten, von zugelassenen Krankenhäusern, von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3, von anerkannten Praxisnetzen nach § 87b Absatz 2 Satz 3, von gemeinnützigen Trägern, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, oder von Kommunen gegründet werden. Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 sind jedoch nur zur Gründung fachbezogener medizinischer Versorgungszentren berechtigt; ein Fachbezug besteht auch für die mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten. Die Gründung eines medizinischen Versorgungszentrums ist nur in der Rechtsform der Personengesellschaft, der eingetragenen Genossenschaft oder der Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder in einer öffentlich rechtlichen Rechtsform möglich. Die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die am 1. Januar 2012 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von der Trägerschaft und der Rechtsform des medizinischen Versorgungszentrums unverändert fort; die Zulassung von medizinischen Versorgungszentren, die von Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 gegründet wurden und am 10. Mai 2019 bereits zugelassen sind, gilt unabhängig von ihrem Versorgungsangebot unverändert fort. Für die Gründung von medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen findet § 105 Absatz 5 Satz 1 bis 4 keine Anwendung.

(1b) Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen. Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,
2.
in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.
Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.

(2) Um die Zulassung als Vertragsarzt kann sich jeder Arzt bewerben, der seine Eintragung in ein Arzt- oder Zahnarztregister (Arztregister) nachweist. Die Arztregister werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen für jeden Zulassungsbezirk geführt. Die Eintragung in ein Arztregister erfolgt auf Antrag

1.
nach Erfüllung der Voraussetzungen nach § 95a für Vertragsärzte und nach § 95c für Psychotherapeuten,
2.
nach Ableistung einer zweijährigen Vorbereitungszeit für Vertragszahnärzte.
Das Nähere regeln die Zulassungsverordnungen. Um die Zulassung kann sich ein medizinisches Versorgungszentrum bewerben, dessen Ärzte in das Arztregister nach Satz 3 eingetragen sind. Für die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist außerdem Voraussetzung, dass die Gesellschafter entweder selbstschuldnerische Bürgschaftserklärungen oder andere Sicherheitsleistungen nach § 232 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für Forderungen von Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gegen das medizinische Versorgungszentrum aus dessen vertragsärztlicher Tätigkeit abgeben; dies gilt auch für Forderungen, die erst nach Auflösung des medizinischen Versorgungszentrums fällig werden. Die Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum bedarf der Genehmigung des Zulassungsausschusses. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 5 erfüllt sind; Absatz 9b gilt entsprechend. Anträge auf Zulassung eines Arztes und auf Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums sowie auf Genehmigung der Anstellung eines Arztes in einem zugelassenen medizinischen Versorgungszentrum sind abzulehnen, wenn bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind oder der Zulassung oder der Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. Abweichend von Satz 9 ist einem Antrag trotz einer nach § 103 Absatz 1 Satz 2 angeordneten Zulassungsbeschränkung stattzugeben, wenn mit der Zulassung oder Anstellungsgenehmigung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für die in den medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte gilt § 135 entsprechend.

(2a) (weggefallen)

(3) Die Zulassung bewirkt, daß der Vertragsarzt Mitglied der für seinen Kassenarztsitz zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung wird und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Umfang seines aus der Zulassung folgenden Versorgungsauftrages berechtigt und verpflichtet ist. Die Zulassung des medizinischen Versorgungszentrums bewirkt, dass die in dem Versorgungszentrum angestellten Ärzte Mitglieder der für den Vertragsarztsitz des Versorgungszentrums zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung sind und dass das zugelassene medizinische Versorgungszentrum insoweit zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind verbindlich. Die Einhaltung der sich aus den Sätzen 1 und 2 ergebenden Versorgungsaufträge sind von der Kassenärztlichen Vereinigung bundeseinheitlich, insbesondere anhand der abgerechneten Fälle und anhand der Gebührenordnungspositionen mit den Angaben für den zur ärztlichen Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand nach § 87 Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu prüfen. Die Ergebnisse sowie eine Übersicht über die gegebenenfalls getroffenen Maßnahmen sind den Landes- und Zulassungsausschüssen sowie der für die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung zuständigen Aufsichtsbehörde jeweils zum 30. Juni des Jahres zu übermitteln.

(4) Die Ermächtigung bewirkt, daß der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung berechtigt und verpflichtet ist. Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung sind für sie verbindlich. Die Absätze 5 bis 7, § 75 Abs. 2 und § 81 Abs. 5 gelten entsprechend.

(5) Die Zulassung ruht auf Beschluß des Zulassungsausschusses, wenn der Vertragsarzt seine Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht ausübt, ihre Aufnahme aber in angemessener Frist zu erwarten ist, oder auf Antrag eines Vertragsarztes, der in den hauptamtlichen Vorstand nach § 79 Abs. 1 gewählt worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann bei vollem Versorgungsauftrag das Ruhen der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung beschlossen werden; bei einem drei Viertel Versorgungsauftrag kann das Ruhen eines Viertels der Zulassung beschlossen werden.

(6) Die Zulassung ist zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Der Zulassungsausschuss kann in diesen Fällen statt einer vollständigen auch die Entziehung derHälfteoder eines Viertels der Zulassung beschließen. Einem medizinischen Versorgungszentrum ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1a Satz 1 bis 3 länger als sechs Monate nicht mehr vorliegen. Die Gründereigenschaft nach Absatz 1a Satz 1 bleibt auch für die angestellten Ärzte bestehen, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem medizinischen Versorgungszentrum verzichtet haben, solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind und Gesellschafter des medizinischen Versorgungszentrums sind. Die Gründungsvoraussetzung nach Absatz 1a Satz 1 liegt weiterhin vor, sofern angestellte Ärzte die Gesellschafteranteile der Ärzte nach Absatz 1a Satz 1 oder der Ärzte nach Satz 4 übernehmen und solange sie in dem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind; die Übernahme von Gesellschafteranteilen durch angestellte Ärzte ist jederzeit möglich. Medizinischen Versorgungszentren, die unter den in Absatz 1a Satz 4 erster Halbsatz geregelten Bestandsschutz fallen, ist die Zulassung zu entziehen, wenn die Gründungsvoraussetzungen des Absatzes 1 Satz 6 zweiter Halbsatz in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung seit mehr als sechs Monaten nicht mehr vorliegen oder das medizinische Versorgungszentrum gegenüber dem Zulassungsausschuss nicht bis zum 30. Juni 2012 nachweist, dass die ärztliche Leitung den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 3 entspricht.

(7) Die Zulassung endet, wenn die vertragsärztliche Tätigkeit in einem von Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsbereich nicht innerhalb von drei Monaten nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung aufgenommen wird, mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, mit dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des Berechtigten aus dem Bezirk seines Kassenarztsitzes. Die Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums endet mit dem Wirksamwerden eines Verzichts, der Auflösung, dem Ablauf des Befristungszeitraumes oder mit dem Wegzug des zugelassenen medizinischen Versorgungszentrums aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes.

(8) (weggefallen)

(9) Der Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, anstellen, sofern für die Arztgruppe, der der anzustellende Arzt angehört, keine Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind und der Anstellung keine Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen; hiervon abweichend ist eine Anstellungsgenehmigung trotz einer angeordneten Zulassungsbeschränkung zu erteilen, wenn mit der Anstellung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Sind Zulassungsbeschränkungen angeordnet, gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Voraussetzungen des § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erfüllt sein müssen. Das Nähere zu der Anstellung von Ärzten bei Vertragsärzten bestimmen die Zulassungsverordnungen. Absatz 5 gilt entsprechend.

(9a) Der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsarzt kann mit Genehmigung des Zulassungsausschusses Ärzte, die von einer Hochschule mindestens halbtags als angestellte oder beamtete Hochschullehrer für Allgemeinmedizin oder als deren wissenschaftliche Mitarbeiter beschäftigt werden und in das Arztregister eingetragen sind, unabhängig von Zulassungsbeschränkungen anstellen. Bei der Ermittlung des Versorgungsgrades in einem Planungsbereich sind diese angestellten Ärzte nicht mitzurechnen.

(9b) Eine genehmigte Anstellung nach Absatz 9 Satz 1 ist auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes vom Zulassungsausschuss in eine Zulassung umzuwandeln, sofern der Umfang der Tätigkeit des angestellten Arztes einem ganzen, einem halben oder einem drei Viertel Versorgungsauftrag entspricht; beantragt der anstellende Vertragsarzt nicht zugleich bei der Kassenärztlichen Vereinigung die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Absatz 3a, wird der bisher angestellte Arzt Inhaber der Zulassung.

(10) (weggefallen)

(11) (weggefallen)

(11a) (weggefallen)

(11b) (weggefallen)

(12) (weggefallen)

(13) In Zulassungssachen der Psychotherapeuten und der überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzte (§ 101 Abs. 3 Satz 1) treten abweichend von § 96 Abs. 2 Satz 1 und § 97 Abs. 2 Satz 1 an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der Psychotherapeuten und der Ärzte in gleicher Zahl; unter den Vertretern der Psychotherapeuten muß mindestens ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut oder ein Psychotherapeut mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen sein. Für die erstmalige Besetzung der Zulassungsausschüsse und der Berufungsausschüsse nach Satz 1 werden die Vertreter der Psychotherapeuten von der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Vorschlag der für die beruflichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Psychotherapeuten auf Landesebene berufen.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.

(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 40, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 41 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme §§ 44 und 45, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, §§ 46 und 47 entsprechende Anwendung.

(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 115 309,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung des vom klagenden Landkreis geleisteten Aufwendungsersatzes für die Krankenbehandlung von drei Sozialhilfeempfängern.

