Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über den Erlass eines Duldungsbescheides für Kanalbaubeitrag (Schmutz- und Niederschlagswasser).

2

Der Kläger ist Eigentümer des an die zentrale Abwasseranlage der Hansestadt Stralsund angeschlossenen Wohngrundstücks F.damm ... (Flurstück G1, Gemarkung S.). Er hatte das Eigentum an dem Grundstück im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahren mit Zuschlag vom 28.08.2002 erworben.

3

Bereits mit Bescheid vom 14.05.1999 hatte der Beklagte den Voreigentümer zu einem Kanalbaubeitrag i.H.v. DM 4.785,50 herangezogen. Den hiergegen gerichteten Widerspruch hatte der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.2003 zurückgewiesen und den Beitrag auf 2.816,90 festgesetzt. Die vom Voreigentümer am 13.03.2003 erhobene Anfechtungsklage (3 A 534/03) wies das Verwaltungsgericht Greifswald mit Urteil vom 17.03.2004 zurück und führte zur Begründung aus, dass die sachliche Beitragspflicht ebenso wie die persönliche Beitragspflicht des Voreigentümers am 09.06.2002 und damit vor dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung entstanden sei. Das Urteil ist rechtskräftig. Zahlungen durch den Voreigentümer erfolgten jedoch nicht; Vollstreckungsversuche des Beklagten blieben erfolglos.

4

Mit Duldungsbescheid vom 23.02.2007 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Beitragsschuld in Höhe von 2.816,90 bis zum 15.05.2007 zu entrichten. Weiter heißt es in dem Bescheid: "Sollten Sie der vorstehenden Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen, sind Sie verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück F.damm ... zu dulden." Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2007 zurück.

5

Am 14.05.2007 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben. Er ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig, da er das Grundstück in der Zwangsversteigerung lastenfrei erworben habe. Unstreitig habe es der Beklagte unterlassen, die Beitragsforderung im Zwangsversteigerungsverfahren anzumelden. Zudem werde vorsorglich die Verjährung eingewandt.

6

Der Kläger beantragt,

7

den Bescheid des Beklagten vom 23.02.2007 - ... - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 07.05.2007 aufzuheben.

8

Der Beklagte verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Mit Beschluss vom 05.03.2009 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Gerichtsakten des Verfahrens 3 A 534/03 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Klage ist unbegründet. Zwar ist der streitgegenständliche Bescheid als Duldungsbescheid i.S.d. § 12 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. Abgabenordnung (AO) rechtswidrig (1.). Er kann jedoch gemäß § 128 AO in einen rechtmäßigen Heranziehungsbescheid umgedeutet werden (2.).

13

1. Nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 191 Abs. 1 Satz 1, 2. Var. Abgabenordnung (AO) kann derjenige durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Zwangsvollstreckung zu dulden. Nach § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 77 Abs. 2 Satz 1 AO hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden, wenn die Zwangsvollstreckung wegen einer Abgabenforderung erfolgt, die als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht. Aus der Akzessorietät des Duldungsbescheides folgt, dass über die genannten Voraussetzungen hinaus eine Inanspruchnahme aus der öffentlichen Last nur zulässig ist, wenn über die sachliche Beitragspflicht hinaus eine persönliche Beitragspflicht entstanden und (noch) nicht wieder erloschen ist. Ein Duldungsbescheid, der unter Verstoß gegen den Grundsatz "keine dingliche Haftung ohne persönliche Schuld" ergangen ist, ist fehlerhaft (vgl. für den Erschließungsbeitrag: BVerwG, Urt. v. 22.02.1985 - 8 C 107/83, Juris Rn. 23). Dies trifft auf den streitgegenständlichen Duldungsbescheid zu, denn es fehlt an der persönlichen Beitragspflicht des Voreigentümers.

14

Zwar ist dieser mit dem Bescheid vom 14.05.1999 zu dem Anschlussbeitrag herangezogen worden. Dies führte jedoch nicht zu Entstehen der persönlichen Beitragspflicht. Nach § 8 Abs. 10 Satz 1 KAG a.F. (nunmehr: 7 Abs. 2 Satz 1 erste Var. KAG M-V) ist beitragspflichtig, wer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Die Vorschrift betrifft aber lediglich die persönliche Beitragspflicht, deren Entstehung das Bestehen der sachlichen Beitragspflicht voraussetzt (Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/08, § 7 Anm. 12.7). Daher löst eine verfrühte Bekanntgabe an den Grundstückseigentümer dessen persönliche Beitragspflicht nicht aus. Dies trifft auf den Voreigentümer des Klägers zu.

15

Das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht richtet sich nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. (nunmehr: § 9 Abs. 3 KAG M-V). Danach entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (st. Rspr. bereits zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 - 1 L 56/04, S. 4 ff. des Entscheidungsumdrucks). Hiernach konnte die sachliche Beitragspflicht zunächst nicht entstehen. Zwar war das Grundstück bereits an die Abwasserbehandlungsanlage der Hansestadt Stralsund angeschlossen als es noch im Eigentum des Voreigentümers stand. Jedoch verfügte die Hansestadt Stralsund damals nicht über eine wirksame Beitragssatzung, denn die seinerzeit Geltung beanspruchende Satzung der Hansestadt Stralsund über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserableitung und -behandlung (Kanalbaubeitragssatzung - KBS) vom 28.05.2002 i.d.F. der rückwirkend zum 09.06.2002 in Kraft getretenen ersten Änderungssatzung vom 10.01.2003 ist vom OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem so genannten "Volkswerft-Urteil" vom 10.10.2007 (1 L 256/06) als unwirksam verworfen worden. Damit konnte die sachliche Beitragspflicht nicht am 09.06.2002 entstehen.

16

Die gegenteiligen Feststellungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 17.03.2004 sind für das vorliegende Verfahren nicht bindend, da sich die materielle Rechtskraft des Urteils (vgl. § 121 VwGO) nicht auf den Kläger erstreckt. Dieser war weder Beteiligter jenes Verfahrens noch ist er Rechtsnachfolger des Klägers i.S.d. § 121 Nr. 1 zweite Var. VwGO. Der Begriff der Rechtsnachfolge ist identisch mit dem des § 325 Zivilprozessordnung (ZPO). Nach Abs. 1 l.cit. wirkt das rechtskräftige Urteil für und gegen die Partei und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz an der im Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist. Zwar ist der Kläger Rechtsnachfolger des Voreigentümers, denn er hat das Eigentum an dem Grundstück im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahren erworben. Dennoch liegen die Voraussetzungen des § 325 Abs. 1 ZPO nicht vor, denn die Rechtsnachfolge trat nicht nach Eintritt der Rechtshängigkeit (vgl. § 90 VwGO), sondern bereits davor ein. Der Zuschlag in der Zwangsversteigerung erfolgte am 28.08.2002, die Klageerhebung durch den Rechtsvorgänger des Klägers dagegen erst am 13.03.2003. Aus demselben Grund findet auch § 325 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorliegend keine Anwendung.

17

Die persönliche Beitragspflicht des Voreigentümers des Klägers ist auch nicht auf Grundlage der Kanalbaubeitragssatzung vom 14.10.2008 entstanden, obwohl an deren Wirksamkeit keine Zweifel bestehen. Zwar kann ein mangels wirksamer Rechtsgrundlage fehlerhafter Bescheid grundsätzlich durch das Nachschieben einer wirksamen Satzung geheilt werden. Denn eine bestimmte zeitliche Reihenfolge besteht für das Vorliegen der Merkmale des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. bzw. § 9 Abs. 3 KAG M-V nicht. Anders als im Straßenbaubeitragsrecht, aber ebenso wie im Erschließungsbeitragsrecht reicht es im Anschlussbeitragsrecht daher aus, wenn die (wirksame) Satzung der Vorteilslage nachfolgt. Entsteht die sachliche Beitragspflicht - wie hier - erst nach Bekanntgabe des Beitragsbescheides, so entsteht mit ihr auch die persönliche Beitragspflicht, weil die Bekanntgabe bis zur Aufhebung des Beitragsbescheides fortwirkt (Aussprung a.a.O.). Diese Heilungsfolge tritt aber nur dann ein, wenn zu diesem Zeitpunkt alle sonstigen Voraussetzungen für das Entstehen der Beitragspflicht erfüllt sind und insbesondere der in Anspruch Genommene dann noch Eigentümer des Grundstücks oder dinglich Berechtigter ist (vgl. für den Erschließungsbeitrag: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 - 8 C 145.81, DVBl. 1983, 135 <136>; HessVGH, Urt. v. 27.11.1991 - 5 UE 80/89, GemHH 1993, 115 <116>; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 19 Rn. 30). Dann wird der Beitragsbescheid mit Wirkung "ex-nunc" geheilt (HessVGH a.a.O.). Dies trifft vorliegend jedoch nicht zu, denn der Voreigentümer war zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Kanalbaubeitragssatzung vom 14.10.2008 nicht mehr Eigentümer des Grundstücks. Er hatte das Eigentum durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung am 28.08.2002 verloren.

18

2. Dennoch ist der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Er kann nämlich gemäß § 128 AO in einen rechtmäßigen Verwaltungsakt umgedeutet werden.

19

Eine Umdeutung ist auch durch das Gericht möglich (vgl. Brockmeyer in: Klein, AO, 9. Auflage 2006, § 128 Rn. 6 m.w.N.), denn die Umdeutung ist ein Akt der Erkenntnis und kein - allein der Behörde vorbehaltener - Verwaltungsakt. Dies folgt aus § 128 Abs. 4 AO, wonach § 91 entsprechend anzuwenden ist. Die Verweisung auf die Anhörungsvorschriften des § 91 AO wäre überflüssig, wenn es sich bei der Umdeutung um einen Verwaltungsakt handeln würde. Denn in diesem Fall hätte § 91 AO unmittelbare Geltung.

20

Auch die Bestimmung des § 128 Abs. 3 AO steht einer Umdeutung nicht entgegen, da die Erhebung des Kanalbaubeitrags nicht im Ermessen des Beklagten steht. Zwar bestimmt § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, dass Anschlussbeiträge erhoben werden "sollen". Adressat dieser eingeschränkten Ermessenseröffnung ist aber der Ortsgesetzgeber, nicht der Beklagte. Erlässt der Ortsgesetzgeber - wie vorliegend - eine Beitragssatzung, so ist der Beklagte bereits aus Gründen der abgabenrechtlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Grundgesetz - GG) zur Beitragserhebung verpflichtet.

21

Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Dies trifft vorliegend zu, denn als Beitragsbescheid ist der streitgegenständliche Duldungsbescheid rechtmäßig.

22

a. Er findet seine gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Kanalbaubeitragssatzung vom 14.10.2008. Die Satzung ist im Amtsblatt der Hansestadt Stralsund vom 22.10.2008 bekannt gemacht worden und damit am 23.10.2008 in Kraft getreten. Zwar ist der Satzungserlass erst nachträglich, d.h. nach Erhebung der vorliegenden Anfechtungsklage erfolgt. Die Kanalbaubeitragsatzung ist gleichwohl zu beachten, denn entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen Anschlussbeitragsbescheide ist daher der Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (VG Greifswald, Urt. v. 11.04.2007 - 3 A 620/05, S. 6 f. des Entscheidungsumdrucks; vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 - 8 C 145/81, DVBl. 1983, 135 m.w.N.).

23

Die Kanalbaubeitragssatzung vom 14.10.2008 ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam und löst daher die Rechtsfolgen des § 9 Abs. 3 i.V.m. § 7 Abs. 6 KAG M-V aus. Insbesondere ist die Maßstabsregelung für den Schmutzwasserbeitrag - nach § 4 Abschn. I Abs. 2 KBS gilt ein so genannter abgestufter Vollgeschossmaßstab, bei dem das erste Vollgeschoss mit 0,25 und die weiteren Vollgeschosse mit je 0,15 berücksichtigt werden - nicht zu beanstanden. Auch die in § 4 Abschn. I Abs. 2 lit. l KBS normierte Kappungsgrenze", wonach der Faktor 1,90 auch bei mehr als zwölf Vollgeschossen gilt und nicht mehr ansteigt, ist unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstanden (vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: VG Leipzig, Urt. v. 26.11.2001 - 6 K 271/00; a.A.: OVG Bautzen, Urt. v. 21.10.1999 - 2 S 551/99, VwRR MO 2000, 91 <97>; Beschl. v. 22.08.2001 - 5 B 522/00, DWW 2002, 131). Die der Normierung der "Kappungsgrenze" zu Grunde liegende Annahme, dass der beitragsrelevante Vorteil ab einem bestimmten Vollgeschoss allein wegen der höheren Anzahl der Vollgeschosse nicht mehr zunimmt, ist vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt. Wesentlich ist hier die Erkenntnis, dass höhere Gebäude regelmäßig auf größere Grundstücksflächen angewiesen sind. Bei höheren Gebäuden wird der größere Vorteil damit im Rahmen des Vollgeschossmaßstabes schon durch die Berücksichtigung einer größeren Grundstücksfläche berücksichtigt. Ab einem bestimmten Maß der baulichen Nutzung gehen Steigerungen bei der Anzahl der Vollgeschosse zudem bereits wegen der einzuhaltenden Abstandsflächen zwangsläufig mit der Verringerung der überbaubaren Grundstücksfläche und damit einer Verringerung der Geschossfläche einher. Es ist daher sachgerecht, bei höheren Gebäuden für die Vorteilsbemessung nicht mehr gleichgewichtig auf die Anzahl der Vollgeschosse und die Grundstücksgröße, sondern vornehmlich auf die Grundstücksgröße abzustellen.

24

Weiter ist es nicht zu beanstanden, dass die "Kappungsgrenze" erst bei mehr als zwölf Vollgeschossen greift. Dies kann darauf beruhen, dass nach der Bebauungssituation im Gebiet der Hansestadt Stralsund die dargestellten Beschränkungen (Verringerung der Geschossfläche bei höheren Gebäuden) erst bei Gebäuden mit zwölf und mehr Vollgeschossen auftreten. Da der Kläger insoweit keine Einwände geltend gemacht hat, wird von weiteren Darlegungen abgesehen.

25

Anhaltspunkte dafür, dass die Maßstabsregelung für den Schmutzwasserbeitrag den Maßgaben des so genannten "Volkswerft-Urteils" des OVG Mecklenburg-Vorpommern widerspricht, sind nicht ersichtlich. Die Grundstücke der Volkswerft werden nicht stärker belastet als andere Baugrundstücke, die eine zwölfgeschossige Bebauung aufweisen oder bei denen dieses Maß der baulichen Nutzbarkeit zulässig ist.

26

Es liegt auch kein Verstoß gegen die Soll-Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vor. Nach dieser Vorschrift hat die Finanzierung der Herstellung öffentlichen Einrichtungen der Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung in der Regel durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen zu erfolgen, um eine Kreditfinanzierung der Anlage zu vermeiden (vgl. § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung - KV M-V). Zwar liegt der mit der Kanalbaubeitragssatzung angestrebte Deckungsgrad niedriger als 70 v.H. (Schmutzwasser: 62,96 v.H.; Niederschlagswasser: 17,35 v.H.). Allerdings ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme für die in der Regel gebotene Beitragsfinanzierung gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers auch bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage nicht über ein Maß von etwa 33 v.H. der Herstellungskosten hinaus steigt (VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2008 - 3 A 1395/05, NordÖR 2008, 357; Beschl. v. 27.10.2008 - 3 B 1161/08, Der Überblick 2009, 40). Diese Maßgaben sind vom Beklagten beachtet worden. In dem Verfahren 3 B 2043/08 wurde gerichtsbekannt, dass trotz des niedrigen Deckungsgrades der durch Darlehen finanzierte Anteil an den Gesamtkosten der Anlage nur 25,55 v.H. beträgt.

27

b. Bei einer Umdeutung des Duldungsbescheides in einen Heranziehungsbescheid ist die Rechtsanwendung durch den Beklagten nicht zu beanstanden. Dies zunächst in formell-rechtlicher Hinsicht: Der Duldungsbescheid enthält in Ziffer 1. seines Tenors die Festsetzung der Beitragsforderung nebst Leistungsgebot und die Angabe, für welches Grundstück der Beitrag zu entrichten ist. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht begegnet der Bescheid als Beitragsbescheid keinen Bedenken. Anhaltspunkte dafür, dass die Beitragsberechnung fehlerhaft ist, bestehen nicht. Dies wird vom Kläger auch nicht dargetan.

28

Entgegen seiner Auffassung ist die sachliche Beitragspflicht nicht durch den Zuschlag in der Zwangsversteigerung erloschen. Zwar erlöschen nach § 52 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung (ZVG) durch den Zuschlag die an dem Grundstück bestehenden bisherigen Rechte, soweit sie nicht nach anderen Vorschriften bestehen bleiben. Letzteres trifft vorliegend jedoch zu, denn die sachliche Beitragspflicht besteht gemäß § 56 Satz 2 ZVG fort. Nach dieser Bestimmung trägt der Ersteher vom Zuschlag an die Lasten (des Grundstücks). Die Vorschrift knüpft nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Regelung des § 47 ZVG an (Urt. v. 14.08.1992 - 8 C 15/90, juris Rn. 11), die eine zeitliche Zäsur auch für den Anwendungsbereich des § 56 Satz 2 ZVG bildet. Nach § 47 ZVG richtet sich, welche Geldleistungen bei der Feststellung des geringsten Gebotes zu berücksichtigen sind und demgemäß beim Unterbleiben der erforderlichen Anmeldung (§ 45 Abs. 1 ZVG) ausfallen. § 47 Satz 1 ZVG bestimmt, dass laufende Beträge regelmäßig wiederkehrender Leistungen für die Zeit bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Versteigerungstermin zu decken sind. Nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen - und so auch einmalige Anschlussbeiträge nach § 9 KAG M-V - werden nach § 47 Satz 2 ZVG mit den Beträgen berücksichtigt, welche vor dem Ablauf dieser Frist zu entrichten sind. Daraus folgt, dass die sachliche Beitragspflicht und damit auch die öffentliche Last entgegen § 52 Abs. 1 Satz 2 ZVG immer dann nach § 56 Satz 2 ZVG bestehen bleibt, wenn die darauf beruhende Forderung erst mehr als zwei Wochen nach dem Zuschlag fällig wird (so im Ergebnis auch Böttcher, ZVG, 3. Aufl., § 56 Rn. 8).

