Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 28. Nov. 2017 - 1 L 531/16
Gericht
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Oktober 2009 – 8 A 770/09 SN – wird geändert:
Der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 (Nummer WB...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 wird aufgehoben, soweit die Beteiligten den Rechtstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die Erhebung eines Anschlussbeitrages für Trinkwasser.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A-Stadt, Flur 1, Flurstück .../3. Der Beklagte betreibt in A-Stadt eine Wasserversorgungsanlage als öffentliche Einrichtung. Das Grundstück des Klägers ist an diese Anlage angeschlossen.
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Mit Bescheid vom 28. November 2008 (Nummer WB...) setzte der Beklagte gegen den Kläger einen Anschlussbeitrag zur Deckung des Aufwandes für die Anschaffung und Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage in Höhe von 4.255,70 Euro fest. Grundlage der Beitragserhebung war die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Wasserversorgung des Wasserbeschaffungsverbandes S. vom 27. Oktober 2008. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
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Der Beklagte gab durch seinen Geschäftsführenden Leiter und seinen Verbandsvorsteher in einem anderen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Schwerin (Aktenzeichen 8 A 682/06) unter Berufung auf § 2 Abs. 3 KAG M-V eine auf den 29. Januar 2009 datierte Erklärung ab, wonach sämtliche Altverbindlichkeiten in der Kalkulation des Beitragssatzes nicht mehr aufwandserhöhend berücksichtigt wurden. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 zurück.
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Am 11. Mai 2009 hat der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Schwerin erhoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung am 30. September 2009 übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit der Beklagte während des gerichtlichen Verfahrens den Bescheid vom 28. November 2008 in Höhe von 429,14 Euro aufgehoben hatte. Insoweit hat das Verwaltungsgericht das Verfahren eingestellt und im Übrigen die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 2009 – 8 A 770/09 – abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 25. Januar 2010 zugestellt worden. Auf den Antrag des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 10. September 2013 – 1 L 41/10 – die Berufung gegen das Urteil zugelassen. Der Beschluss ist dem Kläger am 13. September 2013 zugestellt worden. Am 15. Oktober 2013 hat der Kläger beantragt, die Frist zur Begründung der zugelassenen Berufung um einen Monat zu verlängern. Am 24. Oktober 2013 hat der Kläger beantragt, ihm wegen der versäumten Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich hat der Kläger die Berufung begründet. Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Juni 2014 – 1 L 41/10 – die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Oktober 2009 als unzulässig verworfen. Auf die Beschwerde des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25. März 2015 – 9 B 67.14 – den Beschluss des Senats vom 16. Juni 2014 aufgehoben und den Rechtstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Der Senat hat dem Kläger daraufhin mit Beschluss vom 27. Mai 2015 – 1 L 209/15 – Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gewährt und diese Frist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 28. Mai 2015 antragsgemäß verlängert.
