Verwaltungsgericht Greifswald Beschluss, 23. Okt. 2008 - 3 B 1161/08

bei uns veröffentlicht am23.10.2008

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 wird insoweit angeordnet, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Antragsgegner auferlegt.

3. Der Streitwert beträgt EUR 3.139,29.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Wassergebühren. Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen zur Fischverarbeitung in S. und ist an die zentrale Trinkwasserversorgungsanlage des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen (Zweckverband) angeschlossen.

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Im Geschäftsbereich des Zweckverbandes erfolgte die Refinanzierung der Kosten für die Herstellung der zentralen Anlage der Trinkwasserversorgung zunächst durch die Erhebung von Anschlussbeiträgen auf Grundlage der Wasserversorgungsbeitragssatzung (WVBS) vom 09.10.2002 i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004. Diese Satzung ist vom Zweckverband durch Aufhebungssatzung vom 03.09.2008 rückwirkend zum 01.01.2008 ersatzlos aufgehoben worden. Der Aufhebung vorausgegangen war ein (einfacher) Beschluss der Verbandsversammlung des Zweckverband vom 27.02.2008 über die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung. Grund für die Aufhebung ist eine vom Zweckverband durchgeführte Umstellung des Finanzierungssystems für die Kosten der Herstellung der zentralen Wasserversorgungsanlage. Für diese Kosten sollen keine (gesonderten) Anschlussbeiträge mehr erhoben werden, statt dessen werden sie im Rahmen der Kalkulation der Trinkwassergebühr berücksichtigt. Die vom Zweckverband bisher vereinnahmten Trinkwasserbeiträge i.H.v. ca. 6,5 Mio. EUR sollen ab Anfang 2009 an die Beitragspflichtigen zurückgezahlt werden. Die hierfür benötigten Mittel werden durch eine Kreditaufnahme bereitgestellt.

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Der Zeitpunkt der Fertigstellung der zentralen Trinkwasserversorgungsanlage steht derzeit nicht fest. Die Anlage soll zwischen den Jahren 2020 und 2030 ihre Endausbaustufe erreichen. Zum 31.12.2007 lagen die um das von der N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen bereinigten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Anlage bei 64,5 Mio. EUR. Es soll ein Wert von annähernd 100 Mio. EUR erreicht werden, wobei der Antragsgegner darauf hinweist, dass dies keine "belastbare" Zahl sei, da Fördermittel, Zuschüsse Dritter, Erschließungsgebiete usw. aktuell kaum prognostizierbar seien. Zur Finanzierung der Anlage wurden bisher Kredite i.H.v. 36,65 Mio. EUR aufgenommen. Zum 31.12.2007 bestanden Kreditverbindlichkeiten für die Trinkwasserversorgung i.H.v. 25,48 Mio. EUR.

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Mit Bescheid vom 07.02.2008 zog der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 in Höhe von EUR 49.429,16 heran. Mit Änderungsbescheid vom 04.03.2008 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass die Festsetzung "wegen rückwirkender Satzungsfestlegungen der Gebühren" gegenstandslos sei und setzte die Wassergebühr für den Zeitraum Januar 2008 auf EUR 61.986,33 fest. Gegen den Änderungsbescheid legte die Antragstellerin unter dem 25.03.2008 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2008 wies der Antragsgegner den Rechtsbehelf zurück. Zugleich lehnte er es ab, die von ihm zuvor in Ansehung des Differenzbetrages gewährte Aussetzung der Vollziehung über den Abschluss des Widerspruchsverfahrens hinaus zu verlängern.

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Am 01.08.2008 hat die Antragstellerin zum Az. 3 A 1156/08 Anfechtungsklage gegen den Änderungsbescheid erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei jedenfalls in Höhe des Differenzbetrages zu der früheren Festsetzung rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, denn die Gebührensatzung sei unwirksam. Sie verstoße gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung, da sie keinen Rückerstattungsanspruch für gezahlte Anschlussbeiträge normiere. Solche Rückerstattungen seien bisher auch nicht erfolgt. Den diesbezüglichen Absichtsbekundungen des Antragsgegners komme keine rechtsverbindliche Wirkung zu.

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Ungeachtet dessen verstoße die in der Gebührensatzung normierte Einführung des so genannten reinen Gebührenmodells gegen die Soll-Regelung in § 9 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V), da keine atypische Ausnahmesituation gegeben sei, die ein Absehen von der grundsätzlich gebotenen Beitragserhebung rechtfertige. Die Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V sei eine bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung (KV M-V) normierten Grundsatzes, wonach Kredite nur aufgenommen werden dürften, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich oder wirtschaftlich unzweckmäßig sei. Dies treffe auf die Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge zu, denn die Kreditaufnahme diene lediglich dazu, die bereits erfolgte "andere Finanzierung" zurückzuzahlen. Auch die übrigen im Gesetzgebungsverfahren zu § 9 Abs. 1 KAG M-V diskutierten Ausnahmesituationen lägen nicht vor.

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Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß - § 88 Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]),

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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 04.03.2008 - KDN - in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15.07.2008 insoweit anzuordnen, als die Festsetzung den Betrag von EUR 49.429,16 übersteigt.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er ist der Auffassung, die Gebührensatzung sei wirksam. Die Umstellung des Finanzierungssystems auf das reine Gebührenmodell sei zulässig. In Bezug auf die Finanzierung der Trinkwasserversorgungsanlage lägen die Voraussetzungen für ein Abweichen von der Soll-Regelung des § 9 Abs. 1 KAG M-V vor. Die vom Verwaltungsgericht Greifswald angenommene "Höchstkreditquote" von 1/3 des beitragsfähigen Herstellungsaufwandes gelte nur, wenn überhaupt Beiträge erhoben würden. Das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes sei zudem erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt. Damit sei eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter. Zudem sei zu berücksichtigen, dass Anschlussbeiträge mit Blick auf die eintretende Festsetzungsverjährung in Bezug auf die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke bis zum Ablauf des Jahres 2008 zu erheben wären. Zum einen hätte dies eine erhebliche Belastung vieler Haushalte bedeutet, da die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- und Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt wäre. Zum anderen sei der mit einer Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen. Die vielfältigen Änderungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung hätten in Bezug auf das Satzungsrecht einen Anpassungsbedarf ausgelöst. Wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung habe der Antragsgegner Beiträge immer erst erhoben, wenn er im Bereich der betroffenen Grundstücke Baumaßnahmen durchgeführt hatte. Vor diesem Hintergrund habe mit Ablauf der Verjährungsfrist eine "gröblich unangemessene Eilsituation" bestanden, die zu einer erheblichen Fehleranfälligkeit bei der Beitragserhebung geführt hätte. Weiter sei zu berücksichtigen, dass im Land Mecklenburg-Vorpommern 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden.

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Die Kreditaufnahme zur Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge verstoße nicht gegen § 9 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 44 Abs. 3 KV M-V. Die Kreditaufnahme und die damit verbundenen Kosten wäre auch dann notwendig gewesen, wenn der Zweckverband von vornherein das Gebührenmodell gewählt hätte. Zudem dürfe der Zweckverband nicht dafür bestraft werden, dass er - anders als andere Aufgabenträger im Land - im Einklang mit der früheren Rechtslage eine Beitragserhebung durchgeführt und über eine wirksame Beitragssatzung verfügt habe. Hätte nur eine dieser Voraussetzungen nicht vorgelegen, wäre der Systemwechsel wesentlich einfacher durchzuführen, weil der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung dann keine Geltung beanspruchen könnte. Dennoch stünden die bis zur Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten dem Systemwechsel nicht entgegen. Denn es seien keine Gründe erkennbar, warum der Zweckverband auch bereits entstandene Ansprüche nicht auf Grund höherwertiger Rechte und Interessen freiwillig aufgeben könne. Nichts anderes sei vorliegend erfolgt; vereinnahmte Beiträge würden erstattet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Antragsgegner entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die beigezogenen Akten des Verfahrens 3 A 1156/08 vorgelegen.

Entscheidungsgründe

II.

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Der Antrag ist zulässig; insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erfüllt, weil der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid erklärt hat, dass eine weitere Aussetzung der Vollziehung nicht mehr gewährt werde. Der Antrag ist auch begründet. Einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gewährt das Gericht entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO u.a., wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen. So ist es hier.

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Es bestehen bereits aufgrund der im Eilverfahren lediglich gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides. Ihm fehlt die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage, denn die Satzung des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen über die Erhebung von Gebühren für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsgebührensatzung - WVGS) vom 20.03.2008 i.d.F. der ersten Änderung vom 03.09.2008 ist unwirksam. Auf die Wasserversorgungsgebührensatzung (WVGS 2005) vom 03.11.2005 kann der Bescheid ebenfalls nicht gestützt werden. Zum einen folgt dies aus dem Umstand, dass die Satzung mit Ablauf des nur bis einschließlich 2007 reichenden Kalkulationszeitraums für die in § 3 WVGS 2005 normierten Gebühren unanwendbar geworden ist (Unzulässigkeit des periodenfremden Gebührenaufkommens, vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 28.06.2006 - 3 B 306/06, S. 4 f. des Entscheidungsumdrucks). Zu anderen ist darauf hinzuweisen, dass als Rechtsgrundlage für den vorliegend allein streitgegenständlichen "Erhöhungsbetrag" von EUR 12.500,- nur die aktuelle Wasserversorgungsgebührensatzung in Betracht kommt.

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Die Wasserversorgungsgebührensatzung vom 20.03.2008 i.d.F. der Änderung vom 03.09.2008 verstößt gegen die "Soll-Regelung" des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V (1.) und berücksichtigt die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Anforderungen nicht hinreichend (2.). Zudem wäre eine Berücksichtigung der Kosten der Kreditaufnahme (Zinsen und Tilgung) für die Rückerstattung vereinnahmter Trinkwasserbeiträge im Rahmen der Gebührenkalkulation unzulässig (3).

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1. Nach § 1 Abs. 1 lit. a WVGS erhebt der Zweckverband nach Maßgabe dieser Satzung Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung der Wasserversorgung zur Deckung der Kosten gemäß § 6 Abs. 2 KAG M-V sowie zum Ersatz des Aufwandes für die Herstellung öffentlicher Wasserversorgungsanlagen. Die Regelung des zweiten Halbsatzes der Bestimmung stellt klar, dass mit der Benutzungsgebühr auch der Aufwand für die Herstellung der Wasserversorgungsanlagen abgegolten werden soll. Damit besteht ein Spannungsverhältnis zu § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Vorschrift bestimmt, dass zur Deckung des Aufwandes u.a. für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Versorgung mit Wasser Anschlussbeiträge erhoben werden sollen. Die Vorschrift schließt die Einführung eines so genannten "reinen Gebührenmodells" nicht völlig aus, regelt aber als Kollisionsnorm das Verhältnis zwischen beiden Finanzierungsmethoden. Zur Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V hat das VG Greifswald bereits in dem Urteil vom 02.04.2008 - 3 A 1395/05 (NordÖR 2008, 357) Folgendes ausgeführt:

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"Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 - 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass - ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades - überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v.H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 - 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

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Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung - KV M-V aufweist (dazu sogleich).

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Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a.A.: VG Schwerin a.a.O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a.a.O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a.a.O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a.a.O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter H. M., SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist (Plenarprotokoll a.a.O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

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Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

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Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a.A.: Siemers a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 - 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen - auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt - sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

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Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

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Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird - und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a.a.O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z.B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v.H. p.a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v.H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 - 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

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Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a.a.O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a.a.O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf. (...)

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Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V - wie dargelegt - den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v.H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v.H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v.H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist."

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An diesen Erwägungen, die auf die Einnahmebeschaffung der Zweckverbände übertragbar sind (vgl. § 161 Abs. 1 Satz 2 KV M-V), hält die Kammer nach erneuter Überprüfung fest. Sie sieht ihre Auffassung dabei insbesondere durch die Rechtsprechung des OVG Bautzen bestätigt, das beitragsrechtliche Bestimmungen ebenfalls als spezialgesetzliche Ausformungen der allgemeinen Grundsätze der gemeindlichen Einnahmebeschaffung versteht (Urt. v. 31.01.2007 - 5 B 522/06, zit. nach juris Rn. 80). Trifft dies zu, dann sind auch für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein die Kriterien der gemeindlichen Einnahmebeschaffung maßgebend. Dabei folgt aus dem Umstand, dass § 44 Abs. 2 KV M-V nicht zwischen Gebühren und Beiträgen unterscheidet, sondern allgemein von "Entgelten" spricht, nicht, dass Gebühr und Beitrag als gleichwertig anzusehen sind. Denn in den Fällen, in denen eine Beitragsfinanzierung möglich ist (oder möglich gewesen wäre) und die Gebührenfinanzierung zu einem Kreditbedarf in Höhe des kritischen Bereichs (s.o.) führt, folgt die Subsidiarität der Gebührenfinanzierung aus § 44 Abs. 3 KV M-V. Die aus § 44 Abs. 3 KV M-V folgenden Bindungen gelten im Übrigen auch bei der Wahl einer nach § 1 Abs. 3 KAG M-V grundsätzlich zulässigen privatrechtlichen Entgeltregelung (keine "Flucht" ins Privatrecht, vgl. § 35 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser [AVBWasserV]). Daraus folgt, dass in Ansehung der Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlage vorrangig Baukostenzuschüsse i.S.d. § 9 AVBWasserV zu erheben sind. Eine Umlage der Herstellungskosten im Rahmen von Verbrauchsentgelten ist demgegenüber subsidiär.

