Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:1203.4L59.13.0A
bei uns veröffentlicht am03.12.2014

Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümer eines 1.406 m2 großen, bebauten Grundstücks (FlSt. 34 und 35, Flur A der Gemarkung S.) an der Straße „Dörfchen“ im Verbandsgebiet des Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag. Auf dem Grundstück wurde von den 1950er Jahren bis November 2000 ein Altenpflegeheim betrieben.

2

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 zog die Stadt D. die Klägerin für das Grundstück zu einem Beitrag für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung in Höhe von 4.454,46 € heran. Zum 1. April 2004 übertrug dann die Stadt D. die Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten, dessen Verbandsversammlung am 14. April 2004 eine Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung beschloss.

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Den gegen den Beitragsbescheid fristgerecht eingelegten Widerspruch, der nicht begründet worden ist, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2008 zurück. Auf die am 20. Oktober 2008 erhobene Klage der Klägerin hob der Beklagte am 25. Februar 2009 den Widerspruchsbescheid auf und die Stadt D. beschied am 20. April 2009 den Widerspruch der Klägerin. Das Verwaltungsgericht Halle hob mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 51/09 HAL -) den Beitragsbescheid auf, da die in Betracht kommenden Beitragssatzungen der Stadt D. und ihres Rechtsvorgängers, des AZV D., als rechtliche Grundlage ausschieden; einen am 30. September 2009 gestellten Antrag der Stadt D. auf Zulassung auf Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 17. November 2010 (- 4 L 212/09 -) ab.

4

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 zog der Beklagte die Klägerin nach seiner Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung für das Grundstück zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 4.822,02 € heran. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 4. Oktober 2011 beim Verwaltungsgericht Halle erneut Anfechtungsklage erhoben.

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Das Gericht hat den Beitragsbescheid auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 aufgehoben.

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Der Bescheid sei festsetzungsverjährt, da die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück mit Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten im Jahre 2004 entstanden sei. Die vorherige Beitragssatzung der Stadt D. sei unwirksam gewesen. § 171 Abs. 3a AO sei nicht einschlägig, da dessen Anwendung voraussetze, dass durch den zunächst angefochtenen Abgabenbescheid die Festsetzungsfrist für die Abgabe gewahrt worden sei, die mit dem späteren Abgabenbescheid (erneut) festgesetzt werde. Dies sei nicht der Fall. Mit dem angefochtenen Beitragsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 werde der im Jahre 2004 entstandene Beitrag geltend gemacht. Die im Hinblick auf diesen Beitrag mit Ablauf des Jahres 2004 begonnene Festsetzungsfrist sei durch den ursprünglich angefochtenen Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 nicht gewahrt worden. Abgesehen davon, dass der Bescheid erlassen worden sei, bevor der Beitrag auf der Grundlage der erst am 14. April 2004 beschlossenen Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung entstanden sei, habe es der Stadt D. an der sachlichen Zuständigkeit für die Festsetzung des vom Beklagten geltend gemachten Beitrags gefehlt. Die Festsetzungsfrist werde jedoch gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur gewahrt, wenn der Abgabenbescheid von der zuständigen Behörde festgesetzt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn die Stadt D. sei nur für die Festsetzung ihrer eigenen Beitragsforderung zuständig, nicht aber für die Festsetzung der Beitragsforderung des Beklagten.

7

Auf Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Juli 2013 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

8

Der Beklagte macht zur Begründung geltend, § 171 Abs. 3a AO sei auch dann einschlägig, wenn zwischen dem Erlass des ursprünglichen und dann aufgehobenen Beitragsbescheides und dem Erlass eines neuen Beitragsbescheides eine andere Behörde zuständig geworden sei. Der Abgabeschuldner dürfe nicht dadurch bessergestellt werden, dass - mehr oder weniger zufällig - im Lauf der Zeit Änderungen in der Zuständigkeit der abgabenerhebenden Behörde eingetreten seien. Maßgeblich sei, dass das veranlagte Grundstück einen Vorteil der Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung nach wie vor habe und dass mit dem Herstellungsbeitrag dieser Vorteil abgegolten werden solle. Selbst wenn man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) zur Auslegung des § 171 Abs. 3a AO heranziehen wolle, könne dies allenfalls zur Folge haben, dass die abgabenerhebende Körperschaft zeitnah, mindestens innerhalb der gesetzlichen vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist einen neuen Beitragsbescheid erlassen müsse. Dies sei geschehen.

9

Daneben könne dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit durch eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben Rechnung getragen werden. Weder die Fallgruppe der Verwirkung noch der unzulässigen Rechtsausübung sei aber einschlägig. Die Vorteilslage für die Klägerin sei ausweislich des Bauabnahmeprotokolls für die Kanalbauarbeiten im Ortsteil S. in der Straße „Dörfchen“ im Mai 2000 entstanden. Eine zentrale Entsorgung sei dann ab dem Jahr 2004 möglich gewesen, nachdem das zentrale Kanalnetz fertiggestellt und das Schmutzwasser in die Zentralkläranlage in D. habe weitergeleitet werden können. Innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist habe die Stadt D. einen Beitragsbescheid erlassen, dessen Aufhebung durch das Verwaltungsgericht erst mit dem die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss vom 17. Oktober 2010 rechtskräftig geworden sei. Innerhalb eines Monats danach habe er erneut einen Beitrag festgesetzt, um seiner Beitragserhebungspflicht zu entsprechen. Zuvor sei er daran wegen des Verbots der Doppelveranlagung und des zwar zur gerichtlichen Überprüfung gestellten, aber wirksamen Beitragsbescheids der Stadt D. gehindert gewesen. Nicht im Ansatz könne von einer Pflichtverletzung ausgegangen werden.

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Der Beklagte beantragt,

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das auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, die Ablaufhemmung könne nur zwischen den Beteiligten eines Klageverfahrens wirken und nicht gegenüber unbeteiligten Dritten. Mit Übernahme der Abwasserbeseitigung hätte der Beklagte prüfen müssen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt ihm zustehende Beitragsansprüche verjähren. Der Beklagte habe nicht das zwischen ihr und der Stadt D. geführte Klageverfahren abwarten können. Außerdem habe der Beklagte seine öffentliche Einrichtung weitergehend definiert als dies in der Stadt D. der Fall gewesen sei. Das Klageverfahren gegen die Stadt D. könne daher keine verjährungshemmenden Auswirkungen haben, weil es eine andere öffentliche Einrichtung betreffe. Eine erweiternde Auslegung der Abgabenordnung sei nicht möglich, da es sich um eine Schutznorm handele.

15

Zudem sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 eine Verjährung des Beitragsanspruches eingetreten. Auf Grund einer danach gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück angeschlossen werden könne und eine (nicht zwingend rechtmäßige) Satzung bestehe. Eine mögliche Hemmungs- und Unterbrechungswirkung aus vorangegangenen Verfahren der Stadt D. wirke zum einen nicht zugunsten des Beklagten und ändere im Übrigen nichts an der Verjährung. Eine Anschlussmöglichkeit habe bereits im Jahre 1991 bestanden. Für das Objekt sei Ende 1991 ein Bauantrag gestellt worden, der hinsichtlich der Beseitigung des Abwassers die Einleitung in eine öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage im Trennsystem vorgesehen habe. Es sei beabsichtigt gewesen, einen Anbau zu dem Pflegeheim zu errichten. Unter dem 17. Dezember 1992 sei die Baugenehmigung erteilt worden. Auch der beauftragte Architekt habe für den Bereich Abwasser die Entsorgung in eine zentrale Kläranlage angegeben. Nach ihrer Erinnerung sei eine zentrale Entsorgung über die Straße „Dörfchen“ erfolgt; wohin das Leitungssystem letztendlich entsorgt habe, sei nicht bekannt. Auf einem Grundriss des Pflegeheims aus dem Jahr 1993 seien sowohl ein Schmutzwasser- als auch ein Regenwasserkanal eingezeichnet und auf der Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahr 1994 sein Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar. Ein Zeuge könne bestätigen, dass bereits 1993 ein Mischwasserkanal vorhanden gewesen sei, der über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Darüber hinaus sei 1995 einem Antrag auf Trinkwasserversorgung seitens des Wasserzweckverbandes (…) stattgegeben worden. Eine verfassungskonforme Auslegung auf der Grundlage der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014, die zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist führe, komme nicht in Betracht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

17

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

18

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund der Schriftsätze der Klägerin vom 19. November 2014 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 23. Juni 2011 - 9 B 94.10 -, v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor. Insbesondere die tatsächlichen Ausführungen der Klägerin zur Anschlusssituation sind nicht geeignet, ihre Auffassung zu stützen.

19

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen Anschlussbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten vom 14. April 2004 - SBAS -, die ordnungsgemäß im Amtsblatt des Landkreises Wittenberg vom 8. Mai 2004 veröffentlicht wurde und in den hier maßgeblichen Teilen rückwirkend am 1. März 2004 in Kraft trat.

21

1. Nach welcher satzungsrechtlichen Grundlage der Beitrag zu bemessen ist, richtet sich nach dem geltenden Recht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Beitragspflicht entsteht im Anschlussbeitragsrecht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA in der ab 9. Oktober 1997 geltenden Fassung - KAG LSA -, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die in § 7 Abs. 1 SBAS getroffene Regelung, wonach die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung vor dem Grundstück entsteht, wird insoweit ergänzt. Nach der vorher geltenden Fassung des § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes entstand die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu beiden Gesetzesfassungen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Januar 2011 - 4 L 234/09 -; Urt. v. 6. März 2003 - 1 L 318/02 -, m.w.N.; vgl. auch Beschl. v. 10. November 1999 - B 3 S 29/98 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung entstehen.

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Die Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 ist für das Grundstück der Klägerin die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung, da die vorher geltenden Beitragssatzungen der Rechtsvorgänger des Beklagten, der Stadt D. sowie des AZV D., keine taugliche Rechtsgrundlage waren. Wie das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 52/09 -) zur Recht festgestellt hat, verstieß die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Stadt D. vom 11. Juli 2000 - auch in der Gestalt der vier Änderungssatzungen - mit der Festsetzung eines geringeren Beitragssatzes für Grundstücke, die die in der Zeit vom 15. Juni 1991 bis 4. November 1993 angeschlossen wurden oder anschließbar waren, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS). Die Entwässerungsabgabensatzung des AZV D. vom 9. April 1996 enthielt keine wirksame Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA in einer Beitragssatzung vorgeschrieben ist.

23

2. Durchgreifende Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Satzung vom 14. April 2004 sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab sonst ersichtlich.

24

3. Der angefochtene Bescheid vom 21. Dezember 2010 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in festsetzungsverjährter Zeit erlassen worden.

25

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist.

26

Die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück der Klägerin ist nach der zum 1. April 2004 erfolgten Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Beklagten und vor Ablauf des Jahres 2004 entstanden. Denn unstreitig bestand jedenfalls im Jahr 2004 eine dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten und die am 1. März 2004 in Kraft getretene Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 war die erste wirksame Beitragssatzung. Dass die sachliche Beitragspflicht erst auf Grund der Satzungsregelungen des Beklagten entstanden ist, obwohl die Stadt D. vor der Übertragung der Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten schon ein Abwasserbeseitigungssystem hergestellt hatte, ist unschädlich.

27

Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des 31. Dezember 2004 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist jedoch gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a AO durch die Einlegung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 bis zum Eintritt der Bestandskraft des nunmehr streitigen Beitragsbescheides des Beklagten gehemmt worden.

28

Wird ein Abgabenbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft gem. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 171 Abs. 3a Satz 2 AO hinsichtlich des gesamten Abgabenanspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO bestimmt, dass in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden ist, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist.

29

a) Die Regelungen des § 171 Abs. 3a AO sind anwendbar. Zwar werden in § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA lediglich die Absätze 1 bis 4 und 7 bis 14 des § 171 AO, nicht jedoch dessen Absatz 3a auf kommunale Abgaben für entsprechend anwendbar erklärt. Gleichwohl ist auch der letztgenannte Absatz von der als dynamische Verweisung anzusehenden Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA erfasst (vgl. mit näherer Begründung OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11. Oktober 2004 - 2 M 444/04 -; Beschl. v. 12. Juli 2002 - 1 M 273/01 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch Beschl. v. 26. September 2006 - 4 L 208/06 -; vgl. weiter Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 38a, m.w.N.).

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b) Die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3a AO sind erfüllt.

31

Bei dem Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 handelt es sich um einen Abgabenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO, der mit einem Widerspruch angefochten und in einem Klageverfahren gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben worden ist. Rechtsfolge des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist, dass die Ablaufhemmung erst endet, wenn ein nachfolgender (neuer) Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist bzw. über den Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid unanfechtbar entschieden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. Juli 2013 - OVG 9 B 64.11 -; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011 - 4 EO 39/11 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30. August 2011 - 6 A 10475/11 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. Oktober 2010 - 14 A 1345/10 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 36, m.w.N.).

32

Dass die Stadt D. den Bescheid vom 24. Februar 2004 erlassen hat, bevor die sachliche Beitragspflicht entstanden war, steht dem nicht entgegen. Es ist von vornherein unschädlich, wenn der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Abgabenbescheides i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO noch nicht entstanden war. Der Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3a AO liegt die Konstellation zugrunde, dass die ursprüngliche Abgabenfestsetzung angefochten worden ist, und dass nunmehr die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung der streitigen Abgabe nicht dadurch obsolet werden soll, dass zwischenzeitlich - d.h. während der Rechtsbehelf gegen die alte Festsetzung noch anhängig ist - die Festsetzungsfrist abläuft. Nur die Anfechtung eines nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 125 AO nichtigen Bescheids führt nicht zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (VGH Bayern, Urt. v. 8. März 1991 - 23 B 89.134 -; BFH, Urt. v. 19. November 2009 - IV R 89/06 -, m.w.N., jeweils zit. nach JURIS zu § 171 Abs. 3 AO a.F.; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 50).

33

Auch der Umstand, dass der Beklagte nach Erhebung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 24. Februar 2004 für die Beitragserhebung zuständig geworden ist und somit nach Einsetzen der Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden hat, ist unschädlich (so i.E. auch OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -, zit. nach JURIS zu einem Gebührenanspruch). Die Abgabenfestsetzung nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO und damit die Festsetzungsfrist beziehen sich zwar - was sich auch aus § 171 Abs. 3a AO Satz 2 AO ergibt - auf den konkreten Abgabenanspruch i.S.d. § 37 Abs. 1 AO, d.h. auf den Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis nach § 38 AO zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner. Angesichts des Zwecks des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO sowie des Umstands, dass diese Regelung nach § 13 Satz 1 KAG LSA nur entsprechend anzuwenden ist und eine vergleichbare Zuständigkeitsverlagerung in Verfahren nach der Abgabenordnung gerade nicht stattfinden kann, ist aber eine erweiternde Auslegung für den Fall vorzunehmen, dass die Befugnis zur Beitragserhebung auf eine insoweit als Rechtsnachfolger anzusehende andere Körperschaft übergeht. Die in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO vorgenommene Verlängerung der Hemmung soll die Durchführung des behördlichen Verfahrens sichern (vgl. BFH, Urt. v. 5. Oktober 2004 - VII R 77/03 -, zit. nach JURIS unter Hinweis auf BT-Drs VI/1982, Seite 151; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011, a.a.O.). Ohne eine solche Regelung wären gerade in kommunalabgabenrechtlichen Verfahren, deren Rechtsgrundlage kommunale Satzungen bilden, Einbußen der abgabenerhebenden Körperschaften zu befürchten. Denn ein Verweis auf § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, wonach auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides eine Neubescheidung erfolgen kann, fehlt im Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt. Für die Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist es daher ausreichend, dass die Beitragsfestsetzung der vorher zuständigen Körperschaft auf einen nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch gerichtet war (vgl. dazu auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994 - I B 139/93 -, zit. nach JURIS), so dass einer Beitragsfestsetzung durch die während der Hemmungswirkung zuständig gewordene Körperschaft die Ausschlusswirkung des Beitragsbescheides der vorher zuständigen Körperschaft entgegenstand. Dass die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nach der vom Verwaltungsgericht genannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urt. v. 13. Dezember 2001 - III R 13/00 -, zit. nach JURIS) nur gewahrt ist, wenn der Abgabenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Behörde verlassen hat, hat für die Auslegung des § 171 Abs. 3a AO keine Bedeutung (vgl. auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994, a.a.O.). Insoweit ausreichend ist, dass der Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 fristwahrend i.S.d. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO ihren Bereich verlassen hat.

34

Die erhobenen Einwendungen der Klägerin sind nicht durchgreifend. Abgesehen davon, dass die maßgeblichen Regelungen der Abgabenordnung entgegen ihrer Auffassung schon nicht als Schutznorm für die Beitragspflichtigen anzusehen sind, ergibt sich die hier vorgenommene Auslegung maßgeblich aus dem nur auf eine entsprechende Anwendung gerichteten Anwendungsbefehl des Gesetzgebers des Kommunalabgabengesetzes. Ohne Erfolg macht die Klägerin auch geltend, die öffentliche Entsorgungseinrichtung des Beklagten, um deren Herstellung es gehe, sei nicht identisch mit der ehemaligen öffentlichen Entsorgungseinrichtung der Stadt D., weil die Städte A und Z-E hinzugekommen seien. Diese Städte waren zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht nach der maßgebenden Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten vom 14. April 2004 noch nicht von der Einrichtung des Beklagten erfasst. Darüber hinaus lässt eine bloße flächenmäßige Erweiterung der öffentlichen Einrichtung nicht die Einstufung des Beitragsanspruchs des Beklagten als einen - verglichen mit dem Beitragsanspruch der Stadt D. - nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch entfallen.

35

4. Eine Beitragserhebung wird durch die die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht nicht ausgeschlossen.

36

Dieses Gebot schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, zit. nach JURIS).

37

Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -; vgl. auch Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils zit. nach JURIS). Die in der Rechtsprechung angeführten Argumente gegen eine Anwendung der Entscheidung vom 5. März 2013 im Anschlussbeitragsrecht (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014 - 1 L 142/13 -; VG Greifswald, Urt. v. 14. November 2013 - 3 A 524/11 -; VG Schwerin, Urt. v. 11. April 2013 - 4 A 1250/12 -, jeweils zit. nach JURIS) sind angesichts der eindeutigen Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts von vornherein nicht durchgreifend. Die Überlegungen zu den Besonderheiten des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs, zu der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen im Hinblick auf die teilweise Gebührenfinanzierung und das Entstehen von Finanzierungslücken, zu der Sondersituation in den neuen Bundesländern, zu der Vergleichbarkeit mit dem Erschließungsbeitragsrecht sowie zu den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. dazu umfassend OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.) richten sich unmittelbar gegen die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG in der Entscheidung vom 5. März 2013. Aber auch wenn die genannten Überlegungen und noch andere Erwägungen (z.B. der durch Inflation und Zinseszinseffekte bedingte Vorteil für den Beitragspflichtigen durch eine verzögerte Heranziehung) in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich angesprochen werden, ist die verfassungsrechtlich maßgebliche Frage i.S.d. § 31 Abs. 1 BVerfGG als geklärt anzusehen. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

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a) Zwar führen sowohl § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA (1) als auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO (2) in der bisher von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung zu mit dem genannten Verfassungsgebot nicht zu vereinbarenden Ergebnissen.

39

(1) § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA ermöglicht in der bisherigen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von Anschlussbeiträgen. Denn gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 170 Abs. 1 AO wird damit auch die Festsetzungsverjährung hinausgeschoben. Es bleibt letztlich der beitragserhebenden Körperschaft überlassen, ob und wann sie eine Beitragssatzung erlässt, mit der wiederum erst die sachlich Beitragspflicht entsteht und die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen beginnt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3. September 2013 - 1 BvR 1282/13 -; BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013, a.a.O.; VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013 - 4 B 266/13 -; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, jeweils zit. nach JURIS; OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, f., m.w.N.). Der Umstand, dass auf Grund des § 6 Abs. 8 KAG LSA die sachliche und persönliche Beitragspflicht für ein Grundstück auseinanderfallen kann und dann im Einzelfall möglicherweise kein Verstoß gegen des Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vorliegt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.), ändert daran nichts.

40

(2) Entsprechendes gilt für § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO. Danach besteht für den Erlass eines auf die Aufhebung eines angefochtenen Abgabenbescheides folgenden Bescheides, dessen Unanfechtbarkeit erst die bestehende Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist beseitigt, keine Frist (vgl. BFH, Urt. v. 23. März 1993 - VII R 38/92 - zu § 171 Abs. 3 Satz 3 AO a.F., zit. nach JURIS; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 58). Im Falle der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung eines Abgabenbescheides hat es also die abgabenerhebende Körperschaft in der Hand, ob und wann sie einen neuen Bescheid erlässt, so dass im Ergebnis dann ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit des Anschlussbeitrages vorliegt.

41

b) Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Regelungen, mit der eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit verhindert wird, ist ausgeschlossen.

42

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

43

(1) Die nach dem Wortlaut der Regelung allein in Betracht kommende Auslegung des ab 9. Oktober 1997 geltenden § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung, um wirksam zu sein, rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (vgl. OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013 - 5 A 478/10 -, zit. nach JURIS; Storm, DWW 2013, 246, 248 Fn. 13; Martensen, LKV 2014, 446, 451; vgl. auch das von Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 5. März 2013 angeführte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535, 536 f.), ist mit den dargelegten Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

44

Mit einer solchen Auslegung dürfte schon hinsichtlich des durch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelten Erlasses der für die Beitragserhebung erforderlichen Beitragssatzung die verfassungsrechtliche Vorgabe einer bestimmbaren zeitlichen Obergrenze nicht erfüllt sein. Denn dadurch wird nicht die Fallkonstellation erfasst, dass die zuständige Körperschaft von vornherein keine Beitragssatzung erlässt (vgl. zur Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Regelungen in einem solchen Fall die Gesetzesbegründung zu der Änderung des BayKAG vom 13. Januar 2014, LT-Drs 17/370, Seite 12 f.).

45

Jedenfalls steht einer abweichenden Auslegung die Entstehungsgeschichte des Gesetzes entgegen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Neuregelung klar zum Ausdruck gebracht, dass vor dem Hintergrund der Problematik von ungültigen Zweckverbandsgründungen die sachliche Beitragspflicht bei Anschlussbeiträgen mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen sollte. Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu der Regelung (LT-Drs 2/3895 vom 26. August 1997, Seite 7; vgl. weiter Begründung des Gesetzentwurfs zu der ab 1999 geltenden Neuregelung in LT-Drs 3/919 vom 28. Januar 1999, Seite 5) und entspricht dem prinzipiellen Zweck des Gesetzes (so auch VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013, a.a.O.; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a, S. 22/27). Eine andere Auslegung würde also das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfälschen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 18. Mai 1999 in Bezug auf eine zu § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA inhaltsgleiche Bestimmung des KAG NW eine abweichende Auslegung vornahm (vgl. auch OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F., zit. nach JURIS; a.M.: OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. September 2002 - 2 S 976/02 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, jeweils zit. nach JURIS zu vergleichbaren Regelungen) erfolgte dies unter ausdrücklichem Hinweis auf die im Ergebnis unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Norm.

46

(2) Der eindeutige Wortlaut des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO und die durch die Entstehungsgeschichte bestätigte Zielsetzung des Gesetzgebers der Abgabenordnung verhindert ebenfalls eine abweichende Auslegung des § 171 Abs. 3a AO. Auch wenn § 13 Abs. 1 KAG LSA ausdrücklich nur eine „entsprechende“ Anwendung der Regelungen der Abgabenordnung vorsieht, hat der Gesetzgeber des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt durch die vorgenommene Verweisung dieses gesetzgeberische Ziel übernommen.

47

c) Eine analoge Heranziehung von Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt bzw. des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt nicht in Betracht.

48

Jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung (hier die Analogie) setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (so BVerwG, Urt. v. 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) bzw. wenn der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist (so BVerwG, Urt. v. 25. April 2013 - 6 C 5.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich auf Grund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte (BVerwG, Urt. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012 - 4 L 224/11 -, zit. nach JURIS).

49

Einer analogen Heranziehung des § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG bzw. des § 53 Abs. 2 VwVfG LSA a.F. i.V.m. § 218 BGB a.F., die für unanfechtbare Verwaltungsakte zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers eine 30jährige Verjährungsfrist vorsehen (vgl. dazu VGH Bayern, Urt. v. 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, zit. nach JURIS; zum Erschließungsbeitragsrecht; VG Dresden, Urt. v. 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 187 f.), steht schon entgegen, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. das Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt für Verwaltungsverfahren, soweit in ihnen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, ausdrücklich nicht gilt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA a.F.). Das für Beitragsansprüche im Anschlussbeitragsrecht damit speziellere Kommunalabgabengesetz verweist aber gerade auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen (Festsetzungsverjährung, Zahlungsverjährung) auf die Abgabenordnung. Im Übrigen liegt keine Regelungslücke vor, da ein versehentliches Regelungsversäumnis des Gesetzgebers nicht anzunehmen ist (vgl. Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147), und es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, der Gesetzgeber hätte eine dreißigjährige Verjährungsfrist anordnen wollen, wenn er - eine Gesetzeslücke unterstellt - den Sachverhalt bedacht hätte.

50

d) Die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen kann jedoch hier ausnahmsweise durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen; vgl. auch BFH, Urt. v. 3. Mai 1979 - I R 49/78 -, zit. nach JURIS zu § 146 Abs. 3 AO a.F.).

51

(1) Zwar ist es - wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 5. März 2013 ausdrücklich festgestellt hat - Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2. Oktober 2014 - 4 L 125/13 -) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es muss für die Beitragsschuldner in erkennbarer Weise eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragserhebung festgesetzt werden. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Eingreifen von mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängig ist, reicht dazu grundsätzlich nicht aus (a.M.: VG Karlsruhe, Urt. v. 11. September 2014 - 2 K 2326/13 -, zit. nach JURIS zu einem Wasserversorgungsbeitrag; Driehaus, KStZ 2014, 181, 188; Martensen, LKV 2014, 446, 450). Dementsprechend kann auch eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) eine gesetzliche Regelung nicht ersetzen (so aber OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.).

52

Allerdings ist eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10. September 2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Normen in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen.

53

(2) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung steht der Beitragserhebung durch den Beklagten nicht entgegen.

54

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (a.a.O.), der sich der Senat insoweit anschließt, kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last falle und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheine. Eine Abgabenerhebung sei dann treuwidrig, wenn es auf Grund der Pflichtverletzung der abgabenerhebenden Körperschaft unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Beitragsschuldner mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen sei ein enger Maßstab. Unter Heranziehung der in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, sei eine Abgabenerhebung generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sei. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze könne die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sei dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung.

55

Nach diesen Maßgaben ist die Beitragserhebung durch den Beklagten nicht treuwidrig.

56

Eine Vorteilslage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsteht im Anschlussbeitragsrecht nach den Darlegungen in der Entscheidung vom 5. März 2013 mit dem „Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung“, d.h. mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung oder mit einer rechtlich dauerhaft gesicherten Anschlussmöglichkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 183; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a). Denn dann hat der Beitragsschuldner einen Vorteil erlangt, der durch den einmaligen Beitrag abgegolten wird.

57

Hier entstand die Vorteilslage für die Klägerin nach dem substanziierten Vorbringen des Beklagten frühestens mit der im Mai 2000 erfolgte Abnahme der Kanalbauarbeiten in der Straße, an der das klägerische Grundstück anliegt. Erst ab dann konnte das Grundstück an den Hauptsammler in dieser Straße angeschlossen werden. Ein von der Klägerin behaupteter Anschluss an eine zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bestand vor diesem Zeitpunkt nicht; vielmehr wurde das Schmutzwasser des auf dem Grundstück befindlichen Altenpflegeheims stets über eine dezentrale Anlage entsorgt. Aus den von der Klägerin genannten Unterlagen und Bekundungen Dritter ergibt sich nichts anderes. Die Mitteilung des Wasserzweckverbandes (…) aus dem Jahr 1995 über den Anschluss des Grundstücks an die Wasserversorgung ist von vornherein ohne Belang, weil daraus nicht auf eine bestehende Schmutzwasserbeseitigung dieses Grundstücks in eine zentrale Kläranlage geschlossen werden kann. Entsprechendes gilt für die Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahre 1994, auf der nach Mitteilung der Klägerin „Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar“ seien, sowie für eine Bekundung des ehemaligen Chefs der örtlichen Melioration, wonach ein Mischwasserkanal über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Der Bauantrag vom 13. November 1991 und die dazu ergangene Baugenehmigung vom 17. Dezember 1992 sind ebenfalls nicht ausreichend. Zwar wird in dem Bauantrag zur Beseitigung des Abwassers auf eine „Öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage: Trennsystem“ abgestellt und ein Gemeindekanal „Schmutzwasser: DN 200 der Stadt S. im Bereich der Zufahrt“ angeführt. Damit stellte der Bauantrag aber offensichtlich auf mögliche Planungen ab. Denn nach den Bedingungen Nr. 1.3. Satz 1 in der Anlage Nr. 1 zu der Baugenehmigung sind die anfallenden Abwässer in einer abflusslosen Sammelgrube ordnungsgemäß zu sammeln und zu entsorgen. Dementsprechend wird in einem zweiten Bauantrag der Klägerin aus dem Jahre 1997 zu dem streitbefangenen Grundstück („Rekonstruktion Alten- u. Pflegeheim“) ausdrücklich angegeben, dass die Grundstücksentwässerung über eine Kleinkläranlage erfolge. Nach einer Mitteilung des Abwasserzweckverbandes D. vom 3. Februar 1998 sei ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserleitung voraussichtlich erst ab dem Jahr 2002 möglich. Für das beplante Grundstück sei eine Übergangsmöglichkeit bzw. Dauerlösung gemäß DIN 4261 erforderlich und zwar eine Kleinkläranlage mit Nachbehandlung. Die Untere Wasserbehörde des Landkreises Wittenberg teilte der Klägerin im April 1998 mit, das Grundstück sei an die geplante Schmutzwasserleitung anzuschließen und als Behelfslösung bis zum Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation sei für die Abwasserentsorgung des Grundstückes eine abflusslose dichte Sammelgrube vorgesehen. Die Klägerin stellte daraufhin auch ausdrücklich einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung einer abflusslosen Grube. Der Abwasserzweckverband erklärte in einem Schreiben vom 28. Mai 1998, die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung sei entsprechend der von der Unteren Wasserbehörde festgelegten Lösung für die Übergangszeit gesichert. Die von der Klägerin angeführten Grundrisse des Pflegeheims aus dem Jahre 1993 mit eingezeichneten Schmutzwasser- und Regenwasserkanälen beziehen sich daher allein auf den Anschluss an die dezentrale Anlage auf dem Grundstück.

58

Die Beitragserhebung durch den Beklagten mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 erscheint nach den Umständen des Einzelfalles nicht als unzumutbar. Auch wenn die Zeitspanne zwischen dem Entstehen der Vorteilslage - falls man von einer Anschlussmöglichkeit schon ab Mai 2000 ausgeht - und der nunmehr streitbefangenen und damit maßgeblichen Beitragserhebung etwas mehr als zehn Jahre beträgt, ist der möglicherweise eine Pflichtverletzung begründende Zeitraum einer vorwerfbaren Untätigkeit des Beklagten oder der Stadt D. als seiner Rechtsvorgängerin deutlich kürzer. Dass die Stadt D. trotz Vorliegen einer Beitragssatzung fast vier Jahre bis zum Erlass des Beitragsbescheides vom 24. Februar 2004 benötigte, ist an sich nicht zu beanstanden, da der Körperschaft vor Erlass eines Beitragsbescheids ein angemessener Zeitraum zur Bearbeitung einzuräumen ist und dieser Zeitraum durch die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist begrenzt wird. Der Zeitablauf im Übrigen ist auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens gegen diesen ersten Bescheid zurückzuführen. Denn der Beklagte hat zeitnah zu dem rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens den streitigen Beitragsbescheid erlassen. Eine verzögerte Bearbeitung eines Widerspruchsverfahrens gegen einen Beitragsbescheid ist zwar als Pflichtverletzung anzusehen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die zeitliche Verzögerung in der Bearbeitung des Widerspruches der Klägerin gegen den Bescheid der Stadt D. teilweise auf die fehlende Begründung des Widerspruches sowie die Zuständigkeitsverlagerung zurückzuführen ist. Zudem hatte die Klägerin die Möglichkeit, im Rahmen einer Untätigkeitsklage ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Der allenfalls wenige Jahre betragende Zeitraum einer pflichtwidrigen Untätigkeit der Stadt D., der dem Beklagten zuzurechnen ist, ist danach zu kurz, um für sich genommen eine Beitragserhebung als unzumutbar zu qualifizieren. Da auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Beitragserhebung als treuwidrig erscheinen lassen, ist der Gesamtzeitraum nicht ausreichend, um nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Verletzung rechtsstaatlicher Vorgaben anzunehmen.

59

Es kann danach offen bleiben, ob die Vorteilslage nicht sogar erst im Jahr 2004 durch den vom Beklagten behaupteten Lückenschluss in der Kanalverbindung zum Klärwerk entstanden ist.

60

4. Einwände gegen die Berechnung des Beitrages sind nicht geltend gemacht; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

61

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

62

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

63

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

64

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


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(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. (2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des

Baugesetzbuch - BBauG | § 154 Ausgleichsbetrag des Eigentümers


(1) Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts se

Abgabenordnung - AO 1977 | § 38 Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

Abgabenordnung - AO 1977 | § 146 Ordnungsvorschriften für die Buchführung und für Aufzeichnungen


(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 beste

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 53 Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt


(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ode

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 218 Unwirksamkeit des Rücktritts


(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach §

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 2 Ausnahmen vom Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen. (2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für 1. Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbe

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13 zitiert oder wird zitiert von 16 Urteil(en).

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13 zitiert 12 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 02. Okt. 2014 - 4 L 125/13

bei uns veröffentlicht am 02.10.2014

Gründe I. 1 Die Klägerin, Eigentümerin eines Grundstückes (FlSt. 180/08 der Flur A in der Gemarkung W.) im Gemeindegebiet der Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag für das Jahr 2004. 2 Am 2

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 2326/13

bei uns veröffentlicht am 11.09.2014

Tenor 1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.

Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 01. Apr. 2014 - 1 L 142/13

bei uns veröffentlicht am 01.04.2014

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – wird zurückgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner. Das Urteil ist im Kostenpunkt v

Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 05. Feb. 2014 - 9 B 16/14

bei uns veröffentlicht am 05.02.2014

Gründe 1 Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung dreier Bescheide, mit denen sie zu Anschlussbeiträgen für die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Schmutzwasserentsorgung herangezogen werden.

Verwaltungsgericht Halle Beschluss, 28. Nov. 2013 - 4 B 266/13

bei uns veröffentlicht am 28.11.2013

Gründe 1 Der Antrag des Antragstellers, 2 die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2013 anzuordnen, 3 hat keinen E

Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 14. Nov. 2013 - 3 A 524/11

bei uns veröffentlicht am 14.11.2013

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 03. Sept. 2013 - 1 BvR 1282/13

bei uns veröffentlicht am 03.09.2013

Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr

Verwaltungsgericht Schwerin Urteil, 11. Apr. 2013 - 4 A 1250/12

bei uns veröffentlicht am 11.04.2013

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Berufung wird zugelassen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger sind befugt, die Vollst

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2013

Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 30. Aug. 2011 - 6 A 10475/11

bei uns veröffentlicht am 30.08.2011

Tenor Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 2. März 2011 wird die Klage abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. D

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 17. Aug. 2010 - 10 B 19/10

bei uns veröffentlicht am 17.08.2010

Gründe 1 Die Beschwerde des Klägers, mit der dieser einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 24. Aug. 2007 - 1 A 49/07

bei uns veröffentlicht am 24.08.2007

Tenor Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 - 11 K 310/05 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der
4 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Juli 2018 - 2 S 143/18

bei uns veröffentlicht am 12.07.2018

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.01.2017 - 2 K 858/16 - geändert. Der Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.08.2013 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw vom 17.02.2016

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. März 2016 - 9 A 178/14

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten nunmehr um die Frage, ob der ursprüngliche Rechtsstreit in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat. 2 Die Klägerin zu 1. ist als Eigentümerin von Grundstücken in G-Stadt mit dem ursprünglich streitgegen

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 17. Feb. 2016 - 4 L 119/15

bei uns veröffentlicht am 17.02.2016

Gründe I. 1 Die Klägerin, Eigentümerin mehrerer, mit zweigeschossigen Mehrfamilienwohnhäusern bebauter Grundstücke (Gemarkung G., Flur A, Flurstücke 38, 41, 26 und 28) im Verbandsgebiet des Beklagten, wendet sich gegen die Heranziehung zu Ansch

Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 26. März 2015 - 9 A 253/14

bei uns veröffentlicht am 26.03.2015

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung eines von dem Beklagten als Herstellungsbeitrag II bezeichneten Beitrags. 2 Der Kläger ist seit dem 17.06.1999 Eigentümer des in der Gemarkung A-Stadt, Flur gelegenen Flurstücks, das im Grun

Referenzen

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers, mit der dieser einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

2

Die Beschwerde sieht einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und zugleich eine Gehörsverletzung darin, dass das Berufungsgericht im Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO entschieden habe, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 12. Februar 2010 mit Schriftsätzen vom 23. und 25. Februar 2010 - jeweils mit Anlagen - sowie vom 16. März 2010 u.a. auf die Notwendigkeit der Medikation des Klägers mit Methylphenidat hingewiesen habe. Auf diesen neuen und entscheidungserheblichen Vortrag habe das Berufungsgericht eine konkrete Gefahrenlage lediglich mit Hinweis darauf verneint, dass dieses Medikament im Kosovo für den Kläger erreichbar sei. Das rechtliche Gehör des Klägers sei verletzt worden, weil kein weiterer Hinweis auf das Festhalten an der beabsichtigten Entscheidung nach § 130a VwGO erfolgt sei. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich der gerügte Verfahrensmangel nicht.

3

Gemäß § 130a VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ob das Gericht den ihm nach § 130a VwGO eröffneten Weg der Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 und vom 8. August 2007 - BVerwG 10 B 74.07 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte für derartige Ermessensfehler lassen sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen zur Unterlassung eines Hinweises nach Eingang der Stellungnahme des Klägers.

4

Die Bezugnahme der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 EMRK führt schon im Ansatz nicht auf den behaupteten Verfahrensmangel. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK stand einer Entscheidung im Beschlussverfahren im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Vorschrift ist in ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nicht anwendbar, denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein Rechtsstreit über die Abschiebung eines Ausländers nicht als Streit über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen (Beschluss vom 20. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 67.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 69 m.w.N.).

5

Nach nationalem Recht gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die Verfahrensbeteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 m.w.N.). Derartige, eine erneute Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs erfordernde Umstände trägt die Beschwerde aber nicht vor.

6

Dass ein Beweisantrag gestellt wurde, behauptet die Beschwerde selbst nicht. Sie beruft sich vielmehr auf wesentliche neue Gesichtspunkte, die sich durch den Hinweis auf die aktuell notwendige Medikation des Klägers mit Methylphenidat ergeben hätten. Denn wäre eine erneute Anhörungsmitteilung erlassen worden, hätte ergänzend vorgetragen werden können, dass und aus welchem Grund eine Versorgung mit dem genannten Medikament für den Kläger gerade nicht erreichbar sei und ihm deshalb Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hätte gewährt werden müssen. Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde jedoch die Substantiierungsanforderungen, denen ihr Vorbringen auf die Anhörungsmitteilung des Berufungsgerichts vom 12. Februar 2010 hinsichtlich eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung hätte genügen müssen, um die Pflicht zu einer erneuten Anhörung seitens des Berufungsgerichts zu begründen. Denn nicht allein das Angewiesensein auf ein bestimmtes Medikament, sondern auch dessen mangelnde Erreichbarkeit gehört zu den notwendigen anspruchsbegründenden Tatsachen, die angesichts der vom Berufungsgericht zur Gesundheitsversorgung im Kosovo bereits eingeführten Stellungnahmen hätten substantiiert werden müssen.

7

Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Möglichkeit der Versorgung mit Methylphenidat aus Sicht des Berufungsgerichts einen entscheidungserheblichen Umstand betrifft. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat in der angefochtenen Entscheidung vielmehr ausgeführt, es sei hinsichtlich des ADHS/HKS-Medikaments nicht erkennbar, dass ein durch Nichteinnahme möglicherweise ausgelöstes Unwohlsein des Klägers oder eine Konzentrationsschwierigkeit, wie sie im Bericht der Ergotherapeutin T. vom 25. August 2009 beschrieben werde, als erhebliche konkrete Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewertet werden könnte (BA S. 10).

8

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 2. März 2011 wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 9.573,25 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einmaligen Beiträgen für die erstmalige Herstellung der Abwassersammelleitungen sowie der öffentlichen Wasserversorgungseinrichtungen. Dabei nimmt der Senat gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen Feststellungen er sich in vollem Umfang zu eigen macht.

2

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 2. März 2011 der Klage stattgegeben und die Kanalbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 11. November 2010 sowie ihre Wasserleitungsbaubeitragsbescheide vom 11. November 2009 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 3. Februar 2010 und den hierzu ergangenen Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Mainz-Bingen vom 22. Juni 2010 aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen für den mit den angegriffenen Festsetzungsbescheiden verbundenen Teilwiderruf des Bescheids vom 24. Februar 1989 erfüllt, der gegenüber der Voreigentümerin der veranlagten Grundstücksflächen ergangen war. Jedoch habe die Beklagte den Widerruf nicht innerhalb der gesetzlichen Widerrufsfrist von einem Jahr gemäß § 3 Abs.1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 2 und § 130 Abs. 3 AO erklärt. Deshalb sei die zugleich vorgenommene Beitragsnacherhebung rechtswidrig. Ein solcher Widerruf dürfe nur innerhalb eines Jahres von dem Zeitpunkt an erfolgen, in dem die abgabenerhebende Behörde von den Tatsachen Kenntnis erhalten habe, welche den Widerruf rechtfertigten. Dies sei bei der Beklagten spätestens am 7. beziehungsweise 10. November 2005 der Fall gewesen. Zu diesen Zeitpunkten habe sie nämlich die vorangegangenen und durch Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 2009 aufgehobenen Beitragsbescheide über die Beitragsnacherhebung erlassen. Man müsse deshalb von einem Ablauf der Widerrufsfrist spätestens am 10. November 2006 ausgehen. Zwar sei die Regelung des § 131 AO erst mit Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2006 am 16. Dezember 2006 anwendbar gewesen. Da das Änderungsgesetz aber keine Übergangsregelung für Altfälle enthalten habe, sei der Beklagten ein Widerruf verwehrt gewesen.

3

Gegen das Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung macht sie unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend: Sie habe die maßgebliche Widerrufsfrist eingehalten, da vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes 2006 ein Widerruf gesetzlich ausgeschlossen gewesen sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie daher über keine Kenntnis der Widerrufsmöglichkeit verfügt. Dies sei erst aufgrund des Urteils des Oberverwaltungsgerichts vom 28. April 2009 der Fall gewesen. Bis dahin sei nämlich nach der einschlägigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts eine Nachveranlagung von Flächen jenseits einer bei der ersten Veranlagung berücksichtigten Tiefenbegrenzung ohne vorherigen Widerruf zulässig gewesen.

4

Die Beklagte beantragt,

5

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 2. März 2011 die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

7

die Berufung zurückzuweisen.

8

Er vertieft sein bisheriges Vorbringen und tritt den Einwänden der Berufungsführerin im Einzelnen entgegen.

9

Wegen des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

10

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

11

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sind die angefochtenen Kanalbaubeitragsbescheide der Beklagten vom 11. November 2009 sowie ihre Wasserleitungsbaubeitragsbescheide vom 11. November 2009, geändert durch Bescheide vom 3. Februar 2009, in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsausschusses des Landkreises Mainz-Bingen vom 22. Juni 2010 rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in eigenen Rechten. Die angefochtenen Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 2 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes - KAG - vom 27. Juni 1995 (GVBl. S. 175) i.V.m. § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung in der Fassung vom 20. Dezember 1999 - ESA - sowie § 2 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Entgelten für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung vom 1. März 1996 - ESW -. Danach erhebt die Beklagte einmalige Beiträge für die auf das Schmutzwasser und das Niederschlagswasser entfallenden Investitionsaufwendungen für die erstmalige Herstellung und die Erweiterung der Straßenleitungen sowie für die der Wasserversorgung dienenden Investitionsaufwendungen für die erstmalige Herstellung und die Erweiterung, soweit diese nicht bereits durch Zuschüsse, Zuwendungen oder auf andere Weise gedeckt sind. Von dieser Kompetenz hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.

12

1. Bei den der streitigen Beitragserhebung zugrunde liegenden Maßnahmen handelt es sich entgegen der Ansicht des Klägers um solche der erstmaligen Herstellung und nicht um Erweiterungsmaßnahmen.

13

Grundsätzlich kann von der erstmaligen Herstellung einer Einrichtung gesprochen werden, wenn vor Durchführung der Baumaßnahmen noch keine ordnungsgemäße Entwässerung oder Wasserversorgung der einbezogenen Grundstücke möglich war und diese Möglichkeit zum ersten Mal geschaffen wird. Dabei werden räumlicher Umfang und technische Ausgestaltung der Einrichtung von denen im Ermessen des Einrichtungsträgers stehenden Planvorstellungen bestimmt (OVG RP, Urteil vom 24. Februar 2010 - 6 A 10975/09.OVG -, m.w.N., ESOVGRP). Allerdings ist es bei Einrichtungen, deren Herstellung sich wegen ihres großen Umfangs über eine längere Zeitspanne hinziehen kann, wie dies bei Entwässerungs- und Wasserversorgungseinrichtungen der Fall ist, insbesondere im Hinblick auf die sich in einer solchen Zeitspanne vollziehende städtebauliche Entwicklung möglich, eine Fortschreibung der ursprünglichen Planung vorzunehmen, sofern diese im Zeitpunkt der Planfortschreibung nicht schon technisch abschließend umgesetzt ist. Bis zur vollständigen Umsetzung dieser - gegebenenfalls erweiterten oder veränderten Planung - wird deshalb eine räumliche Ausdehnung der Einrichtung, auch wenn sie in tatsächlicher Hinsicht eine Erweiterung darstellt, rechtlich von dem Begriff der Herstellung umfasst. Die Herstellung und der Ausbau im Wege der Erweiterung einer Einrichtung unterscheiden sich demnach dadurch, dass die betreffende Maßnahme vor oder nach der erstmaligen plangerechten Fertigstellung der Anlage durchgeführt wird (OVG RP, Urteil vom 25. Juni 2010 - 6 A 10413/10.OVG - m.w.N.). Danach ist im Hinblick auf die mit den angegriffenen Bescheiden veranlagten Grundstücksflächen von einer Maßnahme der ersten Herstellung auszugehen. Denn eine abschließende Umsetzung der Planung der Beklagten zur erstmaligen Herstellung ihrer Entwässerungs- bzw. Wasserversorgungseinrichtung ist nicht erkennbar. Daher stellt die den fraglichen Grundstücken erstmals vermittelte Möglichkeit einer Inanspruchnahme der Entwässerungs- bzw. Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten im beitragsrechtlichen Sinne einen Vorteil dar, der auf Maßnahmen der erstmaligen Herstellung der genannten Einrichtungen beruht.

14

2. Des Weiteren verstoßen die angefochtenen Bescheide nicht gegen das sog. Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung. Es besagt, dass in Fällen, in denen für die Herstellung einer bestimmten beitragsbegründenden Einrichtung eine Beitragspflicht bezüglich eines Grundstücks bereits entstanden und begründet worden ist, nicht noch einmal für die Herstellung derselben Einrichtung eine weitere Beitragspflicht hinsichtlich desselben Grundstücks entstehen und begründet werden kann. Mit der ursprünglichen Beitragspflicht ist die mit der Herstellung der Einrichtung verbundenen Vorteilsmöglichkeit abgegolten, so dass für die erneute Abgeltung dieser Vorteilsmöglichkeit durch eine weitere Beitragspflichtigkeit kein Raum mehr bleibt (OVG RP, Urteil vom 23. Mai 2002 - 12 A 10344/02.OVG - m.w.N.). Zwar hat die Beklagte die Rechtsvorgängerin des Klägers mit Bescheid vom 24. Februar 1989 bezüglich des früheren Grundstücks Flur 1, Nr. 115/2, bereits zu einem einmaligen Kanalbaubeitrag sowie - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - mit einem weiteren Bescheid zu einem einmaligen Wasserversorgungsbeitrag herangezogen. Dies geschah jeweils unter Berücksichtigung der in den einschlägigen Satzungen vorgesehenen Tiefenbegrenzung. Jedoch war die Beklagte nach den Feststellungen des erkennenden Senats in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Urteil vom 28. April 2009 - 6 A 11113/08.OVG - nach Inkrafttreten des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 12. Dezember 2006 (GVBl. S. 401) berechtigt, diese Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung - AO - hinsichtlich der jenseits der Tiefenbegrenzung gelegenen Grundstücksflächen teilweise zu widerrufen und eine Neuveranlagung dieser Flächen im Sinne einer erstmaligen Beitragserhebung vorzunehmen. Einen solchen Widerruf der früheren Bescheide und eine damit verbundene Neuveranlagung hat die Beklagte mit den angefochtenen Beitragsbescheiden in rechtmäßiger Weise vorgenommen.

15

a) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. mit dem entsprechend anzuwendenden § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn die zuständige Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

16

So hat der erkennende Senat in seinem schon genannten Urteil vom 28. April 2009 bereits festgestellt, dass der gegenüber der Rechtsvorgängerin des Klägers erlassene Beitragsbescheid vom 24. Februar 1989 insoweit begünstigenden Charakter hatte, als er die beitragspflichtige Fläche unter Beschränkung auf die satzungsmäßige Tiefenbegrenzung festsetzte. Gleiches gilt für die im damaligen Zeitraum ebenfalls erfolgte Festsetzung eines Wasserversorgungsbaubeitrags. Insoweit kam dem Regelungsgehalt dieser Festsetzungen auch eine Dauerwirkung zu, da er - bis zu einem Widerruf - einer erneuten Beitragsveranlagung entgegenstand. Des Weiteren hat der erkennende Senat sinngemäß ausgeführt und näher begründet, es handele sich bei dem Umstand, dass nunmehr die gesamte Fläche des früheren Grundstücks Flur 1, Nr. 115/2, aufgrund des im Jahre 2002 in Kraft getretenen Bebauungsplans „A…“ qualifiziert nutzbar war und somit den bislang nicht veranlagten Grundstücksflächen ein beitragsrelevanter Vorteil vermittelt wurde, um eine Tatsache im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO (UA S. 10). An dieser rechtlichen Bewertung hält der erkennende Senat fest.

17

b) Dieser Einschätzung steht auch nicht die Annahme des Klägers entgegen, das fragliche Grundstück habe bereits im Jahr 1989 vollständig dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil der Beklagten im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB angehört, weshalb eine spätere Neuveranlagung ausgeschlossen sei. Diese Annahme ist nämlich sachlich nicht gerechtfertigt.

18

So hatte schon das Verwaltungsgericht Mainz in einem Beschluss vom 28. Juli 1988 - 3 L 36/88 - einen gegenüber der Eigentümerin eines anderen Grundstücks ergangenen Vorausleistungsbescheid auf einen Erschließungsbeitrag teilweise deshalb beanstandet, weil u.a. das hier interessierende Grundstück Nr. 115/2 nicht unter Berücksichtigung einer satzungsmäßig festgelegten Tiefenbegrenzung von 40 m bei der Aufwandverteilung einbezogen worden war. Diese Entscheidung ist durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. November 1988 - 6 B 65/88 - bestätigt worden. Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht gingen demnach bereits seinerzeit übereinstimmend davon aus, das Grundstück Nr. 115/2 unterliege nur nach Maßgabe der einschlägigen Tiefenbegrenzungsregelung einer Beitragspflicht. Beide Gerichte schlossen demnach aus, das Grundstück sei vollständig dem im Zusammenhang bebauten Innenbereich zuzurechnen, da andernfalls die Anwendung der Tiefenbegrenzungsregelung unterblieben wäre. Diese damalige gerichtliche Einschätzung wird bestätigt durch die Satzung der Beklagten zur Festlegung der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 1 und 3 BauGB vom 8. Oktober 1992. Auch dem dieser Satzung zugrunde liegenden Lageplan lässt sich entnehmen, dass die mit den angefochtenen Beitragsbescheiden nunmehr veranlagten Grundstücksflächen seinerzeit als dem Außenbereich zugehörig erachtet wurden.

19

c) Darüber hinaus war die Beklagte auch berechtigt, den Kanalbaubeitragsbescheid vom 24. Februar 1989 ausdrücklich sowie den Wasserversorgungsbaubeitragsbescheid aus dem Jahre 1989 jedenfalls konkludent unter Hinweis auf das ansonsten gefährdete öffentliche Interesse teilweise zu widerrufen. Insoweit hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 28. April 2009 bereits ausgeführt, ein hinreichendes öffentliche Interesse an der Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung bestehe, da bei einem Festhalten an der früheren Entscheidung der Begünstigte gegenüber anderen Abgabenpflichtigen bevorzugt würde (UA S. 10). Von dem der Beklagten danach unter den genannten Voraussetzungen eingeräumten Ermessen hat sie in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht.

20

d) Der mit den angefochtenen Bescheiden ausgesprochene teilweise Widerruf früherer Festsetzungen ist zudem innerhalb der Jahresfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 131 Abs. 3 i.V.m. § 130 Abs. 3 Satz 1 AO erfolgt.

21

Die entsprechende Anwendung dieser Regelung hat zur Folge, dass die zuständige Behörde zu einem Widerruf im Sinne des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt berechtigt ist, zu dem sie Kenntnis von Tatsachen erhalten hat, welche den Widerruf rechtfertigen. Eine solche Kenntnis kann zwingend erst dann gegeben sein, wenn überhaupt eine gesetzliche Möglichkeit zur Vornahme eines Widerrufs besteht. Ist nämlich ein Widerruf - wie es hier der Fall war - kraft Gesetzes von vornherein ausgeschlossen, so ist seine Vornahme auch nicht von der Erfüllung weiterer materieller Voraussetzungen abhängig, von der die zuständige Behörde Kenntnis besitzen könnte. Nach den Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 28. April 2009 war die gesetzliche Möglichkeit zur Vornahme eines Widerrufs gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V.m. § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO erst mit Inkrafttreten des Zweiten Landesgesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes am 16. Dezember 2006 gemäß Art. 3 des Gesetzes geschaffen worden. Bis dahin war deshalb ein Beginn des Laufs der Jahresfrist des § 130 Abs. 3 AO ausgeschlossen.

22

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass für den Bereich des leitungsgebundenen Anschlussbeitragsrechts bis zu der genannten Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. April 2009 eine sog. Nachveranlagung von nunmehr erstmals einer Beitragsheranziehung unterworfenen Grundstücksflächen nicht vom Widerruf früher ergangener Beitragsbescheide abhängig war. Bis zu diesem Zeitpunkt ging nämlich die insoweit einschlägige Rechtsprechung davon aus, das Prinzip der Einmaligkeit der Beitragserhebung sei nicht berührt, wenn erstmals veranlagte Grundstücksflächen zum Zeitpunkt einer bereits früher erfolgten oder möglich gewesenen Beitragserhebung jenseits der die beitragspflichtige Grundstücksfläche beschränkenden Tiefenbegrenzung gelegen waren. Begründet wurde diese Auffassung mit der Erwägung, unter den genannten Umständen sei eine frühere Veranlagung solcher Grundstücksflächen rechtlich von vornherein ausgeschlossen gewesen (Urteil vom 23. Mai 2002 - 12 A 10344/02.OVG - und Beschluss vom 7. August 2002 - 12 A 10949/02.OVG -; vgl. Mildner, in: Driehaus, Kommunalabgabengesetz, § 8 Rn. 1369a). Diese Rechtsprechung ist erst durch das genannte Urteil des erkennenden Senats abgelöst worden, mit dem dieser seine einschlägige Rechtsprechung zum Ausbaubeitragsrecht auf den Bereich des leitungsgebundenen Anschlussbeitragsrechts übertragen hat. Die Beklagte und ihre Mitarbeiter konnten daher bis zur Rechtskraft dieses Urteils keine Kenntnis von der Möglichkeit und der Notwendigkeit eines Widerrufs früherer Beitragsbescheide besitzen, so dass der Lauf der Jahresfrist im Sinne des § 130 Abs. 3 AO auch erst zu diesem Zeitpunkt beginnen konnte. Unter diesen Umständen sind aber die angefochtenen Bescheide vom 9. November 2009 rechtzeitig ergangen.

23

e) Schließlich ist der teilweise Widerruf früherer Beitragsbescheide zu Recht gegenüber dem Kläger als dem gegenwärtigen Eigentümer der fraglichen Grundstücksflächen ausgesprochen worden.

24

Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG können Beiträge u.a. von Grundstückseigentümern erhoben werden. Vergleichbares galt zum Zeitpunkt der ursprünglichen Beitragsfestsetzung im Jahre 1989 gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 KAG 1986. Bereits dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Widerruf eines früheren Beitragsbescheids, welcher zugleich mit einer Beitragsneufestsetzung verbunden ist, gegenüber dem aktuellen Grundstückseigentümer als Rechtsnachfolger eines früheren Grundstückseigentümers ausgesprochen werden muss. Andernfalls wären der Widerruf und die neue Beitragsfestsetzung an unterschiedliche Adressaten zu richten. Hierfür ist kein rechtliches Interesse des früheren Grundstückseigentümers ersichtlich. Auch kann der neue Grundstückseigentümer gegen eine ihm gegenüber ergangene Beitragsneufestsetzung nur dann sinnvoll vorgehen, wenn es ihm zugleich möglich ist, sich gegen den Widerruf einer früheren Beitragsfestsetzung zu wenden.

25

Des Weiteren dient der von der Beklagten vorgenommene Widerruf früherer Beitragsfestsetzungen dazu, eine aktuelle Beitragserhebung in Einklang mit dem Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung zu ermöglichen. Auf diesen Grundsatz hatte sich der Kläger in der Vergangenheit zu Recht berufen. Wenn ihm nun aber mit dem teilweisen Widerruf dieser rechtliche Einwand genommen werden soll, so ist es nur folgerichtig, den Widerruf ihm gegenüber als dem gegenwärtigen Grundstückseigentümer auszusprechen.

26

Darüber hinaus erfolgt eine Beitragsfestsetzung grundstücksbezogen mit der Konsequenz, dass ein Beitrag als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (§ 7 Abs. 7 KAG). Die mit dem Widerruf einer Beitragsfestsetzung danach zwingend verbundene Ablösung einer öffentlichen Last auf einem Grundstück muss aber gegenüber dem gegenwärtigen Grundstückseigentümer vorgenommen werden. Dies folgt aus der Konzeption des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG, wonach Beiträge grundsätzlich von dem Grundstückseigentümer zu erheben sind.

27

3. Schließlich hat die Beklagte die in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Beitragsfestsetzung innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vorgenommen.

28

Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Festsetzungsfrist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 2002 begonnen hat, nachdem die fraglichen Grundstücksflächen mit Inkrafttreten des Bebauungsplans „A…“ qualifiziert nutzbar waren und zudem die Entwässerungs- als auch die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt in Anspruch genommen werden konnte. Jedoch war aufgrund der Anfechtung der gegenüber dem Kläger ergangenen früheren Bescheide vom 7. und 10. November 2005 eine Ablaufhemmung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a AO eingetreten. Wird danach ein Steuerbescheid mit einem Widerspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist. In den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz VwGO ist über den Rechtsbehelf aber erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein aufgrund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i.V.m. § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO). Dies bedeutet, dass die Anfechtung eines innerhalb der Festsetzungsfrist erlassenen Abgabenbescheides zur Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist führt. Sie läuft im Falle der gerichtlichen Aufhebung des Abgabenbescheids gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erst ab, wenn ein neuer Abgabenbescheid unanfechtbar ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 26. Oktober 2010 - 14 A 1345/10 -, juris Rn. 32; Rüskens, in: Klein, Abgabenordnung, 10. Auflage 2009, § 171 Rn. 34).

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

31

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist.

(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,

1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt,
2.
den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann,
3.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht,
4.
der gegen die guten Sitten verstößt.

(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil

1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind,
2.
eine nach § 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 und Satz 2 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat,
3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsakts vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war,
4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.

(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsakts, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

(5) Die Finanzbehörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 - 11 K 310/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 228.009,98 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin als Eigentümerin eines in der Gemeinde A-Stadt gelegenen Betriebsgeländes zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR.

In der Gemeinde A-Stadt wurde zum 1.4.1995 mit der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und -gebühren vom 21.3.1995 - AGS 1995 - anstelle der bis dahin einheitlich nach dem Frischwassermaßstab erhobenen Abwassergebühr eine nach Schmutz- und Niederschlagswasser „gesplittete“ Abwassergebühr eingeführt. Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin mit Bescheiden vom 21.12.1995, 5.1.1996 und 8.2.1996 für die Zeit vom 1.4.1995 bis zum 31.12.1996 zu Niederschlagswassergebühren in Höhe von zusammen 118.127,52 DM herangezogen. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage, und mit Urteil vom 19.11.1999 - 11 K 254/97 - hob das Verwaltungsgericht die genannten Bescheide auf. Begründet wurde das damit, der in der Satzung festgelegte Maßstab für die Berechnung der Niederschlagswassergebühr verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG; außerdem fehle es an einer angesichts der unvermittelten Einführung der Niederschlagswassergebühr mit Blick auf das Übermaßverbot erforderlichen schonenden Überleitungsbestimmung in der Satzung. Das Urteil vom 19.11.1999 wurde rechtskräftig.

Die Gemeinde A-Stadt erließ am 18.7.2000 mit Rückwirkung zum 1.4.1995 eine neue Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2000 - und forderte von der Klägerin mit Bescheiden vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 für die Jahre 1996 bis 2001 Niederschlagswassergebühren in Höhe von insgesamt 221.959,17 EUR. Die Klägerin wandte sich nach erfolglosem Vorverfahren erneut an das Verwaltungsgericht. Mit Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - hob das Verwaltungsgericht die Gebührenbescheide auf; es fehle immer noch an der gebotenen Überleitungsvorschrift in der Satzung. Das Urteil vom 12.3.2004 wurde rechtskräftig.

Bereits zum 1.1.2004 hatten die Gemeinde A-Stadt und der Zweckverband Kommunale Entsorgung B-Stadt den Zweckverband Entsorgung A-Stadt, den Beklagten des vorliegenden Verfahrens, gegründet, der die Aufgaben des bisherigen Eigenbetriebs Kanalwerk der Gemeinde A-Stadt übernahm. Der Zweckverband Entsorgung A-Stadt beschloss am 3.12.2004 eine Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2004 -, die in § 12 eine Übergangsregelung „zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Gebührenpflichtigen“ enthält, und setzte sie mit Wirkung zum 1.1.1996 in Kraft. Mit Bescheiden vom 17.1.2005 zog der Beklagte die Klägerin zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR heran. Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 9.2.2007 - 11 K 310/05 - abgewiesen. In dem Urteil heißt es unter anderem: Die Satzung vom 3.12.2004 sei gültig und vom Beklagten zutreffend angewandt worden. Der Beklagte sei befugt gewesen, die Satzung vom 3.12.2004 überhaupt und mit Rückwirkung zum 1.1.1996 zu erlassen; auf ihn seien nämlich durch die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003 wirksam alle zuvor der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung einschließlich der Gebührenerhebung übertragen worden. Die Meinung der Klägerin, dass die Aufgabenübertragung mangels entsprechender ausdrücklicher weitergehender Aussage in der Satzung vom 9.12.2003 ausschließlich Aufgaben, die in der Zeit nach Gründung des Zweckverbandes angefallen seien, erfasse, gehe am Wortlaut der Satzung vorbei. Ebenfalls unbedenklich sei, dass sich die Gebührensatzung vom 3.12.2004 Rückwirkung ab 1.1.1996 beilege. Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin werde dadurch nicht beeinträchtigt, denn diese habe angesichts der früheren Veranlagungen und der auf ihre Klagen hin ergangenen Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1999 und 12.3.2004 nie davon ausgehen können, endgültig gebührenfrei zu bleiben. Die angefochtenen Bescheide seien schließlich rechtzeitig, nämlich vor Eintritt von Festsetzungsverjährung, ergangen. Der Lauf der einschlägigen Frist von vier Jahren sei nämlich durch die rechtzeitig erfolgten früheren Bescheide gehemmt gewesen. Das ergebe sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 23.2.2007 zugestellt worden; am 19.3.2007 hat diese um die Zulassung der Berufung nachgesucht und ihren Antrag am 17.4.2007 näher begründet.

Der Beklagte sieht keinen Grund für die Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.2.2007 ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das, was die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.4.2007 vorgebracht hat und den Umfang der Prüfung durch den Senat im Zulassungsverfahren begrenzt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), gibt keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Die Ausführungen der Klägerin begründen keine - und erst recht keine ernstlichen - Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wobei für diese Feststellung keine besonders schwierige Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art zu beantworten ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); ebenso wenig kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin problematisierten Rechtsfragen lassen sich schon im Zulassungsverfahren ohne weiteres aus dem Gesetz in Verbindung mit den einschlägigen Satzungen beantworten, wobei im Grunde bereits das Verwaltungsgericht alles Notwendige ausgeführt hat. Mit Blick auf die Zulassungsantragsbegründung bemerkt der Senat teils wiederholend, teils ergänzend:

a) Die Meinung der Klägerin, „ein Zweckverband ... (dürfe) keine Gebühren erheben für einen Zeitraum vor seiner Entstehung; wenn er insoweit Gebühren für eines seiner Mitglieder erheben will, muss es insoweit eine ausdrückliche Vereinbarung geben beziehungsweise er muss insoweit ausdrücklich ermächtigt worden sein; dies ist vorliegend nicht geschehen“, geht fehlt; sie findet insbesondere im Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit - KGG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.6.1997 (Amtsblatt S. 723) keine Stütze.

Nach den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 KGG können Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, zu deren Durchführung sie berechtigt oder verpflichtet sind, nach Maßgabe dieses Gesetzes Zweckverbände bilden. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgaben der am Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände gehen - so § 4 Abs. 1 KGG - nach Maßgabe der Verbandssatzung auf den Zweckverband über. Vor diesem Hintergrund kommt den zwingend in der Verbandssatzung zu bestimmenden „Aufgaben“ des Zweckverbandes (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 KGG) entscheidende Bedeutung zu. Dabei enthält das saarländische Landesrecht - anders als das hessische Landesrecht

dazu VGH Kassel, Urteil vom 25.2.1985 - V OE 41/82 -, DÖV 1986, 157 -

keine Vorgabe dahingehend, Aufgaben dürften einem Zweckverband lediglich mit Wirkung für die Zukunft übertragen werden. Angesichts der „offenen“ Formulierung in § 2 Abs. 1 KGG steht es nach saarländischem Landesrecht den Gemeinden und Gemeindeverbänden vielmehr frei, die Aufgabenübertragung nur für die Zukunft vorzunehmen oder auf noch unerledigte Angelegenheiten aus der Vergangenheit zu erstrecken. Das folgt eindeutig aus § 3 Abs. 3 Satz 1 KGG. Danach kann der Zweckverband in Erfüllung seiner Aufgaben Satzungen erlassen, soweit Gemeinden und Gemeindeverbände, die Mitglieder des Zweckverbandes sind, in Erledigung der dem Zweckverband übertragenen Aufgaben zum Erlass von Satzungen berechtigt waren, insbesondere über die Erhebung von Gebühren. Durch den Gebrauch des Wortes „waren“ wird - jeden Zweifel ausschließend - klargestellt, dass es für die Zulässigkeit der Übertragung der Befugnis, eine Gebührensatzung zu erlassen, von der Gemeinde auf den Zweckverband ausreicht, dass die Gemeinde zu irgend einem zurückliegenden Zeitpunkt in der betreffenden Angelegenheit satzungsbefugt war . Allein das ist sinnvoll, um ein - oft missliches - Nebeneinander von Gemeinde und Zweckverband in demselben Aufgabengebiet ausschließen zu können. Demgegenüber führt selbst die Klägerin keinen einleuchtenden Grund an, warum es verboten sein soll, einem Zweckverband die Erledigung auch solcher Angelegenheiten zu übertragen, die zwar vor seiner Gründung angefallen, aber noch nicht abschließend erledigt sind

zum Problem vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6.4.1992 - 7 B 47/92 -, NVwZ-RR 1992, 428; OVG Münster, Beschluss vom 7.9.2004 – 9 B 1551/04 -, NVwZ-RR 2005, 278, und Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Auflage, Rdnr. 935.