29

Gemessen an diesen Kriterien konnte die sachliche Beitragspflicht (und damit auch die öffentliche Last, § 7 Abs. 6 KAG M-V) durch den Zuschlag nicht berührt werden. Dies bereits deshalb nicht, weil die sachliche Beitragspflicht erst mit dem In-Kraft-Treten der Kanalbaubeitragssatzung vom 14.10.2008 am 23.10.2008 entstanden ist. Auf die Bekanntgabe des an den Voreigentümer gerichteten Beitragsbescheides vom 14.05.1999 kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KBS, dass beitragspflichtig ist, wer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist. Wie bereits erwähnt, betrifft die Vorschrift aber lediglich die persönliche Beitragspflicht, deren Entstehung das Bestehen der sachlichen Beitragspflicht voraussetzt, so dass die Bekanntgabe des Bescheides vom 14.05.1999 die persönliche Beitragspflicht des Voreigentümers nicht auslöste. Damit existierte zum Zeitpunkt des Zuschlags in der Zwangsversteigerung keine innerhalb von zwei Wochen nach dem Zuschlag fällige Beitragsforderung. Der das Bestehen einer gegen den Voreigentümer gerichteten Beitragsforderung postulierende Beitragsbescheid ist rechtswidrig (s.o.); er bildet gleichsam eine "Hülle ohne Inhalt". Gegenteiliges folgt auch nicht aus der Regelung des § 124 Abs. 2 AO. Dass ein Verwaltungsakt bis zu seiner Aufhebung wirksam ist, ist materiell-rechtlich nur dann von Bedeutung, wenn das Gesetz Rechtsfolgen an die Existenz des Verwaltungsaktes knüpft (Tatbestandswirkung). Dies trifft auf Beitragsbescheide jedoch nicht zu; wie bereits dargelegt, folgt aus der Existenz des Beitragsbescheides nicht zugleich das Bestehen der Beitragsforderung.

30

Auch soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, es könne dem Beklagten nicht ihm - dem Kläger - gegenüber zum Vorteil gereichen, dass er seine Pflicht zur Anmeldung der Beitragsforderung im Zwangsversteigerungsverfahren verletzt hat, kann dem nicht gefolgt werden. Die Verpflichtung besteht nur in Ansehung tatsächlich bestehender Forderungen, woran es vorliegend fehlte (s.o.). Zudem handelt es sich bei der Pflicht zur Anmeldung um eine Obliegenheit, die u.U. zum Rechtsverlust des Gläubigers führt, Einwände Dritter aber nicht zu begründen vermag.

31

Da die sachliche Beitragspflicht erst im Jahre 2008 entstanden ist, verbietet sich auch die Annahme eines Erlöschens der Beitragsschuld infolge Festsetzungsverjährung.

32

Schließlich steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung der Umdeutung nicht entgegen. Zwar hat der Beklagte den Beitragsbescheid vom 14.05.1999 bisher nicht formell aufgehoben. Dennoch führt die Umdeutung des Duldungsbescheides in einen Beitragsbescheid nicht dazu, dass eine Mehrfachinanspruchnahme für dieselbe Maßnahme droht. Denn mit dem Erlass des an den Kläger gerichteten Duldungsbescheides hat der Beklagte, der zuvor ergebnislos die Zwangsvollstreckung gegen den Voreigentümer betrieben hatte, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich nunmehr ausschließlich an den Kläger wendet und aus dem Bescheid vom 14.05.1999 keine Rechte mehr herleitet. Dies wurde vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Voreigentümer in Vermögensverfall geraten ist. Vor diesem Hintergrund wäre die formale Aufhebung jenes Bescheides eine überflüssige Förmelei.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.

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bei uns veröffentlicht am 10.10.2007

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 21. Juni 2006 - 3 A 561/04 - geändert: Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 26. August 2003 - Nrn. 60262103 (Flurstück 7/1), 60262096 (Flurstüc
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 27. Mai 2009 - 3 A 616/07.

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 18. Apr. 2018 - 4 A 3063/16 SN

bei uns veröffentlicht am 18.04.2018

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibende

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Nov. 2017 - 1 L 531/16

bei uns veröffentlicht am 28.11.2017

Tenor Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Oktober 2009 – 8 A 770/09 SN – wird geändert: Der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 (Nummer WB...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 wird aufgehoben

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 09. Nov. 2010 - 3 A 367/06

bei uns veröffentlicht am 09.11.2010

Tenor 1. Der Bescheid des Beklagten vom 21.10.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10.01.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28.02.2006 und 24.09.2008 wird aufgehoben, soweit er hinsichtlich des Bescheides BB …einen Betrag

Referenzen

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Finanzbehörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für die betroffene Person ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 91 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, eine Steuer aus Mitteln, die seiner Verwaltung unterliegen, zu entrichten, ist insoweit verpflichtet, die Vollstreckung in dieses Vermögen zu dulden.

(2) Wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf Grundbesitz ruht, hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Zugunsten der Finanzbehörde gilt als Eigentümer, wer als solcher im Grundbuch eingetragen ist. Das Recht des nicht eingetragenen Eigentümers, die ihm gegen die öffentliche Last zustehenden Einwendungen geltend zu machen, bleibt unberührt.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom

21. Juni 2006 - 3 A 561/04 - geändert:

Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 26. August 2003 - Nrn. 60262103 (Flurstück 7/1), 60262096 (Flurstück 4/1), 60262129 (Flurstück 15/0, 16/0 und 17/0) und 60262111 (Flurstück 14/0) - in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08. März 2004 sowie die Beitragsbescheide vom 01. März 2004 - Nrn. 60212645 (Flurstück 8/3) und 60212637 (Flurstück 1/49) - in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.Mai 2004 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg.

2

Die Berufung der Klägerin ist im Hauptantrag begründet, das angegriffene klageabweisende Teilurteil des Verwaltungsgerichts folglich entsprechend abzuändern.

3

I. Ihre mit dem Hauptantrag verfolgte - zulässige - Anfechtungsklage ist begründet. Die angefochtenen Beitragsbescheide des Beklagten vom 26. August 2003 - Nr. 60262103 (Flurstück 7/1), Nr. 60262096 (Flurstück 4/1), Nr. 60262129 (Flurstück 15/0, 16/0 und 17/0) und Nr.60262111 (Flurstück 14/0) - in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 08. März 2004 sowie vom 01. März 2004 - Nr. 60212645 (Flurstück 8/3) und Nr. 60212637 (Flurstück 1/49) - in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 13.Mai 2004 sind rechtswidrig, verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und sind deshalb aufzuheben. Zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass die Aufhebung nicht den im Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004 (Az. 60212637-Wb/pg) betreffend das Flurstück 1/49 unter B) getroffenen weiteren "Bescheid über eine Sachentscheidung nach § 12 KAG M-V i.V.m.. §§ 163, 227 Abgabenordnung" erfasst.

4

Die angefochtenen Beitragsbescheide sind mangels einer gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen wirksamen Rechtsgrundlage für die Erhebung der Abgabe rechtswidrig. Die Satzung der Hansestadt Stralsund über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserableitung und -behandlung (Kanalbaubeitragssatzung - KBS) vom 28. Mai 2002 i.d.F. der Ersten Änderungssatzung vom 10. Januar 2003, auf die die angefochtenen Beitragsbescheide gestützt sind, ist unwirksam. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V muss die Satzung insbesondere den Maßstab angeben. Der Kanalbaubeitragssatzung fehlt eine wirksame Maßstabsregelung.

5

Soweit der Senat in der Vergangenheit verschiedentlich die Wirksamkeit dieser Kanalbaubeitragssatzung bejaht hat, steht dies der vorliegend getroffenen Entscheidung nicht entgegen. In jenen Verfahren bestand jeweils keine Veranlassung, die Satzung unter den aktuell aufgeworfenen Fragestellungen zu untersuchen. Gegenstand der rechtlichen Überprüfung war im Wesentlichen lediglich die in § 4 Abschn. I Abs. 3 Nr. 3 KBS enthaltene Tiefenbegrenzungsregelung (vgl. z.B. Beschlüsse vom 20. November 2003 - 1 M 180/03 -, 29.Oktober 2003 - 1 M 62/03 - und vom 08. September 2004 - 1 L 254/04 -). Die im Mittelpunkt dieses Verfahrens stehende Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS war demgegenüber bislang nicht Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung durch den Senat.

6

Die Maßstabsregelung in § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS ist nicht vorteilsgerecht im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V, verstößt gegen das Äquivalenz- und Gleichheitsprinzip, und ist folglich nicht mit höherrangigem Recht vereinbar und unwirksam.

7

Das Maßstabssystem der Kanalbaubeitragssatzung insgesamt, in das die Maßstabsregelung eingebettet ist, stellt sich wie folgt dar:

8

§ 4 Abschn. I Abs. 1 KBS bestimmt, dass der Anschlussbeitrag für die Schmutzwasserbeseitigung nach einem nutzungsbezogenen Flächenmaßstab (Vollgeschossmaßstab) berechnet wird. Dabei wird die nach Absatz 3 ermittelte Grundstücksfläche mit dem nach Absatz 2 zu ermittelnden Vollgeschossfaktor vervielfacht. § 4 Abschn. I Abs. 2 KBS regelt hieran anknüpfend, dass der Faktor für das erste Vollgeschoss 0,25 beträgt (Satz 1), für jedes weitere Vollgeschoss wird ein Faktor von 0,15 hinzugerechnet (Satz 2). Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind (Satz 3). Ist die Geschosszahl wegen der Besonderheit des Bauwerks nicht feststellbar, werden jeweils 3,50 m Höhe des Bauwerks als ein Vollgeschoss gerechnet (Satz 4).

9

§ 4 Abschn. I Abs. 3 Nr. 1 KBS legt - vorliegend interessierend - fest, dass als Grundstücksfläche nach Abs. 1 bei Grundstücken, die insgesamt im Geltungsbereich eines verbindlichen Bauleitplanes (Bebauungsplan, Vorhaben- und Erschließungsplan, vorhabenbezogener Bebauungsplan) liegen, die Gesamtfläche des Grundstücks gilt. Grundstück im Sinne der Satzung ist nach § 3 Abs. 3 KBS grundsätzlich das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne.

10

§ 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS sieht schließlich vor, dass als Zahl der Vollgeschosse nach Absatz2 bei Grundstücken, für die im verbindlichen Bauleitplan statt der Zahl der Vollgeschosse die Höhe der baulichen Anlagen festgesetzt ist, die durch 3,5 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe auf ganze Zahlen abgerundet gelte.

11

Die Anwendung des danach in der Kanalbaubeitragssatzung geregelten kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstabes in seiner konkreten Ausformung in § 4 Abschn.I Abs. 4 Nr. 2 KBS führt bezogen auf die Grundstücke in Gestalt der Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0 zu einer nicht mehr vorteilgerechten Beitragserhebung, die gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitsgrundsatz verstößt:

12

Die genannten Flurstücke wie auch die übrigen von den streitgegenständlichen Beitragsbescheiden betroffenen Flurstücke/Grundstücke liegen insgesamt im Bereich des Bebauungsplanes Nr. 30a und damit im Geltungsbereich eines verbindlichen Bauleitplanes der Hansestadt Stralsund im Sinne von § 4 Abschn. I Abs. 3 Nr. 1 KBS; als beitragsfähige Grundstücksfläche gilt folglich jeweils die Gesamtfläche des Grundstücks im bürgerlich-rechtlichen Sinne (§ 3 Abs. 3 KBS).

13

Der Bebauungsplan Nr. 30a enthält keine Festsetzung der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse, so dass die Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 1 KBS nicht einschlägig ist. Der Bebauungsplan setzt vielmehr statt der Zahl der Vollgeschosse für bestimmte Teilflächen die Höhe der baulichen Anlagen fest, wobei die höchstzulässige Gebäudehöhe 75 m beträgt. Diesen Fall erfasst die Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS. Sie ordnet insoweit an, dass diese höchstzulässige Gebäudehöhe von 75 m zur Ermittlung einer fiktiven Vollgeschosszahl durch 3,5 zu teilen und das Ergebnis der Division auf ganze Zahlen abzurunden ist; der Divisor von 3,5, der für eine angenommene Vollgeschosshöhe von 3,5 m steht, begegnet dabei keinen rechtlichen Bedenken (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 - IV C 61.75 u.a. -, BVerwGE 57, 240 - zitiert nach juris; vgl. auch § 21 Abs. 4 BauNVO). Daraus ergibt sich bezogen auf die Grundstücke in Gestalt der Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0 eine Zahl von 21 Vollgeschossen (75 : 3,5 = 21,43, abgerundet 21), die jeweils für die gesamte Grundstücksfläche gilt. Auf dieser Basis hat der Beklagte für das Grundstück in Gestalt des Flurstücks 7/1 den Beitrag in Höhe von 1.070.880,36 Euro, für das Grundstück in der Gestalt des Flurstücks 14/0 den Beitrag in Höhe von 1.193.290,05 Euro und für das Grundstück in Gestalt des Flurstücks 1/49 den Beitrag in Höhe von 4.467.217,76 Euro errechnet.

14

Nach Maßgabe der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten farbigen Kartendarstellung (Beiakte M) der anteilig betroffenen Flächen werden jedoch

15

lediglich 25.887 m² des insgesamt 218.526 m² großen Flurstücks 1/49 (entspricht 11,85 %),

16

lediglich 4.952m² des insgesamt 52.385 m² großen Flurstücks 7/1 (entspricht 9,45 %) und

17

lediglich 6.119 m² des insgesamt 58.373 m² großen Flurstücks 14/0 (entspricht 10,48 %)

18

durch die Festsetzung einer Firsthöhe von 75 m und des entsprechenden Vorteils der baulichen Ausnutzbarkeit erfasst.

19

Die Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS ist damit in diesen Anwendungsfällen bzw. mit Blick auf die besondere Situation der Grundstücke der Klägerin dadurch, dass sie den auf lediglich untergeordnete Teilflächen der Grundstücke beschränkten Vorteil einer baulichen Ausnutzbarkeit in Gestalt der maximalen Firsthöhe von 75 m als anschlussbeitragsrechtlichen Vorteil für die um ein Vielfaches größere Gesamtfläche der Grundstücke definiert, in einem Maße nicht mehr vorteilsgerecht, das nicht mehr aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität unter den Gesichtspunkten erforderlicher Pauschalierung und Typisierung gerechtfertigt werden kann. Eine Lösung im Erlassverfahren nach den §§ 163, 227 AO kommt nicht in Betracht.

20

Bei der rechtlichen Beurteilung des Maßstabssystems der Kanalbaubeitragssatzung ist allerdings zunächst davon auszugehen, dass ein abgestufter Vollgeschossmaßstab, wie er in § 4 Abschn. I Abs.1,2 geregelt ist, als solcher keinen rechtlichen Bedenken begegnet; insoweit kann auf die zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, das insbesondere Rechtsprechung des 4. Senats des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in Bezug nimmt, verwiesen werden. Nichts anderes gilt grundsätzlich für einen kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab, wie er auch vorliegend vom Ortsgesetzgeber gebildet worden ist (vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht BVerwG, Urt. v. 26.01.1979 - IV C 61.75 u.a. -, BVerwGE 57, 240 - zitiert nach juris; Urt. v. 12.12.1986 - 8 C 9/86 -, NVwZ 1987, 420; vgl. für das Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen OVG Bautzen, Urt. v. 21.10.1999 - 2 S 551/99 -, SächsVBl. 2000, 65, 68 m.w.N.).

21

Ebenso steht § 3 Abs. 3 KBS in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern dazu, dass im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff auszugehen ist (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.11.2003 - 1 M 180/03 -, DÖV 2004, 259, 260; Beschl. v. 12.05.2006 - 1 M 53/06 -; vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 26.04.1989 - 9 L 7/89 - NVwZ 1989, 1088 - zitiert nach juris). Unter "Grundstück" ist danach derjenige katastermäßig abgegrenzte Teil der Erdoberfläche zu verstehen, der im Grundbuch unter einer besonderen Nummer eingetragen ist. Ein einheitliches Grundstück im grundbuchrechtlichen Sinn ist somit nicht das einzelne Flurstück, sondern das oder die Flurstücke, die unter einer Bestandsnummer im Bestandsverzeichnis eines Grundstücks aufgeführt wird bzw. werden (vgl. Aussprung, in: Aussprung Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2007, § 7 Anm. 13.1). Diese vom Bundesverwaltungsgericht im Erschließungsbeitragsrecht vertretene Rechtsansicht (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 20.6.1973 - IV C 62.71 -, BVerwGE 42, 269 - zitiert nach juris; Urt. v. 12.12.1986 - 8 C 9.86 -, NVwZ 1987, 420) gilt auch für das Recht der leitungsgebundenen Anlagen (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 26.04.1989 - 9 L 7/89 -, NVwZ 1989, 1088 - zitiert nach juris). Abweichungen vom Begriff des Buchgrundstücks, die wie der Begriff der wirtschaftlichen Einheit auf die tatsächliche Nutzung abstellen, sind kaum eindeutig abgrenzbar und unterliegen laufenden Veränderungen, die Feststellungen für die Vergangenheit erschweren. Die Grundbucheintragung ist demgegenüber eindeutig feststellbar und dies auch für die Vergangenheit (vgl. zum Ganzen OVG Lüneburg, a.a.O.). Ob danach der Beklagte bei den streitgegenständlichen Beitragsbescheiden ggfs. vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff zu Gunsten der Klägerin abgewichen sein könnte, mag dahinstehen, da die Klägerin dadurch jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt worden wäre.

22

Der Formulierung in § 3 Abs. 3 KBS, Grundstück im Sinne der Satzung sei "grundsätzlich" das Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne, kommt - das hat das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt - keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Jedenfalls lässt sich diesem Begriff nicht entnehmen, er erlaube im Einzelfall ein Abweichen vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff. Denn der Begriff "grundsätzlich" ist für sich betrachtet gänzlich konturenlos und zu unbestimmt, um eine Abgabenerhebung determinieren zu können; lediglich insoweit, als die Satzung selbst mögliche Ausnahmefälle hinreichend konkret definiert, kommt eine Abweichung in Betracht. Für ein Abrücken vom bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriff besteht auch angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles aber kein Bedürfnis.