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Zur Begründung seiner Berufung beruft sich der Kläger im Wesentlichen auf eine Unwirksamkeit der der Veranlagung zugrunde liegenden Beitragssatzung, deren Verteilungsregeln dem Vorteilsprinzip nicht in vollem Umfang genügten. Der festgesetzte Beitragssatz sei nicht rechtmäßig kalkuliert worden. Die Aufwandsermittlung habe den Investitionsbedarf überschätzt, Einnahmen aus gebührenwirksamen Abschreibungen und Erschließungsverträgen seien unberücksichtigt geblieben. Die Kalkulation beinhalte in fehlerhafter Weise von der Rechtsvorgängerin des Verbandes übernommene Altverbindlichkeiten. Die im Verfahren abgegebene Erklärung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V sei unwirksam. Darüber hinaus sei die Flächenermittlung der Kalkulation mangelhaft. Der Beklagte habe methodisch fehlerhaft nur bereits angeschlossene Grundstücke berücksichtigt und Gewerbegrundstücke nicht mit dem zutreffenden Vollgeschossfaktor in die Vorteilsfläche einbezogen. Die Beitragserhebung sei letztlich auch wegen der weit zurückliegenden Schaffung der Vorteilslage aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. Oktober 2009 – 8 A 770/09 – zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 (Nummer WB...) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 aufzuheben, soweit die Beteiligten den Rechtstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Beklagte verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und die angefochtenen Bescheide und tritt der Berufungsbegründung im Einzelnen entgegen. Ein Verstoß gegen das Doppelbelastungsverbot liege nicht vor. Die Kalkulation des Beitragssatzes folge den gesetzlichen Vorgaben. Die angegebenen Aufwandspositionen seien in tatsächlich entstandener beziehungsweise noch zu erwartender Höhe in die Kalkulation eingestellt worden. Da sich die Altverbindlichkeiten nicht mit hinreichender Sicherheit den jeweiligen Anlagen hätten zuordnen lassen, seien sie durch die vorgenommene Heilungserklärung wirksam aus der Kalkulation herausgenommen worden, ohne dass der höchstzulässige Beitragssatz dadurch überschritten worden wäre. Bei der Flächenermittlung sei jedes einzelne Grundstück individuell erfasst worden. Es sei angesichts der Vielzahl der Grundstücke im Verbandsgebiet nicht zu vermeiden, dass im Einzelfall Abweichungen entstehen könnten. Ein methodischer Fehler liege darin nicht. Es sei nicht zu beanstanden, dass Flächen aus Bebauungsplänen unberücksichtigt geblieben seien, mit deren Verwirklichung nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Soweit die Flächenermittlung für die Bebauungspläne im Transportgewerbegebiet V.../G... gerügt werde, betreffe die Bauhöhenfestsetzung nur einen geringen Teil der Grundstücksflächen. Zudem beschränkten die Festsetzungen von Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl die Realisierung der vorgesehenen Gebäudehöhen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
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Die Berufung ist zulässig. Die Berufung ist vom Oberverwaltungsgericht durch Beschluss vom 10. September 2013 zugelassen worden. Sie wurde innerhalb der vom Vorsitzenden des Senats gemäß § 124a Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 VwGO verlängerten Frist begründet. In die versäumte Frist zur Stellung des Antrags auf Fristverlängerung ist dem Kläger mit Beschluss des Senats vom 27. Mai 2015 Wiedereinsetzung gewährt worden.
II.
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Die Berufung ist auch begründet. Die Anfechtungsklage des Klägers ist begründet, weil der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, soweit er noch im Streit steht. Das Urteil des Verwaltungsgerichts war deshalb insoweit zu ändern und der angefochtene Beitragsbescheid aufzuheben.
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Der Abgabenerhebung liegt keine wirksame Rechtsgrundlage zugrunde. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 KAG M-V dürfen kommunale Abgaben nur aufgrund einer Satzung erhoben werden, die mindestens den Kreis der Abgabenschuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab und den Satz der Abgabe sowie den Zeitpunkt ihrer Entstehung und Fälligkeit angeben muss. Der Beklagte stützt die Beitragserhebung vorliegend auf die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Wasserversorgung des Wasserbeschaffungsverbandes S. vom 27. Oktober 2008 (nachfolgend: Beitragssatzung). Dieser Satzung fehlt es an einer wirksamen Bestimmung des Beitragssatzes. Das führt zur Gesamtnichtigkeit der Beitragssatzung, da diese nicht mehr den notwendigen Mindestinhalt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V aufweist.