Eine umfassende, also nicht auf erst nach dem 1.1.2004 angefallene Angelegenheiten beschränkte Aufgabenübertragung enthält die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003. Dabei kann dahinstehen, ob nicht bereits eine Vermutung für einen dahingehenden Regelungswillen bei Gründung eines Zweckverbandes besteht

vgl. dazu für das bayerische beziehungsweise das sächsische Landesrecht Friedl/Wiethe-Körprich unter Hinweis auf VGH München, Urteil vom 23.4.1986 - 23 CS 85 A 2663 -, n.v., beziehungsweise Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2007 -, § 8 Rdnr. 722 beziehungsweise Rdnr. 1255.

Der Wortlaut der Satzung vom 9.12.2003 spricht jedenfalls eindeutig für diese Auslegung. Zu Recht hat bereits das Verwaltungsgericht auf die keinerlei Einschränkung enthaltenden Aussagen des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Satzung vom 9.12.2003 hingewiesen, wonach der Zweckverband die örtlichen Aufgaben der Abwasserbeseitigung wahrnimmt und alle der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung übernimmt. Dass dies in der Vergangenheit begründete Rechte und Pflichten einschließt, macht für den Vertragsbereich § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung mit der Aussage deutlich, der Zweckverband trete in alle Rechte und Pflichten der Verträge ein. Nichts anderes ergibt sich für die Abwassergebührenerhebung und das einschlägige Satzungsrecht. Die Verbandsversammlung entscheidet nämlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung über den Erlass von Satzungen über die Erhebung von Abwassergebühren – das schließt aufgrund der umfassenden Satzungsautonomie die Befugnis zum Erlass rückwirkender Satzungen selbstverständlich ein -, und bis zum Inkrafttreten eigener Satzungen des Zweckverbandes gelten nach § 6 Abs. 4 die den Aufgabenbereich des Zweckverbandes betreffenden Satzungen der Gemeinde A-Stadt fort. Dass damit nach dem in der Satzung verlautbarten Willen seiner Mitglieder der Zweckverband unter anderem berechtigt und verpflichtet sein soll, am 1.1.2004 noch unerledigte Gebührenangelegenheiten aus früherer Zeit zu regeln, liegt auch ohne dahingehende ausdrückliche Aussage offen zutage und ist unter den gegebenen Umständen einzig sinnvoll. Davon ist übrigens das Verwaltungsgericht - von der Klägerin unbeanstandet - bereits im Vorprozess ausgegangen

vgl. Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 -, S. 8.

§ 8 Abs. 2 AGS 2004, wonach der Anspruch auf die Niederschlagswassergebühr mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahrs entsteht, stellt die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung nicht in Frage. Dieselbe Satzung bestimmt nämlich in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 den Beklagten - und gerade nicht die Gemeinde A-Stadt - zum Gläubiger unter anderem der Niederschlagswassergebühren, was offensichtlich Gebührenansprüche für vor Gründung des Zweckverbandes erfolgte Abwassereinleitungen einschließen soll. Insoweit bestätigt die AGS 2004 den vom Senat angenommenen umfassenden Aufgabenübergang von der Gemeinde A-Stadt auf den Zweckverband.

Im Weiteren ergibt die Aussage in § 1 Abs. 3 des Vertrags vom 19.11.2003, wonach die Kooperation zwischen den Zweckverbandsmitgliedern mit der Vertragsunterzeichnung beginnt, kein Argument gegen die hier vertretene Auffassung, da sie den Aufgabenkreis, auf den sich die künftige Zusammenarbeit bezieht, gerade nicht benennt.

b) Fehl geht auch die Kritik der Klägerin an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege kein Fall von Festsetzungsverjährung vor.

Die Festsetzungsverjährungsfrist für die Niederschlagswassergebühr beträgt nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Niederschlagswassergebührenschuld entsteht mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahres (§ 9 Abs. 2 AGS 2004). Das bedeutet, dass in Bezug auf die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2001, 2002 und 2003 die Festsetzungsverjährungsfrist am 31.12.2005, 31.12.2006 und 31.12.2007 abgelaufen wäre. Da die angefochtenen Bescheide am 17.1.2005 ergangen sind, stellt sich für den Erhebungszeitraum 2001 bis 2003 von vornherein kein Verjährungsproblem.

Bezüglich der Jahre 1996 bis 2000 hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf die in § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO enthaltene Sonderregelung über die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährungsfrist hingewiesen und diese Bestimmung in Übereinstimmung mit der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung

u.a. OVG Münster, Beschluss vom 30.6.1995 – 15 A 3337/92 -, zitiert nach Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Auflage, Rdnr. 472; OVG Lüneburg, Urteil vom 26.6.1996 - 9 L 1781/94 -, NVwZ 1998, 427; OVG Magdeburg, Beschluss vom 12.7.2002 – 1 M 273/01 -, NVwZ-RR 2003, 233, und VGH Kassel, Beschluss vom 10.4.2007 – 5 TG 3116/06 -, KStZ 2007, 131,

und Literatur

u.a. Lauenroth/Sauthoff in Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnrn. 35 bis 38; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 19 Rdnr. 37, und Thiem, Allgemeines kommunales Abgabenrecht, S. 166/167,

ausgelegt. Danach dauert die durch Anfechtung eines ersten, vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Abgabenbescheids mittels Widerspruchs und Klage bewirkte Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist nach gerichtlicher Bescheidaufhebung an, bis die betreffende Angelegenheit durch einen neuen Bescheid unanfechtbar geregelt ist. Fallbezogen bedeutet dies, dass die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise - seit dem 1.1.2004 - der an deren Stelle getretene Beklagte angesichts der jeweils vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Bescheide vom 5.1. und 8.2.1996 betreffend die Niederschlagswassergebühren für das Jahr 1996 und vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 betreffend die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2001 nach deren rechtskräftigen Aufhebung durch die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1996 - 11 K 254/97 - und 12.3.2004 - 11 K 51/02 - mit Blick auf die Festsetzungsverjährung unbegrenzt Zeit für eine Neuveranlagung hatte. Ausschließlich der Gesichtspunkt der Verwirkung stellte insoweit eine äußerste Grenze dar, die hier allerdings nicht überschritten ist, da die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise der Beklagte jeweils alsbald nach Rechtskraft der genannten Urteile des Verwaltungsgerichts Anstrengungen unternahm, die in den Gerichtsentscheidungen angesprochenen Satzungsmängel zu beheben und neue Veranlagungen vorzunehmen. Die Klägerin selbst behauptet denn auch nicht, je angenommen zu haben, endgültig gebührenfrei zu bleiben, und beruft sich ausdrücklich nur auf Verjährung, nicht aber - auch - auf Verwirkung.

Der Versuch der Klägerin, nunmehr die Richtigkeit insbesondere der das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - tragenden Annahme, die Gebührensatzung vom 18.7.2000 sei nichtig, in Frage zu stellen, um dadurch § 171 Abs. 3 a AO „auszuhebeln“, muss scheitern. Zwar kommt der Verwerfung der genannten Gebührensatzung durch das Verwaltungsgericht keine Allgemeinverbindlichkeit zu. Infolge der Rechtskraft des Urteils vom 12.3.2004 stehen aber im Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten bindend die Unwirksamkeit der Satzung vom 18.7.2000 sowie die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 fest. Einzig an die gerichtliche Aufhebung der genannten Abgabenbescheide knüpft aber die Vorschrift des § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO an. Weitergehende Ausführungen zu dieser Vorschrift sind angesichts der zutreffenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts sowie der einhelligen Norminterpretation durch Rechtsprechung und Literatur nicht veranlasst.

Schließlich ergibt sich aus dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 - 15 A 2880/96 -

OVGE 48,1; ebenso OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 8.6.2000 - 2 D 29/98 NE -, DVBl. 2001, 494 Leitsatz; diese Rechtsprechung ist mit Bundesrecht vereinbar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 6.9.1999 - 11 B 40/99 -, Juris, festgestellt hat;

nichts zugunsten der Klägerin. Der Leitsatz des genannten Urteils lautet:

Das Tatbestandsmerkmal „ .... frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung ...“ in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW bedeutet nicht „frühestens mit Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung“. Das Tatbestandsmerkmal bedeutet vielmehr, dass ... die Beitragspflicht erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Gemeinde eine Satzung in Kraft setzen will, die die Beitragspflicht entstehen lassen soll, sodass - sollte diese Satzung nichtig sein - eine für das Entstehen der Beitragspflicht erforderliche neue, wirksame Satzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Satzung haben muss.

Damit bezieht sich diese Entscheidung erklärtermaßen einzig auf den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW, also die Beitragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen. Eine weitergehende Geltung für das gesamte Kommunalabgabenrecht oder doch zumindest für das Abwassergebührenrecht postuliert das OVG Münster nicht und ist angesichts der auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW abhebenden Entscheidungsgründe auch nicht mittelbar dem Urteil zu entnehmen. Der beschließende Senat

u.a. Entscheidungen vom 14.2.1991 - 1 R 621/88 -, n.v., vom 5.9.1991 - 1 W 41/91 -, SKZ 1992, 109 Leitsatz 9, vom 7.12.1992 - 1 W 50/92 -, SKZ 1993, 102 Leitsatz 6, und vom 21.5.1993 - 1 W 24/93 -, SKZ 1993, 272 Leitsatz 6; ebenso OVG Greifswald, Urteil vom 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132; OVG Weimar, Beschluss vom 18.3.2002 - 4 ZEO 669/01 -, NVwZ-RR 2003, 91, und Becker, KStZ 2001, 161; dass diese Rechtsprechung ebenfalls bundesrechtskonform ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Senats vom 14.2.1991 mit Beschluss vom 13.11.1991 - 8 B 78/91 -, n.v., festgestellt;

hat zudem schon wiederholt entschieden, dass er, obwohl § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Saarland mit der entsprechenden Vorschrift des nordrhein-westfälischen Landesrechts übereinstimmt, die vom OVG Münster im Urteil vom 18.5.1999 vorgenommene Norminterpretation für falsch hält. All dies bedarf indes keiner Vertiefung. Die Klägerin übersieht bei ihrer Berufung auf das Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 nämlich völlig, dass sich der Beklagte bei Erlass der Gebührensatzung vom 3.12.2004 exakt so verhalten hat, wie es dem Leitsatz des Urteils vom 18.5.1999 entspricht. Die Gebührensatzung wurde nämlich rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft gesetzt mit der Folge, dass seit dem 1.1.1996 der Gebührenanspruch für das einzelne Kalenderjahr mit dessen Ablauf entstand und Festsetzungsverjährung folglich jeweils vier Jahre später eingetreten wäre. Indes wurde der Eintritt von Festsetzungsverjährung durch den rechtzeitigen Erlass von Gebührenbescheiden verhindert, und die durch die Anfechtung dieser Bescheide durch die Klägerin bewirkte Ablaufhemmung dauerte bei Erlass der jetzt angefochtenen Bescheide aufgrund der Regelung in § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO noch an

in diesem Sinne wohl auch Becker, a.a.O., S. 161 unten/162 oben, wonach dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 vornehmlich dann Bedeutung zukommt, wenn der Abgabenanspruch – anders als hier - nicht unter Zugrundelegung der Bestimmungen der ersten Satzung rechtzeitig geltend gemacht wurde.

Angesichts der aufgezeigten eindeutigen Rechtslage in den von der Klägerin problematisierten Punkten besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen. Der Antrag der Klägerin muss vielmehr zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3, 39 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Miteigentümer haften als Gesamtschuldner; bei Wohnungs- und Teileigentum sind die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil heranzuziehen. Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Satz 3 gilt entsprechend für die Anwendung der Vorschrift über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen im Sinne des § 135a Absatz 3.

(2) Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).

(2a) Die Gemeinde kann durch Satzung bestimmen, dass der Ausgleichsbetrag abweichend von Absatz 1 Satz 1 ausgehend von dem Aufwand (ohne die Kosten seiner Finanzierung) für die Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 (Verkehrsanlagen) in dem Sanierungsgebiet zu berechnen ist; Voraussetzung für den Erlass der Satzung sind Anhaltspunkte dafür, dass die sanierungsbedingte Erhöhung der Bodenwerte der Grundstücke in dem Sanierungsgebiet nicht wesentlich über der Hälfte dieses Aufwands liegt. In der Satzung ist zu bestimmen, bis zu welcher Höhe der Aufwand der Berechnung zu Grunde zu legen ist; sie darf 50 vom Hundert nicht übersteigen. Im Geltungsbereich der Satzung berechnet sich der Ausgleichsbetrag für das jeweilige Grundstück nach dem Verhältnis seiner Fläche zur Gesamtfläche; als Gesamtfläche ist die Fläche des Sanierungsgebiets ohne die Flächen für die Verkehrsanlagen zu Grunde zu legen. § 128 Absatz 1 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163) zu entrichten. Die Gemeinde kann die Ablösung im Ganzen vor Abschluss der Sanierung zulassen; dabei kann zur Deckung von Kosten der Sanierungsmaßnahme auch ein höherer Betrag als der Ausgleichsbetrag vereinbart werden. Die Gemeinde soll auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen, wenn der Ausgleichsbetragspflichtige an der Festsetzung vor Abschluss der Sanierung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann.

(4) Die Gemeinde fordert den Ausgleichsbetrag durch Bescheid an; der Betrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids fällig. Vor der Festsetzung des Ausgleichsbetrags ist dem Ausgleichsbetragspflichtigen Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung der für die Wertermittlung seines Grundstücks maßgeblichen Verhältnisse sowie der nach § 155 Absatz 1 anrechenbaren Beträge innerhalb angemessener Frist zu geben. Der Ausgleichsbetrag ruht nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück.

(5) Die Gemeinde hat den Ausgleichsbetrag auf Antrag des Eigentümers in ein Tilgungsdarlehen umzuwandeln, sofern diesem nicht zugemutet werden kann, die Verpflichtung bei Fälligkeit mit eigenen oder fremden Mitteln zu erfüllen. Die Darlehensschuld ist mit höchstens 6 vom Hundert jährlich zu verzinsen und mit 5 vom Hundert zuzüglich der ersparten Zinsen jährlich zu tilgen. Der Tilgungssatz kann im Einzelfall bis auf 1 vom Hundert herabgesetzt werden und das Darlehen niedrig verzinslich oder zinsfrei gestellt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten oder zur Vermeidung einer von dem Ausgleichsbetragspflichtigen nicht zu vertretenden Unwirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung geboten ist. Die Gemeinde soll den zur Finanzierung der Neubebauung, Modernisierung oder Instandsetzung erforderlichen Grundpfandrechten den Vorrang vor einem zur Sicherung ihres Tilgungsdarlehens bestellten Grundpfandrecht einräumen.

(6) Die Gemeinde kann von den Eigentümern auf den nach den Absätzen 1 bis 4 zu entrichtenden Ausgleichsbetrag Vorauszahlungen verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist; die Absätze 1 bis 5 sind sinngemäß anzuwenden.

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten des Vollstreckungsgläubigers abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag. Sie sind Eigentümer des bebauten Grundstücks gemäß Rubrumsadresse, bestehend aus dem 490 m² großen Flurstück, Gemarkung A-Stadt.

2

Die Anschlussbeitragserhebung durch den Beklagten unterlag hinsichtlich ihrer satzungsmäßigen Rechtsgrundlage in der Vergangenheit folgender Entwicklung:

3

Vom 06. November 1992 datiert als erste entsprechende Satzung die Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband). Am 24. Juni 1993 wurde nachfolgend die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung ausgefertigt und am 19. August 1993 (Regionalteile der „Schweriner Volkszeitung“) bzw. 22. März 1999 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 241) bekannt gemacht. Zu dieser Satzung folgten zwischen 1993 und 1995 vier Nachtragssatzungen, denen gemein war, dass auf der Flächenseite der Kalkulation Grundstücke von sog. „Altanschließern“ unberücksichtigt geblieben waren.

4

Mit der Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 13. März 1997 (Amtlicher Anzeiger Nr. 13, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern 1999, S. 248) unternahm der Zweckverband erneut den Versuch, eine wirksame Rechtsgrundlage für die Beitrags- und Gebührenerhebung zu schaffen. Im Zeitraum zwischen 1997 und 1999 ergingen hierzu eine Ergänzungs- und zwei Änderungssatzungen. Nachdem das Verwaltungsgericht Schwerin u. a. mit Urteil vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – die Unwirksamkeit der Satzung vom 13. März 1997 angenommen hatte, weil die in den Regelungen zum Beitragssatz enthaltene Differenzierung zwischen erstmalig angeschlossenen und Grundstücken, die bereits vor Inkrafttreten der Satzung (teilweise) angeschlossen waren, gleichheitswidrig gewesen sei, beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes am 15. Februar 2001 die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (Beitrags- und Gebührensatzung), die am 21. Mai 2001 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 18. Juni 2001 (Amtlicher Anzeiger Nr. 29, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 671) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2001 in Kraft trat. Mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 03. Juli 2002 – 4 K 35/01 – wurde diese Satzung rechtskräftig für nichtig erklärt (mit Ausnahme der Bestimmungen über die Erhebung von Anschlussbeiträgen für die Entsorgung von Niederschlagswasser und über die Erhebung von Benutzungsgebühren für die Entsorgung von Niederschlagswasser <"Benutzungsgebühr B"> sowie des § 16, hinsichtlich derer der Antrag abgelehnt wurde).

5

Die weitere Beitrags- und Gebührensatzung für die Abwasserentsorgung vom 27. März 2002 (Satzungsbeschluss v. 18.03.2002, Amtlicher Anzeiger Nr. 16, Beilage zum Amtsblatt für Mecklenburg-​Vorpommern, S. 541), zu der in der Folgezeit noch eine Änderungssatzung erging, betrachteten das Verwaltungsgericht Schwerin (Urt. v. 23.08.2012 – 4 A 1149/12 –) bzw. der Beklagte selbst wegen einer Nichtberücksichtigung sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenfalls als unwirksam.

6

Am 2. Dezember 2004 beschloss die Verbandsversammlung des Zweckverbandes eine neue Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 (Nr. 52, S. 1513) öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Unter dem 16. November 2005 wurde hierzu die 1. Änderungssatzung beschlossen (am 23. November 2005 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 54 vom 12. Dezember 2005, S. 1606, öffentlich bekannt gemacht), mit der im Wesentlichen die Vorschriften über die Beitragserhebung für die öffentliche Niederschlagswasserbeseitigungseinrichtung gestrichen wurden. Mit der am 5. Dezember 2007 beschlossenen 2. Änderungssatzung (am 12. Dezember 2007 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 52 vom 27. Dezember 2007, S. 1577, öffentlich bekannt gemacht) wurde im Wesentlichen ein einheitlicher Beitragssatz in Höhe von 12,51 EUR geregelt. Die am 19. November 2009 beschlossene 3. Änderungssatzung (am 1. Dezember 2009 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 50 vom 14. Dezember 2009, S. 1243, öffentlich bekannt gemacht) betraf im Wesentlichen die gebührenrechtlichen Vorschriften des § 12.

7

Mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – erklärte das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 (BGS 04) in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 23. November 2005, der 2. Änderungssatzung vom 12. Dezember 2007 und der 3. Änderungssatzung vom 1. Dezember 2009 (nur) hinsichtlich der Regelung des § 7 Satz 1 für unwirksam.

8

Am 04. Dezember 2013 beschloss die Verbandsversammlung schließlich die Vierte Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung (am 09. Dezember 2013 ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger Nr. 51, S. 855, öffentlich bekannt gemacht). Die Änderung betrifft § 7 Satz 1 BGS und im Übrigen gebührenrechtliche Vorschriften.

9

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheidnummer B) zog der Beklagte die Kläger zu einem Anschlussbeitrag für das oben bezeichnete Grundstück in Höhe von 1.532,48 EUR heran.

10

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 06. Juni 2006 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006, zugestellt am 30. August 2006, zurückwies.

11

Am 29. September 2006 haben die Kläger beim Verwaltungsgericht Schwerin (zunächst unter dem Aktenzeichen 4 A 1803/06) Klage erhoben. Die zwischenzeitliche Anordnung des Ruhens des Verfahrens hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 10. August 2012 aufgehoben. In diesem Zuge hat das Verfahren das Az. 4 A 1280/12 erhalten.

12

Die Kläger haben im Wesentlichen vorgetragen,

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ihr Grundstück sei bereits vor dem 3. Oktober 1990 an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Ein Beitrag für die Herstellung der Abwasseranlagen könne nicht erhoben werden. Der Zweckverband habe das vorhandene und funktionierende Abwassernetz, das von den Bürgern der DDR bezahlt worden sei, übernommen. Ihre Inanspruchnahme verstoße deshalb auch gegen das allgemeine Rückwirkungsverbot. Unklar sei außerdem, für welche Investitionen die Beiträge erhoben werden sollen. Es werde bestritten, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Ihre Inanspruchnahme verstoße gegen § 242 Abs. 9 BauGB. Der darin enthaltene Rechtsgedanke, dass für Altanschlüsse keine Erschließungskosten mehr erhoben werden dürften, sei hier entsprechend anzuwenden. Der Anspruch des Beklagten sei verwirkt. Die Kläger seien über gute 15 Jahre nicht in Anspruch genommen worden. Es seien lediglich Beiträge von „Neuanschließern“ erhoben worden. Der Zweckverband habe damit Umstände geschaffen, aufgrund derer die Kläger darauf hätten vertrauen dürfen, nach so langer Zeit nicht noch mit Beiträgen belastet zu werden. Durch die Beitragserhebung würden einzelne Anlieger in unzumutbarer Art und Weise belastet. Als milderes Mittel hätten die Kosten über die jährlich zu erhebenden Gebühren umgelegt werden können.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006, Bescheidnummer B…., und seinen Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat auf seine Ausführungen in den Verfahren des Verwaltungsgerichts Schwerin zu den Az. 4 A 1798/02 und 4 A 1799/02 sowie auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Das Grundstück befinde sich im unbeplanten Innenbereich und sei weniger als 45 m tief.

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Mit dem angefochtenen Urteil vom 16. April 2013 – 4 A 1280/12 – hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen; zugleich hat es die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

20

Der Bescheid vom 19. Mai 2006 sei – ebenso wie der Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 – rechtmäßig und insbesondere materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die ihm zugrunde liegende Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der maßgeblichen Fassung der 2. Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg - vom 12. Dezember 2007 (im Folgenden: BGS) sei weder in formeller noch in materieller Hinsicht rechtlich zu beanstanden. Zur Rechtmäßigkeit des beitragsrechtlichen Teils der Satzung werde insoweit zunächst auf die Ausführungen in dem rechtskräftigen Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 12. Oktober 2011 – 4 K 31/06 – hingewiesen. Ergänzend sei auszuführen, dass die Entstehung der Beitragspflicht (mit der Anschlussmöglichkeit) in der Satzung zwar für Grundstücke im Außenbereich nach § 35 BauGB vordergründig nicht korrekt beschrieben werde. Im Zusammenspiel mit der entsprechenden Regelung im Beitragsmaßstab (§ 4 Abs. 3 Buchst. h BGS) werde jedoch hinreichend verdeutlicht, dass die bloße Anschlussmöglichkeit eines Grundstücks im Außenbereich gerade noch nicht die sachliche Beitragspflicht entstehen lasse, sondern erst der vorgenommene Anschluss.

21

Die Satzung bestimme auch unmissverständlich, dass bei einem Konflikt zwischen einer beitragssatzungsrechtlichen Tiefenbegrenzung und einer gemeindlichen Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB für die Bestimmung der der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Grundstücksfläche allein die gemeindliche Satzung maßgebend sein soll. Diese Vorrangregelung verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

22

Mit der späteren anschlussbeitragsrechtlichen Nichtberücksichtigung unbebauter und nicht an die Kanalisation angeschlossener Grundstücke sei auch die (damals unverändert gebliebene) Globalkalkulation nicht rechtswidrig geworden. Die Kläger hätten insoweit keine Einwände erhoben. Die Beitragskalkulation gebe, soweit sie von anderen Klägern substantiiert angegriffen worden sei, keinen Anlass zu Beanstandungen. Insoweit werde etwa auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in dessen Urteil vom 12. Oktober 2011 verwiesen. Soweit die Kläger bestreiten würden, dass die Beiträge durch einen entsprechenden Aufwand an Investitionen gerechtfertigt seien, ebenso, dass sie zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien, gehe dies „ins Blaue“. Es sei ferner nicht zu beanstanden, dass der Zweckverband zunächst mehrere (fünf) öffentliche Einrichtungen zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung betrieben habe. Im Übrigen betreibe er zum 1. Januar 2008 nur noch eine öffentliche Einrichtung zur zentralen Entsorgung von Schmutzwasser (Art. 1 Ziff. 1 der 3. Änderungssatzung zur Abwasserentsorgungssatzung und Art. 1 Ziff. 1 der 2. Änderungssatzung der Beitrags- und Gebührensatzung, jeweils vom 12. Dezember 2007). Die Ermittlung der örtlichen Verhältnisse zur (hier) schlichten Tiefenbegrenzung sei ordnungsgemäß erfolgt. Ob die Fortschreibung der Globalkalkulation nach Ablauf ihres (bisherigen) Kalkulationszeitraums nach dem Jahre 2010 erforderlich sei, spiele für das vorliegende Verfahren keine Rolle, da die hier zugrunde liegende Globalkalkulation, auf der der vorliegende Beitragsbescheid beruhe, rechtlich nicht zu beanstanden sei.

23

Soweit die Kläger die sog. „Altanschließer-Rechtsprechung“ des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern kritisierten, der sich das Verwaltungsgericht bereits in zahlreichen Entscheidungen angeschlossen habe, könne dem nicht gefolgt werden. Da der Zweckverband nach der Wende neue öffentliche Einrichtungen zur Schmutzwasserentsorgung geschaffen habe, müsse ein Herstellungsbeitrag erhoben werden, und zwar sowohl von den sog. „Altanschließern“ mit faktischem Kanalnetzanschluss schon zu DDR- oder noch weiter zurückliegenden Zeiten als auch von den Eigentümern „neu“ an das Kanalnetz angeschlossener/anschließbarer Grundstücke. Denn allen angeschlossenen bzw. an die öffentliche Einrichtung anschließbaren Grundstücken werde erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. In der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern sei ebenfalls geklärt, dass der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung sich nur auf die nach der Wende gegründeten Abgaben erhebenden Körperschaften beziehe. Selbst wenn die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgänger im Hinblick auf das streitbefangene Grundstück während der Existenz der DDR für den Anschluss des Grundstücks Gebühren o. Ä. – ein Nachweis dafür sei nicht vorgelegt worden – gezahlt haben sollten, könne es nach der Wende zu einem Herstellungsbeitrag nach dem Kommunalabgabengesetz herangezogen werden.

24

Den Ausführungen der Kläger zu § 242 Abs. 9 BauGB bzw. einer analogen Anwendung dieser Vorschrift sei ebenfalls nicht zu folgen. Vorliegend werde kein Erschließungsbeitrag für Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB erhoben, sondern ein Anschlussbeitrag nach § 9 KAG M-V. Kommunalabgabenrechtliche Anschlussbeiträge aufgrund der Herstellung einer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung unterfielen nicht der Vorschrift des § 242 Abs. 9 BauGB.

25

Dem angegriffenen Bescheid selbst hafte ebenfalls kein materieller Fehler an. Der Beitrag sei insbesondere nicht in seiner Festsetzung verjährt. Die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht setze sowohl nach dem neuen als auch nach dem alten Kommunalabgabengesetz (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG a. F.) eine wirksame Beitragssatzung voraus. Erst mit ihrer Existenz beginne die vierjährige Festsetzungsfrist zu laufen (§ 12 Abs. 1 KAG M-V i. V. m. §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 1 AO). Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, wonach die Festsetzungsfrist für die Erhebung eines Anschlussbeitrages erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung beginne. Diese Rechtsprechung habe der Landesgesetzgeber in der Neuregelung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V ausdrücklich bestätigt. Die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Satzung vom 03. Dezember 2004 über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Die Satzung vom 27. März 2002 sei wegen Nichtbeachtung der sog. „Altanschließer“ auf der Flächenseite der Kalkulation ebenso unwirksam gewesen wie die Satzung vom 23. Mai 2001. Anhaltspunkte für eine Verwirkung des streitigen Anschlussbeitrags lägen nicht vor.

26

Die der Satzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere § 9 Abs. 3 KAG M-V, verstießen auch nicht gegen höherrangiges Recht, auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –. Zunächst handele es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es komme hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gebe es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setze die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung sei damit ausgeschlossen.

27

Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliege keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 entsprechend der seit 1999 ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern zu der Vorläuferregelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 klargestellt bzw. präzisiert, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können. Auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde seitens des Verwaltungsgerichts an dieser Rechtsprechung festgehalten. Die Regelung widerspreche nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterschieden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 BayKAG zusammenfalle. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern sei nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts – an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpfe, sei deshalb nicht möglich. Eine dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung sei in § 9 Abs. 3 KAG M-V auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt sei. Eine derartige Regelung gebiete das Verfassungsrecht nicht. Dabei sei zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig mache, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage sei bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Schließlich sei im Hinblick auf eine „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender sei als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage sei weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. Unter diesen Rahmenbedingungen könne eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine „Verflüchtigung“ komme erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, ab dem die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen sei dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich sei es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gegeben habe. Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung möge sich im Einzelfall ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte – nach Abschluss des in gemeindlicher Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben sei. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze sei für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

28

Das Urteil ist den Klägern am 21. Juni 2013 zugestellt worden.

29

Am 17. Juli 2013 haben die Kläger gegen das Urteil Berufung eingelegt und am 13. August 2013 beantragt, die Frist zur Begründung der Berufung um einen Monat zu verlängern. Nach antragsgemäßer Fristverlängerung bis zum 23. September 2013 haben sie am 18. September 2013 nochmals beantragt, die Frist bis zum 15. Oktober 2013 zu verlängern. Nach entsprechender Verlängerung haben die Kläger mit am 11. Oktober 2013 eingegangenem Schriftsatz ihre Berufung dann begründet.

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Die Kläger tragen im Wesentlichen vor,

31

das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen. Der angefochtene Bescheid sowie der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig und verletzten die Kläger in ihren Rechten. Eine mit dem angefochtenen Bescheid abgerechnete Neuherstellung der Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung liege nicht vor. Das Grundstück der Kläger sei bereits vor dem 03. Oktober 1990 im damaligen Beitrittsgebiet an eine bestehende Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Folglich sollten sie als Grundstückseigentümer im vorliegenden Fall zweimal für eine Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bezahlen. Das Verwaltungsgericht hätte erkennen müssen, dass die Erhebung des Beitrages zu einer unzulässigen Doppelbelastung der Eigentümer führe, da der Beklagte ein bestehendes Kanalnetz übernommen habe, welches bereits zu DDR-Zeiten über die Bevölkerung finanziert worden sei. Sie seien als Grundstückseigentümer mit ihrem Grundstück bereits zu DDR-Zeiten an die Schmutzwasserbeseitigung angeschlossen gewesen. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, ein zweites Mal für die bereits vorhandene Anlage zahlen zu müssen. Sie hätten vielmehr darauf vertrauen dürfen, für die Herstellungskosten nicht mehr herangezogen zu werden, und sich auch auf die Einreden der Verjährung und der Verwirkung berufen.

32

Die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung gebe überdies selbst auch keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages gegenüber den Klägern. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht nicht entstehen. Soweit § 3 regele, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen seien. Eine anderweitige Auslegung würde gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. Die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung in § 242 Abs. 9 BauGB. Die Kläger bestreiten, dass die Beiträge durch eine entsprechende Aufwandsinvestition gerechtfertigt seien. Ebenso werde bestritten, dass die Beiträge zutreffend anhand des angefallenen Aufwands berechnet worden seien. Das Verwaltungsgericht hätte diesem Bestreiten der Kläger nachgehen müssen. Die Berechnung des Beklagten könne von außenstehenden Laien kaum nachvollzogen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verkenne zudem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BVR 2057/08 –. Hier sei ausgeführt worden, dass sogenannte Altanschließer geschützt werden müssten und nicht unbegrenzt die Möglichkeit bestehe, weitere Abgaben zu erheben. Das Bundesverfassungsgericht verlange, dass soweit Beitragspflichten zum Vorteilsausgleich an zurückliegende Tatbestände anknüpften, diese Inanspruchnahme zeitlich begrenzt sein müsse. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete demnach, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger bereits vor dem 03. Oktober 1990 für die Schmutzwasserbeseitigung gezahlt. Sie hätten daher nicht damit rechnen müssen, dass sie im Jahr 2006 plötzlich zu Beiträgen herangezogen würden. Die Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstießen gegen höherrangiges Recht, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V. Da letztere keine zeitliche Begrenzung für sogenannte Altfälle vorsehe, seien sie und damit auch entsprechende Satzungen rechtswidrig. Auch dem Argument des Verwaltungsgerichts, wonach sich die hiesigen Regelungen und die des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes dadurch unterscheiden würden, dass das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflichten nach Artikel 5 Abs. 6 Bayerisches KAG zusammenfallen würden und nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige sei, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht erfülle, könne insoweit nicht gefolgt werden. Die Regelungen in Mecklenburg-Vorpommern ermöglichten, dass quasi ohne zeitliche Begrenzung für Altfälle noch Beiträge erhoben werden könnten. § 9 Abs. 3 KAG M-V sei eine dem Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung, als dort keine starre äußerste zeitliche Grenze für das Entstehen der Beitragspflicht geregelt sei.