23

Nimmt man die einschlägige Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS in den Blick, hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 12.12.1986 - 8 C 9/86 -, NVwZ 1987, 420, 422) zwar ausgeführt, für die Ermittlung des Nutzungsfaktors, mit dem bei Anwendung des kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstabs zur Berücksichtigung des unterschiedlichen Maßes der baulichen Nutzung der erschlossenen Grundstücke deren Flächen zu multiplizieren sind, dürfe in einer Erschließungsbeitragssatzung bestimmt werden, dass auf die im Bebauungsplan für ein Grundstück jeweils festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse abzustellen sei.

24

Hieraus folgt jedoch nicht, dass ein derartiger kombinierter Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab in jeder denkbaren Ausprägung und in allen Situationen mit höherrangigem Recht im Einklang stehen würde. Das Bundesverwaltungsgericht geht in der genannten Entscheidung davon aus, dass das Bundesrecht dem Ortsgesetzgeber insoweit ein weites Bewertungsermessen einräume, macht aber zugleich deutlich, dass die Ausübung dieses Ermessens sich in sachlich vertretbarer Weise am Umfang der Vorteile zu orientieren habe, die einem Grundstück (bzw. dessen Eigentümer) durch die Inanspruchnahmemöglichkeit beitragsfähiger Erschließungsanlagen vermittelt werden. Wenn ein Ortsgesetzgeber anordne, bei unterschiedlichen Vollgeschosszahlen sei für die Bestimmung des Nutzungsfaktors auf die jeweils höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse abzustellen, bewerte er den für das entsprechende Grundstück vermittelten Vorteil beitragsrechtlich in einer Weise, die von dem ihm eingeräumten Ermessen gedeckt sei. Denn mit steigenden Geschosszahlen wüchsen nach der Tabelle des § 17 Abs. 1 BauNVO (a.F.) die Geschossflächenzahlen, die einen Rückschluss auf das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit zuließen. Die jeweils höchstzulässige Geschosszahl habe deshalb vom Ansatz her einen besonderen Aussagewert für die bauliche Ausnutzbarkeit eines erschlossenen Grundstücks, von der ihrerseits das Ausmaß der diesem Grundstück vermittelten Erschließungsvorteile abhänge. Hiervon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht in dem von ihm entschiedenen Fall das Abstellen des Ortsgesetzgebers auf die jeweils höchstzulässige Vollgeschosszahl als sachgerecht beurteilt.

25

Dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich folglich lediglich entnehmen, dass grundsätzlich ein derartiger Beitragsmaßstab vorteilsgerecht sein kann. Gleichzeitig macht sie jedoch deutlich, dass die Anknüpfung an die höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse zwar im Grundsatz zulässig ist, aber im konkreten Geltungsbereich einer Satzung dennoch sachlich vertretbar sein muss. Für die vorliegend aufgeworfene Frage, ob der Ortsgesetzgeber in Abweichung von der grundsätzlichen Zulässigkeit der Anknüpfung an die höchstzulässige Gebäudehöhe bzw. fiktive Zahl der Vollgeschosse mit Blick auf die von seiner Kanalbaubeitragssatzung erfassten Fälle für atypische Situationen ausnahmsweise gehalten war, eine Modifizierung dieses Maßstabs vorzunehmen, gibt die Entscheidung gerade nichts her.

26

Diese zentrale Frage ist vielmehr ausgehend vom beitragsrechtlichen Vorteilsprinzip (dazu unter 1.) auch unter Berücksichtung der grundsätzlich für den Ortsgesetzgeber eröffneten Möglichkeit zur Pauschalierung und Typisierung (dazu unter 2.) dahingehend zu beantworten, dass die Regelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS hinsichtlich der von ihr erfassten Fälle eine Modifizierung dieses Maßstabs erfordert hätte. Die vom Verwaltungsgericht bevorzugte Berücksichtigung der besonderen Situation der Grundstücke der Klägerin auf der Ebene der Rechtsanwendung in Gestalt eines möglicherweise in Betracht zu ziehenden Teilerlasses der Beitragsforderung nach Maßgabe des §227 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V kommt nicht in Betracht (dazu unter 3.).

27

1. Die Beitragserhebung auf der Grundlage des Beitragsmaßstabes des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS ist im Fall der konkreten Beitragserhebung für die drei Grundstücke in der Gestalt der Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0 nicht vorteilsgerecht.

28

a) Der beitragsrelevante Vorteil, auf den der Maßstab der Beitragserhebung ausschließlich bezogen sein darf, besteht in der Erhöhung des Gebrauchswertes eines Grundstücks, so dass bei der Maßstabsfindung für Anschlussbeiträge von diesem Ansatz her auf den Umfang der wahrscheinlichen Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung abgestellt werden muss. Hierfür bietet die bauliche Ausnutzbarkeit eines Grundstückes einen hinreichenden und anerkannten Aussagewert. Denn unter dem zulässigen Nutzungsmaß ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dasjenige zu verstehen, was unter Berücksichtigung etwaiger öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen verwirklicht werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.02.1989 - BVerwG 8 C 66.87 -, BVerwGE 81, 251). Zwar ist diese Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht ergangen. Gleichwohl kann sie auf das Kanalanschlussbeitragsrecht angewandt werden. In beiden Fällen ist der Anknüpfungspunkt der baurechtliche Zulässigkeitsbegriff, so dass eine unterschiedliche Handhabung des "zulässigen Nutzungsmaßes" nicht gerechtfertigt ist (vgl. zum Ganzen OVG Schleswig, Urt. v. 21.12.1993 - 2 L 135/92 -, KStZ 1994, 236 - zitiert nach juris).

29

Auch wenn naturgemäß ein Wirklichkeitsmaßstab den gerechtesten Maßstab zur Abbildung des beitragsrechtlichen Vorteils darstellen würde, darf dabei der Maßstab für die Verteilung der Anschlussbeiträge ein sogenannter Wahrscheinlichkeitsmaßstab sein. Eine Bemessung nach einem Wirklichkeitsmaßstab ließe sich, sofern das überhaupt möglich wäre, allenfalls mit einem unzumutbaren und damit unvertretbaren Verwaltungsaufwand erreichen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.02.1987 - 8 B 106/86 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 28 - zitiert nach juris).

30

Jedoch müssen auch Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe der typischen Nutzungsmöglichkeit bzw. dem Vorteil Rechnung tragen und einen hinreichend sicheren Schluss darauf zulassen, dass im allgemeinen die wirtschaftlichen Vorteile, die die Möglichkeit des Anschlusses eines Grundstücks an eine kommunale Einrichtung bietet, den Kriterien des Maßstabs entsprechen. Mit anderen Worten: Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss in einer hinreichend nahen Beziehung zur Wirklichkeit der durch die abzurechnenden Anlagen vermittelten Vorteile stehen; der durch den Maßstab abgebildete Vorteil muss "wahrscheinlich" der Wirklichkeit entsprechen. Dabei genügt es, wenn sich der Ortsgesetzgeber für einen sachbezogenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab entscheidet, der geeignet ist, auf praktikable Weise und ohne unvertretbaren Verwaltungsaufwand den angestrebten Vorteilsausgleich gerecht herbeizuführen. Nach allgemeiner Ansicht ist es dem Satzungsgeber gestattet, an typische Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die Besonderheiten des Einzelfalles außer Betracht zu lassen. Eine derartige pauschalierende Regelung, die sich aus dem Gesichtspunkt der Praktikabilität rechtfertigt, verletzt als solche auch nicht den Gleichheitssatz. Fehlt es etwa an der ausschließlichen Vorteilsbezogenheit des Maßstabs, so führt dies zwangsläufig auch zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes und des Äquivalenzprinzips. Nach dem Gleichheitssatz muss für die Bemessung des Beitrags ein Maßstab gewählt werden, der bei etwa gleicher Inanspruchnahme etwa gleich hohe Beiträge und bei unterschiedlicher Inanspruchnahme diesen Unterschieden in etwa angemessene Beiträge zur Folge hat. Das Äquivalenzprinzip sagt, dass ein Beitragsmaßstab gefunden werden muss, durch den zwischen Leistung (hier die Schaffung der Anschlussmöglichkeit) und Gegenleistung ein angemessenes Verhältnis hergestellt wird. Der Beitrag darf in keinem Missverhältnis zur Leistung der öffentlichen Hand stehen. Der Gleichheitssatz betrifft somit das Verhältnis der Beitragsschuldner untereinander, das Äquivalenzprinzip das Verhältnis zwischen dem einzelnen Beitragsschuldner und der Gemeinde. Beide Grundsätze sind eng miteinander verknüpft, weil nur ein leistungsgerechter Beitrag auch zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragsschuldner führt. Leistungsbezogen kann ein Beitrag aber nur dann sein, wenn er sich nach den durch die Anschlussmöglichkeit an eine öffentliche Entwässerungseinrichtung gebotenen Vorteilen bemisst (vgl. zum Ganzen VGH Mannheim, Urt. v. 30.06.1980 - II 812/79 -, KStZ 1981, 231, zitiert nach juris).

31

b) Es ist offensichtlich, dass die betroffenen Grundstücke nicht in ihrer ganzen Fläche mit einer Gebäudehöhe von 75 m durch eine entsprechende Bebauung ausgenutzt werden können. Ebenso offensichtlich ist damit unmittelbar die Frage des beitragsrechtlichen Vorteils angesprochen. Nun ist es aber im Ansatz nichts Außergewöhnliches, dass ein Grundstück nicht mit seiner gesamten Fläche einer - maximalen - baulichen Nutzung zugeführt werden kann; dies ist sogar eher die Regel und ändert nichts daran, dass ein Abstellen auf die in Teilbereichen mögliche höchstzulässige Nutzung als Grundlage der Beitragsbemessung regelmäßig im Sinne der erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorteilsgerecht und hinreichend wirklichkeitsnah sein kann. Es ist deshalb zugespitzt auf den Beitragsmaßstab des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS zu klären, in welchen Fällen einer beschränkten baulichen Ausnutzbarkeit eine Grenze überschritten wird, ab der die Beitragserhebung nicht mehr als vorteilsgerecht gelten kann bzw. der gewählte Wahrscheinlichkeitsmaßstab sich so weit von der Wirklichkeit entfernt hätte, dass er nicht mehr den hinreichend sicheren Schluss auf einen entsprechend angemessenen von der beitragspflichtigen Anlage vermittelten Vorteil zuließe.

32

c) aa) Nicht mehr vorteilsgerecht ist es in der Tendenz zunächst, wenn eine untergeordnete Teilfläche, für die jedoch bauplanungsrechtlich die höchstzulässige Nutzung - vorliegend in Gestalt der Gebäudehöhe - festgelegt ist, die beitragsrechtlich beachtliche Ausnutzbarkeit der Gesamtfläche bestimmen soll. Je untergeordneter (= kleiner im Verhältnis zur übrigen nutzbaren Fläche) die betreffende Teilfläche ist, umso weniger ist zur Ermittlung des Vorteils der - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich mögliche - Rückschluss auf das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks im Ganzen gerechtfertigt. Dies ist im Sinne einer Grenzwertbetrachtung umso offensichtlicher, je weiter diese Teilfläche gegen Null geht. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab entfernt sich entsprechend immer mehr von der Wirklichkeit bzw. wird unwahrscheinlicher. In Prozentzahlen quantifizierbar ist der Begriff "untergeordnet" im vorliegenden Kontext nur schwer, schon gar nicht im Sinne einer absoluten Grenze, da - wie die folgenden Erwägungen zeigen - weitere prägende Aspekte eine Rolle spielen (können), die eine solche Grenze in die eine oder andere Richtung verschieben würden. Dem Senat drängt sich jedoch die Annahme auf, dass jedenfalls in dem vorliegenden untypischen Fall einer ca. 300.000 m² großen Gesamtfläche auf der Grundlage der vom Beklagten ermittelten Flächenanteile für die höchstzulässige Gebäudehöhe von 75 m im Bereich zwischen 9,45 % und 11,85% im vorstehenden Sinne von "untergeordneten" Teilflächen gesprochen werden kann.

33

bb) Ebenfalls ist es in der Tendenz nicht mehr vorteilsgerecht bzw. wirklichkeitsfern, wenn die Differenz der auf Teilflächen eines Grundstücks verschieden bauplanungsrechtlich festgelegten höchstzulässigen Nutzungen - vorliegend in Gestalt der Gebäudehöhe - sehr groß ist und dennoch ausschließlich das höchste Maß die beitragsrechtlich beachtliche Ausnutzbarkeit der Gesamtfläche bestimmen soll.

34

Je größer diese Differenz ist, umso weniger ist zur Ermittlung des Vorteils der - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich mögliche - Rückschluss auf das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit des Grundstücks im Ganzen ausschließlich anknüpfend an die - fiktive - höchstzulässige Vollgeschosszahl gerechtfertigt. Dies ist im Sinne einer Grenzwertbetrachtung umso offensichtlicher, je größer die Differenz ist. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab entfernt sich auch insoweit entsprechend immer weiter von der Wirklichkeit bzw. wird unwahrscheinlicher.

35

cc) Diese tendenzielle Entfernung vom wirklichen durch die beitragspflichtige Anlage vermittelten Vorteil potenziert sich, wenn beide vorstehend erörterten Kriterien einer Vorteilsbewertung nach Maßgabe der Maßstabsregelung kombiniert auftreten: Je größer der Unterschied zwischen der auf einer bloß untergeordneten Teilfläche höchstzulässigen und der auf der im Übrigen weit überwiegenden Fläche eines Grundstücks zulässigen - niedrigeren - Gebäudehöhe ist, umso mehr liegt es auf der Hand, dass eine derartige Kombination von sehr kleiner Teilfläche und sehr großer Differenz verschiedener baulicher Ausnutzbarkeit - hier: Gebäudehöhe - im Ergebnis zu einer nicht mehr vorteilsgerechten Beitragsbemessung führt. Das Ergebnis der Anwendung der Maßstabsregelung stünde nicht mehr in einer hinreichend engen Beziehung zur Wirklichkeit.

36

Mit Blick auf die Anwendung des Maßstabes des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS auf die angesprochenen Grundstücke der Klägerin, ist - wie gesagt - bereits die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die Teilflächen der Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0, für die die höchstzulässige Firsthöhe von 75m festgesetzt ist, jeweils flächenbezogen untergeordnet sind. Hinzu kommt die erhebliche Differenz zwischen den unterschiedlich festgesetzten zulässigen Firsthöhen auf den verschiedenen Teilflächen der Flurstücke: Die Differenz beträgt entweder rund 114 % (35 m zu 75m) für kleinere oder gar 189 % (26 m zu 75 m) für die größeren Restflächen. Die höchst zulässige Firsthöhe ist teilweise mehr als doppelt so hoch, überwiegend fast dreimal so hoch wie in den übrigen Bereichen.

37

Jedenfalls die Kombination beider Gesichtspunkte führt hier im vorstehenden Sinne zu einer nicht mehr vorteilsgerechten Beitragsbemessung. Diese steht nicht mehr in Einklang mit dem Äquivalenzprinzip: Die Anwendung des Beitragsmaßstabes führt dazu, dass zwischen Leistung (hier die Schaffung der Anschlussmöglichkeit) und Gegenleistung kein angemessenes Verhältnis hergestellt wird. Daraus resultiert zugleich eine mit dem Gleichheitssatz nicht zu vereinbarende ungleichmäßige Belastung der Beitragsschuldner im Allgemeinen und der Klägerin im Besonderen.

38

dd) Die weitere Überlegung, dass die Anknüpfung an die höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse prinzipiell umso eher sachgerecht erscheint, je kleiner die betroffenen Grundstücke bzw. "normale" Baugrundstücke betroffen sind, führt erst recht zu dem vorstehend gefundenen Ergebnis: Für eine vergleichsweise kleine Grundstücksfläche spiegeln sich Konstellationen der vorstehend erörterten Art in der absoluten Beitragshöhe naturgemäß tendenziell weniger wider, als es bei atypisch großen Grundstücken wie im Fall der Klägerin anzutreffen ist. Es ist jedoch nicht mehr hinnehmbar, wenn sich ein derartig wirklichkeitsferner Maßstab in der absoluten Beitragshöhe in der Dimension von Millionenbeträgen auswirkt. Hier liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu dem der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1986 - 8 C 9/86 - (a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort betrug die gesamte Grundstücksfläche lediglich 3203 m²; die nur auf einer Teilfläche höchstzulässige Geschosszahl konnte sich schon von daher in der absoluten Beitragshöhe nicht in einem Maße auswirken, das mit dem vorliegenden vergleichbar wäre.

39

ee) Auch eine Einbeziehung der Regelung des § 17 BauNVO in die Prüfung der Vorteilsgerechtigkeit bestätigt das gefundene Ergebnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1986 - 8 C 9/86 -, a.a.O., zu § 17 BauNVO a.F.). Das Bundesverwaltungsgericht stellt unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsgerechtigkeit maßgeblich darauf ab, dass mit steigenden Geschosszahlen die Geschossflächenzahlen steigen würden. § 17 Abs. 1 BauNVO regelt Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, die - abgesehen von den in Abs. 2 und 3 geregelten Fällen - nicht überschritten werden dürfen. Die Norm sieht u.a. für Industriegebiete eine Obergrenze von 2,4 für die Geschossflächenzahl (GFZ) vor; ein derartiges Industriegebiet setzt der Bebauungsplan Nr. 30a fest.