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Somit kommt es für das Vorliegen einer am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierten Ausnahme darauf an, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer reinen Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der beitragsfähigen Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. Dies gilt entgegen der Auffassung des Antragsgegners auch und gerade dann, wenn keine Beiträge erhoben werden. Die Frage der Kreditquote ist im vorliegenden Fall allerdings offen. Die Angaben des Antragsgegners sind ungenau. Zum Teil beruht dies naturgemäß darauf, dass die Angaben auf Prognosen beruhen und daher der Umfang von Fördermitteln und Zuschüssen Dritter bzw. der Umfang der Entstehung neuer Erschließungsgebiete nicht genau abgeschätzt werden kann. Andere Ungenauigkeiten beruhen auf unvollständigen oder unklaren Angaben des Antragsgegners. So ist fraglich, ob in den von ihm prognostizierten Herstellungskosten von 100 Mio. EUR das von der Firma N. GmbH i.L. übernommene Anlagevermögen enthalten ist, und ob mit dessen Übernahme ein beitragsfähiger Aufwand entstanden ist. Geht man zu Gunsten des Antragsgegners davon aus, dass die (beitragsfähigen) Herstellungskosten der Gesamtanlage in ihrer Endausbaustufe 100 Mio. EUR und die Kreditverbindlichkeiten bisher 36,65 Mio. EUR betragen, so ist die definierte "kritische Grenze" erreicht, aber nicht überschritten. In dem Urteil vom 02.04.2008 hat die Kammer eine Kreditfinanzierungsquote von 36,6 v.H. als gerade noch tolerierbar akzeptiert, so dass die diesbezüglichen Darlegungen des Antragsgegners einer "Punktlandung" gleichkommen. Die kritische Grenze ist dagegen überschritten, wenn dem von der Firma N. GmbH i.L. übernommenen Anlagevermögen kein beitragsfähiger Aufwand gegenübersteht, so dass der Betrag von 24 Mio. EUR damit weder ganz noch teilweise angesetzt werden kann. Überdies ist der tolerierbare Bereich überschritten, wenn - was der Antragsgegner bisher ebenfalls offen gelassen hat - die für die Rückerstattung der vereinnahmten Beiträge aufgenommenen Kreditmittel zu den Kreditverbindlichkeiten hinzugerechnet werden. Gleiches gilt für den Fall, dass bis zur Fertigstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe ein zusätzlicher Kreditbedarf entsteht, was angesichts des noch weit in der Zukunft liegenden Fertigstellungszeitpunktes nicht ausgeschlossen werden kann. Vor diesem Hintergrund ist zudem zweifelhaft, ob die Frage des Überschreitens der "kritischen Grenze" im Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden kann. Das Risiko der Nichterweislichkeit trägt der Antragsgegner. Dies folgt aus § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, denn nach dieser Bestimmung bildet die Beitragserhebung den Regelfall und die Gebührenerhebung die Ausnahme. Wer sich auf die Ausnahme beruft, muss das Vorliegen ihrer Voraussetzungen darlegen und ggfs. auch beweisen. Gelingt ihm dies nicht, ist von einem Verstoß gegen die Grundregel auszugehen.

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Soweit sich der Antragsgegner für das Vorliegen einer atypischen Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V darauf beruft, dass das Geschäftsgebiet des Zweckverbandes erheblich durch eine touristische Struktur mit hoher Auslastung zu den Saison- und äußerst niedriger Auslastung zu den übrigen Zeiten geprägt ist, so dass eine Gebührenerhebung, die neben der Bereitstellungsnotwendigkeit die Verbrauchssituation zum Vorteilshauptparameter erhebe, schlicht abgabengerechter sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, kommt es für die Ermittlung atypischer Ausnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V allein auf die Höhe der Kreditfinanzierungsquote an. Fragen der Bebauungs- oder Siedlungsstruktur spielen dagegen keine Rolle.

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Etwas anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man dem nicht folgt und der Auffassung ist, dass eine bestimmte Siedlungsstruktur eine Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V begründen kann (vgl. Sauthoff a.a.O., der dies für den ländlichen Raum jedoch ausschließt). Denn der Antragsgegner lässt offen, unter welchem Blickwinkel die Einführung des Gebührensystems angesichts der Siedlungsstruktur im Geschäftsbereich des Zweckverbandes "abgabengerechter" sein soll. Da er die ausgeprägte touristische Struktur mit einem saisonal erheblich schwankenden Trinkwasserbedarf hervorhebt, ist davon auszugehen, dass nach Auffassung des Antragsgegners das Gebührensystem vor dem Hintergrund der vom Zweckverband vorzuhaltenden Lieferkapazität "gerechter" als das Beitragssystem sein soll. Nach Auffassung der Kammer ist allerdings das Gegenteil zutreffend: Richtig ist zwar, dass die Insel Rügen stark touristisch geprägt ist und es daher eine erhebliche Zahl (rein) touristisch genutzter Grundstücke (Ferienhausgrundstücke, "Datschen", Campingplätze usw.) gibt, die an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen sind und in den Sommermonaten einen zusätzlichen Trinkwasserbedarf auslösen. Dabei liegt es auf der Hand, dass sich dieser Umstand auf die Kapazität der vorzuhaltenden Trinkwasseranlagen auswirkt, denn diese Anlagen müssen so dimensioniert sein, dass sie den in den Sommermonaten auftretenden Spitzenbelastungen gerecht werden auch wenn die Spitzenverbräuche in den übrigen Monaten des Jahres nicht annähernd erreicht werden. Keinesfalls reicht eine an Durchschnittswerten orientierte Dimensionierung aus. Dies führt zu Mehrkosten bei der Herstellung der Anlagen, die in Gebieten mit vergleichbarer Siedlungsstruktur aber ohne ausgeprägte touristische Nutzung nicht auftreten. Werden die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen nach einem Gebührensystem finanziert, so werden die Gesamtkosten einschließlich der genannten Mehrkosten auf den Jahresverbrauch umgelegt. Darin liegt der Unterscheid zum Beitragssystem, bei dem der tatsächliche Verbrauch für die Kostenverteilung keine Rolle spielt. Da touristisch genutzte Grundstücke einen saisonal eng begrenzten und daher geringeren Wasserverbrauch auslösen, als ganzjährig genutzte Grundstücke, führt der vom Antragsgegner ins Feld geführte Verbrauch als "Vorteilshauptparameter" dazu, dass die Eigentümer touristisch (saisonal) genutzter Grundstücke entlastet und die Eigentümer sonstiger, d.h. ganzjährig genutzter Grundstücke belastet werden. Denn das Maß der Kostenverursachung, bezogen auf den Kubikmeter bezogenen Trinkwassers, ist für die Benutzer der Anlage unterschiedlich hoch. Als Folge davon tragen die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke zumindest einen Teil der aus der touristischen Nutzung folgenden Mehrkosten bei der Herstellung der Anlage mit.

31

Dieser Effekt wird vorliegend noch dadurch verstärkt, dass der Zweckverband offenbar keine Notwendigkeit gesehen hat, im Rahmen der Einführung des reinen Gebührensystems die Grundgebühr der Wasserversorgung anzuheben. Die Gebührensätze für die Grundgebühr in § 3 Abs. 1 WVGS sind gegenüber den entsprechenden Gebührensätzen des § 3 WVGS 2005 unverändert. Eine Anhebung der verbrauchsunabhängigen Grundgebühr führt zu einer stärkeren Beteiligung der Eigentümer saisonal genutzter Grundstücke an den fixen Kosten der Anlage, wozu auch die Herstellungskosten gehören (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 14.02.2007 - 3 A 2047/04, S. 10 des Entscheidungsumdrucks). Da eine solche Anhebung unterblieben ist, schlagen die erstmalig in der Kalkulation berücksichtigten Herstellungskosten und somit auch die touristisch bedingten Mehrkosten der Herstellung "voll" auf die Verbrauchsgebühr durch. Im Ergebnis subventionieren die Eigentümer ganzjährig genutzter Grundstücke damit die Eigentümer lediglich saisonal genutzter Grundstücke. Dies ist aus bundesrechtlicher Sicht zwar zulässig (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.09.1981 - 8 C 48/81, zit. nach juris Rn. 16). Mit Blick auf das Verursachungsprinzip - einem Element des Vorteilsprinzips - ist dies jedoch nicht "gerechter", sondern eher "weniger gerecht" und daher nicht geeignet, eine Ausnahme von dem grundsätzlich bestehenden Gebot der Beitragsfinanzierung der Herstellungskosten zu begründen.

32

Eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V liegt auch nicht deshalb vor, weil das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern den Wechsel des Finanzierungssystems und insbesondere die damit verbundene Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge genehmigt hat. Richtig ist zwar, dass wegen der Erteilung der Genehmigung die Vermutung besteht, dass die Kreditverpflichtung mit der dauernden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zweckverbandes im Einklang steht, vgl. § 52 Abs. 2 Satz 3 KV M-V. Richtig ist auch, dass der Wechsel des Finanzierungssystems unzulässig wäre, wenn die damit verbundene Kreditaufnahme nicht genehmigungsfähig wäre (vgl. OVG Bautzen a.a.O. Rn. 91 ff.). Die Argumentation kann jedoch nicht umgedreht werden: Denn aus der kommunalverfassungsrechtlichen Genehmigungsfähigkeit der mit dem Systemwechsel verbundenen Kreditaufnahme - diese sei vorliegend unterstellt - folgt nicht zugleich die kommunalabgabenrechtliche Zulässigkeit des Systemwechsels selbst. Denn diese richtet sich nicht nach § 52 KV M-V, sondern nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Während bei der Prüfung der kommunalverfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Kreditaufnahme die Sicherheit der dauernden Leistungsfähigkeit der Gemeinde oder des Zweckverbandes im Vordergrund steht, ist bei der Prüfung der kommunalabgabenrechtlichen Zulässigkeit des Systemswechsels zusätzlich die Frage zu prüfen, ob der Systemwechsel zu einer nicht mehr tolerierbaren Mehrbelastung der Abgabenpflichtigen infolge der damit verbundenen Kreditaufnahme führt (s.o.).

33

Auch der Umstand, dass die Erhebung des Wasserversorgungsbeitrages zu einer erheblichen Belastung vieler Haushalte geführt hätte, weil die Erhebung des Trinkwasserbeitrags in großer zeitlicher Nähe zu Beitragserhebungen für Erschließungs- oder Straßenbaumaßnahmen bzw. Schmutzwasseranlagen erfolgt ist, zwingt nicht zur Annahme einer atypischen Ausnahmesituation i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Zum einen legt der Antragsgegner nicht dar, dass sich dieses Problem in seinem Geschäftsbereich mit besonderer Schärfe stellt und vom Landesdurchschnitt signifikant abweicht. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass der Landesgesetzgeber das Problem gesehen und mit der Verlängerung der Festsetzungsfrist für Anschlussbeiträge in § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V anderweitig bewältigt hat. Damit ist den Aufgabenträgern die Möglichkeit gegeben worden, flexibler auf die individuelle Situation der Grundstückseigentümer reagieren zu können und so die mit einer gedrängten Erhebung mehrerer Beiträge verbundene Belastung zu verringern (VG Greifswald, Beschl. v. 16.04.2008 - 3 B 441/08, S. 10/11 des Entscheidungsumdrucks; vgl. auch Ziff. 6.4.4 des Einführungserlasses des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 14.06.2005, abgedruckt bei Aussprung a.a.O., § 12 Anm. 47.2.2).

34

Eine atypische Ausnahmesituation ist nicht dadurch entstanden, dass der mit der Beitragserhebung verbundene Verwaltungsaufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu leisten gewesen wäre. Die folgt bereits aus dem Umstand, dass im Schmutzwasserbereich die Beitragserhebung technisch offenbar problemlos bewältigt werden konnte. Es ist nicht ersichtlich, warum dies nicht auch im Trinkwasserbereich möglich gewesen sein soll. Entgegen den Darlegungen des Antragsgegners hat es weder "vielfältige Änderungen in der Rechtsprechung" gegeben noch hat der Landesgesetzgeber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes in Bezug auf die Wasserversorgungsbeitragsatzung einen erheblichen Anpassungsbedarf ausgelöst. Zudem führt ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht (§ 22 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V) in der Regel nicht zur Unwirksamkeit einer nach "altem Recht" wirksamen Satzung (VG Greifswald, Urt. v. 23.07.2008 - 3 A 1318/07, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Ungeachtet dessen ist darauf hinzuweisen, dass die Masse der sachlichen Beitragspflichten, nämlich die für so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke entstandenen Beitragspflichten (dazu sogleich), unter Geltung der Altfassung des Kommunalabgabengesetzes entstanden ist. Der mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes ausgelöste Änderungsbedarf konnte diese Beitragspflichten daher überhaupt nicht berühren. Statt dessen drängt sich die Annahme auf, dass die nunmehr eingetretene "gröblich unangemessene Eilsituation" "hausgemacht" ist, denn der Antragsgegner hat bereits im Jahre 2006 in mehreren Presseberichten erklärt, keine Bescheide über Wasserversorgungsbeiträge zu versenden. Mit Akzeptanzproblemen bei den Beitragspflichtigen haben auch andere Aufgabenträger zu kämpfen.