2

Der SGB II-Leistungsträger gewährte A (im Folgenden: Berechtigte R.) im Jahr 2005 Arbeitslosengeld II, stellte aber mit Wirkung zum 1.1.2006 die Leistungen ein. Der Kläger als zuständiger Sozialhilfeträger bewilligte ihr und ihren beiden damals minderjährigen Söhnen anschließend Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII. Er beauftragte die beklagte Krankenkasse (KK), für die Berechtigte R. und ihre Söhne als nicht krankenversicherte Sozialhilfeempfänger die Krankenbehandlung von 2006 bis 2009 zu übernehmen. Hierfür leistete der Kläger der Beklagten zunächst Aufwendungsersatz und meldete bei ihr einen Erstattungsanspruch - zuletzt über 115 423,04 Euro - an (am 7.6.2006 , am 21.1.2010 und am 2.2.2010 ). Die Beklagte erkannte nach einem Rechtsstreit das Bestehen einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. rückwirkend zum 1.1.2006 an (22.12.2009), weigerte sich aber, den gesamten geleisteten Aufwendungsersatz zurückzuzahlen. Der Kläger hat unter Berücksichtigung eines "umgebuchten" Betrages von 113,88 Euro am 1.12.2010 Klage auf Erstattung von 115 309,16 Euro erhoben. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Dem Kläger stehe ein nicht verjährter öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Der Erstattungsanspruch richte sich nicht nach den §§ 102 ff SGB X. Die einjährige Ausschlussfrist des § 111 SGB X finde keine Anwendung. Die Krankenbehandlung sei ausschließlich eine Sozialleistung der Beklagten gewesen. Maßgeblich sei die Sicht der Leistungsberechtigten. Sie hätten nur Ansprüche auf Krankenbehandlung gegen die KK, nicht aber gegen den Sozialhilfeträger (Urteil vom 22.5.2013).

3

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung der §§ 102 ff SGB X, insbesondere des § 111 SGB X. Sie habe die Krankenbehandlung zwar tatsächlich der Berechtigten R. und ihren Söhnen zugewendet. Die Leistungen seien aber nach der Rechtsprechung des BSG dem Kläger als von ihm erbrachte Sozialleistungen zuzurechnen. Der hierfür nur nachrangig verpflichtete Kläger habe seinen Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 2.6.2006 und 19.1.2010 nicht hinreichend konkret geltend gemacht.

4

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

        

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Mai 2013 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sächsische Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Er hält das SG-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision der beklagten KK ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2, Abs 4 S 1 SGG). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es auf der Verletzung materiellen Rechts beruht und sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Der erkennende Senat macht von seinem Ermessen Gebrauch, die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 4 S 1 SGG). Es wird die erforderlichen ergänzenden Feststellungen zu treffen haben.

8

Der erkennende Senat ist prozessual an einer Entscheidung nicht gehindert (dazu 1.). Der klagende Sozialhilfeträger kann wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. ab Jahresbeginn 2006 von der Beklagten Erstattung der Leistungen beanspruchen, die er für die Berechtigte R. vom 21. bis 31.1. und vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Der erkennende Senat kann hierüber aber wegen fehlender Tatsachenfeststellungen zur Höhe des Anspruchs nicht abschließend entscheiden (dazu 2.). Es kommt zudem in Betracht, dass der Kläger als nachrangig verpflichteter Leistungsträger von der Beklagten Erstattung der Leistungen beanspruchen kann, die er für die beiden Söhne der R. vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Der erkennende Senat kann auch hierüber nicht abschließend entscheiden, denn die hierfür erforderlichen Feststellungen zum Versichertenstatus der beiden Söhne der R. und zum Umfang der für sie erbrachten Leistungen fehlen (dazu 3.).

9

1. Im Revisionsverfahren fortwirkende Umstände, die einer Sachentscheidung des Senats entgegenstehen könnten, liegen nicht vor. Die Berechtigte R. und ihre Söhne waren nicht notwendig beizuladen. Einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 Alt 1 SGG bedarf es im Erstattungsstreit nur dann, wenn sich die Erfüllungsfiktion nach § 107 SGB X auf weitere Rechte des Leistungsempfängers auswirkt(vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 10a mwN). Hat der Berechtigte die Leistung aber bereits erhalten, kann er diese nicht noch einmal beanspruchen. Hat die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkung auf seine Rechtsposition, ist eine notwendige Beiladung nicht erforderlich (vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 5 RdNr 9; Leitherer aaO). Das gilt auch im Verhältnis zwischen Sozialhilfe- und Sozialversicherungsträger (missverständlich insoweit BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 20). So liegt der Fall hier. Die Berechtigte R. und ihre Söhne erhielten vom Kläger bereits Sozialleistungen (näher dazu unter II. 2. und 3.). Sie können diese Leistungen - unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Erstattungsrechtsstreits - weder nochmals von den Beteiligten beanspruchen noch kommt wegen § 107 SGB X in Betracht, dass sie der Beklagten die erbrachten Leistungen erstatten müssen(vgl BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 10 mwN). Vorliegend geht es lediglich noch um die Verteilung leistungsrechtlicher Verpflichtungen zwischen Leistungsträgern (vgl ähnlich BSG SozR 4-2500 § 39a Nr 1 RdNr 9 mwN).

10

2. Der Kläger hat wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. lediglich als nachrangig verpflichteter Leistungsträger gegen die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger Anspruch auf Erstattung der Leistungen, die er für die Berechtigte R. vom 21. bis 31.1. und vom 2.2. bis 31.12.2009 erbrachte. Rechtsgrundlage des Anspruchs ist die Regelung des § 104 Abs 1 SGB X(dazu a). Die Anspruchsvoraussetzungen sind dem Grunde nach ab Beginn der freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. 2006 erfüllt (dazu b). Der Anspruch erlosch jedoch für bis zum 20.1.2009 und am 1.2.2009 erbrachten Leistungen wegen fruchtlosen Ablaufs der Ausschlussfrist des § 111 S 1 SGB X(dazu c). Es fehlt an Feststellungen, um über die Höhe des Anspruchs zu entscheiden (dazu d). Andere Anspruchsgrundlagen kommen für den geltend gemachten Anspruch nicht in Betracht (dazu e).

11

a) § 104 Abs 1 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGB X vom 18.1.2001, BGBl I 130) regelt Folgendes: Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist gemäß § 104 Abs 1 S 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nach § 104 Abs 1 S 3 SGB X besteht kein Erstattungsanspruch, soweit der nachrangige Träger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers hätte erbringen müssen.

12

b) Der Kläger erbrachte nach den den erkennenden Senat bindenden, im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Feststellungen des SG (§ 161 Abs 4 SGG)in der Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 der Berechtigten R. Krankenbehandlung mittels Beauftragung der Beklagten (dazu aa). Der Kläger war für die Gewährung von Krankenbehandlung nur nachrangig zuständig. Vorrangig zuständiger Leistungsträger war die Beklagte (dazu bb). Auch die übrigen Voraussetzungen für das Entstehen des Erstattungsanspruchs waren erfüllt (dazu cc).

13

aa) Der Kläger erbrachte für die Zeit von 2006 bis Ende 2009 Sozialleistungen an die Berechtigte R., nämlich Krankenbehandlung. Wie der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 17.6.2008 entschieden hat, erbringen die KKn die Krankenbehandlung von nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherten Sozialhilfeempfängern nach § 264 SGB V aufgrund gesetzlichen Auftrags iS des § 93 SGB X(vgl ausführlich BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1; siehe auch BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 12/14 R - RdNr 11 mwN, für SozR vorgesehen; dem folgend BSG SozR 4-2500 § 175 Nr 3 RdNr 31<12. Senat>; so auch: Huck in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2014, K § 264 RdNr 14; Böttiger in Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand September 2013, § 264 RdNr 42; Marburger, WzS 2004, 289, 291; Peters in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 264 SGB V RdNr 4; Baierl in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 264 RdNr 32; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 48 SGB XII RdNr 47; aA BSG Urteil vom 27.5.2014 - B 8 SO 26/12 R - Juris RdNr 20, vorgesehen für BSGE und SozR 4-2500 § 264 Nr 5; Sunder, Gutachten Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge, NDV 2004, 320, 323; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 48 SGB XII RdNr 10; Zink/Lippert in Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, § 48 SGB XII RdNr 43 ff, Stand April 2014; wohl auch: Zeitler, NDV 2004, 45, 46; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand April 2014, K § 48 RdNr 5; noch offen lassend, ob ein gesetzlicher Auftrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis anzunehmen ist: BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2, RdNr 23<8. Senat>). Insoweit überträgt § 264 SGB V den KKn in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der GKV entsprechenden Leistungen zu gewähren(vgl § 48 SGB XII). Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 SGB V die Krankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von der KK "übernommen"(vgl zum Ganzen BSGE 101, 42 = SozR 4-2500 § 264 Nr 1).

14

Der erkennende Senat muss bei dieser Auslegung nicht wegen Divergenz beim 8. Senat des BSG im Hinblick auf dessen Rechtsprechung (BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 5, auch für BSGE vorgesehen)anfragen (§ 41 Abs 3 SGG). Dort waren nicht Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern betroffen, sondern das Bestehen einer sog "Quasiversicherung" nach § 264 Abs 2 SGB V. Soweit der 8. Senat des BSG in seiner Entscheidung ausführt, dass der Sozialhilfeträger in das unmittelbare krankenversicherungsrechtliche Leistungsgeschehen in keiner Weise eingebunden ist, ihm lediglich Meldeverpflichtungen und die Verpflichtung zur Einziehung der Krankenversichertenkarte für die KK (§ 264 Abs 5 und Abs 3 S 3 SGB V) obliegen und keinen Statusbescheid über eine "Quasiversicherung" erlassen darf, folgt dem auch der erkennende Senat. Aber selbst wenn man ein Auftragsverhältnis ablehnen und lediglich ein "auftragsähnliches Verhältnis" bejahen wollte (vgl bereits BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 5 RdNr 20), änderte dies im Übrigen nichts. Denn auch dann wären Sozialleistungen im Zuständigkeitsgefüge des SGB allein dem Aufgabenbereich des Sozialhilfeträgers zuzurechnen und die zwischen Sozialleistungsträgern geltenden Erstattungsregelungen der §§ 102 ff SGB X entsprechend anzuwenden(vgl auch BSG Urteil vom selben Tage - B 1 KR 12/14 R - RdNr 12 mwN, für SozR vorgesehen).

