Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 03. Juli 2018 - 1 K 1463/17.MZ

ECLI:ECLI:DE:VGMAINZ:2018:0703.1K1463.17.00
bei uns veröffentlicht am03.07.2018

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 2017 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 19.465,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten sowie Ziffer 2 des Tenors vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Erstattung von im Rahmen der Jugendhilfe aufgewendeten Kosten für einen unbegleiteten minderjährigen Ausländer.

2

Der am ... September 1996 geborene somalische Staatsangehörige M. I. A. reiste am 4. Oktober 2013 unbegleitet in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er kam am 5. Oktober 2013 in der Landesaufnahmestelle des Saarlandes an. Das Jugendamt des Beklagten nahm den Jugendlichen vom 7. Oktober 2013 bis einschließlich 2. Februar 2014 in Obhut. Mit Bescheid vom 4. Februar 2014 wurde dem Jugendlichen rückwirkend ab dem 3. Februar 2014 eine Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII gewährt. Mit Bescheid vom 29. September 2014 gewährte das Jugendamt des Klägers dem Betroffenen rückwirkend ab dem 18. September 2014 eine Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII. Die Hilfe wurde zum 31. März 2015 beendet, nachdem sich der junge Volljährige am 6. März 2015 ins Kirchenasyl begeben hatte, da sein Asylantrag bereits am 21. August 2014 abgelehnt und sein Aufenthaltstitel bis zum 12. März 2015 begrenzt worden war.

3

Bereits mit Bescheid vom 14. Februar 2014, Eingang bei dem Beklagten am 18. Februar 2014, hatte das Bundesverwaltungsamt das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung des Beklagten als überörtlichen Träger der Jugendhilfe bestimmt. Unter dem 6. Juli 2015 (Ab-Vermerk: 6. Juli 2015) machte der Kläger seinen Kostenerstattungsanspruch gemäß § 89d SGB VIII dem Grunde nach geltend.

4

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2016 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass der Kostenerstattungsantrag vom 6. Juli 2015 bei ihm eingegangen sei. Die Inobhutnahme sei ab dem 3. Februar 2014 in eine Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27 f. SGB VIII umgewandelt worden. Gemäß § 111 SGB X sei der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht worden sei, geltend mache. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2015 (Az.: 5 C 9/15) sei die Inobhutnahme im Sinne des § 42 SGB VIII eine (eigenständige) Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X. Da der Kostenerstattungsantrag des Klägers drei Monate nach dem Ende der Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27 f. SGB VIII bei dem Beklagten eingereicht worden sei, könne die Kostenerstattung gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII ab dem 3. Februar 2014 bis zum 31. März 2015 für die vom Kläger angegebene Jugendhilfemaßnahme erfolgen. Für die Zeit der Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII vom 7. Oktober 2013 bis 2. Februar 2014 könne dem Kostenerstattungsantrag aufgrund des vorgenannten Urteils nicht stattgegeben werden. Mit Schreiben vom 15. Mai 2017 erkannte der Beklagte seine Kostenerstattungspflicht gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII für die Zeit ab 3. Februar 2014 bis längstens zum 18. Oktober 2014 bzw. bis zum Wegfall der Voraussetzungen für die Hilfegewährung oder der Kostenerstattungspflicht an.

5

Mit Schreiben vom 16. Mai 2017, Zugang am 18. Mai 2017, teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die eingereichte Kostenrechnung vom 14. Oktober 2015 und 12. Mai 2017 für die Zeit vom 7. Oktober 2013 bis 31. März 2015 erhalten und geprüft worden seien. Die darin enthaltenen Beträge, die den Zeitraum vom 7. Oktober 2013 bis zum 2. Februar 2014 beträfen, könnten allerdings nicht übernommen werden. Dies folge daraus, dass ausschließlich eine Kostenerstattung ab dem 3. Februar 2014 bewilligt worden sei. Darüber hinaus könnten Kosten, die über das 18. Lebensjahr des Betroffenen hinausgingen, nur bis zum 18. Oktober 2014 erstattet werden, da vom Kläger keine Aufenthaltsgenehmigung für den kompletten Zeitraum vorgelegt worden sei. Alle nach diesem Datum aufgewandten Kosten des Klägers seien deshalb nicht erstattungsfähig und seien entsprechend gekürzt worden. Insgesamt ergebe sich ein Rechnungsbetrag in Höhe von 36.655,84 €. Dem Schreiben war eine Rechtsbehelfsbelehrung mit dem Hinweis auf die mögliche Erhebung eines Widerspruchs beigefügt.

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In der Folgezeit fand hierzu am 16. und 18. Mai 2017 ein E-Mail-Wechsel zwischen Kläger und Beklagtem statt. Darin reichte der Kläger u.a. Unterlagen (Krankenbehandlungsscheine) nach und erkundigte sich nach dem voraussichtlichen Umfang der Kürzung des Rechnungsbetrags durch den Beklagten.

7

Mit E-Mail vom 27. Oktober 2017 und entsprechendem Schreiben vom 22. November 2017 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass für den Betroffenen eine Duldung bis zum 12. März 2015 vorgelegen habe. Dies ergebe sich aus dem angehängten Auszug aus dem Ausländerzentralregister. Es werde daher um nachträgliche Anweisung des gekürzten Betrages für den Zeitraum 19. Oktober 2014 bis 31. März 2015 gebeten. Der Betroffene sei im Rahmen des betreuten Wohnens untergebracht gewesen. Da er sich am 6. März 2015 bereits ins Kirchenasyl begeben habe und dies nicht absehbar gewesen sei, habe der Kläger aufgrund von vertraglichen Pflichten die Miete noch bis Ende des Monats März zahlen müssen. Ebenso sei die Pflegeversicherung immer monatlich fällig gewesen. Da es sich im vorliegenden Fall um eine Kostenerstattung zwischen zwei Behörden handele und somit kein Verwaltungsakt vorliege, bestehe hier auch nicht die Notwendigkeit eines Widerspruchs. Für die Kostenerstattung gälten vielmehr die gesetzlichen Verjährungsfristen.

8

Der Kläger hat am 21. Dezember 2017 Klage erhoben. Er trägt vor, dass im Hinblick auf den Zeitraum vom 7. Oktober 2013 bis 2. Februar 2014 die Verweigerung der Kostenerstattung bezüglich eines Betrages von 19.524,19 € unter Berufung auf die Ausschlussfrist nach § 111 SGB X zu Unrecht erfolgt sei. Die Kostenerstattungsregelung richte sich nach Spezialvorschriften des SGB VIII und gerade nicht nach den §§ 104 ff. SGB X. Jedenfalls müsse nach Sinn und Zweck der Verzicht auf die Einrede der Verjährung auch für die Ausschlussfrist des § 111 SGB X angewandt werden. Denn es habe gerade bundesweit Einvernehmen darüber bestanden, dass innerhalb des Jahres 2015 bei den aufnehmenden und leistenden Jugendämtern ein immenser Arbeitsaufwand entstanden sei und daher trotz gerade erst neu eingeführter Fristen für die sog. Altfälle, zu denen auch dieser gehöre, eine längere Bearbeitungszeit unumgänglich gewesen sei. Daher sei das Schreiben des Beklagten vom 4. November 2016 für Abrechnungsfälle aus dem Jahr 2015 selbstverständlich auch hier anzuwenden.

9

Nachgewiesen worden seien zudem Kosten für den Zeitraum der Kostenzusage vom 3. Februar 2014 bis zum 18. Oktober 2014 in Höhe von 39.016,89 €. Erstattet worden seien lediglich 36.655,84 €. Der Differenzbetrag von 2.163,05 € sei ebenfalls zu erstatten.

10

In Bezug auf den Zeitraum ab dem 19. Oktober 2014 und den darauf entfallenden Betrag von 17.104,40 € sei ebenfalls die Kürzung zu Unrecht vorgenommen worden. Sofern der Beklagte sich dahingehend auf das Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels berufe, sei dies nunmehr hinreichend aufgeklärt und der Vorgang an den Beklagten lückenlos übersendet worden. Der gesamte geltend gemachte Erstattungszeitraum sei damit abgedeckt.

11

Der Kläger beantragt,

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1. den Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 2017 aufzuheben;

13

2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag von 38.989,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

16

Eine Klageerwiderung erfolgte zunächst nicht. Mit Schreiben vom 19. Juli 2018 trägt der Beklagte unter anderem vor, dass die Kosten für den Zeitraum ab dem 18. Oktober 2014 nach Vorlage des Auszugs aus dem Ausländerzentralregister übernommen werden könnten. Allerdings seien in den Zeiträumen ab dem 3. Februar 2014 auch Krankenhilfekosten enthalten, die offensichtlich auf der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) basierten. Diese seien einmal gekürzt und einmal übernommen worden. Die Kürzung sei deshalb erfolgt, da die Kosten nach dem 18. Oktober 2014 angefallen seien.

17

Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Klägers verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat teilweise Erfolg, da sie hinsichtlich beider Klageanträge zulässig, allerdings nur teilweise begründet ist.

19

Hinsichtlich des von dem Beklagten erlassenen Bescheids vom 16. Mai 2017 (Klageantrag zu 1.), der die Zahlung des streitgegenständlichen Betrages ablehnt, ist die Anfechtungsklage statthaft. Dies gilt auch, soweit es – wie hier – um die Aufhebung eines rein formellen Verwaltungsakts geht (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 4 R 71/06 R –, BeckRS 2006, 44566, Rn. 16; BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 6 B 5/92 –, NVwZ-RR 1993, 251 [252]; siehe ferner BayVGH, Urteil vom 2. August 2016 – 22 B 16.619 –, BeckRS 2016, 50120, Rn. 35, 41 ff.; a. A. VG Wiesbaden, Urteil vom 5. März 2007 – 7 E 1536/06 –, NVwZ-RR 2007, 613: Feststellungsklage). Obwohl der Beklagte sich äußerlich der Form des Verwaltungsaktes bedient hat, wie sich unter anderem aus der angehängten Rechtsbehelfsbelehrung ergibt, waren die materiellen Voraussetzungen des § 31 SGB X nicht gegeben (sog. formeller Verwaltungsakt). Hier besteht „trotz des äußeren Scheins in Wahrheit kein Verwaltungsakt“ (BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 6 B 5/92 –, NVwZ-RR 1993, 251 [252]; tendenziell anders noch BVerwG, Beschluss vom 9. November 1984 – 7 C 5/84 –, juris, LS 1: „anfechtbarer Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG“). Konsequenterweise spricht auch das Bundesverwaltungsgericht in dem vorgenannten Beschluss vom 18. Januar 1993 nur von der Aufhebung eines „offensichtlich rechtswidrigen Aktes“ (Hervorhebung d. d. Kammer).

20

Es fehlte hier bereits an dem Merkmal einer hoheitlichen Maßnahme, da sich Kläger und Beklagter auf Gleichordnungsebene gegenüberstehen und damit kein für die Annahme einer hoheitlichen Maßnahme erforderliches Über-/Unterordnungsverhältnis besteht (vgl. BSG, Urteil vom 14. Oktober 1970 – 10 RV 483/68 –, juris, Rn. 19; BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32). Eine hoheitliche Maßnahme und eine damit zusammenhängende Verwaltungsaktbefugnis kann zwischen Hoheitsträgern nur ausnahmsweise durch den Gesetzgeber begründet werden (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 1993 – 14a RKa 6/92 –, NJW-RR 1994, 788 [790] m.w.N.). Dies ist hier allerdings nicht anzunehmen, weil das Bestehen oder die Höhe eines Erstattungsanspruchs bereits kraft Gesetzes feststeht und – über die Bestimmung des zuständigen Kostenträgers gemäß § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. hinaus – keiner gesonderten Festsetzung durch Verwaltungsakt mehr bedarf (vgl. zu den §§ 102 ff. SGB X: Weber, in: BeckOK Sozialrecht, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 102 SGB X, Rn. 43).

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Dass der Kläger gegen den Bescheid vom 16. Mai 2017 keinen Widerspruch erhoben hat und damit die Voraussetzungen der §§ 68 ff. VwGO nicht vorliegen, ist unerheblich. Ein rein formeller Verwaltungsakt kann nicht in Bestandskraft erwachsen und ist ungeachtet der für die Anfechtungsklage in Bezug auf materielle Verwaltungsakte geltenden Fristen anfechtbar (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 4 R 71/06 R –, BeckRS 2006, 44566, Rn. 20; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35, Rn. 17 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 6 B 5/92 –, NVwZ-RR 1993, 251 [252]). Denn die an die Handlungsform Verwaltungsakt geknüpften Rechtsfolgen richten sich – anders als für die statthafte Klageart – nach dem Inhalt der Maßnahme, nicht alleine nach ihrer Form (BSG, Urteil vom 5. September 2006 – B 4 R 71/06 R –, BeckRS 2006, 44566, Rn. 20; VG Wiesbaden, Urteil vom 5. März 2007 – 7 E 1536/06 –, NVwZ-RR 2007, 613; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 35, Rn. 17).

22

Dem Kläger kommt auch insgesamt ein Rechtschutzinteresse an der Aufhebung zu. Obwohl der Bescheid vom 16. Mai 2017 – abgesehen von seiner Form – hinsichtlich der Ablehnung der Kostenerstattung für den Zeitraum vom 7. Oktober 2013 bis zum 2. Februar 2014 keinen der tatsächlichen Rechtslage entgegenstehenden Rechtsschein begründet, war er insgesamt aufzuheben. Eine nur teilweise Aufhebung würde dahingehend dem Rechtsverkehr eine zumindest teilweise Bestandskraft vorspiegeln, die wiederum – wie oben dargelegt – nicht der Sachlage entspräche.

23

Die Anfechtungsklage ist auch insgesamt begründet, da dem Beklagten bereits aufgrund des zwischen ihm und dem Kläger bestehenden Gleichordnungsverhältnisses – wie oben dargelegt – keine Verwaltungsaktbefugnis zukommt. Der eine Erstattung ablehnende Bescheid ist schon aufgrund der fehlenden Verwaltungsaktbefugnis (zumindest) rechtswidrig und aus Gründen der Rechtsklarheit auch im Tenor aufzuheben (vgl. für einen nicht ordnungsgemäß bekanntgegebenen Verwaltungsakt: OVG RP, Urteil vom 25. Juni 1986 – 8 A 92/85 –, NVwZ 1987, 899).

24

Die Klage ist im Übrigen als Leistungsklage zulässig, da der begehrten Erstattung – wie oben dargelegt – kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X vorausgehen muss (so ausdrücklich BayLSG, Urteil vom 20. Dezember 2016 – L 8 SO 128/14 –, juris, Rn. 32). Auch liegen die Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung vor.

25

Die Klage ist hinsichtlich der allgemeinen Leistungsklage teilweise begründet, da der Kläger einen Anspruch auf die mit seinem Klageantrag zu 2. begehrte Leistung in Höhe von 19.465,45 € hat. Im Übrigen, also bezüglich der Kosten für die Inobhutnahme vom 7. Oktober 2013 bis zum 2. Februar 2014 in Höhe von 19.524,19 €, besteht kein Erstattungsanspruch, sodass die Klage insoweit unbegründet ist.

26

Der Kläger hat einen Anspruch gemäß §§ 89d Abs. 1, Abs. 3 (a. F.), 89f Abs. 1 SGB VIII auf Erstattung der Kosten der Hilfegewährung im Zeitraum vom 3. Februar bis zum 17. September 2014 gemäß § 34 SGB VIII sowie im Zeitraum vom 18. September 2014 bis zum 31. März 2015 gemäß §§ 34, 41 SGB VIII. Nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger aufgewendet hat, vom erstattungspflichtigen Land zu erstatten, wenn an einen jungen Menschen oder einen Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt wird und sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet. Gemäß § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII – in der bis 30. Juni 2017 geltenden Fassung (vgl. BGBl. I 2015, 1802) – wurde, sofern (wie hier) die Person im Ausland geboren ist, das erstattungspflichtige Land auf der Grundlage eines Belastungsvergleichs vom Bundesverwaltungsamt bestimmt.

27

Vorliegend findet § 89d Abs. 3 SGB VIII in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. September 2012 Anwendung. Nach Art. 1 Nr. 9 des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (VerbaKJUVBG) vom 28. Oktober 2015 (BGBl. I 2015, 1802) wurde § 89d Abs. 3 SGB VIII aufgehoben, wobei Art. 5 Abs. 1 VerbaKJUVBG bestimmt, dass Art. 1 Nr. 9 VerbaKJUVBG zum 1. Juli 2017 in Kraft tritt. Weder die Vorschriften des VerbaKJUVBG noch des SGB VIII enthalten insoweit eine Übergangsreglung, etwa dergestalt, dass laufende Verwaltungsverfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen sind. Da der Gesetzgeber keine Übergangsregelung erlassen hat, sind in Ermangelung derartiger Vorschriften die Regeln des intertemporalen Rechts anzuwenden.

28

Danach wird der unmittelbar nur die Anwendbarkeit des neuen Rechts betreffende Grundsatz der Sofortwirkung und Nicht-Rückwirkung durch den Grundsatz „tempus regit actum“ ergänzt, nachdem die Beurteilung eines Sachverhalts sich grundsätzlich, insbesondere auch für in der Vergangenheit liegende oder eingetretene Tatsachen nach dem Recht richtet, das im entsprechenden Zeitpunkt in Geltung war (EuGH, Urteil vom 21. September 2017 – C-88/15 –, juris, Rn. 38; BFH, Urteil vom 8. November 2006 – X R 45/02 –, juris, Rn. 22; OVG RP, Urteil vom 11 März 1997 – 6 A 10700/96.OVG –, juris, Rn. 29 ff.). Außer Kraft getretene Rechtsnormen bleiben danach anwendbar auf Sachverhalte, die während ihrer Geltung verwirklicht worden sind. Demgemäß finden auf das vorliegende Verfahren die bisherigen Vorschriften des SGB VIII Anwendung.

29

Hinsichtlich des Umfangs des Anspruchs gilt die Bagatellgrenze des § 89f Abs. 2 SGB VIII von 1.000 € ausdrücklich im Rahmen von § 89d SGB VIII nicht. Der Umfang der Kostenerstattung ergibt sich demnach vornehmlich aus § 89f Abs. 1 SGB VIII. Unmittelbare ergänzende Anwendung finden darüber hinaus grundsätzlich die §§ 108 Abs. 1 und 109 sowie 111 bis 113 SGB X (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 1), soweit das SGB VIII keine speziellere Regelung beinhaltet.

30

Der Anspruch ist mit Schreiben vom 6. Juli 2015 auch rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 Satz 1 SGB VIII, also vor dem 1. August 2016, geltend gemacht worden. Es besteht auch kein Ausschluss gemäß § 89d Abs. 4 SGB VIII. Die geltend gemachten Kosten sind im Zeitraum vom 7. Oktober 2013 bis 31. März 2015 und damit vor dem 1. November 2015 entstanden (vgl. § 42d Abs. 4 und 5 SGB VIII).

31

Die konkrete Ausschlussfrist des § 42d Abs. 4 SGB VIII tritt indessenzusätzlich neben § 37 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 111 SGB X (vgl. BMFSJ, JAmt 2016, 302), ohne diese Regelung zu verdrängen (vgl. zur generellen Anwendbarkeit des § 111 SGB X im Rahmen des § 89d SGB VIII: BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 – 5 C 14/09 –, NVwZ-RR 2011, 67, Rn. 13 f.). Dabei hat § 42d Abs. 4 SGB VIII eine andere Zielrichtung als § 111 SGB X. Insoweit bezweckt letztere Vorschrift zum einen, dass der erstattungspflichtige Träger innerhalb kurzer Zeit nach der Leistungserbringung darüber Kenntnis erlangt, welche Ansprüche auf ihn zukommen können und er ggf. entsprechende Rückstellungen bilden kann, zum anderen dient sie der raschen Abwicklung des Erstattungsverfahrens (vgl. BSG, Urteil vom 28. November 1990 – 5 RJ 50/89 –, juris, Rn. 23). Dagegen zielt § 42d Abs. 4 SGB VIII darauf ab, die Geltendmachung von Erstattungsansprüche aus dem „Altverfahren“ nach § 89d Abs. 3 SGB VIII a. F. durch Setzung einer einheitlichen Frist „neun Monate nach Einführung des Verteilungsverfahrens durch Inkrafttreten des Gesetzes“ auszuschließen (BT-Drs. 18/5921, S. 28). Die Regelung verfolgt also den (einmaligen) primären Zweck, einen klaren Übergang zwischen den Neu- und Altverfahren zu schaffen, während § 111 SGB X (durchgehend) vornehmlich der Beschleunigung und zeitnahen Abwicklung des Erstattungsverfahrens dient.

32

Hier ist der Erstattungsanspruch des Klägers hinsichtlich der Kosten für die Inobhutnahme des jungen Menschen vom 7. Oktober 2013 bis einschließlich 2. Februar 2014 in Höhe von 19.524,19 € gemäß § 37 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 111 SGB X ausgeschlossen, da der Anspruch vom Kläger insoweit nicht fristgerecht bei dem Beklagten geltend gemacht worden ist. Im Übrigen wurde die Frist zur Geltendmachung gewahrt.

33

Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige (Gesamt-)Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2017 – 5 C 8/16 –, juris, Rn. 12; Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 14 m.w.N.). Dabei stellt die Inobhutnahme eine eigen- bzw. selbstständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X dar, sodass die Ausschlussfrist für die Inobhutnahme eigenständig zu prüfen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 10 ff.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistungen können – auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf – die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (soausdrücklich für eine Inobhutnahme – § 42 SGB VIII – mit daran unmittelbar anschließender Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung – § 34 SGB VIII –: BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 13). Die Inobhutnahme endete hier gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 2 SGB VIII spätestens durch die formale „Entscheidung“ über die zum 3. Februar 2014 rückwirkende Hilfegewährung gemäß § 34 SGB VIII mit Bescheid vom 4. Februar 2014 (insoweit auf die tatsächliche Hilfegewährung abstellend: Kepert, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 42, Rn. 104; Trenczek, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 7. Auflage 2013, § 42, Rn. 51).

34

Hier hat der Kläger seinen Erstattungsanspruch erst mit Schreiben vom 5. Juli 2015 und damit nicht innerhalb der vorgenannten Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X gegenüber dem Beklagten geltend gemacht. Sie beginnt mit Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde. Der Kläger hat durch Bescheid vom 4. Februar 2014 die Inobhutnahme (mittelbar) einem bestimmten Zeitraum zugeordnet (7. Oktober 2013 bis 2. Februar 2014), sodass der Ablauf des letzten Tages dieses Zeitraums für den Fristbeginn maßgebend ist (vgl. auch Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 99. EL Mai 2018, § 111 SGB X, Rn. 38; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 111, Rn. 6). Daraus folgt, dass die Frist mit Ablauf des 2. Februar 2015 endete (vgl. § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Ein anderes Ergebnis würde sich auch nicht aus einer Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X ergeben, sodass dies an dieser Stelle offenbleiben kann (ebenso offengelassen BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 20 ff.). Bei der insoweit für den Fristbeginn maßgeblichen Anknüpfung an die Kenntnis der Bestimmung des erstattungspflichtigen Trägers durch das Bundesverwaltungsamt mit Bescheid vom 14. Februar 2014 (Zugang bei dem Kläger am 18. Februar 2014) wäre die Ausschlussfrist hier mit dem oben genannten Schreiben des Klägers vom 5. Juli 2015 ebenfalls nicht gewahrt gewesen.

35

Aus dem vom Kläger angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2016 (– 5 C 35/15 –, NVwZ-RR 2017, 499) ergibt sich insoweit auch nichts abweichendes. Das Bundesverwaltungsgericht führte darin aus, dass die Inobhutnahme in dem von ihm zu entscheidenden Fall wie eine Leistung zu behandeln sei und auch in einen bereits (längere Zeit) vor Beginn der Inobhutnahme begründeten Leistungszusammenhang im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs einzubeziehen sein könne (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 5 C 35/15 –, NVwZ-RR 2017, 499, Rn. 20). Etwas anderes könne in Fallkonstellationen gelten, in denen der Inobhutnahme schon keine Jugendhilfeleistung vorausgegangen sei (BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 5 C 35/15 –, NVwZ-RR 2017, 499, Rn. 20 mit Verweis auf BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12/09 –, NVwZ-RR 2010, 686). So liegt die Sache hier. Im hiesigen Fall ging der Inobhutnahme gerade keine Jugendhilfeleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII voraus. Daraus folgt, dass in diesen Fällen der Übergang von einer Inobhutnahme zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung (hier in Form der Heimerziehung) – auch bei einem an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf – weiterhin nicht mit einem bloßen Wechsel innerhalb des Leistungskatalogs des § 2 Abs. 2 SGB VIII gleichzusetzen ist und daher von vornherein auch nicht gemeinsam mit der Heimerziehung eine einheitliche Leistung bildet (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 – 5 C 9/15 –, NVwZ 2016, 947, Rn. 13; Urteil vom 25. März 2010 – 5 C 12/09 –, NVwZ-RR 2010, 686, Rn. 22 f.). Die Ausführungen des Klägers zur Beendigung eines (einheitlichen) Leistungszusammenhangs verfangen vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht, da für die Inobhutnahme in § 42 Abs. 4 Nr. 2 SGB VIII ein spezieller Beendigungstatbestand normiert ist, der auch den Übergang zu einer Leistung der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII erfasst.

36

Der Anwendung der Ausschlussfrist des § 111 SGB X steht auch nicht der von dem Kläger behauptete „Verzicht“ des Beklagten entgegen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass es sich – anders als bei der Verjährung – um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, die auch seitens des Gerichts von Amts wegen zu berücksichtigen ist (Kater, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 99. EL Mai 2018, § 111 SGB X, Rn. 56). Ein Verzicht käme allgemein nur bei subjektiven (prozessualen) Rechten in Betracht (z. B. Einrede der Verjährung), was aber bei einer Ausschlussfrist nicht der Fall ist. Ein Verzicht auf die Ausschlussfrist des § 111 SGB X scheidet demnach aus (Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 111, Rn. 16; Kater, a.a.O.). Zudem wird auch in dem vom Kläger angeführten Schreiben für den dort erklärten Verzicht ausdrücklich zwischen Verjährung und materiell-rechtlichen Ausschlussfristen (insbesondere § 42d SGB VIII) differenziert. Damit konnte nicht davon ausgegangen werden, dass ein vom Kläger behaupteter Verzicht – sofern er denn zulässig wäre – überhaupt erklärt worden ist.

37

Soweit der Anspruch des Klägers nicht gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen ist, steht ihm auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen, da diese von dem Beklagten jedenfalls nicht wirksam erhoben worden ist. Von Amts wegen wird die Verjährung nicht beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 1989 – 2 RU 30/89 –, juris, Rn. 12; Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 113, Rn. 12).

38

Darüber hinaus sind die fristgerecht geltend gemachten Kosten gemäß § 89f SGB VIII nur erstattungsfähig, soweit die Aufgabenerfüllung den Vorschriften des SGB VIII entspricht (sog. Grundsatz der Gesetzeskonformität; vgl. dazu etwa Loss, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 3). Ziel ist es, damit einerseits sicherzustellen, dass der erstattungsberechtigte Jugendhilfeträger bei der Leistungsgewährung nicht in Erwartung einer Erstattungsleistung die durch das SGB VIII gezogenen Grenzen überschreitet und andererseits den erstattungspflichtigen Jugendhilfeträger davor zu bewahren, Aufwendungen für solche Leistungen zu erstatten, die bei ordnungsgemäßer Leistungsgewährung nach Art oder Umfang so nicht hätten erbracht werden müssen (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 5 C 30/12 –, BeckRS 2013, 55000, Rn. 14 m.w.N.).

39

Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden (vgl. § 89f Abs. 1 Satz 2 SGB VIII; sog. „Vor-Ort-Prinzip“; dazu auch etwa Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 89f, Rn. 22 ff.). Dazu zählen Dienstanweisungen, Richtlinien und Vereinbarungen mit Dritten (Wiesner, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 8; Winkler, in: BeckOK SozR, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 89f SGB VIII, Rn. 8). Ermessensentscheidungen kann der erstattungspflichtige Träger der Jugendhilfe ausschließlich auf deren Rechtmäßigkeit, nicht hingegen auf ihre Zweckmäßigkeit hin überprüfen (Wiesner, a.a.O.; siehe auch Winkler, a.a.O.). Dabei ist die Entscheidung über die individuell erforderlichen Hilfemaßnahmen von dem erstattungsberechtigten Jugendhilfeträger in eigener Verantwortung zu treffen und daher dessen Einschätzung für den erstattungspflichtigen Träger maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 8. Juli 2004 – 5 C 63/03 –, juris, Rn. 17).