35

Soweit der Antragsgegner schließlich darauf hinweist, dass 80 von 89 Aufgabenträgern im Trinkwasserbereich keine Beiträge erheben würden, kann dies die Zulässigkeit des Systemwechsels ebensowenig begründen, wie der Umstand, dass sich die Gebührensätze der Wasserversorgungsgebührensatzung bei einem landesweiten Vergleich nur im "oberen Mittelfeld" bewegen. Die Frage der Zulässigkeit des reinen Gebührenmodells beurteilt sich allein danach, ob im Geschäftsgebiet des Zweckverbandes eine atypische Ausnahme i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vorliegt, was vorliegend zumindest nicht fest steht. Die Verhaltensweise anderer Aufgabenträger ist als Rechtmäßigkeitsmaßstab selbst dann ungeeignet, wenn diese Aufgabenträger die Mehrheit bilden. Das kommunale Abgabenrecht kennt keinen Grundsatz der "normativen Kraft des Faktischen". Zudem ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht normierte (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.). Damit waren abweichende öffentlich-rechtliche Entgeltregelungen und insbesondere die Einführung eines reinen Gebührenmodells generell unzulässig (a.A.: Aussprung, NordÖR 2005, 240 <245>); nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist das reine Gebührenmodell lediglich in atypischen Ausnahmefällen zulässig. Vor diesem Hintergrund kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige der von anderen Aufgabenträgern praktizierten reinen Gebührenmodelle nicht der Rechtslage entsprechen. Folgte man der Argumentation des Antragsgegners, so hätte dies die Folge, dass u.U. rechtswidrige Regelungen anderer Aufgabenträger den Rechtmäßigkeitsmaßstab für die vorliegend zu beurteilende Satzung bilden würden. Dass dies nicht zutreffend sein kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Darlegung.

36

2. Zudem gewährleistet die Wasserversorgungsgebührensatzung nicht hinreichend, dass die aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Beschränkungen beachtet werden. Dem Beitrag wesensimmanent ist das Merkmal der Einmaligkeit. Ein einmal entstandener Beitrag kann für dieselbe Maßnahme nicht zu anderer Zeit und in anderer Höhe für dasselbe Grundstück noch einmal entstehen. Das Verbot der Doppelbelastung hat sowohl zum Gegenstand, dass ein Grundstück vor einer mehrfachen Belastung für eine bestimmte öffentliche Einrichtung geschützt ist, als auch, dass eine bestimmte Beitragspflicht, ist sie erst einmal entstanden, nicht nachträglich zu einem anderen Zeitpunkt oder gar in einer anderen Höhe noch einmal entstehen kann (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz M-V, Stand 05/08, § 9 Anm. 9.1 m.w.N.). Ein Eigentumswechsel ist wegen der "dinglichen Wirkung" der sachlichen Beitragspflicht (vgl. § 7 Abs. 6 KAG M-V) unbeachtlich, so dass sich auch der Rechtsnachfolger des ursprünglich Beitragspflichtigen auf das Verbot der Doppelbelastung berufen kann (Quaas in: Festschrift Driehaus, 2005, S. 174).

37

Allerdings setzt der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung voraus, dass sachliche Beitragspflichten überhaupt entstanden sind. Denn erst mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht wird der Beitrag fixiert und löst die vorstehend genannten Folgen aus. Die Beitragspflicht entsteht nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a.F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 - 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Insbesondere für die so genannten altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke fixiert daher der Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten wirksamen Beitragssatzung den Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht. Für diese Grundstücke ist im Geschäftsbereich des Zweckverbandes die sachliche Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten der Satzung des Zweckverbandes "Wasserversorgung und Abwasserbehandlung Rügen" über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Wasserversorgung (Wasserversorgungsbeitragssatzung - WVBS) vom 09.10.2002 (i.d.F. der ersten Änderungssatzung vom 18.06.2004) am 20.11.2002 entstanden. Die Wasserversorgungsbeitragssatzung ist wirksam (st. Rspr, zuletzt VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005 - 3 A 3684/04 und Gerichtsbescheid v. 07.07.2006 - 3 A 555/06). Bei der Wasserversorgungsbeitragssatzung handelt es sich um die erste wirksame Trinkwasserbeitragssatzung des Zweckverbandes. Ihre Vorgängersatzungen sind unwirksam, weil bei der Kalkulation der Beitragssätze entgegen § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG a.F. so genannte Altanlagenbuchwerte aufwandserhöhend berücksichtigt worden sind (VG Greifswald, Urt. v. 31.08.2005).

38

Jedenfalls die vor dem 31.12.2007 entstandenen sachlichen Beitragspflichten - und damit insbesondere die in Bezug auf die altangeschlossenen bzw. altanschließbaren Grundstücke entstandenen Beitragspflichten - sind durch die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragsatzung nicht berührt worden, da die Rückwirkung nur bis zum 01.01.2008 reicht. Die Frage, ob die rückwirkende Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung die zwischen dem 01.01.2008 und dem Erlass der Aufhebungssatzung entstandenen sachlichen Beitragspflichten erlöschen ließ, dürfte ebenfalls zu verneinen sein. Soweit der Antragsgegner meint, er könne über entstandene sachliche Beitragspflichten wegen "höherwertiger Rechte und Interessen" frei verfügen und auch bereits entstandene Ansprüche aufgeben, kann dem nicht gefolgt werden. Nach allgemeinen Regeln unterliegt ein Recht nur dann der alleinigen Verfügungsbefugnis des Rechtsinhabers, wenn es ausschließlich dem Schutz seiner Interessen dient. Dies trifft auf die (entstandene) sachliche Beitragspflicht nicht zu, da diese auch die Beitragspflichtigen schützt. So markiert der Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht den Anlauf der Festsetzungsfrist (vgl. § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 Abgabenordnung [AO]), nach deren Ablauf die sachliche Beitragspflicht infolge Festsetzungsverjährung erlischt (§ 47 AO). Daraus folgt, dass die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung - ganz gleich ob rückwirkend oder nicht - keine Auswirkung auf den Ablauf der Festsetzungsfrist haben kann. Andernfalls hätte es der Zweckverband in der Hand, die sachliche Beitragspflicht kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist zum Erlöschen zu bringen und die Frist mit dem Erlass einer neuen Beitragssatzung erneut anlaufen zu lassen.

39

Auch der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sowie das daraus folgende Verbot einer Doppelbelastung schützt die Beitragspflichtigen und wird folglich durch die Aufhebung der Wasserversorgungsbeitragssatzung nicht berührt. Die Rückzahlung vereinnahmter Beiträge führt nicht zu einem Wegfall des Verbots der Doppelbelastung. Denn Grundlage des darin liegenden Vertrauensschutzes ist nicht die Zahlung des Beitrags, sondern das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht. Diese fixiert die Höhe der Belastung und löst die dargestellten Folgen aus. Das Verbot ist daher auch dann bei der Einführung eines reinen Gebührenmodells zu beachten, wenn vereinnahmte Beiträge zurück gezahlt werden. Der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung schützt die Beitragspflichtigen nicht nur vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten durch einen Anschlussbeitrag. Es schützt sie auch vor einer erneuten Heranziehung zu Herstellungskosten der Anlage durch Funktionsäquivalente wie Benutzungsgebühren (vgl. OVG Münster, Urt. v. 17.09.1980 - 2 A 1653/79, DVBl. 1981, 831 <833>) oder privatrechtliche Entgelte (vgl. § 1 Abs. 3 KAG M-V). Für eine Beschränkung der Schutzfunktion auf ein Verbot der Mehrfacherhebung von Herstellungsbeiträgen ist kein sachlicher Grund erkennbar, so dass sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Grundgesetz - GG) verstoßen würde.

40

Die Kammer verkennt nicht, dass der Antragsgegner das Verbot einer Doppelbelastung beachten will und in Presseveröffentlichungen erklärt hat, dass er die vereinnahmten Wasserversorgungsbeiträge ab Anfang 2009 zurückerstatten will. Dabei ist aber zweifelhaft, ob eine solche Erklärung ausreicht oder ob es - wie die Antragstellerin meint - erforderlich ist, einen Rückerstattungsanspruch der Betroffenen satzungsrechtlich zu normieren. Ebenso ist unklar, wie der Antragsgegner verfahren will, wenn einzelne Beitragsschuldner auf eine Erstattung des gezahlten Beitrages verzichten und statt dessen die Beibehaltung niedrigerer Verbrauchsgebühren fordern. Diese Fragen bedürfen vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn auch die bloße Rückerstattung aller vereinnahmten Beiträge allein reicht nicht aus, dem aus dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung folgenden Verbot der Doppelbelastung Rechnung zu tragen.

41

Die vollständige Rückerstattung führt lediglich dazu, dass diejenigen Beitragsschuldner, die die auf sie entfallenden Herstellungsbeiträge bereits gezahlt haben, denjenigen Beitragsschuldnern gleichgestellt werden, deren sachliche Beitragspflicht zwar entstanden ist, deren Heranziehung aber bisher - aus welchen Gründen auch immer - unterblieben ist. Beide Gruppen sind jedoch gleich schutzwürdig. Das Verbot der Doppelbelastung führt dazu, dass beide Gruppen durch den Systemwechsel nicht schlechter gestellt werden dürfen, als sie bei einer Beibehaltung des Beitragsmodells stehen würden. Das Beitragsmodell ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Beitragspflichtigen vor Kostensteigerungen bei der Herstellung der Anlage geschützt sind: Wie bereits erwähnt, fixiert die sachliche Beitragspflicht den Betrag, den die Beitragspflichtigen für die Herstellung der Wasserversorgungsanlage zu entrichten haben. Dem Beitragssatz der Wasserversorgungsbeitragssatzung liegt eine Rechnungsperiodenkalkulation (1. Rechnungsperiode) zu Grunde, die den Zeitraum 1992 bis 2009 erfasst; mit den Beitragsatz von EUR 2,99 (brutto) wird ein Deckungsgrad von 80 v.H. der Herstellungskosten angestrebt. Würde sich in der Folgeperiode der Beitragssatz erhöhen - etwa wegen einer Steigerung der Herstellungskosten oder wegen einer Verschiebung in der Aufwands-/Flächenrelation oder weil ein höherer Deckungsgrad angestrebt wird - so betrifft dies nur die Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflicht erst in der betreffenden Folgeperiode entstanden ist. Diejenigen Beitragspflichtigen, deren sachliche Beitragspflichten bereits in der 1. Rechnungsperiode - also unter Geltung der aufgehobenen Wasserversorgungsbeitragssatzung - entstanden sind, dürfen wegen des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht an diesen Mehrkosten beteiligt werden. Lediglich in Höhe von 20 v.H. der Herstellungskosten, also dem Teilbetrag, der nicht über die Erhebung von Beiträgen finanziert werden soll, ist eine Beteiligung auch an Kostensteigerungen möglich. M.a.W.: Ist die sachliche Beitragspflicht - wie hier - entstanden, so dürfen die Beitragspflichtigen auch nach dem Systemwechsel nur an 20 v.H. der Gesamtherstellungskosten der Wasserversorgungsanlage zzgl. des (Fest-)Betrages, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist, beteiligt werden. Eine höhere Belastung verstößt gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung.

42

Die Einhaltung dieser Maßgaben ist mit der bloßen Rückzahlung der vereinnahmten Beitrage nicht gewährleistet. Die scheinbar gegenteilige Ansicht von Quaas (a.a.O., S. 176) beruht auf dem Umstand, dass er diesen Ansatz nicht weiter verfolgt, weil er die Möglichkeit der Rückzahlung vereinnahmter Beiträge mit Blick auf die schwierige Situation kommunaler Haushalte als wirklichkeitsfern verwirft. Die Gefahr einer unzulässigen Doppelbelastung besteht vorliegend deshalb, weil in der auf Grundlage der Wasserversorgungsgebührensatzung zu erhebenden Benutzungsgebühr nunmehr auch die Herstellungskosten der Wasserversorgungsanlagen gebührenwirksam berücksichtigt werden. Dies hat zur Folge, das der auf den einzelnen Gebührenschuldner entfallende Anteil der Herstellungskosten mit jeder Gebührenfestsetzung zunimmt. Ab einem bestimmten Zeitpunkt erreicht der in der Summe der für das Grundstück festgesetzten Benutzungsgebühren enthaltene Anteil der Herstellungskosten den Betrag, in dessen Höhe die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und der auch im Rahmen des reinen Gebührenmodells nicht überschritten werden darf. Da mit der Einführung des reinen Gebührenmodells im Vergleich zum Beitragsmodell eine Umschichtung der Lastenverteilung verbunden ist (s.o. S. 12 ff.), wird dieser Zeitpunkt bei Großverbrauchern in der Regel früher eintreten, als bei Normal- oder Geringverbrauchern. Ungeachtet dessen ist nicht gewährleistet, dass die Gruppe der Beitragspflichtigen über die Verbrauchsgebühr nur an maximal 20 v.H. der Gesamtkosten der Herstellung der Wasserversorgungsanlage (einschließlich Kostensteigerungen) beteiligt werden.

43

Dem muss in der Gebührensatzung Rechnung getragen werden. Es muss gewährleistet sein, dass die spätere Neubelastung durch Gebühren für bereits abgeschlossene Beitragssachverhalte nicht höher als beschrieben ausfällt (so auch Quaas a.a.O. S. 171/172). Dies hat zur Folge, dass der Zweckverband bei dem von ihm favorisierten reinen Gebührenmodell trotz einer Rückzahlung der vereinnahmten Beiträge nicht ohne gespaltene bzw. gestaffelte Gebührensätze auskommen dürfte. Es ist allerdings nicht Aufgabe des Eilverfahrens, zu den dabei auftretenden Fragen abschließend Stellung zu nehmen.