15

bb) Vorrangig zuständig für die Krankenbehandlung war die Beklagte. Die Berechtigte R. hatte gegen die Beklagte als freiwillig versichertes Mitglied ab 1.1.2006 einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V. Die Leistungspflicht der Beklagten entstand nicht erst ex nunc mit ihrem von der Berechtigten R. angenommenen Anerkenntnis über den Beginn der freiwilligen Versicherung ab 1.1.2006 am 22.12.2009, sondern von Anbeginn der freiwilligen Versicherung an. Der Kläger war nur nachrangig zuständig für die Erbringung der Krankenbehandlung. Nach § 2 Abs 1 SGB XII erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (sog Nachranggrundsatz, Selbsthilfeobliegenheit). Die Norm regelt keinen eigenständigen Ausschlusstatbestand (BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 20; BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8, RdNr 25; BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - Juris RdNr 13). Wenn tatsächlich keine anderen Leistungen erbracht werden, stellt die Erfüllung der Selbsthilfeobliegenheit in § 2 Abs 1 SGB XII deshalb kein ungeschriebenes (negatives) Tatbestandmerkmal eines Sozialhilfeanspruchs dar. So liegt der Fall hier. Die vorrangig zuständige Beklagte erbrachte nach den Feststellungen des SG keine Leistungen.

16

cc) Der Erstattungsanspruch scheitert nicht an § 104 Abs 1 S 3 SGB X. Danach besteht kein Erstattungsanspruch, soweit der nachrangige Träger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Trägers hätte erbringen müssen. Dies ist - wie zuvor dargelegt (vgl II. 2. b bb) - gerade nicht der Fall. Hätte die Beklagte Krankenbehandlung erbracht, hätte der Kläger nicht leisten müssen. Die nach § 104 SGB X erforderliche Kongruenz (Gleichartigkeit) der Leistungen liegt vor.

17

c) Der Anspruch des Klägers auf Erstattung erlosch für die im Zeitraum bis zum 20.1.2009 und für den 1.2.2009 erbrachten Leistungen nach § 111 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des SGB X vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Ablaufs der Ausschlussfrist. Gemäß § 111 S 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, "für" den die Leistung erbracht wurde, geltend macht.

18

Der Tag, "für" den eine Leistung erbracht wird, entspricht bei bestehender Leistungsbeziehung, wenn der erstattungsberechtigte Träger von Anfang an - wie hier der Kläger aufgrund seines Vorgehens nach § 264 Abs 2 SGB V - in die Leistungserbringung eingebunden war, dem Tag, an dem die Leistung dem Berechtigten tatsächlich zugutekommt(vgl nur BSGE 65, 31, 38 = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24; BSG Urteil vom 28.11.1990 - 5 RJ 50/89 - Juris RdNr 25 = USK 90174; anders dagegen bei rückwirkender Leistungsbewilligung bzw Zahlung aufgrund einer Leistungserbringerforderung ohne zuvor mit dem Leistungsgeschehen befasst gewesen zu sein: BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 21 f; BSGE 99, 102 = SozR 4-2500 § 19 Nr 4, RdNr 9). Auf den Tag, "an" dem die Leistung vergütet wurde, kommt es demgegenüber nicht an (vgl BSGE 65, 27, 30 = SozR 1300 § 111 Nr 4 S 15 sowie BSGE 65, 31, 37 f = SozR 1300 § 111 Nr 6 S 24; BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 13/07 R - Juris RdNr 12 = USK 2008-6). Unerheblich ist deswegen, dass die Beklagte Krankenbehandlungsleistungen, die im Jahr 2008 erfolgten, ggf teilweise erst im Jahr 2009 den Leistungserbringern bezahlte.

19

Der Kläger wahrte die Frist des § 111 S 1 SGB X hinsichtlich seiner Leistungen für die Berechtigte R. erst mit seinen Schreiben vom 19. und 29.1.2010 für die Zeiträume vom 21. bis 31.1.2009 und vom 2.2. bis 31.12.2009. Das Schreiben vom 2.6.2006 genügte dagegen nicht den Anforderungen an die wirksame "Geltendmachung" des Erstattungsanspruchs für die Zeiträume von 2006 bis 20.1.2009 und für den 1.2.2009. Der Begriff des "Geltendmachens" meint im Zusammenhang mit § 111 S 1 SGB X keine gerichtliche Geltendmachung und keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern das Behaupten oder Vorbringen. Allerdings muss der Wille erkennbar werden, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloß "vorsorgliche" Anmeldung reicht dagegen nicht aus. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussfrist, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht, muss der in Anspruch genommene Leistungsträger bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dies kann er ohne Kenntnis des Forderungsbetrages feststellen, wenn die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruches maßgeblich sind, und der Zeitraum, für den die Sozialleistungen erbracht wurden (§ 111 S 1 SGB X), hinreichend konkret mitgeteilt sind. Da der Erstattungsanspruch iS des § 111 S 1 SGB X bereits geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat, können allgemeine Angaben genügen, die sich auf die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhandenen Kenntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken(zum Ganzen BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 5 RdNr 15 mwN).

20

Der Kläger wies in dem Schreiben vom 2.6.2006 nicht auf die Leistungsart "Krankenbehandlung" hin und machte nicht deutlich, dass es ihm um die Erstattung dieser von ihm bereits durch die Beklagte erbrachten und zukünftig noch zu erbringenden Leistungen ging. Die Schreiben vom 19. und 29.1.2010 genügten dagegen den dargelegten Anforderungen an ein fristwahrendes "Geltendmachen". Die Beklagte musste beim Zugang dieser Anmeldungen der Erstattungsansprüche von einem rechtssichernden Willen des Klägers ausgehen. Sie konnte im Zugangszeitpunkt jeweils ohne weitere Nachforschungen beurteilen, ob die erhobenen Forderungen ausgeschlossen waren. Das Schreiben vom 19.1.2010 verweist nämlich auf den Zeitraum (1.2.2006 bis 31.1.2009), die Art der Leistungen ("Hilfe bei Krankheit") und bezieht sich auf die Fortsetzung der Mitgliedschaft der Berechtigten R. bei der Beklagten aufgrund angenommenen Anerkenntnisses (Rechtsstreit SG Dresden - S 39 KR 191/08). Das Schreiben vom 29.1.2010 informiert nicht nur über die Leistungsempfänger (Berechtigte R. und ihre beiden genau bezeichneten Söhne), den Leistungszeitraum (1.1.2006 bis 31.12.2009) und die Art der Leistungen ("Krankenhilfe"), sondern auch über den geltend gemachten Betrag, aufgelistet nach Personen und Quartalen.

21

Zu Recht ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel, dass der Lauf der Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht gemäß § 111 S 2 SGB X auf einen späteren Zeitpunkt als den nach § 111 S 1 SGB X maßgeblichen Zeitpunkt der Leistungserbringung hinausgeschoben war. Die Regelung lautet: "Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat". Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann bei Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander eine solche, den Fristenlauf hinausschiebende Kenntnisnahme von der "Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht" nicht vorliegen, wenn der Erstattungsverpflichtete eine materiell-rechtliche Entscheidung über Leistungen, wie sie der Erstattungsberechtigte bereits erbracht hat, überhaupt nicht mehr treffen kann und darf (BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 LS 1 und RdNr 15 f; dem folgend BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 16 f; ebenso BSG Urteil vom 28.2.2008 - B 1 KR 13/07 R - Juris RdNr 15 ff = USK 2008-6). Das ist in aller Regel der Fall, wenn - wie hier - der Versicherte die Sachleistung bereits erhalten hat. Der Bedarf des Versicherten ist insoweit - wenn auch durch einen nachrangig zuständigen Träger - bereits gedeckt. Der (vorrangig) zuständige Leistungsträger - hier die Beklagte - hat keine Befugnis mehr, gegenüber der Berechtigten R. nochmals eine materiell-rechtliche Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung gerade dieser Leistungen zu treffen und die Leistung zu bewilligen. Für einen entsprechenden Antrag der Versicherten würde es von vornherein an der dafür erforderlichen rechtlichen Betroffenheit fehlen. Denn ihr Anspruch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger, der Beklagten, ist sowohl faktisch als auch rechtlich kraft der Fiktion des § 107 SGB X erfüllt(BSG SozR 4-1300 § 111 Nr 3 RdNr 18).

22

Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hindert die Beklagte entgegen der Ansicht des Klägers nicht, sich auf den Fristablauf zu berufen. Die in § 111 S 1 SGB X normierte Frist ist nämlich eine materielle Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu beachten ist(BT-Drucks 9/95 S 26 f). Sie unterliegt als solche grundsätzlich nicht dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung. Eine Ausnahme hiervon gilt nur, wenn die Versäumung der Ausschlussfrist auf ein grob rechtswidriges, zB vorsätzliches Verhalten dessen zurückzuführen ist, der durch die Ausschlussfrist begünstigt wird (vgl zum Ganzen BSGE 98, 238 = SozR 4-1300 § 111 Nr 4, RdNr 20). Hierfür fehlt es aber nach den Feststellungen des SG an jeglichem Anhaltspunkt.

23

d) Es fehlt für den erkennenden Senat an hinreichend getroffenen Feststellungen des SG, um über die Höhe des Anspruchs abschließend zu entscheiden. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für die Beklagte, den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (§ 104 Abs 3 SGB X). Der Erstattungsanspruch ist insoweit in zweierlei Weise begrenzt: Der erstattungsberechtigte Träger - hier: der Kläger - darf nicht mehr erhalten, als er selbst dem Leistungsempfänger an Leistungen erbracht hat. Der erstattungspflichtige Leistungsträger - hier: die Beklagte - soll nicht mehr erstatten müssen, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte (vgl BSGE 58, 128, 133 = SozR 1300 § 103 Nr 4; zustimmend BSG SozR 4-2500 § 44 Nr 15 RdNr 35-36; Kater in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 104 SGB X RdNr 36). Verwaltungskosten sind nicht zu erstatten (vgl näher § 109 SGB X).