40

Hier gewährte der Kläger dem jungen Menschen ab dem 3. Februar 2014 bis zum 17. September 2014 eine Hilfe zur Erziehung gemäß § 34 SGB VIII. Daran schloss sich ab dem 18. September 2014 eine Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 i.V.m. § 34 SGB VIII an. Die Hilfe wurde zum 31. März 2015 beendet, nachdem sich der Hilfeempfänger am 6. März 2015 ins Kirchenasyl begeben hatte. Dass die Voraussetzungen für die vorgenannten Hilfen dem Grunde nach vorlagen, hat der Beklagte weder in Abrede gestellt noch ist Gegenteiliges anderweitig ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger den von dem Beklagten geforderten Nachweis der ausländerrechtlichen Duldung vorgelegt, sodass auch § 6 Abs. 2 SGB VIII einer Leistungserbringung ab dem 18. Oktober 2014 nicht entgegensteht.

41

Der Kläger hat die einzelnen Kostenpositionen auch hinreichend belegt (vgl. Blatt 23 der Gerichtsakte und die Rechnungen in der Verwaltungsakte des Klägers). Es ist insoweit nicht ersichtlich, warum seitens des Beklagten mit Schreiben vom 16. Mai 2017 lediglich ein erstattungsfähiger Betrag in Höhe von 36.655,84 € für den Zeitraum vom 3. Februar bis zum 18. Oktober 2014 angenommen wurde. Den Fehlbetrag von 2.361,05 € hat der Beklagte weder im vorgenannten Schreiben noch im Klageverfahren begründet, sodass von einer zutreffenden Darlegung durch den Kläger auszugehen war.

42

Der Vortrag des Beklagten im Hinblick auf die nach Maßgabe der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) abgerechneten Krankenhilfekosten, ist nicht durchgreifend. So hat der Beklagte dies erst mit Schriftsatz vom 19. Juli 2018 im gerichtlichen Verfahren und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt. Die Erklärung des Beklagten war daher gemäß § 87b Abs. 3 VwGO zurückzuweisen, da eine Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der einzelnen Kostenpositionen in den Rechnungen der behandelnden Ärzte voraussichtlich eine weitere mündliche Verhandlung erfordert hätte. Auf diese Rechtsfolge wurde der Beklagte auch mit der Ladung vom 18. April 2018 unter Fristsetzung für weiteres Vorbringen bis zum 25. Mai 2018 hingewiesen. Zudem geht aus dem Vortrag des Beklagten nicht eindeutig hervor, ob die betreffenden Kostenpositionen nun nach dortiger Auffassung als erstattungsfähig eingestuft werden oder nicht. Insoweit geht die Kammer – basierend auf dem Wortlaut der vorgenannten Erklärung – davon aus, dass der fehlende Aufenthaltstitel das (einzige) Erstattungshindernis war, dieses aber nunmehr weggefallen ist.

43

Im Übrigen ist nach der bisherigen Rechtsprechung der Kammer auch eine privatärztliche Abrechnung – jedenfalls im Rahmen einer Inobhutnahme – zulässig und dementsprechend auch erstattungsfähig (vgl. VG Mainz, Urteil vom 22. Februar 2018 – 1 K 862/17.MZ –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die insoweit dargelegten Erwägungen sind auch dem Grunde nach auf den hiesigen Fall übertragbar. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass die §§ 47 bis 52 SGB XII im Rahmen des § 40 SGB VIII vornehmlich den „Umfang“ der durch die behandelnden Ärzte zu erbringenden Leistungen bestimmen und ansonsten auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Rechtsmaterie der Jugendhilfe anzuwenden sind (vgl. Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Keppert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 40, Rn. 9).

44

Insoweit dürfte davon auszugehen sein, dass dem Kläger auch bei einer Leistung der Jugendhilfe in Form der Heimerziehung gemäß § 34 SGB VIII (ab dem 18. September 2014 in Verbindung mit § 41 SGB VIII) ein Ermessensspielraum dahingehend zukam, ob der Hilfeempfänger in die gesetzliche Krankenversicherung eingesteuert (§ 264 SGB V) oder im Wege der unmittelbaren Abrechnung mit den Ärzten wahlweise auf privat- (GOÄ) oder kassenärztlicher (EBM) Grundlage behandelt wird. Ebenso dürfte vor dem oben dargestellten Hintergrund § 52 Abs. 3 Satz 2 SGB XII im Rahmen der Krankenhilfe nach § 40 SGB VIII für den Jugendhilfeträger keine zwingende Wirkung entfalten, da dort krankenversicherungsrechtliche Begrenzungen der Leistungshöhe gerade nicht gelten sollen (vgl. § 40 Sätze 2 und 3 SGB VIII; Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Keppert/Pattar, Sozialgesetzbuch VIII, 7. Auflage 2018, § 40, Rn. 12).

45

Es ist insoweit nicht ersichtlich, dass durch die „Zwischenschaltung“ einer gesetzlichen Krankenversicherung oder der unmittelbaren Abrechnung nach Maßgabe des EBM mit den Ärzten erheblich geringere Kosten für die konkreten Krankenbehandlungen entstanden wären. Der Beklagte hat auch (nach Schluss der mündlichen Verhandlung) ausschließlich auf die Abrechnungsmethode hingewiesen, nicht aber die Kosten der Höhe nach beanstandet. Ein Verstoß gegen den erstattungsrechtlichen Interessenwahrungsgrundsatz oder das allgemeine Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann damit ebenfalls nicht angenommen werden.

46

Ein Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich für den Kläger in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Wiesner, SGB VIII, 5. Auflage 2015, § 89f, Rn. 12). Dahingehend schließt § 89f Abs. 2 Satz 2 SGB VIII zwar Verzugszinsen, aber keine Prozesszinsen aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34/00 –, NVwZ 2001, 1057 [1058]).

47

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

48

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 VwGO. Dabei erstreckt sich bei rein formellen Verwaltungsakten die Rechtsfolge des § 167 Abs. 2 VwGO nicht auf die Leistungsklage (anders bei der Aufhebung von Verwaltungsakten im materiellen Sinne etwa: BFH, Urteil vom 16. Juli 1980 – VII R 24/77 –, BeckRS 1980, 22005403; HessVGH, Teilurteil vom 5. November 1986 – 1 UE 700/85 –, NVwZ 1987, 517).

Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 3. Juli 2018

49

Der Streitwert wird auf 38.989,64 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgelt

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 291 Prozesszinsen


Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 31 Begriff des Verwaltungsaktes


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemei

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87b


(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit d

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42 Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen


(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn 1. das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder2. eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhut

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 102 Anspruch des vorläufig leistenden Leistungsträgers


(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig. (2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorle

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 41 Hilfe für junge Volljährige


(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform


Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwi

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 2 Aufgaben der Jugendhilfe


(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien. (2) Leistungen der Jugendhilfe sind:1.Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und J

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 264 Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse kann für Arbeits- und Erwerbslose, die nicht gesetzlich gegen Krankheit versichert sind, für andere Hilfeempfänger sowie für die vom Bundesministerium für Gesundheit bezeichneten Personenkreise die Krankenbehandlung übernehmen, s

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 37 Vorbehalt abweichender Regelungen


Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapite

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 26 Fristen und Termine


(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist. (2) Der Lauf einer Frist, die von einer B

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 111 Ausschlussfrist


Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpun

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 19 Gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder


(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dies

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89f Umfang der Kostenerstattung


(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 89d Kostenerstattung bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise


(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn 1. innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und2. sich die örtliche Zuständigke

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 108 Erstattung in Geld, Verzinsung


(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. (2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern 1. für die Dauer des Erstattun

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 52 Leistungserbringung, Vergütung


(1) Die Hilfen nach den §§ 47 bis 51 entsprechen den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Soweit Krankenkassen in ihrer Satzung Umfang und Inhalt der Leistungen bestimmen können, entscheidet der Träger der Sozialhilfe über Umfang und Inha

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 47 Vorbeugende Gesundheitshilfe


Zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten werden die medizinischen Vorsorgeleistungen und Untersuchungen erbracht. Andere Leistungen werden nur erbracht, wenn ohne diese nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein sonstiger Gesundheitsschad

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 40 Krankenhilfe


Wird Hilfe nach den §§ 33 bis 35 oder nach § 35a Absatz 2 Nummer 3 oder 4 gewährt, so ist auch Krankenhilfe zu leisten; für den Umfang der Hilfe gelten die §§ 47 bis 52 des Zwölften Buches entsprechend. Krankenhilfe muss den im Einzelfall notwendigen

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 6 Geltungsbereich


(1) Leistungen nach diesem Buch werden jungen Menschen, Müttern, Vätern und Personensorgeberechtigten von Kindern und Jugendlichen gewährt, die ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben. Für die Erfüllung anderer Aufgaben gilt Satz 1 entsprechen

Sozialgesetzbuch (SGB) - Achtes Buch (VIII) - Kinder- und Jugendhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163) - SGB 8 | § 42d Übergangsregelung


(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen. (2) In diesem Fall reduziert sic

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Verwaltungsgericht Mainz Urteil, 03. Juli 2018 - 1 K 1463/17.MZ zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).

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Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

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a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tenor

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufgehoben.

II.

Die Streitsache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger und eine Frau A. S. schlossen am 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 mit dem Beklagten sowie dem Landkreis Regensburg eine Vereinbarung über Maßnahmen in Zusammenhang mit einer festgestellten Bodenkontamination. Diese Vereinbarung weist, soweit in vorliegendem Zusammenhang von Bedeutung, folgenden Wortlaut auf:

„I.

Vorbemerkungen:

Auf dem Grundstück Fl-Nr. 1559 (alt) Gemarkung N. ist durch Auffüllungen/Ablagerungen mit teerhaltigem Bodenmaterial eine Altlast i. S. d. Bundesbodenschutzgesetzes entstanden, die nach bundesbodenschutzrechtlichen Vorschriften zu sanieren ist.

Diese Sanierung wird vom Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, vorgenommen.

Eigentümer der landwirtschaftlichen Flur Nr. 1559/2 der Gemarkung N. sind Herr J. und Frau A. S. zu gleichen Teilen. …

II. Vereinbarung

1. Der Freistaat Bayern, vertreten durch das Landratsamt Regensburg, beseitigt entsprechend § 4 III BBodSchG die auf Fl. Nr. 1559 (alt) Gemarkung N., heute bestehend aus den Fl. Nr. 1559, 1559/2 und 1559/3, festgestellte Altlast.

Danach versetzt der Freistaat die maßnahmebetroffenen Flächen in einen dem ackerbaulichen Nutzungszustand vor Maßnahmebeginn gleichwertigen - hinsichtlich der Flächengröße annähernd gleichwertigen - Zustand und sorgt zudem nach guter fachlicher Praxis und in Abstimmung mit der unteren Naturschutzbehörde für eine gleichwertige Wiederanpflanzung der Böschung auf den Sanierungsflächen mit ortstypischen, tiefwurzelnden Pflanzen.

Ein Rechtsanspruch auf Wiederherstellung der exakt identischen Flächengrößen besteht nicht.

2. …

3. …

4. …

5. Nach Abschluss der Sanierung wird das Grundstück Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster herausgenommen. Der Abschluss der Sanierung der Altlast gemäß Ziffer II 1 und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Flur Nr. 1559/2 Gemarkung N. aus dem Altlastenkataster werden gegenüber Herrn J. und Frau A. S. durch Verwaltungsakt des Landratsamtes Regensburg bestätigt.

6. Herr J. und Frau A. S. leisten spätestens nach - kumulativ - Vorliegen einer Bestätigung des LRA über den Abschluss der Maßnahmen gemäß Ziffer II 1, Vorliegen der Bestätigung gemäß Ziffer II 5 und Vorliegen der Bestätigung einer Wiederanpflanzung der Böschung im Sinne der Ziffer II 1 durch die UNB, zur Abgeltung ihrer Pflichten aus § 25 BBodSchG gesamtschuldnerisch einen Wertausgleich in Höhe von Euro 7.500,00 an den Freistaat Bayern, Konto …

Dieser Wertausgleich wird spätestens 4 Wochen nach Erhalt der letzten der o. g. 3 Bestätigungen fällig.

…“

Am 4. September 2015 erließ das Landratsamt Regensburg gegenüber dem Kläger einen Bescheid, dessen verfügender Teil in der Nummer I. wie folgt lautet:

„Es wird festgestellt, dass für das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 der Gemarkung P. kein Altlastenverdacht mehr besteht. Das Grundstück wird aus dem Altlastenkataster entlassen.“

Als Rechtsgrundlage für diesen Ausspruch wurde in den Bescheidsgründen § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG genannt. Gemäß § 16 Abs. 1 i. V. m. § 11 BBodSchG, Art. 3 Abs. 2 BayBodSchG und der Nummer 4.1.5 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Bodenschutz- und Altlastenrechts in Bayern (BayBodSchVwV) vom 11. Juli 2000 (AllMBl S. 473) seien nach einer erfolgreichen Sanierung deren Abschluss und die Entlassung aus dem Altlastenverdacht durch Bescheid festzustellen. Eine erfolgreiche Sanierung liege gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG dann vor, wenn dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstünden. Eine Sanierung sei im vorliegenden Fall deshalb erforderlich gewesen, weil der in der Altablagerung enthaltene teerhaltige Altasphalt eine Grundwassergefährdung dargestellt habe. In den im Sanierungsplan festgelegten Sanierungsbereichen sei der größte Teil der Böden und Altasphaltmengen mit einem über 25 mg/kg liegenden PAK-Gehalt entfernt worden. Eine Untersuchung von Feststoffproben habe ergeben, dass nach der in den Monaten von November 2011 bis Juli 2012 durchgeführten Sanierung keine nennenswerten Belastungen mehr vorhanden seien. Anders verhalte es sich nur hinsichtlich der Randprobe RP 3, bei der der Hilfswert 1 von 5 mg/kg (vgl. die Tabelle 1 im Anhang 3 zum Merkblatt Nr. 3.8/1 des ehemaligen Bayerischen Landesamtes für Wasserwirtschaft vom 31.10.2001 - „Untersuchung und Bewertung von Altlasten, schädlichen Bodenveränderungen und Gewässerverunreinigungen - Wirkungspfad Boden-Gewässer“) überschritten sei, sowie der Randprobe RP 6, bei der eine Überschreitung des bei 25 mg/kg liegenden Hilfswerts 2 nach der gleichen Tabelle festgestellt worden sei. Das ursprüngliche Analyseergebnis der letztgenannten Randprobe, das eine PAK-Konzentration von 45 mg/kg gezeitigt habe, sei einer Nachuntersuchung unterzogen worden, bei der sich PAK-Belastungen von 18, 27 und 33 mg/kg ergeben hätten; der sich insoweit ergebende Durchschnittswert von 30 mg/kg liege geringfügig über dem Hilfswert 2. Mit Schreiben vom 10. September 2012 habe das Wasserwirtschaftsamt Regensburg mitgeteilt, das Sanierungsziel sei sowohl hinsichtlich des Wirkungspfads Boden-Grundwasser als auch hinsichtlich des Trinkwassers als erreicht anzusehen. Mit Schreiben vom 20. August 2012 und in einem Telefongespräch vom 10. September 2012 habe das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Amberg bestätigt, dass auch für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanze keine Gefahr vorliege. Da nach Angabe des Gesundheitsamts der Wirkungspfad Boden-Mensch im vorliegenden Fall nicht betroffen sei, bestehe kein Altlastenverdacht mehr. Außerhalb der Sanierungsbereiche 5, 6 und 7 ließen sich zwar vereinzelte über dem Hilfswert 1 liegende PAK-Belastungen nicht ausschließen; nach dem Ergebnis der Vorerkundungen könnten sie jedoch allenfalls kleinräumig auftreten. Eine von gutachterlicher Seite vorgenommene Frachtberechnung habe ergeben, dass in dem nicht ausgehobenen Bereich verbliebene Schadstoffnester keine Gefährdung für das Grundwasser darstellten und sie toleriert werden könnten. Das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 gelte damit nicht nur hinsichtlich der Sanierungsbereiche, sondern in seiner Gesamtheit als saniert und altlastenfrei.

Zur Begründung der von ihm am 2. Oktober 2015 zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg gegen den Bescheid vom 4. September 2015 erhobenen Anfechtungsklage führte der Kläger im Wesentlichen aus, ein einzuholendes Sachverständigengutachten werde ergeben, dass auf dem Grundstück Fl.Nr. 1559/2 erhebliche schädliche Bodenveränderungen verblieben seien. Außerdem sei - was ebenfalls durch eine sachverständige Begutachtung nachgewiesen werden könne - im Rahmen der Wiederverfüllung, insbesondere bei der Aufbringung der obersten Bodenschicht, erneut mit teerhaltigem Asphalt belastetes Material auf dieses Grundstück verbracht worden. Namentlich in dem für den Wirkungspfad Boden-Nutzpflanzen relevanten Bereich der obersten 60 cm seien damit weiterhin schädliche Bodenveränderungen vorhanden; eine ordnungsgemäße landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks sei damit nicht möglich. Die im August bzw. September 2012 erfolgte Beurteilung durch das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sei nicht aussagekräftig, da die Maßnahme in jenem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht berichtigte das Landratsamt den Bescheid vom 4. September 2015 dahingehend, dass das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 in der Gemarkung N. liege.

Durch Urteil vom 30. November 2015 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig ab. Der streitgegenständliche Bescheid verletze den Kläger im Sinn von § 42 Abs. 2 VwGO nicht in subjektiven Rechten, da der Entlassung aus dem Altlastenkataster - wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof imBeschluss vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) ausgesprochen habe - keine konstitutive Wirkung dergestalt zukomme, dass damit das Nichtvorliegen einer Altlast oder eines Altlastenverdachts verbindlich festgestellt würde. Aus der im Jahr 2012 geschlossenen Vereinbarung ergebe sich nichts anderes. Zwar seien die Vertragschließenden, wie in der Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV vorgegeben, wohl davon ausgegangen, dass die Entlassung aus dem Altlastenkataster durch Bescheid zu erfolgen habe; diese Auffassung lasse jedoch die vorerwähnte Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unberücksichtigt. Ob das streitgegenständliche Grundstück vereinbarungsgemäß saniert sei, sei nicht Streitgegenstand.

Mit der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt der Kläger:

1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 30. November 2015 wird aufgehoben.

2. Der Bescheid des Landratsamts Regensburg vom 4. September 2015 wird aufgehoben.

Sollte der Verwaltungsgerichtshof erwägen, die Streitsache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, beantragt der Kläger,

die Aufhebung des Urteils vom 30. November 2015 und die Zurückverweisung an das Verwaltungsgericht Regensburg.

Die Klage sei deshalb zulässig, weil der Kläger Adressat des streitgegenständlichen Bescheids sei, der sich für ihn als belastender Verwaltungsakt darstelle. Die belastende Wirkung ergebe sich aus der Verknüpfung des Bescheids mit dem Vertrag vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010. Der Bescheid sei geeignet, die Zahlungsverpflichtung nach der Nummer II.6 dieses Vertrags mit auszulösen. Da er nach dem Willen des Landratsamts die in der Nummer II.5 des Vertrages vorgesehene Feststellung - nämlich die Bestätigung des Abschlusses der Altlastensanierung und die auflagenfreie Herausnahme des Grundstücks Fl.Nr. 1559/2 aus dem Altlastenkataster - enthalte, würde mit dem Eintritt seiner Bestandskraft ferner bindend feststehen, dass der Freistaat Bayern bzw. der Landkreis Regensburg die vertraglichen Verpflichtungen nach der Nummer II.1 des Vertrages erfüllt hätten.

Ein wesentlicher Unterschied des vorliegenden Falles gegenüber der Sachverhaltsgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde gelegen habe, bestehe u. a. darin, dass durch den in jener Gerichtsentscheidung zu beurteilenden Bescheid die Sanierungsverpflichtung nicht aufgehoben worden sei. Der hier inmitten stehende Bescheid ziele nach dem Willen des Landratsamts jedoch gerade darauf ab, den Freistaat Bayern und den Landkreis Regensburg aus der vertraglich übernommenen Sanierungspflicht zu entlassen.

Materiell rechtswidrig sei der Bescheid deshalb, weil das Landratsamt in einem Schreiben vom 15. November 2011 das festgelegte Sanierungsziel dahingehend umschrieben habe, dass alles Material, das einen höheren PAK-Gehalt als 5 mg/kg aufweise, entfernt werden solle. Dieses mit den Fachbehörden und den vorgesetzten Stellen abgestimmte Ziel sei jedoch nicht ausreichend umgesetzt worden. Am Nordrand des betroffenen Grundstücks seien auf einer Tiefe von 30 m keine Ablagerungen entfernt worden, obwohl sich dort Boden befinde, der die vorerwähnte Belastungsgrenze überschreite. Ebenso verhalte es sich im Südosten dieses Grundstücks. Überdies sei der aufgebrachte Boden erneut belastet. Dies habe die Untersuchung von Bodenproben ergeben, die auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 1559 gewonnen worden seien; dort sei der gleiche Oberboden aufgebracht worden. Im Rahmen dieser Untersuchungen gezogene Mischproben hätten einen PAK-Gehalt von bis zu 436 mg/kg aufgewiesen. Der Kläger regt an, zum Nachweis der Richtigkeit dieser Behauptungen Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch die Einvernahme eines namentlich benannten Mitarbeiters eines für ihn tätig gewordenen geowissenschaftlichen Büros als Zeugen zu erheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch in der hier vorliegenden Konstellation, dass zwischen einer Behörde und einem Grundstückseigentümer ein Vertrag geschlossen worden sei, der den Erlass eines den Wegfall des Altlastenverdachts feststellenden Bescheids vorsehe, komme der förmlichen Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster kein Regelungscharakter zu. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Regelung eines Einzelfalles mit Außenwirkung inmitten stehe, dürfe nicht darauf abgestellt werden, ob an die Entlassung aus dem Altlastenkataster weitere (vertragliche) Folgen geknüpft würden; denn die Rechtsnatur staatlicher Handlungen könne nicht durch vertragliche Vereinbarungen (fremd-)bestimmt werden. Vorliegend seien der Erlass eines Verwaltungsakts und die hieran geknüpfte Zahlungsverpflichtung vertraglich vereinbart worden sei. Es erscheine fragwürdig, wenn der Kläger das vertragsgemäße Vorgehen als solches als Belastung einstufe. Durch die Verneinung einer Klagebefugnis werde er nicht rechtsschutzlos gestellt. Vielmehr hätte er, sollte die Sanierung aus seiner Sicht noch nicht im vereinbarten Umfang abgeschlossen sein, vertragliche Ansprüche geltend machen müssen. Richtiges Mittel hierzu sei die Feststellungsklage, dass der Sanierungserfolg noch nicht eingetreten sei; infolge dessen sei „auch die Entlassung hinfällig“. Sein eigentliches Ziel, eine „bessere“ Sanierung des Grundstücks zu erlangen, könne der Kläger nicht dadurch erreichen, dass er sich gegen die Entlassung aus dem Altlastenkataster als solche wende.

Unabhängig hiervon sei die Klage jedenfalls unbegründet, da es an der nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Rechtsverletzung fehle. Denn weder der vorliegend geschlossene Vertrag noch das Gesetz selbst würden die Bejahung einer erfolgreichen Sanierung von der Beseitigung aller schädlichen Bodenveränderungen abhängig machen. Die Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 nehme auf § 4 Abs. 3 BBodSchG Bezug, in dem u. a. der rechtliche Maßstab für Sanierungsziele festgelegt sei; der Begriff der Sanierung selbst sei in § 2 Abs. 7 BBodSchG gesetzlich definiert. Aus diesen Bestimmungen gehe deutlich hervor, dass das Bundes-Bodenschutzgesetz keine vollständige Freiheit von jeglichen Belastungen anstrebe, zumal dies in der Praxis nicht realisierbar wäre. Nach der Nummer II.1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 sollten die betroffenen Flächen einer dem ackerbaulichen Nutzungszustand gleichwertigen Beschaffenheit zugeführt werden; Sanierungsziele dergestalt, dass bestimmte Belastungsgrenzwerte eingehalten werden müssten, würden darin nicht genannt. Auch aus dem Sanierungsplan ergebe sich nicht, dass auf der gesamten Fläche eine PAK-Belastung von 5 mg/kg nicht überschritten werden dürfe. Er sei vielmehr darauf ausgelegt gewesen, die Belastungsschwerpunkte durch einen Teilaushub zu beseitigen. Die durchgeführten Beprobungen hätten in Verbindung mit der umfangreichen Dokumentation der ergriffenen Maßnahmen ergeben, dass die Sanierung gemäß § 4 Abs. 3 BBodSchG als abgeschlossen zu bezeichnen seien. Die in der Berufungsbegründung erwähnte PAK-Belastung von bis zu 436 mg/kg habe man in einer Mischprobe festgestellt, bei der verschiedene Teerproben vermengt worden seien; dies entspreche nicht den Vorgaben für die Bewertung von Mischproben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Gründe

Über die zulässige Berufung konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich beide Beteiligte hiermit einverstanden erklärt haben.

Dieses Rechtsmittel hat mit der Maßgabe Erfolg, dass in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens von der durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Möglichkeit der Zurückverweisung der Streitsache an die Vorinstanz Gebrauch gemacht wird.

1. Das Verwaltungsgericht hat die Klagebefugnis des Klägers (§ 42 Abs. 2 VwGO) zu Unrecht verneint und dessen Anfechtungsklage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

1.1 Um Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 4. September 2015 hat der Kläger in zutreffender Weise gemäß § 42 Abs. 1 VwGO durch Erhebung einer Anfechtungsklage nachgesucht. Die Feststellung, dass für ein bestimmtes Grundstück kein Altlastenverdacht mehr besteht (Nr. I Satz 1 des angefochtenen Bescheids), hat den Rechtscharakter einer feststellenden Regelung (Art. 35 BayVwVfG). Auf die Statthaftigkeit dieser Klageart bleibt es auch ohne Einfluss, dass der im Satz 2 der Nummer I dieses Bescheids enthaltene behördliche Ausspruch die in Art. 35 Satz 1 BayVwVfG vorgegebenen Begriffsmerkmale eines Verwaltungsakts in doppelter Hinsicht nicht erfüllt.

1.1.1 Es trifft zu, dass die Erklärung des Landratsamts, das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 werde aus dem Altlastenkataster entlassen, keine „Regelung“ im Sinn dieser Bestimmung (d. h. den Ausspruch eines Ge- oder Verbots bzw. die Feststellung, Begründung oder Aufhebung eines Rechts oder rechtserheblicher Eigenschaften einer Sache) beinhaltet und nicht darauf gerichtet ist, eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen hin zu erzeugen. Der Verwaltungsgerichtshof hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

Bei dem bayerischen Altlastenkataster (Art. 3 BayBodSchG) handelt es sich um eine ausschließlich behördeninterne Arbeitshilfe; den darin enthaltenen Eintragungen kommt keine verbindliche Außenwirkung zu (BayVGH, B. v. 28.9.2012 - 22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177 Rn. 14). Denn es dient dazu, einen Überblick über den Stand der Behandlung von Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen in Bayern zu vermitteln und die Kontrolle eines landesweit einheitlichen Vollzugs des Bodenschutz- und Altlastenrechts zu ermöglichen (so die Begründung des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Umsetzung des Gesetzes zum Schutz des Bodens in Bayern, LTDrs. 14/31 S. 12); als „wichtiges Instrument für eine effiziente Umweltpolitik“ (LTDrs. 14/31 S. 12) ist es mithin dazu bestimmt, die Staatsregierung und die zuständigen Staatsministerien in die Lage zu versetzen, ihre verfassungsrechtlichen Leitungs- und Vollzugsaufgaben (Art. 43 Abs. 1, Art. 51 Abs. 1, Art. 55 Nr. 2 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern) erfüllen zu können.