40

Nach Maßgabe der vom Beklagten in seinem Schriftsatz vom 07. Juni 2005 angestellten Berechnung führt die der Beitragsberechnung zugrunde liegende Anwendung der streitigen Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS für die Flurstücke/Grundstücke 14/0, 7/1 und 1/49 jeweils zu einer - fiktiven - GFZ von 16,8 und für die Flurstücke/Grundstücke 4/1, 15/0, 16/0, 17/0 und 8/3 zu einer GFZ von 5,6. Aus der Anwendung der Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS auf die Flurstücke 14/0, 7/1 und 1/49 folgt demnach eine GFZ, die das Siebenfache der nach der BauNVO zulässigen Obergrenze, von der nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen von § 17 Abs. 2, 3 BauNVO abgewichen werden kann, beträgt. Selbst wenn man die Obergrenzen nach der BauNVO - worauf schon die möglichen Ausnahmen hindeuten - nicht für die Bildung des anschlussbeitragsrechtlichen Beitragsmaßstabes und die Ergebnisse seiner Anwendung als "zentimetergenau" bindend betrachten kann, können sie doch jedenfalls als grobe Orientierungshilfe im Rahmen einer Überprüfung der vorteilsgerechten Beitragsbemessung Berücksichtigung finden, da sie das Maß der baulichen Ausnutzbarkeit nicht unwesentlich begrenzen. Hiervon ausgehend drängt sich die Schlussfolgerung geradezu auf, dass eine - fiktive - Überschreitung der Obergrenze nach der BauNVO um 600 % schlicht "den Rahmen sprengt" und auch insoweit der Wahrscheinlichkeitsmaßstab der Satzung eine hinreichende Anbindung an die Realität der baulichen Ausnutzbarkeit bzw. des vermittelten Vorteils verloren hat.

41

ff) Schließlich vermitteln sowohl die vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Begründung des Bebauungsplanes Nr. 30a wie auch die in dem Plan selbst enthaltenen Festsetzungen dem Senat den Eindruck, dass dieser in einer Weise individuell auf die Bedürfnisse der Klägerin und ihres Werftbetriebs zugeschnitten ist, die es ausschließt, dass der Ortsgesetzgeber bei der Beschlussfassung über den Plan von der Vorstellung ausgegangen sein könnte, zukünftig könnte die Klägerin - unter dem Blickwinkel eines durch den Bebauungsplan vermittelten Dauervorteils - selbst oder an ihrer Stelle ein Dritter mit Blick auf die höchstzulässige Gebäudehöhe von 75 m tatsächlich ein Gebäude mit 21 echten, nicht lediglich fiktiven Vollgeschossen errichten und einen entsprechenden Vorteil baulicher Ausnutzung verwirklichen. Insbesondere die Ausführungen unter 7.1 der Begründung zeigen vielmehr, dass dem Ortsgesetzgeber erkennbar Werfthallen vor Augen standen, für die offensichtlich nicht ohne weiteres von einer Steigerung des abwasserbeitragsrechtlichen Vorteils mit zunehmender Höhe der jeweiligen Halle ausgegangen werden kann, weil sie im Wesentlichen lediglich Luft umbauen. Noch plakativer wird dieser Sachverhalt im Teil B Textliche Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 30a unter Ziff. 7 verdeutlicht: Danach gilt für Fassaden oberhalb von 35 m über Oberkante Kaimauer, dass Fenster und andere lichtdurchlässige Fassadenöffnungen unzulässig sind, wobei hiervon abweichend maximal vier Treppentürme mit Lichtbändern zulässig sind (Abs. 1). In den GI-Gebieten mit einer festgesetzten Firsthöhe von 75 m sind Werbeanlagen nur dergestalt zulässig, dass an jeder Längsseite der Gebäude ein Schriftzug "V...werft ..." nach näherer Spezifizierung angebracht werden darf (Abs. 2). Dies alles verbietet - entgegen den Ausführungen des Beklagten - die Annahme, der Ortsgesetzgeber habe mit der Festsetzung der maximalen Firsthöhe von 75 m dem betroffenen Grundstückseigentümer einen Vorteil der baulichen Ausnutzbarkeit dergestalt vermitteln wollen, dass dort echte 21 Vollgeschosse im Sinne der Maßstabsregelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS zulässig errichtet werden könnten. Verhält es sich aber so, dann "passt" die Maßstabsregelung auch insoweit nicht bzw. ist sie auch insoweit nicht vorteilsgerecht. Der Ortsgesetzgeber hätte insoweit die an die Situation und Bedürfnisse der Klägerin angepasste Bauleitplanung durch einen entsprechenden Maßstab auch anschlussbeitragsrechtlich vorteilsgerecht "fortschreiben" müssen.

42

d) Wenn demgegenüber das Verwaltungsgericht zur Frage der Vorteilsgerechtigkeit meint, es liege weniger ein Problem der Norm als vielmehr ein Problem des Grundstückszuschnitts vor, die Klägerin hätte mehrere Jahre Zeit gehabt, die Grundstückszuschnitte den Festsetzungen des Bebauungsplanes anzupassen, ohne dass darin ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 42 Abs. 1 AO zu erblicken gewesen wäre, kann dem schon im Ansatz nicht gefolgt werden.

43

Die Klägerin hat einen gesetzlichen (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und durch das Willkürverbot verfassungsrechtlich abgesicherten Anspruch darauf, dass die ihr gegenüber erfolgende Beitragserhebung vorteilsgerecht ist. Stellt sich die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin nicht als vorteilsgerecht dar - immerhin sieht auch das Verwaltungsgericht hier ein "Problem", auch wenn es "weniger" ein Problem der Norm sein soll -, ist es nicht ihre Aufgabe als Beitragspflichtige, durch einen entsprechenden Zuschnitt ihrer Grundstücke dafür zu sorgen, dass der Beklagte entsprechend seiner diesbezüglichen gesetzlichen Bindung vorteilsgerecht Beiträge erheben kann. Im Gegenteil muss der vom Beklagten zugrunde gelegte Beitragsmaßstab eine möglichst wirklichkeitsnahe und vorteilsgerechte Abgabenbelastung der Klägerin gewährleisten. Insoweit bestehen ausschließlich Rechtspflichten der Abgaben erhebenden Körperschaft. Eine - vom Verwaltungsgericht wohl im Sinne einer Obliegenheit formulierte - Verpflichtung der Klägerin, den Grundstückszuschnitt zu verändern, existiert nicht.

44

Zu bedenken ist ferner, dass - was das Verwaltungsgericht gesehen hat - die der Klägerin angesonnene Umgestaltung die Vorschrift des § 42 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 AO auf den Plan ruft. Die "Umgestaltung" könnte durchaus als "Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts" bewertet werden (vgl. die entsprechenden Überlegen im Bereich des Beklagten im Vorfeld der Satzung, BA B1). Selbst wenn man eine "Umgestaltung" nicht von vornherein als missbräuchlich bewerten wollte, wäre die Klägerin doch insoweit einem unkalkulierbaren Risiko unterlegen, ob diese Umgestaltung letztlich rechtlich in dem vom Verwaltungsgericht angenommenen Sinne zulässig sein würde. Schon unter diesem Blickwinkel konnte von der Klägerin eine derartige Umgestaltung nicht erwartet werden.

45

Mit Blick auf die Geltung des bürgerlich-rechtlichen Grundstücksbegriffs dürfte sich zudem ein veränderter Zuschnitt der Flurstücke beitragsrechtlich nicht auswirken können, wenn - was nahe liegt - die neugebildeten Flurstücke weiter unter einer laufenden Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuches stünden. Schließlich hätte eine Umgestaltung - mit ungewissem Erfolg - für die Klägerin nicht unerhebliche Kosten verursacht (Neuvermessung, Grundbuchanpassung, etc.).

46

2. Auch der Gesichtspunkt, dass der Ortsgesetzgeber im Abgabenrecht grundsätzlich pauschalieren und typisieren darf, rechtfertigt nicht die Annahme, es handele sich bei den nicht vorteilsgerechten Auswirkungen der Regelung des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS auf die Grundstücke der Klägerin um einen hinzunehmenden Sonderfall, der die Wirksamkeit des Beitragsmaßstabes nicht berührte.

47

a) Als Ausprägung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt der Grundsatz der Abgabengerechtigkeit vom Normgeber die Gleichbehandlung der Abgabenpflichtigen und fordert für Differenzierungen wesentlich gleicher oder die Gleichbehandlung wesentlich ungleicher Sachverhalte einen sachlich einleuchtenden und hinreichend gewichtigen Grund (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 - 8 N 3.93 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 75 - zitiert nach juris). Dabei ist für das Abgabenrecht anerkannt, dass Typisierungen und Pauschalierungen - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Verwaltungspraktikabilität gerechtfertigt sein können (BVerwG, Beschl. v. 28.03.1995 - a.a.O.; vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 29.09.2004 - 10 C 3/04 -, NVwZ 2005, 332 - zitiert nach juris).

48

Dem (Orts-)Gesetzgeber ist es bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen gestattet, in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48.81 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 45 und v. 25.08.1982 - 8 C 54.81 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 20 - jeweils zitiert nach juris). Im Abgabenrecht gilt insoweit der Grundsatz der Praktikabilität im Sinne einer unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu verstehenden Unzumutbarkeit für den Satzungsgeber. Nach dem Grundsatz der Praktikabilität darf der Satzungsgeber im Rahmen des Gleichheitsgrundsatzes berücksichtigen, dass seine Satzungsregelungen den praktischen Erfordernissen der Verwaltung Rechnung tragen müssen, damit die Abgabengerechtigkeit und die Genauigkeit der Abgabenbemessung einerseits sowie der Verwaltungsaufwand, der zur Verwirklichung dieses Zieles erforderlich ist, andererseits in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Die Rechtfertigung hierfür wird hergeleitet aus der Notwendigkeit, Massenvorgänge des Wirtschaftslebens angemessen verwaltungsmäßig zu bewältigen und zum anderen aus besonderen, unverhältnismäßigen Schwierigkeiten, vor allem technischer oder wirtschaftlicher Art, in manchen Bereichen die Abgabe nach einem individuellen, allen Gegebenheiten der Einzelsachverhalte Rechnung tragenden Wirklichkeitsmaßstab zu bemessen. Zu diesen Massenvorgängen zählen auch die Beitragsermittlung und Beitragserhebung für Anschlüsse an die öffentliche Abwasseranlage, weil sie sämtliche Grundstücke innerhalb eines Gemeindegebietes betrifft (vgl. zum Ganzen OVG Schleswig, Urt. v. 21.12.1993 - 2 L 135/92 -, KStZ 1994, 236 - zitiert nach juris).

49

Eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte ist vor diesem Hintergrund nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unerheblich, wenn bei ihrer Bewertung eine der beiden davon betroffenen Fallgruppen deshalb vernachlässigt werden dürfte, weil sie bei der unvermeidbar typisierenden Betrachtung nicht ins Gewicht fällt (sog. Grundsatz der Typengerechtigkeit). Dieser Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet dem (Orts-)Gesetzgeber, bei der Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und dabei die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.08.1982 - 8 C 54.81 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 20 - zitiert nach juris; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 18.05.1971 - 1 BvL 7/69 u. 1BvL 8/69 -, BVerfGE 31, 119 - zitiert nach juris). Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, als nicht mehr als 10 v.H. der von der Regelung betroffenen Fälle dem "Typ" widersprechen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 - 8 C 112/84 -, NVwZ 1987, 231 - zitiert nach juris).

50

Ein Maßstab ist aber dann rechtswidrig, wenn die Vorteile der typisierenden Betrachtungsweise nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.05.1971 - 1 BvL 7/69 u. 1 BvL 8/69 -, a.a.O.; vgl. auch Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand: Mai 2007, § 2 Anm. 3.3.3).

51

b) Zur Frage der Verwaltungspraktikabilität ist zunächst anzumerken, dass ein Maßstab, der den Aspekt der "untergeordneten" höchstzulässigen Nutzung eines Grundstücks aufgreift und berücksichtigt, nicht wegen des damit einhergehenden zusätzlichen Prüfungsbedarfs unpraktikabel sein dürfte. Die Kanalbaubeitragssatzung selbst verwendet den Begriff "untergeordnet" auch in § 4 Abschn. I Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4 Nr. 8 KBS und verlangt folglich auch dort entsprechende Prüfungen.

52

Zu der im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Typengerechtigkeit zunächst maßgeblichen Frage, wieviele Grundstücke im Satzungsgebiet die Situation aufweisen, dass verschiedene zulässige Vollgeschosszahlen oder Gebäudehöhen festgesetzt worden sind, wobei die höchstzulässige Vollgeschosszahl oder Gebäudehöhe eine untergeordnete Teilfläche betrifft und der Unterschied der entsprechenden baulichen Ausnutzbarkeit sich in etwa so darstellt, wie im vorliegenden Fall, liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor. Hierauf kommt es letztendlich jedoch auch nicht an.

53

Der Senat ist nämlich im Hinblick auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit - entsprechend dem Vorbringen der Klägerin - der Auffassung, dass die insoweit maßgebliche 10 % - Grenze nach Sinn und Zweck dieses Grundsatzes vorliegend jedenfalls hinsichtlich des durch die Beitragserhebung gegenüber der Klägerin betroffenen Anteils am Gesamtbeitragsaufkommen für die abgerechnete Anlage nach Maßgabe der entsprechenden Kalkulation überschritten worden ist: Die Beitragskalkulation der Hansestadt Stralsund legt ein Gesamtbeitragsaufkommen im Bereich der Schmutzwasserbeseitigung von 77.631.525,49 DM = 39.692.368,71 Euro zugrunde. Hiervon entfallen nach Maßgabe der angefochtenen Bescheide auf die Klägerin Beiträge in Höhe von insgesamt 6.859.160,71 Euro, was 17,28% und damit deutlich mehr als 10 % des gesamten Beitragsaufkommens entspricht. Selbst wenn man den Blick insoweit auf die Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0 verengen muss, ist ein Beitragsvolumen von 6.731.388,17 Euro betroffen, was 16,96 % entspricht. Insoweit kann offensichtlich keine Rede davon sein, diesem Sachverhalt komme kein Gewicht bei. Dem Grundsatz der Typengerechtigkeit ist deshalb derart Geltung zu verschaffen, dass eine Maßstabsregelung nicht für etwa 17 % des gesamten Beitragsaufkommens keinen vorteilsgerechten Maßstab enthalten darf. Deshalb kann die Maßstabsregelung des § 4 Abschn.I Abs. 4 Nr. 2 KBS auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Typengerechtigkeit keinen Bestand haben.

54

Unabhängig hiervon stehen die Vorteile der typisierenden Betrachtungsweise in Anbetracht der Erwägungen zur fehlenden Vorteilsgerechtigkeit, insbesondere auch der Dimensionen des von der Klägerin für die betreffenden Grundstücke erhobenen Beitrags der absoluten Höhe nach und dessen Anteil am Gesamtbeitragsaufkommen nicht mehr in einem vertretbaren Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig verbundenen Ungleichheit der Belastung. Dem Gebot der Abgabengleichheit kann zwar - wie ausgeführt - im Prinzip durch Auswahl eines gröberen bzw. ungenaueren Verteilungsmaßstabes wie insbesondere eines kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstabes hinreichend Rechnung getragen werden; dieser muss im Hinblick auf eine unterschiedliche Bebauung in dem abzurechnenden Gebiet jedoch entsprechende Sonderregelungen enthalten, die die dargestellten erheblichen Abweichungen in der baulichen Nutzbarkeit der Grundstücke dennoch zu erfassen und dem Differenzierungsgebot entsprechend zu berücksichtigen vermögen (vgl. OVG Bautzen, Urt. v. 21.10.1999 - 2 S 551/99 -, VwRR MO 2000, 91, 95; VG Gera, Beschl. v. 10.03.2007 - 5 E 1569/96.GE -, juris). Dabei sind an die Genauigkeit der Differenzierungsmerkmale grundsätzlich um so höhere Anforderungen zu stellen, je unterschiedlicher das durch die Anlage erschlossene Gebiet bebaubar bzw. nutzbar ist (vgl. VG Gera, Beschl. v. 10.03.2007 - 5 E 1569/96.GE -, juris). Ungenauigkeiten, die bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabes unter Praktikabilitätsgesichtspunkten und unter Berücksichtung des dem Ortsgesetzgeber zukommenden Ermessens im Prinzip unschädlich sind, sind nur soweit hinnehmbar, als sie kein Ausmaß annehmen, das einen hinreichend engen Bezug zwischen typischerweise zu erwartendem Abwasseranfall und als beitragsrelevant angesehener baulicher Ausnutzbarkeit verloren gehen ließe (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 29.11.1996 - 9 L 1151/95 -, juris; VG Gera, Beschl. v. 10.03.2007 - 5 E 1569/96.GE -, juris; vgl. auch die Senatsentscheidung vom 13.12.2005 - 1 M 277/04 -, juris, zum Ausbaubeitragsrecht). Das Ausmaß der aus der Anwendung des in Rede stehenden Beitragsmaßstabes folgenden Ungleichbehandlung bzw. der Unvereinbarkeit mit dem Äquivalenzprinzip im Falle der betreffenden Grundstücke der Klägerin kann insoweit nach Maßgabe der Ausführungen zur Verletzung des Vorteilsprinzips nicht mehr als unschädliche bloße Ungenauigkeit hingenommen werden.

55

Dass die Ungleichbehandlung unvertretbar ist, gilt umso mehr, berücksichtigt man im Vergleich zum Anteil der Klägerin am Gesamtbeitragsaufwand zusätzlich, dass die Flurstücke 1/49, 7/1 und 14/0 lediglich 329.284 m² und damit nur 2,95 % der gesamten beitragsfähige Fläche der Hansestadt Stralsund von - ausweislich der Beitragskalkulation - 11.146.205 m² umfassen. Der Kläranlage hat die Klägerin in den Jahren 2004 bis 2006 lediglich in der Größenordnung von gut 1 % der Gesamtabwassermenge, die über Abwassergebührenbescheide abgerechnet worden sind, eigenes Abwasser zugeführt. Auch wenn grundsätzlich zur Bestimmung des abgabenrechtlich relevanten Vorteils nicht nur auf die aktuelle tatsächliche Ausnutzung eines Grundstücks abgestellt werden kann, ist auch unter Berücksichtigung des durch den Bebauungsplan Nr. 30a vermittelten Dauervorteils - wie ausgeführt - zu beachten, dass die baurechtliche Zulässigkeit einer anderen als der aktuellen Nutzung durch die Klägerin und insbesondere einer abwasserintensiveren doch erheblichen Zweifeln unterliegt.