33

Die Kläger beantragen,

34

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Schwerin Az: 4 A 1280/12 vom 16.04.2013 den Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19.05.2006 (Bescheid-Nr. B…) und seinen Widerspruchsbescheid vom 28.08.2006 aufzuheben.

35

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

37

Der Beklagte trägt vor,

38

die Beitragserhebung sei gegenüber den Klägern auch mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – rechtlich zulässig. Die rechtliche Struktur der Bestimmungen des § 9 Abs. 3 KAG M-V sowie des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b cc) Spiegelstrich 2 BayKAG sei erkennbar verschieden. In Bayern habe ein ursprünglicher Grundstückseigentümer noch jahrzehntelang zu einem Beitrag herangezogen werden können, auch wenn er etwa das Grundstück bereits verkauft gehabt und sich so der Vorteil in der Tat „verflüchtigt“ habe. In Mecklenburg-Vorpommern hingegen werde stets der aktuelle Grundstückseigentümer herangezogen, der den Vorteil des erschlossenen Grundstücks gerade noch innehabe. In rechtlicher Hinsicht sei die Situation in Mecklenburg-Vorpommern vergleichbar mit derjenigen sogenannter „verhaltener Ansprüche“, etwa Arzt- oder Architekten-Honorarforderungen, die auch erst entstehen bzw. fällig würden, wenn eine entsprechende Rechnung gestellt werde. So wie dort genüge auch im Recht der leitungsgebundenen Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern das Rechtsinstitut der Verwirkung, um unbillige oder rechtsstaatlich unter dem Blickpunkt der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu rechtfertigende Einzelfälle zu korrigieren. Ergänzend komme die vom Bundesverfassungsgericht nicht gesehene Regelung des § 162 BGB analog hinzu, wonach ein Bedingungseintritt nicht treuwidrig verzögert werden dürfe. Dieser Rechtsgrundsatz relativiere die Bedenken, die das Bundesverfassungsgericht gegen das Argument, das Rechtsinstitut der Verwirkung sei ausreichend, vorgebracht habe. Auch die Regelungen zur sachlichen und persönlichen Billigkeit dürften ergänzend eine Rolle spielen. Denn diese unbestimmten Rechtsbegriffe ließen eine verfassungskonforme Auslegung dahingehend zu, dass erhobene Beiträge nach „Verflüchtigung“ des Vorteils nicht mehr beigetrieben werden könnten, da dies sachlich unbillig wäre.

39

Ergänzend sei von Bedeutung, dass sich der Vorteil durch das Erschlossensein durch eine leitungsgebundene Einrichtung nicht so schnell „verflüchtige“, wie das Bundesverfassungsgericht unterstelle. Die öffentliche Einrichtung mit ihren technischen Anlagen solle quasi „ewig“ vorgehalten werden. Die technischen Anlagen hätten typischerweise auch Nutzungsdauern von mehreren Jahrzehnten, die zudem durch Instandsetzungen und Erneuerungen noch verlängert würden. § 9 Abs. 3 KAG M-V wäre jedenfalls etwa dahingehend verfassungskonform auszulegen, dass die sachliche Beitragspflicht unabhängig von einer wirksamen Satzung entstehe, wenn die öffentliche Einrichtung endgültig hergestellt worden sei, also mit Umsetzung des jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzeptes eines Abwasserentsorgers in Bezug auf technische Anlagen, die zu den jeweiligen öffentlichen Einrichtungen gehörten. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg habe mit Urteil vom 14. November 2013 – 9 B 34.12 – die mit § 9 Abs. 3 KAG M-V vergleichbare Regelung im KAG Brandenburg verfassungskonform interpretiert. Es habe den vom Bundesverfassungsgericht betonten weiten Gestaltungsspielraum herangezogen und es für ausreichend erachtet, dass § 12 Abs. 3a KAG Brandenburg grundsätzlich für Altanschließer normiert habe, dass die Festsetzungsfrist frühestens am 31. Dezember 2011 ende. Es habe dabei zutreffend auf die Besonderheiten im Gebiet der ehemaligen DDR beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung abgestellt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – verfassungskonform zu Erschließungsbeiträgen entschieden, dass diese ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen analog der 30-jährigen Verjährungsregel des dortigen Art. 53 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG verjährten.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, auf die Gerichtsakten in den Parallelverfahren Az. 1 L 139/13 und 1 L 140/13 und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und Gerichtsakten bzw. Beiakten zu Gerichtsakten, die sämtlich jeweils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, ferner auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

42

Das Verwaltungsgericht hat die zulässige Klage zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist; der Bescheid des Beklagten über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. Mai 2006 (Bescheid-Nr. B…) und sein Widerspruchsbescheid vom 28. August 2006 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

43

Der Beitragsbescheid beruht auf einer wirksamen Rechtsgrundlage (A.); auch die Rechtsanwendung des Beklagten ist nicht zu beanstanden (B.).

44

A. Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-​Vorpommern (KAG M-​V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-​V). Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Satzung des Wasserversorgungs- und Abwasserzweckverbandes Güstrow-Bützow-Sternberg (nachfolgend: Zweckverband) über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 3. Dezember 2004 in der während des laufenden gerichtlichen Verfahrens maßgeblich gewordenen Fassung der Vierten Satzung zur Änderung der Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung vom 09. Dezember 2013 (im Folgenden: BGS) ist rechtlich nicht zu beanstanden.

45

Die Rüge der Kläger, die Satzung stehe nicht im Einklang mit der Regelung des § 242 Abs. 9 BauGB, dringt nicht durch. Der Senat hat bereits entschieden, dass diese Bestimmung im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgeblich sein kann, weil sie ausschließlich die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung vor allem von Straßen regelt, um die es aber hier nicht geht (vgl. – auch zum Folgenden – Beschl. v. 06.02.2007 – 1 L 295/05 –, NordÖR 2007, 433; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris). Auch die von den Klägern begehrte analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht; ebenso wenig war der Landesgesetzgeber verpflichtet, für die Erhebung von Kanalanschlussbeiträgen eine entsprechende Regelung zu treffen. Das Vorbringen der Kläger lässt die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Erschließungsbeiträgen nach den §§ 127 ff. BauGB und den Kanalanschlussbeiträgen außer Acht. Erschließungsanlagen nach § 127 Abs. 2 BauGB (zumeist öffentliche Straßen und Plätze) sind einzelne technische Einrichtungen mit bis zu ihrer endgültigen Herstellung von der Errichtung weiterer technischer Anlagen unabhängiger überschaubarer Bauzeit, die naturgemäß in dem Zeitraum vor der Wende ihren Abschluss finden konnten. In diesem Falle sollen die Anliegergrundstücke nicht mit hohen Erschließungsbeiträgen, sondern wegen des dann höheren Gemeindeanteils nur mit niedrigeren Straßenbaubeiträgen belastet und insoweit privilegiert werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.07.2007 – 9 C 5.06 –, juris, Rn. 27). Eine völlige Freistellung von Beiträgen ist demzufolge nicht geregelt. Bei der Abwasserbeseitigungseinrichtung handelt es sich um eine aus verschiedenen einzelnen technischen Bestandteilen (Leitungsnetz, Klärwerke, etc.) bestehende Gesamtanlage im rechtlichen Sinne, deren (erstmalige) Herstellung sich über Jahrzehnte erstrecken kann und deren Fertigstellungszeitpunkt als kommunale Anlage im Sinne des neuen Rechts nicht vor dem Zeitpunkt des Beitrittes liegen konnte (vgl. dazu näher nachfolgend unter B II 3 a). Infolgedessen waren Abwasserbeseitigungseinrichtungen vor dem Zeitpunkt des Beitritts noch nicht „bereits hergestellt“. Selbst wenn man das im Einzelfall aber annehmen wollte, müssten nach dem § 242 Abs. 9 BauGB zugrundeliegenden Gedanken (keine gänzliche Freistellung von Beiträgen) auch nunmehr Erneuerungsbeiträge für die umfangreichen Anlagenmodernisierungen erhoben werden. Weil jedoch ohnehin nur „Nachwendeinvestitionen“ als dem Betreiber der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage entstandener Aufwand umgelegt werden dürfen, wäre der danach zu erhebende Beitrag auch nicht geringer als der Beitrag für die Herstellung der Anlage. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht vor diesem Hintergrund angenommen, eine analoge Anwendung von § 242 Abs. 9 BauGB scheide bereits mangels planwidriger Lücke aus. Die Kläger haben gegen dessen an die Senatsrechtsprechung anknüpfenden Erwägungen im Berufungsverfahren keine substantiellen Einwände erhoben.

46

Die von den Klägern betreffend den vom Zweckverband getätigten Aufwand bzw. die Beitragskalkulation erhobenen Einwendungen gehen „ins Blaue“. Auch wenn die Kläger insoweit Laien sein mögen, konnten sie jedenfalls mit Hilfe ihrer Prozessbevollmächtigten die entsprechenden Unterlagen des Zweckverbandes sichten und hätten dann ggf. substantielle Rügen erheben können (vgl. auch OVG Greifswald, Urt. v. 12.10.2011 – 4 K 31/06 –, juris). Im Übrigen sind nach Maßgabe des vorstehend zitierten Urteils bei einer Sichtung der Kalkulation durch den 4. Senat keine Kalkulationsmängel offen zu Tage getreten; diesen Erwägungen schließt sich der erkennende Senat an.

47

Weitere Rügen unmittelbar gegen die Wirksamkeit der der Beitragserhebung zugrunde liegenden Satzung sind von den Klägern im Berufungsverfahren nicht erhoben worden; im Übrigen verweist der Senat in dieser Frage auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (§ 130b Satz 2 VwGO).

48

B. Die Kläger sind unter Zugrundelegung der Beitragssatzung (I.) und auch im Übrigen II.) rechtmäßig zur Beitragszahlung herangezogen worden.

49

I. Entgegen dem Berufungsvorbringen unterliegen sie zunächst der Beitragspflicht nach Maßgabe von § 3 BGS.

50

Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 3 Satz 1 BGS, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden kann. Für Grundstücke, die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieser Satzung bereits angeschlossen sind, entsteht die Beitragspflicht mit dem In-Kraft-Treten dieser Satzung (Satz 2).

51

Die Kläger machen in Ansehung dieser Bestimmung zu Unrecht geltend, sie gebe ihnen gegenüber keine Grundlage für die Festsetzung eines Herstellungsbeitrages. In § 3 der Satzung sei geregelt, dass die Beitragspflicht entstehe, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne. Das Grundstück der Kläger sei zu DDR-Zeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen gewesen, nach dieser Regelung könne daher eine Beitragspflicht auch entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht entstehen. Soweit sich die Beitragssatzung in § 3 ferner darauf berufe, dass für Grundstücke, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Satzung bereits angeschlossen seien, eine Beitragspflicht mit dem Inkrafttreten dieser Satzung entstehe, lasse sich diese Regelung allein dahingehend auslegen, dass auch hiervon nur Grundstücke betroffen seien, die zum 03. Oktober 1990 noch nicht an die Abwasserbeseitigung angeschlossen gewesen wären.

52

Auch diesem Vortrag der Kläger vermag der Senat nicht zu folgen. Nach der ständigen Rechtsprechung des 1. und – früheren – 4. Senats betreffend die sog. Altanschließerproblematik (vgl. etwa Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris), auf die sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich stützt, kann und darf eine kommunale Anschlussbeitragssatzung nicht die schon in der Vergangenheit, insbesondere zur Zeit der DDR tatsächlich an eine Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung angeschlossenen Grundstücke von der Beitragspflicht ausnehmen und nur neu an die Anlage angeschlossene Grundstücke zu Beiträgen heranziehen. Dies wäre willkürlich. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Im Übrigen ist der Regelung des § 3 Satz 1 BGS offensichtlich immanent, dass sie eine Anschlussmöglichkeit unter ihrer Geltung zum Gegenstand hat: Ohne wirksame satzungsrechtliche Regelung zur Entstehung der Beitragspflicht könnte die Beitragspflicht gerade nicht entstehen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V); Bedingung der Entstehung der Beitragspflicht ist folglich die Existenz einer wirksamen Satzung. Nur dieses Normverständnis harmoniert mit § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bzw. der vorher schon existierenden Rechtslage. Mangels Geltung der Satzung zu DDR-Zeiten konnte folglich auch nicht früher schon die sachliche Beitragspflicht entstanden sein; ebenso verbietet sich von Verfassungs wegen ein Normverständnis dahingehend, dass ab Inkrafttreten der Satzung nur zukünftig anschließbare Grundstücke der Beitragspflicht („Neuanschließer“) unterliegen sollen. Insoweit ist die Satzung auch in Ansehung des Wortlauts des § 3 Satz 1 BGS wirksame Rechtsgrundlage zur Heranziehung der sog. Altanschließer; eine gegenteilige Auslegung der Norm ist ausgeschlossen, da dies ihre Unwirksamkeit nach sich zöge (vgl. Senatsurteil v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –). Dies stellt zudem jedenfalls – nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen in der rechtlichen gebotenen Weise – § 3 Satz 2 BGS klar.

53

II. 1. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass vorliegend keine Festsetzungsverjährung eingetreten und der mit dem Beitragsbescheid vom 19. Mai 2006 geltend gemachte Beitragsanspruch des Beklagten folglich nicht wegen Festsetzungsverjährung gemäß § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-​V erloschen ist.

54

Nach Maßgabe von § 47 AO i. V. m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V erlöschen Beitragsansprüche insbesondere durch Verjährung. Eine Beitragsfestsetzung ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-​V.

55

Abweichend von § 169 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V vier Jahre; bei der Erhebung eines Anschlussbeitrages nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V endet die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2008.

56

Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V). Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung; § 3 BGS stimmt hiermit – wie ausgeführt – überein. Erste wirksame Satzung des Zweckverbandes ist die Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserentsorgung, die am 3. Dezember 2004 vom Verbandsvorsteher ausgefertigt, im Amtlichen Anzeiger vom 27. Dezember 2004 öffentlich bekannt gemacht wurde und zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist; sie liegt inzwischen in der Fassung der 4. Änderungssatzung vor. Im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Beitragsbescheides am 19. Mai 2006 waren offensichtlich noch keine vier Jahre verstrichen und folglich war Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten; auf § 12 Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz KAG M-V kommt es insoweit nicht an.

57

2. Der Beklagte hat den Beitragsanspruch auch nicht verwirkt. Nach Maßgabe der Senatsrechtsprechung bedeutet Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung) (vgl. zum Ganzen OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Urt. v. 02.11.2005 – 1 L 105/05 –, juris; Beschl. v. 05.11.2001 – 3 M 93/01 –, NordÖR 2001, 480 = NVwZ-​RR 2003, 15 – zitiert nach juris; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 12.01.2004 – 3 B 101.03 –, NVwZ-​RR 2004, 314; BVerwG, Urt. v. 16.05.1991 – 4 C 4.89 –, NVwZ 1991, 1182 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 07.08.1998 – 11 B 1555/98 –, NVwZ-​RR 1999, 540; OVG Lüneburg, Urt. v. 27.11.1991 – 1 L 117/91 –).

58

Nach diesem Maßstab kommt die Annahme einer Verwirkung des Beitragsanspruchs durch den Beklagten nicht in Betracht. Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Kläger aufgrund eines Verhaltens des Beklagten darauf hätten vertrauen dürfen, dass dieser den streitigen Beitragsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Dabei ist zu beachten, dass das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern bereits mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (juris) die Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von Altanschließern festgestellt und anschließend in ständiger Rechtsprechung diesen Rechtsstandpunkt immer wieder bekräftigt hat (vgl. z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris). Folglich mussten sich auch sog. Altanschließer auf ihre Heranziehung zu einem Zeitpunkt einstellen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –), in dem zudem auch das Zeitmoment noch nicht gegeben war. Damit fehlt es bereits an der erforderlichen Vertrauensgrundlage. Unabhängig von der Frage, ob die Kläger tatsächlich darauf vertraut haben, der Beitragsanspruch werde ihnen gegenüber nicht mehr verfolgt, ist zudem jedenfalls für eine beachtliche Vertrauensbetätigung ihrerseits nichts ersichtlich.

59

3. Schließlich hat sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge auch nicht nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris; vgl. auch Beschl. v. 03.09.2013 – 1 BvR 1282/13 -, juris; Beschl. v. 11.10.2013 – 1 BvR 2616/13 –) „verflüchtig“ oder erweist sich insbesondere die landesrechtliche Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V als verfassungswidrig.

60

Die Kläger machen anknüpfend an diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Wesentlichen geltend, sie seien mit ihrem Grundstück bereits seit DDR-Zeiten bzw. jedenfalls seit der Wende an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen gewesen. Ohne das in § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V geregelte Erfordernis einer wirksamen Satzung hätte die Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 1 AO i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V jeweils mit der Folge früher anlaufen müssen, dass zwischenzeitlich vor Erlass des streitgegenständlichen Beitragsbescheides Festsetzungsverjährung eingetreten wäre. § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V bewirke rechtsstaatwidrig, dass eine Beitragserhebung zeitlich unbegrenzt nach Eintritt der Vorteilslage möglich sei. Die Kläger hätten im Zeitpunkt der Beitragserhebung nicht mehr mit einer solchen rechnen müssen. Ihr entsprechendes Vertrauen sei schutzwürdig.

61

Mit diesem Vortrag vermögen die Kläger nicht durchzudringen.

62

Die der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes M-​V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-​Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand. Die streitgegenständliche Beitragserhebung und auch die Bestimmung des § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V verstoßen nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit. Das Regelungssystem des Kommunalabgabengesetzes M-V bringt jedenfalls im Rahmen des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums insoweit die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und des Einzelnen an Rechtssicherheit zu einem angemessenen Ausgleich.

63

a) Der Senat hat bereits in mehreren Berufungszulassungsverfahren entschieden und hält an dieser Auffassung auch im vorliegenden Berufungsverfahren fest, dass die Feststellung einer sog. „Altanschließersituation“ isoliert betrachtet keine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nach sich ziehen kann.

64

Mit Blick auf den Zeitpunkt der Entstehung des beitragsrechtlichen Vorteils wurde nach ständiger Senatsrechtsprechung auch allen Eigentümern von tatsächlich bereits angeschlossenen Grundstücken („Altanschließer“) mit den jeweiligen öffentlichen Entsorgungseinrichtungen von den kommunalen Einrichtungsträgern wie dem Zweckverband erstmalig und frühestens unter dem grundlegend neuen Rechtsregime nach der Wiedervereinigung der rechtlich gesicherte Vorteil geboten, ihr Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können (gilt entsprechend für die Versorgung mit Trinkwasser durch einen Trinkwasseranschluss). In die Beitragskalkulation zur Abgeltung dieses Vorteils fließen zudem nur sog. „Nachwendeinvestitionen“ ein, so dass auch keine Rede davon sein kann, die Eigentümer bereits zuvor tatsächlich angeschlossener Grundstücke, die ggf. in der Vergangenheit in irgendeiner Form Zahlungen für diesen früheren Anschluss geleistet haben, würden „doppelt“ zu denselben Kosten herangezogen. Entscheidend ist auf diese rechtliche Absicherung des Vorteils abzustellen, die erstmals und frühestens nach Inkrafttreten insbesondere des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern – bzw. zeitlich danach mit Erlass einer wirksamen Beitragssatzung – eintreten kann. Kein taugliches Kriterium zur Differenzierung des Vorteils sind die tatsächlichen Verhältnisse, d. h. ob rein faktisch zuvor das Abwasser in der einen oder anderen Weise hat abgeleitet werden können. Daher kommt es z. B. nicht entscheidungserheblich darauf an, ob zu DDR-​Zeiten Schmutzwasserkanäle – von wem auch immer – erstellt worden sind. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, ob die betreffenden Grundstückseigentümer über eine wie auch immer geartete private Kläranlage oder Sammelgrube verfügt haben (vgl. zum Ganzen bereits OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, NVwZ-​RR 2002, 687 – zitiert nach juris).

65

Demnach war die Vorteilslage gerade nicht schon zu DDR-Zeiten eingetreten und ist das an die Situation der Kläger als „Altanschließer“ schon in dieser Zeit anknüpfende Berufungsvorbringen für sich gesehen folglich nicht geeignet, die Entscheidungserheblichkeit der in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkret aufzuzeigen. Mit Blick darauf, dass nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts der rechtlich gesicherte Vorteil der Möglichkeit, Schmutzwasser mittels einer öffentlichen Einrichtung entsorgen zu können, erst mit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern frühestmöglich entstehen konnte, hat der Senat in diesem Sinne bereits darauf hingewiesen, dass es in Ansehung der sog. Altanschließerproblematik bzw. in ausschließlicher Betrachtung des Zeitraumes zwischen einem tatsächlichen Anschluss zu DDR-Zeiten und diesem Inkrafttreten nicht entscheidungserheblich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und den darin entwickelten Gesichtspunkt der „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung von Beiträgen ankommen kann, weil sich der so rechtlich bzw. unter dem Blickwinkel der Gleichbehandlung so von Verfassungs wegen (vgl. zur Gleichheitswidrigkeit einer Nichtheranziehung von „Altanschließern“ z.B. OVG Greifswald, Urt. v. 13.11.2001 – 4 K 16/00 –, KStZ 2002, 132 = NVwZ-​RR 2002, 687 = NordÖR 2002, 138 = DVBl. 2002, 644 = DÖV 2002, 626 = Überblick 2002, 83; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64 = LKV 2005, 75 = BauR 2005, 147; Beschl. v. 12.05.2005 – 1 L 477/04 –; Beschl. v. 11.08.2004 – 1 M 181/04 –; Beschl. v. 18.10.2005 – 1 L 197/05 –, NordÖR 2006, 160; Urt. v. 13.12.2011 – 1 L 192/08 –, juris; Urt. v. 10.10.2012 – 1 L 27/09 –, juris) zu definierende Vorteil nicht bereits im Moment seiner frühestmöglichen Entstehung (Inkrafttreten des KAG) wieder „verflüchtigt“ haben kann (vgl. Beschl. des Senats v. 10.06.2013 – 1 L 139/10 –; v. 21.08.2013 – 1 L 86/13 –; v. 16.09.2013 – 1 L 207/11 –; Beschl. v. 24.02.2014 – 1 L 170/13, 1 L 167/12, 1 L 175/12 –). Anders gewendet konnte in diesem frühestmöglichen Moment der Vorteilsentstehung noch kein Vertrauen gebildet worden sein, von einer Heranziehung zu Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben. Das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit kann in dieser Sichtweise nicht berührt oder gar verletzt sein.

66

b) Auch im Übrigen führt die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts nicht zu der Schlussfolgerung, die streitgegenständliche Beitragserhebung sei rechtswidrig. Sie ist schon nicht auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes M-V anwendbar (aa). Selbst wenn man die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen im Grundsatz bejahte, kann diese zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. zur Legitimation einer Beitragserhebung gerecht zu werden (bb). Nach den Umständen des Einzelfalles ist vorliegend eine solche „Verflüchtigung“ zu verneinen (cc).

67

aa) Zunächst ist die erörterte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in ihrem Ausgangspunkt zu Bestimmungen des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes ergangen, die in wesentlicher Hinsicht vom hiesigen Landesrecht abweichen und folglich nicht ohne Weiteres auf dieses bzw. den vorliegenden Fall übertragen werden kann.

68

Bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst b) cc) Spiegelstrich 2 Bayerisches Kommunalabgabengesetz handelt es sich um eine Verjährungsregelung, die sich in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht wiederfindet. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kam hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist. Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Die dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – zugrundeliegende Fallgestaltung, dass ein früherer Grundstückseigentümer viele Jahre nach Aufgabe seines Eigentums zu einem Beitrag herangezogen wird, die Festsetzungsfrist jedoch erst mit Erlass der Heilungssatzung beginnt, kann sich nach den Bestimmungen des KAG M-V (im Regelfall) nicht ereignen. Nach Art. 5 Abs. 6 Satz 1 BayKAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks ist. Entsteht die (sachliche) Beitragspflicht – wie im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall – aufgrund einer rückwirkenden Satzung zu einem früheren Zeitpunkt, so ist der damalige Grundstückseigentümer beitragspflichtig, auch wenn ihm zum Zeitpunkt der Erteilung des Beitragsbescheides das Grundstück nicht mehr gehört. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Weiter kann die Satzung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG MV bestimmen, dass beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflichten Eigentümer des bevorteilten Grundstückes ist. Eine solche Bestimmung enthält § 7 BGS vorliegend nicht. Trifft demnach die Beitragssatzung – wie hier – keine von § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG MV abweichende Regelung, so ist es nicht möglich, dass ein früherer Eigentümer herangezogen wird, für den sich in der Tat der Anschlussvorteil bzw. demgegenüber sich die Legitimation zur Beitragserhebung „verflüchtigt“ haben kann. Auch wenn man die gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt, ist folglich ihre Übertragung auf § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V nicht überzeugend.

69

Der Schutzbereich des vom Bundesverfassungsgericht als Ausprägung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verstandenen Gebots der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit, das davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können, ist im Falle der Erhebung eines Anschlussbeitrags im Bereich der leitungsgebundenen Einrichtungen bzw. im Anwendungsbereich von § 9 Abs. 3 KAG M-V nicht einschlägig bzw. berührt.

70

Die Verschaffung des Vorteils, d.h. der Möglichkeit der Inanspruchnahme (§ 7 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V) ist kein in tatsächlicher Hinsicht einmaliger, gewissermaßen in einer juristischen Sekunde abgeschlossener Vorgang, sondern dauert nach erstmaliger Anschlussmöglichkeit mehrere Jahrzehnte lang an. Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-​V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-​V) einedauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 20.10.1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmalig gebotenen Anschlussmöglichkeit. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (vgl. Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2013, § 8, Rn. 532 ff., 537; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt. Der Vorteil ist deshalb als Dauervorteil zu qualifizieren (vgl. nur VerfG des Landes Brandenburg, Urt. v. 21.09.2012 – 46/11 –, juris, Rn. 88).

71

In diesem Zusammenhang erscheinen die Erläuterungen des Bundesverfassungsgerichts zur Legitimation von Beiträgen (Beschl. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) ohnehin nicht ohne Weiteres als zwingend. Diese soll danach in der Abgeltung eines Vorteils liegen, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Die vom Bundesverfassungsgericht in Bezug genommenen Entscheidungen (BVerfGE 49, 343, 352; 93, 319, 344) sagen nichts dazu, dass der Vorteil „in einem bestimmten Zeitpunkt“ zugekommen sein muss. In einem bestimmten Zeitpunkt beginnt naturgemäß die Vorteilslage, aber sie dauert dann – wie zuvor gesagt – auch über einen sehr langen Zeitraum an. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft auch keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiter angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschl. v. 07.11.1995 – 2 BvR 413/88, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede. Die Erhebung von Gebühren und Beiträgen wird danach dementsprechend durch ihre Ausgleichsfunktion legitimiert.

72

Die Annahme des Bundesverfassungsgerichts, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der dem Grundstückseigentümer zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei, stellt auch unter anderem Blickwinkel eine jedenfalls im Anschlussbeitragsrecht unzulässige Fiktion dar. In Ergänzung zu den vorstehenden Ausführungen zum Gegenstand des anschlussbeitragsrechtlichen Vorteils und zu seiner Qualifizierung als Dauervorteil ist darauf zu verweisen, dass § 5 Abs. 1 der Abwasserentsorgungsatzung des Zweckverbandes – wie im Übrigen die entsprechenden Satzungen anderer Entsorgungsträger – anknüpfend an § 14 Abs. 2 Kommunalverfassung (KV M-V) bzw. als Kehrseite des Anschluss- und Benutzungszwangs gemäß § 15 KV M-V i.V.m. § 7 der Abwasserentsorgungssatzung den Klägern wie jedem Eigentümer eines im Gebiet des Verbands liegenden Grundstücks die Berechtigung einräumt, den Anschluss seines Grundstücks an die Abwasseranlage und das Einleiten der auf seinem Grundstück anfallenden Abwasser nach Maßgabe der Satzung und unter Beachtung der Einleitungseinschränkungen des § 6 verlangen zu können. Dieses Anschluss- und Benutzungsrecht unterliegt keinen Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht und „verflüchtigt“ sich auch nicht durch schlichten Zeitablauf bzw. den Umstand, dass dem Zweckverband zunächst über längere Zeit eine Abgabenerhebung auf der Grundlage einer wirksamen Beitragssatzung nicht gelang. Genau wie im Moment des erstmaligen Anschlusses hat der Grundstückseigentümer auch Jahre und Jahrzehnte später noch den Anschlussanspruch, der sich z. B. bei Beschädigungen oder Zerstörungen der Leitungen, die sein Grundstück anschließen, aktualisieren kann. Insoweit wäre es widersprüchlich, wenn sich einerseits die Zahlungspflicht verflüchtigen, der Anschlussanspruch aber uneingeschränkt und jederzeit aktualisierbar fortbestehen soll. Der Senat hat im Zusammenhang mit den Fragen nach der Entstehung der Beitragspflichten bzw. dem tatsächlichen Angeschlossensein eines Grundstückes bereits ausgeführt (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 18.01.2013 – 1 M 185/10 –), der Grundstückseigentümer könne aufgrund seines Benutzungsrechts vom Einrichtungsträger die Instandsetzung eines Kanals zur Beseitigung etwaiger alterungs- und bauausführungsbedingter Mängel beanspruchen. Zwischen dem Eigentümer und dem Einrichtungsträger besteht ein auf dem Anschluss des Grundstücks an die Kanalisation beruhendes öffentlich-rechtlichen (Dauer-) Schuldverhältnis. Daraus ist letzterer verpflichtet, das Abwasser aus den Grundstücken aufzunehmen und abzuleiten und steht zu den Anschlussnehmern weitgehend so, wie ein eine Kanalisationsanlage betreibender Unternehmer des bürgerlichen Rechts zu seinen Kunden stünde. Dem Einrichtungsträger obliegt es daher, dafür zu sorgen, dass das Entwässerungssystem insgesamt funktioniert, denn der Grundstückseigentümer ist ohne eine ordnungsgemäß beschaffene Anschlussleitung nicht imstande, seiner Verpflichtung zur Benutzung nachzukommen und sein Benutzungsrecht auszuüben (vgl. auch BGH, Urt. v. 30.09.1970 – III ZR 87/69 –, BGHZ 54, 299, 303; Urt. v. 07.07.1983 – III ZR 119/82 –, NJW 1984, 615, 617; VGH Mannheim, Urt. v. 09.11.1990 – 8 S 1595/90 –, NVwZ-RR 1991, 325; OVG Münster, Urt. v. 25.01.1978 – II A 439/75 –, KStZ 1978, 213). Das bedeutet, dass der Einrichtungsträger auch dafür zu sorgen hätte, dass die bei Ausschöpfung der zulässigen Grundstücksnutzung anfallenden Abwässer ordnungsgemäß abgeführt werden können. Dieser auch nach Jahrzehnten fortbestehenden Pflichten-, vor allem aber auch Anspruchsbeziehung trägt die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung keine Rechnung.

73

Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass nach dem Kommunalabgabengesetz M-V die Refinanzierung des Herstellungsaufwands kommunaler Entsorgungseinrichtungen gleichzeitig teilweise über Anschlussbeiträge und teilweise über Gebühren bzw. eine gemischte Beitrags- und Gebührenfinanzierung mit einem nur teilweisen Deckungsgrad der Beitragserhebung seit jeher zulässig, weil vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt ist (vgl. nur OVG Greifswald, Urt. v. 03.05.2011 – 1 L 59/10 –, juris; Urt. v. 02.06.2004 – 4 K 38/02 –, DVBl. 2005, 64; Urt. v. 15.11.2000 – 4 K 8/99 –, juris, Rn. 66; Urt. v. 25.02.1998 – 4 K 8/97 –, NordÖR 1998, 256). Da die Gebührenerhebung regelmäßig fortlaufend vom Zeitpunkt der Entstehung des Vorteils an erfolgt ist, auch wenn parallel ein Beitrag noch nicht erhoben worden ist oder – z. B. wegen einer unwirksamen Beitragssatzung – noch nicht erhoben werden konnte, ist eine „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren grundsätzlich nicht denkbar. In diesen Fällen erscheint es ebenfalls widersprüchlich, ab einem bestimmten Zeitpunkt einerseits die „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Deckung des Herstellungsaufwandes durch Anschlussbeiträge anzunehmen, andererseits eine solche „Verflüchtigung“ für die Deckung des Herstellungsaufwandes durch Gebühren zu verneinen.

74

Die Annahme der Möglichkeit einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung wird auch in anderer Hinsicht der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen nicht gerecht. So „verflüchtigt“ sich jedenfalls etwa der vom Zweckverband getätigte Herstellungsaufwand nicht. Die Kosten der Herstellung müssen gedeckt werden. Fällt der Verband mit Beitragsforderungen wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Erhebung derselben aus, müssen nach entsprechender Neukalkulation entweder andere Beitragspflichtige oder Gebührenschuldner diese Kosten zusätzlich tragen; soweit die Refinanzierung dann über Gebühren erfolgen sollte, müsste wohl auch der von der Pflicht zur Zahlung eines Anschlussbeitrags wegen „Verflüchtigung“ frei gewordene Grundstückseigentümer die entstandene Finanzierungslücke mittragen. Dafür, dass dieser nicht einmal teilweise mehr über Gebühren – wenn auch in voraussichtlich deutlich geringerem Umfang – zu den Herstellungskosten herangezogen werden kann, bietet die „Verflüchtigungsrechtsprechung“ des Bundesverfassungsgerichts keinen Anhaltspunkt. In letzter Konsequenz müsste ggfs. eine Finanzierung der Anlage im Umfang der Einnahmeausfälle über aus Steuermitteln gespeiste staatliche Zuschüsse erfolgen, wenn der von der „Verflüchtigung“ betroffene Refinanzierungsbetrag nicht über Beiträge und Gebühren gedeckt werden könnte. Diese Erwägungen zeigen jedenfalls handgreiflich, dass – anders als das Bundesverfassungsgericht offenbar meint – in diesem Sinne keine „zweipolige“ Rechtsbeziehung (Entsorgungsträger – Grundstückseigentümer), sondern eine „dreipolige“ dergestalt besteht, dass eine Vielzahl von privaten Dritten durch die „Verflüchtigung“ von Beitragsforderungen zusätzlich und gleichzeitig weniger vorteilsgerecht belastet wird. Auch die Lebensentwürfe dieser Dritten sind schützenswert.