24

Das SG hat schon nicht festgestellt, welchen Aufwendungsersatz ohne Verwaltungskosten (§ 264 Abs 7 S 2 SGB V) der Kläger für seine Leistungen an die Berechtigte R. für die Zeit vom 21. bis 31.1.2009 und vom 2.2. bis 31.12.2009 gezahlt hat. Soweit das SG die vom Kläger als "Pauschalen gemäß § 264 SGB V für 3 Personen" für die Zeit vom 1.1.2006 bis 31.12.2009 geltend gemachten Beträge von 15 600 Euro als "Verwaltungspauschalen" bezeichnet, kann es sich schon rechnerisch nicht um Verwaltungskosten iS des § 264 Abs 7 S 2 SGB V handeln. Denn die in der Forderungsaufstellung ausgewiesenen Pauschalen von insgesamt 15 600 Euro können nicht die in § 264 Abs 7 S 2 SGB V auf höchstens 5 vH der abgerechneten Leistungsausgaben begrenzten Verwaltungskosten sein, die der Kläger berechnen durfte(5 vH aus 99 823,04 Euro = 4991,152 Euro). Diese Diskrepanz hat das SG auch nicht durch ergänzende Tatsachenfeststellungen plausibilisiert.

25

Der erkennende Senat kann auch nicht beurteilen, ob es sich - was nahe liegt - bei den "Pauschalen" um die in § 9 der "Vereinbarung zur Umsetzung der Leistungserbringung und Abrechnung nach § 264 SGB V" zwischen den Rechtsvorgängern der Beklagten und der IKK Classic einerseits sowie dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag e.V. und dem Sächsischen Landkreistag e.V. andererseits geregelten Abschlagszahlungen der Sozialhilfeträger (390 Euro je Leistungsempfänger und Quartal) handelt. In diesem Falle käme in Betracht, dass die gezahlten Pauschalen als Abschlagszahlungen mit Aufwendungsersatzansprüchen der Beklagten für durch Behandlungsmaßnahmen entstandene Kosten verrechnet wurden und der Kläger insgesamt deutlich weniger für die Leistungen an die Berechtigte R. ohne Verwaltungskosten an die Beklagte zahlte, als er bisher geltend macht. Der erkennende Senat kann mangels Feststellungen des SG auch nicht nachvollziehen, ob und ggf welche Forderung des Klägers die Beklagte mit der zugunsten des Klägers vorgenommenen "Umbuchung" von 113,88 Euro tilgte.

26

e) Der Kläger hat wegen der rückwirkenden Feststellung des Bestehens einer freiwilligen Versicherung der Berechtigten R. ab 2006 keinen Zahlungsanspruch aus einer anderen Rechtsgrundlage als § 104 SGB X, insbesondere weder aufgrund des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs noch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus einem Schadenersatzanspruch wegen einfacher Pflichtverletzung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses entsprechend § 280 Abs 1 BGB. Denn die Regelung der Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander im zweiten Abschnitt des dritten Kapitels SGB X durch die §§ 102 ff SGB X ist insoweit bewusst abschließend. Sie ist in ihrem Anwendungsbereich erschöpfend. Sie erlaubt keinen Rückgriff auf allgemeine Rechtsinstitute wie den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag oder auf Schadenersatzansprüche entsprechend § 280 Abs 1 BGB aufgrund der Rechtsbeziehung von Leistungsträgern untereinander, die den Regelungsgehalt der §§ 102 ff SGB X zu unterlaufen drohen(vgl zur Geschäftsführung ohne Auftrag BSGE 85, 110 = SozR 3-2500 § 60 Nr 4 = Juris RdNr 19, unter Hinweis insbesondere auf BGHZ 140, 102, 109 = NJW 1999, 858, 860; zur öffentlich-rechtlichen Erstattung BSG Urteil vom 29.5.1991 - 9a RV 10/90 - Juris RdNr 9 = USK 9183; Böttiger in LPK-SGB X, 3. Aufl 2011, Vor §§ 102-114, RdNr 17; Kater in Kasseler Komm, Stand Oktober 2014, § 104 SGB X RdNr 36; ähnlich BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 6 KA 59/98 R - zum abschließenden Charakter öffentlich-rechtlicher ärztlicher Gebührenordnungen). Die Begründung im Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Sozialgesetzbuchs (SGB) - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - zum Entwurf der späteren §§ 102 ff SGB X(BT-Drucks 9/95 S 24, vor §§ 108 ff des Entwurfs) spricht in diesem Sinne von einer "geschlossene(n) Lösung".

27

Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch kommt - soweit hier von Interesse - lediglich bei Fehlern im gesetzlichen Auftragsverhältnis zwischen Sozialhilfeträger und KK nach § 264 SGB V in Betracht, etwa bei unwirksamer Auftragserteilung oder Überzahlung. Der Kläger hat solches bisher nicht geltend gemacht.

28

3. Der erkennende Senat kann auch nicht darüber entscheiden, ob der Kläger wegen des Bestehens einer Versicherung der beiden Söhne der Berechtigten R. als nachrangig verpflichteter Leistungsträger gegen die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger Anspruch auf Erstattung der Leistungen hat, die er für die beiden Söhne der Berechtigten R. von 2006 bis Ende 2009 erbrachte. Entsprechend den oben dargelegten Anforderungen (vgl II. 2. a, b) fehlt es schon an Feststellungen dazu, dass die beiden Söhne der Berechtigten R. in dieser Zeit oder einem Teilbereich hiervon bei der Beklagten versichert waren. Ein Erstattungsanspruch kommt wegen fruchtlosem Ablauf der Ausschlussfrist (§ 111 S 1 SGB X; vgl oben, II. 2. c) lediglich hinsichtlich der Leistungen des Klägers für den Zeitraum vom 2.2. bis 31.12.2009 in Betracht. Denn das Schreiben vom 19.1.2010 wirkte nicht fristwahrend. Es führte in identifizierbarer Form lediglich die Berechtigte R. als Leistungsempfängerin auf, nicht aber ihre beiden Söhne. Den oben genannten Anforderungen genügte erst das Schreiben vom 29.1.2010. Soweit danach die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs erfüllt sind, wird das LSG auch Feststellungen zur Höhe des Erstattungsumfangs entsprechend den oben dargelegten Anforderungen (vgl II. 2. d) zu treffen haben.

29

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemißt sich, soweit in den Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird. Der Punktwert beträgt 5,82873 Cent. Bei der Bemessung von Gebühren sind sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 abzurunden und Bruchteile von 0,5 und mehr aufzurunden.

(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein; dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.

(3) Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,8fache des Gebührensatzes tritt.

(4) Gebühren für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses sowie für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis 1,3fachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,15fache des Gebührensatzes tritt.

(5) Bei wahlärztlichen Leistungen, die weder von dem Wahlarzt noch von dessen vor Abschluß des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden, tritt an die Stelle des Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 das 2,3fache des Gebührensatzes und an die Stelle des Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 das 1,8fache des Gebührensatzes.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern, werden Leistungen zur Krankenbehandlung entsprechend dem Dritten Kapitel Fünften Abschnitt Ersten Titel des Fünften Buches erbracht. Die Regelungen zur Krankenbehandlung nach § 264 des Fünften Buches gehen den Leistungen der Hilfe bei Krankheit nach Satz 1 vor.

(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, sofern der Krankenkasse Ersatz der vollen Aufwendungen für den Einzelfall sowie eines angemessenen Teils ihrer Verwaltungskosten gewährleistet wird. Die Krankenkasse ist zur Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes verpflichtet, wenn sie durch die Landesregierung oder die von der Landesregierung beauftragte oberste Landesbehörde dazu aufgefordert wird und mit ihr eine entsprechende Vereinbarung mindestens auf Ebene der Landkreise oder kreisfreien Städte geschlossen wird. Die Vereinbarung über die Übernahme der Krankenbehandlung nach Satz 1 für den in Satz 2 genannten Personenkreis hat insbesondere Regelungen zur Erbringung der Leistungen sowie zum Ersatz der Aufwendungen und Verwaltungskosten nach Satz 1 zu enthalten; die Ausgabe einer elektronischen Gesundheitskarte kann vereinbart werden. Wird von der Landesregierung oder der von ihr beauftragten obersten Landesbehörde eine Rahmenvereinbarung auf Landesebene zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis gefordert, sind die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung verpflichtet. Zudem vereinbart der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den auf Bundesebene bestehenden Spitzenorganisationen der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zuständigen Behörden Rahmenempfehlungen zur Übernahme der Krankenbehandlung für den in Satz 2 genannten Personenkreis. Die Rahmenempfehlungen nach Satz 5, die von den zuständigen Behörden nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und den Krankenkassen nach den Sätzen 1 bis 3 sowie von den Vertragspartnern auf Landesebene nach Satz 4 übernommen werden sollen, regeln insbesondere die Umsetzung der leistungsrechtlichen Regelungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes, die Abrechnung und die Abrechnungsprüfung der Leistungen sowie den Ersatz der Aufwendungen und der Verwaltungskosten der Krankenkassen nach Satz 1.

(2) Die Krankenbehandlung von Empfängern von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches, nach dem Teil 2 des Neunten Buches, von Empfängern laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes und von Empfängern von Krankenhilfeleistungen nach dem Achten Buch, die nicht versichert sind, wird von der Krankenkasse übernommen. Satz 1 gilt nicht für Empfänger, die voraussichtlich nicht mindestens einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, für Personen, die ausschließlich Leistungen nach § 11 Abs. 5 Satz 3 und § 33 des Zwölften Buches beziehen sowie für die in § 24 des Zwölften Buches genannten Personen.