44

3. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der ausschließlich das Kalenderjahr 2008 betreffenden Gebührenkalkulation Trinkwasser vom 30.01.2008 nicht entnommen werden kann, dass darin die Kosten der Kreditaufnahme für die Rückerstattung vereinnahmter Beiträge (Zinsen und Tilgung) berücksichtigt worden sind. Eine solche Annahme drängt sich auch nicht auf, weil mit der Rückerstattung erst im Jahre 2009 begonnen werden soll. Die diesbezüglichen Einwände der Antragstellerin gehen daher fehl. Nach Auffassung der Kammer ist eine gebührenwirksame Berücksichtigung dieser Kosten jedoch unzulässig. Zu Recht weist die Antragstellerin darauf hin, dass es sich hierbei um Kosten der Systemumstellung handelt. Solche Kosten sind nicht gebührenfähig, weil sie keinen Bezug zur Leistungserbringung haben (Quaas, a.a.O. S. 173). Soweit der Antragsgegner einwendet, diese Kosten wären ebenso entstanden, wenn der Zweckverband von vornherein ein reines Gebührenmodell eingeführt hätte, kann dem nicht gefolgt werden. Zum einen kommt es für die Gebührenfähigkeit von Kosten auf den tatsächlichen und nicht auf einen hypothetischen Kausalzusammenhang an. Zum anderen normierte das Kommunalabgabengesetz in der vor dem Erlass des Ersten Änderungsgesetzes zum Kommunalabgabengesetz geltenden Fassung eine Beitragserhebungspflicht (§ 8 Abs. 1 KAG a.F.), so dass die Einführung eines reinen Gebührenmodells unzulässig war (s.o.). Damit wären die Kosten auch nach der alten Rechtslage nicht gebührenfähig gewesen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG), wobei der angegriffene Teilbetrag der festgesetzten Abgabe für das Eilverfahren zu vierteln ist.

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Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

1. Die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – S 1260047/000823, N 1260047/00956 – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 werden insoweit aufgehoben, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 bzw. 175,10 Euro übersteigen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 63,76 v. H. und im Übrigen dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger und dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgegner vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flurstück ..., Flur ..., Gemarkung ..., in einer Größe von ..., und war Mitglied einer aus ihm und Herrn ... gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin des in gleicher Flur und Gemarkung gelegenen Grundstücks Flurstück ... in einer Größe von ... war. Im Jahre 2005 wurde die Gesellschaft aufgelöst und das Grundstück Flurstück ... in die Grundstücke Flurstücke ... (...) und ... (...) geteilt. Der Kläger ist seit dem 27.10.2005 Eigentümer des letztgenannten Grundstücks. Die genannten Grundstücke liegen im Bereich des betriebsfertigen Teils der von der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (im Folgenden: Stadt) betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbehandlungsanlagen.

3

Nach der der Beitragssatzung der Stadt zu Grunde liegenden Kalkulation des Schmutz- und des Niederschlagswasserbeitrags wurde ursprünglich ein Deckungsgrad von jeweils 20 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes angestrebt. Im Jahre 2006 erfolgte ein Überarbeitung der Kalkulation. Danach liegt bei gleichbleibenden Beitragssätzen der Deckungsgrad für die Schmutzwasserbeseitigung bei 22,94 v. H. und für die Niederschlagswasserbeseitigung bei 28,71 v. H.. Die Refinanzierung der durch die Beitragserhebung nicht gedeckten Herstellungskosten erfolgt durch Benutzungsgebühren.

4

Die investive Maßnahme mit einem Gesamtumfang von ca. 80,3 Mio. Euro – davon beitragsfähig: ca. 54,9 Mio. Euro – ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt weitgehend abgeschlossen. In den Jahren 1993 bis 1996 hatte die Stadt zur Finanzierung der Maßnahme mehrere Darlehen in einem Gesamtvolumen von etwa 20,1 Mio. Euro aufgenommen. Die Zinsbindung der derzeit noch valutierenden Darlehen läuft in den Jahren 2014, 2016 und 2021 ab. Die Tilgung des letzten Darlehens ist für das Jahr 2025 vorgesehen. Die Zinsbelastung bewegt sich je nach Einzeldarlehen zwischen 3,45 und 5,7 v. H. p. a..

5

Mit zwei Bescheiden 03.11.2004 hatte der Beklagte den Kläger für das Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 97,54 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 65,76 und mit zwei weiteren Bescheiden vom 03.11.2004 für das damalige Grundstück Flurstück ... zu einem Anschlussbeitrag Schmutzwasser i. H. v. Euro 993,69 und zu einem Anschlussbeitrag Niederschlagswasser i. H. v. Euro 487,20 herangezogen. Auf seinen gegen die Beitragsbescheide gerichteten Widerspruch hob der Beklagte die Bescheide über den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser insoweit auf, als die Festsetzungen die Beträge von Euro 39,46 (Flurstück ...) bzw. Euro 292,32 (Flurstück ...) übersteigen; im Übrigen wies er den Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheiden vom 27.05.2005 – zugestellt am 01.06.2005 – zurück.

6

Am 30.06.2005 hat der Kläger zu den Az. 3 A 1395/05 und 3 A 1397/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Ebenfalls am 30.06.2005 haben der Kläger und Herr ... zu den Az. 3 A 1396/05 und 3 A 1398/05 Anfechtungsklagen gegen die das Grundstück Flurstück ... betreffenden Beitragsbescheide erhoben. Mit Beschluss vom 11.07.2005 hat das Gericht die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Verfahrens 3 A 1395/05 verbunden. Nachdem Herr ... die Klage zurückgenommen hatte, hat es das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt (3 A 1210/06).

7

Der Kläger ist der Auffassung, seine Heranziehung sei rechtswidrig. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die den Beitragssätzen zu Grunde liegende Kalkulation sei von der Bürgerschaft nicht beschlossen worden. Die Kalkulation sei fehlerhaft. Auf der Kostenseite der Kalkulation sei der Anteil für die Nutzung der Anlage durch die Stadt (z. B. Straßenentwässerung) vom Aufwand nicht abgezogen worden. Weiter seien zu Unrecht die Kosten der Hausanschlüsse aufwandserhöhend berücksichtigt worden. Auch seien die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung nicht ordnungsgemäß ermittelt und von den Gesamtkosten abgezogen worden. Der Abzug eines Anteils Regenwasser von 1/3 sei nicht ausreichend. Von den Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung sei der auf die Straßenentwässerung entfallende Anteil abzuziehen, was ebenfalls nicht erfolgt sei. Es sei weiter nicht nachvollziehbar, warum Betriebsgrundstücke der Abwasserentsorgung sowie grundstücksgleiche Rechte in den Investitionszeitraum gefallen seien. Zudem sei zweifelhaft, ob diese Grundstücke zur öffentlichen Abwasserbeseitigung gehörten. Die von der Nordwasser GmbH i. L. übernommenen Einrichtungen und Verbindlichkeiten gehörten ebenfalls nicht zum beitragsfähigen Aufwand. Das Klärwerk werde in der Kalkulation doppelt erfasst.

8

Auf der Flächenseite der Kalkulation seien die stadteigenen Grundstücke nicht berücksichtigt worden. Weiter hätten so genannte altangeschlossene bzw. altanschließbare Grundstücke nicht erfasst werden dürfen, weil ihnen durch die Anlage kein Vorteil vermittelt werde.

9

Auch die Rechtsanwendung durch den Beklagten sei fehlerhaft. Etwaige Beitragsansprüche seien infolge Festsetzungsverjährung erloschen.

10

Der Kläger beantragt,

11

die Beitragsbescheide des Beklagten vom 03.11.2004 – ... – in der Gestalt seiner Widerspruchsbescheide vom 27.05.2005 aufzuheben.

12

Der Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Er ist der Auffassung, die Bescheide seien rechtmäßig. Die Abwasserbeitragsatzung sei wirksam. Die Höhe des Deckungsgrades sei nicht zu beanstanden. Dessen Festlegung stehe im Ermessen der Stadt. Hierfür sei zunächst die Einschätzung des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern maßgebend gewesen, wonach ein Mindestdeckungsgrad von 20 v. H. anzustreben sei. Weiter verfolge der Beklagte das Ziel, durch einen verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad die Gesamtheit der beitragspflichtigen Grundstückseigentümer, zu denen sowohl die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke als auch die Eigentümer so genannter neuangeschlossener Grundstücke gehörten, nicht übermäßig mit Einmalzahlungen zu belasten. Wenn der niedrige Deckungsgrad zu einer Unwirksamkeit der Beitragssatzung führen sollte, so wäre der Beklagte zu einer Nacherhebung in erheblichem Umfang verpflichtet. Ungeachtet dessen habe der Gesetzgeber mit der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes im Jahre 2005 klargestellt, dass sogar eine reine Gebührenfinanzierung beim Vorliegen einer atypischen Situation zulässig sein solle. Wesentliches Ziel des Gesetzgebers sei es, sowohl die Aufgabenträger als auch die Abgabenpflichtigen vor den erheblichen wirtschaftlichen Risiken zu schützen, die sich aus einer erneuten Systemumstellung ergeben würden. Zum anderen sollten der damit verbundene Verwaltungsaufwand und Rechtsunsicherheiten vermieden werden. Nachdem das Verwaltungsgericht die frühere Beitragssatzung, die einen Deckungsgrad von 100 v. H. vorgesehen hatte, wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter altangeschlossener und neuangeschlossener Grundstücke als unwirksam angesehen hatte, habe die Stadt beschlossen, allen bisher herangezogenen Beitragspflichtigen die Differenzbeträge zu erstatten, die sich nach einer Neuberechnung auf Grundlage der aktuell geltenden Beitragssatzung ergäben. Wenn die Stadt nunmehr zur Umstellung auf ein "überwiegendes" Beitragssystem verpflichtet werde, seien Nacherhebungen unausweichlich, die den Beitragspflichtigen nicht mehr vermittelbar wären. Ungeachtet dessen sei das Abweichen von einem "überwiegenden" Beitragssystem gerechtfertigt, weil die Stadt, wie alle anderen kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern auch, eine gegenüber den Landkreisen deutlich höhere Bevölkerungsdichte aufweise. Hieraus könne gefolgert werden, dass die Beitragssätze je Grundstück im Verhältnis zu kreisangehörigen Gemeinden und Städten deutlich niedriger ausfielen. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die vorgesehene Mischfinanzierung nicht zu erheblichen Gebührensprüngen geführt habe. Die Gebühren pro Kubikmeter lägen landesweit im unteren Bereich. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Zinsbelastung auf Darlehen beruhe, die die Stadt in den Jahren 1993 bis 1996 gleichsam notgedrungen aufgenommen habe, da der damals vorhandene Investitionsbedarf erheblich gewesen sei. Selbst wenn nunmehr Beiträge auf Grundlage eines höheren Deckungsgrades erhoben würden, hätte dies keine Auswirkungen auf die Kreditbelastung der Stadt, da die Mehreinnahmen nicht zu einer höheren Tilgung verwandt werden könnten. Die Zinsbindung der Darlehen ende erst in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021.

15

Die Rechtsanwendung sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Kläger sei Beitragsschuldner auch für das frühere Grundstück Flurstück .... Eine Außengesellschaft bürgerlichen Rechts hätten er und Herr ... nicht begründet. Die Eintragung im Grundbuch mit dem Zusatz "in Gesellschaft bürgerlichen Rechts" sei eher formaler Natur. Im Rechtsverkehr sei die Gesellschaft nicht als solche aufgetreten. Auch eine Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Die sachliche Beitragspflicht sei frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung vom 06.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt habe die Stadt nicht über eine wirksame Beitragssatzung verfügt. Das VG Greifswald habe die davor Geltung beanspruchende Satzung wegen der Ungleichbehandlung der Eigentümer so genannter alt- und neuangeschlossener Grundstücke im Urteil vom 28.07.1999 als unwirksam angesehen.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Kammer haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

17

Die zulässige Klage ist nur in dem im Tenor zu 1. ersichtlichen Umfang begründet. Die in Ansehung des ehemaligen Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO), als die Festsetzungen die Beträge von Euro 595,23 (Schmutzwasser) bzw. Euro 175,10 (Niederschlagswasser) übersteigen; im Übrigen sind diese Bescheide und die in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide dagegen rechtmäßig.

18

Die streitgegenständlichen Bescheide finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung vom Beiträgen für die Abwasserentsorgung – Schmutzwasser und Niederschlagswasser – der Universitäts- und Hansestadt Greifswald (Beitragssatzung – BS) vom 06.01.2004 i. d. F. der 3. Änderungssatzung vom 10.10.2007.

19

1. Die Satzung ist nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. Prüfungsmaßstab ist das Kommunalabgabengesetz in der Fassung des am 31.03.2005 in Kraft getretenen 1. Änderungsgesetzes. Zwar ist die Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung im Januar 2004 und damit vor dem In-Kraft-Treten des 1. Änderungsgesetzes in Kraft getreten. Die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes gilt aber auch für Altsatzungen, denn entscheidungserheblicher Zeitpunkt bei Anfechtungsklagen gegen Anschlussbeitragsbescheide ist der Zeitpunkt der abschließenden mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz (VG Greifswald, Urt. v. 11.04.2007 – 3 A 620/05, S. 7 des Entscheidungsumdrucks; vgl. für das Erschließungsbeitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 – 8 C 145/81, DVBl. 1983, 135 m. w. N.). Bestätigt wird diese Auffassung durch die Regelungen des § 22 Abs. 2 KAG M-V; sowohl die Regelung über die Geltungserhaltung wirksamer Altsatzungen als auch die Bestimmung einer Anpassungsfrist für Altsatzungen wären nicht zu erklären, wenn die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes auf Altsatzungen keine Anwendung fände. Ungeachtet dessen wurde die Beitragssatzung unter Geltung der Neufassung des Kommunalabgabengesetzes erheblich modifiziert. So wurde bereits mit der 1. Änderungssatzung vom 18.10.2006 der Kalkulationszeitraum verändert: Die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Kalkulation erfasste den Zeitraum 1990/93 bis 2008; im Rahmen der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Neukalkulation wurde dieser auf den Zeitraum bis 2012 ausgedehnt. Zudem wurden in der Kalkulation erstmals die in den Stadtteilen Insel Riems/Riemser Ort gelegenen Grundstücke berücksichtigt. Die Änderungen führten dazu, dass der ursprünglich für die Schmutz- und die Niederschlagswasserbeseitigung angestrebte Deckungsgrad von 20 v. H. auf 22,94 v. H. (Schmutzwasser) bzw. 28,71 v. H. (Niederschlagswasser) angehoben wurde.