Im Einklang mit dieser ausschließlich verwaltungsinternen Zweckbestimmung des bayerischen Altlastenkatasters steht es, dass Eintragungen in dieses Register gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayBodSchG durch unmittelbaren Datentransfer von den nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 BayBodSchG zuständigen Kreisverwaltungsbehörden an das Bayerische Landesamt für Umwelt vorgenommen werden. Dieser Weg der Eintragung in das Altlastenkataster soll nach dem Willen des Gesetzgebers „ausschließlichen“ Charakter tragen (vgl. die Begründung zu § 1 Nr. 1 des Entwurfs der Staatsregierung für ein Gesetz zur Änderung des Bayerischen Bodenschutzgesetzes, LTDrs. 16/4442, durch das Art. 3 Abs. 1 BayBodSchG um den heutigen Satz 2 ergänzt wurde). Für Veränderungen einmal vorgenommener Eintragungen - insbesondere die Herausnahme eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster - kann nichts anderes gelten.

Einen diesem „schlichten Verwaltungshandeln“ (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 11 Rn. 42 hinsichtlich der Art und Weise der Vornahme einer Löschung bzw. Berichtigung von Eintragungen im Altlastenkataster) vorgeschalteten Verwaltungsakt, durch den die Altlasteneigenschaft eines Grundstücks (positiv oder negativ) festgestellt wird, sehen weder das Bundes-Bodenschutzgesetz noch das Bayerische Bodenschutzgesetz vor; angesichts des abschließenden Charakters des im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelten Maßnahmenbündels (BVerwG, U. v. 26.4.2006 - 7 C 15.05 - BVerwGE 126, 1 Rn. 10) hätte dem Landesgesetzgeber für die Schaffung einer Norm, die zum Erlass solcher Verwaltungsakte ermächtigt, überdies die Gesetzgebungskompetenz gefehlt (BVerwG, U. v. 26.4.2006 a. a. O. Rn. 13). Auch die Nummer 4.1.5 BayBodSchVwV geht nur von einer durch Bescheid auszusprechenden „Entlassung aus dem Altlastenverdacht im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG“, nicht aber von der mittels eines Verwaltungsakts zu verfügenden Entlassung eines Grundstücks aus.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt bei alledem nicht, dass die Eintragung eines Grundstücks in das Altlastenkataster mit (u. U. erheblichen) Nachteilen für den Betroffenen einhergehen kann. Denn da die in diesem Register gespeicherten Informationen trotz seines nur behördeninternen Charakters gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG grundsätzlich jedermann zugänglich sind (eingehend dazu Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 35 - 37), kann die Aufnahme eines Grundstücks in dieses Verzeichnis negative Auswirkungen auf die Werthaltigkeit eines Grundstücks und seine Verkäuflichkeit zeitigen (so zu Recht Versteyl in Versteyl/Sondermann, a. a. O. § 11 Rn. 34). Hierbei handelt es sich indes nur um eine mittelbare (faktische) Folge der Eintragung; auf ihre Herbeiführung ist eine solche behördliche Maßnahme nicht im Sinn von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG „unmittelbar gerichtet“.

1.1.2 Dies steht im vorliegenden Fall der Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage aber nicht entgegen.

Wird eine behördliche Entscheidung, die die gesetzlichen Merkmale eines Verwaltungsakts nicht erfüllt, gleichwohl in die äußere Form eines Verwaltungsakts gekleidet, so ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer hiergegen erhobenen Anfechtungsklage vom Vorliegen eines Verwaltungsakts auszugehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 52). Dies gilt selbst dann, wenn die Behörde von Rechts wegen nicht einmal dazu befugt war, überhaupt durch Verwaltungsakt zu handeln (BVerwG, B. v. 9.11.1984 - 7 C 5.84 - NVwZ 1985, 264).

Dass das Landratsamt im vorliegenden Fall die Handlungsform des Verwaltungsakts auch hinsichtlich des Satzes 2 der Nummer I des Bescheidstenors benutzt hat, ergibt sich in zweifelsfreier Deutlichkeit aus der Tatsache, dass diese behördliche Erklärung ebenfalls in ein Dokument aufgenommen wurde, das mit „Bescheid“ überschrieben ist, einen von den Bescheidsgründen deutlich abgesetzten Tenor aufweist und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthält (vgl. zur Aussagekraft dieser Umstände für die Ermittlung des objektiven Erklärungswerts des behördlichen Verhaltens U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 72; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 35 Rn. 54).

1.2 Durch beide in der Nummer I des Tenors des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen behördlichen Aussprüche kann der Kläger, wie dies für die Bejahung seiner Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO notwendig, aber auch ausreichend ist, in eigenen Rechten verletzt werden.

Die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung resultiert zum einen daraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts mit diesem Inhalt eine der Voraussetzungen darstellt, von deren Erfüllung nach der Nummer II.6 Abs. 1 und 2 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 das Fälligwerden des u. a. vom Kläger zu entrichtenden Wertausgleichsbetrages abhängt; der Existenz eines solchen Verwaltungsakts kommt insoweit „Tatbestandswirkung“ zu. Die Notwendigkeit, dem Kläger die Befugnis zur Anfechtung dieses Verwaltungsakts zuzuerkennen, folgt bereits aus dem Umstand, dass er andernfalls nach dem Ablauf der Klagefrist keine Möglichkeit mehr besäße, mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen, die materiellen Voraussetzungen für die Ausstellung einer derartigen Bescheinigung lägen nicht vor. Desgleichen könnte er bei einer Verneinung der Klagebefugnis in Zukunft nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, der Beklagte habe das Grundstück Fl.Nr. 1559/2 entgegen der in der Nummer I Satz 1 des Bescheidstenors getroffenen Feststellung nicht in einer Weise saniert, angesichts derer nicht einmal mehr ein Altlastenverdacht vorliege. Denn die Bestandskraft eines Verwaltungsakts bewirkt, dass die in ihm ausgesprochene Rechtsfolge von da an nicht nur zwischen dem Rechtsträger der Behörde, die diesen Verwaltungsakt erlassen hat, und den in Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG bezeichneten Personen bindend feststeht; vielmehr haben auch alle anderen Träger öffentlicher Gewalt - auch die Gerichte - bei ihren Entscheidungen sowohl die Tatbestands- als auch die Feststellungswirkung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts der hier inmitten stehenden Art, soweit sie in inhaltlicher und personeller Hinsicht reicht, zu beachten (vgl. zur Bedeutung bestandskräftiger Verwaltungsakte als eines für die gerichtliche Sachverhalts- und Rechtsprüfung maßgeblichen Umstandes Gerhardt in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 1997, § 113 Rn. 20; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 16).

Angesichts der dem streitgegenständlichen Bescheid zukommenden Feststellungs- bzw. Tatbestandswirkung und der ihm innewohnenden Möglichkeit, in Bestandskraft zu erwachsen, ist er geeignet, die Fragen, ob der Beklagte die von ihm gegenüber dem Kläger eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen (bzw. einen Teil hiervon) ordnungsgemäß erfüllt hat, und ob der nach der Nummer II.6 Abs. 1 des Vertrages vom 28. Oktober 2010/15. Dezember 2010 zu entrichtende Wertausgleich (nach Ausstellung der in dieser Klausel erwähnten weiteren Bestätigungen) fällig geworden ist, einer verbindlichen Entscheidung zuzuführen. In der dem Bescheid vom 4. September 2015 zukommenden Feststellungs- und Tatbestandswirkung liegt zugleich der ausschlaggebende Unterschied gegenüber der Fallgestaltung, die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. September 2012 (22 ZB 11.1581 - BayVBl 2013, 177) zugrunde lag; dort waren weder unmittelbare noch mittelbare Auswirkungen der seinerzeit streitgegenständlichen behördlichen Maßnahme auf subjektive Rechte der Klägerin jenes Verfahrens ersichtlich.

2. Es erscheint angemessen, dass die nach alledem gebotene Würdigung des sachlichen Begehrens des Klägers, also dessen tatsächliche und rechtliche Aufbereitung, durch das Verwaltungsgericht erfolgt. Hierfür spricht nicht nur die grundsätzliche Aufgabenverteilung zwischen den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit des ersten und des zweiten Rechtszuges, wie sie ihren Niederschlag in den §§ 47 f. und den §§ 124 ff. VwGO gefunden hat. Diese hat insbesondere dann Bedeutung, wenn - wie hier - die Sachverhaltsaufklärung noch ganz am Anfang steht und nicht ohne einen gewissen Aufwand möglich ist (vgl. BayVGH, U. v. 6.6.2016 - 22 B 16.611 - Rn. 28). Gewicht kommt im vorliegenden Fall darüber hinaus vor allem dem Umstand zu, dass die insoweit zu leistende Auslegungs- und Aufklärungsarbeit eine hohe Affinität zu Fragen aufweist, die auch in dem vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen RO 8 K 16.640 seit kurzer Zeit anhängigen Klageverfahren des Sohnes des Klägers aufgeworfen sind. Ausweislich der Ausführungen im Schriftsatz der Klagebevollmächtigten vom 12. Juli 2016 hat diese Klage u. a. nämlich ebenfalls - bezogen auf das unmittelbar benachbarte Grundstück Fl.Nr. 1559 - die umstrittene Thematik einer bereits erfolgten Entfernung sämtlichen Straßenaufbruchs und der Aufbringung einer von Schadstoffen freien Humusschicht zum Gegenstand. Es wäre mit den Erfordernissen der Prozessökonomie und der Vermeidung einander widersprechender Gerichtsentscheidungen ersichtlich nicht vereinbar, wenn das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof diesen Fragen parallel zueinander nachgehen würden. Es entspricht deshalb pflichtgemäßer Ausübung des durch § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffneten Ermessens, vorliegend von der Möglichkeit der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht, wie sie der Kläger hilfsweise beantragt hat, Gebrauch zu machen (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Entscheidung auch auf einen bloßen diesbezüglichen Eventualantrag hin Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 7).

Maßgeblich für die hier vom Verwaltungsgerichtshof zu treffende Ermessensentscheidung ist auch, dass keine Möglichkeit besteht, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids aus formellen Gründen zu verneinen.

Die Notwendigkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit den vom Kläger gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 4. September 2015 erhobenen Einwänden entfällt nicht im Hinblick darauf, dass sich der Kläger und der Beklagte im vorliegenden Fall als Parteien eines öffentlichrechtlichen Vertrages gegenüberstehen (vgl. zum öffentlichrechtlichen Charakter bodenschutzrechtlicher Sanierungsverträge Bonk/Neumann in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 54 Rn. 157). Denn dies führt nicht dazu, dass der Beklagte schon aus diesem Grund keinen Verwaltungsakt mit dem inmitten stehenden Inhalt hätte erlassen dürfen. Es begegnet nämlich grundsätzlich keinen Bedenken, wenn ein Privatrechtssubjekt in einem öffentlichrechtlichen Vertrag der Behörde - wie hier geschehen - ausdrücklich die Befugnis einräumt, unter bestimmten Voraussetzungen in Bezug auf die vertragliche Beziehung einseitig hoheitlich (d. h. durch Verwaltungsakt) zu handeln (Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand März 2013, Art. 54 BayVwVfG Anm. VI; ähnlich Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 35 Rn. 13). Wenn nämlich Art. 61 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG sogar die Möglichkeit eröffnet, dass sich eine Privatperson in einem subordinationsrechtlichen öffentlichrechtlichen Vertrag der sofortigen Vollstreckung unterwirft, ohne dass angesichts der für einen solchen Vertrag nach Art. 57 BayVwVfG ausreichenden Schriftform die besonderen formellen Schutzvorkehrungen des § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der Aufnahme einer solchen Erklärung in eine gerichtliche oder notarielle Urkunde erfüllt sein müssen, kann es nicht unzulässig sein, wenn die Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zur Vornahme einseitiger vertragsbezogener Rechtshandlungen ermächtigt wird, die ihrer Bedeutung nach keinesfalls schwerer wiegen als die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung.

Es ist insofern nicht erforderlich, dass für jede der Hohen Hand in einem öffentlichrechtlichen Vertrag zuerkannte Befugnis eine gesetzliche Ermächtigung besteht (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 54 Rn. 44; Hettich in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 4. Aufl. 2014, § 54 Rn. 73 - 77); im Rahmen solcher Rechtsbeziehungen unterliegt die öffentliche Gewalt grundsätzlich nur dem Prinzip des Vorrangs, nicht aber demjenigen des Vorbehalts des Gesetzes (Kopp/Ramsauer, ebenda). Mit zwingendem Gesetzesrecht aber ist es vereinbar, wenn der Behörde in einem öffentlichrechtlichen Vertrag die Befugnis eingeräumt wird, durch einseitigen Rechtsakt Feststellungen zu treffen, denen für die weitere Entwicklung der vertraglich und gesetzlich geregelten Beziehungen der Beteiligten zueinander Bedeutung zukommt. Dies ergibt sich aus dem hier entsprechend anwendbaren § 315 BGB, wonach die einseitige Leistungsbestimmung durch eine Vertragspartei gestattet werden kann (vgl. zur Zulässigkeit von Regelungen der letztgenannten Art auch in öffentlichrechtlichen Verträgen angesichts der in § 62 Satz 2 VwVfG erfolgten ergänzenden Bezugnahme u. a. auf § 315 BGB BVerwG, U. v. 15.12.1989 - 7 C 6.88 - BVerwGE 84, 236/243). Eine solche Klausel geht für den Vertragspartner der öffentlichen Hand mit keiner minder großen Beschwer einher als die der Behörde hier sinngemäß eingeräumte Befugnis zur Feststellung der erfolgten Erfüllung von Verpflichtungen, die ihrem Rechtsträger nach dem geschlossenen Vertrag obliegen.

Ob den Beteiligten an einem öffentlichrechtlichen Vertrag auch die Rechtsmacht zusteht, zu bestimmen, dass eine Handlung, die sich als bloßes Verwaltungsinternum darstellt (hier: die Entlassung eines Grundstücks aus dem Altlastenkataster), durch Verwaltungsakt vorgenommen (oder - falls die Auslegung des Bescheids vom 4.9.2015 dies ergeben sollte - durch Verwaltungsakt bekanntgemacht) wird oder welcher rechtlich mögliche Inhalt Satz 2 der Nr. I des Bescheidstenors sonst zu entnehmen sein könnte, muss dem weiteren Verfahrensgang vor dem Verwaltungsgericht vorbehalten bleiben.

3. Wie in § 130 Abs. 2 VwGO vorgesehen, war der kassatorische Ausspruch außer auf das erstinstanzliche Urteil auch auf das ihm vorausgegangene Verfahren zu erstrecken. Hierdurch wird im vorliegenden Fall zugleich klargestellt, dass die dem Kläger mit Schreiben des Verwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2015 gemäß § 87b Abs. 1 VwGO gesetzte Präklusionsfrist keine rechtlichen Wirkungen mehr entfaltet.

4. Ein Kostenausspruch ist bei einer Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst (vgl. z. B. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 130 Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 19).

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG).

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Hat ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig.

(2) Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 25. März 2014 wird aufgehoben.

II. Die Beigeladene zu 1) wird verurteilt, dem Kläger 143.379,09 Euro zu erstatten.

III. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Leistungen der Beigeladenen zu 2) für die im Jahr 1936 geborene und am 20.03.2010 verstorbene Leistungsempfängerin.

Die Leistungsempfängerin S.-L. S. (im Folgenden Leistungsempfängerin) bewohnte bis zum 01.10.2007 eine Mietwohnung in A-Stadt und erhielt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII von der Beigeladenen zu 1). Ab dem 02.10.2007 befand sie sich in einer stationäre Pflegeeinrichtung in B-Stadt. Die Beigeladene zu 1) gewährte weiterhin die erforderlichen Leistungen nach dem SGB XII. Nach einem Aufenthalt im Klinikum M-Stadt zog die Leistungsempfängerin am 23.09.2008 in ein Zimmer einer Wohnung im T-Weg 16 in Bad R. (Gebiet des Beigeladenen zu 3)), da sie aufgrund der notwendigen invasiven Beatmung nicht mehr in der zuvor bewohnten Pflegeeinrichtung versorgt werden konnte. Pflegerisch versorgt wurde sie ab diesem Zeitpunkt von der Beigeladenen zu 2). In der Wohnung wurden noch zwei weitere Personen von der Beigeladenen zu 2) versorgt.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin teilte am 25.09.2008 dem beklagten überörtlichen Sozialhilfeträger mit, dass die Leistungsempfängerin aufgrund ihres Gesundheitszustandes vom Klinikum in den T-Weg „verlegt“ wurde und dass die Versorgung dort über die Beigeladene zu 2) erfolge. Beigefügt war ein Antrag auf Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Der Beklagte stellte mit Schreiben vom 26.09.2008 fest, dass eine eigene Zuständigkeit für die Unterbringungskosten in der Intensivpflegeeinrichtung H. nicht gegeben sei, da ein stationäres Angebot der außerklinischen Intensivpflege H. nicht bekannt sei. Es handele sich wohl um ein Angebot der ambulanten Hilfe zur Pflege. Daher sei der örtliche Sozialhilfeträger, wohl die Beigeladene zu 1), zuständig. Die Leistungsempfängerin wurde gebeten, den Antrag auf Sozialhilfe dorthin zu richten.

Ebenfalls am 26.09.2008 teilte der Beigeladene zu 3) der Leistungsempfängerin auf ihren Antrag vom 20.09.2008 hin mit, dass der Kläger örtlich und sachlich zuständig sei. Es wurde gebeten, den Antrag beim Kläger zu stellen. Ob auch eine Weiterleitung des Antrags erfolgte, ist heute nicht mehr ermittelbar. Der Beigeladene zu 3) hat evtl. angelegte Aktenteile vernichtet.

Am 01.10.2008 beantragte die Leistungsempfängerin beim Kläger Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit und Grundsicherung im Alter. Vorgelegt wurde ein Mietvertrag zwischen G. H. und der Leistungsempfängerin, nach dem die Leistungsempfängerin ein Zimmer in der Wohnung in der T-Straße in Höhe von 300.-Euro pro Monat anmietete. In dem Mietvertrag war vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Pflegedienstwahl sowie freie Wahl des Hausarztes und sonstiger Therapeuten habe.

Der Kläger lehnte mit Bescheid vom 20.10.2008 den Leistungsantrag gegenüber der Leistungsempfängerin ab. Da es sich um eine stationäre Einrichtung handele, sei nicht der Kläger, sondern der Beklagte zuständig für die Leistungserbringung. Sollte es sich um eine ambulant betreute Wohnform handeln, sei die Beigeladene zu 1) nach § 98 Abs. 5 SGB XII zuständig. Der Antrag der Leistungsempfängerin werde zuständigkeitshalber an den Beklagten weitergeleitet.

Hiergegen legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Es handle sich bei dem Angebot der Beigeladenen zu 2) zwar nicht um eine stationäre Einrichtung, jedoch sei gem. § 98 Abs. 5 SGB XII die Beigeladene zu 1) örtlich zuständig, da die Leistungsempfängerin vor Betreuung in einer stationären Einrichtung im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) ihren letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt habe. Ein Anspruch gegen den Kläger ergebe sich auch nicht aufgrund von § 43 SGB I, da der Kläger nicht der erstangegangene Träger gewesen sei. Auch § 14 SGB IX sei nicht anwendbar, da zwischen dem Beigeladenen zu 3) und dem Kläger kein Streit über die Zuständigkeit vorgelegen habe. Hiergegen erhob die Leistungsempfängerin am 30.09.2009 Klage und beantragte Widereinsetzung in den vorigen Stand, da der Widerspruchsbescheid nicht dem Prozessbevollmächtigten zugestellt worden sei. Die Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 (S 52 SO 394/09) als unzulässig, da verfristet, abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 26.09.2008 des Beklagten legte die Leistungsempfängerin am 21.10.2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 08.10.2010 zurückgewiesen wurde. Die Leistungsbegrenzung zum 23.09.2008 sei rechtmäßig, da sich die Leistungsempfängerin nur bis zu diesem Tag in der stationären Einrichtung in B-Stadt aufgehalten habe. Die Ausführungen zur sachlichen und örtlichen Zuständigkeit für den folgenden Zeitraum seien lediglich Hinweise ohne Regelungscharakter, so dass ein Widerspruch hiergegen nicht statthaft sei. Im Übrigen handle es sich bei der Pflege durch die Beigeladene zu 2) um eine ambulante Maßnahme. Dieser Widerspruchsbescheid wurde bestandskräftig.

Am 24.10.2008 sandte der Beklagte dem Kläger die zugeleiteten Antragsunterlagen zurück mit der Bitte um eigene zuständige Bearbeitung.

Die Betreuerin der Leistungsempfängerin beantragte am 11.12.2008 beim Sozialgericht München (SG), den Kläger im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Leistungsempfängerin ab sofort Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu erbringen. Das SG verpflichtete den Kläger mit Beschluss vom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER), der Leistungsempfängerin vom 01.12.2008 bis zum 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens Grundsicherungs- und Hilfeleistungen nach dem SGB XII zu gewähren. Die Beschwerde hiergegen wurde vom Bayerischen Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 09.02.2009 (L 8 SO 10/09 B ER) zurückgewiesen. Der Kläger sei nach § 14 SGB IX als zweitangegangener Leistungsträger leistungspflichtig. Der Beigeladene zu 3) habe den Antrag der Betreuerin der Antragstellerin an den Kläger weitergeleitet.

Der Kläger zahlte daraufhin die begehrten Leistungen an die Leistungsempfängerin.

Am 06.04.2009 meldete der Kläger beim Beklagten und bei der Beigeladenen zu 1) einen Erstattungsanspruch an. Die Beigeladene zu 1) lehnte eine Kostenerstattung sowie eine Fallübernahme ab. Es handele sich um eine stationäre Betreuung. Auch der Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab. Im Folgenden wiederholte der Kläger seine Erstattungsforderungen gegen den Beklagten und der Beigeladenen zu 1).

Am 31.08.2009 wurde die Leistungsempfängerin in den Senioren-Wohnpark L-Stadt verlegt, wo sie am 20.03.2010 verstarb. Ab dem Umzug nach L-Stadt gewährte der Beklagte Sozialhilfeleistungen nach dem SGB XII.

Am 19.03.2010 hat der Kläger Klage zum SG gegen den Beklagten auf Erstattung der angefallenen Aufwendungen für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.08.2009 i. H. v. 152.546,71 € sowie von Nebenkosten i. H. v. 714 € erhoben.

Der Kläger sei zur Leistungserbringung nicht zuständig gewesen, daher werde Erstattung der gewährten Leistungen nach § 14 Abs. 4 SGB I, hilfsweise nach § 102 SGB X beantragt. Ein Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX stehe dem Kläger bereits deshalb zu, da das LSG den Kläger zur Zahlung unter Anwendung von § 14 SGB IX verpflichtet habe. Die Leistungsempfängerin haben Leistungen in einer stationären Einrichtung erhalten. Der Einwand, dass eine Erstattung wegen fehlender Vereinbarungen nach § 75 SGB XII nicht möglich sei, greife nicht. Der Erstattungsanspruch nach § 14 Abs. 4 SGB IX verpflichte zur Erstattung nach den Regelungen für den zweitangegangenen Träger. Dem Kläger sei es jedoch nicht möglich, Vereinbarungen mit einem Einrichtungsträger abzuschließen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Es handele sich nicht um eine stationäre Einrichtung. Eine Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung werde nicht übernommen, ein unter einer besonderen Organisationsform zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln die zur zweckgemäßen Versorgung der zu betreuenden Personen geeignet wäre, sei nicht gegeben. Es lägen ein Mietvertrag und ein separater Pflegevertrag vor. Der Kläger sei im einstweiligen Rechtsschutz nicht gem. § 14 SGB IX verpflichtet worden sei, sondern gem. § 43 Abs. 1 SGB I.

Mit Beschluss vom 03.07.2013 ist die Landeshauptstadt München (als Beigeladene zu 1) zum Verfahren beigeladen worden, mit Beschluss vom 09.07.2013 die Leistungserbringerin (als Beigeladene zu 2).

Die Beigeladene zu 1) ist der Meinung, dass ein Kostenerstattungsanspruch jedenfalls verjährt sei. Die Beigeladene zu 1) sei erstmals mit Schreiben vom 03.11.2008 auf die problematische Zuständigkeitsfrage aufmerksam gemacht worden. Der Erstattungsanspruch sei am 06.04.2009 vorsorglich und am 01.09.2009 angemeldet worden. Kostenerstattungsansprüche würden nach § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB X in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Beigeladene zu 1) habe keine Entscheidung nach § 31 SGB X getroffen. Sofern Leistungen für das Jahr 2008 ausgereicht worden seien, seien diese mit Ablauf des 31.12.2012 verjährt. Bei im Jahr 2009 ausgereichten Leistungen sei dies mit Ablauf des 31.12.2013 der Fall gewesen. Die Verjährung sei nicht durch den Beiladungsbeschluss des SG vom 03.07.2013 gehemmt worden, da eine Beiladung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht in den abschließend aufgeführten Tatbeständen des § 113 Abs. 2 SGB X in Verbindung mit § 204 BGB genannt werde. Eine Beiladung stelle weder eine Klage im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch eine Streitverkündung im Sinne des § 204 Nr. 6 BGB dar. Auch seien keine Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) geführt worden. Hilfsweise werde mit der fehlenden Zuständigkeit des Beigeladenen argumentiert. Es handele sich um eine stationäre Einrichtung. Auch sei § 98 Abs. 5 SGB XII nicht anwendbar, da Hauptzielrichtung der Leistungen nicht die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sei.

Der Kläger erwidert hierauf, dass die Verjährung hier gehemmt worden sei, da zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) Verhandlungen geführt worden seien. Hierfür sei ein ernsthafter Meinungsaustausch über den Anspruch ausreichend. Im Übrigen würde die Berufung auf die Einrede der Verjährung gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen. Der für den 16.12.2013 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung sei auf Antrag der Beigeladenen zu 1) verlegt worden. Die Beigeladene zu 1) habe eine außergerichtliche Einigung in Aussicht gestellt. Diese sei jedoch in keiner Weise auf den Kläger zugekommen. Es sei rechtsmissbräuchlich, eine Einigung in Aussicht zu stellen, dadurch eine Verlegung der Terminierung eines Gerichtsverfahrens zu erreichen und dann eine Verjährungseinrede zu erheben.

Das SG hat mit Urteil vom 25.03.2014 den Beklagten verurteilt, dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sei § 102 SGB X. Ein Fall des § 14 SGB IX liege nicht vor, da es sich nicht um Leistungen zur Teilhabe handele. Soweit in der Erstattungsforderung Leistungen der Hilfe bei Krankheit enthalten seien, handele es sich bei diesen nicht um medizinische Rehabilitationsleistungen, welche der Eingliederungshilfe zuzuordnen wären. Beide Hilfearten seien vielmehr klar voneinander abzugrenzen. Der Kläger habe der Leistungsempfängerin aufgrund des Beschlusses des SG vom 02.01.2009 vorläufig Sozialleistungen in Form von Leistungen der Hilfe zur Pflege, der Hilfe bei Krankheit und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erbracht. Die sachliche Zuständigkeit des Beklagten ergebe sich aus § 97 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayAGSG die Leistungsempfängerin sei im streitigen Zeitraum in einer stationären Einrichtung untergebracht gewesen. Es handele sich um eine Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 2 SGB XII. Die Leistungsempfängerin sei von den Beschäftigten der Beigeladenen zu 2) umfassend betreut worden. Die Hilfeleistungen seien durch die Beigeladene zu 2) zentral organisiert worden. Daher sei die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der Bewohner übernommen worden. Ungeachtet der formal-rechtlichen Trennung der Bereiche Vermietung und Pflege seien die erbrachten Leistungen faktisch als einheitliche Gesamtleistung anzusehen. Auch dass hier nur drei Personen betreut worden seien, spreche nicht gegen eine stationäre Einrichtung. Eine Untergrenze lasse sich hier nicht ziehen. Dass eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 SGB XII nicht vorliege, dürfte dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen, da sich die beteiligten Leistungsträger in Ungewissheit über die rechtliche Einordnung des Leistungserbringers befunden hätten und kein Zweifel an der sozialhilferechtlichen Geeignetheit und Notwendigkeit der erbrachten Leistungen bestanden habe.