75

Dass als Gegenpol zum auf Seiten des Bürgers zu berücksichtigenden Prinzip der Rechtssicherheit das Interesse an materieller Gerechtigkeit und insbesondere Belastungsgleichheit vom Bundesverfassungsgericht als ausschließlich staatliches Interesse erwähnt wird, greift nach Auffassung des Senats zu kurz. Bei der Belastungsgleichheit geht es um die gleichmäßige Belastung der Abgabenschuldner. Wenn der eine Abgabenschuldner zu einem Beitrag herangezogen wird und zahlt, der andere – vielleicht später – ebenfalls herangezogen wird, aber wegen einer „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung nicht zahlen muss, so ist die ungleichmäßige Belastung der Bürger evident; ihr privates und grundrechtlich geschütztes Interesse an einer Belastungsgleichheit wird beeinträchtigt. Es gibt keinen sachlichen Grund dafür, dass einzelne Grundstückseigentümer vollständig von der Zahlungspflicht frei werden sollen.

76

Zudem ist wie vorstehend ausgeführt insoweit eine weitere Verschärfung zu Lasten privater Gleichbehandlungsinteressen in Rechnung zu stellen, als Dritte ggf. zusätzliche Belastungen zu tragen haben. Hier tut sich im Verhältnis zwischen denen, die in der Vergangenheit einen Anschlussbeitrag gezahlt haben, und denjenigen, die nun nichts mehr zahlen müssen, eine eklatante Gerechtigkeitslücke auf. Diese kann nicht etwa dadurch gerechtfertigt werden, dass die einen Beitragsschuldner um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht haben, die anderen hingegen nicht: Denn auch diejenigen, die einen Anschlussvorteil erlangt haben, aber um Rechtsschutz gegen die Beitragserhebung nachgesucht haben, konnten grundsätzlich zu keinem Zeitpunkt erwarten, keinerlei Beiträge zahlen zu müssen. Es konnte – spätestens ab dem Zeitpunkt der obergerichtlichen Klärung der Beitragspflichtigkeit auch der sog. Altanschließer (siehe dazu vorstehend) – nie ein Vertrauen von Grundstückseigentümern dahingehend entstehen oder ihr Lebensentwurf an die Erwartung anknüpfen, keinen Beitrag bzw. einen „Null-Beitrag“ zahlen zu müssen. Mit der – im Falle unwirksamer Satzungen: wiederholten – Publizierung von Beitragssatzungen hat der Einrichtungsträger in rechtsstaatlich gebotener und zugleich grundsätzlich einwandfreier Weise seine Absicht der Beitragserhebung öffentlich bekannt gemacht. Alle Grundstückseigentümer waren hierüber informiert bzw. mussten hierüber informiert sein. Es stand – unbeschadet der gesetzlichen Bestimmungen zur Verjährung – von der Veröffentlichung der ersten Beitragssatzung an fest, dass irgendwann ein Beitrag zu zahlen sein wird. Allenfalls war mit Blick auf gegen die Beitragerhebung gerichtete Rechtsschutzverfahren – auch von Dritten – eine gewisse Erwartung gerechtfertigt, dass möglicherweise ein anderer, ggf. geringerer Betrag zu zahlen sein wird. Konnte sich ein Beitragsschuldner aber zu keinem Zeitpunkt darauf einrichten, keinen Beitrag zahlen zu müssen, bestand mit Blick auf seine Dispositionsfreiheit allenfalls eine teilweise Einschränkung wegen einer entsprechend teilweisen Unsicherheit bezüglich der Höhe seiner Beitragszahlungspflicht. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Kommunalabgabengesetz seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 eine Erhebung von Beiträgen vorgesehen hat. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger zur Finanzierung leitungsgebundener Einrichtungen Anschlussbeiträge erheben würden.

77

Jedenfalls ist in den neuen Bundesländern eine Sondersituation (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, etwa Urt. v. 14.11.2013 – OVG 9 B 35.12 –, juris Rn. 65, und Beschl. v. 10.01.2014 – OVG 9 S 64.13 –, juris Rn. 15) zu berücksichtigen, die darin besteht, dass hier nach der Wende erst funktionierende Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden und flächendeckend „auf einen Schlag“ alle Grundstückeigentümer herangezogen werden mussten. Die kommunalen Aufgabenträger standen gleichzeitig vor der Aufgabe, zum einen eine technisch und ökologisch zeitgemäße dezentrale Abwasserentsorgung aufzubauen, zum anderen das neu geschaffene Kommunalverfassungs- und Kommunalabgabenrecht rechtmäßig anzuwenden und insbesondere auf seiner Grundlage das erforderliche Satzungsrecht ebenfalls erstmals zu schaffen und anzuwenden. Als parallele Prozesse können dabei auch die Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur Abwasserentsorgung samt ihrer rechtlichen Grundlagen und Folgeregelungen einerseits und die Klärung von rechtlichen Zweifelsfragen bzw. die Beseitigung von Rechtsunsicherheit durch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte des Landes andererseits beschrieben werden, die sich gegenseitig beeinflusst haben. Wie die noch immer beträchtliche Zahl von Rechtsschutzverfahren auch der jüngeren Vergangenheit zeigt, in denen die Unwirksamkeit kommunaler Abgabensatzungen angenommen wird, ist der Aufbauprozess immer noch nicht vollständig abgeschlossen.

78

Die Geschichte der Beitragserhebung im Bereich des Zweckverbandes und insbesondere seine Satzungshistorie belegen dies eindrücklich. Abgesehen davon, dass sich der Zweckverband in gerichtlichen Verfahren Angriffen gegen seine wirksame Gründung, die Grundlage jeder Beitragserhebung war, ausgesetzt sah, waren die in der Zeit von 1992 bis 2002 ergangenen verschiedenen Beitragssatzungen samt Änderungs- und Nachtragssatzungen sämtlich aus verschiedenen Gründen, alle jedoch zumindest auch wegen einer rechtlich unhaltbaren Handhabung der (Nicht-)Heranziehung der sog. Altanschließer bzw. fehlerhaften Kalkulationen wegen der Nichtberücksichtigung von Altanschließergrundstücken auf der Flächenseite unwirksam. Gerade die Frage der zulässigen bzw. sogar rechtlich gebotenen Heranziehung der sog. Altanschließer war jedenfalls solange ungeklärt, bis der Senat mit Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 – (NordÖR 1999, 302 – zitiert nach juris) entschieden hatte, dass die Verwendung unterschiedlicher Beitragssätze für "alt-​angeschlossene" bzw. "neu anschließbare" Grundstücke im Grundsatz willkürlich und somit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist. Entsprechend hat dann – soweit ersichtlich – erstmalig das Verwaltungsgericht Schwerin mit seinen Urteilen vom 24. Februar 2000 – 4 A 2022/99 – u. a. für den Bereich des Zweckverbandes anknüpfend an den vorgenannten Beschluss des Oberverwaltungsgerichts entschieden, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 13. März 1997 wegen derartig unterschiedlicher Beitragssätze unwirksam gewesen sei. Damit lagen allerdings zunächst lediglich eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren bzw. ein erstinstanzliches Urteil vor. Von einer abschließenden Klärung für das Landesrecht kann deshalb sogar erst mit den anschließend bzw. in den Folgejahren ergangenen Urteilen des Oberverwaltungsgerichts, die sich mit immer wieder neuen bzw. wiederholten Angriffen von sog. Altanschließern gegen ihre Heranziehung erneut auseinander gesetzt haben, ausgegangen werden. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der 1. und – frühere – 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts bis in die Gegenwart mit solchen Angriffen gegen Beitragssatzungen beschäftigt waren und sind, aufgrund der hier erörterten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nunmehr erneut in steigendem Maße.

79

Nimmt man das Erschließungsbeitragsrecht in den Blick, so ist dort insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an sich ebenfalls geklärt, dass eine sachliche Beitragspflicht so lange nicht entstehen kann, wie es an einer gültigen Beitragssatzung fehlt (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.09.1973 – IV C 39.72 –, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 46 – zitiert nach juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 15). Ebenso können Satzungsmängel nachträglich mit der Folge geheilt werden, dass erst mit Erlass einer gültigen Satzung die sachliche Beitragspflicht entsteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 -, juris, Rn. 17 ff.). Die entsprechende Änderungssatzung muss dazu nicht zurückwirken. Diese Rechtsprechung wäre denselben verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt wie die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V.

80

Der Rechtsgedanke einer möglichen „Verflüchtigung“ von Vorteilen und damit letztlich Beitragspflichten berührt schließlich auch die Wurzeln der kommunalen Selbstverwaltung, da die kommunalen Normsetzungsorgane letztlich nach Jahrzehnten, in denen sie – wie der Zweckverband – wiederholt den Versuch unternommen haben, wirksames Satzungsrecht zu schaffen, im Falle einer solchen „Verflüchtigung“ vor einem Scherbenhaufen bzw. der Frage stehen, wie sie die Finanzierung ihrer Einrichtungen nach der „Verflüchtigung“ von Beitragsansprüchen sicherstellen sollen. Der erhebliche Zeitverlust, der bei der Schaffung wirksamen Satzungsrechts vielfach zu verzeichnen ist, ist zudem weniger in der Sphäre der Selbstverwaltungskörperschaften zu suchen, sondern findet nicht selten seine Ursache in der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Die Verantwortung hierfür liegt jedoch nicht bei den Einrichtungsträgern. Insoweit ist es nicht nachvollziehbar, die entsprechende Zeitversäumnis bei der Heranziehung der Beitragsschuldner den kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften anzulasten.

81

bb) Bejahte man im Grundsatz – entgegen den vorstehenden Erwägungen – die Möglichkeit der „Verflüchtigung“ einer Legitimation zur Erhebung von Anschlussbeiträgen, kann eine solche zur Überzeugung des Senats nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls angenommen werden. Insoweit wäre zudem keine gesetzliche Neuregelung im Kommunalabgabengesetz M-V notwendig, da der Landesgesetzgeber bereits ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt hat, mit dem den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils bzw. der Legitimation einer Beitragserhebung hinreichend Rechnung getragen werden kann.

82

Ausgangspunkt der Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner „Verflüchtigungsentscheidung“ ist die Annahme, dass Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug gewährleisten. Der Anknüpfung an den Lebensentwurf des Einzelnen ist eine Bezogenheit auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Einzelfall immanent: Die Selbstbestimmtheit des Lebensentwurfs eines Beitragspflichtigen wird – unabhängig von einer ggfs. eingetretenen Verjährung oder Verwirkung – jedenfalls grundsätzlich nicht in Frage gestellt sein, wenn sie einem absolut betrachtet betragsmäßig (insbesondere im Verhältnis zu den Gesamtkosten eines Hausgrundstücks eher) niedrigen Beitrag ausgesetzt ist, sei es nun im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zur erstmaligen Vorteilserlangung, sei es erst Jahre oder Jahrzehnte danach. Dies gilt umso mehr, je höher Einkommen und/oder Vermögen des Betroffenen sind. Selbst wenn es um betragsmäßig höhere Beitragsansprüche geht, ist im Hinblick auf eine Beeinträchtigung des Lebensentwurfs zum einen die Einkommens- und Vermögenssituation zu beachten, zum anderen der Umstand, dass einer vergleichsweise hohen Beitragsforderung regelmäßig in Gestalt des herangezogenen Grundstücks ein entsprechender Vermögenswert gegenüber stehen wird, der insoweit belastet werden kann. Zudem bietet das Beitragsrecht Möglichkeiten der Stundung und des Erlasses.

83

Schon aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Frage des Vertrauensschutzes – jenseits der Regelungen zur Verjährung und des Rechtsinstituts der Verwirkung – grundsätzlich nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalls betrachtet werden kann.

84

Diese Sichtweise wird auch unter einem anderen Blickwinkel untermauert. Bei den – im Regelfall persönlich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V – Beitragspflichtigen kann hinsichtlich des Heranziehungsvorgangs nämlich zwischen verschiedenen Gruppen differenziert werden:

85

Es gibt zunächst etwa die Beitragspflichtigen, die zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss – bzw. im Fall von sog. Altanschließern nach erstmaliger Entstehung des rechtlich gesicherten Vorteils – aufgrund einer Beitragssatzung herangezogen worden sind, um Rechtsschutz nachgesucht und dabei wegen der Unwirksamkeit der Satzung obsiegt haben; dieser Vorgang kann sich anschließend noch wiederholt haben, um dann ggfs. nach mehreren Jahren/Jahrzehnten in ihre Heranziehung auf der Grundlage einer erstmalig wirksamen Beitragssatzung zu münden. In solchen Fällen erschiene die Annahme einer „Verflüchtigung“ der Legitimation der Abgaben erhebenden Körperschaften zur Beitragserhebung wenig plausibel. Solche Pflichtigen durften von vornherein nicht die Erwartung hegen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, weil der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Sie mussten im Gegenteil mit der Festsetzung des Beitrages rechnen, wenn der Hoheitsträger seine Absicht zur Beitragserhebung bereits durch – ggf. wiederholten – Erlass eines Bescheides und dessen Verteidigung im Widerspruchs- oder gerichtlichen Verfahren unter gleichzeitigen Versuchen, gültiges Satzungsrecht zu schaffen, dokumentiert hat. Die Frage, ob ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen, wegen der Unwirksamkeit der Ausgangssatzung von einer Beitragspflicht überhaupt verschont zu bleiben, verfassungsrechtlichen (Vertrauens-)Schutz genießt, ist ohne Weiteres zu verneinen (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.04.1983 – 8 C 170/81 –, BVerwGE 67, 129; Urt. v. 28.11. 1975 – IV C 45.74 –, BVerwGE 50, 2 – jeweils zitiert nach juris). Dem etwaigen Vertrauen der Betroffenen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, fehlt die Schutzwürdigkeit, weil die Betroffenen mit der Heranziehung zu einem Beitrag rechnen müssen. Sie müssten damit nicht nur deshalb rechnen, weil Beiträge als Ausgleich für gewährte Sondervorteile erhoben werden und allenfalls unter ganz ungewöhnlichen Voraussetzungen schutzwürdig erwartet werden darf, dass eine nach ihrem Wesen beitragspflichtige Leistung gleichwohl beitragsfrei gewährt werden solle. Gegen die Rechtfertigung einer solchen Erwartung spricht vielmehr durchgreifend auch der vorangegangene Erlass einer (wenn auch nichtigen) Satzung, weil diese unmissverständlich den Willen der Gemeinde zum Ausdruck bringt, dass ein Beitrag erhoben werden soll. Bei der Würdigung des Schutzes eines etwaigen Vertrauens der Betroffenen ist der Umstand von besonderer Bedeutung, dass der Satzungsregelung in der Vergangenheit gleichartige Regelungsversuche vorangegangen sind und deshalb einem solchen Vertrauen, einen Beitrag nicht zahlen zu müssen, die Schutzwürdigkeit fehlt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.02.1996 – 8 B 13/96 –, juris; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 19.12.1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261 = juris, Rn. 54).

86

Daneben gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen worden sind, während allerdings die Abgaben erhebende Körperschaft die Beitragserhebung gegenüber Dritten erfolglos nach vorstehendem Muster betrieben hat, und die erstmalig, nachdem in einem rechtskräftigen Urteil von der Wirksamkeit der/einer Satzung ausgegangen wurde, herangezogen wurden.

87

Weiter gibt es Beitragspflichtige, die nicht zeitnah nach dem tatsächlichen Anschluss herangezogen wurden, weil die Abgaben erhebende Körperschaft die Abgabenerhebung zunächst nicht betrieben hat, und sodann erst nach mehreren Jahren/Jahrzehnten zu Beiträgen veranlagt wurden. Diese beispielhaft benannten Fallgruppen können zudem zur weiteren Ausdifferenzierung noch jeweils mit einem System der Refinanzierung von Herstellungskosten sowohl durch Beiträge als auch Gebühren kombiniert werden, wie es oben erörtert worden ist.

88

Selbst für den Fall, dass die erste Heranziehung all dieser verschiedenen Beitragspflichtigen aufgrund einer wirksamen Beitragssatzung zum gleichen Zeitpunkt bzw. nach der gleichen Zeitspanne zwischen Anschluss des Grundstücks/Erlangung des Vorteils und Ergehen des Bescheides erfolgen sollte, liegt es auf der Hand, dass ein Vertrauendürfen darauf, nicht zu einem Beitrag herangezogen zu werden, obwohl entsprechend – publiziertes – Beitragssatzungsrecht existiert, unterschiedlich stark ausgeprägt sein muss. Auch insoweit bedarf es folglich einer Einzelfallbetrachtung.

89

Der Landesgesetzgeber hat für den als Ausnahme zu qualifizierenden Fall einer in Betracht zu ziehenden „Verflüchtigung“ der Legitimation zur Beitragserhebung ein rechtliches Instrumentarium zur Verfügung gestellt, um den verschiedenen Fallgestaltungen und einer im Einzelfall nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmenden „Verflüchtigung“ des Vorteils gerecht werden zu können.

90

Nach § 12 Abs. 1 KAG M-V sind auf Kommunalabgaben die Vorschriften der Abgabenordnung in der jeweiligen Fassung entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Kommunalabgabengesetz M-V oder andere Gesetze besondere Vorschriften enthalten. Für die hier erörterten Einzelfälle kann eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) in einer vom Bundesverfassungsgericht anderweitig selbst vorgeschlagenen Weise in Betracht kommen (vgl. im Übrigen auch BVerwG, Pressemitteilung zu Urt. v. 20.03.2014 – 4 C 11.13 – u. a., wonach eine Lösung nach Treu und Glauben in Betracht gezogen werden kann). Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem "ungewollten Überhang" führen würde. Das aus Art. 2 Abs. 1 GG zu entnehmende Gebot, nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung zur Steuerleistung herangezogen zu werden (vgl. BVerfGE 19, 206 (215); 47, 1 (37)), enthält das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot, das dahin geht, dass der Steuerpflichtige nicht zu einer unverhältnismäßigen Vermögensteuer herangezogen wird. Dieses zwingt dazu, Befreiung von einer schematisierenden Belastung zu erteilen, wenn die Folgen extrem über das normale Maß hinausschießen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder anders ausgedrückt: wenn die Erhebung der Steuer im Einzelfall Folgen mit sich bringt, die unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellung durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind. Billigkeitsmaßnahmen dürfen jedoch nicht die einem gesetzlichen Steuertatbestand innewohnende Wertung des Gesetzgebers generell durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen. Daraus folgt, dass mit verfassungsrechtlich gebotenen Billigkeitsmaßnahmen nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden kann. Wenn solche Maßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen müssten, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig (vgl. zum Ganzen z.B. BVerfGE 99, 272; BVerfGE 48, 102 <116>).

91

Die Festsetzung einer Steuer ist aus sachlichen Gründen unbillig, wenn sie zwar dem Wortlaut des Gesetzes entspricht, aber den Wertungen des Gesetzes zuwiderläuft. Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber die Grundlagen für die Steuerfestsetzung anders als tatsächlich geschehen geregelt hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (vgl. BFH, Urt. v. 23.07.2013 – VIII R 17/10 –, juris; BFH-​Urteil in BFH/NV 2010, 606, m.w.N.).

92

Nach Ergehen der „Verflüchtigungsentscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts und mit Blick auf die gebotene Einzelfallprüfung ist davon auszugehen, dass bei Bejahung einer solchen „Verflüchtigung“ des Vorteils nach den dort formulierten Maßstäben ein entsprechender ungewollter Überhang der ansonsten verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des § 9 Abs. 3 KAG M-V mit ihrem Anknüpfen an das Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung anzunehmen ist, der einen Billigkeitserlass wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß § 227 AO nach sich ziehen muss (Ermessensreduktion auf Null von Verfassungs wegen) und bei Offensichtlichkeit der maßgeblichen Umstände ggfs. sogar schon eine Berücksichtigung im Erhebungsverfahren verlangt (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 20.05.2003 – 1 L 137/02 –, NordÖR 2003, 365 – zitiert nach juris). Die Beitragserhebung entspräche zwar dem Wortlaut des Gesetzes, aber liefe den Wertungen des Gesetzes zuwider. Der Landesgesetzgeber hätte neben den vorhandenen Regelungen zur Verjährung die Grundlagen für die Beitragserhebung anders als tatsächlich geschehen geregelt, wenn er die Verflüchtigungsproblematik als regelungsbedürftig erkannt hätte. Der Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V liegt ersichtlich die Vorstellung zugrunde, dass es den Abgaben erhebenden Körperschaften in überschaubarer Zeit gelingt, eine wirksame Satzung zu schaffen, dass ggfs. Verwaltungsgerichte zeitnah über die Wirksamkeit von Satzungen entscheiden und dass es nicht zu „Kettenunwirksamkeiten“ von Satzungen kommt.

93

Die gesetzliche Regelung wird nicht unterlaufen, da nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen bzw. nach Auffassung des Senats eine „Verflüchtigung“ nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Bei Betrachtung des Zeitraumes zwischen erstmaliger Vorteilserlangung und Beitragserhebung muss die nach der Wiedervereinigung festzustellende „Umbruchphase“ nach Auffassung des Senats für die Frage, wann eine „Verflüchtigung“ des Vorteils und daraus resultierendes Freiwerden von der Beitragspflicht eintreten kann, außer Betracht bleiben, weil sie für jedermann offensichtlich bzw. allgemeinkundig war. In dieser Zeit, die mindestens bis 1999 angedauert hat, konnte grundsätzlich kein Vertrauenstatbestand begründet werden, der die Schlussfolgerung einer „Verflüchtigung“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hätte begründen können.

94

cc) Folglich kann unter diesen Bedingungen im vorliegenden Verfahren keine „Verflüchtigung“ eingetreten sein. Alsbald nach Erlass der ersten wirksamen Beitragssatzung sind die Kläger zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden. Ihre Heranziehung liegt – vergleichsweise – wenige Jahre nach der erstmaligen Klärung der Frage nach der Beitragserhebung gegenüber sog. Altanschließern frühestens im Jahr 1999. Zudem hat der Beklagte ausweislich der Satzungshistorie des Zweckverbandes bereits seit 1992 die Erhebung von Anschlussbeiträgen betrieben. Die streitgegenständliche Beitragserhebung ist deshalb jedenfalls nicht aus sachlichen Gründen unbillig.

95

dd) Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides jedenfalls mit Blick auf § 12 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz KAG M-V und die dort geregelte zeitliche Grenze zum 31. Dezember 2008, bis zu der Grundstückseigentümer jedenfalls mit einer Heranziehung rechnen mussten, bejaht werden kann (vgl. insoweit OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.05.2013 – 9 S 75.12 –, juris, zum Brandenburgischen KAG). Ebenso wenig bedarf es einer Erörterung, ob die Festsetzung von Anschlussbeiträgen – ohne Rücksicht auf das Entstehen der Beitragsschuld und unbeschadet der Verjährungsregelungen – analog Art. 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG M-V ausgeschlossen ist, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind (vgl. VGH München, Urt. v. 14.11.2013 – 6 B 12.704 –, juris), und darin eine hinreichende Regelung dafür erblickt werden kann, dass nicht nach einer unübersehbaren Zahl von Jahren noch Beitragsansprüche geltend gemacht werden können.

96

C. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO.

97

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

98

Die Revision war mit Blick auf die Frage, ob die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes des Landes Mecklenburg-Vorpommern und im Besonderen § 9 Abs. 3 KAG M-V in Ansehung der Erhebung von Anschlussbeiträgen den rechtsstaatlichen, der Rechtssicherheit dienenden Geboten der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung tragen, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, wenn der Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag Trinkwasser.

2

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Flurstück G1, W.-Straße in B. mit einer Größe von 3.539 m², welches an die öffentliche Trinkwasserversorgungsanlage des Wasserzweckverbandes Strelitz angeschlossen ist.

3

Mit Bescheid vom 23. Dezember 2008 zog der Beklagte die Kläger jeweils zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 967,75 Euro netto zzgl. 19% Ust. in Höhe von 187,87 Euro, d.h. insgesamt 1.151,62 Euro heran. Dabei wies er darauf hin, dass die beiden Miteigentümer den zu entrichteten Betrag gemeinsam schuldeten, dieser aber nur einmal zu zahlen sei. Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2009 Widerspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides, was der Beklagte mit Schreiben vom 28. Januar 2009 ablehnte. Dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gab das erkennende Gericht mit Beschluss vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - teilweise statt, soweit die Beitragsfestsetzung den Betrag von 1.035,49 Euro übersteigt. Im Übrigen lehnte es den Antrag ab. Mit Beschluss vom 27. August 2009 – 1 M 91/09 – ordnete das OVG Greifswald die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs an, soweit sie vom erkennenden Gericht abgelehnt worden war. Auf den Antrag des Beklagten vom 3. März 2011 änderte das erkennende Gericht durch Beschluss vom 14. April 2011 – 3 B 260/11 - den Beschluss vom OVG Greifswald vom 27. August 2009 ab und lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs ab, soweit die Festsetzung im Bescheid vom 23. Dezember 2008 den Betrag von 1.035,49 Euro nicht übersteigt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OVG Greifswald mit Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 – zurückgewiesen.

4

Bereits mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010 hatte der Beklagte den Umsatzsteuersatz von 19 v.H. auf 7 v.H. reduziert und den zu zahlenden Anschlussbeitrag auf 1.035,49 Euro für das klägerische Grundstück festgesetzt. Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.

5

Die Kläger haben am 3. Juni 2011 Klage erhoben. Sie sind der Ansicht, dass die Heranziehung rechtswidrig sei. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage, da die Wasserabgabensatzung (WAgS) nichtig sei. Die der Beitragssatzung zugrundeliegenden Normen, insbesondere die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V, seien verfassungswidrig. Auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – und 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 – werde Bezug genommen. Damit sei der Anspruch verjährt.

6

Weiterhin habe der Beklagte die ihm durch das Kommunalabgabengesetz eingeräumte Satzungsbefugnis überschritten, indem er in Anlage 1 Ziff. 1.3 WAgS den Beitragssatz auf 0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (brutto 0,58 Euro/m²) festsetze. Mit der Festsetzung der Umsatzsteuer auf den Herstellungsbeitrag greife der Beklagte in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ein. Darüber hinaus seien Wasserversorgungsbeiträge nicht umsatzsteuerpflichtig.

7

Die dem Beitragssatz zugrunde liegende Kalkulation sei fehlerhaft. Rechtsfehlerhaft sei die Berechnung der zugrunde liegenden Herstellungskosten, deren Höhe ebenfalls bestritten werde. Auch ein prozentualer Abzug von den Investitionsaufwendungen, der dem Vorteil der Allgemeinheit – wie etwa für die Brandbekämpfung – entspreche, sei nicht erfolgt. Mit Nichtwissen werde zudem der ausgewiesene Anlagenwert in der Kalkulation bestritten. Der Beklagte habe in der Globalberechnung auch nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten unterschieden. Die Beitragssatzung sehe in § 1 Abs. 2 WAgS vor, dass bei Hausanschlüssen für die Deckung des Aufwandes für Herstellung und Erneuerung Beiträge erhoben werden können, wohingegen für die öffentliche Einrichtung Wasserversorgung nur Beiträge für die Anschaffung und Herstellung erhoben werden dürften. Weiterhin sei die Errechnung der beitragspflichtigen Fläche nicht nachvollziehbar.

8

Im Übrigen sei die Maßstabsregel unwirksam. Die Satzung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, als in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B. WAgS Grundstücke, die im Bereich eines B-Planes liegen, aber darüber hinaus reichten, anders veranlagt würden, als Grundstücke, für die ein B-Plan nicht bestehe, die aber im unbeplanten Innenbereich lägen, aber darüber hinaus in den Außenbereich ragten. Ähnliches gelte für die in der Satzung enthaltene Eckgrundstücksregelung. Auch diese verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Rechtsfehlerhaft sei darüber hinaus die Regelung der Nutzungsfaktoren gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. C. Abs. 1 WAgS, in der der Beklagte für das 2. und 3. Geschoss jeweils einen Steigerungsfaktor von 25 v.H. vorsehe, für das 4. und 5. Geschoss zusammen dagegen nur 25 v.H. und für das 6. Geschoss wiederum 25 v.H..

9

Die Kläger beantragen,

10

den Bescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008, abgeändert durch den Änderungsbescheid vom 18. Januar 2010, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 aufzuheben.

11

Der Beklagte verteidigt die angegriffenen Bescheide und beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Das Gericht hat mit Beschluss vom 9. August 2013 den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Die Einzelrichterin hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2013 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

16

1. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Beitragsbescheid des Beklagten vom 23. Dezember 2008 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. Januar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

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a) Gemäß § 1 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V) können Zweckverbände in Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben des eigenen Wirkungskreises Abgaben mit Ausnahme von Steuern erheben. Abgaben dürfen nur aufgrund einer Satzung erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V). Die dem Erlass der Wasserabgabensatzung und der Beitragserhebung zugrundeliegenden Vorschriften des KAG M-V sind wirksam. Sie verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht. Das gilt insbesondere für die Regelung der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht in § 9 Abs. 3 KAG M-V (vgl. dazu auch VG Schwerin, Urteil vom 11. April 2013 – 4 K 1250/12 –, juris). Das Anschlussbeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern hält den verfassungsrechtlichen Anforderungen stand.

18

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleisten Rechtssicherheit und Vertrauensschutz im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürger und Bürgerinnen sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris).

19

Nach den landesrechtlichen kommunalabgabenrechtlichen Regelungen konnte sich in Mecklenburg-Vorpommern kein Vertrauen der Abgabenschuldner darauf bilden, von der Erhebung von Anschlussbeiträgen verschont zu bleiben.

20

Das Kommunalabgabengesetz sieht seit seinem Inkrafttreten am 11. April 1991 (GVOBl. M-V 2009, 113) eine Erhebung von Beiträgen vor. Seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes vom 1. Juni 1993 (GVOBl. M-V 1993, 522) bestand eine Beitragserhebungspflicht (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. VG Greifswald, Beschluss vom 15. Juni 2011 – 3 B 484/11 –, n.v., m.w.N; a.A. OVG Greifswald, Urteil vom 3. Mai 2011 – 1 L 59/10 –, juris, Rn. 56 ff.), von der auch nach dem Inkrafttreten nach dem Kommunalabgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. April 2005 (GVOBl. M-V, 146) nur in atypischen Fällen abgewichen werden kann. Die Abgabenpflichtigen mussten mithin stets damit rechnen, dass die Aufgabenträger leitungsgebundene Anschlussbeiträge erheben würden. Der Umstand, dass in Mecklenburg-Vorpommern die sachliche Beitragspflicht für Anschlussbeiträge erst nach Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entsteht (§ 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V), gibt für einen Vertrauenstatbestand gleichfalls nichts her. Wird eine unwirksame durch eine wirksame Satzung ersetzt, liegt darin keine echte Rückwirkung, da die Satzung nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreift, sondern an einen fortdauernden, abgabenrechtlich bisher nicht aktualisierten Zustand andere abgabenrechtliche Folgerungen knüpft (BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 – 8 B 123/84 –, juris). Der durch eine ungültige Norm erzeugte Rechtsschein ist keine Grundlage für den Vertrauensschutz des Normunterworfenen (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 19. Dezember 1961 – 2 BvL 6/59 –, BVerfGE 13, 261). Der Umstand, dass nach der genannten Regelung unwirksame Beitragssatzungen abgabenrechtlich und im Sinne des Erlöschenstatbestandes der Festsetzungsverjährung ohne Belang sind, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen im Falle solcher Satzungen, sondern steht diesem allenfalls entgegen (vgl. für rückwirkende Abgabensatzungen BVerfG, Beschluss vom 3. September 2009 – 1 BvR 2384/08 –, juris). Schließlich genießen auch diejenigen Beitragspflichtigen keinen besonderen Vertrauensschutz, deren Grundstücke schon vor Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes tatsächlich an eine leitungsgebundene öffentliche Anlage angeschlossen waren (sog. Altanschließer). Auch ihre Heranziehung ist abgabenrechtlich geboten und stellt sich nicht als unzulässige Rückwirkung dar (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 13. November 2011 – 1 L 192/08 –, juris; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 21. September 2012 – 46/11 –, juris, zur vergleichbaren Rechtslage in Brandenburg).

21

bb) Das Rechtstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchem Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsgleichheit und Belastungsvorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris). Die Regelungen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern über die Entstehung und Festsetzung von Anschlussbeiträgen verstoßen auch nicht gegen dieses verfassungsrechtliche Gebot.