20

Die in § 6 der Satzung normierten Beitragssätze von 1,78 Euro/m² (Anschlussbeitrag Schmutzwasser) und 0,48 Euro/m² (Anschlussbeitrag Niederschlagswasser) sind nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung des Klägers lag der Bürgerschaft bei der Beschlussfassung der Beitragsätze eine gültige Kalkulation vor. Ausweislich der Beschlussvorlage Nr. 03/1371 vom 17.09.2003 war ihr u. a. die Beitragskalkulation als Anlage beigefügt. Entsprechendes gilt für die der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegende Beschlussvorlage Nr. 04/535 vom 08.08.2006. Die weiteren Änderungssatzungen enthalten nur Klarstellungen, die sich auf die Kalkulation der Beitragssätze nicht auswirken.

21

a. Die Kalkulation der Beitragssätze ist methodisch frei von Fehlern. Dies gilt zunächst für den angestrebten verhältnismäßig niedrigen Deckungsgrad von 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten. Der hiernach jeweils offene Differenzbetrag (zu 100 v. H. der beitragsfähigen Herstellungskosten) soll nach den Angaben des Beklagten durch die Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. d. § 6 KAG M-V finanziert werden. Dies ist hier auch zulässig.

22

Die Frage der Höhe des Deckungsgrades ist nicht deshalb von vornherein unbeachtlich, weil die Beitragspflichtigen und damit auch der Kläger durch den niedrigen Deckungsgrad lediglich begünstigt werden. Insbesondere kann nicht darauf verwiesen werden, ein zu niedriger Deckungsgrad könne nicht zu einer Rechtsverletzung i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO führen. Denn die Frage des Deckungsgrades wirkt sich nicht erst auf der Ebene der Rechtsanwendung (Anwendung der Beitragssatzung), sondern bereits im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit der Beitragssatzung aus. Verstößt die Kalkulation der Beitragssätze gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V, sind diese unwirksam. Die Beitragssatzung wäre unvollständig (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) und damit insgesamt unwirksam, so dass es an der nach § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderlichen Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung fehlen würde. Die Beitragsbescheide wären auch dann aufzuheben, wenn die Satzung bei einer ordnungsgemäßen Kalkulation der Beitragssätze zu höheren Beiträgen führen würde (vgl. für einen zu hohen Öffentlichkeitsanteil bei einer Straßenbaubeitragssatzung: VG Greifswald, Urt. v. 25.07.2001 – 3 A 1146/00, S. 7 f des Entscheidungsumdrucks; VG Dessau, Urt. 07.09.2000 – 2 A 756/99. DE, VwRR MO 2001, 60 <61>).

23

Jedoch liegt kein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V vor: Die Vorschrift bestimmt, dass Anschlussbeiträge u. a. zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebundenen Abwasserentsorgung erhoben werden sollen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber eine Nachrangigkeit der Gebührenfinanzierung angeordnet (Sauthoff in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand 09/05, § 8 Rn. 1613; VG Schwerin, Urt. v. 26.04.2007 – 4 A 1319/06, S. 14 des Entscheidungsumdrucks). Ein einschränkungsloses Wahlrecht der Aufgabenträger, statt eines "Beitragsmodells" ein "reines Gebührenmodell" einzuführen, besteht damit nicht. Die gegenteilige Auffassung von Aussprung (in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 9 Anm. 2.1) ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch ihrem Sinn und Zweck (dazu sogleich) zu vereinbaren. Daraus folgt nicht nur, dass – ungeachtet des angestrebten Deckungsgrades – überhaupt Anschlussbeiträge erhoben werden sollen (diese Maßgabe wird auch von der Stadt zweifelsohne beachtet). Nach Auffassung der Kammer wirkt sich die Vorschrift auch in Bezug auf den mit der Erhebung von Anschaffungs- oder Herstellungsbeiträgen angestrebten Deckungsgrad aus. Da sie als "Soll-Regelung" die Beitragserhebung für den Regelfall vorsieht, folgt daraus, dass die Refinanzierung des beitragsfähigen Aufwandes für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen in der Regel ganz oder zumindest zum überwiegenden Teil durch eine Beitragserhebung erfolgen muss. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass ein Deckungsgrad von 70 v. H. oder mehr angestrebt wird (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02, DVBl. 2005, 64). Eine vollständige oder überwiegende Gebührenfinanzierung von Maßnahmen i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist daher auf so genannte atypische Fälle beschränkt. Ein Verstoß gegen diese Maßgaben führt zur Fehlerhaftigkeit der Kalkulation und der darauf beruhenden Beitragssätze.

24

Damit ist allerdings noch nichts zur Auslegung der Vorschrift, insbesondere zu den Kriterien für das Vorliegen einer Ausnahme gesagt. Hierfür kommt es maßgebend auf die Bezüge an, die die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V zu den allgemeinen Grundsätzen der gemeindlichen Einnahmebeschaffung und dabei insbesondere zu der Bestimmung des § 44 Abs. 3 Kommunalverfassung – KV M-V aufweist (dazu sogleich).

25

Die Gesetzesmaterialien sind für die Auslegung der Bestimmung unergiebig; insbesondere ist ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht feststellbar (a. A.: VG Schwerin a. a. O.): Der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht noch eine "Kann-Regelung" vor (LT-Drs. 4/1307 S. 12, 46). Ihm kann lediglich entnommen werden, dass an der im Jahre 1993 auf das Anschlussbeitragsrecht ausgedehnten gesetzlichen Beitragserhebungspflicht nicht mehr festgehalten werden soll (a. a. O., S. 46). Allerdings sind im Gesetzgebungsverfahren eine Vielzahl von Kriterien für das Vorliegen einer atypischen Situation, die ein Abweichen von der Regel erlauben soll, diskutiert worden. Hierzu soll eine besondere Siedlungsstruktur, wie sie etwa in städtischen Ballungsräumen zu finden ist, gehören (Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses, LT-Drs. 4/1576, S. 39, 75). Genannt wird auch der Umstand, dass Beitragserhebungen bisher nicht erfolgt sind (a. a. O., S. 45, 75) oder dass die wirtschaftliche Situation des Einrichtungsträgers die Umstellung des Finanzierungssystems gestattet (a. a. O., S. 39) bzw. diese bereits erfolgt ist (Abgeordneter Heinz Müller, SPD, LT M-V, Plenarprotokoll vom 09.03.2005, 4/53, S. 2985 f.). Schließlich soll ein atypischer Fall vorliegen, wenn mit der Erstellung einer Beitragssatzung und der Erhebung von Beiträgen ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder eine verlässliche Prognose über den tatsächlichen Investitionsaufwand nicht möglich ist Plenarprotokoll a. a. O.; vgl. die umfangreiche Darstellung in dem zit. Urteil des VG Schwerin).

26

Diese Vielzahl unterschiedlicher Ansätze für die Definition einer atypischen Situation erlaubt keinen eindeutigen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers. Denn es bleibt offen, ob die Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers oder seine finanzielle Situation maßgebend sein sollen oder ob lediglich eine mit Blick auf die bisher geltende Beitragserhebungspflicht illegale Verwaltungspraxis bestimmter Aufgabenträger nachträglich legalisiert werden soll. Zudem wird mit offenen Rechtsbegriffen gearbeitet ("unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand", "verlässliche Prognose"). Nach Auffassung der Kammer ist es ausgeschlossen, jedes der dargestellten Kriterien als Beispiel für eine atypische Situation heranzuziehen, denn auch insoweit kann ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht ermittelt werden. Zudem wäre in diesem Fall das offensichtlich gewollte Regel-Ausnahme-Verhältnis weitgehend aufgehoben. Die an den Bericht des Innenausschusses anknüpfenden Darlegungen des Beklagten zum Vorliegen einer atypischen Ausnahme können daher auf sich beruhen.

27

Für die Auslegung des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V sind vielmehr systematische Erwägungen maßgebend: Es kommt auf das Verhältnis der allgemeinen Vorschriften über die gemeindliche Einnahmebeschaffung in der Kommunalverfassung (KV M-V) zu den besonderen Regelungen im Kommunalabgabengesetz an. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V um die bereichsspezifische Ausprägung des in § 44 Abs. 3 KV M-V normierten allgemeinen Grundsatzes. § 44 Abs. 3 KV M-V bestimmt, dass eine Gemeinde Kredite nur aufnehmen darf, wenn eine andere Finanzierung nicht möglich ist oder wirtschaftlich unzweckmäßig wäre. Danach ist die Kreditfinanzierung gegenüber allen anderen Finanzierungsformen subsidiär; sie soll möglichst vermieden, zumindest aber auf das unabdingbare Maß reduziert werden. Dies gilt auch für Kreditaufnahmen für Investitionen, da § 52 Abs. 1 KV M-V auf § 44 Abs. 3 KV M-V verweist (a. A.: Siemers a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.2). Damit erklärt sich, warum die Beitragserhebung die regelmäßige Finanzierungsform für die in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V genannten Maßnahmen darstellt. Die Finanzierung der Herstellungs- bzw. Anschaffungskosten leitungsgebundener Anlagen durch Benutzungsgebühren ist in der Regel mit einem deutlich höheren Kreditbedarf verbunden als eine Beitragsfinanzierung. Mit der Erhebung eines einmaligen Beitrages für die Anschaffung oder Herstellung einer leitungsgebundenen Einrichtung der Abwasserentsorgung wird der Aufgabenträger nämlich frühzeitig mit Eigenkapital (dieser Begriff wird im Folgenden nicht im kalkulatorischen Sinne, sondern ausschließlich als Gegenbegriff zu kreditfinanziertem Kapital verwandt) ausgestattet und so sein Kreditbedarf verringert. Denn die sachliche Beitragspflicht entsteht nicht erst mit der endgültigen Herstellung der Anlage in ihrer Endausbaustufe, sondern bereits mit dem Anschluss bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit der einzelnen Baugrundstücke. Gerade weil nach dem Kommunalabgabengesetz auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke der Beitragspflicht unterliegen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.06.2004 – 4 K 34/02), führt dies zu einem frühzeitigen Entstehen von Beitragsansprüchen in erheblichem Umfang. Damit kommt der Beitragserhebung eine Vorfinanzierungsfunktion zu. Bei einer Gebührenfinanzierung fehlt dagegen die frühzeitige Ausstattung des Aufgabenträgers mit Eigenkapital. Die Herstellungskosten können nicht "auf einmal" auf die Gebührenpflichtigen umgelegt werden, sondern fließen – auf Jahre oder gar Jahrzehnte verteilt – sukzessive in die Kalkulation der Benutzungsgebühr ein. Wegen der fehlenden Ausstattung mit Eigenkapital erhöht sich der Kreditbedarf des Aufgabenträgers, was aber nach § 44 Abs. 3 KV M-V möglichst vermieden werden soll.

28

Mit Blick auf diesen Regelungszweck wird auch deutlich, warum der Gesetzgeber die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V in das "freie" Ermessen des Aufgabenträgers gestellt hat und dies auch durfte. Denn hierfür bedarf es eines sachlichen Grundes, andernfalls wäre die unterschiedliche Behandlung von Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen einerseits und Erneuerungsbeiträgen andererseits willkürlich. Der sachliche Grund für die Differenzierung liegt darin, dass im Rahmen der Kalkulation der Benutzungsgebühr Abschreibungen auf die Anlagewerte gebührenerhöhend berücksichtigt werden können (vgl. § 6 Abs. 2 a KAG M-V). Den Abschreibungen kommt eine Ansparfunktion zu. Mit ihnen wird der Kapitalstock für die Erneuerung der Anlage nach Ablauf ihrer Nutzungsdauer gebildet. Die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen ist jedenfalls in dem Umfang ausgeschlossen, wie Abschreibungen in die Kalkulation der Benutzungsgebühr eingeflossen sind. Allerdings kann der Aufgabenträger auf die Berücksichtigung von Abschreibungen im Rahmen der Benutzungsgebühr verzichten und stattdessen Erneuerungsbeiträge erheben. Da keine der ihm gebotenen Finanzierungsformen für die Erneuerung leitungsgebundener Einrichtungen der Abwasserbehandlung zu einer Erhöhung des Kreditbedarfs führt, steht dem Aufgabenträger insoweit ein echtes Wahlrecht zu.