Hiergegen hat der Beklagte am 06.06.2014 Berufung zum LSG eingelegt. Es sei nicht erkennbar, dass die Beigeladene zu 2) die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung ihrer Klienten übernehme. Auch sei ein Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln nicht gegeben. Der Mietvertrag und der Pflegevertrag seien nicht aneinander gekoppelt. Die Schlussfolgerung des SG, dass aufgrund der Zubereitung des Essens, der Erledigung der Einkäufe und der Begleitung bei Freizeitaktivitäten durch die Mitarbeiter der Beigeladenen zu 2) eine Gesamtverantwortung für den Tagesablauf bestanden hätte, sei nicht richtig. Vielmehr sei dies aufgrund von freiwilligen Entscheidungen der Bewohner von diesem Dienst in Anspruch genommen worden. Entgegen der Auffassung des SG würde eine Kostenerstattungspflicht des Beklagten auch daran scheitern, dass die Leistungsempfängerin keinen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege gegenüber dem Beklagten gehabt hätte. Denn eine solche hätte nur bestanden, wenn Verträge gemäß § 75 SGB XII vorgelegen hätten.

Der Senat hat mit Beschluss vom 07.12.2016 den Landkreis Berchtesgadener Land (als Beigeladenen zu 3) zum Verfahren beigeladen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise die Beigelade zu 1) zu verurteilen, Kosten in Höhe von 143.379,09 Euro zu erstatten.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten beider Instanzen, sowie der Verfahren S 46 SO 530/08 ER vor dem SG sowie L 8 SO 10/09 B ER vor dem LSG sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und des Beklagten verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht nach § 151 SGG eingelegt; der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen oder Behörden maßgeblichen Grenzwert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG in Höhe von 10.000.- €.

B.

Die Berufung ist auch begründet. Nicht der Beklagte, sondern die Beigeladene zu 1) ist dem Kläger zur Erstattung der gewährten Leistungen für die Leistungsempfängerin im Zeitraum 01.12.2008 bis 30.08.2009 verpflichtet. Die Beigeladene zu 1) kann auch gem. § 75 Abs. 2 Alt. 2 SGG als Leistungspflichtige verurteilt werden. Einen entsprechenden Antrag hat der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren am 14.03.2014 gestellt und in der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren wiederholt. Ein Antrag auf Verurteilung eines Beigeladenen stellt keine Klageänderung i. S. d. § 99 SGG dar (Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., § 99 Rn. 6 a).

I.

Statthafte Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG, da ein Verwaltungsakt zwischen den Leistungsträgern nicht zu ergehen hatte. Die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes besteht nur bei Vorliegen eines Subordinationsverhältnisses zwischen Leistungsträger und Bürger. Im Verhältnis zwischen Leistungsträgern ist der Erlass eines Verwaltungsaktes nicht zulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Aufl., Anhang § 54 RdNr. 4).

Das SG hat hier trotz eines bezifferten Klageantrags, gerichtet auf Erstattung von 152.546,71 Euro, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG erlassen und den Beklagten verurteilt „dem Kläger die in der Zeit vom 01.10.2008 bis 31.08.2009 für die Leistungsempfängerin S.-L. S. angefallenen Sozialhilfeaufwendungen zu erstatten“. Da es sich bei der Klage auf Erstattung um eine reine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG handelt, erledigt ein Grundurteil den Rechtstreit nicht abschließend. Es handelt sich vielmehr nur um ein Zwischenurteil nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Abs. 1 ZPO, mit dem über den Grund des Anspruchs vorab entschieden wurde, die Höhe des Anspruchs jedoch ausgeklammert wurde. Dabei bleibt der Rechtstreit grundsätzlich bei dem erkennenden Gericht, hier dem SG, bis zur Durchführung des Nachverfahrens über die Höhe der Leistung anhängig, auch wenn das Zwischenurteil wie ein Endurteil rechtsmittelfähig ist (BSG, Urteil vom 25.01.1994, 7 Rar 42/93 RdNr. 37; Keller a. a. O., § 130 RdNr. 4 e).

Da hier jedoch das Zwischenurteil des SG aufgehoben wird, kann im Berufungsverfahren die Beigeladene zu 1) entsprechend dem im Berufungsverfahren höhenmäßig modifizierten Klageantrag bzw. bei Wiederholung des erstinstanzlich gestellten Leistungsantrags durch Endurteil verurteilt werden, dem Kläger eine bezifferte Erstattungsforderung i. H. v. 143.379,09 Euro zu erstatten. Eines Nachverfahrens bedarf es nicht, da im Verhältnis zur Beigeladenen zu 1) ein Zwischenurteil nicht ergangen ist.

II.

Rechtsgrundlage für den Erstattungsanspruch ist § 105 SGB X.

1. Dieser Anspruch ist nicht nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist für unzuständige Rehabilitationsträger, die eine Leistung nach Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Vorschrift erbracht haben (Leistungserbringung aufgrund Zuständigkeit wegen unterlassener Weiterleitung), § 105 SGB X nicht anwendbar, es sei denn, die Rehabilitationsträger vereinbaren Abweichendes.

Unabhängig von der Frage, ob hier § 14 SGB IX anwendbar ist (was zweifelhaft sein könnte, da keine Leistungen zur Teilhabe beantragt worden waren), war der Kläger jedenfalls nicht erstangegangener Leistungsträger, da die Leistungsempfängerin zunächst am 20.09.2008 einen Leistungsantrag beim Beigeladenen zu 3) gestellt hat. Somit wäre nach § 14 Abs. 2 SGB IX dieser bei fehlender Weiterleitung leistungspflichtig gegenüber der Leistungsberechtigten geworden, nicht jedoch der Kläger. Im Übrigen spräche gegen eine Anwendung von § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX, dass der Kläger durch Senatsbeschluss vom 09.02.2009 (L8 SO 10/09 B ER) aufgrund § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX entsprechend dem Beschluss des SGvom 02.01.2009 (S 46 SO 530/08 ER) verpflichtet worden war, ab dem 01.12.2008 Leistungen für die Leistungsempfängerin zu erbringen. Daher ist auch nach dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben ein Ausschluss nach § 14 Abs. 4 S. 3 SGB IX anzunehmen, da der Kläger mit der Leistungserbringung seiner Pflicht aus dem Beschluss im einstweiligen Rechtsschutz nachgekommen ist.

2. Nach § 105 Abs. 1 S. 1 SGB X ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

III.

Für die vom Kläger erbrachten streitbefangenen Leistungen war die Beigeladene zu 1) sachlich und örtlich zuständig.

1. Die Beigeladene zu 1) war als örtlicher Träger der Sozialhilfe gemäß § 97 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 BayAGSG sachlich zuständig für die Leistungen, die durch die Beigeladene zu 2) erbracht wurden, die erbrachten Leistungen der Hilfe zur Gesundheit sowie die erbrachten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Denn weder handelt es sich um stationäre Pflege (dazu unter a.) noch um besondere Betreuung in einer Wohngemeinschaft nach landesrechtlichen Sachvorschriften (dazu unter b.).

a. Die von der Leistungsempfängerin bezogenen Leistungen stellen keine Leistungen dar, die in einer stationären oder teilstationären Einrichtung im Sinne des § 13 Abs. 1 SGB XII gewährt wurden, dar, so dass eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Satz 2 BayAGSG, mithin nach Art. 81 Abs. 1 BayAGSG des Beklagten, nicht gegeben ist.

Bei der Wohngemeinschaft, in der der Leistungsempfängerinn Leistungen von der Beigeladenen zu 2) erbracht wurden, handelt es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 13 Abs. 1 SGB XII. Unter einer Einrichtung (unabhängig ob voll- oder teilstationär) ist ein unter einer besonderen organisatorischen Einheit zusammengefasster Bestand an Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten unter verantwortlicher Trägerschaft zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist und der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu dek-kenden Bedarf oder der Erziehung dient (st. Rspr. vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1994,5 C 17/91, Urteil des BSG vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R m. w. N.). Eine verantwortliche Trägerschaft in diesem Sinne liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Leistungsempfängerinn übernimmt. Die Beigeladene zu 2) ist nach diesen Kriterien nicht als Leistungserbringerin in einer stationären Einrichtung anzusehen. Die von der Leistungsempfängerin bewohnte Wohnung stellt eine solche nicht dar.

Es besteht bereits keine organisatorische Einheit von Personal, Sachmitteln sowie Räumlichkeiten. Vielmehr hat die Leistungsempfängerin das Zimmer in der Wohnung mit einem Mietvertrag angemietet, dessen Vertragspartner nicht die Beigeladene zu 2) war, sondern ein Dritter. Auch wenn der Vermieter als Ehemann der Eigentümerin der Beigeladenen zu 2) familiär mit dieser verbunden war, so handelt es sich dennoch rechtlich gesehen um einen Dritten. Der Mietvertrag sah auch keine rechtliche oder tatsächliche Verknüpfung mit Pflegeleistungen oder einer sonstigen Leistungserbringung durch die Beigeladene zu 2) vor. Vielmehr war unter 5) des Mietvertrages vereinbart, dass die Leistungsempfängerin durch das Mietverhältnis nicht verpflichtet sei, sich von der Beigeladenen zu 2) betreuen zu lassen, sondern freie Wahl in Bezug auf den Pflegedienst, den Hausarzt, Physiotherapeuten sowie weitere ärztliche Leistungserbringer habe. Dass tatsächlich von den Bewohnern der Wohnung kein anderer Pflegedienst in Anspruch genommen wurde, ändert nichts daran, dass es sich bei der Zurverfügungstellung der Räumlichkeiten aufgrund des Mietvertrags und den Pflegeleistungen aufgrund des Pflegevertrags um zwei unabhängige vertragliche Regelungen handelt und daher keine organisatorische Einheit diesbezüglich gegeben war. Eine rechtliche oder sonstige Verpflichtung zu einer Beauftragung der Beigeladenen zu 2) bestand nicht. Vielmehr hätte die Möglichkeit bestanden, Pflege- oder sonstige Dienstleistungen von anderen Dienstleistern erbringen zu lassen.

Es ist unerheblich, wenn von der Beigeladenen zu 2) in der mündlichen Verhandlung bzw. im Internetauftritt ausgeführt wird, dass „alles“ für die Bewohner getan werde. Die Intensität der geleisteten Überwachungs- und Betreuungspflichten ist kein geeignetes Kriterium zur Abgrenzung i. S. v. 13 SGB XII. Maßgeblich sind die rechtlichen Gestaltungen, sofern sie nicht im Ausnahmefall unwirksam sind (§§ 32 SGB I, 134 BGB). Dafür bestehen entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 1) keine Anhaltspunkte.

Der Pflegevertrag regelt verbindlich, welche Art von Leistungen erbracht wurde. Danach wurden Leistungen durch einen Pflegedienst i. S. v. § 75 Abs. 1 S. 2 SGB XII erbracht, somit ambulante Leistungen. Aus dem vorgelegten Pflegeplan ergibt sich ebenfalls kein Indiz für eine stationäre Leistungserbringung. Auch die Abrechnungen erfolgten unter Annahme ambulanter Leistungen nach Leistungskomponenten. Vereinbarungen nach § 75 Abs. 3 SGB XII für eine stationäre Einrichtung bestanden nicht.

Auch wenn man bei einer 24- stündigen Pflege wie im vorliegenden Fall durchaus einen erheblichen Anteil an der Verantwortung für den Pflegebedürftigen innehat, so führt allein dies nicht zur Annahme einer stationären Einrichtung. Andernfalls müsste man auch bei Personen, die in der eigenen Wohnung von einem Pflegedienst rund um die Uhr gepflegt werden, einen solchen Schluss ziehen, was erkennbar unsinnig ist. Die Verantwortung des Pflegedienstes umfasste nur die pflegerischen Belange. Diese sind bei schwerstpflegebedürftigen Personen regelmäßig alle wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 14 SGB XI). Dies führt je nach Umfang der Pflegebedürftigkeit zu einer Verantwortung für die tägliche Lebensführung, jedoch nicht zu einer Gesamtverantwortung im Sinne des § 13 SGB XII. Z. B. fehlt es an einer Verantwortung für die sächliche Ausstattung mit Möbeln oder weiteren allgemein nutzbaren Pflegeutensilien. Auch bezieht sich die Verantwortung des Pflegedienstes nicht auf die anderweitig angemieteten Räumlichkeiten.

Maßgeblich ist neben der Gesamtverantwortung das Vorliegen einer organisatorischen Einheit wie oben dargestellt. Geht gerade daran fehlt es aber aufgrund der unterschiedlichen Verträge.

Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass der Internetauftritt der Beigeladenen zu 2) durchaus den Eindruck erweckt hat, dass es sich bei der Wohngemeinschaft und den Leistungen der Beigeladenen zu 2) um eine einheitliche Versorgung handelt („extra konzipierte Wohngemeinschaften“). Andererseits wird auf der Internetseite der Beigeladenen zu 2) auch darauf hingewiesen, dass die individuelle Lebensführung der einzelnen Patienten im Vordergrund steht, und die Angehörigen auf Wunsch an die Pflege herangeführt werden. Diese Ausführungen sprechen eher gegen die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die Pflegebedürftigen. Jedenfalls sind maßgeblich für die Einstufung eines Pflegeangebotes als ambulant oder stationär die vertraglichen Regelungen und nicht etwaige Aussagen auf einer Internetseite.

Auch eine teilstationäre Leistung lag nicht vor. Eine solche ist dann gegeben, wenn Leistungen an einem Teil des Tages in einer Einrichtung erbracht werden. Hier hat die Leistungsempfängerin jedoch ihre Wohngemeinschaft nicht regelmäßig für einen Teil des Tages verlassen. Das BSG hat Zweifel, ob es eine teilstationäre Form des betreuten Wohnens überhaupt geben kann (BSG, Urteil vom 23.07.2015, B 8 SO 7/14 R, RdNr. 18 f.). Denn ein solches wäre nur denkbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitte beschränken würde, was angesichts des Umstandes, dass eine Person an einem Ort auch dann wohnt, wenn sie sich zeitabschnittsweise an einem anderen Ort befindet, schwer vorstellbar erscheint.

Eine sachliche Zuständigkeit des Beklagten nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 1 Nummer 2 BayAGSG ist daher nicht gegeben.

b. Auch eine sachliche Zuständigkeit des beklagten überörtlichen Trägers der Sozialhilfe nach § 97 Abs. 2 SGB XII in Verbindung mit Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ist nicht gegeben.

Nach Art. 82 Abs. 2 BayAGSG gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Gemäß § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Der Gesetzgeber hat damit, wenn bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht werden, eine umfassende Zuständigkeit für Leistungen nach dem SGB XII für den überörtlichen Träger der Sozialhilfe festgelegt.

Zwar war die Leistungsempfängerin unzweifelhaft behindert im Sinne von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG. Auch lebte sie in einer Wohngemeinschaft im Sinne dieser Vorschrift. An die Leistungsempfängerin wurde jedoch keine Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung i. S. v. Art. 82 Abs. 2 Bay AGSG erbracht. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 des SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 53 Abs. 3 SGB XII ist besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege verfolgen im Ausgangspunkt unterschiedliche Zielrichtungen. Mit der Hilfe zur Pflege wird nicht vornehmlich auf die Besserung des gesundheitlichen Zustands, sondern vielmehr auf die Unterstützung bzw. Übernahme der erforderlichen gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des Alltags abgestellt. Der behinderte Mensch soll nicht an den Grunderfordernissen des täglichen Lebens scheitern. Demgegenüber hat die Eingliederungshilfe zum Ziel, auf eine Integration des behinderten Menschen in die Gesellschaft und auf eine entsprechende berufliche Rehabilitation hinzuwirken. (Meßling in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 61 SGB XII Rn. 16; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.07.2015, L 2 SO 1431/13).

Danach wurden der Leistungsempfängerin von der Beigeladenen zu 2) keine Leistungen der Eingliederungshilfe erbracht. Zum einen wurden solche Leistungen weder beantragt, noch bewilligt oder erbracht. Beantragt waren nur Leistungen der Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Selbst unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes spricht nichts für eine Auslegung des Antrags auf Leistungen der Teilhabe. Ein spezifischer Teilhabebedarf der Leistungsempfängerin war nicht erkennbar. Die Bewilligung umfasste ebenfalls nur die beantragten Leistungen. Auch aus dem Pflegevertrag und dem vorgelegten Pflegeplan ist erkennbar, dass keine Eingliederungshilfe erbracht wurde. So ist im Pflegeplan unter dem alleine an Eingliederungshilfe zu denkenden Punkt Nr. 9 „Sich beschäftigen“ als Leistung festgelegt, dass die Leistungsempfängerin über den Tagesablauf informiert und mit einbezogen wird und die Leistungsempfängerin animiert werden solle, mitzumachen. Unter „Fähigkeiten“ ist die Leistungsempfängerin beschrieben als Person, die gerne fernsiehst, Zeitungen liest, sich gerne mit dem Pflegepersonal unterhält sowie strickt. Leistungen mit der Zielsetzung einer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind damit nicht verbunden. Selbst wenn das Pflegepersonal ab und an mit der Leistungsempfängerin einen Ausflug unternommen haben sollte, führt dies nicht dazu, dass die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe angenommen werden könnte. Denn dies gehört zum normalen Leistungsspektrum im Rahmen der aktivierenden Pflege. Zielrichtung der gewährten Hilfe war die Unterstützung und Übernahme der Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens. Diese Pflege soll nach § 29 Abs. 4 SGB XI den Pflegebedürftigen aktivieren, um vorhandene Fähigkeiten zu erhalten und soweit möglich, verlorene Fähigkeiten zurückzugewinnen. Weiterhin sollen, um der Gefahr der Vereinsamung des Pflegebedürftigen entgegenzuwirken, bei der Leistungserbringung auch die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen nach Kommunikation berücksichtigt werden. Genau diese Pflegeziele wurden im Pflegeplan berücksichtig. Weitergehende Teilhabeleistungen der Eingliederungshilfe wurden nicht erbracht.

Es ist deshalb nicht relevant, ob für die Annahme von Art. 82 Abs. 2 BayAGSG ein bestimmter Umfang von Leistungen der Eingliederungshilfe vorherrschen muss (vgl. hierzu Urteil des LSG vom 21.02.2013, L 18 SO 85/10). Weiterhin ist hier nicht relevant, ob Art. 82 Abs. 2 BayAGSG neben der Gewährung von Eingliederungshilfe auch voraussetzt, dass die tatsächlich erbrachte Hilfe ihrer Art nach als Eingliederungshilfe zu qualifizieren wäre oder dass es sich um qualifizierte Eingliederungshilfe zum selbstbestimmten Wohnen handeln muss.

Es verbleibt daher bei der sachlichen Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Beigeladene zu 1) ist auch örtlich für die der Erstattungsforderung zu Grunde liegende Leistungsgewährung zuständig gewesen gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ist grundsätzlich für die Sozialhilfe örtlich zuständig der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich sich die Leistungsempfängerin tatsächlich aufhalten. Der Gesetzgeber hat hiervon jedoch Ausnahmen gemacht, um Orte zu schützen, die besondere Leistungsangebote vorhalten, weshalb mit einer vermehrten Leistungszuständigkeit und daher eine höheren finanziellen Belastung zu rechnen ist. Dies ist gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII ein Ort, an dem eine stationäre Einrichtung besteht. Die gleiche Zielrichtung hat die Regelung in § 98 Abs. 5 SGB XII, wonach für Leistungen nach dem SGB XII an Personen, die Leistungen nach dem 6. bis 8. Kapitel in Formen ambulanter betreuter Wohnmöglichkeiten erhalten, der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig ist, der vor Eintritt in diese Wohnform zuletzt zuständig war oder gewesen wäre.

Die Leistungsempfängerin lebte ab dem 23.09.2009 in einer ambulanten betreuten Wohnmöglichkeit im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten, der gesetzlich nicht näher definiert wird, orientiert sich nach der Gesetzesbegründung (BT-TRS. 15/1514) zur ursprünglichen Normfassung an § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX. Daraus hatte das BSG geschlossen, dass es sich bezüglich der Art der erforderlichen Betreuung nicht um eine solche pflegerische Art handeln dürfe, sondern Hauptzielrichtung der Leistungen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sein müsse (als Form einer Eingliederungsleistung, vgl. BSG, Urteil vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15). Diese Meinung hat das BSG mit Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 6/15 R) modifiziert. Nun sieht es sämtliche Leistungen der ambulanten Betreuung nach dem 6. bis 8. Kapitel mit der Zielrichtung der Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im eigenen Wohn- und Lebensbereich als gleichgestellt an. Auch die Gewährung von ambulanten Leistungen der Hilfe zur Pflege können demnach einen Leistungsfall des betreuten Wohnens im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII darstellen, da auch damit die Sicherung der Selbstbestimmung im eigenen Wohn- und Lebensbereich einhergeht. Das BSG sieht es als systematisch ausgeschlossen an, die Norm nur für Eingliederungshilfeleistungen des betreuten Wohnens anzuwenden.

Dieser Auffassung, die durch den Wortlaut der Vorschrift eindeutig gestützt wird, schließt sich der erkennende Senat an (vgl. auch Urteil des Senats vom 22.11.2016, L 8 SO 221/14). Damit handelt es sich vorliegend bei den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII, die die Leistungsempfängerin ambulant als Betreuungsleistungen in einer Wohnmöglichkeit erhielt, um solche, die die Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 SGB XII zur Anwendung kommen lässt.

Die Leistungsempfängerin war vor Betreuung in der Wohngemeinschaft im T-Weg in einer stationären Einrichtung, zunächst in einer Pflegeeinrichtung im Landkreis M-Stadt (Kläger), im Anschluss daran in einem Krankenhaus untergebracht. Die Beigeladene zu 1) blieb für diese Aufenthalte in stationären Einrichtungen gemäß § 98 Abs. 2 SGB XII örtlich zuständig. Ein gewöhnlicher Aufenthalt wurde durch die Aufenthalte in den Einrichtungen nach § 109 SGB XII nicht begründet. Daher war die Beigeladene zu 1) vor Eintritt in die ambulant betreute Wohnmöglichkeit zuletzt örtlich zuständiger Leistungsträger.

IV.

Die der Erstattungsforderung zugrunde liegende Leistungserbringung erfolgte rechtmäßig. Die Leistungsempfängerin hatte einen Anspruch auf die erbrachten Leistungen nach dem SGB XII. Auch war der Kläger aufgrund des Beschlusses des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren L 8 SO 10/09 B ER zur Leistungserbringung verpflichtet. Diese Verpflichtung war vom SG ausgesprochen „bis 28.02.2009 bzw. bis zu einem bestandskräftigen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens oder einem rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens“. Diese beiden Endpunkte der Leistungsverpflichtung sind im Beschluss alternativ benannt. Der Beschluss kann daher nicht so ausgelegt werden, dass die Leistungserbringung längstens bis 28.02.2009 erfolgen sollte. Das Verwaltungsverfahren endete durch Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 15.07.2009. Der Kläger hat bis zu diesem Zeitpunkt Leistungen erbracht bzw. Leistungen nach § 264 SGB V bis zum 31.08.2009. Da der Prozessbevollmächtigte gegen den Widerspruchsbescheid vom 15.07.2009 am 30.09.2009 Klage erhoben hatte und Widereinsetzung in den vorigen Stand beantragt wurde (S 52 SO 394/09), ist bis zum 31.08.2009 keine Bestandskraft eingetreten, so dass die Leistungsgewährung vollständig aufgrund des Beschlusses des LSG im Verfahren L 8 SO 10/09 B ER beruhte. Rechtskraft wurde vielmehr erlangt durch Gerichtsbescheid vom 31.01.2012. Im Übrigen hat sich die vorläufige Regelung auf die Verpflichtung zur Zuständigkeit an sich bezogen. Die Leistungserbringung selbst stand nicht unter dem Rechtsgrund der Vorläufigkeit sondern die Erstattung als unzuständiger Leistungsträger i. S. v. § 105 SGB X.

V.

Der Beigeladene zu 1) hat nicht selbst geleistet. Die Voraussetzungen des § 102 SGB X liegen nicht vor. Der Kläger hat nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften, etwa § 43 SGB I die Leistungen vorläufig erbracht, sondern aufgrund der Verpflichtung durch gerichtlichen Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Damit sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X erfüllt.

VI.

Der Anspruch auf Erstattung ist nicht gemäß § 113 SGB X verjährt.

Nach § 113 Abs. 1 S. 1 SGB X verjähren Erstattungsansprüche in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträger über dessen Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Diese Regelung ist problematisch bei Kostenerstattungsverfahren zwischen Trägern der Sozialhilfe, da ein erstattungspflichtiger Träger der Sozialhilfe regelmäßig in keiner Rechtsbeziehung zur Leistungsempfängerin Person steht, so dass es auch keine „Entscheidung über die Leistungspflicht“ geben kann (vgl. Gesetzentwurf zum Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 05.09.2003, BT-Drs. 15/1514). Der Senat sieht es als gerechtfertigt, in so einem Fall nicht davon auszugehen, dass eine Verjährungsfrist überhaupt nicht beginnen kann, sondern vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf Erstattung abzustellen, wie auch von der Beigeladenen zu 1) vertreten. Danach beginnt die Verjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Erstattung entsteht im Zeitpunkt der Leistungserbringung, somit im Jahr 2009 im Anschluss an den Beschluss des SG vom 02.01.2009. Die Verjährungsfrist begann somit am 01.01.2010 und endete mit Ablauf des Jahres 2013 am 31. Dezember.

Die Verjährung wurde jedoch gehemmt durch die Beiladung der Beigeladenen zu 1) mit Beschluss des SG vom 03.06.2013. Die Beiladung hemmt die Verjährung wie eine Streitverkündung nach § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB. Denn die Stellung nach einer Streitverkündung und einer Beiladung ist vergleichbar, beide führen dazu, dass man damit rechnen muss, nach Beendigung des Prozesses in Anspruch genommen zu werden. Um die Durchsetzung eines solchen Anspruches nicht an einer inzwischen eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, sieht § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB die Hemmung der Verjährung vor. Dass bei einer Beiladung anders als im Zivilprozess der Dritte durch das Gericht am Rechtsstreit beteiligt wird, ergibt sich aus dem Amtsprinzip des Sozialgerichtsverfahrens (BSG, Urteil vom 21. Februar 1990,12 RK 55/88; ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Juli 2009,1124 KR 157/09BER, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 11. Aufl., § 75 Rn. 17 a sowie § 94 Rn. 5). Die Hemmung der Verjährung bewirkt nach § 209 BGB, dass die Zeiten der Hemmung der Verjährung nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet werden. Somit war im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aufgrund der Hemmung der Verjährung durch die rechtzeitige Beiladung der Beigeladenen zu 1) durch das SG der Anspruch auf Erstattung gegen diesen nicht verjährt.

V.

Die Höhe des ursprünglich geltend gemachten Erstattungsanspruchs war bzgl. der Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des SGB XII um die Erstattungsleistungen des Bundes nach § 46 a SGB XII zu kürzen. Der Kläger hat auf entsprechenden Hinweis des Senats die Erstattungsforderung um die mit Bescheiden des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 25.07.2008 und 05.08.2009 gewährte Bundeserstattung gekürzt.

VI.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beigeladene zu 1) auf Erstattung der im Zeitraum 01.12.2008 bis 31.08.2009 getätigten Leistungen in Form von Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Gesundheit sowie Grundsicherungsleistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII hat. Ein Anspruch gegen den Beklagten besteht entgegen der Entscheidung des SG nicht. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Beigeladene zu 1) zu einer Kostenerstattung von 143.379,09 Euro zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Mütter oder Väter, die allein für ein Kind unter sechs Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, sollen gemeinsam mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform betreut werden, wenn und solange sie auf Grund ihrer Persönlichkeitsentwicklung dieser Form der Unterstützung bei der Pflege und Erziehung des Kindes bedürfen. Die Betreuung schließt auch ältere Geschwister ein, sofern die Mutter oder der Vater für sie allein zu sorgen hat. Die Betreuung umfasst Leistungen, die die Bedürfnisse der Mutter oder des Vaters sowie des Kindes und seiner Geschwister gleichermaßen berücksichtigen. Eine schwangere Frau kann auch vor der Geburt des Kindes in der Wohnform betreut werden.

(2) Mit Zustimmung des betreuten Elternteils soll auch der andere Elternteil oder eine Person, die für das Kind tatsächlich sorgt, in die Leistung einbezogen werden, wenn und soweit dies dem Leistungszweck dient. Abweichend von Absatz 1 Satz 1 kann diese Einbeziehung die gemeinsame Betreuung der in Satz 1 genannten Personen mit dem Kind in einer geeigneten Wohnform umfassen, wenn und solange dies zur Erreichung des Leistungszwecks erforderlich ist.