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1. Der Senat kann für seine Entscheidung offenlassen, ob die Maßstabsregelungen der Beitragssatzung dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit genügen. Nach diesem Grundsatz muss eine Beitragssatzung für alle Beitragsfälle im Beitragsgebiet einen wirksamen Maßstab vorsehen. Die Maßstabskriterien müssen dabei vorteilsgerecht sein und den Gleichheitsgrundsatz beachten (grundlegend OVG Greifswald, Urt. v. 15.03.1995 – 4 K 22/94 –, juris Rn. 42). Der kombinierte Grundflächen- und abgestufte Vollgeschoßmaßstab, wie ihn § 4 Beitragssatzung verwendet, ist zwar grundsätzlich zulässig (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, juris Rn. 34). Der Senat hat jedoch auch entschieden, dass dieser Maßstab im Ausnahmefall auch unter Berücksichtigung der notwendigen Pauschalierung und Typisierung nicht mehr vorteilsgerecht sein kann, wenn im Verbandsgebiet Grundstücke vorhanden sind, bei denen sich die beitragsrechtlich maßgebliche bauliche Ausnutzbarkeit auf lediglich untergeordnete Teilflächen beschränkt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 10.10.2007 – 1 L 256/06 –, NordÖR 2008, 40). In dieser Entscheidung wurde angenommen, dass der verwendete Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mehr in einer hinreichend nahen Beziehung zur Wirklichkeit der durch die abgerechnete Anlage vermittelten Vorteile stand. Maßgeblich für diese Annahme war der Befund, dass im dortigen Verbandsgebiet Grundstücke vorhandenen waren, die nur mit einer verhältnismäßig geringen Teilfläche in der planungsrechtlich höchstzulässigen Bebauungshöhe bebaut werden durften, während die Differenz zur höchstzulässigen Bebauungshöhe auf dem übrigen Grundstücksteil sehr groß war. Hinzu kam der Umstand, dass die betroffenen Grundstücke atypisch groß waren, was zu einer absoluten Beitragshöhe in der Dimension von Millionenbeträgen und zugleich dazu führte, dass die in Rede stehenden Grundstücke mit einem Sechstel zum gesamten kalkulierten Beitragsaufkommen des Aufgabenträgers beitragen sollten. Damit sah der Senat auch den Grundsatz der Typengerechtigkeit verletzt.
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Allerdings liegt der vorliegende Fall in mehrfacher Hinsicht anders. Zwar setzen die Bebauungspläne im Transportgewerbegebiet V.../G... eine höchstzulässige Bauhöhe von 25 Metern überwiegend nur für eine untergeordnete Teilfläche von 10 beziehungsweise 20 Prozent der jeweiligen Grundstücksfläche fest, was gleichwohl dazu führt, dass nach dem Satzungsrecht des Beklagten diese Grundstücke mit dem Faktor für zehn Vollgeschosse zu gewichten sind. Bei der rechtlichen Überprüfung der Kalkulation des Beitragssatzes wird auch zu zeigen sein, dass die Grundstücke im genannten Plangebiet einen erheblichen Teil des veranschlagten Beitragsaufkommens ausmachen. Das Gewerbegebiet ist jedoch weitaus kleinteiliger parzelliert, als es bei dem Sachverhalt der Fall war, der dem Urteil vom 10. Oktober 2007 zugrunde lag. Vergleichbare absolute Beitragshöhen entstehen deshalb nicht. Hinzu kommt, dass sich der hier zu beurteilende Beitragsmaßstab in § 4 Abs. 4 Buchst. b Beitragssatzung mit Blick auf die vorgefundene planungsrechtliche Situation im Transportgewerbegebiet V.../G... näher an einem Wirklichkeitsmaßstab befindet, weil auch der überwiegende Teil der Plangrundstücke in einer erheblichen Höhe, nämlich bis zu 15 Metern hoch, bebaut werden darf.
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Letztlich muss in diesem Verfahren jedoch nicht entschieden werden, ob der Beklagte auf die spezifische planungsrechtliche Situation im genannten Gewerbegebiet mit einer Anpassung der Maßstabsregel, etwa durch eine stärkere Degression des Faktors ab dem siebenten Vollgeschoss oder eine Kappungsgrenze (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 27.05.2009 – 3 A 616/07 –, juris Rn. 23), reagieren musste. Die Beitragssatzung erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als unwirksam.