29

Die mit der Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bezweckte Reduzierung des Kreditbedarfs dient mittelbar auch der Entlastung der Abgabenpflichtigen. Denn mit einem höheren Kreditbedarf erhöht sich auch die Zinsbelastung des Aufgabenträgers, die auf die Abgabenpflichtigen abgewälzt wird – und zwar in zweifacher Hinsicht: Zum einen erhöht sich das Kreditvolumen, was sich natürlich auch auf das Zinsvolumen auswirkt. Zum anderen ändert sich auch die Höhe der berücksichtigungsfähigen Zinssätze. Denn im Rahmen der Beitragserhebung sind Zinsen auf in Anspruch genommenes Fremdkapital nur in der tatsächlich entstandenen Höhe Teil des beitragsfähigen Aufwandes. Gebührenwirksam sind dagegen nicht nur die vom Aufgabenträger auf das Fremdkapital tatsächlich gezahlten bzw. zu zahlenden Zinsen. Vielmehr erlaubt § 6 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2 b KAG M-V den Ansatz so genannter kalkulatorischer Zinsen, die unabhängig sind von den tatsächlichen Zinsen auf das Fremdkapital (vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, a. a. O. § 6 Anm. 6.3.2.4.1.3) und diese daher übersteigen können. Soweit Siemers (a. a. O., § 6 Anm. 5.4.2.3) anmerkt, dass eine Kreditaufnahme durch den Aufgabenträger aus Sicht des Beitragspflichtigen günstiger sein könne, weil eine Gemeinde oftmals zinsgünstige Kredite erhalte (z. B. Darlehn aus dem Kommunalen Aufbaufonds mit einem Zinssatz von 3 v. H. p. a.), die dem Abgabenpflichtigen nicht zur Verfügung stünden, trifft dies zwar zu. Damit werden die vorstehenden Ausführungen jedoch nicht relativiert, denn zum einen wird der Vorteil günstigerer Kreditzinsen durch die längere Laufzeit kommunaler Darlehen aufgezehrt. Zum anderen ist nicht sichergestellt, dass der Aufgabenträger einen günstigeren Zinssatz an die Abgabenpflichtigen tatsächlich weiterreicht. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Aufgabenträger in der Gebührenkalkulation statt der tatsächlich zu zahlenden Zinsen so genannte kalkulatorische Zinsen gebührenerhöhend berücksichtigen darf, wobei nach der Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern der Ansatz eines Zinssatzes von 7 v. H. zulässig ist (Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97, NordÖR 1998, 256).

30

Das mit der Soll-Regelung verbundene Regelungsziel, nämlich die Senkung des Fremdkapitalbedarfs für die Anschaffung und Herstellung leitungsgebundener Anlagen der Abwasserbehandlung, gibt auch den Rahmen vor, in dem Ausnahmen zulässig sind. Denn nach allgemeinen Grundsätzen dürfen Ausnahmen nicht beliebig zugelassen werden; vielmehr muss ein innerer Zusammenhang zwischen der Regel und der Ausnahme, ein "verbindendes Kriterium" (vgl. Sauthoff a. a. O.), vorhanden sein. Daraus folgt, dass es entgegen der Auffassung des Beklagten für die Ausnahme nicht auf eine besondere (verdichtete) Bebauungsstruktur im Gebiet des Aufgabenträgers ankommen kann. Die Bebauungsstruktur hat zwar unbestreitbar Auswirkungen auf den Kapitalbedarf des Aufgabenträgers; sie weist jedoch keine Bezüge zu der hier interessierenden Frage der Absenkung des Fremdkapitalbedarfs durch eine Beitragserhebung auf. Entgegen der bei Sauthoff (a. a. O.) anklingenden Auffassung ist es auch nicht einzusehen, warum der mit einer verdichteten Bebauung verbundene Kostenvorteil nicht an die Beitragspflichtigen weitergegeben werden muss, sondern durch den mit einer Gebührenfinanzierung verbundenen höheren Kreditbedarf des Aufgabenträgers (teilweise) wieder aufgezehrt werden darf.

31

Anders als der Beklagte meint, liegt eine Ausnahme nicht deshalb vor, weil die betreffenden Darlehen bereits in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgenommen worden sind und die Zinsbindungen erst in den Jahren ab 2014 enden. Zwar spricht manches dafür, dass eine am Regelungsziel der Vorschrift orientierte Ausnahme vorliegt, wenn der mit der Regelung bezweckte Erfolg, die Absenkung des Fremdkapitalbedarfs, nicht (mehr) erreicht werden kann. Denn die Regelung ist – wie jede Regelung – nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Ist sie zur Zweckerreichung ungeeignet, kann ihre Befolgung nicht gefordert werden. Dies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Zweckerreichung ist erst dann ausgeschlossen, wenn eine Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad als 22,94 v. H. bzw. 28,71 v. H. nicht geeignet wäre, den Kreditbedarf und die damit einhergehende Zinsbelastung der Stadt zu verringern. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar trifft es zu, dass die Darlehen im Zeitraum 1993 bis 1996 aufgenommen worden sind und weitere Darlehen zur Finanzierung der Anlagen nicht benötigt werden. Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass das bei einer Beitragserhebung mit einem höheren Deckungsgrad erwirtschaftete Kapital dazu verwandt werden könnte, die Darlehen bei Wegfall der Bindungsfristen in den Jahren 2014, 2016 bzw. 2021 vorzeitig abzulösen und damit die Zinsbelastung der Stadt und die der Abgabenpflichtigen in dem Zeitraum nach 2014 zu reduzieren.

32

Nach Auffassung der Kammer ist eine am Regelungsziel des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V orientierte Ausnahme jedoch immer dann gegeben, wenn die Eigenkapitalausstattung für die betreffende Maßnahme – aus welchen Gründen auch immer – so gut ist, dass der Kreditbedarf des Aufgabenträgers bei einer überwiegenden Gebührenfinanzierung der Anlage ein Maß von etwa 1/3 der Herstellungskosten nicht deutlich übersteigt. In diesem Fall ist es nicht einsehbar, warum der Aufgabenträger daran gehindert sein sollte, die Refinanzierung der Anlage ganz oder überwiegend durch Benutzungsgebühren vorzunehmen. Die Einhaltung des gesetzgeberischen Regelungsziels ist bei Zulassung dieser Ausnahme gewährleistet. Für die Bemessung der Quote ist nach Auffassung der Kammer maßgeblich, dass § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V – wie dargelegt – den Aufgabenträger nicht dazu zwingt, bei der Erhebung von Anschlussbeiträgen einen Deckungsgrad von 100 v. H. anzustreben; vielmehr ist ein Deckungsgrad von nur 70 v. H. nach der bereits benannten Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern "voraussetzungslos" zulässig. Damit wird akzeptiert, dass die Refinanzierung von 30 v. H. der Herstellungskosten der Anlage durch Gebühren erfolgt und insoweit ein Kreditbedarf des Aufgabenträgers bestehen kann, wobei diese Quote nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen ist.

33

Maßgebend für die Beachtung des Regelungsziels des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V ist also, ob trotz einer Beitragserhebung mit einem Deckungsgrad von weniger als 70 v. H. gewährleistet ist, dass der Kreditbedarf nicht deutlich höher ist als etwa 1/3 der Herstellungskosten der Anlage. Dies trifft im vorliegenden Fall zu: Der umlagefähige Aufwand für die Schmutzwasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der der 1. Änderungssatzung zu Grunde liegenden Kalkulation auf Euro 43.479.014,83. Die Differenz zu dem in der Kalkulation angesetzten Betrag von nur Euro 40.623.893,74 erklärt sich aus dem Umstand, dass der Beklagte den Betrag der nicht gezahlten Abwasserabgabe (vgl. § 10 Abs. 3 Abwasserabgabengesetz – AbwAG) i. H. v. Euro 2.855.121,09 aufwandsmindernd berücksichtigt hat, obwohl er hierzu nicht gezwungen ist. Für die Frage der Überschreitung der noch zulässigen Kreditfinanzierungsquote kommt es aber nicht auf den in der Kalkulation angesetzten Aufwand, sondern das Gesamtvolumen des beitragsfähigen Aufwandes an. Unterschreitet jener diesen, so ist der höhere Betrag maßgebend. Der umlagefähige Aufwand für die Niederschlagswasserbehandlungsanlage beläuft sich nach der genannten Kalkulation auf Euro 11.471.496,31; der umlagefähige Gesamtaufwand für beide Anlagen beträgt damit Euro 54.950.511,14. Eine getrennte Betrachtung beider Anlagen ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, da es hier nicht um die Beachtung des Vorteilsprinzips, sondern um die Frage der Einhaltung der zulässigen Kreditfinanzierungsquote geht. Zur Finanzierung der Herstellung dieser Anlagen wurden von der Stadt Darlehen i. H. v. ca. 20,1 Mio. Euro aufgenommen, so dass der durch Darlehen finanzierte Anteil am beitragsfähigen Gesamtaufwand ca. 36,6 v. H. beträgt. Die (Vor-)Finanzierung der übrigen 63,4 v. H. des beitragsfähigen Aufwandes erfolgte nach den unwidersprochenen Angaben des Beklagten durch Eigenmittel der Stadt. Deren Herkunft hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt. Zwar entspricht die Kreditfinanzierungsquote damit nicht exakt der Situation, die bestehen würde, wenn der Beklagte Herstellungsbeiträge mit einem angestrebten Deckungsgrad von 70 v. H. erheben würde. Es darf aber nicht verkannt werden, dass die Quote von 1/3 der Herstellungskosten nicht als feste Grenze, sondern als Richtwert zu verstehen und eine – wie hier – geringfügige Unterschreitung zulässig ist.

34

b. Die Einwände des Klägers gegen die der Ursprungsfassung der Beitragssatzung zu Grunde liegende Beitragskalkulation greifen ebenfalls nicht durch. Sie sind allerdings nicht bereits deshalb unerheblich, weil der Beklagte anlässlich des Beschlusses der 1. Änderungssatzung die Kalkulation überarbeitet hat. Denn die überarbeitete Kalkulation basiert auf den Daten der ursprünglichen Kalkulation.

35

Soweit der Kläger in Ansehung der Kostenseite der Kalkulation die Berücksichtigung der Kosten der Grundstücksanschlüsse rügt, ist dies unzutreffend, weil diese zur öffentlichen Einrichtung gehören, so dass deren Kosten berücksichtigungsfähig sind, § 10 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Die Kosten für die Straßenentwässerung sind vom beitragspflichtigen Aufwand abgezogen worden. Der Einwand, die Aufteilung der Kosten des Kanalkatasters nach dem Verhältnis 1/3 (Niederschlagswasser) und 2/3 (Schmutzwasser) sei unzutreffend, ist unsubstanziiert und daher unbeachtlich. Weiter gehören auch die Kosten des Erwerbs der Betriebsgrundstücke zum beitragsfähigen Aufwand. Die Altverbindlichkeiten sind berücksichtigungsfähig, weil sie von der Stadt für durch die Nordwasser GmbH i. L errichtete Anlagenteile (insbesondere des Klärwerks) übernommen worden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00, NordÖR 2002, 138). Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Kosten des Klärwerks nicht teilweise doppelt erfasst. Denn die in der Kalkulation ausgewiesenen Altverbindlichkeiten für das Klärwerk i. H. v. Euro 5.112.918,81 (5.7 der Kalkulation) sind nicht zusätzlich zu den Gesamtherstellungskosten des Klärwerks von Euro 27.174.496,71 (5.1 der Kalkulation) berücksichtigt worden, sie sind vielmehr darin enthalten. Das ergibt sich auch daraus, dass auch in der überarbeiteten Kalkulation Klärwerkskosten in Höhe von Euro 27.311.146,39 ausgewiesen sind.

36

Auch die Flächenseite der Kalkulationen unterliegt keinen Bedenken. Es bestehen keine Hinweise darauf, dass die Flächen stadteigener Grundstücke nicht berücksichtigt worden sind. Der weitere Einwand des Klägers, die Flächen so genannter altangeschlossener bzw. altanschließbarer Grundstücke dürften nicht berücksichtigt werden, weil diese Grundstücke der Beitragspflicht nicht unterlägen, beruht auf einer Verkennung der Rechtslage: Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Mecklenburg-Vorpommern, der das erkennende Gericht folgt, unterliegen auch die Eigentümer so genannter altangeschlossener Grundstücke der Beitragspflicht. Bereits in dem Beschluss vom 21.04.1999 (1 M 12/99, LKV 2000, S. 161) hat das OVG Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt:

37

"Bei der Differenzierung von Beitragssätzen ist § 8 Abs. 1 Satz 2 KAG (a. F.) zu beachten, der eine gesetzliche Umschreibung eines allgemeinen beitragsrechtlichen Prinzips enthält. Nach dieser Vorschrift sind Beiträge nach Vorteilen zu bemessen. Es ist aber festzustellen, dass den Grundstückseigentümern ... derselbe Vorteil zugute kommt. Allen Grundstückseigentümern wird durch die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Einrichtung erstmals der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals nach Inkrafttreten des KAG M-V und nach Erlass einer wirksamen Beitragssatzung durch den Antragsgegner eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, das heißt ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können."

38

Diese Rechtsprechung hat das Gericht mehrfach, unter anderem mit Urteil vom 30.06.2004 – 4 K 34/02 – bestätigt. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die im Beitrittsgebiet im Jahr 1990 vorhandenen Abwasserbehandlungsanlagen den wasserrechtlichen Anforderungen vielfach nicht ansatzweise genügten und ein erheblicher Investitionsbedarf vorhanden war. Anders als in den alten Bundesländern, in denen die Abwasserbehandlungsanlagen den steigenden wasserrechtlichen Anforderungen und wirtschaftlichen Bedürfnissen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum nach und nach angepasst wurden, ergab sich in den neuen Bundesländern die Notwendigkeit, diesen Investitionsstau in verhältnismäßig kurzer Zeit zu beseitigen, was dazu führte, dass nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch tatsächlich neue Anlagen errichtet wurden. Dies rechtfertigt es, alle Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigten ungeachtet des Zeitpunkts der Schaffung der Anschlussmöglichkeit an eine zentrale Anlage der Abwasserbehandlung zu einem einheitlichen Beitrag heranzuziehen. Wollte man die Erhebung eines Herstellungsbeitrags auf die Eigentümer oder dinglich Berechtigten der Grundstücke beschränken, bei denen die Anschlussmöglichkeit erst nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes geschaffen wurde, so hieße dies, die erheblichen Kosten im Wesentlichen – die Eigentümer altangeschlossener Grundstücke könnten allenfalls zu Verbesserungsbeiträgen herangezogen werden, die nach Lage der Dinge aber deutlich niedriger ausfallen dürften als Herstellungsbeiträge – vornehmlich auf den verhältnismäßig kleinen Kreis der Eigentümer von Grundstücken in den seit 1990 neu geschaffenen Eigenheim- oder Gewerbegebieten zu verteilen. Die damit verbundene erhebliche Belastung dieses Personenkreises wäre aber mit dem dem Beitragsrecht immanenten Solidarprinzip nicht zu vereinbaren (VG Greifswald, Urt. v. 30.03.2005 – 3 A 1064/04, S. 8 des Umdrucks).