(3) Während dieser Zeit soll darauf hingewirkt werden, dass die Mutter oder der Vater eine schulische oder berufliche Ausbildung beginnt oder fortführt oder eine Berufstätigkeit aufnimmt.

(4) Die Leistung soll auch den notwendigen Unterhalt der betreuten Personen sowie die Krankenhilfe nach Maßgabe des § 40 umfassen.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Die aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, soweit die Erfüllung der Aufgaben den Vorschriften dieses Buches entspricht. Dabei gelten die Grundsätze, die im Bereich des tätig gewordenen örtlichen Trägers zur Zeit des Tätigwerdens angewandt werden.

(2) Kosten unter 1 000 Euro werden nur bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§ 89b), bei fortdauernder oder vorläufiger Leistungsverpflichtung (§ 89c) und bei Gewährung von Jugendhilfe nach der Einreise (§ 89d) erstattet. Verzugszinsen können nicht verlangt werden.

(1) Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.

(2) Ein Erstattungsanspruch der Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Jugendhilfe ist von anderen Leistungsträgern

1.
für die Dauer des Erstattungszeitraumes und
2.
für den Zeitraum nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des vollständigen, den gesamten Erstattungszeitraum umfassenden Erstattungsantrages beim zuständigen Erstattungsverpflichteten bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung
auf Antrag mit vier vom Hundert zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages des Leistungsberechtigten beim zuständigen Leistungsträger, beim Fehlen eines Antrages nach Ablauf eines Kalendermonats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Leistung. § 44 Abs. 3 des Ersten Buches findet Anwendung; § 16 des Ersten Buches gilt nicht.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Erstattung von Kosten, die er in der Zeit vom 23. November 1999 bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 als Hilfe für junge Volljährige aufgewandt hat.

2

Die am 23. November 1981 in Äthiopien geborene Hilfeempfängerin reiste Anfang Februar 1997 als Minderjährige ohne Begleitung ihrer Eltern oder eines gesetzlichen Vertreters auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Wenige Tage nach ihrer Einreise sprach sie beim Jugendamt der Stadt F. vor, das sie in unmittelbarem Anschluss daran in Obhut nahm. Nach einem kurzen Aufenthalt in einer Erstversorgungseinrichtung der Arbeiterwohlfahrt wurde die Hilfeempfängerin ab Mitte April 1997 in der im Nachbarkreis des Klägers gelegenen Jugendhilfeeinrichtung Haus O. untergebracht, in der sie bis zum 21. Juni 2000 blieb.

3

Bereits am 21. Februar 1997 wurde der Beklagte durch das Bundesverwaltungsamt zum erstattungspflichtigen überörtlichen Träger nach § 89d Abs. 3 SGB VIII bestimmt.

4

Mit Bescheid des Regierungspräsidiums vom 31. Oktober 1997 wurde die Hilfeempfängerin im Rahmen ihres Asylverfahrens dem Gebiet des Klägers zugewiesen, der seit diesem Zeitpunkt als örtlich zuständiger Jugendhilfeträger für die Kosten ihrer Unterbringung in der Jugendhilfeeinrichtung Haus O. aufkam. Er zahlte die Unterbringungskosten zunächst im Rahmen der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. Ab dem 20. Januar 1998 bis zum Eintritt der Volljährigkeit am 23. November 1999 gewährte er insoweit Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII, an die sich bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 die Gewährung von Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII anschloss.

5

Der Kläger wandte sich mit mehreren Schreiben an den Beklagten und beantragte Erstattung der von ihm aufgewandten Kosten. Er ist der Auffassung, der Anspruch auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige gewährten Leistungen hätte nicht ausdrücklich bzw. gesondert innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des 21. Juni 2000 geltend gemacht werden müssen. Im Hinblick auf diesen Erstattungsanspruch werde die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X bereits durch den nach der Inobhutnahme der Hilfeempfängerin erstmals unter dem 22. Oktober 1997 gestellten Antrag auf Erstattung der Kosten gewahrt. Der spätere Wechsel der Leistungsart sowie der Rechtsgrundlage änderten daran nichts.

6

Der Beklagte lehnte die Erstattung ab, weil der Kläger seinen Anspruch auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten nicht innerhalb von zwölf Monaten nach Leistungsende geltend gemacht habe. Er sei erst Ende Juni 2002 über ein im November 1999 geführtes Gespräch in Kenntnis gesetzt worden, nachdem die Selbstständigkeit der Hilfeempfängerin im Zeitpunkt der Volljährigkeit noch wenig ausgeprägt gewesen sei. Allein dieses Detail hätte die Schlussfolgerung zulassen können, dass (wahrscheinlich) über den Zeitpunkt der Volljährigkeit hinaus Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch erforderlich gewesen seien.

7

Mit Urteil vom 20. März 2006 hat das Verwaltungsgericht die am 29. April 2004 erhobene Klage auf Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten in Höhe von 21 749,75 € abgewiesen.

8

Mit Urteil vom 1. Juli 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger hätte den auf die Hilfe für junge Volljährige bezogenen Kostenerstattungsanspruch gesondert innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend machen müssen. Mit dem Begriff der Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X sei nicht die Sozialleistungsart "Jugendhilfe" im abstrakten Sinne, sondern die erbrachte (oder vorgesehene) Jugendhilfe in ihrer konkreten Ausgestaltung gemeint, d.h. die Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII, die Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII oder die Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII. Der Jugendhilfe liege kein "ganzheitlicher" Leistungsbegriff zugrunde, vielmehr umfasse die Jugendhilfe gemäß § 2 Abs. 1 SGB VIII die einzelnen in § 2 Abs. 2 SGB VIII aufgeführten Leistungen und die in § 2 Abs. 3 SGB VIII aufgezählten anderen Aufgaben. Für ein gesondertes Geltendmachen des die Hilfe für junge Volljährige betreffenden Kostenerstattungsanspruchs spreche zudem, dass sich andernfalls die Anmeldung des Kostenerstattungsanspruchs bezüglich der Inobhutnahme und der anschließend gewährten Hilfe zur Erziehung auf eine Zeitspanne von bis zu (weiteren) neun Jahren (18. bis 27. Lebensjahr) erstrecke. Das sei mit der durch die Ausschlussfrist bezweckten baldigen Abwicklung der Erstattungen schwerlich zu vereinbaren. Nach diesen rechtlichen Vorgaben sei ein fristgerechtes Geltendmachen nicht gegeben. Die Erstattung der im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten sei erstmals mit Schreiben vom 6. November 2002 beantragt worden. Die vorangegangenen Schreiben des Klägers vom 22. Oktober 1997 sowie vom 26. März und 27. Juli 1998 bezögen sich nur auf die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 89d SGB VIII sowie des § 111 Satz 1 SGB X.

10

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist begründet. Die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs, dass der Anspruch auf Erstattung nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII für die im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten ausgeschlossen ist, weil der Kläger ihn nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht hat, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

12

Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind und dem Kläger damit gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der als Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Unterbringungskosten dem Grunde nach zustehen kann. Auch die Höhe der danach zu erstattenden Kosten ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Zu entscheiden ist allein, ob der Anspruch gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen ist. Dies ist nicht der Fall. Der Kostenerstattungsanspruch des § 89d SGB VIII unterfällt zwar der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X (1.), die hier gemäß § 111 Satz 2 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung frühestens mit der Entstehung des Erstattungsanspruchs begann; im Übrigen gilt § 111 Satz 1 SGB X in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (2.). Der Anspruch auf Erstattung der als Hilfe für junge Volljährige gewährten Leistungen wurde aber vom Kläger mit den Schreiben vom 26. März und 23. Juli 1998 fristwahrend geltend gemacht (3.)

13

1. Der Anwendung des § 111 SGB X auf den Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII steht die Rechtsprechung des Senats nicht entgegen. Demnach ist die Ausschlussfrist des § 111 SGB X auf die spezielle jugendhilferechtliche Situation einander gegenüberstehender Erstattungsansprüche örtlicher Jugendhilfeträger nicht anwendbar, was in besonderer Weise für eine Kollision mit einem Erstattungsanspruch nach § 89a SGB VIII gilt, dessen Ziel es ist, die Pflegestellenorte von den mit einem Zuständigkeitswechsel nach § 86 Abs. 6 SGB VIII verbundenen Kosten zu befreien (Urteil vom 30. September 2009 - BVerwG 5 C 18.08 - BVerwGE 135, 58 = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 9 jeweils Rn. 33). Diese Rechtsprechung ist mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragbar. Im vorliegenden Verfahren kollidieren weder zwei Erstattungsansprüche noch stehen sich zwei örtliche Träger der Jugendhilfe gegenüber, von denen einer nach § 89a SGB VIII Erstattung der von ihm aufgrund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 SGB VIII aufgewandten Kosten begehrt. Streitgegenstand ist vielmehr allein der dem örtlichen Träger der Jugendhilfe gegen den vom Bundesverwaltungsamt als erstattungspflichtig bestimmten überörtlichen Träger der Jugendhilfe nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zustehende Anspruch auf Kostenerstattung.

14

Die Anwendung des § 111 SGB X auf diesen Anspruch bestimmt sich nach § 37 Satz 1 SGB I. Danach gelten das Erste und Zehnte Buch für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuches, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Das Sozialgesetzbuch Achtes Buch enthält keine Vorschrift, welche die Ausschlussfrist des § 111 SGB X hinsichtlich des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d SGB VIII ausdrücklich für nicht anwendbar erklärt oder anordnet, dass das Geltendmachen dieses Anspruchs keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt. Dem Kinder- und Jugendhilferecht ist auch kein Strukturprinzip (vgl. insoweit Urteil vom 29. September 1994 - BVerwG 5 C 41.92 - Buchholz 436.7 § 27a BVG Nr. 16 S. 3 = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr. 3) zu entnehmen, das es rechtfertigt, den Erstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII aus dem Anwendungsbereich des § 111 SGB X herauszunehmen.

15

2. Gemäß § 120 Abs. 2 SGB X findet auf ein - wie hier - am 1. Juni 2000 noch nicht abschließend entschiedenes Kostenerstattungsverfahren zwar grundsätzlich die Vorschrift des § 111 SGB X in der vom 1. Januar 2001 an geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl I S. 130) insgesamt Anwendung. Insbesondere war der Anspruch auf Erstattung bei Inkrafttreten der Neuregelung der Ausschlussfrist nicht bereits nach der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Regelung des § 111 SGB X in der Fassung des Gesetzes vom 4. November 1982 (BGBl I S. 1450) ausgeschlossen (vgl. insoweit Urteil vom 10. April 2003 - BVerwG 5 C 18.02 - Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 3 S. 2). Der Kläger hätte nämlich unter der Geltung dieser alten Gesetzesfassung seinen Erstattungsanspruch noch bis zum Ablauf des 21. Juni 2001 anzeigen können.

16

Eine Ausnahme von der nach § 120 Abs. 2 SGB X angeordneten Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung ist hier jedoch deshalb zu machen, weil eine sachliche Entscheidung des erstattungspflichtigen Beklagten gegenüber der Hilfeempfängerin nicht in Betracht kam und demzufolge die Regelung des § 111 Satz 2 SGB X ins Leere gehen würde (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3 Rn. 21 ff.). Denn zwischen dem Beklagten und der Hilfeempfängerin bestand keine unmittelbare Rechtsbeziehung. Die Hilfeempfängerin konnte den Beklagten nicht auf die Erbringung einer Sozialleistung in Anspruch nehmen. Ausschließlich der Kläger war als örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe gegenüber der Hilfeempfängerin zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung gemäß §§ 27, 34 SGB VIII und Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII verpflichtet. Für die vorliegende Fallkonstellation ist daher § 111 Satz 2 SGB X in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung entsprechend anzuwenden. Danach beginnt die Ausschlussfrist im konkreten Fall frühestens in dem Zeitpunkt, in dem - bezogen auf die Leistung, deren Erstattung begehrt wird - die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erfüllt sind.

17

3. Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII ist die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen (3.1). In Anwendung dieses Begriffes sind die vom Kläger gewährte Hilfe zur Erziehung und die von ihm im unmittelbaren Anschluss daran geleistete Hilfe für junge Volljährige als einheitliche jugendhilferechtliche Leistung zu werten (3.2). Für das fristgerechte Geltendmachen dieser (Gesamt-)Leistung genügt es, dass der Kläger den Antrag auf Erstattung der Kosten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII während der laufenden Hilfe zur Erziehung (und damit lange vor der Zwölfmonatsfrist nach Ende der Leistung) gestellt hat (3.3). Dem Zweck der Ausschlussfrist wird damit hinreichend Rechnung getragen (3.4).

18

3.1 Das Sozialgesetzbuch Erstes Buch und Zehntes Buch als die für alle Sozialleistungsbereiche geltenden Bücher enthalten keine eigenständige Definition des Begriffs der Leistung, auf den im Rahmen der Ausschlussfrist zurückgegriffen werden könnte. § 111 Satz 1 SGB X nimmt vielmehr Bezug auf die Leistung und den Leistungsbegriff des jeweiligen Sozialleistungsbereichs, in dem der geltend zu machende Anspruch auf Kostenerstattung im Einzelfall seine Rechtsgrundlage findet. Der Wortlaut des § 111 SGB X steht einer bereichsspezifischen Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Zweck der Ausschlussfrist. Denn eine mit Rücksicht auf die spezifische Zielsetzung des Rechts der jeweiligen Sozialleistung erfolgende Bestimmung der Leistung führt nicht dazu, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht möglichst zeitnah zur Leistungserbringung die zu erwartende finanzielle Belastung erkennen und gegebenenfalls entsprechende Rückstellungen bilden kann.

19

Für das fristgerechte Geltendmachen des Anspruchs auf Erstattung der Kosten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII ist demzufolge der Begriff der Leistung im Sinne der Zuständigkeitsregelungen der §§ 86 ff. SGB VIII maßgeblich. Der Rückgriff auf den zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff im Rahmen des Erstattungsverhältnisses findet seine sachliche Rechtfertigung in der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht und der sie ergänzenden Kostenerstattung. In der Regel hat der für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben der Jugendhilfe nach §§ 86 ff. SGB VIII örtlich zuständige Träger der Jugendhilfe auch deren Kosten zu tragen. Insbesondere bei einer - wie hier in Rede stehenden - Leistungsgewährung in Einrichtungen kann dies aber zu einer unangemessenen finanziellen Belastung einzelner kommunaler Gebietskörperschaften führen. Entsprechendes gilt vor allem auch für die Fälle fortdauernder Vollzeitpflege sowie des vorläufigen Eintretens für den an sich (endgültig) örtlich zuständigen Träger der Jugendhilfe. Nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (z.B. §§ 89, 89a Abs. 1 Satz 1, § 89a Abs. 2, § 89a Abs. 3, § 89b Abs. 1, § 89b Abs. 3, § 89c Abs. 1 Satz 1, § 89c Abs. 3, § 89e Abs. 1 Satz 1 und § 89e Abs. 2 SGB VIII).

20

3.2 Nach Maßgabe des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs ist die (jugendhilferechtliche) Leistung anhand einer bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung der verschiedenen Maßnahmen und Hilfen zu bestimmen. Demzufolge bilden alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, zumal wenn sie im Einzelfall nahtlos aneinander anschließen, also ohne beachtliche (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) zeitliche Unterbrechung gewährt werden. Dies gilt auch dann, wenn bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die Hilfegewährung im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen oder innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu gewähren ist (stRspr, grundlegend Urteil vom 29. Januar 2004 - BVerwG 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119> = Buchholz 436.511 § 86 KJHG/SGB VIII Nr. 2; vgl. zuletzt Urteil vom 25. März 2010 - BVerwG 5 C 12.09 - juris Rn. 22; s.a. Urteil vom 14. November 2002 - BVerwG 5 C 56.01 - BVerwGE 117, 194 S. 197 ff. = Buchholz 436.511 § 89a KJHG/SGB VIII Nr. 1 = Buchholz 436.511 § 86a KJHG/SGB VIII Nr. 2).

21

Auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatrichterlichen Feststellungen stellen die vom Kläger ab dem 20. Januar 1998 gewährte Hilfe zur Erziehung und die ab dem 23. November 1999 bis zum Ablauf des 21. Juni 2000 gewährte Hilfe für junge Volljährige eine (einheitliche) Leistung im vorgenannten Sinne dar. In beiden Fällen wurde die Jugendhilfe durch die Unterbringung der Hilfeempfängerin in ein und derselben Jugendhilfeeinrichtung erbracht. Der Kläger ging bei seiner Entscheidung, diese konkrete Maßnahme über den Eintritt der Volljährigkeit bis zum Ende des Schuljahres 1999/2000 hinaus in Form der Hilfe für junge Volljährige weiterhin auf seine Kosten durchzuführen, erkennbar von einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf aus und brachte dies in seinem Bewilligungsbescheid vom 15. November 1999 auch unmissverständlich zum Ausdruck. Denn er hielt es danach aufgrund der Persönlichkeit, insbesondere des verzögerten Entwicklungsstandes, und der individuellen Situation der Hilfeempfängerin für erforderlich, die der Hilfeempfängerin "gewährte Erziehungshilfe über das vollendete achtzehnte Lebensjahr hinaus gemäß § 41 SGB VIII fortzusetzen". Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

22

3.3 An das Geltendmachen im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X dürfen keine überzogenen formalen oder inhaltlichen Anforderungen gestellt werden, zumal es sich bei den am Erstattungsverfahren Beteiligten um Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Behörden handelt, deren Vertreter Kenntnis von den jeweils in Betracht kommenden Leistungen besitzen. Bei dem Geltendmachen handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die mit Zugang beim Empfänger wirksam wird. Ein konkludentes Geltendmachen ist zulässig und ausreichend. Die inhaltlichen Anforderungen bestimmen sich nach dem Zweck des § 111 SGB X, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht. Aus diesem Grund erfordert das Geltendmachen ein unbedingtes Einfordern der Leistung. Ein bloß vorsorgliches Anmelden genügt nicht. Der Wille des Erstattungsberechtigten, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, muss unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles der Erklärung deutlich erkennbar zugrunde liegen. Der in Anspruch genommene Leistungsträger muss bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruchs ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die gegen ihn erhobene Forderung ausgeschlossen ist oder er mit einer Erstattungspflicht zu rechnen hat. Hierfür ist in der Regel ein Darlegen in allen Einzelheiten nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass die Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind und insbesondere der Zeitraum, für den die Leistung erbracht wurde, hinreichend konkret mitgeteilt werden. Geringere inhaltliche Anforderungen gelten, wenn der Erstattungsanspruch, was grundsätzlich zulässig ist, vor seiner Entstehung geltend gemacht wird. In einem derartigen Fall ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die Angaben über Art und Umfang der künftigen Leistungen allgemein unter Verwendung der Kenntnisse gemacht werden, die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhanden sind (vgl. zu Vorstehendem insgesamt BSG, Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 24/99 R - SozR 3-1300 § 111 Nr. 9 Rn. 17 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen sowie Urteil vom 4. März 1993 - BVerwG 5 C 6.91 - BVerwGE 92, 167 168 = Buchholz 435.12 § 111 SGB X Nr. 2). Für das fristgerechte Geltendmachen eines Kostenerstattungsanspruchs für eine unter Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu wertende Jugendhilfemaßnahme ist eine bedarfsorientierte Gesamtbetrachtung zugrunde zu legen. Danach kommt es nicht darauf an, ob die Kosten für die Maßnahme von einem Dritten gegebenenfalls zeitabschnittsweise in Rechnung gestellt und beglichen werden. Vielmehr genügt zur Wahrung der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X für einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für Maßnahmen und Hilfen, die jugendhilferechtlich als eine Leistung zu werten sind, jede innerhalb dieser Frist erfolgende Geltendmachung des Anspruchs nach Beginn der (Gesamt-)Leistung. Soweit der Senat in seinem Urteil vom 10. April 2003 - BVerwG 5 C 18.02 - (a.a.O. S. 3) eine andere Auffassung vertreten und für die Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs auf die im Einzelfall erfolgte monatsweise Abrechnung abgestellt hat, hält er daran nicht mehr fest.

23

Den dargelegten Anforderungen an das Geltendmachen hat der Kläger in Bezug auf die - sich aus der Hilfe zur Erziehung und der Hilfe für junge Volljährige zusammensetzende - (Gesamt-)Leistung innerhalb der mit Ablauf des 21. Juni 2001 endenden Ausschlussfrist erfüllt. Nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs (§ 37 Abs. 2 VwGO), der sich insoweit die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen gemacht hat, hat der Kläger den Anspruch auf Erstattung der Kosten nach § 89d SGB VIII bezüglich der ab dem 20. Januar 1998 gewährten Hilfe zur Erziehung mit Schreiben vom 26. März und 23. Juli 1998 geltend gemacht. Diese Anmeldung wirkt infolge der Annahme einer einheitlichen (Gesamt-)Leistung auch für die vom Kläger in Form der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten fristwahrend.

24

3.4 Der Zweck der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X wird dadurch weder beeinträchtigt noch in Frage gestellt. Bereits das Geltendmachen des Erstattungsanspruchs in Bezug auf die Hilfe zur Erziehung erfüllt im konkreten Fall die mit der zeitnahen Anmeldung verfolgte Informations- und Warnfunktion. Vor und nach Eintritt der Volljährigkeit wurde aufgrund eines qualitativ unveränderten Hilfebedarfs der Sache nach immer dieselbe Leistung erbracht, die lediglich infolge des Eintritts der Volljährigkeit im Verhältnis der Hilfeempfängerin zum erstattungsberechtigten Kläger einer anderen Rechtsgrundlage zuzuordnen war, ohne dass dies jedoch zu einem Austausch des erstattungsverpflichteten Leistungsträgers oder Wechsel der Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs führte. Mit Rücksicht auf diesen konkreten Verfahrensablauf war für den Beklagten außerdem stets hinreichend erkennbar, welche finanzielle Belastung auf ihn zukommen konnte, zumal auch für ihn an seiner Erstattungspflicht infolge der Bestimmung des Bundesverwaltungsamts vom 21. Februar 1997 von Anfang an kein Zweifel bestand.

25

4. Der Zinsanspruch rechtfertigt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend (stRspr für den Bereich der Jugendhilfe z.B. Urteil vom 22. November 2001 - BVerwG 5 C 42.01 - BVerwGE 115, 251 256 = Buchholz 436.511 § 89e KJHG/SGB VIII Nr. 1 S. 5 m.w.N. = Buchholz 436.511 § 86a KJHG/SGB VIII Nr. 1).

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Kann ein Land die Anzahl von unbegleiteten ausländischen Kindern oder Jugendlichen, die seiner Aufnahmequote nach § 42c entspricht, nicht aufnehmen, so kann es dies gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigen.

(2) In diesem Fall reduziert sich für das Land die Aufnahmequote

1.
bis zum 1. Dezember 2015 um zwei Drittel sowie
2.
bis zum 1. Januar 2016 um ein Drittel.

(3) Bis zum 31. Dezember 2016 kann die Ausschlussfrist nach § 42b Absatz 4 Nummer 4 um einen Monat verlängert werden, wenn die zuständige Landesstelle gegenüber dem Bundesverwaltungsamt anzeigt, dass die Durchführung des Verteilungsverfahrens in Bezug auf einen unbegleiteten ausländischen Minderjährigen nicht innerhalb dieser Frist erfolgen kann. In diesem Fall hat das Jugendamt nach Ablauf eines Monats nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen.

(4) Ab dem 1. August 2016 ist die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die vor dem 1. November 2015 entstanden sind, ausgeschlossen. Der Erstattungsanspruch des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land verjährt in einem Jahr; im Übrigen gilt § 113 des Zehnten Buches entsprechend.

(5) Die Geltendmachung des Anspruchs des örtlichen Trägers gegenüber dem nach § 89d Absatz 3 erstattungspflichtigen Land auf Erstattung der Kosten, die nach dem 1. November 2015 entstanden sind, ist ausgeschlossen. Die Erstattung dieser Kosten richtet sich nach § 89d Absatz 1.

(1) Kosten, die ein örtlicher Träger aufwendet, sind vom Land zu erstatten, wenn

1.
innerhalb eines Monats nach der Einreise eines jungen Menschen oder eines Leistungsberechtigten nach § 19 Jugendhilfe gewährt wird und
2.
sich die örtliche Zuständigkeit nach dem tatsächlichen Aufenthalt dieser Person oder nach der Zuweisungsentscheidung der zuständigen Landesbehörde richtet.
Als Tag der Einreise gilt der Tag des Grenzübertritts, sofern dieser amtlich festgestellt wurde, oder der Tag, an dem der Aufenthalt im Inland erstmals festgestellt wurde, andernfalls der Tag der ersten Vorsprache bei einem Jugendamt. Die Erstattungspflicht nach Satz 1 bleibt unberührt, wenn die Person um Asyl nachsucht oder einen Asylantrag stellt.

(2) Ist die Person im Inland geboren, so ist das Land erstattungspflichtig, in dessen Bereich die Person geboren ist.

(3) (weggefallen)

(4) Die Verpflichtung zur Erstattung der aufgewendeten Kosten entfällt, wenn inzwischen für einen zusammenhängenden Zeitraum von drei Monaten Jugendhilfe nicht zu gewähren war.

(5) Kostenerstattungsansprüche nach den Absätzen 1 bis 3 gehen Ansprüchen nach den §§ 89 bis 89c und § 89e vor.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Das Erste und Zehnte Buch gelten für alle Sozialleistungsbereiche dieses Gesetzbuchs, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt; § 68 bleibt unberührt. Der Vorbehalt gilt nicht für die §§ 1 bis 17 und 31 bis 36. Das Zweite Kapitel des Zehnten Buches geht dessen Erstem Kapitel vor, soweit sich die Ermittlung des Sachverhaltes auf Sozialdaten erstreckt.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten überörtlichen Träger der Jugendhilfe die Erstattung der Kosten für Hilfeleistungen an einen Jugendlichen bzw. jungen Volljährigen, die er als örtlicher Träger der Jugendhilfe in der Zeit vom 11. September 2011 bis zum 30. September 2012 erbracht hat.

2

Der Kläger bewilligte dem am 2. Dezember 1993 geborenen Hilfeempfänger vom 11. September 2011 bis zum 1. Dezember 2011 stationäre Hilfe zur Erziehung und nach Eintritt der Volljährigkeit vom 2. Dezember 2011 bis zum 11. September 2013 Hilfe für junge Volljährige durch Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einem Jugendhaus in M. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2013 stellte er bei dem Beklagten einen Antrag auf Erstattung der für diese Jugendhilfeleistungen aufgewendeten Kosten gemäß § 89 SGB VIII. Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 14. Februar 2014 seine Kostenerstattungspflicht nur für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 11. September 2013 an. Für die Zeit vom 11. September 2011 bis 30. September 2012 lehnte er eine Kostenerstattungszusage wegen Versäumung der Frist nach § 111 Satz 1 SGB X ab.

3

Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage auf Kostenerstattung hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 89 SGB VIII seien zwar gegeben, weil für die Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 SGB VIII der tatsächliche Aufenthalt des Hilfeberechtigten maßgeblich gewesen sei, der in den letzten sechs Monaten vor Beginn der Leistung keinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Der Erstattungsanspruch scheitere aber an der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X. Für den Ablauf des danach maßgeblichen "Zeitraums, für den die Leistung erbracht wurde", sei bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. Die streitigen Teilzeiträume hätten zum Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Erstattungsanspruchs beim Beklagten mehr als zwölf Monate zurückgelegen, so dass der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen sei.

4

Mit der Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

5

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Sprungrevision des Klägers ist begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse für jeden Teilzeitraum geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Teilzeitraums maßgeblich sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

7

Bei Anwendung der insoweit gebotenen ganzheitlichen Betrachtung hat der Kläger den Anspruch auf Erstattung der vom 11. September 2011 bis zum 30. September 2012 im Rahmen der stationären Hilfe zur Erziehung und der Hilfe für junge Volljährige aufgewandten Kosten in Höhe von 44 815,48 € fristgerecht geltend gemacht.