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2. Die Festsetzung des Beitragssatzes in § 5 Beitragssatzung ist unwirksam. Sie beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts muss dem Rechtssetzungsorgan – neben der Beschlussvorlage über die Satzung – bei der Beschlussfassung eine Kalkulation über den Abgabensatz vorliegen. Wird dem Vertretungsorgan vor oder bei seiner Beschlussfassung über den Abgabensatz eine solche Kalkulation nicht zur Billigung unterbreitet oder ist die unterbreitete Abgabenkalkulation in einem für die Abgabensatzhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft, hat dies die Unwirksamkeit der Bestimmung des Abgabensatzes zur Folge. Die Unwirksamkeit eines festgelegten Abgabensatzes ist dabei dann anzunehmen, wenn erstens in erheblichem Umfang nicht beitragsfähiger Aufwand angesetzt und daher gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot verstoßen wird, oder zweitens, wenn erhebliche methodische Fehler die Feststellung unmöglich machen, ob das Aufwandsüberschreitungsverbot beachtet ist oder nicht. Die Unwirksamkeit der Festsetzung eines Abgabensatzes tritt als zwingende Folge immer dann ein, wenn die unterbreitete Kalkulation in einem für die Abgabenhöhe wesentlichen Punkt mangelhaft ist, weil das Vertretungsorgan anderenfalls sein Ermessen nicht fehlerfrei ausüben kann (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 21.04.2015 – 1 K 46/11 –, juris Rn. 67 im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 63, 142 m.w.N.).
- 21
Wie der Aufwand für einen Herstellungsbeitrag zu kalkulieren ist, bestimmt sich im Wesentlichen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 KAG M-V. Danach ist der Aufwand nach den tatsächlich entstandenen und voraussichtlich zu erwartenden Kosten unter Berücksichtigung der Leistungen und Zuschüsse Dritter zu ermitteln. Die Aufwandsermittlung hat für die gesamte öffentliche Einrichtung (Globalkalkulation) oder für einen sowohl zeitlich als auch hinsichtlich des Bauprogramms sowie der bevorteilten Grundstücke repräsentativen Teil der öffentlichen Einrichtung (Rechnungsperiodenkalkulation) zu erfolgen. Der Beklagte hat ausweislich der bei Beschlussfassung über die Beitragssatzung gebilligten „Beitragskalkulation des Wasserbeschaffungsverbandes S.“ vom 8. Oktober 2008 eine gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V grundsätzlich zulässige Globalkalkulation vorgenommen.
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a) Zur Bestimmung des umzulegenden Aufwands ermittelte die Kalkulation die Anschaffungs- und Herstellungskosten zum 31. Dezember 2007, bereinigte diese um nicht beitragsfähige Anlagengüter und setzte den voraussichtlichen Herstellungsaufwand aus anzuschließenden Bebauungsplangebieten und fehlenden Investitionen bis zum Jahre 2012 hinzu. Die bis 2007 und für das Jahr 2008 erwarteten Fördermittel des Landes setzte die Kalkulation vom Aufwand ab. Aufwandserhöhend berücksichtigte sie die vom Rechtsvorgänger übernommenen Altschulden. Der beitragsfähige Aufwand wurde nach alledem mit zunächst 26.304.365,08 Euro ermittelt.
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Der Beklagte, vertreten durch den Geschäftsführenden Leiter und den Verbandsvorsteher, gab im Verfahren 8 A 682/06 vor dem Verwaltungsgericht Schwerin gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V eine auf den 29. Januar 2009 datierte Erklärung ab, wonach sämtliche Altverbindlichkeiten in der Kalkulation nicht mehr aufwandserhöhend berücksichtigt wurden. Diese Erklärung ist wirksam.