(3) Die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger haben unverzüglich eine Krankenkasse im Bereich des für die Hilfe zuständigen Trägers der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu wählen, die ihre Krankenbehandlung übernimmt. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, wird das Wahlrecht vom Haushaltsvorstand für sich und für die Familienangehörigen ausgeübt, die bei Versicherungspflicht des Haushaltsvorstands nach § 10 versichert wären. Wird das Wahlrecht nach den Sätzen 1 und 2 nicht ausgeübt, gelten § 28i des Vierten Buches und § 175 Abs. 3 Satz 2 entsprechend.

(4) Für die in Absatz 2 Satz 1 genannten Empfänger gelten § 11 Abs. 1 sowie die §§ 61 und 62 entsprechend. Sie erhalten eine elektronische Gesundheitskarte nach § 291. Als Versichertenstatus nach § 291a Absatz 2 Nummer 7 gilt für Empfänger bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Mitglied", für Empfänger nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Statusbezeichnung "Rentner". Empfänger, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in häuslicher Gemeinschaft leben und nicht Haushaltsvorstand sind, erhalten die Statusbezeichnung "Familienversicherte".

(5) Wenn Empfänger nicht mehr bedürftig im Sinne des Zwölften Buches oder des Achten Buches sind, meldet der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe diese bei der jeweiligen Krankenkasse ab. Bei der Abmeldung hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe die elektronische Gesundheitskarte vom Empfänger einzuziehen und an die Krankenkasse zu übermitteln. Aufwendungen, die der Krankenkasse nach Abmeldung durch eine missbräuchliche Verwendung der Karte entstehen, hat der Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe zu erstatten. Satz 3 gilt nicht in den Fällen, in denen die Krankenkasse auf Grund gesetzlicher Vorschriften oder vertraglicher Vereinbarungen verpflichtet ist, ihre Leistungspflicht vor der Inanspruchnahme der Leistung zu prüfen.

(6) Bei der Bemessung der Vergütungen nach § 85 oder § 87a ist die vertragsärztliche Versorgung der Empfänger zu berücksichtigen. Werden die Gesamtvergütungen nach § 85 nach Kopfpauschalen berechnet, gelten die Empfänger als Mitglieder. Leben mehrere Empfänger in häuslicher Gemeinschaft, gilt abweichend von Satz 2 nur der Haushaltsvorstand nach Absatz 3 als Mitglied; die vertragsärztliche Versorgung der Familienangehörigen, die nach § 10 versichert wären, wird durch die für den Haushaltsvorstand zu zahlende Kopfpauschale vergütet.

(7) Die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den Absätzen 2 bis 6 entstehen, werden ihnen von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe vierteljährlich erstattet. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis nach Absatz 2 werden bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Wenn Anhaltspunkte für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung oder -gewährung vorliegen, kann der zuständige Träger der Sozialhilfe oder der öffentlichen Jugendhilfe von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.

3

Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.

4

Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.

5

Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.

6

Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.

7

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 ) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.

10

Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).

11

1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.

12

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.

13

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).

14

a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1 und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.

15

Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.

16

b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.

17

aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.

18

Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1 ; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9).

19

Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.

20

Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.

21

Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.

22

bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.

23

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).

24

Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.

25

Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.

26

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).

27

(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ().

28

(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.

29

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.

30

Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).

31

(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen () und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht () (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).

32

(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.

33

(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.

34

(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.

35

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).

36

Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.

37

Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.

38

(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.

39

Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30). Das ist hier der Fall.

40

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).

41

Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).

42

Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.

43

(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.

44

Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.

45

(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

46

Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.

47

3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.

48

Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

49

Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.

Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemißt sich, soweit in den Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird. Der Punktwert beträgt 5,82873 Cent. Bei der Bemessung von Gebühren sind sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 abzurunden und Bruchteile von 0,5 und mehr aufzurunden.

(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein; dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.

(3) Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,8fache des Gebührensatzes tritt.

(4) Gebühren für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses sowie für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis 1,3fachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,15fache des Gebührensatzes tritt.

(5) Bei wahlärztlichen Leistungen, die weder von dem Wahlarzt noch von dessen vor Abschluß des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden, tritt an die Stelle des Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 das 2,3fache des Gebührensatzes und an die Stelle des Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 das 1,8fache des Gebührensatzes.

Zuständig für die Sozialleistungen sind die in den §§ 18 bis 29 genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit ergibt sich aus den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs.

(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.

(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 40, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 41 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme §§ 44 und 45, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, §§ 46 und 47 entsprechende Anwendung.

(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Erstattung der Kosten, die er für die Unterbringung eines geistig und körperlich schwerstbehinderten Kindes in einer Pflegefamilie aufgewandt hat.

2

Der Vater des im Januar 1998 geborenen Mädchens wurde nicht festgestellt. Es lebte zunächst gemeinsam mit seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen. Im September 1998 willigte seine Mutter in die Unterbringung ihrer Tochter in Vollzeitpflege ein. Nach zwischenzeitlichen Aufenthalten in einer sonderpädagogischen Pflegefamilie und in einem privaten Säuglingsheim fand das Kind am 25. August 2002 Aufnahme in einer im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaften Pflegefamilie.

3

Die Kindesmutter war im Zeitraum von Januar 1998 bis zum 7. November 1999 im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen, im Zeitraum vom 8. November 1999 bis zum 25. November 2005 im E.kreis, hiernach im Landkreis Ludwigsburg und im Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gemeldet. Im Mai 2006 wurde ihr die elterliche Sorge für ihre Tochter entzogen und für diese Vormundschaft angeordnet; zugleich wurden die Pflegeeltern zum Vormund bestellt.

4

Rückwirkend zum 1. September 2002 gewährte der E.kreis der seinerzeit noch sorgeberechtigten Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege für ihre Tochter. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 übernahm der Kläger die Sachbearbeitung des Hilfefalles von dem E.kreis, der diesem im August 2004 ein Kostenerstattungsanerkenntnis erteilt hatte. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2004 gewährte der Kläger der Kindesmutter Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege. Im April 2005 forderte der E.kreis den Kläger auf, für das Kind Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und als nachrangig verpflichteter Leistungsträger Kostenerstattung bei dem Träger der Sozialhilfe zu beantragen, bei dem das Mädchen vor Aufnahme in die Pflegefamilie ihren Aufenthalt gehabt habe. Der im Mai 2005 von dem E.kreis als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger angeschriebene Beigeladene sah seine Zuständigkeit als nicht gegeben an, da die geleistete Hilfe nicht dem Zweck der Eingliederungshilfe diene.

5

Nach der Ummeldung der Mutter in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten trat dieser einem Kostenerstattungsersuchen des Klägers entgegen. Seine ablehnende Haltung begründete er mit dem Vorrang der von dem Kind nach dortiger Rechtsauffassung zu beanspruchenden Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch sowie mit der Verletzung des so genannten "Interessenwahrungsgrundsatzes". Das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht stellte in einer von dem Kläger eingeholten Stellungnahme fest, dass der örtliche Sozialhilfeträger vorrangig leistungspflichtig und in Höhe der aufgewandten Kosten der Erziehung erstattungspflichtig sei. Ein Ersuchen des Klägers um Übernahme des Hilfefalles und Erstattung der geleisteten Jugendhilfeaufwendungen lehnte der Beigeladene unter anderem mit der Begründung ab, Hilfen zur Erziehung seien im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht vorgesehen.

6

Daraufhin stellte der Kläger dem Beklagten die seit dem 23. Juli 2006 aufgewandten Jugendhilfeleistungen in Rechnung. Nachdem dieser das Kostenerstattungsersuchen unter Beharrung auf seinem Rechtsstandpunkt zurückgewiesen hatte, hat der Kläger Klage mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verurteilen, ihm, dem Kläger, die in dem Hilfefall in dem Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 51 417,01 € zu erstatten. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Auf dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in dem Hilfefall in der Zeit vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 aufgewandten Jugendhilfekosten in Höhe von 17 455,68 € zu erstatten, und die Klage, soweit sich diese auf die in dem vorstehenden Zeitraum nicht den Lebensunterhalt des Kindes betreffenden Kosten und auf die gesamten in dem Zeitraum vom 10. Juni 2009 bis zum 19. März 2010 aufgewandten Kosten der Hilfe zur Erziehung erstrecke, abgewiesen. Bezogen auf den Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 seien die Voraussetzungen des § 89a Abs. 1 und 3 SGB VIII dem Grunde nach erfüllt. Der Höhe nach könne der Kläger nur die Erstattung der für den Lebensunterhalt des Kindes aufgewandten Kosten in Höhe von 17 455,68 € beanspruchen. Einem Anspruch auf Erstattung auch der übrigen Kosten widerstreite der Interessenwahrungsgrundsatz. Die Zurechnung der Verletzung der Interessen des Beklagten scheitere nicht daran, dass der erstangegangene E.kreis seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX festgestellt habe. Die Norm sei nicht anwendbar, da Jugendhilfeträger im Rahmen der Erbringung von Leistungen der Hilfe zur Erziehung keine Rehabilitationsträger seien. Der Kläger habe den Interessenwahrungsgrundsatz verletzt, da er es obliegenheitswidrig unterlassen habe, die Erstattung der aufgewandten Kosten oder die Feststellung des Anspruchs des Kindes auf Eingliederungshilfe gegenüber dem Beigeladenen gerichtlich einzufordern. Überwiegendes spreche dafür, dass jedenfalls eine auf Kostenerstattung gerichtete Klage erfolgreich gewesen wäre. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege sei im Verhältnis zu einer konkurrierenden Pflicht des Beigeladenen zur Leistung von Eingliederungshilfe nachrangig. Das Kind habe einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien sei dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe ohne Weiteres zuzuordnen.