56

3. Die vom Verwaltungsgericht bevorzugte Berücksichtigung der atypischen Situation der Grundstücke der Klägerin auf der Ebene der Rechtsanwendung in Gestalt eines möglicherweise in Betracht kommenden Teilerlasses der Beitragsforderung nach Maßgabe des § 227 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V kommt nicht in Betracht.

57

Erstens würde eine für die Klägerin positive Erlasslösung dazu führen, dass in Höhe des Erlasses der allgemeine Haushalt der Hansestadt Stralsund belastet und damit Herstellungskosten der Abwasserentsorgung der Allgemeinheit aufgebürdet würden. Dies ist zwar, wie schon der Verweis des § 12 Abs. 1 KAG auf die §§ 163, 227 AO zeigt, an sich grundsätzlich unbedenklich. Da jedoch der im Raum stehende (Teil-)Erlass etwa 17 % des gesamten Beitragsaufkommens bzw. ein Beitragsvolumen in Millionenhöhe betrifft, erscheint es systemwidrig, in einem derartigen Umfang dann alle Einwohner der Hansestadt Stralsund, also nicht nur die Beitragspflichtigen, für den erlassenen Teilbetrag aufkommen zu lassen. Ein theoretischer Erlass in diesem Umfang stünde nicht im Einklang mit dem Prinzip, dass der Herstellungsaufwand durch Anschlussbeiträge gedeckt werden soll (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V).

58

Zweitens setzt eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung eines Beitrages voraus, dass der Ortsgesetzgeber den eigentlichen Abgabentatbestand in der Abgabensatzung umschreibt (§2 Abs. 1 KAG M-V). Das bedeutet, dass der Ortsgesetzgeber gewissermaßen im Sinne einer abgabenrechtlichen "Wesentlichkeitstheorie" alle für die Deckung des Herstellungsaufwandes wesentlichen Regelungen in der Satzung selbst regeln muss. Dies besagt im Prinzip auch der Grundsatz der konkreten Vollständigkeit, demzufolge eine Abgabensatzung für alle Beitragsfälle im Beitragsgebiet einen wirksamen Maßstab vorsehen muss. Der Ortsgesetzgeber kann dann aber nicht ein Beitragsvolumen von etwa 17 % des gesamten Beitragsaufkommens einer durch ihn nicht weiter determinierten Verwaltungsentscheidung im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung überantworten, sondern muss diese wesentliche Frage für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Beiträge der Beitragspflichtigen in einer entsprechenden Maßstabsregelung mit den daran anknüpfenden Folgen insbesondere für den Beitragssatz bzw. die Verteilung der Beitragslasten selbst entscheiden. Es geht nicht an, Entscheidungen mit derartig gravierenden Folgen für die Refinanzierung der kommunalen Einrichtung der Verwaltung zu überlassen, ohne sie ortsrechtlich hinreichend zu determinieren. Dies zeigen auch die kommunalverfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Haushaltsplanung bzw. Haushaltssatzung (vgl. §§ 46 ff. KV M-V).

59

Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob die Voraussetzungen der §§ 163 und 227 AO erfüllt wären - die Materialien zur Entstehungsgeschichte der Satzung zeigen, dass der Satzungsgeber das Ergebnis der Satzungsanwendung für die klägerischen Grundstücke gesehen und gewollt hat -, räumen diese Vorschriften der Verwaltung drittens Ermessen hinsichtlich der Erlassentscheidung ein, was - auch wenn das Ermessen durch die Billigkeitsentscheidung geprägt wird (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9.Aufl., § 163 Rn. 118, § 227 Rn. 17) - jedenfalls mit Blick auf die in Rede stehenden Beträge dem Grundsatz der gesetzlichen Bindung der Beitragserhebung widerspricht.

60

4. Da der unwirksame Beitragsmaßstab des § 4 Abschn. I Abs. 4 Nr. 2 KBS allen angefochtenen Beitragsbescheiden zugrundeliegt, waren sämtliche Bescheide aufzuheben.

61

Mit Blick auf die vorstehenden Erwägungen kommt es auf die Fragen der ordnungsgemäßen Beitragskalkulation, einer Zulässigkeit oder Erforderlichkeit einer sog. Kappungsgrenze, der Vergleichbarkeit einer Werfthalle mit einer Kirche und die im Zusammenhang mit der Rechtsanwendung aufgeworfenen Fragen nicht mehr an.

62

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Klage im Hauptantrag erfolgreich war und folglich damit die Rechtshängigkeit des zweiten Hilfsantrages, der nicht vom Teilurteil des Verwaltungsgerichts erfasst ist, weggefallen ist, hatte der Senat auch eine Kostenentscheidung zu treffen.

63

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

64

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

Durch Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Das rechtskräftige Urteil wirkt für und gegen die Parteien und die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind oder den Besitz der in Streit befangenen Sache in solcher Weise erlangt haben, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist.

(2) Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zugunsten derjenigen, die Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, gelten entsprechend.

(3) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Reallast, Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld, so wirkt es im Falle einer Veräußerung des belasteten Grundstücks in Ansehung des Grundstücks gegen den Rechtsnachfolger auch dann, wenn dieser die Rechtshängigkeit nicht gekannt hat. Gegen den Ersteher eines im Wege der Zwangsversteigerung veräußerten Grundstücks wirkt das Urteil nur dann, wenn die Rechtshängigkeit spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet worden ist.

(4) Betrifft das Urteil einen Anspruch aus einer eingetragenen Schiffshypothek, so gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Finanzbehörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für die betroffene Person ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 91 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, soll diesem Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies gilt insbesondere, wenn von dem in der Steuererklärung erklärten Sachverhalt zuungunsten des Steuerpflichtigen wesentlich abgewichen werden soll.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
die Finanzbehörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will,
5.
Maßnahmen in der Vollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Finanzbehörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Finanzbehörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für die betroffene Person ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 91 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

1. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – S 1260047/000823, N 1260047/00956 – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 bzw. 175,10 Euro übersteigen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 63,76 v. H. und im Übrigen dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger und dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung ..., in einer Größe von ..., und war Mitglied einer aus ihm und Herrn ... gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück ... in einer Größe von ... war. Im Jahre 2005 wurde die Gesellschaft aufgelöst und das Grundstück Flurstück ... in die Grundstücke Flurstücke ... (...) und ... (...) geteilt. Der Kläger ist seit dem 27.10.2005 Eigentümer des letztgenannten Grundstücks. Die genannten Grundstücke liegen im Bereich des betriebsfertigen Teils der von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (im Folgenden: Stadt) betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.

3

Nach der der Beitragssatzung der Stadt zu Grunde liegenden Kalkulation des Schmutz- und des Niederschlagswasserbeitrags wurde ursprünglich ein Deckungsgrad von jeweils 20 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes angestrebt. Im Jahre 2006 erfolgte ein Überarbeitung der Kalkulation. Danach liegt bei gleichbleibenden Beitragssätzen der Deckungsgrad für die Schmutzwasserbeseitigung bei 22,94 v. H. und für die Niederschlagswasserbeseitigung bei 28,71 v. H.. Die Refinanzierung der durch die Beitragserhebung nicht gedeckten Herstellungskosten erfolgt durch Benutzungsgebühren.

4

Die investive Maßnahme mit einem Gesamtumfang von ca. 80,3 Mio. Euro – davon beitragsfähig: ca. 54,9 Mio. Euro – ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen. In den Jahren 1993 bis 1996 hatte die Stadt zur Finanzierung der Maßnahme mehrere Darlehen in einem Gesamtvolumen von etwa 20,1 Mio. Euro aufgenommen. Die Zinsbindung der derzeit noch valutierenden Darlehen läuft in den Jahren 2014, 2016 und 2021 ab. Die Tilgung des letzten Darlehens ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Die Zinsbelastung bewegt sich je nach Einzeldarlehen zwischen 3,45 und 5,7 v. H. p. a..

5

Mit zwei Bescheiden 03.11.2004 hatte der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 97,54 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 65,76 und mit zwei weiteren Bescheiden vom 03.11.2004 für das damalige Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 993,69 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 487,20 herangezogen. Auf seinen gegen die Beitragsbescheide gerichteten Widerspruch hob der Beklagte die Bescheide über den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser insoweit auf, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 39,46 (Flurstück ...) bzw. Euro 292,32 (Flurstück ...) übersteigen; im Übrigen wies er den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2005 – zugestellt am 01.06.2005 – zurück.

6

Am 30.06.2005 hat der Kläger zu den Az. 3 A 1395/05 und 3 A 1397/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Ebenfalls am 30.06.2005 haben der Kläger und Herr ... zu den Az. 3 A 1396/05 und 3 A 1398/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Mit Beschluss vom 11.07.2005 hat das Gericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens 3 A 1395/05 verbunden. Nachdem Herr ... die Klage zurückgenommen hatte, hat es das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (3 A 1210/06).

7

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die den Beitragssätzen zu Grunde liegende Kalkulation sei von der Bürgerschaft nicht beschlossen worden. Die Kalkulation sei fehlerhaft. Auf der Kostenseite der Kalkulation sei der Anteil für die Nutzung der Anlage durch die Stadt (z. B. Straßenentwässerung) vom Aufwand nicht abgezogen worden. Weiter seien zu Unrecht die Kosten der Hausanschlüsse aufwandserhöhend berücksichtigt worden. Auch seien die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung nicht ordnungsgemäß ermittelt und von den Gesamtkosten abgezogen worden. Der Abzug eines Anteils Regenwasser von 1/3 sei nicht ausreichend. Von den Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sei der auf die Straßenentwässerung entfallende Anteil abzuziehen, was ebenfalls nicht erfolgt sei. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, warum Betriebsgrundstücke der Abwasserentsorgung sowie grundstücksgleiche Rechte in den Investitionszeitraum gefallen seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Grundstücke zur öffentlichen Abwasserbeseitigung gehörten. Die von der Nordwasser GmbH i. L. übernommenen Einrichtungen und Verbindlichkeiten gehörten ebenfalls nicht zum beitragsfähigen Aufwand. Das Klärwerk werde in der Kalkulation doppelt erfasst.

8

Auf der Flächenseite der Kalkulation seien die stadteigenen Grundstücke nicht berücksichtigt worden. Weiter hätten so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke nicht erfasst werden dürfen, weil ihnen durch die Anlage kein Vorteil vermittelt werde.

9

Auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei fehlerhaft. Etwaige Beitragsansprüche seien infolge Festsetzungsverjährung erloschen.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – ... – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er ist der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Die Abwasserbeitragsatzung sei wirksam. Die Höhe des Deckungsgrades sei nicht zu beanstanden. Dessen Festlegung stehe im Ermessen der Stadt. Hierfür sei zunächst die Einschätzung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern maßgebend gewesen, wonach ein Mindestdeckungsgrad von 20 v. H. anzustreben sei. Weiter verfolge der Beklagte das Ziel, durch einen verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad die Gesamtheit der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer, zu denen sowohl die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke als auch die Eigentümer so genannter neuangeschlossener Grundstücke gehörten, nicht übermäßig mit Einmalzahlungen zu belasten. Wenn der niedrige Deckungsgrad zu einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung führen sollte, so wäre der Beklagte zu einer Nacherhebung in erheblichem Umfang verpflichtet. Ungeachtet dessen habe der Gesetzgeber mit der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 klargestellt, dass sogar eine reine Gebührenfinanzierung beim Vorliegen einer atypischen Situation zulässig sein solle. Wesentliches Ziel des Gesetzgebers sei es, sowohl die Aufgabenträger als auch die Abgabenpflichtigen vor den erheblichen wirtschaftlichen Risiken zu schützen, die sich aus einer erneuten Systemumstellung ergeben würden. Zum anderen sollten der damit verbundene Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Nachdem das Verwaltungsgericht die frühere Beitragssatzung, die einen Deckungsgrad von 100 v. H. vorgesehen hatte, wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter altangeschlossener und neuangeschlossener Grundstücke als unwirksam angesehen hatte, habe die Stadt beschlossen, allen bisher herangezogenen Beitragspflichtigen die Differenzbeträge zu erstatten, die sich nach einer Neuberechnung auf Grundlage der aktuell geltenden Beitragssatzung ergäben. Wenn die Stadt nunmehr zur Umstellung auf ein "überwiegendes" Beitragssystem verpflichtet werde, seien Nacherhebungen unausweichlich, die den Beitragspflichtigen nicht mehr vermittelbar wären. Ungeachtet dessen sei das Abweichen von einem "überwiegenden" Beitragssystem gerechtfertigt, weil die Stadt, wie alle anderen kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern auch, eine gegenüber den Landkreisen deutlich höhere Bevölkerungsdichte aufweise. Hieraus könne gefolgert werden, dass die Beitragssätze je Grundstück im Verhältnis zu kreisangehörigen Gemeinden und Städten deutlich niedriger ausfielen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die vorgesehene Mischfinanzierung nicht zu erheblichen Gebührensprüngen geführt habe. Die Gebühren pro Kubikmeter lägen landesweit im unteren Bereich. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Zinsbelastung auf Darlehen beruhe, die die Stadt in den Jahren 1993 bis 1996 gleichsam notgedrungen aufgenommen habe, da der damals vorhandene Investitionsbedarf erheblich gewesen sei. Selbst wenn nunmehr Beiträge auf Grundlage eines höheren Deckungsgrades erhoben würden, hätte dies keine Auswirkungen auf die Kreditbelastung der Stadt, da die Mehreinnahmen nicht zu einer höheren Tilgung verwandt werden könnten. Die Zinsbindung der Darlehen ende erst in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021.

15

Die Rechtsanwendung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger sei Beitragsschuldner auch für das frühere Grundstück Flurstück .... Eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hätten er und Herr ... nicht begründet. Die Eintragung im Grundbuch mit dem Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" sei eher formaler Natur. Im Rechtsverkehr sei die Gesellschaft nicht als solche aufgetreten. Auch eine Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht sei frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung vom 06.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt habe die Stadt nicht über eine wirksame Beitragssatzung verfügt. Das VG Greifswald habe die davor Geltung beanspruchende Satzung wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter alt- und neuangeschlossener Grundstücke im Urteil vom 28.07.1999 als unwirksam angesehen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet. Die in Ansehung des ehemaligen Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO), als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 (Schmutzwasser) bzw. Euro 175,10 (Niederschlagswasser) übersteigen; im Übrigen sind diese Bescheide und die in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide dagegen rechtmäßig.

18

Die streitgegenständlichen Bescheide finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung vom Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 06.01.2004 i. d. F. der 3. Änderungssatzung vom 10.10.2007.

19

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Prüfungsmaßstab ist das Kommunalabgabengesetz in der Fassung des am 31.03.2005 in Kraft getretenen 1. Änderungsgesetzes. Zwar ist die Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung im Januar 2004 und damit vor dem In-Kraft-Treten des 1. Änderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes gilt aber auch für Altsatzungen, denn entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen Anschlussbeitragsbescheide ist der Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (VG Greifswald, Urt. v. 11.04.2007 – 3 A 620/05, S. 7 des Entscheidungsumdrucks; vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 – 8 C 145/81, DVBl. 1983, 135 m. w. N.). Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelungen des § 22 Abs. 2 KAG M-V; sowohl die Regelung über die Geltungserhaltung wirksamer Altsatzungen als auch die Bestimmung einer Anpassungsfrist für Altsatzungen wären nicht zu erklären, wenn die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes auf Altsatzungen keine Anwendung fände. Ungeachtet dessen wurde die Beitragssatzung unter Geltung der Neufassung des Kommunalabgabengesetzes erheblich modifiziert. So wurde bereits mit der 1. Änderungssatzung vom 18.10.2006 der Kalkulationszeitraum verändert: Die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Kalkulation erfasste den Zeitraum 1990/93 bis 2008; im Rahmen der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Neukalkulation wurde dieser auf den Zeitraum bis 2012 ausgedehnt. Zudem wurden in der Kalkulation erstmals die in den Stadtteilen Insel Riems/Riemser Ort gelegenen Grundstücke berücksichtigt. Die Änderungen führten dazu, dass der ursprünglich für die Schmutz- und die Niederschlagswasserbeseitigung angestrebte Deckungsgrad von 20 v. H. auf 22,94 v. H. (Schmutzwasser) bzw. 28,71 v. H. (Niederschlagswasser) angehoben wurde.

20

Die in § 6 der Satzung normierten Beitragssätze von 1,78 Euro/m² (Anschlussbeitrag Schmutzwasser) und 0,48 Euro/m² (Anschlussbeitrag Niederschlagswasser) sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers lag der Bürgerschaft bei der Beschlussfassung der Beitragsätze eine gültige Kalkulation vor. Ausweislich der Beschlussvorlage Nr. 03/1371 vom 17.09.2003 war ihr u. a. die Beitragskalkulation als Anlage beigefügt. Entsprechendes gilt für die der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegende Beschlussvorlage Nr. 04/535 vom 08.08.2006. Die weiteren Änderungssatzungen enthalten nur Klarstellungen, die sich auf die Kalkulation der Beitragssätze nicht auswirken.

21

a. Die Kalkulation der Beitragssätze ist methodisch frei von Fehlern. Dies gilt zunächst für den angestrebten verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten. Der hiernach jeweils offene Differenzbetrag (zu 100 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten) soll nach den Angaben des Beklagten durch die Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. d. § 6 KAG M-V finanziert werden. Dies ist hier auch zulässig.

22

Die Frage der Höhe des Deckungsgrades ist nicht deshalb von vornherein unbeachtlich, weil die Beitragspflichtigen und damit auch der Kläger durch den niedrigen Deckungsgrad lediglich begünstigt werden. Insbesondere kann nicht darauf verwiesen werden, ein zu niedriger Deckungsgrad könne nicht zu einer Rechtsverletzung i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen. Denn die Frage des Deckungsgrades wirkt sich nicht erst auf der Ebene der Rechtsanwendung (Anwendung der Beitragssatzung), sondern bereits im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Beitragssatzung aus. Verstößt die Kalkulation der Beitragssätze gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, sind diese unwirksam. Die Beitragssatzung wäre unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und damit insgesamt unwirksam, so dass es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung fehlen würde. Die Beitragsbescheide wären auch dann aufzuheben, wenn die Satzung bei einer ordnungsgemäßen Kalkulation der Beitragssätze zu höheren Beiträgen führen würde (vgl. für einen zu hohen Öffentlichkeitsanteil bei einer Straßenbaubeitragssatzung: VG Greifswald, Urt. v. 25.07.2001 – 3 A 1146/00, S. 7 f des Entscheidungsumdrucks; VG Dessau, Urt. 07.09.2000 – 2 A 756/99. DE, VwRR MO 2001, 60 <61>).