8

1. Das Erstattungsbegehren findet seine Rechtsgrundlage in § 89 Achtes Buch Sozialgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachungen vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134) bzw. vom 11. September 2012 (BGBl. I S. 2022) - SGB VIII -. Danach steht dem örtlichen Träger der Jugendhilfe gegen den überörtlichen Träger, zu dessen Bereich er gehört, ein Anspruch auf Erstattung der aufgewendeten Kosten zu, wenn für seine Zuständigkeit nach den §§ 86, 86a oder 86b SGB VIII der tatsächliche Aufenthalt maßgeblich ist. Das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen steht zwischen den Beteiligten zutreffend nicht im Streit. Auch die Höhe der danach zu erstattenden Kosten ist zwischen ihnen nicht streitig. Des Weiteren haben die Beteiligten zu Recht nicht in Abrede gestellt, dass die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 89 SGB VIII der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt. Zu entscheiden ist allein darüber, ob der Kläger den Erstattungsanspruch mit seinem Schreiben vom 11. Oktober 2013 auch für den Leistungszeitraum vom 11. September 2011 bis zum 30. September 2012 innerhalb der Frist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht hat. Das hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht verneint.

9

Nach § 111 Satz 1 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Das ist hier der Fall. Nach dem insofern maßgeblichen zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts handelt es sich bei der vom Kläger in der Zeit vom 11. September 2011 bis zum 11. September 2013 gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung und der anschließenden Hilfe für junge Volljährige um eine einheitliche Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII (a). Beginn der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist der Ablauf des letzten Tages, an dem diese Leistung erbracht wurde (b).

10

a) Für jugendhilferechtliche Erstattungsansprüche ist die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X nach dem zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zu bestimmen. Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen. Dementsprechend ist bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen und so auch bei dem hier in Rede stehenden Erstattungsverhältnis nach § 89 SGB VIII für die inhaltliche Ausfüllung des in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriffs der Leistung auf den zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des Kinder- und Jugendhilferechts zurückzugreifen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 17 ff. und vom 17. Dezember 2015 - 5 C 9.15 - BVerwGE 154, 1 Rn. 11 ff.). Danach bilden alle im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen eine einheitliche Leistung, sofern sie ohne beachtliche Unterbrechung gewährt worden sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119> und vom 15. Dezember 2016 - 5 C 35.15 - juris Rn. 19 m.w.N.). In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist auf der Grundlage der für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts davon auszugehen, dass die vom Kläger ab dem 11. September 2011 gewährte stationäre Hilfe zur Erziehung und die ab dem 2. Dezember 2012 gewährte Hilfe für junge Volljährige eine (einheitliche) Jugendhilfeleistung im vorgenannten Sinne darstellen. In beiden Fällen wurde die Jugendhilfe durch Unterbringung des Hilfeempfängers in ein und demselben Jugendhaus erbracht. Der Kläger ging bei seiner Entscheidung, diese konkrete Maßnahme über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus bis zum Auszug des Hilfeempfängers aus dem Jugendhaus und dessen Einzug in eine eigene Wohnung zu gewähren, erkennbar von einem qualitativ unveränderten jugendhilferechtlichen Bedarf aus. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.

11

b) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X für die Geltendmachung der in der Zeit vom 11. September 2011 bis 11. September 2013 von dem Kläger erbrachten Leistung begann mit Ablauf des 11. September 2013.

12

Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, nach der die Frist des § 111 Satz 1 SGB X mit dem Ablauf des letzten Tages beginnt, an dem die jeweilige (Gesamt)-Leistung im Sinne dieser Bestimmung erbracht wurde (vgl. BVerwG, Urteile vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 22 und vom 17. Dezember 2015 - 5 C 9.15 - BVerwGE 154, 1 Rn. 14 ff.). Dafür sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Der Senat hat in seinem Urteil vom 17. Dezember 2015 (- 5 C 9.15 - BVerwGE 154, 1 Rn. 15 ff.) insoweit ausgeführt:

"Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer 'Leistung' beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ('nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde') markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen. [...]

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird."

13

In Anwendung dieser Grundsätze, an denen der Senat nach nochmaliger Prüfung festhält, hat der Kläger den Erstattungsanspruch nach § 89 SGB VIII auch für die hier allein streitgegenständliche Zeit vom 11. September 2011 bis 30. September 2012 fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts endete die Jugendhilfemaßnahme am 11. September 2013, so dass der Erstattungsanspruch bis zum Ablauf des 11. September 2014 geltend gemacht werden musste. Der entsprechende Antrag des Klägers vom 11. Oktober 2013 ist dem Beklagten innerhalb dieser Frist zugegangen.

14

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

(1) Die Jugendhilfe umfasst Leistungen und andere Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien.

(2) Leistungen der Jugendhilfe sind:

1.
Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit, der Schulsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14),
2.
Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21),
3.
Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (§§ 22 bis 25),
4.
Hilfe zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39, 40),
5.
Hilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40),
6.
Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (den §§ 41 und 41a).

(3) Andere Aufgaben der Jugendhilfe sind

1.
die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42),
2.
die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise (§ 42a),
3.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Pflegeerlaubnis (§§ 43, 44),
4.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung sowie die Erteilung nachträglicher Auflagen und die damit verbundenen Aufgaben (§§ 45 bis 47, 48a),
5.
die Tätigkeitsuntersagung (§§ 48, 48a),
6.
die Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten (§ 50),
7.
die Beratung und Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind (§ 51),
8.
die Mitwirkung in Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz (§ 52),
9.
die Beratung und Unterstützung von Müttern bei Vaterschaftsfeststellung und Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sowie von Pflegern und Vormündern (§§ 52a, 53a),
10.
die Erteilung, der Widerruf und die Zurücknahme der Anerkennung als Vormundschaftsverein (§ 54),
11.
Beistandschaft, Pflegschaft und Vormundschaft des Jugendamts (§§ 55 bis 57),
12.
Beurkundung (§ 59),
13.
die Aufnahme von vollstreckbaren Urkunden (§ 60).

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

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Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn

1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder
2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und
a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder
b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nummer 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.

(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.

(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich

1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder
2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nummer 2 entsprechend. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.

(4) Die Inobhutnahme endet mit

1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten,
2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.

(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.

(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.

Hilfe zur Erziehung in einer Einrichtung über Tag und Nacht (Heimerziehung) oder in einer sonstigen betreuten Wohnform soll Kinder und Jugendliche durch eine Verbindung von Alltagserleben mit pädagogischen und therapeutischen Angeboten in ihrer Entwicklung fördern. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie

1.
eine Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen oder
2.
die Erziehung in einer anderen Familie vorbereiten oder
3.
eine auf längere Zeit angelegte Lebensform bieten und auf ein selbständiges Leben vorbereiten.
Jugendliche sollen in Fragen der Ausbildung und Beschäftigung sowie der allgemeinen Lebensführung beraten und unterstützt werden.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

(1) Für die Berechnung von Fristen und für die Bestimmung von Terminen gelten die §§ 187 bis 193 des Bürgerlichen Gesetzbuches entsprechend, soweit nicht durch die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmt ist.

(2) Der Lauf einer Frist, die von einer Behörde gesetzt wird, beginnt mit dem Tag, der auf die Bekanntgabe der Frist folgt, außer wenn dem Betroffenen etwas anderes mitgeteilt wird.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Dies gilt nicht, wenn dem Betroffenen unter Hinweis auf diese Vorschrift ein bestimmter Tag als Ende der Frist mitgeteilt worden ist.

(4) Hat eine Behörde Leistungen nur für einen bestimmten Zeitraum zu erbringen, endet dieser Zeitraum auch dann mit dem Ablauf seines letzten Tages, wenn dieser auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt.

(5) Der von einer Behörde gesetzte Termin ist auch dann einzuhalten, wenn er auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt.

(6) Ist eine Frist nach Stunden bestimmt, werden Sonntage, gesetzliche Feiertage oder Sonnabende mitgerechnet.

(7) Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, können verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen. Die Behörde kann die Verlängerung der Frist nach § 32 mit einer Nebenbestimmung verbinden.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

Der Anspruch auf Erstattung ist ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Rückerstattung eines Teilbetrages, den er als überörtlicher Träger der Jugendhilfe an die beklagte Stadt im Rahmen einer Kostenerstattung gezahlt hat.

2

Mit einem am 25. August 2011 eingegangenen Schreiben vom 23. August 2011 machte die Beklagte einen Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII gegenüber dem vom Bundesverwaltungsamt mit Schreiben vom 18. März 2010 zum erstattungspflichtigen Kostenträger bestimmten Kläger geltend. Der Anspruch betraf die Aufwendungen für einen unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer. Die Beklagte hatte diesen nach ihren eigenen Angaben am 14. Januar 2010 in Obhut genommen und ihm im Anschluss an die am 2. März 2010 beendete Inobhutnahme ab dem 3. März 2010 Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung gewährt.

3

Der Kläger erkannte seine Kostenerstattungspflicht zunächst nur für die Zeit vom 25. August 2010 bis 13. Juni 2011, dem Ende der Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung, an. Später gab er auch für den verbleibenden Zeitraum eine Kostenerstattungszusage ab und leistete den insoweit angeforderten Betrag. In der Folgezeit begehrte er die Rückerstattung des für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 gezahlten Betrages in Höhe von 45 038,42 €. Zur Begründung stützte er sich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 -. Diese sei nicht - wie von ihm ursprünglich angenommen - dahin auszulegen, dass die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X erst mit dem Ende der Gesamtleistung zu laufen beginne. Bei der Berechnung der Ausschlussfrist sei vielmehr auf die einzelnen Teilleistungszeiträume abzustellen. Somit könne eine Erstattung erst ab dem 25. August 2010 erfolgen. Die Beklagte verweigerte die Rückzahlung des geforderten Betrages.

4

Das Verwaltungsgericht hat der am 6. November 2014 erhobenen Klage auf Rückerstattung stattgegeben. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs nach § 112 SGB X lägen vor. Der für die Zeit vom 14. Januar bis zum 24. August 2010 nach § 89d SGB VIII gegebene Kostenerstattungsanspruch sei mangels Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X untergegangen. Nach dieser Vorschrift sei für den Ablauf des Leistungszeitraums bei wiederkehrenden Leistungen der jeweilige Teilzeitraum erheblich, für den jeweils geleistet worden sei. Die Ausschlussfrist beginne deshalb für jeden Teilzeitraum neu zu laufen. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass auch Jugendhilfeleistungen, die nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum beschränkt seien, abschnittsweise gewährt würden und für die Konkretisierung des Leistungs(teil)zeitraums auf die Ausgestaltung des Abrechnungsverhältnisses mit dem zur Leistungserbringung herangezogenen Dritten abzustellen sei. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - stehe dem nicht entgegen. Ihr ließen sich insbesondere keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Anknüpfung an Teilzeiträume völlig habe aufgegeben werden sollen. Eine solche, ausschließlich auf das Ende der (Gesamt-)Leistung abstellende Interpretation der Entscheidung wäre mit dem Normzweck des § 111 Satz 1 SGB X, Erstattungsansprüche zeitnah geltend zu machen, nicht vereinbar. Außerdem sei die der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze sei das Erstattungsbegehren für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht fristgerecht geltend gemacht worden. Denn für diesen habe die Zwölf-Monats-Frist bereits am 24. August 2011 geendet.

5

Mit der Sprungrevision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie rügt eine Verletzung des § 111 Satz 1 SGB X.

6

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

7

Die Sprungrevision der Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, es müsse zeitabschnittsweise geprüft werden, ob der Kostenerstattungsanspruch innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130) - SBG X - geltend gemacht worden sei, so dass für den Fristbeginn der letzte Tag des jeweiligen Abrechnungszeitraums maßgebend sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Da für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X auf den letzten Tag, an dem die Leistung erbracht wurde, abzustellen ist, besteht lediglich ein Anspruch auf Rückerstattung der vom Kläger für die Inobhutnahme erstatteten Kosten in Höhe von 13 884,50 €.

8

Grundlage für den geltend gemachten Rückerstattungsanspruch des Klägers ist § 112 SBG X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89d Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), vor dem hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 12 des Gesetzes vom 6. Juli 2009 (BGBl. I S. 1696) - SGB VIII - erfüllt waren und der Beklagten damit gegen den Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Erstattung der Kosten zugestanden haben konnte, die sie für den unbegleitet eingereisten minderjährigen Ausländer anlässlich seiner Inobhutnahme und der ihm gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung aufgewandt hatte. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit. Ebenso ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII grundsätzlich der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X unterliegt (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 13 f. m.w.N.). Die in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten allein streitige Frage, ob der Anspruch nach dieser Bestimmung im konkreten Fall ausgeschlossen war, ist - entgegen der Ansicht des Klägers - nur in Bezug auf die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten zu bejahen (1.). Soweit der Kläger der Beklagten die Kosten für die vom 3. März bis zum 24. August 2010 gewährte Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung erstattet hat, hat die Beklagte den Kostenerstattungsanspruch mit Schreiben vom 23. August 2011 fristwahrend geltend gemacht (2.). Das ergibt den zuerkannten Rückerstattungsbetrag, dessen Höhe zwischen den Beteiligten nicht streitig und der in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB antragsgemäß ab Eintritt der Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist (vgl. insoweit stRspr im jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrecht, z.B. BVerwG, Urteil vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 44 m.w.N.).

9

1. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Anspruch auf Rückerstattung hat, soweit es um die von ihm für die Inobhutnahme vom 14. Januar bis zum 2. März 2010 erstatteten Kosten geht. Denn deren Erstattung ist zu Unrecht erfolgt. Der Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII war, soweit er sich auf die Inobhutnahme bezieht, gemäß § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Die Vorschrift bestimmt, dass der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen ist, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Ob diese Frist gewahrt wird, ist für jede Leistung im Sinne der Vorschrift gesondert zu prüfen. Bezüglich der Geltendmachung des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt auch die Inobhutnahme ihrer Art nach eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X dar (a). Die fristgerechte Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ist aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung zu beurteilen (b). Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X als fehlerhaft (c).

10

a) Die Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X ist auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII auch insoweit anwendbar, als dieser - wie hier - die Kosten der Inobhutnahme zum Gegenstand hat. Die Inobhutnahme nach 42 SGB VIII ist als (eigenständige) Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X anzusehen.

11

Der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X ist kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegen (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 18). Bei den im Kinder- und Jugendhilferecht angesiedelten Erstattungsverhältnissen erfasst die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Hilfen, deren Kosten von einem Jugendhilfeträger infolge der jugendhilferechtlichen Verknüpfung der örtlichen Zuständigkeit mit der Kostentragungspflicht zu zahlen sind, mit denen dieser aber nach den Regelungen über die Kostenerstattung nach §§ 89 ff. SGB VIII nicht endgültig belastet werden soll. Denn nach der Systematik des Gesetzes ist es Aufgabe der Kostenerstattung, durch die Zuständigkeitsregelungen nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen nach Möglichkeit auszugleichen und auf diesem Weg für eine gleichmäßige Kostenverteilung zwischen den einzelnen Trägern der Jugendhilfe zu sorgen. Dementsprechend folgt im Siebten Kapitel des Sozialgesetzbuches Achtes Buch unmittelbar auf die im Zweiten Abschnitt geregelte (vorrangige) örtliche Zuständigkeit der Dritte Abschnitt mit seinen Regelungen über die Kostenerstattung. Überdies knüpft auch der Wortlaut der einzelnen Erstattungsansprüche nach §§ 89 ff. SGB VIII zum Teil ausdrücklich an die örtliche Zuständigkeit nach §§ 86 ff. SGB VIII an (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 19). Mithin unterfallen dem Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X alle Maßnahmen und Aufgaben, für die im Zweiten Abschnitt des Siebten Kapitels des Achten Buches Sozialgesetzbuch eine Zuständigkeitsbestimmung getroffen und eine Kostenerstattungsregelung (§§ 89 ff. SGB VIII) vorgesehen ist.

12

Gemessen daran ist die Inobhutnahme eine Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB XII, weil insoweit in § 87 SGB die örtliche Zuständigkeit geregelt ist und sich in § 89b SGB VIII eine ausdrücklich und in § 89d SGB VIII eine der Sache nach an die Inobhutnahme anknüpfende Kostenerstattungsregelung findet. Ihr etwaiger Eingriffscharakter steht ihrer Bewertung als Leistung im Kontext des jugendhilferechtlichen Kostenerstattungsrechts und damit ihrer Einbeziehung in den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Die Inobhutnahme enthält in Form der mit ihr notwendig verbundenen Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und sozialpädagogischer Betreuung auch Leistungs- bzw. Zuwendungselemente (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2015 - 5 C 21.14 - juris Rn. 13 und 15 m.w.N.). Die dadurch verursachten Kosten sind nach den allgemeinen Grundsätzen des Jugendhilferechts zunächst von dem nach § 87 SGB VIII örtlich zuständigen Jugendhilfeträger zu tragen, der aber gegebenenfalls durch den nach §§ 89b, 89d SGB VIII erstattungspflichtigen Leistungsträger von der Kostenbelastung freizustellen ist. Letzterer ist im Hinblick auf die Erstattung der durch eine Inobhutnahme anfallenden Kosten nicht weniger schutzwürdig als ein erstattungspflichtiger Leistungsträger bezüglich der Ansprüche, die auf die Kosten einer Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII gerichtet sind. Auch im Fall der Inobhutnahme ist dem berechtigten Interesse des erstattungspflichtigen Leistungsträgers Rechnung zu tragen, möglichst kurze Zeit nach der Gewährung der mit der Inobhutnahme verbundenen Leistungen zu erfahren, welche finanziellen Ansprüche auf ihn zukommen, so dass er gegebenenfalls für die zu erwartende Belastung entsprechende Mittel im Haushalt einstellen bzw. Rücklagen bilden kann.

13

Bei der Inobhutnahme handelt es sich um eine selbständige Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB VIII und nicht etwa zusammen mit der nachfolgend gewährten Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung um einen Teil einer Gesamtleistung. Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X auch aus verschiedenen Leistungen im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen, wenn und soweit die betreffenden Einzelleistungen unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten als eine Einheit zu werten sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Schwerpunkte innerhalb des Hilfebedarfes bei dem vielfach auf einen längeren Zeitraum angelegten Hilfeprozess verschieben und für die Ausgestaltung der Hilfe Modifikationen, Änderungen oder Ergänzungen bis hin zu einem Wechsel der Hilfeart erforderlich werden, die gewährte Jugendhilfe im Verlauf des ununterbrochenen Hilfeprozesses also einer anderen Nummer des § 2 Abs. 2 SGB VIII zuzuordnen und dementsprechend innerhalb des Sozialgesetzbuches Achtes Buch nach einer anderen Rechtsgrundlage zu bewilligen ist (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - BVerwGE 137, 368 Rn. 20 m.w.N.). Keine im Sinne des Jugendhilferechts einheitliche Leistung können - auch bei einem wie vorliegend an sich nicht qualitativ veränderten Bedarf - die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 SGB VIII den sonstigen Aufgaben der Jugendhilfe zugeordnete Inobhutnahme und die in § 2 Abs. 2 SGB VIII genannten Leistungen bilden (vgl. so für die Inobhutnahme und die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bereits BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22 f.).

14

b) Bei der Bestimmung der fristgerechten Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs ist von einer ganzheitlichen Betrachtung auszugehen. Damit korrespondierend beginnt die zwölfmonatige Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X mit Ablauf des letzten Tages, an dem die jeweilige Leistung im Sinne dieser Vorschrift erbracht wurde. Der Senat hält an dieser im Urteil vom 19. August 2010 - 5 C 14.09 - (BVerwGE 137, 368 Rn. 22) vertretenen Auffassung fest (so auch: Kunkel/Pattar, in: Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 89f Rn. 30; Degener, in: Jans/Happe/Saurbier/Maas, Jugendhilferecht, 3. Aufl., § 111 SGB X Rn. 2b; Eschelbach/Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89f Rn. 5; DIJuF-Rechtsgutachten vom 9. April 2014, JAmt 2014, S. 199).

15

Für sie sprechen insbesondere systematische Gesichtspunkte. Dem in § 111 Satz 1 SGB X verwendeten Begriff der Leistung kommt eine doppelte Funktion zu. Er dient zum einen dazu, den gegenständlichen Anwendungsbereich der Norm näher zu umschreiben, da sich der geltend gemachte Erstattungsanspruch auf die Kosten einer "Leistung" beziehen muss. Zum anderen wird durch ihn der Beginn der Ausschlussfrist ("nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde") markiert. Den Grundsätzen der systematischen Gesetzesauslegung entsprechend wird der Begriff der Leistung in § 111 Satz 1 SGB X bezüglich beider Wirkungsrichtungen einheitlich verwendet. Denn ein Begriff ist innerhalb derselben Norm grundsätzlich nicht inhaltlich unterschiedlich zu deuten. Es ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber einem Begriff innerhalb derselben Norm keine sich einander widersprechenden oder gegenseitig ausschließenden Bedeutungsinhalte beimisst. Etwas anderes kann nur ausnahmsweise beim Vorliegen entsprechender gegenteiliger Anhaltspunkte gelten (vgl. Bleckmann, JuS 2002, 942 <944> m.w.N.), an denen es in Bezug auf § 111 Satz 1 SGB X fehlt.

16

Nach Maßgabe des kontextabhängig und bereichsspezifisch auszulegenden Leistungsbegriffs des § 111 Satz 1 SGB X kann - wie aufgezeigt - unter jugendhilferechtlichen Bedarfsgesichtspunkten eine einzige Leistung auch aus verschiedenen (Einzel-)Leistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII bestehen. Liegen die Voraussetzungen einer solchen bedarfsorientierten Gesamtbetrachtung vor und ist deshalb mit Blick auf den Anwendungsbereich des § 111 Satz 1 SGB X von einer einzigen Leistung auszugehen, streitet aus systematischen Gründen im Interesse der Einheitlichkeit des Leistungsbegriffs ganz Überwiegendes dafür, auch für den Beginn der Frist des § 111 Satz 1 SGB X von diesem Verständnis auszugehen. Dies spricht deutlich dagegen, für den Fristlauf von einem zeitabschnittsweisen Leistungsbegriff auszugehen, also die (Gesamt-)Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X in Teilleistungen zu stückeln, die mit einer im Einzelfall erfolgten abschnittsweisen Abrechnung korrespondieren, und für den Fristbeginn infolgedessen den Ablauf des letzten Tages der jeweiligen Teilleistung als maßgeblich anzusehen. Geboten ist vielmehr, auch für den Beginn der Ausschlussfrist die erstattungspflichtige Leistung in ihrer Gesamtheit in den Blick zu nehmen und dementsprechend auf den letzten Tag ihrer Gewährung abzustellen.

17

Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall, in dem es nicht um eine aus mehreren Einzelleistungen im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB X bestehende Gesamtleistung geht, sondern um eine Inobhutnahme. Da die Frage, wie der Leistungsbegriff des § 111 Satz 1 SGB X im Zusammenhang mit dem Beginn der Ausschlussfrist auszulegen ist, ebenfalls aus systematischen Gründen nur einheitlich beantwortet werden kann, ist auch bei dieser Fallgestaltung auf das Ende dieser Maßnahme abzustellen.

18

Dem systematischen Argument kommt ein so hohes Gewicht zu, dass teleologische Erwägungen zurücktreten müssen, zumal der mit der zeitnahen Anmeldung des Erstattungsanspruchs verfolgte Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers durch das Abstellen auf das Ende der (Gesamt-)Leistung nicht ausgehöhlt wird. Die Ausschlussfrist soll - wie dargelegt - gewährleisten, dass mit der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet wird. Vielmehr soll der erstattungspflichtige Leistungsträger möglichst bald nach der Leistungserbringung über die auf ihn zukommenden Erstattungsansprüche in Kenntnis gesetzt werden, so dass er sich darauf einstellen und gegebenenfalls Vorsorge treffen kann (vgl. BT-Drs. 9/95 S. 26). Wird Hilfe nur über einen kurzen Zeitraum gewährt, ist die rechtzeitige Information des erstattungspflichtigen Leistungsträgers auch bei einer Geltendmachung des Erstattungsanspruchs innerhalb eines Jahres nach dem Ende der (Gesamt-)Leistung in der Regel gewährleistet. Erstreckt sich die Hilfegewährung über einen längeren, möglicherweise mehrere Jahre umfassenden Zeitraum, liegt es mit Blick auf die regelmäßig nicht unerheblichen Kosten schon im Eigeninteresse des erstattungsberechtigten Leistungsträgers, seinen Anspruch frühzeitig, gegebenenfalls schon während der laufenden Hilfegewährung anzumelden, so dass der erstattungspflichtige Leistungsträger regelmäßig auch in diesen Fällen hinreichend geschützt ist. Zudem führen etwa erhebliche Leistungsunterbrechungen (vgl. § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 SGB VIII) oder die (weitere) Gewährung von Hilfen im Falle eines sich qualitativ ändernden jugendhilferechtlichen Bedarfs dazu, dass eine neue Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne vorliegt und mit der Beendigung der vorherigen Leistungsgewährung die Frist des § 111 Satz 1 SGB X in Lauf gesetzt wird.

19

In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben hat die Beklagte den Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, soweit er auf die Erstattung der im Zusammenhang mit der Inobhutnahme angefallenen Kosten gerichtet war, nicht fristgerecht geltend gemacht. Nach den gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, endete die Inobhutnahme am 2. März 2010. Der diesbezügliche Erstattungsanspruch hätte also bis zum Ablauf des 2. März 2011 geltend gemacht werden müssen. Der entsprechende Antrag der Beklagten ging beim Kläger aber erst am 25. August 2011 ein.

20

c) Ein anderes Ergebnis ist hier auch nicht mit Blick auf § 111 Satz 2 SGB X gerechtfertigt.

21

Nach dieser Vorschrift wird der Beginn der Ausschlussfrist auf einen späteren Zeitpunkt hinausgeschoben. Der Lauf der Frist beginnt danach frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann hier dahinstehen, ob § 111 Satz 2 SGB X auf den Kostenerstattungsanspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII jedenfalls entsprechend anwendbar ist (vgl. zur verneinten unmittelbaren Anwendung BSG, Urteil vom 10. Mai 2005 - B 1 KR 20/04 R - SozR 4-1300 § 111 Nr. 3). Auch bei Erfüllung der Voraussetzungen für einen Analogieschluss ist eine Geltendmachung innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist nicht feststellbar.

22

Im Fall der in Rede stehenden Gewährung von Jugendhilfe an einen im Ausland geborenen, unbegleitet eingereisten jungen Menschen wäre der Beginn der Ausschlussfrist bei einer entsprechenden Anwendung des § 111 Satz 2 SGB X auf den Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem der örtliche Träger von den Tatsachen Kenntnis erlangt, die zur Bestimmung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers erforderlich sind. Nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts datiert die von der Beklagten beim Bundesverwaltungsamt beantragte Bestimmung des zur Kostenerstattung verpflichteten Leistungsträgers im Sinne von § 89d Abs. 3 Satz 1 SGB VIII vom 18. März 2010. Ausweislich des Stempelaufdrucks auf dem sich in den Verwaltungsvorgängen befindenden Schreiben des Bundesverwaltungsamtes ist dieses am 25. März 2010 bei der Beklagten eingegangen. Der Senat kann diesen Umstand seiner Entscheidung zugrunde legen, weil das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich auch die Verwaltungsakten in Bezug genommen und damit die darin enthaltenen tatsächlichen Umstände im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO festgestellt hat. Mithin war die Zwölf-Monats-Frist bei Eingang des Antrags auf Kostenerstattung abgelaufen.

23

2. Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Rückerstattung im Ergebnis zu Unrecht bejaht, soweit er die für die Hilfe zur Erziehung in Form der Heimerziehung vom 3. März bis 24. August 2010 erstatteten Kosten zum Gegenstand hat. Diese Kosten wurden der Beklagten zu Recht erstattet. Die Beklagte hat den diesbezüglichen Anspruch nach § 89d Abs. 1 Satz 1 SGB VIII innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X geltend gemacht.

24

Die zur Deckung eines qualitativ unveränderten Bedarfs von der Beklagten im vorgenannten Zeitraum gewährte Hilfe zur Erziehung in Form von Heimerziehung nach §§ 27, 34 SGB VIII ist - nach Maßgabe der dargelegten Rechtsgrundsätze - eine Leistung im Sinne von § 111 Satz 1 SGB X.