7

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Der geltend gemachte Anspruch sei in vollem Umfang aus § 89a SGB VIII begründet. Die Hilfe zur Erziehung sei rechtmäßig gewährt worden. Seine örtliche Zuständigkeit gehe auf die auf § 14 SGB IX gründende Feststellung der örtlichen Zuständigkeit durch den erstangegangenen E.kreis zurück. In dieser Zuständigkeit sei er gefangen gewesen, ohne die Möglichkeit zu besitzen, den Hilfefall abzugeben oder die Feststellung der vorrangigen Zuständigkeit zu betreiben. Dessen ungeachtet sei der Interessenwahrungsgrundsatz nicht verletzt. Der Kläger sei berechtigt gewesen, sich gegen eine Abgabe des Falles an den Beigeladenen zu entscheiden, um das Wohl des untergebrachten Kindes sicherzustellen und um nicht mit einer Überführung in die in Bezug auf das Kindeswohl nicht ausreichend geregelte sachliche Zuständigkeit des Trägers der Sozialhilfe das Scheitern des Hilfefalles zu riskieren. Fehl gehe auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dem Beklagten sei die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen zuzumuten. Einem solchen Anspruch wohne nicht der Zweck inne, die Zuständigkeit des Inanspruchgenommenen auf Dauer festzuschreiben. Eine Auslegung, der zufolge dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe über den Umweg des Gebotes der Interessenwahrung zugemutet werde, die Verantwortung für einen Hilfefall aus der Hand zu geben, verletze § 89f SGB VIII. Dessen ungeachtet hätte die gerichtliche Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Beigeladenen erst nach Inkrafttreten des § 54 Abs. 3 SGB XII am 5. August 2009 realistische Aussicht auf Erfolg gehabt, da der Träger der Sozialhilfe zuvor hätte geltend machen können, die Hilfe nicht als Eingliederungshilfe in einer Pflegefamilie fortzuführen. Soweit der Beklagte dazu verpflichtet worden sei, die Kosten des Pflegeverhältnisses, die auf den notwendigen Unterhalt des Kindes entfallen seien, zu erstatten, habe das Oberverwaltungsgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass mit dem gewährten "Mehrbedarf" auch Kosten gedeckt würden, die aufgrund der Behinderung des Kindes hinsichtlich seiner materiellen Bedarfe entstünden. Ausgehend von einem Mehrbedarf von 17 v.H. des Regelsatzes wäre der Beigeladene berechtigt, seine Erstattungspflicht in Höhe eines Betrages von 2 967,46 € zu verweigern. Jedenfalls dieser Betrag sei daher ergänzend ihm, dem Kläger, zuzusprechen.

8

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 26. Juni 1990 ) - SGB VIII - i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 (BGBl I S. 3546) bzw. vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134) dem Kläger keinen Anspruch auf Kostenerstattung über die ihm rechtskräftig zugesprochenen 17 455,68 € hinaus vermittelt.

10

Zutreffend ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfülle (1.), einer Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger weitere 22 537,05 € zu erstatten, indes entgegenstehe, dass dieser es unterlassen habe, die kostenerstattungsrechtlichen Interessen des Beklagten wahrzunehmen, (2.). Ebenso wenig kann der Kläger die Erstattung eines Mehrbedarfs in Höhe von weiteren 2 967,46 € beanspruchen (3.).

11

1. Gemäß § 89a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre. Ändert sich während der Gewährung der Leistung nach § 89a Abs. 1 SGB VIII der für die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII maßgebliche gewöhnliche Aufenthalt, so wird gemäß § 89a Abs. 3 SGB VIII der örtliche Träger kostenerstattungspflichtig, der ohne Anwendung des § 86 Abs. 6 SGB VIII örtlich zuständig geworden wäre.

12

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass im maßgeblichen Zeitraum vom 23. Juli 2006 bis zum 9. Juni 2009 der Kläger aufgrund seiner Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII Leistungen nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB VIII (vgl. hierzu Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 25.11 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen = juris Rn. 15 und 19) erbracht hat und der Beklagte ohne die örtliche Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 6 SGB VIII i.d.F. der Bekanntmachungen vom 8. Dezember 1998 bzw. vom 14. Dezember 2006 gemäß § 86 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewesen wäre.

13

Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch auf Erstattung von weiteren 22 537,05 €, steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar läuft dem Erstattungsanspruch nicht § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) zuwider (a). Ihm widerstreitet hingegen der aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgende kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (b).

14

a) Gemäß § 89f Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Das Gebot der Gesetzeskonformität der aufgewendeten Kosten zielt darauf ab, zum einen sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gezogenen Grenzen überschreitet, und zum anderen den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (Urteil vom 29. Juni 2006 - BVerwG 5 C 24.05 - BVerwGE 126, 201 = Buchholz 436.511 § 89f SGB VIII Nr. 1, jeweils Rn. 16; ferner Urteile vom 8. Juli 2004 - BVerwG 5 C 63.03 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 2 S. 1 und vom 12. August 2004 - BVerwG 5 C 51.03 - NVwZ-RR 2005, 119 <120>). Eine entsprechende Grenzüberschreitung steht hier nicht im Raum.

15

Dass der Kläger im Zuge der Gewährung der Hilfe zur Erziehung ihm durch das Achte Buch Sozialgesetzbuch gesetzte Grenzen überschritten und hierdurch die Interessen des Beklagten verletzt hätte, wird auch von diesem nicht geltend gemacht. Gegenstand der Einwendung ist vielmehr, dass es der Kläger obliegenheitswidrig unterlassen habe, zunächst den Beigeladenen als zuständigen Träger der Sozialhilfe gerichtlich auf Erstattung der streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen.

16

b) Der Kläger kann die Erstattung des in Rede stehenden Betrags deshalb nicht verlangen, weil er dem kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz zuwidergehandelt hat.

17

aa) Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben folgt die Pflicht des kostenerstattungsberechtigten Sozialleistungsträgers, die Interessen des erstattungspflichtigen Trägers von Sozialleistungen zu wahren.

18

Der Grundsatz von Treu und Glauben gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz auch im Verwaltungsrecht. Er wird aus § 242 BGB abgeleitet, der über seinen Wortlaut hinaus das allgemeine Gebot der Beachtung von Treu und Glauben im rechtlichen Verkehr als allgemeinen Maßstab enthält, unter dem das gesamte private und öffentliche Recht steht. Der genannte Grundsatz bedarf wegen seiner Allgemeinheit der Konkretisierung. Diese erfolgt durch Typisierung anhand von Fallgruppen (vgl. Urteile vom 11. Oktober 2012 - BVerwG 5 C 22.11 - NJW 2013, 629 Rn. 25 und vom 23. November 1993 - BVerwG 1 C 21.92 - BVerwGE 94, 294 <298> = Buchholz 451.64 BBankG Nr. 3 S. 1 ; Beschluss vom 30. April 2008 - BVerwG 6 B 16.08 - juris Rn. 7). Der Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt die Ausübung von Rechten. Ein außerhalb seiner Grenzen liegender Anspruch ist keine Ausübung eines "Rechts", sondern Überschreitung desselben. Deshalb kann der aus § 242 BGB folgende Rechtsgrundsatz materiellen Ansprüchen entgegengehalten werden. Anspruchsvernichtende Wirkung kann ihm insbesondere zukommen, wenn der Anspruchsteller in seine Rechtsposition unter Verletzung eigener Rechtspflichten gelangt ist (vgl. Urteil vom 18. Dezember 1973 - BVerwG 1 C 34.72 - Buchholz 451.52 § 19 MuFG Nr. 2 S. 9).

19

Im Zusammenhang mit Erstattungsansprüchen von Sozialleistungsträgern untereinander ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben der in der Rechtsprechung des Senats anerkannte kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz (vgl. Urteile vom 8. Juli 2004 a.a.O. S. 4, vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16 und vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 5 C 7.05 - Buchholz 436.511 § 89d KJHG/SGB VIII Nr. 3 Rn. 22). Danach hat der zur Kostenerstattung berechtigte Sozialleistungsträger bei der Leistungsgewährung die rechtlich gebotene Sorgfalt anzuwenden, zu deren Einhaltung er in eigenen Angelegenheiten gehalten ist (vgl. Urteil vom 29. Juni 2006 a.a.O. Rn. 16). Der Erstattungsberechtigte muss nicht nur darauf hinwirken, dass der erstattungsfähige Aufwand gering ausfällt (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2006 a.a.O. Rn. 22), sondern gegebenenfalls auch, dass der Anspruch gegenüber dem Erstattungspflichtigen nicht entsteht. Zur Erreichung dieser Ziele hat er alle nach Lage des Einzelfalles möglichen und zumutbaren Vorkehrungen und Maßnahmen zu treffen. Dies schließt auch ein darauf hinzuwirken, dass ein vorrangig zuständiger anderer Sozialleistungsträger den Anspruch des Hilfebedürftigen erfüllt. Insoweit kann auch die Beschreitung des Rechtsweges zur gerichtlichen Klärung der Zuständigkeit des anderen Trägers geboten sein, sofern dies nicht im Einzelfall aussichtslos erscheint.

20

Der kostenerstattungsrechtliche Interessenwahrungsgrundsatz kann einem Erstattungsanspruch hingegen nicht entgegengehalten werden, wenn offenkundig ist, dass es dem erstattungspflichtigen Sozialleistungsträger in gleicher Weise wie dem erstattungsberechtigten Träger möglich wäre, einen vorrangig verpflichteten Träger der Sozialleistung mit Aussicht auf Erfolg in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, dem erstattungsverpflichteten Träger den Schutz des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes zukommen zu lassen. "Offenkundigkeit" ist anzunehmen, wenn aus Sicht des nachrangig erstattungspflichtigen Sozialleistungsträgers kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an dem Erfolg eines entsprechenden Erstattungsbegehrens bestehen kann.

21

Verletzt der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz, steht dies einem Erstattungsanspruch entgegen.