22

Schmutz- und Trinkwasserbeiträge nach § 9 KAG M-V knüpfen nicht an in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge an. Die Legitimation des Anschlussbeitrags ergibt sich vielmehr aus der Überlegung, dass das bevorteilte Grundstück durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Anlage (§ 9 Abs. 3 KAG M-V) eine dauerhafte Erschließung erfährt. Der Vorteilsbegriff ist grundstücksbezogen, der abzugeltende Vorteil ist für das Grundstück in der positiven Veränderung der Erschließungssituation zu sehen (OVG Greifswald, Beschluss vom 20. Oktober 1998 – 1 M 17/98 –, juris). Die Möglichkeit des Anschlusses an eine Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage ist für die ordnungsgemäße Erschließung eines Grundstücks in gleicher Weise erforderlich wie etwa das Vorhandensein einer Straße. Eine ausreichende und auf Dauer gesicherte Erschließung ist sowohl nach Bauplanungsrecht – §§ 30 ff. Baugesetzbuch (BauGB) – als auch nach Bauordnungsrecht unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung eines Grundstücks zu baulichen Zwecken. Die Sicherung der Erschließung bezieht sich somit nicht nur auf den Zeitpunkt der erstmaligen Herstellung. Vielmehr wirkt die durch die Sicherung der Erschließung herbeigeführte Bebaubarkeit eines Grundstücks auf die Zukunft ab der erstmaligen Herstellung der Anlage. Beitragsfähig ist nur der Vorteil, der rechtlich sicher und auf Dauer geboten wird (Dietzel, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: März 2007, § 8, Rn. 532 ff.; vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 29. August 2013 – AN 3 S 13.01273 –, juris, zum Erschließungsbeitragsrecht). Der Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag wird nicht dafür gezahlt, dass das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen wurde oder angeschlossen werden konnte, sondern dafür, dass es angeschlossen ist oder angeschlossen werden kann und auf Dauer angeschlossen bleibt.

23

Soweit das Bundesverfassungsgericht der Auffassung ist, die Legitimation von Beiträgen liege in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45) und damit in einem tatsächlichen Vorgang, der zeitlich immer weiter in die Vergangenheit rücke, vermag die Kammer dem in Ansehung der landesrechtlichen Vorschriften zum Anschlussbeitragsrecht nicht zu folgen. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht insoweit auf die eigene Rechtsprechung bezieht, führt das nicht weiter. Der zitierte Beschluss vom 12. Oktober 1978 (2 BvR 154/74 –, BVerfGE 49, 343) betrifft keinen Beitrag, sondern eine Steuer und erwähnt nur allgemein das Vorteilsprinzip. In der weiterhin angeführten Entscheidung findet sich gleichfalls kein Beleg für den aufgestellten Rechtssatz. Dort heißt es in Übereinstimmung mit den oben dargestellten beitragsrechtlichen Grundsätzen zur Rechtfertigung von Vorzugslasten im Präsens: „So empfängt, wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nimmt, einen besonderen Vorteil, der es rechtfertigt, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen“ (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1995 – 2 BvR 413/88 –, 2 BvR 1300/93 –, BVerfGE 93, 319). Von einem abgeschlossenen Vorgang ist dort gerade nicht die Rede.

24

Das landesrechtliche Anschlussbeitragsrecht knüpft die Beitragserhebung auch nicht insoweit an einen in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossenen Vorgang, als ein vormaliger Eigentümer des bevorteilten Grundstücks zeitlich unbegrenzt zum Schmutz- bzw. Trinkwasserbeitrag herangezogen werden könnte. Nach dem gesetzlichen Regelfall des § 7 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides Eigentümer des bevorteilten Grundstücks ist. Sachliche und persönliche Beitragspflicht fallen (erst) hier zusammen. Wer das Eigentum am betreffenden Grundstück verliert und durch die abgerechnete öffentliche Einrichtung nicht mehr bevorteilt ist, muss regelmäßig auch nicht mehr damit rechnen, zu einem Anschlussbeitrag herangezogen zu werden.

25

Soweit § 7 Abs. 2 Satz 2 KAG M-V eine davon abweichende Regelung des Ortsgesetzgebers erlaubt, ist das verfassungsrechtlich unbedenklich. Wenn die Abgabensatzung bestimmt, dass persönlich beitragspflichtig ist, wer bei Entstehen der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer des bevorteilten Grundstücks war, ist damit kein ungewisser oder unbegrenzter Zeitraum nach Ende der Vorteilslage in Gang gesetzt, in dem eine Beitragserhebung rechtmäßig erfolgen könnte. Der von der Regelung betroffene Grundstückseigentümer kann der Satzung vielmehr entnehmen, wann die sachliche Beitragspflicht entstanden ist und damit auch, wann die persönliche Beitragspflicht wegen der Festsetzungsverjährung gemäß § 12 Abs. 1 und 2 KAG M-V i.V.m. §§ 47, 169 bis 171 Abgabenordnung (AO) erlöschen wird.

26

Nach alledem genügt das einschlägige Kommunalabgabenrecht in Mecklenburg-Vorpommern den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot der Rechtssicherheit folgenden verfassungsrechtlichen Vorgaben. Solange ein Grundstück durch eine zentrale Abwasserentsorgungs- bzw. Trinkwasserversorgungsanlage bevorteilt ist, ist es legitim, dessen Eigentümer zu einem Anschlussbeitrag heranzuziehen, sobald die sachliche Beitragspflicht durch eine wirksame Beitragssatzung des Aufgabenträgers der Höhe nach ausgeprägt wurde. Die Verjährungsregelungen gewährleisten bereits einen gerechten Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Realisierung der (entstandenen) Beitragsansprüche und den schutzwürdigen Interessen der Beitragspflichtigen, nach Ablauf eines gewissen Zeitraums nicht mehr mit ihrer Inanspruchnahme rechnen zu müssen. Dies gilt auch für den Fall, dass der persönlich Beitragspflichtige ausnahmsweise bei der Festsetzung des Beitrags nicht mehr Eigentümer des Grundstücks ist. Die Kammer vermag dem vom Bundesverfassungsgericht allgemein aufgestellten Rechtssatz, der Gesetzgeber sei verpflichtet sicherzustellen, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris, Rn. 45), nicht zu folgen, da sie die Legitimation von Anschlussbeiträgen nicht aus dem einmaligen Akt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit, sondern aus der auf Dauer gesicherten Anschlussmöglichkeit selbst herleitet. Aus dem Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 2013 (– 1 BvR 1282/13 –, juris) ergibt sich insoweit nichts anderes.

27

2. Der angefochtene Bescheid findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die öffentliche Wasserversorgung der Grundstücke (Wasseranschlusssatzung – WAS) vom 27. November 2007 in der Fassung der Zweiten Änderungssatzung vom 17. Februar 2011, rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getreten, i.V.m. der am 10. August 2011 beschlossenen, am 17. August 2011 ausgefertigten und nach § 24 Satz 1 rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Satzung des Wasserzweckverbandes Strelitz über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die öffentliche Wasserversorgung (Wasserabgabensatzung – WAgS). Die Satzungen sind nach derzeitiger Kenntnis wirksam (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 289/11 –, juris; Beschluss vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, n.v.).

28

Soweit die Kläger einwenden, der festgesetzte Beitragssatz sei deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte in der Globalberechnung nicht zwischen Erneuerungs- und Herstellungskosten differenziere und Erneuerungskosten nicht von § 1 Abs. 2 a 1. Alt WAgS erfasst werden würden, verfängt dieser Einwand nicht. Die Kläger verkennen, dass in die Globalkalkulation keine „Erneuerungskosten“ eingeflossen sind. Denn solange sich die öffentliche Anlage einschließlich der darin einbezogenen Hausanschlüsse in der Herstellungsphase befindet, weil sie ihre Endausbaustufe noch nicht erreicht hat, stellen sich alle notwendigen Maßnahmen an einzelnen Bestandteilen der Anlage als Herstellungsmaßnahme dar, auch wenn sie einen Austausch vorhandener Anlagenbestandteile beinhalten. Dies gilt auch, wenn der Betreiber eine Altanlage „übernommen“ hat. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Wasserkanäle bewirkt keine Verbesserung bzw. Erneuerung im beitragsrechtlichen Sinne; sie ist lediglich ein unselbstständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird (OVG Greifswald, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 4 K 16/10 –, juris, Rn. 20; Beschluss vom 21. April 1999 – 1 M 12/99 –, juris; Urteil vom 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 –, juris m.w.N.).

29

Der Wasserzweckverband Strelitz befand sich ausweislich der vorliegenden Globalkalkulation bis zum 31. Dezember 2009 in der Herstellungsphase. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das Trinkwasserversorgungskonzept 2000 umgesetzt und die Investitionen damit abgeschlossen (vgl. Seite 4 der Globalkalkulation). Der Kalkulationszeitraum für den höchstzulässigen Beitragssatz begann mit dem 3. Oktober 1990 und endete mit dem 31. Dezember 2009. Nur die in diesem Zeitraum angefallenen Aufwendungen/Investitionen sind in die Globalkalkulation eingeflossen. Darauf hat der Beklagte auch in seinem Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2011, Seite 4, hingewiesen.

30

Da in die Globalkalkulation keine Aufwendungen für die Erneuerung der Anlage eingeflossen sind, bestand für den Satzungsgeber keine Verpflichtung, die Erhebung von Erneuerungsbeiträgen in der Beitragssatzung zu regeln. Eine solche ergibt sich auch nicht aus dem Kommunalabgabengesetz. Zwar haben die Kläger zutreffend angeführt, dass das Kommunalabgabengesetz in § 9 zwischen Herstellungs- und Erneuerungskosten differenziert. Allerdings können neben den Anschaffungs- und Herstellungsbeiträgen nach Satz 1 Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Erneuerung erhoben werden, vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Eine Verpflichtung zur Erhebung von Erneuerungsbeiträgen besteht daher nicht und bedarf somit keiner zwingenden gesetzlichen Regelung in der Beitragssatzung.

31

Der Einwand der Kläger, die vom Beklagten in der Kalkulation geltend gemachten Herstellungskosten bis zum Jahr 2009 und der angeführte Anlagenwert werde der Höhe nach bestritten, verfängt nicht. Er ist nicht geeignet, Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Kalkulation zu begründen. Es ist Sache der Kläger, etwaige Satzungs- oder Rechtsanwendungsfehler hinreichend bestimmt darzulegen. Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Kläger nicht. Die Kläger haben keinerlei Umstände dargelegt, aus denen die Unrichtigkeit der Angaben des Beklagten über die Herstellungskosten folgen könnte. Auch aus dem vorliegenden Prozessstoff ergeben sich keine dahingehenden Anhaltspunkte, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die Behauptung aufs Geratewohl aufgestellt worden ist. Sie ist damit nicht geeignet, weitere gerichtliche Ermittlungen auszulösen. Dies liefe auf eine auch vom verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nicht mehr gedeckte Fehlersuche „ins Blaue“ hinaus. Denn der Untersuchungsgrundsatz ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht würde mit seiner Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden (BVerwG, Buchholz 310 § 86 Nr. 76).

32

Auch mit Blick auf die Regelung in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtswirksamkeit der Wasserabgabensatzung. Gemäß Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 1 WAgS beträgt der Beitragssatz betreffend die Herstellung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage „0,49 Euro/m² Nutzungsfläche (Brutto 0,58 Euro/m²)“. Die Regelung geht also von einem Umsatzsteuersatz von 19 v.H. aus, der zunächst auch der streitgegenständlichen Beitragsfestsetzung zugrunde lag. Dies ist unzutreffend. Es ist von einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 v.H. auszugehen (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 –, juris). Die Wirksamkeit der Satzung ist damit nicht in Frage gestellt. Denn die Bruttoangabe – worauf schon die Einklammerung hinweist – ist lediglich deklaratorischer Natur. Zudem wäre allenfalls von einer Teilunwirksamkeit des Klammerzusatzes auszugehen; der Umsatzsteuersatz ergibt sich ohnehin von Gesetzes wegen, er bedarf keiner Ausweisung in der Satzung, zumal der Zweckverband ihn auch nicht abweichend vom Gesetz festlegen dürfte (OVG Greifswald, Urteil vom 10. Oktober 2012 – 1 L 27/09 –, juris Rn. 68).

33

Der in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. A WAgS geregelte Beitragsmaßstab ist nicht zu beanstanden. Gegen den normierten abgestuften Vollgeschossmaßstab, bei dem zunächst die maßgebliche Grundstücksfläche ermittelt und sodann diese mit einem Nutzungsfaktor vervielfacht wird, bestehen grundsätzlich keine Bedenken (vgl. OVG Greifswald, Urteil vom 15. März 1995 – 4 K 22/94 –, juris). Auch die in Anlage 1 Ziff. 1.3 Abs. 2 lit. C Abs. 1 WAgS festgelegte Steigerung der Nutzungsfaktoren ist rechtmäßig. Der Nutzungsfaktor für das erste Vollgeschoß beträgt 1,0, für das zweite und dritte Vollgeschoss je 0,25, für das vierte bis fünfte Vollgeschoss 0,25 und für das sechste Vollgeschoss 0,25. Die Regelung orientiert sich damit an der in § 17 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) i.d.F. vom 1. Oktober 1970, gültig bis zum 26. Januar 1990, vorgesehenen Nutzungssteigerung je Geschoss.

34

Dagegen gibt es nichts zu erinnern. Welchen Maßstab der Ortsgesetzgeber für die Steigerung des Nutzungsfaktors nach dem ersten Vollgeschoss wählt, dass heißt, ob der Nutzungsfaktor linear-progressiv oder degressiv ansteigt und in welchen Stufen, liegt grundsätzlich im Ermessen des Satzungsgebers. Er muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr findet das Ermessen des Satzungsgebers erst dort seine Grenze, wo sich sachliche Gründe für die Abstufung nicht mehr finden lassen oder der gewählte Maßstab ersichtlich unangemessen und deshalb dem Vorteilsprinzip und dem Gleichheitssatz nicht mehr entsprechend ist.

35

Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, dass die vier- und fünfgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke einerseits sowie die sechsgeschossig bebaubaren (bebauten) Grundstücke andererseits mit jeweils einem einheitlichen Nutzungsfaktor belegt sind, d.h. dass nicht jedem unterschiedlichen Maß der Nutzung ein unterschiedlicher Nutzungsfaktor entspricht. Die Regelung hält sich im Rahmen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten ortsgesetzgeberischen Ermessens (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979 – 4 C 84.75 –, juris; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003 – 2 M 255/02 –, juris, Rn. 28ff. für das Erschließungsbeitragsrecht; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001 – 5 B 501/01 –, juris; Urteil vom 28. Oktober 2010 – 5 D 5/06 –, juris). Mit dem kombinierten Grundstücksflächen- und Vollgeschossmaßstab wird von vornherein die an sich die Ausnutzbarkeit der Grundstücke genauer wiedergebende Geschossfläche vernachlässigt (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O.). Dies ist jedoch unbedenklich, da grundsätzlich nicht jedem (auch nur geringen) Unterschied in der zulässigen Nutzung durch entsprechende Unterschiede im Verteilungsmaßstab Rechnung zu tragen ist (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 – IV C 92.74 –, ZMR 1978, 146). Die den Anschlussbeitrag auslösenden Vorteile sind zwar der Sache nach daran zu messen, was der Anschluss für die bauliche oder gewerbliche Nutzung der Grundstücke hergibt; dennoch sind Anschlussvorteil und bauliche Nutzbarkeit nicht „gleiche Größen“; der größere oder kleinere Anschlussvorteil lässt sich mit Hilfe der jeweiligen baulichen Nutzung niemals genau, sondern nur grob fassen. Aus diesem Grund wird ein Beitragsmaßstab den Anforderungen des Kommunalabgabenrechtes gerecht, wenn unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Überschaubarkeit sowie der zulässigen Typisierung und Pauschalierung nur erhebliche, hinreichend abgrenzbare Unterschiede der den Beitragsvorteil bewirkenden Nutzbarkeit in typischen Fallgruppen nach dem Maß (und der Art) der Nutzung angemessen erfasst werden (BVerwG, Urteil vom 26. Januar 1979, a.a.O. zum Erschließungsbeitragsrecht; OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., juris, Rn. 28).

36

Unter Beachtung dieser Grundsätze stellt sich die Zusammenfassung des vierten und fünften Vollgeschosses unter einem einheitlichen Nutzungsfaktor und die weitere Steigerung von 0,25 für das sechste Vollgeschoss als zulässig dar. Denn der Unterschied zwischen viergeschossiger und fünfgeschossiger Wohnbebauung ist nicht so groß, dass man für das vierte und fünfte Vollgeschoss nicht von annähernd gleichen Vorteilen ausgehen und eine Zusammenfassung zu einem einheitlichen Nutzungsfaktor nicht als zulässig ansehen könnte (vgl. OVG Magdeburg, Beschluss vom 24. Juni 2003, a.a.O., m.w.N.; a.A. OVG Bautzen, Urteil vom 22. August 2001, a.a.O.). Denn erfahrungsgemäß steigt – bei gleicher überbaubarer Fläche – die mögliche Geschossfläche beim Übergang von einem Geschoss zum nächsthöheren Geschoss immer weniger an. Hinzu kommt, dass bei einer zunehmenden höheren Bebauung gleichzeitig die tatsächlich bebaubare Grundstücksfläche wegen der Abstandsflächenregelungen typischerweise sinkt. Die Nutzungsflächensteigerung verringert sich damit mit jedem weiteren Vollgeschoss. Diesen Abnehmen der überbaubaren Fläche wird mit der degressiven Gestaltung der Nutzungsfaktoren Rechnung getragen.

37

Soweit die Kläger weiterhin einwenden, die Maßstabsregel in Anlage 1 Ziff. 1.3 lit. B WAgS und die Eckgrundstücksregelung verstießen gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Flächenberechnung in der Kalkulation sei fehlerhaft und der Beklagte habe in der Kalkulation keinen Abzug für Investitionen vorgenommen, die der Allgemeinheit zugute kämen (wie etwa für die Brandbekämpfung), verfangen diese, bereits in den einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgetragenen Einwendungen, nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen in den Beschlüssen der erkennenden Kammer vom 6. Mai 2009 – 3 B 249/09 - und 14. April 2011 – 3 B 260/11 – sowie des OVG Greifswald vom 5. Juli 2012 – 1 M 59/11 –, verwiesen. An diesen wird festgehalten.

38

3. Gegen die Rechtsanwendung gibt es nichts zu erinnern.

39

Es kann als geklärt gelten, dass Wasserversorgungsbeiträge umsatzsteuerpflichtig sind und die Umsatzsteuer auf die Beitragspflichtigen nach Maßgabe des Landesrechtes abgewälzt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil 29. April 1988 − 8 C 33.85 −, juris; OVG Greifswald, Beschluss vom 30. November 2009 – 1 M 134/09 −, juris).

40

Die Berechnung des Beitrages ist rechtsfehlerfrei. Die Veranlagung des Grundstücks nach Anlage 1 Ziffer 1.3 Buchst. B Absatz c) WAgS ist nicht zu beanstanden. Danach gilt als Grundstücksfläche bei Grundstücken, für die kein Bebauungsplan besteht und die innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegen (§ 34 BauGB), die Gesamtfläche des Grundstücks, höchstens jedoch die Fläche zwischen der jeweiligen Straßengrenze und einer im Abstand von 50 m dazu verlaufenden Parallelen. Das klägerische Grundstück liegt nach Auffassung der Kammer innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB, so dass sich unter Beachtung einer Tiefenbegrenzungslinie von 50 m und einer Breite des Grundstücks von 39,50 m eine zu veranlagende Fläche von 1.975 m² ergibt. Der errechnete Beitrag von 1.035,49 Euro ist rechtsfehlerfrei.

41

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Klärung der Frage der Vereinbarkeit des Kommunalabgabengesetzes mit dem Verfassungsrecht zuzulassen

42

(§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger sind befugt, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen einen Beitragsbescheid für den Anschluss an die zentrale Schmutzwasserentsorgung.

2

Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks auf der A-Stadt mit einer Größe von 300 m² (Flurstücksbezeichnung Gemarkung O., Flur 2, Flurstück 177).

3

Mit Beitragsbescheid vom 06. Oktober 2010 erhob der Beklagte für das genannte Grundstück einen Herstellungsbeitrag für die zentrale Schmutzwasserentsorgungsanlage in Höhe 933,10 €. Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 12. Oktober 2010 Widerspruch ein, den sie umfangreich begründeten.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2012 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, dass er nunmehr mit seiner Beitragssatzung vom 03. März 2010 über gültiges Satzungsrecht für die Erhebung von Anschlussbeiträgen verfüge. Dies sei die erste wirksame Satzung des Zweckverbandes. Seit einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald vom April 1999 sei es ständige Rechtsprechung aller Verwaltungsgerichte in Mecklenburg-Vorpommern, dass Beiträge von allen angeschlossenen Grundstücken erhoben werden, selbst wenn diese bereits „altangeschlossen“ seien. Der Verband habe in seine Anlage erhebliche Investitionen getätigt. So seien ab Januar 1997 fast alle Kläranlagen auf dem Stand der Technik umgebaut worden. Dies habe an den meisten Standorten faktisch einen Neubau bedeutet. Der Widerspruchsbescheid wurde am 17. Juli 2012 zugestellt.

5

Am 03. August 2012 haben die Kläger hiergegen Klage erhoben. Sie meinen, dem Bescheid fehle eine wirksame Rechtsgrundlage. Die maßgebliche Satzung habe keine gültige Rechtsgrundlage. Die für die Satzung herangezogene Rechtsgrundlage des § 9 Abs. 3 KAG M-V sei nichtig. Soweit das Gesetz bestimme, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung entstehe, verstoße eine derartige Regelung gegen Artikel 20 Abs. 3 GG. Auch seien das Bestimmtheitsgebot und das Transparenzgebot in nicht hinnehmbarer Weise verletzt. Die Regelung modifiziere die verfassungsrechtlichen Vorgaben über das Inkrafttreten von Gesetzen und Rechtsverordnungen. Für den Bürger sei nicht erkennbar, wann das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht sein könne.

6

Darüber hinaus gelte folgendes,

7

- durch den Beklagten sei keine öffentliche Einrichtung hergestellt worden,
- der Beklagte biete den Klägern keinen Vorteil durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung,
- eine Inanspruchnahme durch Beitragsbescheid sei verjährt/verwirkt,
- eine Inanspruchnahme der Kläger verstoße gegen das Vertrauensschutzgebot und das Gleichbehandlungsverbot.

8

Zu Zeiten der DDR habe es auf der A-Stadt eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage gegeben. Diese Abwasserbeseitigungsanlage sei von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betrieben worden. Dieser Betrieb sei den jetzigen Eigenbetrieben der Kommunen vergleichbar. Deshalb habe auch zu DDR-Zeiten eine öffentliche Einrichtung der Wasserver- und Abwasserentsorgung existiert. Die von dem VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung E-Stadt betriebene Anlage sei letztlich auf den Beklagten übergegangen. Die Kläger seien seit den Zeiten des VEB Wasserversorgung bis zum Entstehen des Beklagten unverändert mit ihrem Grundstück an die Abwasserbehandlungsanlage angeschlossen gewesen. Die Erhebung eines Herstellungsbeitrages sei daher rechtswidrig. Unter Herstellung sei begrifflich etwas Neues zu verstehen. Eine Abwasseranlage werde hergestellt, wenn zuvor keine Abwasserbehandlungsanlage gegeben habe.

9

Die Anlage böte den Klägern auch keinen Vorteil. Die Kläger hätten auch zuvor ihr Abwasser entsorgen können. Allein der Wechsel der Rechtsträgerschaft könne nicht als Vorteil im Sinne des Beitragsgesetzes angesehen werden.

10

Der Beitrag sei auch verjährt. Die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und Steuern betrage vier Jahre. Sie beriefen sich darauf, dass bereits das Kommunalabgabengesetz von 1993 eine Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht enthalte. Die Regelung im KAG 1993 habe auch vorgesehen, dass eine Abgabensatzung rückwirkend erlassen werde, damit ein Beitragspflichtiger noch in Anspruch genommen werden könne. Die Inanspruchnahme eines nicht angeschlossenen Grundstücks zu einem Anschlussbeitrag könne in der Tat frühestens mit dem Inkrafttreten von entsprechenden Satzungsregelungen gerechtfertigt werden. Für bereits angeschlossene Grundstücke gelten derartige Erwägungen aber nicht. Hier sei als Entstehungszeitpunkt ausschließlich auf den Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Einrichtung der Anlage abzustellen. Für die endgültige Herstellung der leitungsgebundenen Anlage zur Schmutzwasserversorgung sei das Jahr 1993 zugrunde zu legen. Die Festsetzungsfrist sei daher bereits länger verstrichen. Selbst wenn man hineinlesen wolle, dass das Tatbestandmerkmal einer wirksamen Satzung habe vorliegen müssen, so hätte der Beklagte seit dem Jahr 1993 über eine entsprechende wirksame Beitragssatzung verfügt. Die am 22. Dezember 1993 erlassene Beitragssatzung sei zu keinem Zeitpunkt in einem förmlichen Verfahren für unwirksam erklärt worden. Auch die Nachfolgesatzungen seien nicht offiziell für unwirksam erklärt worden. Vor diesem Hintergrund werde es als unzulässig angesehen, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall feststelle, dass Satzungen rechtsunwirksam gewesen seien. Diese Feststellung sei vom Verwaltungsgericht quasi ungefragt erfolgt. Eine Normverwerfungskompetenz sei dem Verwaltungsgericht nicht zugewiesen.

11

Weiter verstoße die Heranziehung gegen das Gleichbehandlungsverbot. Entgegen der gefestigten Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald sei eine derartige Heranziehung unbillig. Denn es sei gerade keine wesentlich gleiche Ausgangssituation gegeben. Soweit das OVG Greifswald in seiner Entscheidung vom 21. April 1999 feststelle, dass erstmalig den Grundstückseigentümern ein rechtlich gesicherter Vorteil geboten worden sei, so sei diese Feststellung unhaltbar, denn auch zu DDR-Zeiten hätten die Eigentümer einen rechtlich gesicherten Vorteil gehabt.

12

Die Heranziehung mehr als zwanzig Jahre nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern verstoße gegen das Rechtsstaatsgebot des Artikel 19 Abs. 4, Artikel 20 GG. Danach sei die Exekutive verpflichtet, Rechtssicherheit und Vertrauensschutz zu gewährleisten. Dies gelte auch im Hinblick auf Verjährungsvorschriften. Verjährungsvorschriften stellten Rechtssicherheit her. Der hierin zum Ausdruck kommende Grundsatz der Rechtssicherheit könne nicht aushebelt werden.

13

Die Kläger beantragen,

14

den Bescheid des Beklagten vom 06.10.2010 in der Fassung des Widerspruchs-bescheides des Beklagten vom 12.07.2012 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Er meint, die von den Klägern angesprochenen Fragen zum Satzungsrecht sowie zur sogenannten „Altanschließer-Rechtsprechung“ seien seit geraumer Zeit hinreichend in der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald geklärt. Der Bescheid verfüge auch nach der Rechtsprechung der Kammer über wirksames Satzungsrecht. Es möge sein, dass das Grundstück der Kläger unverändert an eine zentrale Anlage angeschlossen sei. In die Beitragskalkulation seien aber nur die Investitionen eingeflossen, die seit dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern in die Anlage investiert worden seien. Dies seien die Herstellungsmaßnahmen im Sinne des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern und damit ein Herstellungsbeitrag im rechtlichen Sinne und nicht im technischen Sinne. Darüber hinaus hätten die Kläger auch nicht „denselben“ Vorteil wie zu DDR-Zeiten sondern eine nach heutigen Maßstäben technisch einwandfreie Anlage. Eine Heranziehung sei auch nie so fair wie heute gewesen, da nunmehr über den langen Zeitraum ein mit „harten“ Zahlen unterlegbares Kalkulationswerk vorliege und man nicht nur auf Prognosen angewiesen sei. Ein Vertrauensschutz oder eine Verwirkung, komme daher nicht in Betracht, da allen Beteiligten jederzeit bekannt gewesen sei, dass der Beklagte sich um eine rechtlich einwandfreie Beitragserhebung bemühe und dies nur durch eine „höchst dynamische Rechtsprechung“ im Lande verzögert worden sei. Die Investitionen seien im Sinne aller Anschlussberechtigten auch getätigt worden. Wo in abgabenrechtlich fairerweise das Geld sonst herkommen solle, lasse die Klägerseite leider unerwähnt.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge, den Inhalt der Gerichtsakte und die in dem Verfahren 8 A 3/12 vorgelegten Vorgänge zur Kalkulation des Beitragssatzes.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

20

Der Zweckverband Wismar, die Körperschaft des Beklagten, ist rechtlich existent. Sie verfügt über eine wirksame Satzung zur Erhebung von Beiträgen. Diese Satzung entspricht den Vorgaben des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern (KAG M-V), das Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern selbst verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

21

Zur Gründung und Existenz des Beklagten hat das Gericht schon in seiner Entscheidung vom 15. März 2011 (siehe unten, 8 A 547/11, dokumentiert bei juris) Stellung genommen, daran hält das Gericht weiter fest. Ebenso hält das Gericht an seinen Ausführungen zur Wirksamkeit der beschlossenen Beitragssatzung fest. Es handelt sich in der Tat um die erste wirksame Beitragssatzung des Zweckverbandes.

22

Die der Satzung zugrundeliegenden Normen des Kommunalabgabengesetzes Mecklenburg-Vorpommern verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht, so insbesondere nicht die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V; auch nicht vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08; zitiert nach juris).

23

Nach § 9 Abs. 3 KAG M-V entsteht die sachliche Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der ersten wirksamen Satzung. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber in der Gesetzesnovelle von 2005 klargestellt, was zuvor seit 1999 ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald war, dass Beiträge nur erhoben werden können, wenn sie auf eine rechtswirksame Satzung verweisen können (OVG Greifswald, Besch. v. 08.04.1999 – 1 M 41/99). Dies hat die Kammer seit jeher ebenso gesehen. Auch vor dem Hintergrund der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hält die Kammer an ihrer Rechtsprechung fest.

24

Zunächst handelt es sich bei der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. Buchst b) cc) Bayerisches Kommunalabgabengesetz (Bay-KAG vom 04. April 1993) um eine Verjährungsregelung, die in gleicher oder ähnlicher Weise im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht existent ist. Die Besonderheit der beanstandeten Regelung ist darin zu sehen, dass nach bayerischem Landesrecht augenscheinlich eine Anschlussbeitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt werden muss, damit sie – bislang „in satzungsloser Zeit“ ergangene – Abgabenbescheide heilen kann. Vom Bundesverfassungsgericht ist nunmehr beanstandet worden, dass der Satzungsgeber zwar praktisch in beliebig lange Zeiträume rückwirkend eine Satzung erstmalig in Kraft setzen kann, ohne dabei gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot zu verstoßen, die Regelung des Art 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) cc) Bay-KAG, der zu Folge die Verjährungsfrist immer erst in der Zukunft nach dem Erlass der ersten wirksamen Satzung zu laufen beginnt, hingegen dazu führen kann, dass zwischen Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und dem Eintritt der Festsetzungsverjährung ein nicht mehr mit dem Verfassungsgrundsatz der Rechtssicherheit zu vereinbarender Zeitraum liegen kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nach dem bayerischen Landesrecht beitragspflichtig derjenige ist, der im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist oder war. Es kommt hingegen nach der dortigen Regelung nicht darauf an, ob er im Zeitpunkt des Erlasses des Anschlussbeitragsbescheides noch Eigentümer oder sonstiger Beitragspflichtiger ist.

25

Eine vergleichbare Verjährungsregelung gibt es im Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern nicht. § 12 Abs. 2 KAG M-V i.V.m. § 169 AO setzt die Verjährungsfrist für alle Fälle auf vier Jahre ab dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht fest. Ein beliebiges Auseinanderklaffen von Entstehung der Beitragspflicht und Eintritt der Verjährung ist damit ausgeschlossen. Wird eine Beitragssatzung rückwirkend in Kraft gesetzt, wie im Straßenbaubeitragsrecht in Mecklenburg-Vorpommern, beginnt auch die Verjährungsfrist ab dem rückwirkenden Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht zu laufen (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 9.6.1999 – 1 L 307/98 -, juris). Es gelten die gewöhnlichen Regelungen über die Unterbrechung bzw. Hemmung der Verjährungsfrist.

26

Auch die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V unterliegt nach Auffassung der Kammer in Ansehung der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

27

§ 9 Abs. 3 KAG M-V regelt das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht für Anschlussbeiträge in der Weise, dass die Beitragspflicht entsteht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Satzung. Dabei stellt die Formulierung „erste(n) wirksame(n)“ eine Präzisierung gegenüber der zuvor geltenden Regelung des § 9 Abs. 7 Satz 2 KAG M-V 1993 dar, die in der Rechtsprechung des OVG Greifswald stets in gleicher Weise ausgelegt worden war.

28

Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger widerspricht die Regelung nicht dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtssicherheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in der genannten Entscheidung dazu ausgeführt: Rechtsicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerin und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtsicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischen Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und – Vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Element des Rechtsstaatsprinzip sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten (BVerfG, a. a. O., Rn. 41).

29

Das Gericht hat weiter ausgeführt, dass auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, der Gesetzgeber verpflichtet ist, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt – unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist. Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss (BVerfG, a. a. O., Rn. 45).

30

Die Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern und die Regelungen im Bayerischen Kommunalabgabengesetz unterscheiden sich insofern, da das Entstehen der sachlichen und persönlichen Beitragspflicht nach Artikel 5 Abs. 6 Bay-KAG zusammenfällt. Nach dem Landesrecht von Mecklenburg-Vorpommern ist nach § 7 Abs. 2 KAG M-V hingegen beitragspflichtig immer derjenige, der im Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides die persönlichen Kriterien der Beitragspflicht als Grundstückseigentümer oder sonstiger Pflichtiger erfüllt. Eine „Verflüchtigung“ des Vorteils wie im bayerischen Landesrecht, das unter Umständen – wie im Fall des Bundesverfassungsgerichts - an eine längst vergangene Eigentümerstellung anknüpft, ist deshalb nicht möglich.

31

Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rechtssicherheit zuwiderlaufende Regelung ist in § 9 Abs. 3 KAG M-V ist auch insoweit nicht zu erkennen, als dort nicht das Erfordernis der rückwirkenden Inkraftsetzung der Beitragssatzung oder aber eine starre äußerste zeitliche Grenze für das zulässige Entstehen der sachlichen Beitragspflicht durch Erlass einer wirksamen Beitragssatzung geregelt ist. Eine derartige Regelung gebietet das Verfassungsrecht nicht und lässt sich aus der Entscheidung auch nicht herauslesen. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das bundesrechtlich geprägte (Straßen-) Erschließungsbeitragsrecht ebenfalls das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ggf. vom nachträglichen Erlass einer Erschließungsbeitragssatzung abhängig macht, ohne dass dort eine zeitliche Höchstgrenze festgelegt wäre. Diese durch das Richterrecht des Bundesverwaltungsgerichts geprägte Rechtslage ist bislang verfassungsrechtlich nicht beanstandet worden. Auch in der vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts finden sich keine Hinweise darauf, dass diese Rechtslage verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre, obwohl es nahe gelegen hätte, dieses Rechtsgebiet bei der Betrachtung mit in den Blick zu nehmen.