39

Dabei ist unschädlich, dass in der Vergangenheit womöglich Anschlussgebühren oder ähnliche Leistungsäquivalente gezahlt worden sind. Denn beitragsfähig sind nur solche Kosten, die nach der Wende entstanden sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05, NordÖR 2006, 160 <161>). Damit besteht auch insoweit keine "Gerechtigkeitslücke" (eingehend: OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 18.10.2005 a. a. O.).

40

c. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Regelung des § 12 BS, wonach aus Gründen der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit oder aus Gründen unklarer Rechtsverhältnisse ausnahmsweise öffentlich-rechtliche Vereinbarungen oder Vergleichsverträge geschlossen werden können, wirksam ist. Denn die Zulässigkeit des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder eines Vergleichsvertrages richtet sich nach den dabei zu beachtenden gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere den §§ 54 ff. VwVfG M-V, nicht jedoch nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Diese Vorgaben können durch eine kommunale Satzung nicht ersetzt oder modifiziert werden. Die Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn die Unwirksamkeit der Regelung des § 12 BS führt nicht zur Nichtigkeit der Beitragssatzung insgesamt. Satzungsrechtliche Regelungen über den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder Vergleichsverträge gehören nicht zum Mindestinhalt des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Ihre Fehlerhaftigkeit ist daher unschädlich. Es liegt allenfalls eine Teilnichtigkeit i. S. d. § 139 BGB vor.

41

2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist teilweise fehlerhaft.

42

a. Allerdings ist der Fehler bei der Anwendung der Maßstabsregel für den Anschlussbeitrag Niederschlagswasser im Widerspruchsverfahren korrigiert und statt des Faktors 1,0 nur noch der Faktor 0,6 angewandt worden. Die diesbezüglichen Einwände des Klägers können daher auf sich beruhen.

43

b. Auch sind die Beitragsansprüche nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Kanalbaubeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die Anlage bzw. der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern gemäß § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F. (vgl. nunmehr § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V) erst mit dem Inkrafttreten der aktuell geltenden Beitragssatzung entstanden. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bestimmt, dass die sachliche Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung (ständige Rechtsprechung auch zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.: vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 03.03.2005 – 1 L 56/04, S. 4 ff. des Umdrucks). Die sachliche Beitragspflicht ist damit frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Beitragssatzung in ihrer Ursprungsfassung am 15.01.2004 entstanden. Zu einem früheren Zeitpunkt konnte die Beitragspflicht nicht entstehen und damit auch die Festsetzungsfrist nicht an- bzw. ablaufen, denn die davor Geltung beanspruchende Abwassergebühren- und Beitragssatzung der Hansestadt Greifswald vom 18.06.1996 ist wegen der Freistellung so genannter altangeschlossener Grundstücke von der Beitragspflicht unwirksam (VG Greifswald, Urt. v. 28.07.1999 – 3 A 690/98, S. 5 ff. des Entscheidungsumdrucks). Damit konnte die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2004 anlaufen und wird daher frühestens mit Ablauf des Jahres 2008 ablaufen. Die Festsetzung erfolgte fristgemäß.

44

c. Gleichwohl waren die in Ansehung des ehemaligen Grundstück Flurstück ... ergangenen Bescheide zunächst in vollem Umfang rechtswidrig. Für dieses Grundstück durfte der Kläger zu Anschlussbeiträgen nicht herangezogen werden, weil er nicht (persönlich) beitragspflichtig war. Nach 8 Abs. 1 Satz 1 BS ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks oder zur Nutzung dinglich berechtigt ist.

45

Dies traf in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... auf den Kläger nicht zu. Das Eigentum stand nicht ihm, sondern der von ihm und Herrn V B gebildeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu. In Abkehr von der überkommenen Theorie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als "die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit" wird die GbR heute als rechtsfähig angesehen, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet. Danach kann die Gesellschaft bürgerlichen Rechts, soweit nicht spezielle Gesichtspunkte entgegenstehen, jede Rechtsposition einnehmen (vgl. BGH, Urt. v. 29.01.2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056 ff.), insbesondere auch Grundstückseigentümerin sein (OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 07.05.2002 – 15 A 5299/00, DVBl. 2002, 1434). Fraglich kann allenfalls die Grundbuchfähigkeit der Gesellschaft sein (vgl. BayObLG, Beschl. v. 31.10.2002 – 2 Z BR 70/02, DB 2002, 2481; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330 ff.), was aber keine Auswirkungen auf ihre Eigentümerstellung hat, wenn ihre Mitglieder – wie hier – mit dem Zusatz "als Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen sind (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen a. a. O.). Das ist hier der Fall. Damit war die vom Kläger zusammen mit Herrn ... gebildete Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eigentümerin des Grundstücks.

46

Die Bescheide konnten auch nicht als an die Gesellschaft gerichtet angesehen werden. Dagegen spricht, dass sie an den Kläger als natürliche Personen gerichtet sind und in der Begründung der Mitgesellschafter ... als Beitragspflichtiger aufgeführt ist. Hinzu kommt der Hinweis, dass die in dem Bescheid genannten Beitragspflichtigen als Gesamtschuldner für die Beitragssumme haften. Sowohl in den Ausgangsbescheiden als auch in den Widerspruchsbescheiden fehlt jeglicher Hinweis auf die BGB-Gesellschaft.

47

Dieser Fehler ist jedoch in der Folgezeit teilweise geheilt worden. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Kläger am 27.10.2005 das Eigentum an dem aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangenen Grundstück Flurstück ... erworben hat. Diese Veränderung ist vorliegend zu berücksichtigen. Denn wie bereits eingangs erwähnt ist entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Beitragsbescheiden der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Als Folge davon sind rechtliche und tatsächliche Veränderungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie – wie hier – erst nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens eintreten. Das Grundstück Flurstück ... ist aus dem Grundstück Flurstück ... hervorgegangen und mit diesem daher teilidentisch. Da die Bekanntgabe der in Ansehung des Grundstücks Flurstück ... ergangenen Bescheide bis zu ihrer Aufhebung fortwirkt (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 06.08.2003 – 3 A 801/03, S. 5 des Entscheidungsumdrucks m. w. N.), führt der Umstand, dass der Kläger im Oktober 2005 das Alleineigentum an dem Grundstück Flurstück ... erwarb, insoweit zu einer Fehlerheilung, als die Bescheide dieses Grundstück betreffen.

48

Damit errechnen sich die auf das Grundstück Flurstück entfallenden Beiträge wie folgt:

49

Schmutzwasser: 608 m² x 0,55 x 1,78 Euro/m² = Euro 595,23

50

Niederschlagswasser: 608 m² x 0,6 x 0,48 Euro/m² = Euro 175,10

51

Soweit die Festsetzungen diese Beträge übersteigen, sind sie aufzuheben.

52

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).

(1) Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind den Bestimmungen dieser Verordnung entsprechend zu gestalten; unberührt bleiben die Regelungen des Verwaltungsverfahrens sowie gemeinderechtliche Vorschriften zur Regelung des Abgabenrechts.

(2) Bei Inkrafttreten dieser Verordnung geltende Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, sind bis zum 1. Januar 1982 anzupassen.

(1) Das Wasserversorgungsunternehmen ist berechtigt, von den Anschlußnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuß zur teilweisen Abdeckung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung notwendigen Kosten für die Erstellung oder Verstärkung von der örtlichen Versorgung dienenden Verteilungsanlagen zu verlangen, soweit sie sich ausschließlich dem Versorgungsbereich zuordnen lassen, in dem der Anschluß erfolgt. Baukostenzuschüsse dürfen höchstens 70 vom Hundert dieser Kosten abdecken.

(2) Der von den Anschlußnehmern als Baukostenzuschuß zu übernehmende Kostenanteil kann unter Zugrundelegung der Straßenfrontlänge des anzuschließenden Grundstücks und des Preises für einen Meter Versorgungsleitung bemessen werden. Der Preis für einen Meter Versorgungsleitung ergibt sich aus den Anschaffungs- und Herstellungskosten der in Absatz 1 genannten Verteilungsanlagen, geteilt durch die Summe der Straßenfrontlängen aller Grundstücke, die im betreffenden Versorgungsbereich an die Verteilungsanlagen angeschlossen werden können. Das Wasserversorgungsunternehmen kann der Berechnung eine die Verhältnisse des Versorgungsbereichs berücksichtigende Mindeststraßenfrontlänge von bis zu 15 Metern zugrunde legen.

(3) Das Wasserversorgungsunternehmen kann bei der Bemessung des Baukostenzuschusses an Stelle oder neben der Straßenfrontlänge andere kostenorientierte Bemessungseinheiten, wie die Grundstücksgröße, die Geschoßfläche oder die Zahl der Wohnungseinheiten oder gleichartiger Wirtschaftseinheiten verwenden. In diesem Fall ist bei der Berechnung des Baukostenzuschusses die Summe der Bemessungseinheiten der Grundstücke zu berücksichtigen, die im betreffenden Versorgungsbereich angeschlossen werden können.

(4) Ein weiterer Baukostenzuschuß darf nur verlangt werden, wenn der Anschlußnehmer seine Leistungsanforderung wesentlich erhöht. Er ist nach den Absätzen 2 und 3 zu bemessen.

(5) Wird ein Anschluß an eine Verteilungsanlage hergestellt, die vor dem 1. Januar 1981 errichtet worden oder mit deren Errichtung vor diesem Zeitpunkt begonnen worden ist, so kann das Wasserversorgungsunternehmen abweichend von den Absätzen 1 bis 3 einen Baukostenzuschuß nach Maßgabe der für die Anlage bisher verwendeten Berechnungsmaßstäbe verlangen.

(6) Der Baukostenzuschuß und die in § 10 Abs. 5 geregelten Hausanschlußkosten sind getrennt zu errechnen und dem Anschlußnehmer aufgegliedert auszuweisen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Abwassergebühren.

2

Die Klägerin, eine aus den Eheleuten A. und D. G. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts, ist Eigentümerin des Grundstücks D.Straße ... in ... Sch.. Das Grundstück ist an eine vom Wasserzweckverband Strelitz betriebene Abwasseranlage angeschlossen. Mit Bescheid vom 14.07.2004 zog der Beklagte die Eheleute G. u.a. zu einer Vorauszahlung auf die Abwassergebühr Juli bis Oktober 2004 i.H.v. monatlich EUR 8,- heran. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies er mit an die Eheleute G. gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 23.08.2004 zurück. Am 07.09.2004 hat die Klägerin z. Az. 3 A 2047/04 Anfechtungsklage erhoben.

3

Mit Bescheid vom 06.10.2004 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin für die o.g. Verbrauchsstelle die Abwassergebühr 2003 auf EUR 92,04 fest. Hierbei handelt es sich um die Festsetzung nur der Grundgebühr. Die Festsetzung einer Zusatzgebühr erfolgt nicht, da im Jahre 2003 kein Fäkalschlamm abgefahren wurde. In der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheides heißt es, dass "gegen diesen Bescheid innerhalb eines Monats nach Erhalt" Widerspruch erhoben werden kann. Ein auf den 14.10.2004 datiertes Widerspruchschreiben ging am 18.11.2004 beim Beklagten ein.

4

Mit Bescheid vom 11.11.2004 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Abwassergebühr 2004 (Grund- und Zusatzgebühr) auf EUR 103,04 fest, wobei auf die Grundgebühr EUR 92,04 entfallen. Unter dem unter dem 18.11.2004 legten die Kläger Widerspruch auch gegen diesen Bescheid ein.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2004 wies der Beklagte gegenüber den Eheleuten G. den Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.10.2004 als unzulässig (verfristet) und den Widerspruch gegen die in dem Bescheid vom 11.11.2004 festgesetzte Grundgebühr als unbegründet zurück. In Bezug auf die Zusatzgebühr führte er aus, dass diese berichtigt werde.