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Nach § 2 Abs. 3 KAG M-V darf die abgabenberechtigte Körperschaft in die Ermittlung der Höhe eines Abgabensatzes (Kalkulation) einzelne Aufwands- und Kostenpositionen nachträglich einstellen oder anders bewerten, soweit dadurch nicht der Abgabensatz erhöht wird. Die nachträgliche Änderung der Kalkulation führt nicht zur Unwirksamkeit der Abgabensatzung; sie bedarf auch keiner erneuten Befassung der Vertretungskörperschaft. Die Regelung räumt in Abweichung von § 22 Abs. 3 Nr. 11 KV M-V den vertretungsberechtigten Organen der abgabenerhebenden Körperschaft die Befugnis zur Fortschreibung und Korrektur der Kalkulation ein (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 27.07.2017 – 3 A 1330/14 –, juris Rn. 26). Es handelt sich in der Sache um eine inhaltlich beschränkte Kompetenznorm.
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Die Reichweite der Vorschrift ist vorliegend nicht überschritten. Die Neubewertung der vom Verband übernommenen Altverbindlichkeiten betrifft zweifelsfrei eine einzelne Aufwandsposition im Sinne eines „kleinen Kalkulationsfehlers“ (vgl. Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz/Seppelt, KAG M-V, Stand August 2015, § 2, Anm. 8.3.5.2). Die ursprüngliche Kalkulation bleibt in der geänderten Kalkulation erkennbar (vgl. dazu VG Greifswald, Urt. v. 12.03.2010 – 3 A 1326/06 –, juris Rn. 18). Die verbandsrechtlichen Regelungen über die Wertgrenzen, bis zu denen der Verbandsvorstand Rechtsgeschäfte anstelle der Verbandsversammlung vornehmen darf, sind von vornherein nicht betroffen. Ohnehin könnte die landesgesetzliche Befugnis aus § 2 Abs. 3 KAG M-V satzungsrechtlich nicht wirksam eingeschränkt werden.
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Der Beklagte muss sich daher an der geänderten Kalkulation festhalten lassen, wonach der beitragsfähige Aufwand nur noch 23.199.892,50 Euro beträgt.
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b) Die Kalkulation unterschätzt jedoch in einem erheblichen Umfang die beitragsfähige Fläche im Verbandsgebiet. Die beitragsfähige Fläche wurde zwar durch vollständige Ermittlung der gewichteten Vorteilsfläche im Verbandsgebiet bestimmt. Dies geschah jedoch nicht vollständig nach den Maßstabsregeln der Beitragssatzung. Die Flächenermittlung leidet an einem erheblichen methodischen Fehler.
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Die Kalkulation nimmt für den Geltungsbereich der Bebauungsplangebiete im Transportgewerbegebiet V.../G... eine beitragsfähige Fläche von 832.118,20 Quadratmetern an. Aus der in den Kalkulationsunterlagen ergibt sich, dass dabei für die Grundstücke in den Plangebieten die Anzahl der höchstzulässigen Zahl der Vollgeschosse zwischen 1 und 4 angenommen worden ist. Dabei ist offenbar die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse für maßgeblich gehalten worden.
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Dies stellt einen methodischen Fehler dar. Die Verbandsversammlung ist für die Flächenberechnung in den genannten Plangebieten von der tragenden Annahme ausgegangen, dass es für die Zahl der Vollgeschosse auf den tatsächlichen Bestand ankommt. Diese Grundannahme ist fehlerhaft. Die Kalkulation hat den Maßstabsregeln der maßgeblichen Beitragssatzung zu folgen. Soweit im jeweiligen Bebauungsplan eine höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse (§ 4 Abs. 4 Buchst. a Beitragssatzung) beziehungsweise die höchstzulässige Gebäudehöhe oder Baumassenzahl (§ 4 Abs. 4 Buchst. b Beitragssatzung) festgesetzt worden ist, kommt gemäß § 4 Abs. 4 Buchst. c Beitragssatzung eine Berücksichtigung der tatsächlich auf dem Grundstück oder in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung nicht in Betracht. So liegt es hier.