23

Jedoch liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vor: Die Vorschrift bestimmt, dass Anschlussbeiträge u. a. zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung erhoben werden sollen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 – 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass – ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades – überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v. H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

24

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V aufweist (dazu sogleich).

25

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a. A.: VG Schwerin a. a. O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a. a. O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a. a. O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a. a. O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter Heinz Müller, SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist Plenarprotokoll a. a. O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

26

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

27

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a. A.: Siemers a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen – auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt – sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

28

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2 a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

29

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird – und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a. a. O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z. B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v. H. p. a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v. H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

30

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a. a. O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a. a. O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf.

31

Anders als der Beklagte meint, liegt eine Ausnahme nicht deshalb vor, weil die betreffenden Darlehen bereits in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen worden sind und die Zinsbindungen erst in den Jahren ab 2014 enden. Zwar spricht manches dafür, dass eine am Regelungsziel der Vorschrift orientierte Ausnahme vorliegt, wenn der mit der Regelung bezweckte Erfolg, die Absenkung des Fremdkapitalbedarfs, nicht (mehr) erreicht werden kann. Denn die Regelung ist – wie jede Regelung – nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Ist sie zur Zweckerreichung ungeeignet, kann ihre Befolgung nicht gefordert werden. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Zweckerreichung ist erst dann ausgeschlossen, wenn eine Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad als 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. nicht geeignet wäre, den Kreditbedarf und die damit einhergehende Zinsbelastung der Stadt zu verringern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar trifft es zu, dass die Darlehen im Zeitraum 1993 bis 1996 aufgenommen worden sind und weitere Darlehen zur Finanzierung der Anlagen nicht benötigt werden. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass das bei einer Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad erwirtschaftete Kapital dazu verwandt werden könnte, die Darlehen bei Wegfall der Bindungsfristen in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021 vorzeitig abzulösen und damit die Zinsbelastung der Stadt und die der Abgabenpflichtigen in dem Zeitraum nach 2014 zu reduzieren.

32

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – wie dargelegt – den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v. H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v. H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v. H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist.

33

Maßgebend für die Beachtung des Regelungsziels des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist also, ob trotz einer Beitragserhebung mit einem Deckungsgrad von weniger als 70 v. H. gewährleistet ist, dass der Kreditbedarf nicht deutlich höher ist als etwa 1/3 der Herstellungskosten der Anlage. Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Der umlagefähige Aufwand für die Schmutzwasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Kalkulation auf Euro 43.479.014,83. Die Differenz zu dem in der Kalkulation angesetzten Betrag von nur Euro 40.623.893,74 erklärt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte den Betrag der nicht gezahlten Abwasserabgabe (vgl. § 10 Abs. 3 Abwasserabgabengesetz – AbwAG) i. H. v. Euro 2.855.121,09 aufwandsmindernd berücksichtigt hat, obwohl er hierzu nicht gezwungen ist. Für die Frage der Überschreitung der noch zulässigen Kreditfinanzierungsquote kommt es aber nicht auf den in der Kalkulation angesetzten Aufwand, sondern das Gesamtvolumen des beitragsfähigen Aufwandes an. Unterschreitet jener diesen, so ist der höhere Betrag maßgebend. Der umlagefähige Aufwand für die Niederschlagswasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der genannten Kalkulation auf Euro 11.471.496,31; der umlagefähige Gesamtaufwand für beide Anlagen beträgt damit Euro 54.950.511,14. Eine getrennte Betrachtung beider Anlagen ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, da es hier nicht um die Beachtung des Vorteilsprinzips, sondern um die Frage der Einhaltung der zulässigen Kreditfinanzierungsquote geht. Zur Finanzierung der Herstellung dieser Anlagen wurden von der Stadt Darlehen i. H. v. ca. 20,1 Mio. Euro aufgenommen, so dass der durch Darlehen finanzierte Anteil am beitragsfähigen Gesamtaufwand ca. 36,6 v. H. beträgt. Die (Vor-)Finanzierung der übrigen 63,4 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes erfolgte nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten durch Eigenmittel der Stadt. Deren Herkunft hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt. Zwar entspricht die Kreditfinanzierungsquote damit nicht exakt der Situation, die bestehen würde, wenn der Beklagte Herstellungsbeiträge mit einem angestrebten Deckungsgrad von 70 v. H. erheben würde. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Quote von 1/3 der Herstellungskosten nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen und eine – wie hier – geringfügige Unterschreitung zulässig ist.

34

b. Die Einwände des Klägers gegen die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Beitragskalkulation greifen ebenfalls nicht durch. Sie sind allerdings nicht bereits deshalb unerheblich, weil der Beklagte anlässlich des Beschlusses der 1. Änderungssatzung die Kalkulation überarbeitet hat. Denn die überarbeitete Kalkulation basiert auf den Daten der ursprünglichen Kalkulation.

35

Soweit der Kläger in Ansehung der Kostenseite der Kalkulation die Berücksichtigung der Kosten der Grundstücksanschlüsse rügt, ist dies unzutreffend, weil diese zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass deren Kosten berücksichtigungsfähig sind, § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Kosten für die Straßenentwässerung sind vom beitragspflichtigen Aufwand abgezogen worden. Der Einwand, die Aufteilung der Kosten des Kanalkatasters nach dem Verhältnis 1/3 (Niederschlagswasser) und 2/3 (Schmutzwasser) sei unzutreffend, ist unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Weiter gehören auch die Kosten des Erwerbs der Betriebsgrundstücke zum beitragsfähigen Aufwand. Die Altverbindlichkeiten sind berücksichtigungsfähig, weil sie von der Stadt für durch die Nordwasser GmbH i. L errichtete Anlagenteile (insbesondere des Klärwerks) übernommen worden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00, NordÖR 2002, 138). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Kosten des Klärwerks nicht teilweise doppelt erfasst. Denn die in der Kalkulation ausgewiesenen Altverbindlichkeiten für das Klärwerk i. H. v. Euro 5.112.918,81 (5.7 der Kalkulation) sind nicht zusätzlich zu den Gesamtherstellungskosten des Klärwerks von Euro 27.174.496,71 (5.1 der Kalkulation) berücksichtigt worden, sie sind vielmehr darin enthalten. Das ergibt sich auch daraus, dass auch in der überarbeiteten Kalkulation Klärwerkskosten in Höhe von Euro 27.311.146,39 ausgewiesen sind.

36

Auch die Flächenseite der Kalkulationen unterliegt keinen Bedenken. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Flächen stadteigener Grundstücke nicht berücksichtigt worden sind. Der weitere Einwand des Klägers, die Flächen so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke dürften nicht berücksichtigt werden, weil diese Grundstücke der Beitragspflicht nicht unterlägen, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage: Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, der das erkennende Gericht folgt, unterliegen auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke der Beitragspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 21.04.1999 (1 M 12/99, LKV 2000, S. 161) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

37

"Bei der Differenzierung von Beitragssätzen ist § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG (a. F.) zu beachten, der eine gesetzliche Umschreibung eines allgemeinen beitragsrechtlichen Prinzips enthält. Nach dieser Vorschrift sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Es ist aber festzustellen, dass den Grundstückseigentümern ... derselbe Vorteil zugute kommt. Allen Grundstückseigentümern wird durch die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals nach Inkrafttreten des KAG M-V und nach Erlass einer wirksamen Beitragssatzung durch den Antragsgegner eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können."

38

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mehrfach, unter anderem mit Urteil vom 30.06.2004 – 4 K 34/02 – bestätigt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die im Beitrittsgebiet im Jahr 1990 vorhandenen Abwasserbehandlungsanlagen den wasserrechtlichen Anforderungen vielfach nicht ansatzweise genügten und ein erheblicher Investitionsbedarf vorhanden war. Anders als in den alten Bundesländern, in denen die Abwasserbehandlungsanlagen den steigenden wasserrechtlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum nach und nach angepasst wurden, ergab sich in den neuen Bundesländern die Notwendigkeit, diesen Investitionsstau in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen, was dazu führte, dass nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch tatsächlich neue Anlagen errichtet wurden. Dies rechtfertigt es, alle Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten ungeachtet des Zeitpunkts der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an eine zentrale Anlage der Abwasserbehandlung zu einem einheitlichen Beitrag heranzuziehen. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrags auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, so hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen – die Eigentümer altangeschlossener Grundstücke könnten allenfalls zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen werden, die nach Lage der Dinge aber deutlich niedriger ausfallen dürften als Herstellungsbeiträge – vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Die damit verbundene erhebliche Belastung dieses Personenkreises wäre aber mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren (VG Greifswald, Urt. v. 30.03.2005 – 3 A 1064/04, S. 8 des Umdrucks).

39

Dabei ist unschädlich, dass in der Vergangenheit womöglich Anschlussgebühren oder ähnliche Leistungsäquivalente gezahlt worden sind. Denn beitragsfähig sind nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05, NordÖR 2006, 160 <161>). Damit besteht auch insoweit keine "Gerechtigkeitslücke" (eingehend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 a. a. O.).

40

c. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Regelung des § 12 BS, wonach aus Gründen der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder aus Gründen unklarer Rechtsverhältnisse ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Vereinbarungen oder Vergleichsverträge geschlossen werden können, wirksam ist. Denn die Zulässigkeit des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eines Vergleichsvertrages richtet sich nach den dabei zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den §§ 54 ff. VwVfG M-V, nicht jedoch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Diese Vorgaben können durch eine kommunale Satzung nicht ersetzt oder modifiziert werden. Die Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Unwirksamkeit der Regelung des § 12 BS führt nicht zur Nichtigkeit der Beitragssatzung insgesamt. Satzungsrechtliche Regelungen über den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder Vergleichsverträge gehören nicht zum Mindestinhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Ihre Fehlerhaftigkeit ist daher unschädlich. Es liegt allenfalls eine Teilnichtigkeit i. S. d. § 139 BGB vor.

41

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist teilweise fehlerhaft.

42

a. Allerdings ist der Fehler bei der Anwendung der Maßstabsregel für den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser im Widerspruchsverfahren korrigiert und statt des Faktors 1,0 nur noch der Faktor 0,6 angewandt worden. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers können daher auf sich beruhen.

43

b. Auch sind die Beitragsansprüche nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Kanalbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der aktuell geltenden Beitragssatzung entstanden. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Die sachliche Beitragspflicht ist damit frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung am 15.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht an- bzw. ablaufen, denn die davor Geltung beanspruchende Abwassergebühren- und Beitragssatzung der Hansestadt Greifswald vom 18.06.1996 ist wegen der Freistellung so genannter altangeschlossener Grundstücke von der Beitragspflicht unwirksam (VG Greifswald, Urt. v. 28.07.1999 – 3 A 690/98, S. 5 ff. des Entscheidungsumdrucks). Damit konnte die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 anlaufen und wird daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2008 ablaufen. Die Festsetzung erfolgte fristgemäß.

44

c. Gleichwohl waren die in Ansehung des ehemaligen Grundstück Flurstück ... ergangenen Bescheide zunächst in vollem Umfang rechtswidrig. Für dieses Grundstück durfte der Kläger zu Anschlussbeiträgen nicht herangezogen werden, weil er nicht (persönlich) beitragspflichtig war. Nach 8 Abs. 1 Satz 1 BS ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks oder zur Nutzung dinglich berechtigt ist.

45

Dies traf in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... auf den Kläger nicht zu. Das Eigentum stand nicht ihm, sondern der von ihm und Herrn V B gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu. In Abkehr von der überkommenen Theorie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als "die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit" wird die GbR heute als rechtsfähig angesehen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Danach kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.), insbesondere auch Grundstückseigentümerin sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.05.2002 – 15 A 5299/00, DVBl. 2002, 1434). Fraglich kann allenfalls die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft sein (vgl. BayObLG, Beschl. v. 31.10.2002 – 2 Z BR 70/02, DB 2002, 2481; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330 ff.), was aber keine Auswirkungen auf ihre Eigentümerstellung hat, wenn ihre Mitglieder – wie hier – mit dem Zusatz "als Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Das ist hier der Fall. Damit war die vom Kläger zusammen mit Herrn ... gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin des Grundstücks.

46

Die Bescheide konnten auch nicht als an die Gesellschaft gerichtet angesehen werden. Dagegen spricht, dass sie an den Kläger als natürliche Personen gerichtet sind und in der Begründung der Mitgesellschafter ... als Beitragspflichtiger aufgeführt ist. Hinzu kommt der Hinweis, dass die in dem Bescheid genannten Beitragspflichtigen als Gesamtschuldner für die Beitragssumme haften. Sowohl in den Ausgangsbescheiden als auch in den Widerspruchsbescheiden fehlt jeglicher Hinweis auf die BGB-Gesellschaft.

47

Dieser Fehler ist jedoch in der Folgezeit teilweise geheilt worden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger am 27.10.2005 das Eigentum an dem aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangenen Grundstück Flurstück ... erworben hat. Diese Veränderung ist vorliegend zu berücksichtigen. Denn wie bereits eingangs erwähnt ist entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Als Folge davon sind rechtliche und tatsächliche Veränderungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eintreten. Das Grundstück Flurstück ... ist aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangen und mit diesem daher teilidentisch. Da die Bekanntgabe der in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide bis zu ihrer Aufhebung fortwirkt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 06.08.2003 – 3 A 801/03, S. 5 des Entscheidungsumdrucks m. w. N.), führt der Umstand, dass der Kläger im Oktober 2005 das Alleineigentum an dem Grundstück Flurstück ... erwarb, insoweit zu einer Fehlerheilung, als die Bescheide dieses Grundstück betreffen.

48

Damit errechnen sich die auf das Grundstück Flurstück entfallenden Beiträge wie folgt:

49

Schmutzwasser: 608 m² x 0,55 x 1,78 Euro/m² = Euro 595,23

50

Niederschlagswasser: 608 m² x 0,6 x 0,48 Euro/m² = Euro 175,10

51

Soweit die Festsetzungen diese Beträge übersteigen, sind sie aufzuheben.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 wird insoweit angeordnet, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsgegner auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt EUR 3.139,29.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Wassergebühren. Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zur Fischverarbeitung in S. und ist an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (Zweckverband) angeschlossen.

2

Im Geschäftsbereich des Zweckverbandes erfolgte die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zunächst durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen auf Grundlage der Wasserversorgungsbeitragssatzung (WVBS) vom 09.10.2002 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004. Diese Satzung ist vom Zweckverband durch Aufhebungssatzung vom 03.09.2008 rückwirkend zum 01.01.2008 ersatzlos aufgehoben worden. Der Aufhebung vorausgegangen war ein (einfacher) Beschluss der Verbandsversammlung des Zweckverband vom 27.02.2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. Grund für die Aufhebung ist eine vom Zweckverband durchgeführte Umstellung des Finanzierungssystems für die Kosten der Herstellung der zentralen Wasserversorgungsanlage. Für diese Kosten sollen keine (gesonderten) Anschlussbeiträge mehr erhoben werden, statt dessen werden sie im Rahmen der Kalkulation der Trinkwassergebühr berücksichtigt. Die vom Zweckverband bisher vereinnahmten Trinkwasserbeiträge i.H.v. ca. 6,5 Mio. EUR sollen ab Anfang 2009 an die Beitragspflichtigen zurückgezahlt werden. Die hierfür benötigten Mittel werden durch eine Kreditaufnahme bereitgestellt.

3

Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht derzeit nicht fest. Die Anlage soll zwischen den Jahren 2020 und 2030 ihre Endausbaustufe erreichen. Zum 31.12.2007 lagen die um das von der N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. EUR. Es soll ein Wert von annähernd 100 Mio. EUR erreicht werden, wobei der Antragsgegner darauf hinweist, dass dies keine "belastbare" Zahl sei, da Fördermittel, Zuschüsse Dritter, Erschließungsgebiete usw. aktuell kaum prognostizierbar seien. Zur Finanzierung der Anlage wurden bisher Kredite i.H.v. 36,65 Mio. EUR aufgenommen. Zum 31.12.2007 bestanden Kreditverbindlichkeiten für die Trinkwasserversorgung i.H.v. 25,48 Mio. EUR.

4

Mit Bescheid vom 07.02.2008 zog der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 in Höhe von EUR 49.429,16 heran. Mit Änderungsbescheid vom 04.03.2008 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die Festsetzung "wegen rückwirkender Satzungsfestlegungen der Gebühren" gegenstandslos sei und setzte die Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 auf EUR 61.986,33 fest. Gegen den Änderungsbescheid legte die Antragstellerin unter dem 25.03.2008 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2008 wies der Antragsgegner den Rechtsbehelf zurück. Zugleich lehnte er es ab, die von ihm zuvor in Ansehung des Differenzbetrages gewährte Aussetzung der Vollziehung über den Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinaus zu verlängern.

5

Am 01.08.2008 hat die Antragstellerin zum Az. 3 A 1156/08 Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei jedenfalls in Höhe des Differenzbetrages zu der früheren Festsetzung rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, denn die Gebührensatzung sei unwirksam. Sie verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, da sie keinen Rückerstattungsanspruch für gezahlte Anschlussbeiträge normiere. Solche Rückerstattungen seien bisher auch nicht erfolgt. Den diesbezüglichen Absichtsbekundungen des Antragsgegners komme keine rechtsverbindliche Wirkung zu.

6

Ungeachtet dessen verstoße die in der Gebührensatzung normierte Einführung des so genannten reinen Gebührenmodells gegen die Soll-Regelung in § 9 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V), da keine atypische Ausnahmesituation gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei eine bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung (KV M-V) normierten Grundsatzes, wonach Kredite nur aufgenommen werden dürften, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig sei. Dies treffe auf die Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge zu, denn die Kreditaufnahme diene lediglich dazu, die bereits erfolgte "andere Finanzierung" zurückzuzahlen. Auch die übrigen im Gesetzgebungsverfahren zu § 9 Abs. 1 KAG M-V diskutierten Ausnahmesituationen lägen nicht vor.