6

Am 28.12.2004 hat die Klägerin gegen die Bescheide vom 06.10.2004 und 11.11.2004 z. Az. 3 A 4006/04 Anfechtungsklage erhoben. Mit Beschluss vom 28.12.2004 hat das Gericht das Verfahren mit dem Verfahren 3 A 2047/04 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Beschluss vom 23.10.2006 den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

7

Die Klägerin ist der Auffassung, die Festsetzung der Vorausleistung in dem Bescheid vom 14.07.2004 sowie der Grundgebühren in den Bescheiden vom 06.10.2004 und 11.11.2004 sei rechtswidrig. Bereits die Rückwirkung der Satzung sei fehlerhaft, da dies eine rückwirkende Gebührenerhebung ermögliche. Auch die Gebührenkalkulation sei fehlerhaft, da die Kosten für Energie, Betriebsmittel, Reparaturen und Material für die Gebührenschuldner eine überdurchschnittliche Belastung darstellten. Die Höhe der Grundgebühr stehe in keinem angemessenen Verhältnis zur Höhe der Verbrauchsgebühr. Mit der Grundgebühr würden ca. 60 v.H. der invariablen Kosten der Kläranlage gedeckt. Dieser Deckungsgrad sei zu hoch; zulässig sei ein Deckungsgrad von max. 30 v.H.. Hinzu komme, dass dieselbe Grundgebühr sowohl für Grundstücke mit vollbiologischen Kleinkläranlagen mit einem zweijährigen Entsorgungsrhythmus als auch für Grundstücke mit sonstigen Kleinkläranlagen mit einem einjährigen Entsorgungsrhythmus erhoben werde. Darin liege eine unzulässige Gleichbehandlung von Ungleichem, zumal auch zu berücksichtigen sei, dass das Grundstück mit einer nur saisonal betriebenen Gaststätte und ebenfalls nur saisonal genutzten Ferienwohnungen (Blockhütten) bebaut sei. Ungeachtet dessen sei es unzulässig, dass in unterschiedlichen Entsorgungsgebieten desselben Verbandsgebietes unterschiedliche Gebührensätze gälten und teilweise eine Grundgebühr nicht erhoben werde.

8

Die Klägerin beantragt,

9

den Bescheid des Beklagten vom 14.07.2004 - KD-Nr. - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.08.2004 vollständig und die Bescheide des Beklagten vom 06.10.2004 und 11.11.2004 - KD-Nr. - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2004 insoweit aufzuheben, als darin Grundgebühren für die Abwasserbeseitigung festgesetzt sind.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Der Rechtsstreit konnte trotz Fehlens eines Vertreters der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung entschieden werden, denn sie ist ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 26.10.2006 ordnungsgemäß geladen worden. Die Ladung enthält einen Hinweis gemäß § 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

II.

14

In Ansehung des Vorausleistungsbescheides vom 14.07.2004 ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit das erforderliche Rechtsschutzinteresse, da sich der Verwaltungsakt durch Erlass des ebenfalls streitgegenständlichen endgültigen Gebührenbescheides für das Jahr 2004 vom 11.11.2004 erledigt hat. Im Übrigen ist die Klage zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

15

1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Klage gegen den Gebührenbescheid vom 06.10.2004 nicht mangels Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens i.S.d. §§ 68 ff. VwGO unzulässig. Denn die Klägerin hat auch dann fristgemäß Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt, wenn man zu Gunsten des Beklagten unterstellt, dass das Widerspruchsschreiben erst am 18.11.2004 bei ihm eingegangen ist. Denn für den Bescheid vom 06.10.2004 galt eine Widerspruchsfrist von einem Jahr. Die einmonatige Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO gilt nur in den Fällen, in denen der Bescheid mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Ist die Rechtsbehelfsbelehrung dagegen unrichtig erteilt, so gilt gemäß § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Widerspruchsfrist von einem Jahr. Dies trifft vorliegend zu, denn die Rechtsbehelfsbelehrung ist rechtswidrig, soweit sie den Lauf der Frist an den "Erhalt" des Bescheides knüpft. Dies widerspricht der Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach die Frist mit der "Bekanntgabe" anläuft. "Erhalt" und "Bekanntgabe" haben auch unterschiedliche Bedeutungen. Während es nach dem Wortsinn des erstgenannten Merkmals auf das tatsächliche Erhalten i.S. eines Entgegennehmens des Bescheides durch den Betroffenen ankommt, ist die Bekanntgabe grundsätzlich an einen bestimmten Zeitpunkt nach Aufgabe des Bescheides zur Post geknüpft, ohne dass es auf die tatsächliche Entgegennahme durch den Betroffenen ankommt ("Drei-Tages-Fiktion", vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz [VwVfG M-V] bzw. § 122 Abs. 2 Nr. 1 Abgabenordnung [AO]). Damit ist die Verwendung des unzutreffenden Merkmals auch (abstrakt) geeignet, den Betroffenen an einer fristgemäßen Einlegung des Rechtsbehelfs zu hindern.

16

2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Bescheide vom 06.10.2004 und 11.11.2004 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

17

Sie finden ihre gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung (Abwasserabgabensatzung - AAS) vom 23.03.2004 i.V.m. der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Gebühren für die Beseitigung von Abwasser aus Grundstücksentwässerungsanlagen (Gebührensatzung - GS) vom 09.06.2004.

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Beide Satzungen sind in den hier interessierenden Teilen rückwirkend zum 01.01.2003 in Kraft getreten und erfassen daher den mit den streitgegenständlichen Bescheiden abgerechneten Erhebungszeitraum 2003 bis 2004. Die Rückwirkungsanordnungen sind nicht zu beanstanden. In formeller Hinsicht genügt sie den Maßgaben des seinerzeit geltenden § 2 Abs. 5 Satz 5 KAG a.F., da die wegen der Rückwirkung erforderliche Genehmigung der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde vorliegt. Weiter wurde § 5 Satz 5 der Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung (KV-DVO) beachtet. Nach dieser Vorschrift ist in der Bekanntmachung einer genehmigungsbedürftigen Satzung mit anzugeben, wann und durch welche Behörde die Genehmigung erteilt wurde. Insoweit verweisen die Satzungen in ihren Präambeln auf die Genehmigungen der Landrätin des Landkreises Mecklenburg-Strelitz - Untere Rechtsaufsichtsbehörde - vom 17.03.2004 bzw. 08.06.2004. Das Schlechterstellungsverbot des § 2 Abs. 5 KAG Satz 4 a.F. steht einer Abgabenerhebung vorliegend nicht entgegen, weil seit dem zum 01.01.2003 erfolgten abwasserseitigen" Beitritt der Stadt M. zum Wasserzweckverband Strelitz keine eine Geltung beanspruchende Abwassergebührensatzung der Stadt mehr existierte. Damit scheidet auch die Berücksichtigung einer niedrigeren Grundgebühr bei der Gebührenbemessung aus. Allgemeine verfassungsrechtliche Prinzipien, wie das Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG - siehe auch die Klarstellung in § 2 Abs. 5 Satz 1 KAG a.F.), stehen der Rückwirkung schließlich ebenfalls nicht entgegen, denn ein Vertrauensschutz, nicht zu einer Abwassergebühr für die Entsorgung dezentraler Abwasseranlagen herangezogen zu werden, konnte nicht entstehen. Aus einer Vielzahl von Verfahren (z.B. 3 A 288/01 und 3 A 1139/01) ist nämlich gerichtsbekannt, dass die Stadt M. vor ihrem Beitritt zum Wasserzweckverband Strelitz solche Gebühren ebenfalls erhoben hat.

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Die Satzungen sind nach derzeitiger Erkenntnis wirksam. So weisen sie (zusammen) den nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V erforderlichen Mindestinhalt auf. § 13 Abs. 2 AAS macht deutlich, dass die Abwasserabgabensatzung auch Rechtsgrundlage der Erhebung von Gebühren für die Beseitigung von Abwasser aus Grundstücksentwässerungsanlagen (abflusslosen Gruben und Kleinkläranlagen) ist. Die erforderliche Regelung des Gebührenmaßstabes und des Gebührensatzes findet sich in der Gebührensatzung. Entgegen der Auffassung der Kläger ist die Gebührensatzung nicht zu beanstanden. Die Erhebung einer Grund- und Zusatzgebühr ist ebenso zulässig (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 4 KAG M-V), wie die Bemessung der Grundgebühr nach der an die Grundstücksentwässerungsanlage angeschlossenen Anzahl der vorhandenen Berechnungseinheiten (§ 1 Abs. 1 Satz 2 GS; vgl. Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/06, § 6 Anm. 7.2.3.1; OVG Bautzen, Urt. v. 29.11.2001 - 5 D 25/00, LKV 2001, 577 <581>). Für die invariablen (fixen) Vorhaltekosten können unabhängig vom Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme angemessene Grundgebühren erhoben werden. Durch sie werden die durch das Bereitstellen und Vorhalten der Einrichtung entstehenden verbrauchsunabhängigen Betriebskosten ganz oder teilweise abgegolten. Die Grundgebühr wird deshalb verbrauchsunabhängig nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen, der sich an Art und Umfang der aus der Lieferbereitschaft folgenden Arbeitsleistung als Anhalt für die vorzuhaltenden Höchstlastkapazität regelmäßig orientiert (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 - 8 C 112/84, NVwZ 1987, 231). Daraus folgt zugleich, dass es für die Bestimmung der Grundgebühr nicht auf die Entsorgungshäufigkeit der einzelnen Kleinkläranlage ankommen kann. Die an die unterschiedlichen Entsorgungsrhythmen einzelner Anlagen anknüpfenden Einwände der Kläger können daher auf sich beruhen.

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Entgegen der Auffassung der Kläger gibt es auch keine Begrenzung des Deckungsgrades. Außer bei den Abfallgebühren können Grundgebühren bis zur Höhe der invariablen Kosten erhoben werden (Siemers a.a.O. m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Grundgebührenanteil von 85 v.H. der Gesamtkosten unbeanstandet gelassen (Beschl. v. 12.08.1981 - 8 B 20.81, KStZ 1982, 31; vgl. auch Urt. v. 01.08.1986 a.a.O.). Das OVG Bautzen (a.a.O.) hält eine Refinanzierung von 80 v.H. der fixen Vorhaltekosten durch die Grundgebühr für unbedenklich. Keine Bedeutung für Mecklenburg-Vorpommern erlangt die auf abweichendem Landesrecht - § 12 Abs. 2 Satz 2 AbfG ND - beruhende Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urt. v. 24.06.1998 - 9 L 2722/96, KStZ 1999, 172; Urt. v. 02.11.2000 - 9 K 2785/98, NVwZ-RR 2001, 600), wonach bei den Abfallgebühren über die Grundgebühr nur ein bestimmter Prozentsatz der Gesamtkosten der Einrichtung abgerechnet werden und die Belastung durch die Grundgebühr nicht mehr als 50 v.H. der gesamten Gebührenbelastung für einen (gedachten) Regelhaushalt ausmachen darf. Die daran anknüpfenden Einwände der Klägerin gehen daher ebenfalls ins Leere.

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Die Normierung einer Grundgebühr führt auch nicht zu einer unzulässigen Benachteilung kleiner Haushalte oder - wie im Fall der Kläger - nur saisonal genutzter Grundstücke im Verhältnis zu den übrigen Gebührenpflichtigen. Auch wenn es richtig ist, dass bei Einleitung geringer Abwassermengen die Gesamtgebühr aus Grund- und Zusatzgebühr pro Leistungseinheit (m3) vergleichsweise hoch ist, darf nicht übersehen werden, dass die Normierung einer Grundgebühr zur Deckung der invariablen (Vorhalte-)Kosten nach der ausdrücklichen Entscheidung des Gesetzgebers zulässig ist. Die damit verbundene Mehrbelastung ist damit systembedingt und von den Betroffenen hinzunehmen (so auch Siemers a.a.O.).

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Bedenken folgen des weiteren nicht aus dem Umstand, dass nach der Gebührensatzung innerhalb des Verbandsgebiets unterschiedliche Maßstabsregeln gelten, wobei für das technische Entsorgungsgebiet der Stadt W. und der Gemeinden W. und P. gemäß § 1 Abs. 2 GS keine Grundgebühr erhoben wird. Dies ist auch mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG zulässig, denn die unterschiedlichen Maßstabsregeln gelten jeweils für unterschiedliche öffentliche Einrichtungen der Schmutzwasserbeseitigung, unterschieden nach technischen Entsorgungsgebieten (§ 1 Abs. 1 AAS). Dies ist zulässig, denn § 9 Abs. 1 KAG M-V bestimmt nicht, was unter einer öffentlichen Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Die Gemeinden und Zweckverbände haben daher ein weites, nur beschränkt gerichtlich überprüfbares Organisationsermessen. Sie können selbst regeln, ob sie eine oder mehrere öffentliche Einrichtungen betreiben. Anhaltspunkte dafür, dass der Zweckverband Strelitz sein Organisationsermessen fehlerhaft ausgeübt hat, bestehen nicht. Wenn es nach dem weiten Organisationsermessen des Zweckverbandes zulässig ist, unterschiedliche Einrichtungen der Schmutzwasserbehandlung zu definieren, so muss es auch zulässig sein, für die Gebührenerhebung in den jeweiligen Einrichtungen unterschiedliche Maßstabsregeln zu normieren (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 18.10.1996 - 3 A 2017/05, S. 4 des Entscheidungsumdrucks). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die unterschiedliche Ausprägung der Maßstabsregeln willkürlich wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargelegt, dass es im Gebiet der zum ehemaligen Amt M. gehörenden Gemeinden eine erhebliche Anzahl von nur saisonal genutzten Erholungsgrundstücken gibt, die an die dezentrale Abwasserbeseitigung angeschlossen sind. Dass sich dieser Umstand auf die Kapazität der vorzuhaltenden Reinigungskapazität der Kläranlage auswirkt, liegt auf der Hand, denn die ganzjährig betriebene Anlage muss so dimensioniert sein, dass sie auch Spitzenbelastungen in den Sommermonaten gerecht wird. Wenn sich der Wasserzweckverband Strelitz vor diesem Hintergrund entschließt, durch Erhebung einer Grundgebühr die Eigentümer dieser Grundstücke stärker an den fixen Vorhaltekosten der Anlage zu beteiligten, ist dies nicht willkürlich, sondern sachgerecht.

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Schließlich hält auch die Gebührenkalkulation der vorliegend nur gebotenen Plausibilitätskontrolle stand. Da die Kläger ihre diesbezüglichen Einwände auch nicht ansatzweise substanziiert haben, wird von weiteren Darlegungen abgesehen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124a VwGO) sind nicht ersichtlich.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.