22

bb) Aufgrund des kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatzes ist ein erstattungsberechtigter Träger der Jugendhilfe gehalten, statt den nach § 89a Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger einen vorrangig erstattungspflichtigen Träger der Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies folgt aus der Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt.

23

Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII gehen die Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch den Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vor. Von diesem Grundsatz normiert § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme für Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind. Diese Leistungen gehen den Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch vor. § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII findet Anwendung, wenn sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 8). Das Vorrang-Nachrang-Verhältnis des § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII wie auch des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht nach dem Schwerpunkt der Leistung, sondern allein nach der Art der mit einer Jugendhilfeleistung konkurrierenden Sozialleistung abzugrenzen. Der Leistungsvorrang des Sozialhilfeträgers gegenüber dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist daher auf die Eingliederungshilfe für körperlich oder geistig behinderte junge Menschen beschränkt (Urteile vom 23. September 1999 - BVerwG 5 C 26.98 - BVerwGE 109, 325 <329> = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 2 und vom 22. Oktober 2009 - BVerwG 5 C 19.08 - BVerwGE 135, 159 = Buchholz 436.511 § 10 KJHG/SGB VIII Nr. 4 S. 1, jeweils Rn. 32 f.).

24

Mit § 10 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII hat der Gesetzgeber das Rangverhältnis zwischen Leistungen der Jugendhilfe und solchen der Sozialhilfe und speziell der Eingliederungshilfe mit Wirkung für das Erstattungsrechtsverhältnis geregelt (Urteile vom 23. September 1999 a.a.O. S. 330 bzw. S. 4 und vom 2. März 2006 a.a.O.). Dass beide Vorschriften nur das Verhältnis zwischen Jugendhilfeträger und Sozialhilfeträger, nicht hingegen auch das Verhältnis zweier Jugendhilfeträger betrifft, widerstreitet der Annahme einer Ausstrahlungswirkung auf den Interessenwahrungsgrundsatz nicht, da diesem gerade die Frage eines Vorrangs der Erstattung im Verhältnis zwischen dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger und dem Sozialhilfeträger zugrunde liegt.

25

Danach obliegt es dem erstattungsberechtigten Träger der öffentlichen Jugendhilfe in den von § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII erfassten Fallgestaltungen regelmäßig, die Interessen des erstattungsverpflichteten Jugendhilfeträgers wahrzunehmen und sein Erstattungsbegehren vorrangig gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verfolgen.

26

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen gebot es die eigenübliche Sorgfalt, zunächst den Beigeladenen aus § 104 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - SGB X - vom 18. August 1980 (BGBl I S. 1469, 2218), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl I S. 1983), auf Erstattung der ihm in dem Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten in Anspruch zu nehmen (<1>). Dem Beklagten war eine Berufung auf den Interessenwahrungsgrundsatz im Verhältnis zum Kläger auch nicht mit Blick auf die Offenkundigkeit der Erfolgsaussichten eines eigenen Erstattungsanspruchs gegen den Beigeladenen versagt (<2>).

27

(1) Der Beigeladene ist dem Kläger aus § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X verpflichtet, die diesem im Hilfefall entstandenen streitgegenständlichen Kosten zu erstatten. Einem entsprechenden Erstattungsanspruch steht nicht § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) - SGB IX - vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046) i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) entgegen (). Die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt (). Dadurch, dass es der Kläger unterlassen hat, zunächst den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, hat er die eigenübliche Sorgfalt verletzt ().

28

(a) Der Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X wird nicht durch § 14 SGB IX ausgeschlossen. Dieser zielt auf eine schnelle und dauerhafte Klärung der Zuständigkeit im Leistungsverhältnis zwischen den betroffenen behinderten Menschen und den Rehabilitationsträgern.

29

Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Ergibt die Prüfung, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX unverzüglich fest.

30

Es mag auf sich beruhen, ob das ursprünglich an den E.kreis herangetragene Begehren des Kindes als Rehabilitationsbegehren zu werten gewesen wäre und welche Folgewirkungen mit Blick auf den Gesichtspunkt der Hilfekontinuität hieran zu knüpfen gewesen wären. Denn die Regelungen des § 14 SGB IX lassen sich nicht ohne Weiteres auf das Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander übertragen. Der Ausgleich unter den Rehabilitationsträgern erfolgt vielmehr in erster Linie - die den Erstattungsanspruch des zweitangegangen Trägers regelnde Sondervorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 1 SGB IX ist hier nicht einschlägig - nach Maßgabe der §§ 102 ff. SGB X (BSG, Urteile vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267 und vom 28. November 2007 - B 11a AL 29/06 R - FEVS 59, 492 <494>). Ebenso wenig ändert die gesetzliche Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX etwas an dem Nachrang der Zuständigkeit des Jugendhilfeträgers im Sinne des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII (OVG Münster, Urteil vom 1. April 2011 - 12 A 153/10 - JAmt 2011, 539 ).

31

(b) Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X setzt voraus, dass nebeneinander Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger bestehen () und die Verpflichtung eines der Leistungsträger der Leistungspflicht des anderen aus Gründen der System- oder Einzelanspruchssubsidiarität nachgeht () (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7, jeweils Rn. 26 m.w.N.; BSG, Urteile vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 13/84 - SozR 1300 § 105 Nr. 1 S. 1 und vom 25. Januar 1994 - 7 RAr 42/93 - BSGE 74, 36 <38> m.w.N.).

32

(aa) Hinsichtlich der allein noch streitgegenständlichen Kosten der Pflege und Erziehung des Kindes waren sowohl der Kläger (<<1>>) als auch der Beigeladene (<<2>>) dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet.

33

(<1>) Die Pflegeeltern konnten gemäß § 27 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII von dem Kläger Hilfe zur Erziehung für die Vollzeitpflege des Kindes beanspruchen. Dies wird von den Beteiligten nicht in Abrede gestellt. Auf der Grundlage der nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und den Senat daher bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie erforderlich war.

34

(<2>) Der Beigeladene war aus § 53 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 54 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) (Art. 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022) - SGB XII - i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX i.d.F. des Gesetzes vom 23. April 2004 (BGBl I S. 606) verpflichtet, dem Kind für den streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewähren.

35

Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zählt neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX einzelne Leistungen der Eingliederungshilfe in nicht abschließender Form auf. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB IX werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht erbracht werden oder in einem der Leistungsgesetze eines zuständigen Rehabilitationsträgers als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausdrücklich normiert sind. Auch auf der Grundlage der hier noch anwendbaren Fassung des § 54 SGB XII kann die Vollzeitpflege in Gestalt der Unterbringung in einer Pflegefamilie eine Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Dem steht nicht entgegen, dass erst mit dem am 5. August 2009 in Kraft getretenen und hier noch nicht anwendbaren § 54 Abs. 3 SGB XII i.d.F. des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl I S. 2495) die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ausdrücklich als eine Leistung der Eingliederungshilfe normiert wird. Bereits vor diesem Zeitpunkt konnte die Vollzeitpflege als solche, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, eine Eingliederungshilfe darstellen (vgl. Urteil vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9).

36

Eine Einstufung der Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie als Eingliederungshilfe liegt insbesondere nahe, wenn schwere körperliche und geistige Behinderungen eines Kindes dessen Unterbringung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle erforderlich machen. In diesen Fällen sind wegen der Schwere der körperlichen und/oder geistigen Behinderungen neben den ohnehin aufgrund der Unterbringung außerhalb der eigenen Familie erforderlichen erzieherischen und pädagogischen Leistungen gerade auch in erheblichem Umfang therapeutische Leistungen zu erbringen, die in der Gesamtschau eine Qualifikation der Hilfe als Teilhabeleistungen und damit als Leistungen, die auch der Eingliederungshilfe unterfallen, rechtfertigen.

37

Gemessen an diesen Grundsätzen ist auch die im streitgegenständlichen Leistungszeitraum gewährte Vollzeitpflege als Leistung der Eingliederungshilfe einzustufen. Aufgrund seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderungen war das Kind wesentlich in seiner Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt. Die Gewährung der Teilhabeleistung der Familienpflege hätte erwarten lassen, dass nach den Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderungen, die Aussicht bestand, deren Folgen zu mildern und ihm so die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Auf der Grundlage der auch insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Mädchens in der erfahrenen Pflegefamilie die geeignete und notwendige Maßnahme der Eingliederungshilfe war. Eine angemessene Teilhabe am Leben der Gemeinschaft war ihm nur bei einer seinen Lebensvollzug umfassend begleitenden Betreuung möglich. Die zur Bewältigung seiner behinderungsbedingt massiv eingeschränkten zwischenmenschlichen Kontakte und sozialen Beziehungen erforderliche Hilfe wurde ihm im Rahmen der Unterbringung in der Pflegefamilie zuteil.

38

(bb) § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII begründet einen Leistungsvorrang des Beigeladenen als Träger der Sozialhilfe gegenüber dem Kläger als Träger der öffentlichen Jugendhilfe, sofern die zu beanspruchenden Leistungen der Jugendhilfe und der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind.

39

Die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege und die Eingliederungshilfe sind, soweit es die streitgegenständlichen familienpflegebezogenen Leistungen betrifft, nach ihrem Zweck und dem betreffenden Leistungszeitraum gleichartig. Gleichartigkeit liegt vor, wenn die Gewährung der Sozialleistung durch den erstleistenden Träger zugleich eine Verpflichtung des in Anspruch genommenen zweiten Trägers erfüllt hat (Urteil vom 14. Oktober 1998 - BVerwG 5 C 2.98 - BVerwGE 107, 269 <271> = Buchholz 436.7 § 25 BVG Nr. 5 S. 1; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 1/4 RJ 57/84 - BSGE 57, 218 <219>). Einer "Einheit des Leistungsgrundes" bedarf es nicht (BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 - 4a RJ 1/86 - SozR 1300 § 104 Nr. 12 S. 30). Das ist hier der Fall.