7

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß - § 88 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]),

8

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit anzuordnen, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

9

Der Antragsgegner beantragt,

10

den Antrag abzulehnen.

11

Er ist der Auffassung, die Gebührensatzung sei wirksam. Die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell sei zulässig. In Bezug auf die Finanzierung der Trinkwasserversorgungsanlage lägen die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V vor. Die vom Verwaltungsgericht Greifswald angenommene "Höchstkreditquote" von 1/3 des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes gelte nur, wenn überhaupt Beiträge erhoben würden. Das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei zudem erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Damit sei eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge mit Blick auf die eintretende Festsetzungsverjährung in Bezug auf die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben wären. Zum einen hätte dies eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet, da die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- und Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt wäre. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Die vielfältigen Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten in Bezug auf das Satzungsrecht einen Anpassungsbedarf ausgelöst. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung habe der Antragsgegner Beiträge immer erst erhoben, wenn er im Bereich der betroffenen Grundstücke Baumaßnahmen durchgeführt hatte. Vor diesem Hintergrund habe mit Ablauf der Verjährungsfrist eine "gröblich unangemessene Eilsituation" bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

12

Die Kreditaufnahme zur Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge verstoße nicht gegen § 9 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 44 Abs. 3 KV M-V. Die Kreditaufnahme und die damit verbundenen Kosten wäre auch dann notwendig gewesen, wenn der Zweckverband von vornherein das Gebührenmodell gewählt hätte. Zudem dürfe der Zweckverband nicht dafür bestraft werden, dass er - anders als andere Aufgabenträger im Land - im Einklang mit der früheren Rechtslage eine Beitragserhebung durchgeführt und über eine wirksame Beitragssatzung verfügt habe. Hätte nur eine dieser Voraussetzungen nicht vorgelegen, wäre der Systemwechsel wesentlich einfacher durchzuführen, weil der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Geltung beanspruchen könnte. Dennoch stünden die bis zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten dem Systemwechsel nicht entgegen. Denn es seien keine Gründe erkennbar, warum der Zweckverband auch bereits entstandene Ansprüche nicht auf Grund höherwertiger Rechte und Interessen freiwillig aufgeben könne. Nichts anderes sei vorliegend erfolgt; vereinnahmte Beiträge würden erstattet.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 1156/08 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

II.

14

Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt, weil der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid erklärt hat, dass eine weitere Aussetzung der Vollziehung nicht mehr gewährt werde. Der Antrag ist auch begründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO u.a., wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen. So ist es hier.

15

Es bestehen bereits aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Ihm fehlt die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage, denn die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung - WVGS) vom 20.03.2008 i.d.F. der ersten Änderung vom 03.09.2008 ist unwirksam. Auf die Wasserversorgungsgebührensatzung (WVGS 2005) vom 03.11.2005 kann der Bescheid ebenfalls nicht gestützt werden. Zum einen folgt dies aus dem Umstand, dass die Satzung mit Ablauf des nur bis einschließlich 2007 reichenden Kalkulationszeitraums für die in § 3 WVGS 2005 normierten Gebühren unanwendbar geworden ist (Unzulässigkeit des periodenfremden Gebührenaufkommens, vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 28.06.2006 - 3 B 306/06, S. 4 f. des Entscheidungsumdrucks). Zu anderen ist darauf hinzuweisen, dass als Rechtsgrundlage für den vorliegend allein streitgegenständlichen "Erhöhungsbetrag" von EUR 12.500,- nur die aktuelle Wasserversorgungsgebührensatzung in Betracht kommt.

16

Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20.03.2008 i.d.F. der Änderung vom 03.09.2008 verstößt gegen die "Soll-Regelung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) und berücksichtigt die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Anforderungen nicht hinreichend (2.). Zudem wäre eine Berücksichtigung der Kosten der Kreditaufnahme (Zinsen und Tilgung) für die Rückerstattung vereinnahmter Trinkwasserbeiträge im Rahmen der Gebührenkalkulation unzulässig (3).

17

1. Nach § 1 Abs. 1 lit. a WVGS erhebt der Zweckverband nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen. Die Regelung des zweiten Halbsatzes der Bestimmung stellt klar, dass mit der Benutzungsgebühr auch der Aufwand für die Herstellung der Wasserversorgungsanlagen abgegolten werden soll. Damit besteht ein Spannungsverhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Vorschrift bestimmt, dass zur Deckung des Aufwandes u.a. für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser Anschlussbeiträge erhoben werden sollen. Die Vorschrift schließt die Einführung eines so genannten "reinen Gebührenmodells" nicht völlig aus, regelt aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V hat das VG Greifswald bereits in dem Urteil vom 02.04.2008 - 3 A 1395/05 (NordÖR 2008, 357) Folgendes ausgeführt:

18

"Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 - 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass - ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades - überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v.H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

19

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung - KV M-V aufweist (dazu sogleich).

20

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a.A.: VG Schwerin a.a.O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a.a.O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a.a.O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a.a.O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter H. M., SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist (Plenarprotokoll a.a.O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

21

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

22

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a.A.: Siemers a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 - 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen - auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt - sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

23

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

24

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird - und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z.B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v.H. p.a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v.H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

25

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a.a.O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a.a.O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf. (...)

26

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V - wie dargelegt - den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v.H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v.H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v.H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist."

27

An diesen Erwägungen, die auf die Einnahmebeschaffung der Zweckverbände übertragbar sind (vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 KV M-V), hält die Kammer nach erneuter Überprüfung fest. Sie sieht ihre Auffassung dabei insbesondere durch die Rechtsprechung des OVG Bautzen bestätigt, das beitragsrechtliche Bestimmungen ebenfalls als spezialgesetzliche Ausformungen der allgemeinen Grundsätze der gemeindlichen Einnahmebeschaffung versteht (Urt. v. 31.01.2007 - 5 B 522/06, zit. nach juris Rn. 80). Trifft dies zu, dann sind auch für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein die Kriterien der gemeindlichen Einnahmebeschaffung maßgebend. Dabei folgt aus dem Umstand, dass § 44 Abs. 2 KV M-V nicht zwischen Gebühren und Beiträgen unterscheidet, sondern allgemein von "Entgelten" spricht, nicht, dass Gebühr und Beitrag als gleichwertig anzusehen sind. Denn in den Fällen, in denen eine Beitragsfinanzierung möglich ist (oder möglich gewesen wäre) und die Gebührenfinanzierung zu einem Kreditbedarf in Höhe des kritischen Bereichs (s.o.) führt, folgt die Subsidiarität der Gebührenfinanzierung aus § 44 Abs. 3 KV M-V. Die aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgenden Bindungen gelten im Übrigen auch bei der Wahl einer nach § 1 Abs. 3 KAG M-V grundsätzlich zulässigen privatrechtlichen Entgeltregelung (keine "Flucht" ins Privatrecht, vgl. § 35 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser [AVBWasserV]). Daraus folgt, dass in Ansehung der Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlage vorrangig Baukostenzuschüsse i.S.d. § 9 AVBWasserV zu erheben sind. Eine Umlage der Herstellungskosten im Rahmen von Verbrauchsentgelten ist demgegenüber subsidiär.

28

Somit kommt es für das Vorliegen einer am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierten Ausnahme darauf an, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer reinen Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der beitragsfähigen Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. Dies gilt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch und gerade dann, wenn keine Beiträge erhoben werden. Die Frage der Kreditquote ist im vorliegenden Fall allerdings offen. Die Angaben des Antragsgegners sind ungenau. Zum Teil beruht dies naturgemäß darauf, dass die Angaben auf Prognosen beruhen und daher der Umfang von Fördermitteln und Zuschüssen Dritter bzw. der Umfang der Entstehung neuer Erschließungsgebiete nicht genau abgeschätzt werden kann. Andere Ungenauigkeiten beruhen auf unvollständigen oder unklaren Angaben des Antragsgegners. So ist fraglich, ob in den von ihm prognostizierten Herstellungskosten von 100 Mio. EUR das von der Firma N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen enthalten ist, und ob mit dessen Übernahme ein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist. Geht man zu Gunsten des Antragsgegners davon aus, dass die (beitragsfähigen) Herstellungskosten der Gesamtanlage in ihrer Endausbaustufe 100 Mio. EUR und die Kreditverbindlichkeiten bisher 36,65 Mio. EUR betragen, so ist die definierte "kritische Grenze" erreicht, aber nicht überschritten. In dem Urteil vom 02.04.2008 hat die Kammer eine Kreditfinanzierungsquote von 36,6 v.H. als gerade noch tolerierbar akzeptiert, so dass die diesbezüglichen Darlegungen des Antragsgegners einer "Punktlandung" gleichkommen. Die kritische Grenze ist dagegen überschritten, wenn dem von der Firma N. GmbH i.L. übernommenen Anlagevermögen kein beitragsfähiger Aufwand gegenübersteht, so dass der Betrag von 24 Mio. EUR damit weder ganz noch teilweise angesetzt werden kann. Überdies ist der tolerierbare Bereich überschritten, wenn - was der Antragsgegner bisher ebenfalls offen gelassen hat - die für die Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge aufgenommenen Kreditmittel zu den Kreditverbindlichkeiten hinzugerechnet werden. Gleiches gilt für den Fall, dass bis zur Fertigstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe ein zusätzlicher Kreditbedarf entsteht, was angesichts des noch weit in der Zukunft liegenden Fertigstellungszeitpunktes nicht ausgeschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist zudem zweifelhaft, ob die Frage des Überschreitens der "kritischen Grenze" im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden kann. Das Risiko der Nichterweislichkeit trägt der Antragsgegner. Dies folgt aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, denn nach dieser Bestimmung bildet die Beitragserhebung den Regelfall und die Gebührenerhebung die Ausnahme. Wer sich auf die Ausnahme beruft, muss das Vorliegen ihrer Voraussetzungen darlegen und ggfs. auch beweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist von einem Verstoß gegen die Grundregel auszugehen.

29

Soweit sich der Antragsgegner für das Vorliegen einer atypischen Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V darauf beruft, dass das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt ist, so dass eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, kommt es für die Ermittlung atypischer Ausnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein auf die Höhe der Kreditfinanzierungsquote an. Fragen der Bebauungs- oder Siedlungsstruktur spielen dagegen keine Rolle.

30

Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man dem nicht folgt und der Auffassung ist, dass eine bestimmte Siedlungsstruktur eine Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründen kann (vgl. Sauthoff a.a.O., der dies für den ländlichen Raum jedoch ausschließt). Denn der Antragsgegner lässt offen, unter welchem Blickwinkel die Einführung des Gebührensystems angesichts der Siedlungsstruktur im Geschäftsbereich des Zweckverbandes "abgabengerechter" sein soll. Da er die ausgeprägte touristische Struktur mit einem saisonal erheblich schwankenden Trinkwasserbedarf hervorhebt, ist davon auszugehen, dass nach Auffassung des Antragsgegners das Gebührensystem vor dem Hintergrund der vom Zweckverband vorzuhaltenden Lieferkapazität "gerechter" als das Beitragssystem sein soll. Nach Auffassung der Kammer ist allerdings das Gegenteil zutreffend: Richtig ist zwar, dass die Insel Rügen stark touristisch geprägt ist und es daher eine erhebliche Zahl (rein) touristisch genutzter Grundstücke (Ferienhausgrundstücke, "Datschen", Campingplätze usw.) gibt, die an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind und in den Sommermonaten einen zusätzlichen Trinkwasserbedarf auslösen. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich dieser Umstand auf die Kapazität der vorzuhaltenden Trinkwasseranlagen auswirkt, denn diese Anlagen müssen so dimensioniert sein, dass sie den in den Sommermonaten auftretenden Spitzenbelastungen gerecht werden auch wenn die Spitzenverbräuche in den übrigen Monaten des Jahres nicht annähernd erreicht werden. Keinesfalls reicht eine an Durchschnittswerten orientierte Dimensionierung aus. Dies führt zu Mehrkosten bei der Herstellung der Anlagen, die in Gebieten mit vergleichbarer Siedlungsstruktur aber ohne ausgeprägte touristische Nutzung nicht auftreten. Werden die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen nach einem Gebührensystem finanziert, so werden die Gesamtkosten einschließlich der genannten Mehrkosten auf den Jahresverbrauch umgelegt. Darin liegt der Unterscheid zum Beitragssystem, bei dem der tatsächliche Verbrauch für die Kostenverteilung keine Rolle spielt. Da touristisch genutzte Grundstücke einen saisonal eng begrenzten und daher geringeren Wasserverbrauch auslösen, als ganzjährig genutzte Grundstücke, führt der vom Antragsgegner ins Feld geführte Verbrauch als "Vorteilshauptparameter" dazu, dass die Eigentümer touristisch (saisonal) genutzter Grundstücke entlastet und die Eigentümer sonstiger, d.h. ganzjährig genutzter Grundstücke belastet werden. Denn das Maß der Kostenverursachung, bezogen auf den Kubikmeter bezogenen Trinkwassers, ist für die Benutzer der Anlage unterschiedlich hoch. Als Folge davon tragen die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke zumindest einen Teil der aus der touristischen Nutzung folgenden Mehrkosten bei der Herstellung der Anlage mit.

31

Dieser Effekt wird vorliegend noch dadurch verstärkt, dass der Zweckverband offenbar keine Notwendigkeit gesehen hat, im Rahmen der Einführung des reinen Gebührensystems die Grundgebühr der Wasserversorgung anzuheben. Die Gebührensätze für die Grundgebühr in § 3 Abs. 1 WVGS sind gegenüber den entsprechenden Gebührensätzen des § 3 WVGS 2005 unverändert. Eine Anhebung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr führt zu einer stärkeren Beteiligung der Eigentümer saisonal genutzter Grundstücke an den fixen Kosten der Anlage, wozu auch die Herstellungskosten gehören (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.02.2007 - 3 A 2047/04, S. 10 des Entscheidungsumdrucks). Da eine solche Anhebung unterblieben ist, schlagen die erstmalig in der Kalkulation berücksichtigten Herstellungskosten und somit auch die touristisch bedingten Mehrkosten der Herstellung "voll" auf die Verbrauchsgebühr durch. Im Ergebnis subventionieren die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke damit die Eigentümer lediglich saisonal genutzter Grundstücke. Dies ist aus bundesrechtlicher Sicht zwar zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48/81, zit. nach juris Rn. 16). Mit Blick auf das Verursachungsprinzip - einem Element des Vorteilsprinzips - ist dies jedoch nicht "gerechter", sondern eher "weniger gerecht" und daher nicht geeignet, eine Ausnahme von dem grundsätzlich bestehenden Gebot der Beitragsfinanzierung der Herstellungskosten zu begründen.

32

Eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V liegt auch nicht deshalb vor, weil das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern den Wechsel des Finanzierungssystems und insbesondere die damit verbundene Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge genehmigt hat. Richtig ist zwar, dass wegen der Erteilung der Genehmigung die Vermutung besteht, dass die Kreditverpflichtung mit der dauernden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zweckverbandes im Einklang steht, vgl. § 52 Abs. 2 Satz 3 KV M-V. Richtig ist auch, dass der Wechsel des Finanzierungssystems unzulässig wäre, wenn die damit verbundene Kreditaufnahme nicht genehmigungsfähig wäre (vgl. OVG Bautzen a.a.O. Rn. 91 ff.). Die Argumentation kann jedoch nicht umgedreht werden: Denn aus der kommunalverfassungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit der mit dem Systemwechsel verbundenen Kreditaufnahme - diese sei vorliegend unterstellt - folgt nicht zugleich die kommunalabgabenrechtliche Zulässigkeit des Systemwechsels selbst. Denn diese richtet sich nicht nach § 52 KV M-V, sondern nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Während bei der Prüfung der kommunalverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Kreditaufnahme die Sicherheit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde oder des Zweckverbandes im Vordergrund steht, ist bei der Prüfung der kommunalabgabenrechtlichen Zulässigkeit des Systemswechsels zusätzlich die Frage zu prüfen, ob der Systemwechsel zu einer nicht mehr tolerierbaren Mehrbelastung der Abgabenpflichtigen infolge der damit verbundenen Kreditaufnahme führt (s.o.).

33

Auch der Umstand, dass die Erhebung des Wasserversorgungsbeitrages zu einer erheblichen Belastung vieler Haushalte geführt hätte, weil die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- oder Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt ist, zwingt nicht zur Annahme einer atypischen Ausnahmesituation i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Zum einen legt der Antragsgegner nicht dar, dass sich dieses Problem in seinem Geschäftsbereich mit besonderer Schärfe stellt und vom Landesdurchschnitt signifikant abweicht. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber das Problem gesehen und mit der Verlängerung der Festsetzungsfrist für Anschlussbeiträge in § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V anderweitig bewältigt hat. Damit ist den Aufgabenträgern die Möglichkeit gegeben worden, flexibler auf die individuelle Situation der Grundstückseigentümer reagieren zu können und so die mit einer gedrängten Erhebung mehrerer Beiträge verbundene Belastung zu verringern (VG Greifswald, Beschl. v. 16.04.2008 - 3 B 441/08, S. 10/11 des Entscheidungsumdrucks; vgl. auch Ziff. 6.4.4 des Einführungserlasses des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 14.06.2005, abgedruckt bei Aussprung a.a.O., § 12 Anm. 47.2.2).