25

Der sich auch auf diese Kosten beziehende Anspruch der Beklagten auf Erstattung gemäß § 89d SGB VIII wurde innerhalb der zwölfmonatigen Ausschlussfrist beim Kläger eingereicht. Denn diese begann - in Anwendung des dargelegten rechtlichen Maßstabes - erst mit Ablauf des 13. Juni 2011 zu laufen.

26

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.

Tatbestand

1

Die beteiligten Jugendhilfeträger streiten darüber, wer die Kosten einer im Jahre 2012 durchgeführten Inobhutnahme zu tragen hat und anschließend für den Jugendhilfefall örtlich zuständig gewesen ist.

2

Die Beklagte erbrachte von 2005 bis Mitte Mai 2012 in verschiedenen Formen Jugendhilfeleistungen zugunsten des 1996 geborenen Joey B. Der Hilfeempfänger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt während dieser Zeit bei seiner allein personensorgeberechtigten Mutter im Zuständigkeitsbereich der beklagten Stadt, während sein Vater im Zuständigkeitsbereich der klagenden Stadt wohnte. Zuletzt gewährte die Beklagte der Mutter des Jugendlichen mit Bescheid vom 13. März 2012 Hilfe zur Erziehung durch dessen Unterbringung in einem Kinderheim.

3

Am Abend des 10. Mai 2012 brachte ein Mitarbeiter des Kinderheims den Jugendlichen zu seiner Mutter, weil er im Kinderheim "nicht mehr tragbar" sei. Die am folgenden Tag im Jugendamt der Beklagten einberufene Fachkonferenz kam zu dem Ergebnis, dem Jugendlichen und seinen Eltern nunmehr die Gewährung einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung vorzuschlagen. Aus diesem Grund rief der Sachbearbeiter des Jugendamtes in den nächsten Tagen bei dem Vater an. Dieser teilte mit, er habe seinen Sohn in seinen Haushalt aufgenommen und benötige keine Hilfe zur Erziehung. Am 18. Mai 2012 versuchte der Sachbearbeiter, die Mutter des Jugendlichen telefonisch zu erreichen, konnte aber nur deren Lebensgefährten sprechen. Dieser bestätigte, dass der Junge nun bei seinem Vater sei. Dies nahm der Sachbearbeiter des Jugendamtes der Beklagten zum Anlass, den Fall nicht weiter zu betreiben, da nach seiner Einschätzung die Familie eine eigene Lösung entwickelt habe. Mit Beschluss des Familiengerichts vom 29. Mai 2012 wurde dem Vater des Jugendlichen das gemeinsame Sorgerecht mit der Mutter zuerkannt.

4

Am 25. Juni 2012 wandte sich die Mutter hilfesuchend telefonisch an das Jugendamt der Klägerin, da der Vater des Jugendlichen einen Suizidversuch unternommen hatte. Nach Anforderung der Akten des Jugendamtes der Beklagten und mit Einverständnis sowohl des Jugendlichen als auch beider sorgeberechtigter Elternteile nahm das Jugendamt der Klägerin den Jugendlichen am 16. Juli 2012 in Obhut und brachte ihn vorläufig in einem Kinderheim unter.

5

Am 25. Juli 2012 informierte das Jugendamt der Klägerin die Beklagte per E-Mail über die Inobhutnahme. Mit an die Mutter des Jugendlichen gerichteten Bescheid vom 26. Juli 2012 stellte die Beklagte die von ihr bewilligte Hilfe zur Erziehung ein, da die Mutter in einem Mitteilungsgespräch über die weitere Hilfegewährung erklärt habe, dass sie "keine weitere Hilfe mehr möchte", weil "ihr Sohn zum Vater nach Mannheim" gezogen sei.

6

Im Kinderheim unternahm der Jugendliche einen Suizidversuch und wurde, nachdem er aus dem Heim weggelaufen war, Ende Juli 2012 vorläufig in das Zentralinstitut für seelische Gesundheit in M. aufgenommen. Dort wurde er auf Wunsch der Eltern und mit Genehmigung des Familiengerichts am 5. September 2012 in die geschlossene Abteilung des Zentralinstituts zur Diagnostik eingewiesen. Am selben Tage beendete die Klägerin die Inobhutnahme. Mit Schreiben vom 6. September 2012 forderte sie die Beklagte auf, ihr die Kosten der Inobhutnahme zu erstatten und das Verfahren zur Gewährung von Hilfe zur Erziehung einzuleiten.

7

Nachdem das Familiengericht Ende Oktober 2012 die Unterbringung des Jugendlichen in der geschlossenen sozialtherapeutisch-forensischen Abteilung einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie genehmigt hatte, bewilligte die Klägerin hierfür seinen Eltern mit Bescheiden vom 26. November 2012 antragsgemäß Hilfe zur Erziehung ab seiner dortigen Aufnahme am 19. November 2012. Gegenüber der Beklagten vertrat die Klägerin die Auffassung, sie sei nur vorläufig für die eigentlich zuständige Beklagte tätig geworden. Sie forderte diese auf, die für die Inobhutnahme des Jugendlichen vom 16. Juli bis zum 5. September 2012 entstandenen Kosten in Höhe von 7 494,42 € zu erstatten und den Jugendhilfefall zu übernehmen. Dies lehnte die Beklagte ab.

8

Das Verwaltungsgericht hat der daraufhin erhobenen Klage stattgegeben. Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Inobhutnahme aus § 89b Abs. 1 SGB VIII zu. Die Beklagte sei zudem der nach wie vor örtlich zuständige Jugendhilfeträger in diesem Fall, so dass auch der entsprechende Feststellungsantrag der Klägerin begründet sei.

9

Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung gegen die Beklagte. Die nach § 89b Abs. 1 SGB VIII erforderliche fiktive örtliche Zuständigkeit der Beklagten sei nicht gegeben. Vielmehr sei die örtliche Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII auf die Klägerin übergegangen, weil der in M. wohnende Vater derjenige Elternteil gewesen sei, bei dem sich der Jugendliche vor seiner Inobhutnahme zuletzt gewöhnlich aufgehalten habe. Das gelte sowohl, wenn man ausschließlich auf den Zeitpunkt vor der Inobhutnahme abstelle, als auch dann, wenn man die zuvor von der Beklagten seit 2005 erbrachten Leistungen der Jugendhilfe berücksichtige. Die Inobhutnahme des Jugendlichen sei entgegen der Annahme der Klägerin und des Verwaltungsgerichts nicht mehr Teil einer einzigen "Leistung" der Jugendhilfe gewesen. Wenn eine Jugendhilfeleistung - wie hier ab Mai 2012 - nicht nur vorübergehend tatsächlich nicht mehr erbracht werde, sondern unterbrochen oder gar förmlich eingestellt worden sei, liege eine Beendigung der "Leistung" der Jugendhilfe vor, sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlusshilfeleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant gewesen sei. Letzteres sei hier nicht der Fall gewesen. Die bisherige Hilfeleistung sei damit beendet worden und eine andere Hilfe habe mangels Einverständnis der Eltern nicht bewilligt werden können. Allein der Umstand, dass weiterhin ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden habe, rechtfertige nicht die Annahme, dass sich die Inobhutnahme des Jugendlichen am 16. Juli 2012 zusammen mit den früher bewilligten Hilfen noch als Teil einer einzigen, ununterbrochenen "Leistung" im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII darstelle.

10

Mit ihrer hiergegen erhobenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie macht geltend, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Verletzung der §§ 86 und 89b SGB VIII sowie des § 39 SGB X. Die Klägerin ist insbesondere der Auffassung, dass wegen des fortbestehenden Jugendhilfebedarfs eine Beendigung oder erhebliche Unterbrechung der bisherigen einheitlichen Jugendhilfeleistung nicht eingetreten sei, so dass es nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII auf den Zeitpunkt vor Beginn der einheitlichen Leistung im Jahr 2005 ankomme, als der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner zu diesem Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Mutter im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gehabt habe.

11

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht im Sinne von § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht in Einklang. Es verletzt § 89b Abs. 1 und § 86 Abs. 2 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) vom 26. Juni 1990 (BGBl. I S. 1163) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3134), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586). Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin die Kosten für die Inobhutnahme des Jugendlichen zu erstatten (1.) und den Jugendhilfefall in die eigene Zuständigkeit zu übernehmen (2.).

13

1. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der ihr für die Inobhutnahme in der Zeit vom 16. Juli bis 5. September 2012 entstandenen Kosten in Höhe von 7 494,42 € folgt aus § 89b Abs. 1 SGB VIII. Nach dieser Vorschrift sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen der Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

14

Die Beteiligten wie auch die Vorinstanzen gehen zu Recht davon aus, dass die Klägerin der nach § 89b Abs. 1 SGB VIII anspruchsberechtigte Träger ist, weil sie als örtlicher Träger der Jugendhilfe im Rahmen der Inobhutnahme des Jugendlichen Kosten aufgewendet hat. Zwischen ihnen steht weder die Höhe der angefallenen Kosten noch die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII im Streit, für welche die Klägerin nach § 87 SGB VIII als der Jugendhilfeträger, in dessen Bereich sich der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme am 18. Juli 2012 tatsächlich aufgehalten hat, zuständig gewesen ist.

15

Die Beklagte ist der zur Kostenerstattung nach § 89b Abs. 1 SGB VIII verpflichtete Jugendhilfeträger. Denn sie ist im Sinne dieser Vorschrift der örtliche Träger, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird. Die danach erforderliche örtliche Zuständigkeit der Beklagten nach § 86 SGB VIII ergibt sich für die Zeit der Inobhutnahme (und darüber hinaus) aus der an den gewöhnlichen Aufenthalt eines Elternteiles anknüpfenden Regelung des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII. Danach ist in Fällen, in denen die Eltern eines Kindes oder Jugendlichen verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und beide personensorgeberechtigt sind, der gewöhnliche Aufenthalt des Elternteiles maßgeblich, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

16

Diese Voraussetzungen sind insoweit unstreitig gegeben, als feststeht, dass beide Elternteile ab dem 29. Mai 2012 gemeinsam sorgeberechtigt waren und jedenfalls schon ab dem Jahr 2005 verschiedene gewöhnliche Aufenthalte hatten. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist auch die weitere Voraussetzung des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII erfüllt, dass der minderjährige Hilfeempfänger vor Beginn der Leistung zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei seiner Mutter im Zuständigkeitsbereich der Beklagten hatte.

17

Bei der Konkretisierung des auslegungsbedürftigen Merkmals "vor Beginn der Leistung" im Sinne von § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ist - auch und gerade soweit § 89b Abs. 1 SGB VIII auf diese Vorschrift Bezug nimmt - der zuständigkeitsrechtliche Leistungsbegriff (im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII) zugrunde zu legen (a). Entgegen der Rechtsansicht des Oberverwaltungsgerichts ist der hier 2005 mit der erstmaligen Erbringung von Jugendhilfeleistungen einsetzende Hilfeleistungsprozess durch die tatsächliche Einstellung der Hilfe im Mai 2012 oder die Einstellung mit Bescheid vom 26. Juli 2012 weder im Rechtssinne beendet (b) noch in zuständigkeitserheblicher Weise unterbrochen worden (c). Auch die von dem Jugendamt der Klägerin ab 18. Juli 2012 verantwortete Inobhutnahme des Jugendlichen führte nicht zu einer zuständigkeitsrechtlichen Zäsur (d).

18

a) § 89b Abs. 1 SGB VIII, wonach die Kostenerstattungsverpflichtung den örtlichen Träger trifft, dessen Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt nach § 86 SGB VIII begründet wird, stellt nicht durchweg auf den gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt vor Beginn der Inobhutnahme ab, sondern nimmt mit der Verweisung auf § 86 SGB VIII auf die Voraussetzungen des jeweiligen Tatbestands - hier des § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII - Bezug (aa), so dass im vorliegenden Fall auf den Beginn der einheitlichen Jugendhilfeleistung im Jahre 2005 abzustellen ist (bb).

19

aa) Das Oberverwaltungsgericht nimmt zu Recht an, dass derjenige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach § 89b Abs. 1 SGB VIII kostenerstattungspflichtig ist, der für die Inobhutnahme, würde es sich dabei nicht um eine andere Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII, sondern um eine Leistung der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII handeln, nach § 86 SGB VIII zuständig gewesen wäre. Mit dieser Verweisung auf § 86 SGB VIII wird zugleich auf den zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff des § 86 SGB VIII Bezug genommen. "Leistung", an deren Beginn § 86 Abs. 2 Satz 2 bis 4 und Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB VIII für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit anknüpfen, sind danach unabhängig von der Hilfeart und -form im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen, sofern sie ohne beachtliche Unterbrechung gewährt worden sind (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 29. Januar 2004 - 5 C 9.03 - BVerwGE 120, 116 <119>, vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 22, vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 Rn. 20 und vom 13. Dezember 2012 - 5 C 25.11 - BVerwGE 145, 257 Rn. 17 m.w.N.). Unter "Beginn" der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII ist das Einsetzen der Hilfegewährung und damit grundsätzlich der Zeitpunkt zu verstehen, ab dem die konkrete Hilfeleistung tatsächlich gegenüber dem Hilfeempfänger erbracht wird (BVerwG, Urteile vom 19. Oktober 2011 - 5 C 25.10 - BVerwGE 141, 77 Rn. 18, vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 13 und vom 28. April 2016 - 5 C 13.15 - ZKJ 2016, 375 Rn. 25).

20

Soweit § 89b Abs. 1 SGB VIII dahin verstanden wird, dass die Inobhutnahme zuständigkeitsrechtlich entsprechend § 86 SGB VIII immer wie eine neue Leistung zu behandeln sei, so dass es stets auf den gewöhnlichen Aufenthalt der maßgeblichen Person (unmittelbar) vor Beginn der Inobhutnahme ankomme (vgl. etwa OVG Münster, Beschluss vom 29. November 2013 - 12 A 1019/13 - juris Rn. 19 ff. und Urteil vom 21. März 2014 - 12 A 1211/12 - JAmt 2014, 644 <648 f.>; Eschelbach/Schindler, in: Frankfurter Kommentar zum SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 89b Rn. 1), folgt dem der Senat nicht. Vielmehr ist aus dem Umstand, dass die Inobhutnahme im Rahmen des § 89b Abs. 1 SGB VIII kraft dessen Verweisung auf die Zuständigkeitsregelung für Jugendhilfeleistungen (§ 86 SGB VIII) wie eine Leistung zu behandeln ist, zu schließen, dass sie - wie im vorliegenden Fall - auch in einen bereits (längere Zeit) vor Beginn der Inobhutnahme begründeten Leistungszusammenhang im Sinne des zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs einzubeziehen sein kann. Anderes kann in Fallkonstellationen gelten, in denen der Inobhutnahme schon keine Jugendhilfeleistung vorausgegangen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 ff.).

21

Dem Wortlaut des § 89b Abs. 1 SGB VIII ist eine Festlegung auf den Zeitpunkt vor der Inobhutnahme nicht zu entnehmen. Die Vorschrift verweist zwar nicht insgesamt auf die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit, sondern nur auf jene Tatbestände des § 86 SGB VIII, bei denen eine Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt "begründet" wird. Es heißt jedoch nicht, dass der gewöhnliche Aufenthalt vor der Inobhutnahme maßgebend sei, sondern es wird allgemein auf diejenigen Regelungen des § 86 SGB VIII verwiesen, die an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfen.

22

Die Formulierung "begründet wird" in § 89b Abs. 1 SGB VIII ist dabei nicht ihrem engeren Wortsinn nach, sondern im Sinne von "begründet würde" dahin zu verstehen, dass die Regelung des § 86 SGB VIII für die Ermittlung der Kostenerstattungspflicht entsprechend anzuwenden ist (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 29. November 2013 - 12 A 1019/13 - juris Rn. 17; Kern, in: Schellhorn/Fischer/Mann/Kern, SGB VIII, 5. Aufl. 2016, § 89b Rn. 5; Streichsbier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Juni 2014, § 89b Rn. 4). Denn eine für die Inobhutnahme unmittelbar geltende Zuständigkeitsregelung für den handelnden Träger ist bereits in § 87 SGB VIII getroffen, wonach der Jugendhilfeträger, in dessen Bereich sich der Jugendliche vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufgehalten hat, für die Inobhutnahme örtlich zuständig ist. Dabei ist die durch § 89b Abs. 1 SGB VIII bewirkte entsprechende Anwendung der an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpfenden Tatbestände des § 86 SGB VIII aber nur insoweit erforderlich, als das oben genannte Hindernis für die Anwendung des § 86 SGB VIII - die fehlende Qualität der Inobhutnahme als Leistung der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII - zu überbrücken ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass § 89b Abs. 1 SGB VIII im Übrigen auf die Grundsätze des § 86 SGB VIII zur Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit - und damit auch auf den dieser Vorschrift zugrunde liegenden zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff - in uneingeschränktem Umfang Bezug nimmt.

23

Dieses Verständnis ist insbesondere durch Sinn und Zweck des § 89b Abs. 1 SGB VIII geboten. Die Vorschrift soll zu einer sachgerechten Lastenteilung und namentlich zu einer kostenmäßigen Entlastung jener Träger der öffentlichen Jugendhilfe beitragen, deren Bezirk großstädtisch geprägt ist und in deren Bereich Inobhutnahmen verhältnismäßig häufig vorgenommen werden (vgl. etwa Kunkel/Pattar, in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 6. Aufl. 2016, § 89b Rn. 1; Loos, in: Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 89b Rn. 1; Streichsbier, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Juni 2014, § 89b Rn. 6). Insoweit finden ähnliche Erwägungen Anwendung, wie sie auch für den Schutz der Einrichtungsorte gelten (vgl. Stähr, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand: November 2011, § 89b Rn. 6). Die angestrebte Entlastungswirkung soll dadurch erreicht werden, dass demjenigen Jugendhilfeträger die Pflicht zur Tragung der Kosten der Inobhutnahme auferlegt wird, der auch für die Kosten einer Leistung der öffentlichen Jugendhilfe aufzukommen hätte. Erstattungspflichtig für die Kosten der Inobhutnahme soll danach derjenige Träger sein, der aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der nach § 86 Abs. 1 bis 6 SGB VIII maßgeblichen Personen für die Erbringung einer Jugendhilfeleistung (anstelle der Inobhutnahme) zuständig gewesen wäre. Dem entspricht eine grundsätzlich umfassende Verweisung auf die diesbezüglichen Grundsätze des § 86 SGB VIII. Verengte man hingegen die Prüfung dieser Norm darauf, dass es - unter Außerachtlassung eines bestehenden Leistungszusammenhangs - immer auf den gewöhnlichen Aufenthalt der maßgeblichen Person vor Beginn der Inobhutnahme ankäme, so würde die örtliche Zuständigkeit nicht mehr nach den Grundsätzen des § 86 SGB VIII ermittelt, sondern ohne durchgreifende Argumente ein davon abweichender Maßstab gewählt.

24

bb) Nach Maßgabe des Vorstehenden kommt es hier für die in § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII statuierte Anordnung, wonach derjenige Elternteil maßgeblich ist, bei dem das Kind oder der Jugendliche vor Beginn der Leistung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, auf den Zeitpunkt vor der erstmaligen tatsächlichen Erbringung der Jugendhilfeleistung im Jahre 2005 an.

25

Nach den für das Revisionsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat die Beklagte seit 2005 in verschiedenen Formen Jugendhilfeleistungen zugunsten des minderjährigen Hilfeempfängers erbracht und dessen bis dahin allein sorgeberechtigter Mutter zuletzt mit Bescheid vom 13. März 2012 Hilfe zur Erziehung in Form der Unterbringung des Jugendlichen in einem Kinderheim gewährt. Danach handelte es sich - was sowohl die Vorinstanzen als auch die Beteiligten übereinstimmend zu Recht so bewerten - bei den bis Mai 2012 tatsächlich gewährten Hilfen um einen fortgesetzten Leistungsprozess, der zur kontinuierlichen Deckung eines entsprechenden jugendhilferechtlichen Bedarfs diente und deshalb als einheitliche Leistung im Sinne des zu § 86 SGB VIII entwickelten zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriffs aufzufassen ist.

26

Ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne von § 86 SGB VIII hat eine Person an dem Ort oder in dem Gebiet, an oder in dem sie sich bis auf Weiteres im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat. Bei Minderjährigen, insbesondere Kindern, kommt es für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich auf den Willen des oder der Sorgeberechtigten an (BVerwG, Urteil vom 25. März 2010 - 5 C 12.09 - BVerwGE 136, 185 Rn. 25 m.w.N.). Danach hatte der Jugendliche - was zwischen den Beteiligten ebenfalls nicht im Streit steht - seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor Beginn des Leistungsprozesses im Jahre 2005 bei seiner im Bereich der beklagten Stadt lebenden Mutter, so dass die Beklagte zunächst - während der Zeit des alleinigen Sorgerechts der Mutter - nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII und - mit Erhalt des gemeinsamen Sorgerechts durch den Vater am 29. Mai 2012 - entsprechend § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII der für Leistungen der Jugendhilfe örtlich zuständige Träger gewesen ist.

27

Die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob dieses zuständigkeitsrechtlich als einheitlich zu beurteilende Leistungsverhältnis der Beklagten zum Hilfeempfänger und seinen Eltern fortbestanden hat oder ob bereits vor der Inobhutnahme des Hilfeempfängers am 16. Juli 2012 die bis Mai 2012 von der Beklagten tatsächlich erbrachte Leistung beendet oder in zuständigkeitsrechtlich beachtlicher Weise unterbrochen worden ist, so dass eine neue Zuständigkeitsprüfung veranlasst wurde, als deren Ergebnis eine neue zuständigkeitsrechtliche Leistungsphase mit dem Übergang der Zuständigkeit auf die Klägerin begonnen und bis zum Ende der Inobhutnahme fortgedauert hat, ist zu verneinen.

28

b) Entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts ist eine Beendigung der Leistung im Sinne des § 86 SGB VIII (aa) hier nicht eingetreten (bb).

29

aa) Das Oberverwaltungsgericht geht im Hinblick auf die zuständigkeitsrechtliche Wirkung der Beendigung einer (einheitlichen) Leistung zu Recht davon aus, dass das einer wirksamen Beendigung folgende erneute Einsetzen der Leistungsgewährung stets eine neue Jugendhilfeleistung im Sinne des § 86 SGB VIII darstellt und die Zuständigkeitsfrage neu aufwirft. Das folgt im Umkehrschluss aus § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII als der insoweit einzigen Vorschrift innerhalb der Regelungen über die örtliche Zuständigkeit (§§ 86 ff. SGB VIII), die den Begriff der Beendigung verwendet. Nach § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend, wenn eine Hilfe für junge Volljährige beendet war und innerhalb von drei Monaten erneut Hilfe für junge Volljährige erforderlich wird. Diese Vorschrift erhält den bisherigen Leistungszusammenhang im Interesse der Kontinuität der Hilfeleistung trotz Beendigung einer Leistung unter der genannten weiteren Voraussetzung des erneuten Erforderlichwerdens der Hilfe innerhalb der Drei-Monats-Frist. Soweit diese besondere Fristbestimmung - wie bei der allgemeinen Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit nach § 86 SGB VIII - nicht eingreift, bleibt der durch die Beendigung aufgehobene Zusammenhang zur bisherigen Leistung auch dann aufgehoben, wenn nach kürzeren Zeiträumen als den genannten drei Monaten eine weitere (neue) Leistung erforderlich wird.

30

Der Senat vermag sich jedoch nicht der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts anzuschließen, wonach eine Beendigung einer Jugendhilfeleistung vorliegt, wenn diese "nicht nur vorübergehend tatsächlich nicht erbracht wird, sondern unterbrochen oder gar förmlich eingestellt worden ist (...), sofern nicht im Zeitpunkt der Einstellung der Jugendhilfeleistung eine Anschlusshilfeleistung bereits bewilligt oder doch konkret geplant ist (...) und sofern nicht § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Sätze 2 und 3 oder § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ausnahmsweise anderes anordnen." Dieses Begriffsverständnis steht mit Bundesrecht nicht in Einklang.

31

Eine Beendigung einer Leistung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII liegt vor, wenn der Jugendhilfeträger die von ihm bisher gewährte Hilfeleistung aufgrund eines Verwaltungsakts tatsächlich einstellt und dies in belastbarer Weise auf der Annahme beruht, dass ein objektiv erkennbarer und qualitativ unveränderter, kontinuierliche Hilfe gebietender jugendhilferechtlicher Bedarf nicht mehr fortbesteht. Kennzeichnend für die Beendigung ist also die Entscheidung des Jugendhilfeträgers, den bisherigen Hilfeleistungsvorgang nicht nur zeitweise zu unterbrechen, sondern abzuschließen, sofern dies auf der durch Tatsachen hinreichend gerechtfertigten Einschätzung gründet, dass ein entsprechender Hilfebedarf entfallen ist oder eine neue Hilfemaßnahme erforderlich ist, die zur Deckung eines andersartigen, neu entstandenen Bedarfs dient. Dies erschließt sich aus Folgendem:

32

(1) Der Inhalt des Begriffs der Beendigung der Leistung (im Sinne des § 86 SGB VIII) stimmt mit demjenigen im Sinne des § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII überein. Der durch die Orientierung an dem Begriffsverständnis des § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII bedingte Gleichlauf ist geboten, weil der Begriff der Beendigung in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit (§§ 86 ff. SGB VIII) nur dort ausdrücklich verwendet wird und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Gesetzgeber diesen Begriff im allgemeinen Zusammenhang der Regelungen über die örtliche Zuständigkeit anders verstanden wissen will.

33

Soweit in der Rechtsprechung des Senats zum Merkmal der Beendigung der Leistung im Sinne von § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII fallbezogen ausgeführt worden ist, dass es für die Beendigung im Sinne dieser Vorschrift nicht allein auf den Wegfall des jugendhilferechtlichen Bedarfs ankomme, sondern dieses Merkmal dahin auszulegen ist, dass damit der Zeitpunkt gemeint ist, ab dem die bisher geleistete Hilfe für junge Volljährige durch Verwaltungsakt eingestellt und tatsächlich nicht mehr erbracht worden ist (BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 5 C 13.15 - ZKJ 2016, 375 <377>), ist diese Rechtsprechung im oben genannten Sinne und nach Maßgabe der folgenden Ausführungen zu präzisieren und fortzuführen.

34

(2) Das oben erläuterte gleichartige Verständnis der Beendigung der Leistung im Sinne von § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII wie auch des allgemeinen, in § 86 SGB VIII nicht ausdrücklich genannten Begriffs der Beendigung erschließt sich anhand des Wortlauts, der Gesetzessystematik sowie unter Berücksichtigung des Zwecks und des Zusammenhangs mit dem Tatbestand der Unterbrechung, den der Gesetzgeber in den Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in drei Vorschriften normiert hat (§ 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII).

35

Für das dargelegte Begriffsverständnis spricht schon der Wortsinn, wie er sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergibt. Ist ein Vorgang beendet, so kann er nur wieder neu in Gang gesetzt werden. Wird er lediglich unterbrochen, so ist er darauf angelegt, fortgesetzt zu werden. Die Unterbrechung ist ihrem Wortsinn nach als eine vorübergehende Erscheinung gedacht, die auf die Fortsetzung des unterbrochenen Vorgangs ausgerichtet ist, während die Beendigung den bisherigen Vorgang abschließen soll.

36

Dass der Gesetzgeber mit den Begriffen unterschiedliche Inhalte verbindet, zeigt sich ferner daran, dass er in § 86a Abs. 4 SGB VIII der Unterbrechung (Satz 2) die Beendigung (Satz 3) gegenübergestellt hat. Dabei erschließt sich das die Beendigung kennzeichnende Merkmal des Entfallens bzw. grundlegenden Veränderns des Hilfebedarfs bereits deutlich aus dem Wortlaut und der Systematik des § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII. Denn die Vorschrift verbindet die Beendigung der Hilfeleistung mit ihrem erneuten Erforderlichwerden. Da ein erneutes Erforderlichwerden der Hilfe notwendig mit einem erneuten oder nunmehr grundlegend andersartigen, neu entstandenen Bedarf einhergeht, ist daraus zu folgern, dass für die Beendigung im Sinne von § 86a Abs. 4 Satz 3 SGB VIII der vormals bestehende Bedarf entfallen oder sich grundlegend verändert haben und aus diesem Grunde die frühere Leistung eingestellt worden sein muss.