32

Schließlich ist im Hinblick auf die „Verflüchtigung“ des Vorteils für das Anschlussbeitragsrecht nach Maßgabe des Landesrechts in Mecklenburg-Vorpommern zu berücksichtigen, dass der Anschlussvorteil ein weitaus länger währender ist als beispielsweise der Anliegervorteil aus einer Straßenbaumaßnahme. Die Konzeption und Realisierung einer Trinkwasserversorgungs- bzw. Abwasserbeseitigungsanlage ist – der Materie geschuldet – weitaus aufwändiger als z. B. die Erneuerung einer Straße. So ist im konkreten Fall noch nicht einmal der bis in das Jahr 2014 reichende Investitionszeitraum für die zentrale Abwasserbeseitigungseinrichtung abgelaufen. Unter diesen Rahmenbedingungen kann eine zeitliche Höchstgrenze in Ansehung der konkreten Planungs- und Realisierungserfordernisse nicht gezogen werden, ohne auf der anderen Seite den ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung zu verletzen. Eine Rechtssicherheit im o.g. Sinne beginnt daher, wenn die Vorteile, die die Anlage bietet, den Eigentümern vollständig zugeflossen sind. Bezug zu nehmen ist dabei auf die konkrete Anlage, für die die Vorteile abgeschöpft werden. Unerheblich ist es hingegen, ob es unter früheren Rechtsregimen ähnliche Entsorgungsmöglichkeiten gab.

33

Eine andere verfassungsrechtliche Betrachtung mag sich im Einzelfall dann ergeben, wenn lange Zeit – d.h. mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte - nach Abschluss des von der gemeindlichen Selbstverwaltung geplanten Ausbauzustandes bzw. der Investitionsmaßnahme immer noch keine wirksame Satzung als rechtliche Voraussetzung der Beitragserhebung gegeben ist. Eine starre Bestimmung dieser zeitlichen Höchstgrenze ist für das Anschlussbeitragsrecht aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

34

Soweit die Kläger rügen, das Transparenzgebot sei verletzt worden, vermag das Gericht den Ausführungen nicht beizutreten. Bei einer Beitragssatzung handelt es sich nicht um ein formelles Gesetz, so dass die Vorschriften über Verkündung und Inkrafttreten von Gesetzen (Artikel 82 Abs. 2 GG bzw. 58 Abs. 3 Landesverfassung M-V) nicht anwendbar sind. Die für die Beitragserhebung zugrunde liegende Beitragssatzung geltenden Vorschriften sind eingehalten worden, so insbesondere die Vorschriften der Kommunalverfassung zum Erlass und Veröffentlichung von Satzungen.

35

Hinsichtlich der weiterhin gerügten Mängel verweist das Gericht auf das Urteil der Kammer vom 15. März 2012 (8 A 547/11, juris) Das Gericht hat dort ausgeführt:

36

„1. Der Zweckverband Wismar und damit seine Behörde, der Beklagte, sind jedenfalls seit dessen Nachgründung im Jahre 1998 rechtlich existent. Der Zweckverband hat insbesondere eine wirksame Verbandssatzung. Dies wird klägerseitig auch nicht in Abrede gestellt und hat das Gericht bereits mehrfach entschieden.

37

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris LS 3 und Rn. 76 ff.

38

Im Übrigen kommt es im vorliegenden Fall auch deshalb nicht darauf an, ob der Zweckverband mit Wirkung für die Vergangenheit rechtswirksam gegründet worden ist, weil es vorliegend um Bescheide aus dem Jahre 2011 geht. Dass der Zweckverband Wismar nach seiner Nachgründung 1998 für die Zukunft und damit heute rechtlich nicht existent ist, ist nicht ersichtlich. Einer gesonderten Veröffentlichung etwa des Gründungsvertrages oder der Gründungsverbandssatzung im Veröffentlichungsorgan der zuständigen Aufsichtsbehörde sieht § 152 KV M-V im Gegensatz zu § 11 Abs. 2 des (Reichs)Zweckverbandesgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl. I. S. 979) nicht vor. Die danach beschlossene Verbandssatzung vom 26. Januar 1999 ist nach klägerseitig nicht angezweifelten Angaben des Beklagten am 10. März 1999 in der Ostsee-Zeitung (Wismarer Ausgabe) veröffentlicht worden.

39

2 a) Entgegen klägerischer Auffassung ist § 5 Abs. 5 derVerbandsatzung des Zweckverbandes Wismar (VS) mit der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern vereinbar. Diese Satzungsvorschrift lautet:

40

(5) Die Mitglieder der Verbandsversammlung entscheiden nach ihrer freien, durch das öffentliche Wohl bestimmten Überzeugung. Die Verbandsmitglieder können ihren Vertretern in der Verbandsversammlung in folgenden Angelegenheiten Weisungen erteilen:

41

1. Wahl und Abberufung des Verbandsvorstehers und der Mitglieder des Verbandsvorstandes,
2. Änderung der Verbandssatzung,
3. Beratung der Jahresrechnung und Entlastung des Verbandsvorstehers,
4. Festsetzung von Umlagen und Stammkapital,
5. Zusammenschluss von Verbänden.

42

Nach dem Inhalt der Vorschrift ist weder vorgeschrieben noch sonst möglich, den Mitgliedern der Verbandsversammlung in allen Fällen Weisungen für Abstimmungen durch die jeweilige Mitgliedsgemeinde zu erteilen. Nach §§ 23 Abs. 3, 154 Abs. 1 KV M-V üben die Mitglieder der Verbandsversammlung ihr Mandat „im Rahmen der Gesetze nach ihrer freien, nur dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus“. Sie sind an diesen Vorgaben widerstreitende Weisungen, Aufträge oder Verpflichtungen nicht gebunden. § 156 Abs. 7 KV M-V enthält zur Frage der Weisungen an die Mitglieder der Verbandsversammlung enumerativ aufgezählte (abschließende sowie eng auszulegende) - und hier vom Zweckverband Wismar übernommene - Ausnahmen.

43

Vgl. allgemein dazu Bielenberg, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 156 Rn. 6.

44

Eine einheitliche Stimmabgabe, wie sie etwa Art. 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) für Abstimmungen im Bundesrat vorschreibt, ist im Gemeinderecht im Übrigen nicht vorgesehen. Nur in den in § 156 Abs. 7 KV M-V genannten Fällen kommt sie in Betracht, wenn und soweit die Verbandssatzung dazu eine Bestimmung enthält und wenn und soweit eine Mitgliedsgemeinde tatsächlich von ihrem Weisungsrecht Gebrauch machen sollte. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht Schwerin im Urteil vom 21. November 2008 – 8 A 3375/04 – (n. v., Umdruck, S. 16 f.) durchgreifende Bedenken gegen eine Bestimmung in einer Verbandssatzung eines anderen Zweckverbandes geäußert hat, in welcher die einheitliche Stimmabgabe in anderen Fällen zwingend vorgeschrieben war.

45

b) Die Veröffentlichungsbestimmung des § 22 VS ist nicht rechtsfehlerhaft, weil dieOstsee-Zeitung (Lokalteil Wismarer Zeitung) nicht überall im Verbandsgebiet erhältlich ist. Entscheidend ist, dass durch die Art und Weise der Bekanntmachung jeder Bürger als Normadressaten der Regelung ermöglicht wird, sich über den Inhalt der Regelung zu informieren.

46

Vgl. BVerfG, Urt. v. 2. April 1963 – 2 BvL 22/60 – juris Rn. 36; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung zur Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 15.

47

Dies ist bei einer Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung im ausreichenden Maß gewährleistet.

48

c) Im Übrigen dürfte die Klägerseite mit dem Vortrag gegen Regelungen der Verbandssatzung schon deshalb nicht gemäß §§ 5 Abs. 5, 154 KV M-V gehört werden, weil er die Fehlerhaftigkeit der Verbandssatzung erst nach über einem Jahr nach Bekanntgabe der Verbandssatzung in einem im Februar 2012 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht hat.

49

3. Wie das Verwaltungsgericht Schwerin in ständiger Rechtsprechung entschieden hat,

50

- vgl. zuletzt etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 88 ff. mwN -

51

entspricht die den angegriffenen Bescheiden nunmehr zugrunde liegende Beitragssatzung Schmutzwasser (BSSW 2010) des Zweckverbandes Wismar in der Fassung vom 3. März 2010 den Vorgaben höherrangigen Rechts, insbesondere dem Kommunalabgabengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern und ist damit wirksam.

52

a) Sie enthält die nach § 2 Abs. 1 KAG M-V vorgeschriebenen Mindestbestandteile. Die in den drei Urteilen des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09, 1366/09 und 1369/09 - (letzteres in veröffentlicht juris, Rn. 14 ff.) monierten Regelungen der Beitragssatzung Schmutzwasser in der Fassung vom 7. Mai 2009 (BSSW 2009) sind beseitigt bzw. ergänzt worden. Die Widersprüchlichkeit der Vorschriften der Satzung in § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 einerseits und § 6 Abs. 5 f) BSSW 2009 andererseits bezüglich der Zahl der Vollgeschosse, sofern solche nicht feststellbar sind, ist durch Streichung des § 6 Abs. 4 c) BSSW 2009 beseitigt worden. Die weiterhin beanstandete Bestimmung des § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 bezüglich von vor dem 30. April 1994 entsprechend bisherigen Rechts errichteten Gebäuden ist um folgenden Satz ergänzt worden:

53

"[...]; weisen die in einem solchen Gebäude vorhandenen Geschosse schräge Wände auf, gelten sie dann als Vollgeschoss, wenn sie über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche die lichte Höhe des darunter liegenden Geschosses aufweisen."

54

Damit hat der Satzungsgeber eine bestimmbare lichte Höhe für weitere Vollgeschosse festgelegt, die als sachlich gerechtfertigte Ungleichbehandlung mit nach dem genannten Stichtag errichteten Gebäuden erscheint oder diese jedenfalls relativiert. Solche oder ähnliche Bestimmungen bei anderen Zweckverbänden sind von der Kammer in der Vergangenheit nicht beanstandet worden.

55

b) Klägerseitig wird gegen die Bestimmung des Gegenstandes der Beitragspflicht in § 3 BSSW geltend gemacht, Absatz 2 dieser Vorschrift sei kein Auffangtatbestand, sondern die gegenüber Absatz 1 speziellere Regelung. Diese Bestimmungen lauten:

56

(1) Der Beitragspflicht zur Deckung des Aufwandes nach §§ 1 Abs. 2 und 2 Abs. 1 Satz 1 unterliegen alle Grundstücke, die an die betriebsfertige öffentliche Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen sind bzw. angeschlossen werden können und

57

a) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen oder

58

b) für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsanschauung Bauland sind und sie nach der geordneten baulichen Entwicklung der Verbandsmitgliedsgemeinde zur Bebauung oder gewerblichen Nutzung anstehen oder

59

c) wenn sie bebaut sind.

60

(2) Wird ein Grundstück an die öffentliche Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung des ZvWis tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfüllt sind.

61

(3) […]

62

Das Gericht vermag die rechtliche Relevanz dieses Vortrags nicht zu erkennen. Es hat bereits im Urteil vom 10. Oktober 2011 (juris Rn. 94) entschieden, dass die genannten Bestimmungen nicht nichtig sind, weil unklar sein könnte, wie diese Vorschrift sich zu den Absätze 1 und 2 in § 3 BSSW 2010 verhalte. § 3 Abs. 2 BSSW 2010 stelle eine Auffangvorschrift für den Fall dar, dass das Grundstück eines Eigentümers tatsächlich angeschlossen ist, obgleich die Vorgaben des § 3 Abs. 1 BSSW 2010 nicht erfüllt seien. Lediglich in diesem Fall sei ein Beitrag zwingend zu erheben. Dies ist auch vorteilsgerecht, weil das angeschlossene Grundstück von den Vorteilen der Schmutzwasseranlage des Zweckverbandes profitiert. Auch das OVG M-V hat eine solche Regelung in einer Schmutzwasserbeitragssatzung eines anderen Zweckverbandes nicht beanstandet.

63

Vgl. zur Schmutzwasserbeitragssatzung Parchim/Lübz vom 14. Dezember 2006: OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 und - 4 K 10/4 K 10/07 -, juris Rn. 33 ff. bzw. Umdruck, S. 14 (unter f)).

64

c) Entgegen klägerseitiger Auffassung ist die Vollgeschossregelung in § 6 Abs. 5 BSSW 2010 nicht zu beanstanden. Die Vorschrift lautet im Kontext mit Absatz 4:

65

(4) Der Nutzungsfaktor eines Grundstückes wird anhand der Zahl der Vollgeschosse eines Gebäudes wie folgt bewertet:

66

a) das 1. Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 1,0;

67

b) jedes weitere Vollgeschoss mit dem Nutzungsfaktor 0,5;

68

c) abweichend von den Buchstaben a) und b) wird Gemeinbedarfs- bzw. Grünflächengrundstücken, für die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan eine sonstige Nutzung festgesetzt ist und deren Fläche aufgrund ihrer Zweckbestimmung nur zum untergeordneten Teil mit Gebäuden bebaut sind oder bebaut werden dürfen (Friedhöfe, Freibäder, Sportplätze, Parkanlagen) ein Nutzungsfaktor von 0,3, für Campingplätze ein Nutzungsfaktor von 0,5 zugeordnet.

69

(5) Als Zahl der Vollgeschosse nach Abs. 4 gelten:

70

a) soweit ein B-Plan oder ein Vorhaben bezogener B-Plan besteht, die im B-Plan oder im Vorhaben bezogenen B-Plan festgesetzte höchstzulässige Zahl der Vollgeschosse;

71

b) soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, sondern nur die höchstzulässige Höhe der baulichen Anlagen bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Gebäudehöhe, wobei nach kaufmännischen Regeln Beitragssatzung Schmutzwasser auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Soweit in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan weder die Zahl der Vollgeschosse noch die höchstzulässige Gebäudehöhe, sondern nur eine Baumassenzahl bestimmt ist, die durch 2,6 geteilte höchstzulässige Baumassenzahl, wobei nach kaufmännischen Regeln auf ganze Zahlen auf- oder abgerundet wird. Ist in einem B-Plan oder Vorhaben bezogenen B-Plan die Zahl der Vollgeschosse nicht, jedoch sowohl die höchstzulässige Gebäudehöhe als auch die höchstzulässige Baumassenzahl bestimmt, ist die höchstzulässige Gebäudehöhe maßgeblich;

72

c) soweit kein B-Plan oder Vorhaben bezogener B-Plan besteht oder in einem solchen Plan weder die Zahl der Vollgeschosse, noch der höchstzulässigen Gebäudehöhe, noch die höchstzulässige Baumassenzahl angegeben sind

73

- bei bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse,
- bei unbebauten Grundstücken die Zahl der in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse,

74

d) […]

75

e) Als Vollgeschosse gelten alle Geschosse, deren Deckenoberkante im Mittel mehr als 1,40 m über die Geländeoberfläche hinausragt und die über mindestens zwei Drittel der Grundfläche des darunter liegenden Geschosses oder, wenn kein darunter liegendes Geschoss vorhanden ist, zwei Drittel ihrer Grundfläche eine lichte Höhe von mindestens 2,30 m haben. Zwischenböden und Zwischendecken, die unbegehbare Hohlräume von einem Geschoss abtrennen, bleiben bei der Anwendung von Satz 1 unberücksichtigt […].

76

Diese Satzungsbestimmung wird klägerseitig unter Hinweis auf unterschiedliche bauplanungsrechtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen im Zweckverbandsgebiet insoweit beanstandet, als bei fehlenden Angaben zur Anzahl der Vollgeschosse in den Bebauungsplänen (I, II usw.) keine anderen Parameter wie First- oder Traufhöhe (FH, TH) genannt werden. Ferner bleibe unklar, was gelte, wenn in einem Bebauungsplan ohne Angabe von Vollgeschossen sowohl First- als auch Traufhöhe bezeichnet würde. Damit werde dem Beklagten ein Ermessen eingeräumt, was unzulässig sei.

77

aa) Die genannte Bestimmung ist weder zu unbestimmt noch vorteilswidrig. Fehlt es im Bebauungsplan an einer Festlegung der Vollgeschosse, gilt zunächst § 6 Abs. 5 b) BSSW 2010. Danach ist auf die bauplanungsrechtlich höchstzulässige Höhe der baulichen Anlage abzustellen. Die Anzahl der Vollgeschosse wird durch den Divisor 2,6 mit kaufmännischer Rundung ermittelt. Höchstzulässige Höhe ist jedenfalls die Firsthöhe sowie die klägerseitig genannte (ggf. maximale) Oberkante einer baulichen Anlage (OK [max]). Die festgesetzte Firsthöhe ist eine Gesamthöhe

78

- so auch Dürr/Sauthoff, Baurecht Mecklenburg-Vorpommern, 1. Aufl. 2006, Rn. 394 -

79

und damit die höchstzulässige Gebäudehöhe im satzungsrechtlichen Sinn. Danach ist es möglich, über die Traufhöhe, also dem Schnittpunkt zwischen Außenwand und Dach (vgl. Dürr/Sauthoff, aaO) hinaus noch einen First zu errichten. Zwar mag es zulässig sein, bis zur Trauf- oder Firsthöhe ein Gebäude mit einem Flachdach zu errichten, sofern weitere bauplanungsrechtliche Vorgaben (etwa hinsichtlich der Dachform) fehlen. Allerdings dürfte auch dann eine Firsthöhe vorhanden sein, weil dieses Dach leicht geneigt sein muss, damit das Regenwasser abfließen kann. Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist, dass bauplanungsrechtlich die Möglichkeit besteht, bis zur Firsthöhe zu bauen. Unter Berücksichtigung der baulichen Ausnutzbarkeit der konkreten bauplanungsrechtlichen Vorgaben ist von der Firsthöhe als höchstzulässige Höhe auszugehen. Ob sich daraus ein (oder mehrere) Vollgeschoss(e) im Sinne der Satzungsdefinition des § 6 Abs. 5 e) BSSW 2010 ergeben, ist dann eine Frage der Anwendung der Satzung im Einzelfall.

80

bb) Sofern sich die Firsthöhe nicht aus dem Bebauungsplan ergibt, greift die Auffangregelung des § 6 Abs. 5 c) BSSW 2010, da sich in diesen Fällen keine höchstmögliche Gebäudehöhe ermitteln lässt. Demnach wäre nach dieser Vorschrift entweder auf bebauten Grundstücken die Zahl der tatsächlich vorhandenen Vollgeschosse oder bei unbebauten Grundstücken die in der näheren Umgebung überwiegend vorhandenen Vollgeschosse maßgebend. Ein Auswahlermessen steht dem Beklagten insoweit nicht zu.

81

cc) Soweit darauf hingewiesen wird, in einem Bebauungsplan (Nr. 3 der Gemeinde Glasin) sei im Gewerbegebiet eine Gebäudehöhe im Höchstmaß über HN [= Höhennull] mit 101 m genannt, ist klarzustellen, dass es sich bei HN um den in der DDR gebräuchlichen Bezugspunkt für das Höhensystem gehandelt hat (dem sog. Kronstädter Pegel), der – mit späteren Änderungen – im Wesentlichen auf dem mittleren Meeresspiegel des Finnischen Meerbusens abstellte.

82

Näher: Kronstädter Pegel, in: www.wikipedia.de

83

Demnach ist von den festgesetzten 101 m über HN die jeweilige im Bebauungsplan auch mitgeteilte Geländehöhe abzuziehen. Im konkreten Bebauungsgebiet wären dies ca. 85 m, so dass Gebäude von maximal 16 m Höhe errichtet werden dürften. Dies ergäbe sechs Vollgeschosse.

84

cc) Der Bebauungsplan Nr. 5 der Gemeinde Glasin enthält die Festsetzung maximale Oberkante (OK max) für Windkrafträder (WEA) 100 m. Dies ist für die beitragsrechtliche Bestimmung der Vollgeschosse unerheblich. Nach § 6 Abs. 4 BSSW 2010 sind für die Berechnung des Beitrags nur die Vollgeschosse von Gebäuden maßgebend. Dies hat auch nach Inhalt, Regelungszusammenhang und Zweck der Satzungsbestimmung für die nachfolgenden Vorschriften zu gelten, selbst wenn dort von „baulichen Anlagen“ die Rede ist. Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V sind Gebäude u. a. geeignet oder bestimmt, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen. Windkrafträder sind demnach zwar bauliche Anlagen, aber ersichtlich keine Gebäude.

85

d) Die Kalkulation des in § 7 Abs. 1 SWBS festgesetzten Beitragssatz in Höhe von 3,10 € je Quadratmeter anrechenbarer Nutzfläche begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.

86

aa) Das Gericht ist bei der Prüfung der Gültigkeit einer angegriffenen Satzung einerseits nicht auf die von Klägerseite geltend gemachten Mängel beschränkt. Sind objektiv mehrere Rechtsfehler vorhanden, so ist das Gericht insbesondere nicht verpflichtet, jeden dieser Rechtsfehler zu ermitteln und darauf seine Entscheidung zu stützen. Das gerichtliche Verfahren dient nicht - wie etwa ein behördliches Anzeige- oder Genehmigungsverfahren - einer umfassenden Prüfung der Rechtslage unter jedem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.

87

Vgl. BVerwG, Beschl. v. 20. Februar 2001 – 4 BN 21.01 -, juris Rn. 12 für das Normenkontrollverfahren.

88

Andererseits untersucht das Gericht die Kalkulation nur insoweit auf Rechtsfehler, als solche von den Beteiligten substantiiert geltend gemacht werden. Das Gericht geht diesbezüglich nicht „ungefragt auf Fehlersuche“.

89

Vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 – 9 CN 1.01 -, juris LS 2 und 3 und Rn. 43 mwN.

90

Bei Beachtung dieser Vorgaben gilt im vorliegenden Fall Folgendes:

91

bb) Bereits im zitierten Urteil vom 22. Januar 2010 (juris Rn. 26 ff.) hat das Gericht ausführlich zur Kalkulation der Beitragsatzung Schmutzwasser 2009 Stellung genommen und keine Fehler festgestellt. Darauf wird zunächst hingewiesen. In diesem Zusammenhang sind auch die Flächenermittlungen des Zweckverbandes erörtert und nicht beanstandet worden. Daran ist festzuhalten. Einzelne Flächenermittlungen werden im vorliegenden Fall auch nicht substantiiert angegriffen.

92

cc) Klägerseitig wird weiter die Auffassung vertreten, dass mit der (rechtlichen oder faktischen) Einbeziehung von aus DDR-Zeiten übernommenen Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage diese Anlagen beitragsrechtlich als hergestellt gelten müsste. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Sanierung alter (zu DDR-Zeiten errichteter) Schmutzwasserkanäle bewirkt beitragsrechtlich keine Verbesserung im beitragsrechtlichen Sinne. Sie ist lediglich ein unselbständiger Kostenfaktor, der in die Beitragskalkulation einfließt und über den Herstellungsbeitrag bzw. über Kanalbenutzungsgebühren abgegolten wird.

93

Vgl. OVG M-V, Beschl. v. 21. April 1999 – 1 M 12/99-, juris LS 4 und Rn. 22; Urt. v. 18. Oktober 2005 – 1 L 197/05 -, juris Rn. 17 mwN.

94

Nur für Investitionen, die nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland erfolgt sind, können Herstellungsbeiträge erhoben werden.

95

Vgl. näher Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 2.5.2.2 mwN aus der Rechtsprechung des OVG M-V.

96

Durch die auf neuer Rechtsgrundlage neu geschaffene öffentliche Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" wird allen angeschlossenen bzw. anschließbaren Grundstücken erstmals der gleiche rechtlich dauerhaft abgesicherte Vorteil verschafft. Dies gilt sowohl für "Altanschließer" als auch für neu angeschlossene Grundstücke.

97

Vgl. OVG M-V, Beschl. vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 -, juris, Rn. 12 mwN; Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 - juris Rn. 58 ff. unter Hinweis auf den Beschluss vom 21. April 1999 - 1 M 12/99 - NordÖR 1999, 302 = juris Rn. 16 ff.

98

Diese Rechtsprechung wurde vom Landesgesetzgeber bei der Novellierung des KAG M-V 2005 unter Hinweis auf seine Bindung an den Gleichheitssatz aufgenommen und berücksichtigt (LtDrs 4/1307, S. 48). Nach allem ist auch bei einem bereits vorhandenen Anschluss an die Schmutzwasserbeseitigungsanlage von einer Wertsteigerung des betroffenen Grundstücks auszugehen.

99

Da die Alt- und Neuanschließer durch den Anschluss an die Schmutzwasseranlage die gleichen Vorteile genießen, sind entgegen klägerischer Auffassung auch die Kosten der technischen Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erstellten Schmutzwasseranlagen aus der aktuellen Beitragskalkulation einzubeziehen. In den beiden (nicht veröffentlichten) Urteilen vom 22. Januar 2010 - 8 A 1364/09 und 1366/10 - hat das Gericht diesbezüglich hinsichtlich der Beitragskalkulation ergänzend ausgeführt, dass die

100

"nach 1990 durchgeführte (technisch betrachtet) Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten erbauten Anlageteilen beitragsrechtlich gesehen keine Erneuerung [ist], sondern erstmalige Herstellung einer Anlage im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V. Deshalb bedarf es insoweit auch keiner Beitragssatzung über Erneuerungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Nur wenn diese Anlagenteile danach nochmals erneuert werden, sind die dadurch verursachten Kosten Erneuerungskosten, die beitragsrechtlich nicht als Herstellungsaufwand berücksichtigt werden dürfen."

101

Danach durfte der Zweckverband Wismar die gelegentlich im Widerspruch klägerseitig monierte Einstellung von Kosten für die die technische Erneuerung von bereits zu DDR-Zeiten hergestellten Kanalsystemen bei der Beitragskalkulation als Herstellungskosten berücksichtigen.

102

Der in der Schmutzwasserbeitragssatzung festgelegte einheitliche Beitragssatz für alt und neu angeschlossene Grundstücke verletzt auch nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das Willkürverbot, sondern ist sogar geboten. Dieser Beitragssatz gilt gleichermaßen für die sogenannten Altanschließer, d.h. Grundstücke, die bereits vor Inkrafttreten des ersten Kommunalabgabengesetzes (KAG 1991) an die Schmutzwasserentsorgung angeschlossen waren, und für danach (neu) angeschlossene Grundstücke. Dies Ergebnis entspricht sowohl der Rechtsprechung der Kammer als auch derjenigen des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern.

103

Vgl. OVG M-V, Urt. v. 6. Februar 2007 – 1 L 295/05 -, juris Rn. 7; Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris LS und Rn. 16 ff. je mwN; VG Schwerin, Urteile v. 21. Mai 2008 - 8 A 2429/05 –, v. 22. Januar 2010 – 8 A 1369/09 – juris Rn. 39 mwN; v. 27. Mai 2011 – 8 A 898/10 -, juris Rn. 65 ff. und vom 10. Oktober 2011 – 8 A 560/10 – juris, Rn. 163 ff.

104

dd) Die Klägerseite beanstandet weiter, dass die mit Übernahme von Altanlagen in die Schmutzwasserbeseitigungsanlage des Zweckverbandes im Rahmen der Gebührenkalkulation vereinnahmten Abschreibungen bei der Beitragskalkulation keine Berücksichtigung finden. Dies sei fehlerhaft, weil der Zweckverband Wismar solche Anlagen kostenfrei übernommen habe und führe dazu, dass Beitragszahler jedenfalls zeitweise diese Anlagen doppelt bezahlten.

105

(1) Diese Auffassung ist unzutreffend. Soweit klägerseitig unter Hinweis auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (OVG LSA, Beschl. v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – n. v.) und des Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht (Nds OVG, Urt. v. 25. September 1980 – 3 C 2/79 juris nur LS = KStZ 1981, 193 ff.) vorgetragen wird, es seien die gebührenrechtlich erwirtschafteten Abschreibungen bei der Bemessung des Beitrages abzuziehen, vermag das Gericht diesem nicht zu folgen. Dabei wird zunächst übersehen, dass abweichend von § 7 Abs. 1 KAG M-V nach § 6 Abs. 1 KAG LSA Beiträge nur erhoben werden dürfen, „soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist“. In diesem Zusammenhang mag in Betracht kommen, erwirtschaftete Abschreibungen beitragsrechtlich zu berücksichtigen. Eine solche Regelung gibt es aber nicht im Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns und stellt auch kein allgemeines kommunalabgabenrechtliches Prinzip dar. Abgesehen davon hat das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in der genannten Entscheidung einschränkend ausgeführt:

106

„[…] Der Vorbehalt in § 6 Abs 1 S 1 KAG LSA, wonach die Erhebung von Beiträgen nur zulässig ist, soweit der Finanzbedarf durch Gebühren nicht gedeckt ist, soll nur verhindern, dass eine Gemeinde Beiträge erhebt, obwohl sie durch das Aufkommen aus einer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert kalkulierten Abwassergebühr Rücklagen für die Finanzierung der Investitionskosten gebildet hat. Sofern der Investitionsaufwand in die Gebührenkalkulation nur über die Abschreibungssätze für die voraussichtliche (Rest-) Nutzungsdauer Eingang findet, hat er auf den festgesetzten Beitragssatz keinen Einfluss. […]“

107

OVG LSA v. 7. November 2001 – 1 L 152/01 – (n. v.), S. 5. – Hervorhebung durch das Gericht.

108

Ähnlich hat das OVG LSA im Beschluss vom 1. Juli 2003 – 1 M 492/02 -, juris LS 2 und Rn 15 dargelegt:

109

„Neben der Sache liegt der Einwand der Antragstellerin, es sei nicht erkennbar, dass bei der Beitragsbemessung der durch Gebühren gedeckte Aufwand abgezogen worden sei. Zwar bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA, dass Beiträge nur erhoben werden dürfen, soweit der Aufwand nicht durch Gebühren gedeckt ist. Diese Bestimmung soll verhindern, dass die Gemeinde den Aufwand, der in der Vergangenheit bereits ganz oder teilweise durch das Ansammeln von Abschreibungserlösen abgedeckt hat, nunmehr über die Erhebung von Beiträgen nochmals verteilt. Aus dieser Zweckbestimmung ergibt sich zugleich, dass diese Abschreibungserlöse jedenfalls bei der Kalkulation von Herstellungsbeiträgen, um die es im vorliegenden Fall geht, nicht abgezogen werden müssen. Es ist vielmehr sachgerecht, Abschreibungserlöse durch eine Minderung des Beitragsaufwands nur denjenigen zugute kommen zu lassen, die in der Vergangenheit durch die Zahlung der Gebühren für die Inanspruchnahme der öffentlichen leitungsgebundenen Einrichtung dazu beigetragen haben, dass das Kapital für die beitragsfähige Maßnahme in Form der Abschreibungserlöse zur Verfügung steht und nicht (gänzlich) über Beiträge beschafft werden muss.[…]“

110

Das von Klägerseite weiter angeführte Urteil des Nds. OVG enthält über die Frage der Berechnung der Abschreibung hinaus zu der Anrechnung von kalkulatorischen Abschreibungen bei der Kalkulation von Beiträgen keine Aussage. Die kostenlose Übernahme von Altanlagen lässt die gebührenrechtliche Möglichkeit der Abschreibung demnach unberührt.

111

Vgl. auch OVG Thüringen, Beschl. v. 6. April 2005 – 4 ZKO 78/02 -, juris Rn. 3 mwN.

112

(2) Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind im Beitragrecht für leitungsgebundene Anlagen in der Kalkulation keine Abschreibungen vorzunehmen. Im hier maßgebenden Anschlussbeitragsrecht ist gemäß § 9 KAG M-V bei der Kalkulation der Aufwand für die Anschaffung und Herstellung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen zur leitungsgebunden Versorgung mit Wasser oder Abwasserentsorgung anzusetzen. Der Aufwand ist nach den Kosten zu ermitteln. Abschreibungen sind dabei nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus Nr. 5.1.1 des Einführungserlasses des Innenministeriums vom 14. Juni 2005 – II 330 – 179-00-06 – (abgedruckt bei Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Anhang 1).

113

Abschreibungen von Anlagewerten sind zwar nach § 6 Abs. 2 KAG M-V bei der Ermittlung derGebührensätze u. a. nach Maßgabe des dortigen Absatz 2a zu berücksichtigen. Danach sind kalkulatorische Abschreibungen auf die um Beiträge und Zuschüsse Dritter reduzierte Anlagenwerte (Anschaffungs- und Herstellungskosten) vorzunehmen Unzutreffend ist insoweit die klägerische Annahme, die über die Gebühren realisierten Abschreibungen für kostenlos übernommene Anlagen seien beim Beitragsaufwand abzuziehen. Maßgebend ist allein, dass nach den gesetzlichen Vorgaben der Aufwand in die Kalkulation einzustellen ist. Ob die Berechnung der Abschreibungen fehlerhaft ist, ist ggf. bei der Überprüfung der Gebührenkalkulation in einem Verfahren zum Gebührenrecht zu prüfen.

114

(3) Soweit klägerseitig darauf verwiesen wird, dass der Zweckverband Wismar Altanlagen kostenlos übernommen hat und trotzdem Abschreibungen in der Gebührenkalkulation eingestellt hat, weist das Gericht auf Folgendes hin:

115

Nach ständiger Rechtsprechung des OVG M-V, dem das Gericht folgt, können Anschaffungs- und Herstellungskosten übernommener Altanlagen nur dann bei der Beitragskalkulation berücksichtigt werden, wenn und soweit für die jeweiligen (konkreten) Anlagen Verbindlichkeiten übernommen worden sind. Da im Übrigen die Altanlagen kostenlos übertragen worden sind, also der Zweckverband keinen Aufwand gehabt hat, dürfen diese Anlagen bei der Beitragskalkulation nicht berücksichtigt werden.