40

Mit dem Oberverwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass Unterbringung und Betreuung des Kindes in der Pflegestelle in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf die Deckung des gesamten, sich aus den multiplen Behinderungen des Kindes ergebenden Bedarfs gerichtet waren. Dadurch, dass die Pflegefamilie nicht nur den erzieherischen Bedarf gedeckt hat, sondern auch auf die geistigen und körperlichen Behinderungen eingegangen ist, ist der Beigeladene im Umfang der Bedarfsdeckung von seiner Leistungspflicht freigeworden (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 17. Mai 2010 - 4 LB 22/09 - JAmt 2010, 385 <387>).

41

Dass Empfänger der Jugendhilfeleistung die Pflegeeltern waren, während die Eingliederungshilfe dem Kind zu gewähren gewesen wäre, steht mit Blick auf das Ziel des Kongruenzerfordernisses, zweckidentische Doppelleistungen zu vermeiden, der Annahme einer Gleichartigkeit der Leistungen nicht entgegen (stRspr, zuletzt Urteil vom 9. Februar 2012 - BVerwG 5 C 3.11 - BVerwGE 142, 18 = Buchholz 436.511 § 10 SGB VIII Nr. 7 Rn. 36 m.w.N.).

42

Der Gleichartigkeit der Leistungen widerstreitet schließlich nicht, dass im streitgegenständlichen Leistungszeitraum - anders als im Bereich der Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege - nicht nur die Art, sondern auch der Umfang der eingliederungshilferechtlichen Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie nicht normiert waren. Eine entsprechende Regelungslücke stellte sich als planwidrig dar. Dem Regelungszweck der Eingliederungshilfe entspricht es, die Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Regelung des § 39 SGB VIII, hier i.d.F. des Gesetzes vom 8. September 2005 (BGBl I S. 2729) bzw. der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl I S. 3134), zu schließen. Ein solcher Analogieschluss ist mit Blick auf den Zweck der Hilfegewährung und die Interessenlage angezeigt. § 39 SGB VIII trifft eine Regelung unter anderem für die Kosten der Pflege und Erziehung. Insoweit besteht eine hinreichende Vergleichbarkeit mit den betreffenden sozialhilferechtlichen Leistungen. Der entsprechenden Anwendung dieser Regelung auf die sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe widerstreitet nicht, dass es sich bei Jugendhilfe und Sozialhilfe um zwei sozialrechtliche Hilfesysteme mit unterschiedlichen Aufgaben und Rechtsfolgen handelt. Denn diesen Strukturunterschieden kommt bei der Betreuung behinderter Kinder im Rahmen der Familienpflege keine entscheidende Bedeutung zu.

43

(c) Der Kläger hat dadurch, dass er es unterlassen hat, den Beigeladenen auf Erstattung der betreffenden Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, den kostenerstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz verletzt. Er hat das Erstattungsbegehren nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt. In Anbetracht des Umstandes, dass ihm die Betreibung eines entsprechenden Klageverfahrens nicht zuletzt auf der Grundlage des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - (BVerwGE 125, 95 = Buchholz 436.511 § 41 KJHG/SGB VIII Nr. 2, jeweils Rn. 9) und des Ergebnisses der von ihm eingeholten Stellungnahme des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht zumindest nicht als aussichtslos erscheinen durfte, war es ihm nicht nur möglich, sondern auch zuzumuten, den Rechtsweg mit dem Ziel zu beschreiten, die Kostenverantwortung des Beigeladenen als vorrangig verpflichtetem Sozialleistungsträger zu realisieren.

44

Die Obliegenheit, im Sinne des Interessenwahrungsgrundsatzes vorrangige Ansprüche und Leistungen gerichtlich geltend zu machen, wird im streitgegenständlichen Einzelfall auch nicht durch das Gebot überlagert, die Kontinuität der geleisteten Hilfe zur Erziehung zu gewährleisten. Der Kläger war nicht berechtigt, der Sicherstellung des Kindeswohls im Rahmen der Hilfegewährung Vorrang gegenüber der Wahrung der Interessen des Beklagten einzuräumen, da eine Verurteilung des Beigeladenen zur Erstattung der angefallenen Kosten der Pflege und Erziehung unmittelbar weder die Kontinuität der Hilfeleistung noch den Fortbestand der Steuerungsverantwortung des Klägers berührt hätte.

45

(2) Der Beklagte war auch nicht gehindert, sich im Verhältnis zum Kläger auf den Interessenwahrungsgrundsatz zu berufen. Es ist nicht offenkundig, dass es dem Beklagten in gleicher Weise wie dem Kläger möglich war, den Beigeladenen mit Aussicht auf Erfolg zur Erstattung heranzuziehen. Im Betracht kommt hier allein ein Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X.

46

Der Annahme einer entsprechenden Offenkundigkeit widerstreitet, dass § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X voraussetzt, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass nach § 89a Abs. 1 SGB VIII auch ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten besteht, die rechtmäßig zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs eines weiteren Jugendhilfeträgers aufgewendet worden sind (Urteil vom 5. April 2007 - BVerwG 5 C 25.05 - BVerwGE 128, 301 = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 3, jeweils Rn. 12 ff.); ob diese Rechtsprechung auf die Erbringung von Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu übertragen ist, ist indes höchstrichterlich nicht entschieden und war im streitgegenständlichen Leistungszeitraum jedenfalls nicht offenkundig.

47

3. Ebenfalls ohne Erfolg nimmt der Kläger den Beklagten auf Erstattung eines zusätzlichen Mehrbedarfs im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, geändert durch Gesetze vom 2. Dezember 2006 (BGBl I S. 2670) und vom 20. April 2007 (BGBl I S. 554), in Höhe von 2 967,46 € in Anspruch.

48

Nach dieser Vorschrift wird für Personen, die die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII noch nicht erreicht haben und voll erwerbsgemindert nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch sind und durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 4 SGB IX zuständigen Behörde oder einen Ausweis nach § 69 Abs. 5 SGB IX die Feststellung des Merkzeichens G nachweisen, ein Mehrbedarf von 17 v.H. des maßgebenden Regelsatzes anerkannt, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht.

49

Der Anerkennung eines entsprechenden Mehrbedarfs im vorliegenden Hilfefall steht entgegen, dass "erwerbsgeminderte Personen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nur solche Personen sind, die überhaupt rechtlich in der Lage wären, eine Erwerbstätigkeit auszuüben (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr. 3 Rn. 20). Hierzu zählen noch der Schulpflicht unterliegende Kinder, so auch das hier betroffene Mädchen, nicht.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemißt sich, soweit in den Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird. Der Punktwert beträgt 5,82873 Cent. Bei der Bemessung von Gebühren sind sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 abzurunden und Bruchteile von 0,5 und mehr aufzurunden.

(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein; dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.

(3) Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,8fache des Gebührensatzes tritt.

(4) Gebühren für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses sowie für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis 1,3fachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,15fache des Gebührensatzes tritt.

(5) Bei wahlärztlichen Leistungen, die weder von dem Wahlarzt noch von dessen vor Abschluß des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden, tritt an die Stelle des Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 das 2,3fache des Gebührensatzes und an die Stelle des Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 das 1,8fache des Gebührensatzes.

13
b) Indes hat sich der Verordnungsgeber nicht auf die vorstehend beschriebene Regelung beschränkt, sondern - unter einer weitergehenden Reduzierung des Ermessensspielraums - in § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ bestimmt, dass "in der Regel" eine Gebühr nur "zwischen" dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden darf. In der Begründung heißt es hierzu , die Ausübung des Ermessens bei Anwendung der Spannenregelung vom Ein- bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes werde dadurch eingeschränkt, dass "bei mittlerer Schwierigkeit und durchschnittlichem Zeitaufwand" eine Gebühr innerhalb der Spanne vom 1- bis 2,3fachen des Gebührensatzes zu bemessen sei (Regelspanne). Die Überschreitung des 2,3fachen des Gebührensatzes sei nur zulässig, wenn Besonderheiten der in § 5 Abs. 2 Satz 1 GOÄ genannten Kriterien sich im Einzelfall von üblicherweise vorliegenden Umständen unterschieden und ihnen nicht bereits in der Leistungsbeschreibung des Gebührenverzeichnisses Rechnung getragen worden sei (BR-Drucks. 295/82 S. 14; ähnlich BR-Drucks. 276/87 S. 69 f zu § 5 GOZ).

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemißt sich, soweit in den Absätzen 3 bis 5 nichts anderes bestimmt ist, nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird. Der Punktwert beträgt 5,82873 Cent. Bei der Bemessung von Gebühren sind sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 abzurunden und Bruchteile von 0,5 und mehr aufzurunden.

(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein; dies gilt nicht für die in Absatz 3 genannten Leistungen. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. In der Regel darf eine Gebühr nur zwischen dem Einfachen und dem 2,3fachen des Gebührensatzes bemessen werden; ein Überschreiten des 2,3fachen des Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.

(3) Gebühren für die in den Abschnitten A, E und O des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,8fache des Gebührensatzes tritt.

(4) Gebühren für die Leistung nach Nummer 437 des Gebührenverzeichnisses sowie für die in Abschnitt M des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen bemessen sich nach dem Einfachen bis 1,3fachen des Gebührensatzes. Absatz 2 Satz 4 gilt mit der Maßgabe, daß an die Stelle des 2,3fachen des Gebührensatzes das 1,15fache des Gebührensatzes tritt.

(5) Bei wahlärztlichen Leistungen, die weder von dem Wahlarzt noch von dessen vor Abschluß des Wahlarztvertrages dem Patienten benannten ständigen ärztlichen Vertreter persönlich erbracht werden, tritt an die Stelle des Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 1 Satz 1 das 2,3fache des Gebührensatzes und an die Stelle des Zweieinhalbfachen des Gebührensatzes nach § 5 Abs. 3 Satz 1 das 1,8fache des Gebührensatzes.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

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(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.