37

Allein das dargelegte Begriffsverständnis wird auch dem systematischen Zusammenhang zwischen Beendigung und Unterbrechung der Leistung gerecht. Denn sowohl die Beendigung als auch die Unterbrechung der Leistung sind auf die Leistung im zuständigkeitsrechtlichen Sinne des § 86 SGB VIII bezogen, die sich wiederum - wie oben dargelegt - auf einen kontinuierlichen Hilfeprozess bezieht und alle zur Deckung eines qualitativ unveränderten, kontinuierliche Hilfe gebietenden jugendhilferechtlichen Bedarfs erforderlichen Maßnahmen und Hilfen zu einer einheitlichen Leistung verknüpft. Diese Zwecksetzung der Gewährung eines kontinuierlichen Hilfeprozesses legt es nahe, dass dieser an den Bedarf anknüpfende Vorgang nur "beendet" werden kann, wenn dieser Bedarf entfallen ist oder sich grundlegend verändert hat. Demgegenüber kann der sich als Hilfeprozess darstellende Leistungszusammenhang, sofern der Hilfebedarf erkennbar in gleichartiger Weise fortbesteht, nur "unterbrochen" werden, um nach Ausräumung rechtlicher Hindernisse fortgesetzt zu werden.

38

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung, ob eine Beendigung oder eine Unterbrechung der Leistung vorliegt, der Zeitpunkt ist, zu dem der Jugendhilfeträger eine im vorgenannten Sinne belastbare Entscheidung über die Einstellung der Leistungsgewährung trifft. Wegen der für den Berechtigten bzw. den Hilfeempfänger gegenüber der Unterbrechung schwerer wiegenden Folgen einer Beendigung der Jugendhilfeleistung bedarf es für die Beendigung auch aus Gründen der Rechtssicherheit überdies der Einstellung der Leistung durch einen gegenüber dem Betroffenen ergangenen Verwaltungsakt, wobei eine Einstellungsentscheidung in diesem Sinne auch vorliegt, wenn ein im letzten Bewilligungsbescheid festgelegter Leistungszeitraum abgelaufen ist und danach weitere Hilfe tatsächlich nicht mehr geleistet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2016 - 5 C 13.15 - ZKJ 2016, 375 Rn. 28; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Oktober 2016, § 86a Rn. 41.1).

39

bb) Eine Beendigung der Leistung durch die Beklagte im zuvor erläuterten Rechtssinne lag hier auf der Grundlage der für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht vor. Danach hat zwar die Beklagte ab dem 11. Mai 2012 tatsächlich die konkrete Jugendhilfeleistung zugunsten des Hilfeempfängers nicht mehr erbracht. Allerdings beruhte diese tatsächliche Einstellung der Leistungsgewährung nicht auf der belastbaren Annahme, dass ein jugendhilferechtlicher Bedarf für die Fortsetzung der Leistung nicht mehr bestand. Vielmehr fand am 11. Mai 2012 im Jugendamt der Beklagten eine Fachkonferenz statt, die zu dem Ergebnis kam, dem Jugendlichen und seinen Eltern die Gewährung einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung im Sinne von § 35 SGB VIII vorzuschlagen.

40

Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, aufgrund derer die Beklagte in der Folgezeit davon ausgehen durfte, dass ein qualitativ unveränderter, kontinuierliche Hilfe gebietender jugendhilferechtlicher Bedarf entfallen ist. Allein der Umstand, dass der Jugendliche ab Mitte Mai 2012 zu seinem Vater nach M. gezogen war, ließ den - im Hinblick auf die Erziehung des aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur problematischen Jugendlichen - bestehenden fortwährenden Bedarf noch nicht objektiv entfallen. Dagegen spricht vielmehr, dass der Sachbearbeiter im Jugendamt der Beklagten sowohl dem Vater das Hilfeangebot unterbreitet als auch am 18. Mai 2012 versucht hat, in dieser Sache die Mutter des Jugendlichen telefonisch zu erreichen. Soweit er in der Folgezeit "den Fall nicht weiter betrieben" hat, weil "die Familie eine eigene Lösung entwickelt" habe, ist dies nicht auf einen Wegfall des Bedarfs, sondern darauf zurückzuführen, dass der weiteren Leistungsgewährung durch die Beklagte ein rechtliches Hindernis entgegenstand, weil zu diesem Zeitpunkt beide Eltern ihr Einverständnis zur Fortsetzung der Hilfe nicht erteilt hatten. Der Vater, bei dem sich der Jugendliche ab Mitte Mai 2012 aufhielt, hatte eine Hilfeleistung zu dieser Zeit vielmehr ausdrücklich abgelehnt.

41

Auch die förmliche Einstellung der Hilfeleistung durch Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2012 stellt sich nicht als Beendigung der Leistung im Sinne von § 86 SGB VIII dar, da sie nicht auf das Entfallen oder eine qualitativ grundlegende Änderung des Jugendhilfebedarfs gestützt wurde und auch nicht in belastbarer Weise hätte gestützt werden können. Vielmehr hat die Beklagte nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts die der Mutter des Jugendlichen bewilligte Hilfe zur Erziehung mit Bescheid vom 26. Juli 2012 mit der Begründung eingestellt, dass die Mutter in einem "erfolgten Mitteilungsgespräch über die weitere Hilfegewährung ... erklärt" habe, dass sie "keine weitere Hilfe mehr möchte(n)", weil "ihr Sohn zum Vater nach M." gezogen sei. Eine auf einer belastbaren Annahme beruhende Feststellung, dass der Jugendhilfebedarf entfallen sei, weil der Vater erkennbar allein in der Lage gewesen wäre, den erzieherischen Bedarf zu decken, ist dem nicht zu entnehmen. Vielmehr war zu diesem Zeitpunkt bereits objektiv erkennbar, dass weiterhin ein akuter Hilfebedarf bestand. Denn der Vater hatte im Juni 2012 einen Suizidversuch unternommen und das Jugendamt der Klägerin hatte die Beklagte mit E-Mail vom 25. Juli 2012 darüber informiert, dass der Jugendliche bereits am 16. Juli 2012 in Obhut genommen und vorerst in einem Kinderheim untergebracht worden war.

42

c) Das Oberverwaltungsgericht geht zwar zu Recht davon aus, dass eine Zäsur auch dann eintritt und die örtliche Zuständigkeit neu zu prüfen ist, wenn eine beachtliche Unterbrechung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII vorliegt, also eine bislang einheitliche Jugendhilfeleistung im Rechtssinne unterbrochen wird (aa) und dies zuständigkeitsrechtlich erheblich ist (bb). Die Voraussetzungen einer solchen zuständigkeitserheblichen Unterbrechung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII sind hier jedoch ebenfalls nicht erfüllt (cc).

43

aa) Im Gegensatz zur Beendigung ist - wie sich aus der oben dargelegten Auslegung der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ergibt - der Begriff der Unterbrechung der Leistung nicht durch ein Entfallen oder eine maßgebliche Änderung, sondern durch ein Fortbestehen eines bisherigen jugendhilferechtlichen Bedarfs gekennzeichnet, dessen Deckung aus rechtlichen Gründen (zeitweise) nicht möglich oder geboten ist. Eine Unterbrechung einer Leistung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII liegt daher vor, wenn die Erbringung der bisherigen Jugendhilfeleistung trotz qualitativ unverändert fortbestehenden jugendhilferechtlichen Bedarfs aufgrund einer Entscheidung des Jugendhilfeträgers eingestellt und tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Fortsetzung der an sich notwendigen Leistungsgewährung ein rechtlicher Grund entgegensteht. Solange nämlich ein objektiv erkennbarer jugendhilferechtlicher Bedarf fortbesteht, ist der Jugendhilfeträger gehalten, diesen fortwährend zu decken und die Leistungsgewährung fortzusetzen, es sei denn, dass er aufgrund einer Rechtsnorm berechtigt oder verpflichtet ist, die Leistung einzustellen.

44

Dementsprechend können rein tatsächliche Hindernisse einer rechtlich gebotenen Leistungsgewährung nicht dazu führen, dass eine Jugendhilfeleistung im Rechtssinne unterbrochen wird. Solche tatsächlichen Hinderungsgründe können etwa darin liegen, dass die bewilligte Leistung wegen Krankheit eines Hilfeerbringers oder des Hilfeempfängers zeitweise nicht erbracht werden kann. Eine Unterbrechung liegt demgemäß nicht bereits vor, wenn die Umsetzung der bewilligten Hilfeleistung (z.B. wegen Abwesenheit, Krankheit oder Urlaubs) nicht kontinuierlich möglich ist oder bei länger dauernden Beratungsprozessen oder Begutachtungen Termine nur in zeitlich großen Abständen vergeben werden (vgl. DIJuF-Rechtsgutachten vom 12. Januar 2016, JAmt 2016, 131 <132>; Bohnert, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, Stand Juli 2016, § 86a Rn. 23 m.w.N.).

45

Dieses Begriffsverständnis des Wortes "Unterbrechung" beansprucht in gleicher Weise für die Tatbestände Geltung, in denen der Gesetzgeber diesen Terminus ausdrücklich verwendet, nämlich für § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII (vgl. Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Oktober 2016, § 86a Rn. 37). Insoweit führt das Oberverwaltungsgericht zu Recht aus, dass die Maßnahmen und Hilfen, die zusammen eine "Leistung" darstellen, unter Umständen nur an wenigen Wochenstunden erbracht werden, ohne dass deshalb die Jugendhilfeleistung zwischenzeitlich im Sinne von § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII "unterbrochen" wäre, und dass Gleiches etwa dann gilt, wenn entgegen der eigentlichen (Hilfe-)Planung und Bewilligung eine einzelne Hilfeleistung wie eine Therapieeinheit oder auch die tatsächliche Hilfeerbringung aus tatsächlichen Gründen unterbleibt oder wenn die hilfeerbringende Person plötzlich ganz ausfällt und deswegen die tatsächliche Hilfeerbringung unterbleiben muss, bis eine andere hilfeerbringende Person oder Anschlusshilfe gefunden ist.

46

Anders als bei den rein tatsächlichen Hindernissen oder Erschwernissen für die Leistungserbringung verhält es sich bei der Leistungseinstellung aus Rechtsgründen, d.h. wenn sich tatsächliche Umstände - etwa eine Verweigerungshaltung des Hilfeempfängers oder seiner Sorgeberechtigten - als jugendhilferechtlich erheblich darstellen. Ein solches rechtliches Hindernis für die Leistungserbringung kann etwa bestehen, wenn und solange die Eltern oder der maßgebliche Sorgeberechtigte die erforderliche Einwilligung zur Leistungsgewährung nicht erteilen. Das gilt etwa für die Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 27 SGB VIII, die wegen der alleinigen Anspruchsberechtigung des oder der Personensorgeberechtigten gegen deren Willen grundsätzlich nicht gewährt werden darf (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2001 - 5 C 6.00 - Buchholz 436.511 § 39 SGB VIII/KJHG Nr. 2, S. 4 f. und vom 14. November 2013 - 5 C 34.12 - BVerwGE 148, 242 Rn. 35; Nellissen, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Januar 2017, § 27 Rn. 23). Der Jugendhilfeträger darf dann nicht leisten, obwohl gegebenenfalls ein entsprechender Hilfebedarf besteht. Soweit und solange einer an sich notwendigen Bedarfsdeckung rechtliche Gründe entgegenstehen und der Träger darauf gestützt die Entscheidung trifft, die Leistungsgewährung trotz objektiv erkennbaren Hilfebedarfs bis auf Weiteres einzustellen, liegt eine Unterbrechung der (an sich fortsetzungsbedürftigen) Leistung vor. Diese Einstellungsentscheidung muss nachweislich getroffen werden, aber nicht notwendig "förmlich" durch Bescheid ergehen. Maßgeblich ist, dass aufgrund einer belastbaren Entscheidung des Jugendhilfeträgers die Hilfe wegen eines rechtlich bedeutsamen Umstandes tatsächlich nicht mehr weiter gewährt wird.

47

bb) Eine Unterbrechung im vorgenannten Sinne führt jedoch nur dann zu einem der Beendigung gleichkommenden Abbruch des bisherigen Leistungszusammenhangs mit der Folge, dass sich die Zuständigkeitsfrage neu stellt, wenn die Unterbrechung zuständigkeitsrechtlich erheblich ist.

48

Dieses Erfordernis folgt aus dem Inhalt und den Rechtswirkungen, wie sie anhand der oben dargelegten Auslegung der einschlägigen Bestimmungen (insbesondere des § 86a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII) für die Rechtsbegriffe der Beendigung und der Unterbrechung von Leistungen im Sinne von §§ 86 ff. SGB VIII ermittelt worden sind. Dass nicht jede Unterbrechung im Rechtssinne zuständigkeitserheblich ist, erschließt sich dabei auch aus den gesetzlichen Regelungen, die diesen Begriff ausdrücklich verwenden. Die Regelungen in § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII bestimmen, dass sich eine Unterbrechung in dem jeweiligen Kontext nur dann auf die Zuständigkeit des Trägers auswirkt, wenn sie länger als drei Monate andauert. Diese Vorschriften legen damit fest, dass die Unterbrechung nur im Falle des Überschreitens dieser Frist zuständigkeitserheblich ist. Mangels einer positiven gesetzlichen Anordnung in der allgemeinen Regelung über die örtliche Zuständigkeit des § 86 SGB VIII, wann eine Unterbrechung einer Jugendhilfeleistung zuständigkeitserheblich ist und bei einer Weitergewährung den Beginn einer neuen Leistung darstellt, ist dies aus dem dieser Regelung zugrunde liegenden zuständigkeitsrechtlichen Leistungsbegriff unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks sowie des Gesamtzusammenhangs der gesetzlichen Regelungen zu ermitteln und deshalb eine diesbezügliche Einzelfallabwägung vorzunehmen. Eine Leistungsunterbrechung im Sinne von § 86 SGB VIII ist danach nur dann zuständigkeitsrechtlich erheblich, wenn eine anhand einer Würdigung der bedeutsamen Umstände des Einzelfalles zu ermittelnde zeitliche Schwelle überschritten ist, welche die Aussetzung der Hilfeleistung einer Beendigung der Leistung gleichkommen lässt.

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(1) Was das Zeitmoment betrifft, so ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die besonderen Fristregelungen in § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII nicht im Wege der (Gesamt-)Analogie als allein maßgebliches Kriterium zur Beantwortung der Frage herangezogen werden können, wann im Rahmen der übrigen Zuständigkeitsregelungen in § 86 SGB VIII ein Abbrechen des Leistungszusammenhangs vorliegt (vgl. im Ergebnis ebenso OVG Münster, Urteile vom 21. März 2014 - 12 A 1211/12 - juris Rn. 64 und vom 5. Oktober 2015 - 12 A 1450/14 - JAmt 2016, 163; OVG Bautzen, Urteil vom 18. Januar 2010 - 1 A 753/08 - juris Rn. 23; VG München, Urteil vom 25. Juli 2012 - M 18 K 11.2543 - juris Rn. 52; Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Oktober 2016, § 86 Rn. 57; DIJuF-Rechtsgutachten vom 26. August 2014, JAmt 2014, 624 <625>; DIJuF-Rechtsgutachten vom 12. Januar 2016, JAmt 2016, 131 <132>; anderer Ansicht OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. März 2012 - 4 LC 143/09 - juris Rn. 35; VG Lüneburg, Urteil vom 12. April 2016 - 4 A 194/14 - juris Rn. 50). Denn unabhängig davon, ob und inwieweit eine den Anforderungen eines Analogieschlusses genügende Vergleichbarkeit der Konstellationen vorliegt, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass sich das gesetzgeberische Unterlassen, nicht auch im Rahmen der Zuständigkeitsbestimmungen des § 86 SGB VIII entsprechende feste (Fristen-)Regelungen vorzusehen, als planwidrige Regelungslücke darstellt (vgl. zu den Anforderungen des Analogieschlusses BVerwG, Beschluss vom 22. September 2015 - 5 P 12.14 - Buchholz 250 § 13 BPersVG Nr. 6 Rn. 34 m.w.N.). Ein Analogieschluss, der auch im Rahmen des § 86 SGB VIII zu einer starren Zeitgrenze für Unterbrechungen führen würde, ist daher nicht zulässig.

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Dies schließt es jedoch nicht aus, im Rahmen der Gesamtabwägung insbesondere das Zeitmoment als gewichtigen Umstand zu begreifen, wobei die Drei-Monats-Frist einen Anhalt bietet. Insoweit kann mangels anderer normativer Anknüpfungspunkte im Wege einer systematischen Auslegung des Leistungsbegriffs des § 86 SGB VIII, der vom Gesichtspunkt der Kontinuität der Hilfeleistung getragen wird, auf den Rechtsgedanken zurückgegriffen werden, der in den besonderen Fristregelungen in § 86 Abs. 7 Satz 4, § 86a Abs. 4 Satz 2 und 3 sowie § 86b Abs. 3 Satz 2 SGB VIII zum Ausdruck kommt. Dem ist zu entnehmen, dass kurzzeitige Unterbrechungen bei der Gewährung jugendhilferechtlicher Hilfen die zuständigkeitsrechtliche Einheitlichkeit der Leistungserbringung regelmäßig nicht entfallen lassen sollen.

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(2) Ausgangspunkt der Gewichtung der weiteren beachtlichen Umstände des Einzelfalles (Umstandsmoment) ist die Funktion, die dem Abstellen auf den kontinuierliche Hilfe gebietenden Bedarf im jugendhilferechtlichen Leistungsbegriff zukommt, nämlich eine effektive weitere Hilfe durch den bisherigen Träger zu gewährleisten. Insoweit ist der jugendhilferechtliche Bedarf gleichsam die Klammer, die es rechtfertigt, die einzelnen Maßnahmen und Hilfen nicht isoliert zu betrachten, sondern sie zu einer Leistung zusammenzufassen. Dementsprechend gilt: Je länger der vorangegangene ununterbrochene Leistungszeitraum gewesen ist, desto länger wird im Einzelfall die Phase der Unterbrechung zu bemessen sein, bis sie die Schwelle der Erheblichkeit erreicht.

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Darüber hinaus ist bei der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, ob und wann - insbesondere auf der Grundlage einer belastbaren Prognose - mit einem Wegfall des rechtlichen Hindernisses und einer dementsprechenden Wiederaufnahme der Leistung zu rechnen war. Dabei muss der Jugendhilfeträger im Falle der Unterbrechung grundsätzlich darauf bedacht sein, rechtliche Hindernisse für eine notwendige Hilfegewährung (wie insbesondere eine mangelnde Mitwirkung der Eltern oder gegebenenfalls des Hilfeempfängers selbst) auszuräumen. Soweit er in dieser Richtung keine zumutbaren Anstrengungen unternimmt, kann dies im Hinblick auf die Frage des Abbruchs des Leistungszusammenhangs zu seinem Nachteil zu gewichten sein.

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Soweit das Oberverwaltungsgericht dem Gesichtspunkt der (förmlichen) Einstellung der Hilfeleistung durch den Jugendhilfeträger maßgebliche Bedeutung für die Frage der Zuständigkeitserheblichkeit einer Unterbrechung beimessen will, folgt dem der Senat nicht. Die Einstellungsentscheidung ist kein Kriterium für die Bewertung der Erheblichkeit, sondern eine Voraussetzung, die - wie oben erläutert - schon vorliegen muss, um begrifflich von einer Unterbrechung im Rechtssinne sprechen zu können.

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cc) Nach Maßgabe des Vorstehenden lag hier zwar eine Unterbrechung der Hilfeleistung vor ((1)). Diese stellt sich jedoch nicht als zuständigkeitsrechtlich erheblich dar ((2)).

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(1) Soweit der Weitergewährung der Hilfe ab dem 11. Mai 2012 zunächst tatsächliche Gründe entgegenstanden, weil der Hilfeempfänger das bisherige Kinderheim am Vortag verlassen hatte und eine neue Hilfestelle gesucht werden musste, ist darin - trotz tatsächlicher Einstellung der Hilfe - noch keine Unterbrechung im Rechtssinne zu sehen. Eine solche ist aber eingetreten, nachdem der Sachbearbeiter im Jugendamt der Beklagten sowohl dem Vater als auch am 18. Mai 2012 der Mutter des Minderjährigen ein Hilfeangebot für die Fortsetzung der Jugendhilfeleistung unterbreitet hatte und, nachdem diese auf das Angebot nicht eingegangen sind, sondern Hilfe abgelehnt hatten, "den Fall nicht weiter betrieben" hat. Darin liegt nicht nur ein tatsächlicher Abbruch, sondern eine auf einer bewussten Entscheidung beruhende Einstellung der Hilfegewährung aus Rechtsgründen, welche die Beklagte gegenüber der Mutter des Jugendlichen später noch förmlich mit Bescheid vom 26. Juli 2012 bestätigt hat.

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(2) Die Unterbrechung der Leistung war jedoch, wie sich im Wege einer an den oben genannten Kriterien orientierten Gesamtabwägung ergibt, nicht zuständigkeitsrechtlich erheblich.

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(a) Maßgeblich hierfür ist insbesondere, dass innerhalb relativ kurzer Zeit nach der Einstellung der Leistungsgewährung das dieser entgegenstehende rechtliche Hindernis entfallen und das Bedürfnis nach einer Fortsetzung der Jugendhilfeleistung für den bislang leistenden Jugendhilfeträger objektiv erkennbar war. Denn die Mitte Mai 2012 mit der Einstellung der Hilfegewährung verbundene Unterbrechung beruhte in rechtlicher Hinsicht auf der fehlenden Mitwirkung der Eltern. Dieses rechtliche Hindernis ist bereits innerhalb von gut zwei Monaten, nämlich schon vor der Inobhutnahme des Jugendlichen am 16. Juli 2012, entfallen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten sich beide sorgeberechtigten Elternteile mit Hilfemaßnahmen - zunächst in Form der Inobhutnahme - einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie und ihr Sohn der (dringenden) Unterstützung durch den Jugendhilfeträger bedurften. Die Inobhutnahme ist der beklagten Stadt als dem bisher leistenden Jugendhilfeträger auch durch die E-Mail des Jugendamtes der Klägerin vom 25. Juli 2012 - und damit ebenfalls noch innerhalb von drei Monaten nach der Einstellung der bisherigen Leistung - zur Kenntnis gebracht worden. Die Beklagte konnte und musste damit erkennen, dass der Vater die mit der Aufnahme des Jugendlichen in seinen Haushalt übernommene Erziehungsaufgabe nicht annähernd zu bewältigen in der Lage war. Das Bedürfnis nach einer Fortsetzung der Jugendhilfeleistung - im Sinne des Erfordernisses der Deckung eines qualitativ unverändert bestehenden jugendhilferechtlichen Bedarfs des Jugendlichen - lag damit auf der Hand und war für sie ohne Weiteres objektiv erkennbar. Der förmlichen Bekräftigung der Einstellung der bisherigen Hilfeleistung am 26. Juli 2012 kommt vor diesem Hintergrund keine beachtliche Bedeutung mehr zu.

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(b) Soweit das Oberverwaltungsgericht mit dem Hinweis, dass sich Jugendhilfeleistungen vor und nach einer Inobhutnahme nicht als Teile einer einheitlichen ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen können, Gegenteiliges erwogen haben mag, ist dem nicht zu folgen. Durch die von der Klägerin verantwortete Inobhutnahme ist eine die Erheblichkeit der Unterbrechung begründende zuständigkeitsrechtliche Zäsur des bisherigen Leistungszusammenhangs nicht eingetreten.

59

Die tragende Erwägung der Vorinstanz, dass es sich bei der Inobhutnahme nicht um eine Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB VIII, sondern um eine andere Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne von § 2 Abs. 3 SGB VIII handelt, und hier eine Jugendhilfeleistung erst wieder im November 2012 von der Klägerin gewährt wurde, steht dem nicht entgegen. Träfe es zu - wie die Vorinstanz ausführt -, dass sich Jugendhilfeleistungen vor und nach einer Inobhutnahme nicht als Teile einer einheitlichen ununterbrochenen Jugendhilfeleistung darstellen können, selbst wenn durchgängig ein jugendhilferechtlicher Bedarf bestanden hat, so würde damit die Kostentragungsregelung des § 89b Abs. 1 SGB VIII entwertet. Denn danach soll - wie oben dargelegt - derjenige Träger die Kosten der Inobhutnahme tragen, der während der Dauer der Inobhutnahme aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts der nach § 86 SGB VIII maßgeblichen Person für die Erbringung einer Jugendhilfeleistung örtlich zuständig gewesen wäre. § 89b Abs. 1 SGB VIII setzt mit der Annahme einer Leistungszuständigkeit nach § 86 SGB VIII damit gerade voraus, dass ein Leistungszusammenhang während der Inobhutnahme fortbestehen kann. Dementsprechend ist aus dem systematischen Zusammenhang und der gesetzlichen Wertung des § 89b Abs. 1 SGB VIII zu entnehmen, dass die Inobhutnahme durch einen anderen Jugendhilfeträger das zuvor begründete Leistungsverhältnis zum bisher leistenden Träger grundsätzlich nicht notwendig in erheblicher Weise unterbricht.

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Jedenfalls kommt hier der fortwährenden tatsächlichen Einstellung der Leistungsgewährung durch die für Leistungen örtlich zuständige Beklagte während der Zeit der von der Klägerin durchgeführten Inobhutnahme angesichts der oben dargelegten Umstände - insbesondere des zeitnahen Entfallens des rechtlichen Leistungshindernisses - im Rahmen der Gesamtabwägung kein beachtliches Gewicht mehr zu. Das gilt im vorliegenden Kontext auch deshalb, weil sich neben den genannten Umständen auch die Dauer der Inobhutnahme gemessen an der bisherigen Dauer des kontinuierlichen Leistungsprozesses, der sich hier über den relativ langen Zeitraum von 2005 bis 2012 erstreckte, als nicht gewichtig erweist. In Relation zu diesem Zeitraum stellte sich die knapp zweimonatige Inobhutnahme nicht mehr als ein kurzfristiges "Intermezzo" eines langjährigen und nicht annähernd abgeschlossenen Hilfeprozesses dar. Allein wegen des Umstands, dass es sich bei der Inobhutnahme nicht um eine Leistung im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB VIII handelt, wurde der Fortsetzungszusammenhang des jugendhilferechtlichen Unterstützungsprozesses hier also auch deshalb nicht erheblich unterbrochen, weil der gesamte Prozess der Hilfegewährung in den Blick zu nehmen ist. Da die Frage der zuständigkeitsrechtlichen Einheit einer Leistung maßgeblich aus dem Blickwinkel des zugrunde liegenden Hilfebedarfs zu beurteilen ist, bedingt dies, bei der Bewertung gegebenenfalls auch Zeiten der Inobhutnahme miteinzubeziehen (vgl. Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand Oktober 2016, § 86 Rn. 61; Nellissen, jurisPR-SozR 22/2015 Anm. 4).

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d) Die Inobhutnahme des Jugendlichen am 16. Juli 2012 führte auch aus sonstigen Gründen nicht zu einer zuständigkeitsrechtlich erheblichen Zäsur. Soweit das Oberverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die vom Jugendamt der Klägerin verantwortete und bis zum 5. September 2012 andauernde Inobhutnahme des Jugendlichen zu einer Beendigung des Leistungszusammenhangs im Verhältnis zur Beklagten habe führen müssen, steht dies mit dem Begriff der Beendigung einer Leistung im Sinne der §§ 86 ff. SGB VIII nicht in Einklang.

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Mit der Inobhutnahme durch das Jugendamt der Klägerin am 16. Juli 2012 ist das bis dahin bestehende Leistungsverhältnis zur Beklagten schon deshalb nicht durch eine Beendigung im Rechtssinne abgeschlossen worden, weil damit keine Entscheidung der Beklagten verbunden war, die bisherige Jugendhilfe aufgrund eines Entfallens des jugendhilferechtlichen Bedarfs einzustellen. Die vom Jugendamt der Klägerin im Wege der Inobhutnahme vorgenommene tatsächliche und vorläufige Deckung des jugendhilferechtlichen Bedarfs konnte im Hinblick auf das zur Beklagten bis dahin - wie oben dargelegt - auf der Grundlage ihrer örtlichen Zuständigkeit nach § 86 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII fortbestehende Leistungsverhältnis nicht zum Entfallen des jugendhilferechtlichen Bedarfs führen, sondern bestätigte gerade sein unvermindertes Fortbestehen.

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