34

Eine atypische Ausnahmesituation ist nicht dadurch entstanden, dass der mit der Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen wäre. Die folgt bereits aus dem Umstand, dass im Schmutzwasserbereich die Beitragserhebung technisch offenbar problemlos bewältigt werden konnte. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch im Trinkwasserbereich möglich gewesen sein soll. Entgegen den Darlegungen des Antragsgegners hat es weder "vielfältige Änderungen in der Rechtsprechung" gegeben noch hat der Landesgesetzgeber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes in Bezug auf die Wasserversorgungsbeitragsatzung einen erheblichen Anpassungsbedarf ausgelöst. Zudem führt ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht (§ 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) in der Regel nicht zur Unwirksamkeit einer nach "altem Recht" wirksamen Satzung (VG Greifswald, Urt. v. 23.07.2008 - 3 A 1318/07, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass die Masse der sachlichen Beitragspflichten, nämlich die für so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke entstandenen Beitragspflichten (dazu sogleich), unter Geltung der Altfassung des Kommunalabgabengesetzes entstanden ist. Der mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes ausgelöste Änderungsbedarf konnte diese Beitragspflichten daher überhaupt nicht berühren. Statt dessen drängt sich die Annahme auf, dass die nunmehr eingetretene "gröblich unangemessene Eilsituation" "hausgemacht" ist, denn der Antragsgegner hat bereits im Jahre 2006 in mehreren Presseberichten erklärt, keine Bescheide über Wasserversorgungsbeiträge zu versenden. Mit Akzeptanzproblemen bei den Beitragspflichtigen haben auch andere Aufgabenträger zu kämpfen.

35

Soweit der Antragsgegner schließlich darauf hinweist, dass 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden, kann dies die Zulässigkeit des Systemwechsels ebensowenig begründen, wie der Umstand, dass sich die Gebührensätze der Wasserversorgungsgebührensatzung bei einem landesweiten Vergleich nur im "oberen Mittelfeld" bewegen. Die Frage der Zulässigkeit des reinen Gebührenmodells beurteilt sich allein danach, ob im Geschäftsgebiet des Zweckverbandes eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vorliegt, was vorliegend zumindest nicht fest steht. Die Verhaltensweise anderer Aufgabenträger ist als Rechtmäßigkeitsmaßstab selbst dann ungeeignet, wenn diese Aufgabenträger die Mehrheit bilden. Das kommunale Abgabenrecht kennt keinen Grundsatz der "normativen Kraft des Faktischen". Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht normierte (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.). Damit waren abweichende öffentlich-rechtliche Entgeltregelungen und insbesondere die Einführung eines reinen Gebührenmodells generell unzulässig (a.A.: Aussprung, NordÖR 2005, 240 <245>); nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist das reine Gebührenmodell lediglich in atypischen Ausnahmefällen zulässig. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige der von anderen Aufgabenträgern praktizierten reinen Gebührenmodelle nicht der Rechtslage entsprechen. Folgte man der Argumentation des Antragsgegners, so hätte dies die Folge, dass u.U. rechtswidrige Regelungen anderer Aufgabenträger den Rechtmäßigkeitsmaßstab für die vorliegend zu beurteilende Satzung bilden würden. Dass dies nicht zutreffend sein kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

36

2. Zudem gewährleistet die Wasserversorgungsgebührensatzung nicht hinreichend, dass die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Beschränkungen beachtet werden. Dem Beitrag wesensimmanent ist das Merkmal der Einmaligkeit. Ein einmal entstandener Beitrag kann für dieselbe Maßnahme nicht zu anderer Zeit und in anderer Höhe für dasselbe Grundstück noch einmal entstehen. Das Verbot der Doppelbelastung hat sowohl zum Gegenstand, dass ein Grundstück vor einer mehrfachen Belastung für eine bestimmte öffentliche Einrichtung geschützt ist, als auch, dass eine bestimmte Beitragspflicht, ist sie erst einmal entstanden, nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder gar in einer anderen Höhe noch einmal entstehen kann (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz M-V, Stand 05/08, § 9 Anm. 9.1 m.w.N.). Ein Eigentumswechsel ist wegen der "dinglichen Wirkung" der sachlichen Beitragspflicht (vgl. § 7 Abs. 6 KAG M-V) unbeachtlich, so dass sich auch der Rechtsnachfolger des ursprünglich Beitragspflichtigen auf das Verbot der Doppelbelastung berufen kann (Quaas in: Festschrift Driehaus, 2005, S. 174).

37

Allerdings setzt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung voraus, dass sachliche Beitragspflichten überhaupt entstanden sind. Denn erst mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht wird der Beitrag fixiert und löst die vorstehend genannten Folgen aus. Die Beitragspflicht entsteht nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 - 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Insbesondere für die so genannten altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke fixiert daher der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten wirksamen Beitragssatzung den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Für diese Grundstücke ist im Geschäftsbereich des Zweckverbandes die sachliche Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten der Satzung des Zweckverbandes "Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen" über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsbeitragssatzung - WVBS) vom 09.10.2002 (i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004) am 20.11.2002 entstanden. Die Wasserversorgungsbeitragssatzung ist wirksam (st. Rspr, zuletzt VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005 - 3 A 3684/04 und Gerichtsbescheid v. 07.07.2006 - 3 A 555/06). Bei der Wasserversorgungsbeitragssatzung handelt es sich um die erste wirksame Trinkwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes. Ihre Vorgängersatzungen sind unwirksam, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. so genannte Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind (VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005).

38

Jedenfalls die vor dem 31.12.2007 entstandenen sachlichen Beitragspflichten - und damit insbesondere die in Bezug auf die altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke entstandenen Beitragspflichten - sind durch die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragsatzung nicht berührt worden, da die Rückwirkung nur bis zum 01.01.2008 reicht. Die Frage, ob die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung die zwischen dem 01.01.2008 und dem Erlass der Aufhebungssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten erlöschen ließ, dürfte ebenfalls zu verneinen sein. Soweit der Antragsgegner meint, er könne über entstandene sachliche Beitragspflichten wegen "höherwertiger Rechte und Interessen" frei verfügen und auch bereits entstandene Ansprüche aufgeben, kann dem nicht gefolgt werden. Nach allgemeinen Regeln unterliegt ein Recht nur dann der alleinigen Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers, wenn es ausschließlich dem Schutz seiner Interessen dient. Dies trifft auf die (entstandene) sachliche Beitragspflicht nicht zu, da diese auch die Beitragspflichtigen schützt. So markiert der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht den Anlauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 Abgabenordnung [AO]), nach deren Ablauf die sachliche Beitragspflicht infolge Festsetzungsverjährung erlischt (§ 47 AO). Daraus folgt, dass die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung - ganz gleich ob rückwirkend oder nicht - keine Auswirkung auf den Ablauf der Festsetzungsfrist haben kann. Andernfalls hätte es der Zweckverband in der Hand, die sachliche Beitragspflicht kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zum Erlöschen zu bringen und die Frist mit dem Erlass einer neuen Beitragssatzung erneut anlaufen zu lassen.

39

Auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sowie das daraus folgende Verbot einer Doppelbelastung schützt die Beitragspflichtigen und wird folglich durch die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung nicht berührt. Die Rückzahlung vereinnahmter Beiträge führt nicht zu einem Wegfall des Verbots der Doppelbelastung. Denn Grundlage des darin liegenden Vertrauensschutzes ist nicht die Zahlung des Beitrags, sondern das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Diese fixiert die Höhe der Belastung und löst die dargestellten Folgen aus. Das Verbot ist daher auch dann bei der Einführung eines reinen Gebührenmodells zu beachten, wenn vereinnahmte Beiträge zurück gezahlt werden. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schützt die Beitragspflichtigen nicht nur vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten durch einen Anschlussbeitrag. Es schützt sie auch vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten der Anlage durch Funktionsäquivalente wie Benutzungsgebühren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.09.1980 - 2 A 1653/79, DVBl. 1981, 831 <833>) oder privatrechtliche Entgelte (vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V). Für eine Beschränkung der Schutzfunktion auf ein Verbot der Mehrfacherhebung von Herstellungsbeiträgen ist kein sachlicher Grund erkennbar, so dass sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Grundgesetz - GG) verstoßen würde.

40

Die Kammer verkennt nicht, dass der Antragsgegner das Verbot einer Doppelbelastung beachten will und in Presseveröffentlichungen erklärt hat, dass er die vereinnahmten Wasserversorgungsbeiträge ab Anfang 2009 zurückerstatten will. Dabei ist aber zweifelhaft, ob eine solche Erklärung ausreicht oder ob es - wie die Antragstellerin meint - erforderlich ist, einen Rückerstattungsanspruch der Betroffenen satzungsrechtlich zu normieren. Ebenso ist unklar, wie der Antragsgegner verfahren will, wenn einzelne Beitragsschuldner auf eine Erstattung des gezahlten Beitrages verzichten und statt dessen die Beibehaltung niedrigerer Verbrauchsgebühren fordern. Diese Fragen bedürfen vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn auch die bloße Rückerstattung aller vereinnahmten Beiträge allein reicht nicht aus, dem aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Verbot der Doppelbelastung Rechnung zu tragen.

41

Die vollständige Rückerstattung führt lediglich dazu, dass diejenigen Beitragsschuldner, die die auf sie entfallenden Herstellungsbeiträge bereits gezahlt haben, denjenigen Beitragsschuldnern gleichgestellt werden, deren sachliche Beitragspflicht zwar entstanden ist, deren Heranziehung aber bisher - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben ist. Beide Gruppen sind jedoch gleich schutzwürdig. Das Verbot der Doppelbelastung führt dazu, dass beide Gruppen durch den Systemwechsel nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie bei einer Beibehaltung des Beitragsmodells stehen würden. Das Beitragsmodell ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Beitragspflichtigen vor Kostensteigerungen bei der Herstellung der Anlage geschützt sind: Wie bereits erwähnt, fixiert die sachliche Beitragspflicht den Betrag, den die Beitragspflichtigen für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage zu entrichten haben. Dem Beitragssatz der Wasserversorgungsbeitragssatzung liegt eine Rechnungsperiodenkalkulation (1. Rechnungsperiode) zu Grunde, die den Zeitraum 1992 bis 2009 erfasst; mit den Beitragsatz von EUR 2,99 (brutto) wird ein Deckungsgrad von 80 v.H. der Herstellungskosten angestrebt. Würde sich in der Folgeperiode der Beitragssatz erhöhen - etwa wegen einer Steigerung der Herstellungskosten oder wegen einer Verschiebung in der Aufwands-/Flächenrelation oder weil ein höherer Deckungsgrad angestrebt wird - so betrifft dies nur die Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflicht erst in der betreffenden Folgeperiode entstanden ist. Diejenigen Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflichten bereits in der 1. Rechnungsperiode - also unter Geltung der aufgehobenen Wasserversorgungsbeitragssatzung - entstanden sind, dürfen wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht an diesen Mehrkosten beteiligt werden. Lediglich in Höhe von 20 v.H. der Herstellungskosten, also dem Teilbetrag, der nicht über die Erhebung von Beiträgen finanziert werden soll, ist eine Beteiligung auch an Kostensteigerungen möglich. M.a.W.: Ist die sachliche Beitragspflicht - wie hier - entstanden, so dürfen die Beitragspflichtigen auch nach dem Systemwechsel nur an 20 v.H. der Gesamtherstellungskosten der Wasserversorgungsanlage zzgl. des (Fest-)Betrages, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, beteiligt werden. Eine höhere Belastung verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung.

42

Die Einhaltung dieser Maßgaben ist mit der bloßen Rückzahlung der vereinnahmten Beitrage nicht gewährleistet. Die scheinbar gegenteilige Ansicht von Quaas (a.a.O., S. 176) beruht auf dem Umstand, dass er diesen Ansatz nicht weiter verfolgt, weil er die Möglichkeit der Rückzahlung vereinnahmter Beiträge mit Blick auf die schwierige Situation kommunaler Haushalte als wirklichkeitsfern verwirft. Die Gefahr einer unzulässigen Doppelbelastung besteht vorliegend deshalb, weil in der auf Grundlage der Wasserversorgungsgebührensatzung zu erhebenden Benutzungsgebühr nunmehr auch die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen gebührenwirksam berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, das der auf den einzelnen Gebührenschuldner entfallende Anteil der Herstellungskosten mit jeder Gebührenfestsetzung zunimmt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt erreicht der in der Summe der für das Grundstück festgesetzten Benutzungsgebühren enthaltene Anteil der Herstellungskosten den Betrag, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und der auch im Rahmen des reinen Gebührenmodells nicht überschritten werden darf. Da mit der Einführung des reinen Gebührenmodells im Vergleich zum Beitragsmodell eine Umschichtung der Lastenverteilung verbunden ist (s.o. S. 12 ff.), wird dieser Zeitpunkt bei Großverbrauchern in der Regel früher eintreten, als bei Normal- oder Geringverbrauchern. Ungeachtet dessen ist nicht gewährleistet, dass die Gruppe der Beitragspflichtigen über die Verbrauchsgebühr nur an maximal 20 v.H. der Gesamtkosten der Herstellung der Wasserversorgungsanlage (einschließlich Kostensteigerungen) beteiligt werden.

43

Dem muss in der Gebührensatzung Rechnung getragen werden. Es muss gewährleistet sein, dass die spätere Neubelastung durch Gebühren für bereits abgeschlossene Beitragssachverhalte nicht höher als beschrieben ausfällt (so auch Quaas a.a.O. S. 171/172). Dies hat zur Folge, dass der Zweckverband bei dem von ihm favorisierten reinen Gebührenmodell trotz einer Rückzahlung der vereinnahmten Beiträge nicht ohne gespaltene bzw. gestaffelte Gebührensätze auskommen dürfte. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Eilverfahrens, zu den dabei auftretenden Fragen abschließend Stellung zu nehmen.

44

3. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der ausschließlich das Kalenderjahr 2008 betreffenden Gebührenkalkulation Trinkwasser vom 30.01.2008 nicht entnommen werden kann, dass darin die Kosten der Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge (Zinsen und Tilgung) berücksichtigt worden sind. Eine solche Annahme drängt sich auch nicht auf, weil mit der Rückerstattung erst im Jahre 2009 begonnen werden soll. Die diesbezüglichen Einwände der Antragstellerin gehen daher fehl. Nach Auffassung der Kammer ist eine gebührenwirksame Berücksichtigung dieser Kosten jedoch unzulässig. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es sich hierbei um Kosten der Systemumstellung handelt. Solche Kosten sind nicht gebührenfähig, weil sie keinen Bezug zur Leistungserbringung haben (Quaas, a.a.O. S. 173). Soweit der Antragsgegner einwendet, diese Kosten wären ebenso entstanden, wenn der Zweckverband von vornherein ein reines Gebührenmodell eingeführt hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen kommt es für die Gebührenfähigkeit von Kosten auf den tatsächlichen und nicht auf einen hypothetischen Kausalzusammenhang an. Zum anderen normierte das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes zum Kommunalabgabengesetz geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.), so dass die Einführung eines reinen Gebührenmodells unzulässig war (s.o.). Damit wären die Kosten auch nach der alten Rechtslage nicht gebührenfähig gewesen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der angegriffene Teilbetrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht in Ansehung des Grundstücks mit dem Zuschlag, in Ansehung der übrigen Gegenstände mit dem Schluß der Versteigerung auf den Ersteher über. Von dem Zuschlag an gebühren dem Ersteher die Nutzungen und trägt er die Lasten. Ein Anspruch auf Gewährleistung findet nicht statt.

Laufende Beträge regelmäßig wiederkehrender Leistungen sind für die Zeit bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Versteigerungstermin zu decken. Nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen werden mit den Beträgen berücksichtigt, welche vor dem Ablauf dieser Frist zu entrichten sind.

Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht in Ansehung des Grundstücks mit dem Zuschlag, in Ansehung der übrigen Gegenstände mit dem Schluß der Versteigerung auf den Ersteher über. Von dem Zuschlag an gebühren dem Ersteher die Nutzungen und trägt er die Lasten. Ein Anspruch auf Gewährleistung findet nicht statt.

Laufende Beträge regelmäßig wiederkehrender Leistungen sind für die Zeit bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Versteigerungstermin zu decken. Nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen werden mit den Beträgen berücksichtigt, welche vor dem Ablauf dieser Frist zu entrichten sind.

(1) Ein Recht ist bei der Feststellung des geringsten Gebots insoweit, als es zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerks aus dem Grundbuch ersichtlich war, nach dem Inhalt des Grundbuchs, im übrigen nur dann zu berücksichtigen, wenn es rechtzeitig angemeldet und, falls der Gläubiger widerspricht, glaubhaft gemacht wird.

(2) Von wiederkehrenden Leistungen, die nach dem Inhalt des Grundbuchs zu entrichten sind, brauchen die laufenden Beträge nicht angemeldet, die rückständigen nicht glaubhaft gemacht zu werden.

(3) Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 sind bei der Anmeldung durch einen entsprechenden Titel oder durch die Niederschrift der Beschlüsse einschließlich ihrer Anlagen oder in sonst geeigneter Weise glaubhaft zu machen. Aus dem Vorbringen müssen sich die Zahlungspflicht, die Art und der Bezugszeitraum des Anspruchs sowie seine Fälligkeit ergeben.

Laufende Beträge regelmäßig wiederkehrender Leistungen sind für die Zeit bis zum Ablauf von zwei Wochen nach dem Versteigerungstermin zu decken. Nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen werden mit den Beträgen berücksichtigt, welche vor dem Ablauf dieser Frist zu entrichten sind.

(1) Ein Recht bleibt insoweit bestehen, als es bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt und nicht durch Zahlung zu decken ist. Im übrigen erlöschen die Rechte.

(2) Das Recht auf eine der in den §§ 912 bis 917 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Renten bleibt auch dann bestehen, wenn es bei der Feststellung des geringsten Gebots nicht berücksichtigt ist. Satz 1 ist entsprechend anzuwenden auf

a)
den Erbbauzins, wenn nach § 9 Abs. 3 des Erbbaurechtsgesetzes das Bestehenbleiben des Erbbauzinses als Inhalt der Reallast vereinbart worden ist;
b)
Grunddienstbarkeiten und beschränkte persönliche Dienstbarkeiten, die auf dem Grundstück als Ganzem lasten, wenn in ein Wohnungseigentum mit dem Rang nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 vollstreckt wird und diesen kein anderes Recht der Rangklasse 4 vorgeht, aus dem die Versteigerung betrieben werden kann.

Die Gefahr des zufälligen Unterganges geht in Ansehung des Grundstücks mit dem Zuschlag, in Ansehung der übrigen Gegenstände mit dem Schluß der Versteigerung auf den Ersteher über. Von dem Zuschlag an gebühren dem Ersteher die Nutzungen und trägt er die Lasten. Ein Anspruch auf Gewährleistung findet nicht statt.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.