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Der Beklagte hatte die Bebauungspläne des Planungsverbandes Transportgewerbegebiet V.../G... seiner Kalkulation zugrunde zu legen. Auf deren Wirksamkeit kam es schon deshalb nicht an, weil dem Zweckverband insoweit keine Normverwerfungskompetenz zukommt. In den dortigen Plangebieten bestehen jeweils Festsetzungen der höchstzulässigen Gebäudehöhe. Diese ist in den Bebauungsplänen Nr. 1 bis 3 innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen auf 15 Meter über der Gradiente des angrenzenden öffentlichen Straßenabschnittes festgesetzt, wobei ausnahmsweise auf einer näher begrenzten Teilfläche (nämlich auf 10 oder 20 Prozent der Grundfläche) Gebäude bis zu einer Höhe von 25 Metern über der Gradiente des angrenzenden Straßenabschnittes errichtet werden können, wenn zwingende produktionstechnische und lagertechnische Gründe dies erfordern. Abweichend davon beträgt in einem Teilgebiet des Bebauungsplans Nr. 1 die festgesetzte höchstzulässige Gebäudehöhe 53 Meter über Normalnull. Da es zur Berücksichtigung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 4 Abs. 4 Buchst. b Beitragssatzung des Beklagten auf die höchstzulässige festgesetzte Gebäudehöhe unabhängig von der Frage ankommt, auf welchem Anteil der Grundfläche diese Höhe verwirklicht werden kann, hätten die bebaubaren Grundstücke im Plangebiet jeweils mit einem Vollgeschossfaktor von 10 berücksichtigt werden müssen. Denn nach § 4 Abs. 4 Buchst. b Beitragssatzung ist die höchstzulässige festgesetzte Gebäudehöhe durch 2,6 zu teilen und zu runden, wenn der Bebauungsplan die Zahl der Vollgeschosse nicht festgesetzt, sondern nur die Höhe der baulichen Anlagen angegeben hat.
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Der Fehler ist auch erheblich. Zwar ist bei einer Kalkulation grundsätzlich ein gröberer Maßstab anzulegen als bei der Heranziehung von Grundstücken im Einzelfall, da sie eine Prognose darstellt, deren naturgemäß auftretende Ungenauigkeiten hinzunehmen sind. Die Grenze ist allerdings dort erreicht, wo ein erheblicher methodischer Fehler die Ursache für diese Abweichung ist (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 05.12.2016 – 1 K 8/13 –, juris Rn. 59 im Anschluss an OVG Greifswald, Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, juris Rn. 118 f.). Ein methodischer Fehler ist jedenfalls immer dann erheblich, wenn er wie hier zu einer veranschlagten Aufwandsüberschreitung führt. Die Unterschätzung der beitragsfähigen Flächen führt vorliegend dazu, dass der höchstzulässige kalkulierte Beitragssatz unter dem festgesetzten liegt.
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Die Kalkulation des Beklagten geht von einer beitragsfähigen Fläche von 7.146.263,44 Quadratmetern aus. Sie unterschätzt die beitragsfähige Fläche im Bereich des Transportgewerbegebietes um 2.084.715,40 Quadratmeter (1.823.021 Quadratmeter anzurechnende Fläche mit dem Faktor 1,6 für 10 Vollgeschosse – siehe § 4 Abs. 3 Beitragssatzung – multipliziert ergeben 2.916.833,60 Quadratmeter anzurechnende Fläche, wovon 832.118,20 Quadratmeter veranschlagte Fläche abzuziehen sind). Die beitragsfähige Fläche würde sich allein unter Berücksichtigung dieses Umstands auf 9.230.978,84 Quadratmeter erhöhen (7.146.263,44 Quadratmeter bisheriger Flächenansatz zuzüglich 2.084.715,40 Quadratmeter Differenz). Daraus würde sich ein höchstzulässiger Beitragssatz von nur 2,51 Euro netto je Quadratmeter gewichteter Vorteilsfläche ergeben. Die Festsetzung von 2,60 Euro netto je Quadratmeter in § 5 Beitragssatzung überschreitet daher den höchstzulässigen Beitragssatz.
III.
- 33
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO. Es bestehen keine Gründe, die Revision gemäß § 132 Abs. 1 und 2 VwGO zuzulassen.
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Annotations
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.