116

Vgl. dazu OVG M-V, Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 51; Urt. v. 13. November 2001 – 4 K 16/00 - juris Rn. 51; Beschl. v. 2. Dezember 2003 – 1 M 72/03 -, juris Rn. 9 mwN; Aussprung, in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 9 Erl. 3.5.5 f.

117

Das den §§ 7 ff. und § 6 KAG M-V zugrundeliegende Prinzip besagt, dass im Grundsatz die Anschaffungs- und Herstellungskosten zunächst beitragsrechtlich zu finanzieren sind und sodann gebührenrechtlich kalkulatorisch abgeschrieben werden können. Dieses Prinzip wird bei der kostenlosen Übernahme von Altanlagen in der oben genannten Weise ausreichend gewahrt.

118

Es ist auch nichts dafür ersichtlich oder substantiiert vorgetragen, dass der Beklagte aus DDR-Zeiten übernommene Altanlagen auch dann mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten in die Beitragskalkulation eingestellt hat, wenn der Zweckverband Wismar dadurch nicht finanziell belastet worden ist.

119

ee) Die der Schmutzwasserbeitragssatzung zugrunde liegende Globalkalkulation ist nicht deshalb zu beanstanden, weil zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzung das Abwasserbeseitigungskonzept noch nicht beschlossen war. Nach den dem Gericht vorliegenden Kalkulationsunterlagen sind Prognosen in der „Planung der Investitionskosten und Fördermittel (Zuarbeit Fr. Dick)“, der „Kostenschätzung Baumaßnahmen 2008 bis 2014“ sowie einer Auflistung „Kostenschätzung B-Pläne“. Dies genügt als Schätzungsgrundlage. Es ist nichts Substantiiertes dazu vorgetragen worden und es bestehen auch derzeit sonst keine Anhaltspunkte, aus dem sich ergeben könnte, dass die Prognosen des Zweckverbandes und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen offensichtlich unzutreffend und die zugrunde liegenden Investitionszahlen oder -vorgaben offensichtlich willkürlich oder sonst falsch sein könnten. Im Übrigen folgt aus der Aufzählung von Altanlagen im Anlagespiegel oder im Vermögensnachweis nicht, dass der Wert dieser Anlagen auch in der Beitragskalkulation berücksichtigt worden ist.

120

cc) Die Annahmen in der Kalkulation müssen entgegen klägerischer Auffassung mit den Angaben in den jeweiligen Abwasserbeseitigungskonzepten nicht übereinstimmen. Es ist weder vorgeschrieben noch sonst zwingend, dass die erforderlichen Prognosen nur auf Grund eines förmlichen Abwasserbeseitigungskonzeptes zu erstellen sind. Weder das Kommunalabgabenrecht Mecklenburg-Vorpommerns noch dessen Kommunalrecht oder das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes oder das Wassergesetz des Landes schreiben ein Abwasserbeseitigungskonzept vor, geschweige den enthalten Vorgaben aus einem Abwasserbeseitigungskonzept für die Beitragskalkulation. Das Konzept stellt als Planungsgrundlage eine Bestandsaufnahme und eine unverbindliche grobe Richtlinie dar, wie der Aufgabenträger sich die Planung und Entwicklung seiner Abwasserbeseitigungsanlagen in seinem Gebiet vorstellt. Zwar ist es dem Aufgabenträger nicht verwehrt, aus dem Abwasserbeseitigungskonzept die Beitragskalkulation zu entwickeln. Dies ist aber nicht zwingend. Wenn danach der Zweckverband Wismar die Vorgaben der Kalkulation maßgeblich seinen jährlich verabschiedeten Wirtschaftsplänen entnimmt, ist dies nicht zu beanstanden. Es ist daher grundsätzlich unerheblich, ob die Angaben der verschiedenen Abwasserbeseitigungskonzepte des Zweckverbandes Wismar nach Höhe und Umfang sowie in tatsächlicher und/oder zeitlicher Hinsicht mit den Angaben zu Anschaffungs- und Herstellungskosten in der Beitragskalkulation übereinstimmt.

121

ff) Die Kalkulation hinsichtlich der Klärablage Neukloster hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert, dass die Anteile der dezentralen Schmutzwasserbeseitigung und der Regenwasserentsorgung herausgerechnet worden seien. Dies ist klägerseitig nicht weiter beanstandet worden.

122

gg) Aus dem Umstand, dass in der Vergangenheit die Beitragskalkulation des Zweckverband Wismar nicht allen gesetzlichen Vorgaben entsprochen hat, folgt nicht, dass die nunmehr vorliegende Kalkulation fehlerhaft ist. Klägerseitig ist in den Widerspruchsverfahren gelegentlich vorgetragen worden, dass der Beitragssatz über Jahre stabil geblieben sei, was wegen der sich ändernden wirtschaftlichen Grundannahmen nicht möglich sei. Sofern damit der in der Satzung in § 7 Abs. 1 BSSW 2010festgesetzte Beitragssatz von 3,10 €/m² gemeint sein sollte, ist darauf hinzuweisen, dass es dem Zweckverband unbenommen ist, einen Beitragssatz unterhalb des kalkulierten Höchstbeitragssatz (derzeit - nach der Erklärung gemäß § 2 Abs. 3 KAG M-V in der heutigen mündlichen Verhandlung -: 4,29 €/m²) festzusetzen. Sollte mit dem Vortrag der kalkulierte höchstmögliche Beitragssatz gemeint sein, stimmt nach den Erkenntnissen des Gerichts bereits die Annahme nicht, dass der Beitragssatz stabil gewesen ist. Nach dem Kalkulationsgutachten (einer Rechnungsperiodenkalkulation) der Fa. WIBERA vom 9. März 2001 sollte der kalkulierte Schmutzwasserbeitragssatz 6,58 DM/m² betragen, also 3,36 €/m². Im WIBERA-Gutachten (einer Globalkalkulation) vom 1. Dezember 2005 war ein Beitragssatz von 4,48 € ermittelt worden. Nach der bisher maßgebenden Kalkulation 2009 lag der höchstmögliche Beitragssatz bei 4,43 €. Daraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht herleiten, dass die heute maßgebende Kalkulation unzutreffend ist. Auch die Fehler in der Beitragssatzung 2009 sind nicht so gravierend gewesen, dass die Kalkulation grundlegend neu erarbeitet werden musste. Maßgebende Parameter mussten deshalb nicht neu definiert werden, so dass der kalkulierte Beitragssatz plausibel erscheint.

123

hh) Die Kalkulation ist nicht deshalb fehlerhaft, weil in früheren Beitragsatzungen die Hausanschlusskosten nicht im Beitrag enthalten gewesen seien. Die Kalkulation hat nach Maßgabe der jetzigen Satzungslage zu erfolgen und die Kosten des ersten Hausanschlusses zu berücksichtigen. Sollten im Einzelfall zu einem früheren Zeitpunkt Hausanschlusskosten nach damaliger Satzungslage für einen ersten Hausanschluss gezahlt worden sein, wäre dies bei der Beitragsfestsetzung zu berücksichtigen.

124

ii) Die Kalkulation ist auch noch hinreichend aktuell, obgleich für die im März 2010 beschlossene Satzung in die Kalkulation nach dem 31. Dezember 2007 nur noch prognostische Werte eingestellt worden sind. Zur Aktualität hat das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern ausgeführt, dass mit Blick auf § 6 Abs. 2d KAG M-V eine Kalkulation grundsätzlich dann noch hinreichend aktuell ist, wenn sie nicht älter als fünf Jahre ist.

125

Vgl. OVG M-V; Urt. v. 15. November 2000 – 4 K 8/99 -, juris Rn. 47; Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07-, juris Rn. 31 mwN.

126

Dieser Zeitrahmen ist im vorliegenden Fall auch deshalb gewahrt, weil für die tatsächlichen Kosten prüffähige und/oder geprüfte Rechnungen vorliegen müssen und ggf. diese Kosten noch von einem unabhängigen Prüfer zu prüfen sind. Eine Anpassung der einstellungsfähigen Kosten bzw. eine Überprüfung der Kalkulation ist zudem vor Ablauf von fünf Jahren nur erforderlich, wenn die Kosten ersichtlich von den prognostizierten Kosten abweichen. Dafür bestehen keine Anhaltspunkte, zumal flächenseitig vor der Beschlussfassung Ergänzungen vorgenommen worden sind. Abweichungen des kalkulierten Beitragssatzes dürften wegen des erheblich geringer festgesetzten Beitragssatzes auch keine unmittelbaren Auswirkungen haben.

127

4. Die Erhebung von Beiträgen ist nicht nach § 242 Abs. 9 BauGB (früher: § 246a Abs. 1 Nr. 11 BauGB a.F.) unzulässig, weil die Schmutzwasseranlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Einigungsvertrages bereits hergestellt gewesen ist. Denn bei einer solchen Anlage handelt es sich um keine Erschließungsanlage im Sinne des § 127 Abs. 2 BauGB. In § 127 Abs. 4 BauGB wird bezüglich (u. a.) leitungsgebundener Anlagen ausdrücklich darauf verwiesen, dass das Recht zur Erhebung von Beiträgen für diese Anlagen unberührt bleibt, sofern andere Gesetze - wie insbesondere die Kommunalabgabengesetze der Länder - dies vorsehen.

128

Dazu Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 127 Rn. 50; Kniest, in: Ferner/Kröniger/Aschke, BauGB, 2. Aufl. 2008, § 127 Rn. 27.

129

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Bundesgesetzgeber in den Fällen von bereits zu "DDR-Zeiten" fertig gestellten öffentlich-rechtlichen leitungsgebundenen Anlagen gerade keine zeitliche Sperre für eine Beitragserhebung vorschreiben wollte.

130

So jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 13. Dezember 2011 – 1 L 192/08 – juris Rn. 23 mwN.

131

5. Der Beitragsanspruch des Zweckverbandes Wismar ist auch gemäß § 12 KAG 1993 bzw. § 12 Abs. 2 KAG M-V in Verbindung mit §§ 47,169 ff. AO nicht endgültig verjährt. Danach galt bzw. gilt eine Festsetzungsfrist von vier Jahren. Die Verjährung hängt nicht allein davon ab, dass ein bestimmter Zeitraum verstrichen ist. Maßgebend ist zunächst, dass die Frist auch angelaufen ist. Das ist hier nicht der Fall:

132

a) Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Jahres, indem die Abgabe (abstrakt) entstanden ist. Nach § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG 1993 war dies der Zeitpunkt der Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die Anlage, frühestens mit Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass ein einmal verjährter Beitragsanspruch durch eine gesetzliche Neuregelung oder eine neue Beitragssatzung aus rechtsstaatlichen Gründen nicht wieder aufleben könnte (vgl. nur Steiner, LKV 2009, 254 [255 f. mwN]).

133

Im Falle der Schmutzwasserbeiträge des Zweckverbandes Wismar sind bisher keine Beitragsansprüche verjährt, weil die maßgebenden Festsetzungsfristen überhaupt noch nicht angelaufen sind.

134

Die Frist beginnt nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern, welcher der Kammer folgt, erst mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung,

135

- vgl. nur OVG M-V, Beschluss vom 06. Februar 2007 - 1 L 295/05 – juris, Rn. 21 ff.; Beschl. v. 27. Januar 2006 - 1 M 60/06 - juris Rn. 8, weitere Nachweise bei Aussprung, NordÖR 2005, 240 (246 Fn. 43) -

136

nicht hingegen mit der Veröffentlichung einer (Vorgänger-)Satzung mit formellem Geltungsanspruch. Dies entspricht nunmehr auch dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 KAG M-V 2005.

137

Vgl. dazu auch LtDrs 4/1307 S. 48 unter Hinweis auf die dazu ergangene Rechtsprechung des OVG M-V.

138

Das Gericht hat dies u. a. in seinen Urteilen vom 10. Oktober 2011 ausführlich begründet. Hierauf ist im Einzelnen zu verweisen.

139

Vgl. näher etwa VG Schwerin, Urt. v. 10. Oktober 2011 – 8 A 340/10 – juris Rn. 177 ff. mwN.

140

b) Der Beitragsanspruch konnte im vorliegenden Fall schon deshalb nicht endgültig verjähren, weil die Festsetzungsfrist mangels wirksamer Beitragssatzung nicht anlaufen konnte. Die bisherigen Beitragssatzungen des Zweckverbandes Wismar waren sämtlich rechtsunwirksam:

141

aa) Die Beitrags- und Gebührenssatzung des Zweckverbandes Wismar vom 1. März 1992 war nichtig, weil sie nicht im eigenen Amtsblatt des Zweckverbandes oder einer von der Verbandssatzung bestimmten Zeitung veröffentlicht worden ist, sondern im Wismarer Kreisanzeiger mit Amtsblatt für den Landkreis Wismar. Dabei handelte es sich um das amtliche Veröffentlichungsorgan (nur) für den Landkreis Wismar, in dem Satzungen anderer Träger nicht rechtswirksam veröffentlicht werden konnten. Denn nach § 5 Abs. 3 KV DDR waren Satzungen zu veröffentlichen. Wenn es dort auch an näheren Bestimmungen zur Veröffentlichung fehlt, war es dennoch ausgeschlossen in einem Amtsblatt eines fremden Hoheitsträgers Satzungen zu veröffentlichen. Es musste sich aber - nach Maßgabe der Hauptsatzung - um das eigene amtliche Veröffentlichungsorgan oder jedenfalls um eine Tages- oder Wochenzeitung handeln (vgl. auch Bretzinger/Büchner-Uhder, Kommunalverfassung, 1. Aufl. 1991, § 5 Rn. 8). Das Gericht ist der Auffassung, dass eine Veröffentlichung im Amtsblatt eines anderen Rechtsträgers nur möglich ist, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist. Eine solche Bestimmung hat es zu damaliger Zeit – soweit ersichtlich – nicht gegeben. Jedenfalls hätte in dem Veröffentlichungsorgan deutlich darauf hingewiesen werden müssen, dass in ihm auch Satzungen des Zweckverbandes veröffentlicht werden, damit der rechtsuchende Bürger in zumutbarer Weise erkennt, dass im Amtsblatt des Kreises auch Satzungen des Zweckverbandes enthalten sein können. Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.

142

In materieller Hinsicht war die Satzung schon deshalb nichtig, weil sie entgegen § 8 Abs. 1 KAG 1991 bei der Bestimmung des Baukostenbeitrages in Teil II Nr. 1.1 nicht auf die individuellen Vorteile des jeweils bevorteilten Grundstücks abstellte, sondern als Zuschlag zu der Abwassergebühr pauschal ein jährlich neu festzusetzender Baukostenbeitrag erhoben werden sollte. Zudem sollte der Baukostenbeitrag von allen „Grundstücksbesitzern“ erhoben werden, also auch von Mietern oder Pächtern. Dies war mit § 8 Abs. 2 Satz 2 KAG 1991 nicht zu vereinbaren, da Beiträge nur von Eigentümern und Erbbauberechtigten erhoben werden durften.

143

bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 1. Juli 1993 ist nach den obigen Vorgaben ebenfalls nichtig, weil sie im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht worden ist. Der Baukostenbeitrag stellte nicht auf die Vorteile des Anschlusses des Grundstücks ab.

144

cc) Auch die Beitrags- und Gebührensatzung in der Fassung vom 22. Dezember 1993 wurde am 21. Januar 1994 im Wismarer Kreisanzeiger veröffentlicht und ist schon deshalb nichtig. Zudem begegnet sie in materieller Hinsicht durchgreifenden Bedenken, weil der in Nr. 1.3 bestimmte pauschale Anschlussbeitrag von 750,-- DM je Entsorgungseinheit unabhängig von der Größe und Art des Grundstück festgelegt wurde, also gleichfalls nicht auf die Vorteile für das jeweilige angeschlossene Grundstück abstellte.

145

dd) Auch die am 1. Januar 1996 erlassene Satzung des Zweckverbandes Wismar vom 22. Dezember 1995 war in materieller Hinsicht nichtig. Zum einen wies diese Satzung Fehler insoweit auf, als beim Beitragsmaßstab die Außenbereichsflächen mit der Grundflächenzahl (GRZ) von 0,4 vorteilswidrig zu hoch angesetzt und keine Abgeltungsfläche festgelegt war. Dies wäre aber wegen der Einmaligkeit der Beitragsveranlagung notwendig gewesen. Zum anderen lag der Verbandsversammlung seinerzeit keine ordnungsgemäße Kalkulation vor. Ihr hat nur eine Tabelle mit den maßgebenden Daten vorgelegen, nicht aber notwendige weitere Unterlagen. Zudem waren für Teilmaßnahmen Teilbeiträge ermittelt und danach addiert worden, obgleich die Satzung keine Kostenspaltung vorsah.

146

Dazu VG Schwerin, Urt. v. 28. Juni 2001 - 4 A 2239/98 - sowie im Beschl. v. 19. Oktober 1999 - 4 B 889/98 - zur Kalkulation.

147

Das Verdikt der Unwirksamkeit würde diese Satzung selbst dann treffen, wenn diese während ihrer formellen Gültigkeitsdauer unbeanstandet angewandt worden sein sollte und es auch keine entsprechenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichts oder Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern in einzelnen Verfahren oder im Normenkontrollverfahren gegeben haben sollte. Die Nichtigkeit der früheren Satzungen muss nicht durch Normenkontrollentscheidung gemäß § 47 VwGO in Verbindung mit § 13 des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsstrukturgesetz durch das OVG M-V festgestellt werden, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im vorliegenden Verfahren herleiten zu können. Das Gericht hat bereits in den genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 (u. a. juris Rn. 46) im Einzelnen dargelegt, dass die Nichtigkeit früherer Satzungen nicht allein durch eine Normenkontrollentscheidung durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern festgestellt werden muss, um daraus Konsequenzen für die Verjährung im Einzelfall herleiten zu können. Bei Satzungen ist zwar die formelle Verwerfungskompetenz der Gerichte mit allgemeiner Verbindlichkeit auf das abstrakte Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO beschränkt.

148

Zu den Folgerungen daraus siehe Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rn. 141 ff.; Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 Rn. 364 ff.

149

Den Verwaltungsgerichten fehlt diese Kompetenz. Sie haben aber nach Art. 20 Abs. 3 GG mit Blick auf das zwingende Satzungserfordernis des § 2 Abs. 1 Satz 1 KAG M-V bei Überprüfung einzelner Abgabenbescheide die ihnen zugrunde liegenden Satzungen auf ihre Wirksamkeit (inzidenter) zu überprüfen, soweit hierzu Anlass besteht. Eine gültige Satzung ist Entstehungsvoraussetzung der Abgabe.

150

Vgl. dazu Quaas, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 22 mwN; Meyer, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2002 Rn. 180a; Glaser, in: Darsow/Gentner/Glaser/Meyer, Schweriner Kommentierung der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 3. Aufl. 2005, § 5 Rn. 4 aE.

151

Weist die Satzung bei dieser Prüfung Fehler auf, die sie unanwendbar machen, ist der angefochtene Bescheid in jedem Einzelfall mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig und aufzuheben, wenn die Satzung auch nicht formell vom Gericht aufgehoben werden und deren Nichtigkeit ausdrücklich (und mit Allgemeinverbindlichkeit) festgestellt werden kann. Für den jeweiligen Einzelfall wird die fehlerhafte Satzung aber so behandelt, als wäre sie nichtig.

152

Vgl. Sensburg/Maslaton, Abgabenrecht in der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, 2007, S. 25; weitergehend Hill, Soll das kommunale Satzungsrecht gegenüber staatlicher und gerichtlicher Kontrolle gestärkt werden? 1990, D 109 (Nichtigkeitserklärung durch jedes Gericht im Einzelfall.).

153

Zwar könnte der kommunale Aufgabenträger die Satzung weiter anwenden, da Urteile des Verwaltungsgerichts nur inter partes gelten (vgl. § 121 VwGO) und die inzidente Nichtigkeitsfeststellung nicht allgemein verbindlich (Umkehrschluss aus § 47 Abs. 5 VwGO) ist. Er würde dann aber jeweils ein möglicherweise kostenträchtiges Unterliegen in einem nachfolgenden Verwaltungsstreitverfahren riskieren. Auch das Verwaltungsgericht stellt im vorliegenden Fall die Unwirksamkeit der Satzung nur in diesem Einzelfall fest.

154

Diese Feststellung der Nichtigkeit kann entgegen klägerischer Ansicht auch erfolgen, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Satzung bereits nicht mehr formell in Kraft ist, es aber - etwa wie hier zur Klärung der Verjährungsfrage – auf die Gültigkeit früherer Satzungen ankommen sollte. Dem Gericht ist kein Rechtssatz bekannt, wonach eine während ihres Anwendungszeitraums gerichtlich unbeanstandet gebliebene Satzung später nicht mehr auf ihre Wirksamkeit überprüft werden darf.

155

ee) Im Übrigen sind die bisher behandelten Abgabensatzungen auch deshalb nichtig, weil der Zweckverband Wismar 1991 fehlerhaft gegründet worden ist. Die danach verkündeten Abgabensatzungen konnten somit nicht wirksam beschlossen und veröffentlicht werden. Dabei kann offenbleiben, ob – wie geschehen - das Reichszweckverbandsgesetz (RZVG) vom 7. Juni 1939 (RGBl. I S. 979) ergänzend zu § 61 KV DDR herangezogen werden konnte.

156

Zum Meinungsstand: Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 10. Dezember 1998 – LVerfG 1/98 -, Umdruck S. 15 ff.; Saugier, Der fehlerhafte Zweckverband, 2001, S. 58 ff. mwN. – Zum Verfahren bei der Gründung eines Zweckverbandes vor Inkrafttreten der Kommunalverfassung Mecklenburg-Vorpommern siehe auch VG B-Stadt, Urt. v. 19. Februar 1997 – 4 A 1092/95 – (n. v.), Umdruck S. 6 ff.; Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 -, Umdruck, S. 8 ff. (letzterer Entscheidung betr. den Zweckverband Wismar).

157

Selbst wenn die Anwendbarkeit des Reichszweckverbandsgesetzes zu bejahen wäre, würde es bei der Gründung des Zweckverbandes Wismar an dem nach § 11 Abs. 1 RZVG erforderlichen Beschluss der zuständigen Aufsichtsbehörde (Landrat des Landkreises Wismar) fehlen. Dieser Beschluss hätte auch gemäß § 11 Abs. 2 RZVG im amtlichen Bekanntmachungsblatt des Landrates nebst der Verbandssatzung veröffentlicht werden müssen. Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

158

So bereits ausführlich VG Schwerin, Beschl. v. 29. August 1997 – 4 B 431/96 – Umdruck, S. 11 ff.

159

Demzufolge hätte der Zweckverband seine Satzungen nach seiner bestätigenden Neugründung im Jahr 1998 und Neukonstituierung seiner Organe erneut beschließen und veröffentlichen müssen, um ihnen Wirksamkeit zu verleihen. Da dies nicht geschehen ist, waren und blieben die genannten Satzungen nichtig.

160

ff) Auch die Satzung von 18. Oktober 2000 verstieß gegen höherrangiges Recht und war nichtig. Dem Beitragssatz lag keine ordnungsgemäße Kalkulation zu Grunde. Die Vollgeschossfaktoren in Satzung und Kalkulation wichen voneinander ab. Zudem lagen Fehler bei Flächenermittlung vor, da der Vollgeschossfaktor der Satzung nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Schließlich waren die Kläranlagen in die Kalkulation nicht einbezogen worden (vgl. VG B-Stadt, Urt. v. 3. Juni 2004 - 4 A 1623/02). Die Satzung vom 20. Dezember 2005 ist durch Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 27. Juni 2008 - 8 A 1654/08 - aus materiellen, die Satzung betreffenden Gründe für nichtig erklärt worden.

161

gg) Auch die (letzte) Beitragssatzung vom 7. Mai 2009 war - wie die Kammer in den oben genannten Urteilen vom 22. Januar 2010 festgestellt hat - wegen Widersprüchlichkeit der Regelungen in § 6 Abs. 4 und 5 f) BSSW 2009 (Bestimmung der Anzahl der Vollgeschosse, wenn diese nicht feststellbar sind) bzw. wegen Unvollständigkeit der Bestimmung zur Festlegung von Vollgeschossen in vor dem 30. April 1994 errichteten Gebäuden in § 6 Abs. 5 e) Satz 3 BSSW 2009 nichtig.

162

Zur Frage der Bestimmung der Vollgeschosse bei Altbauten vgl. aber OVG M-V, Urt. v. 14. September 2010 – 4 K 12/07 -, juris Rn. 65.

163

hh) Die Festsetzungsverjährungsfrist konnte daher erst mit Bekanntgabe der letzten, jetzt maßgebenden Änderungssatzung (BSSW 2010) zu laufen beginnen. Das war im vorliegende Fall der 1. Januar 2011, da der Beitragsanspruch erst mit Inkrafttreten der Beitragssatzung vom 3. März 2010, also im Jahr 2010 entstanden ist (vgl. § 170 Abs. 1 AO).

164

6. Dem jeweiligen Beitragsschuldner steht auch kein Vertrauensschutz in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen zur Seite. Das Ergebnis, wonach im Beitragsrecht eine spätere rechtswirksame Satzung den Zeitraum einer früheren nichtigen Satzung erfasst, steht mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG im Einklang. Insbesondere ist das Vertrauen des Beitragszahlers in die Rechtswirksamkeit der Vorgängersatzungen nicht in der Weise geschützt, dass er Anspruch hätte, auf Grundlage der zum Zeitpunkt der Anschließbarkeit des Grundstücks maßgebenden Verhältnissen nach der damals formell gültigen Satzung veranlagt zu werden. Der Bürger kann sich nicht immer auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein verlassen. Dies gilt insbesondere, wenn sich eine Rechtsnorm im Nachhinein als ungültig erweist und durch eine neue rechtlich nicht zu beanstandende Bestimmung ersetzt wird.

165

Vgl. grundlegend BVerfG, Urt. v. 19. Dezember 1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261 ff., zit. nach juris Rn. 48 ff., 54 m. w. N.

166

Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht im Übrigen nicht so weit, den Bürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Schutzwürdig ist zudem nur das getätigte Vertrauen, also eine "Vertrauensinvestition", die zu Erlangung einer Rechtsposition geführt hat (vgl. BVerfG, Urt. v. 2. Mai 1987 - 1 BvR 724/81 - u. a. juris Rn. 82 m. w. N.). Eine solche Rechtsposition erwächst nicht aus dem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit einer Beitragssatzung.

167

7. Der Beitragsanspruch ist auch nicht verwirkt. Als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet Verwirkung, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete in Folge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).

168

Zu den Voraussetzungen der Verwirkung OVG M-V, Beschl. v. 22.9. 2004 - 1 M 166/04 - juris Rn. 24; Gersch, in: Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 4 Rn. 21; Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13 je mwN. aus der Rechtspr. des Bundesfinanzhofs; vgl. auch OVG M-V, Beschl. v. 18. März 2008 - 1 M 15/08 - S. 6 mwN (n. v.]).

169

Zwar ist der Anschlussbeitrag über einen langen Zeitraum nicht geltend gemacht worden. Jedoch durfte der Beitragsschuldner regelmäßig nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte den Beitrag nicht mehr einfordern wird. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte gegenüber Beitragsschuldner jemals zu erkennen gegeben hat, er werde den Beitrag nicht mehr geltend machen. Auch nach dem Inhalt früherer Satzungen war der Beklagte gehalten, Beiträge gegenüber Altanschließern geltend zu machen. Die Durchsetzung dieses Rechts mit einem Bescheid erscheint daher nicht als unzumutbarer Nachteil zu Lasten des Beitragsschuldners. Zudem kann eine Verwirkung bei einer laufenden Verjährungsfrist nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden (siehe Rüsken, ebenda, § 228 Rn. 13). Solche sind hier nicht ersichtlich.

170

8. Die nach allem rechtsgültige Beitragssatzung hat der Beklagte im vorliegenden Fall zutreffend angewandt. Soweit die Kläger geltend machen, dass ihr Grundstück zum Teil aus Gartenland bestehe, kann dies zu keiner Reduzierung des Beitrags führen. Denn beide Flurstücke sind rechtlich gesehen ein Grundstück, weil beide Flurstücke im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs unter einer Nummer geführt werden. Sie sind daher einheitlich zu veranlagen.

171

9. Anzumerken bleibt, dass die Beitragsschuldner auch nicht mit dem Argument durchdringen, der Beklagte habe zeitnah mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks und seiner Satzung aus dem Jahre 1992 neben den Hausanschlussbeitrag sogleich auch den Anschlussbeitrag erheben müssen, so dass sie in den "Genuss" eines früheren niedrigen Beitrags von 2.000,-- DM oder 3.000,-- DM gekommen wären. Zum einen geben die Verjährungsvorschriften dem Beklagten vor, innerhalb welcher Zeiträume er Beitragsbescheide erlassen muss. Er ist weder nach Satzungsrecht noch nach sonstigen Vorschriften verpflichtet, zeitnah nach Herstellung der Anschlussfähigkeit des Grundstücks Beitragsbescheide zu erlassen. Zum anderen ist es dem Beklagten unbenommen, soweit er aufgrund früherer, nichtiger Satzungen (zu niedrige) Beiträge durch (bestandskräftige) Beitragsbescheide erhoben hat, im Rahmen pflichtmäßigen Ermessens unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten zu prüfen, ob er die diesbezüglichen abgeschlossenen Verwaltungsverfahren nach § 12 Abs. 1 KAG M-V in Verbindung mit §§ 130, 131 AO wieder aufgreift (oder gar aufgreifen muss) und unter Beachtung neuer Satzungsbestimmungen und der erbrachten Beiträge neu entscheidet. Die Einmaligkeit der Beitragserhebung dürfte ihn nicht daran hindern, weil es noch immer um die erstmalige Beitragserhebung geht (vgl. jetzt auch OVG M-V, Urt. v. 15. Dezember 2009 - 1 L 323/06 – juris Rn. 52 ff. mwN).“

172

An diesen Ausführungen hält das Gericht auch im vorliegenden Verfahren fest.

173

Die Kläger haben als Unterlegene die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

174

Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

175

Das Gericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VerGO zugelassen. Die von den Klägern angesprochene Rechtsfrage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 KAG M-V ist bislang – soweit ersichtlich – noch nicht vom Oberverwaltungsgericht M-V im Lichte der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08) bewertet worden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe

1

Der Antrag des Antragstellers,

2

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2013 anzuordnen,

3

hat keinen Erfolg.

4

Er ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 (1.Var.) VwGO in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO zulässig, jedoch unbegründet.

5

Die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, da sein privates Interesse, vom Vollzug des streitbefangenen Beitragsbescheids vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug nicht überwiegt.

6

Im Falle der Erhebung öffentlicher Abgaben kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nur in Betracht, wenn entsprechend § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Denn bei der Erhebung öffentlicher Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gesetzlich ausgeschlossen. Damit hat der Gesetzgeber das öffentliche Interesse an einem sofortigen Vollzug generell höher bewertet als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht. Er hat zudem durch § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO zum Ausdruck gebracht, dass Abgaben im Zweifel zunächst zu erbringen sind und der Zahlungspflichtige das Risiko zu tragen hat, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen. Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der gerichtlichen Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.

7

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts liegen vor, wenn aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Erfolg des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg.

8

Die gerichtliche Prüfung im Eilverfahren darf deshalb nicht die für das Hauptsacheverfahren geltenden Maßstäbe anlegen, sondern muss dem summarischen Charakter des Eilverfahrens Rechnung tragen. Dementsprechend sind Gegenstand der Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 3 VwGO in erster Linie der Abgabenbescheid selbst und die ihm bei summarischer Prüfung offensichtlich anhaftenden Fehler. In diesem Zusammenhang kommt in der Regel weder eine abschließende Klärung grundsätzlicher und schwieriger Rechtsfragen noch eine aufwendige Klärung von Tatsachen in Betracht, die grundsätzlich dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben sollen.

9

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheids können sich im Einzelfall auch aus sich aufdrängenden Satzungsmängeln der zugrunde liegenden kommunalen Abgabensatzung ergeben. Derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Abgabensatzung müssen dann jedoch im Eilverfahren so offensichtlich und eindeutig sein, dass im Hauptsacheverfahren eine andere rechtliche Beurteilung nicht zu erwarten ist. Eine Klärung offener Fragen zur Gültigkeit der jeweiligen Abgabesatzung kann nicht Aufgabe des Eilverfahrens sein. Vielmehr hat die (Inzident-) Kontrolle der Satzung im dafür vorgesehenen Hauptsacheverfahren stattzufinden. In der Regel wird daher im Rahmen des Eilverfahrens von der Gültigkeit der einem Abgabenbescheid zugrunde liegenden Abgabensatzung auszugehen sein (OVG Münster, Beschluss vom 17. März 1994 – 15 B 3022/93 – Juris Rn. 7; VGH München, Beschluss vom 17. Dezember 2001 – 23 CS 01.2361 – Juris Rn. 22, 28; OVG Weimar, Beschluss vom 23. April 1998 – 4 EO 6/97 – Juris Rn. 22 ff.).

10

In Anwendung dieser Maßstäbe bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheids des Antragsgegners vom 14. Dezember 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2013.

11

1. Rechtliche Grundlage für die Beitragserhebung ist die Schmutzwasserbeitragssatzung des AZV A-Stadt vom 07. Oktober 2008 (SBS 2008), die gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 des Fusionsvertrags vom 30. Juli/25. August 2008 zur Bildung des Antragsgegners im ehemaligen Gebiet des AZV A-Stadt fort gilt. Diese Satzung ist gemäß ihres § 20 am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung, die am 22. Oktober 2008 erfolgte, in Kraft getreten.

12

Nach § 2 Satz 2 SBS 2008 erhebt der Antragsgegner Beiträge für die Herstellung seiner zentralen öffentlichen Abwasseranlage. Beitragsmaßstab ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 SBS 2008 die Geschossfläche. Der Beitragssatz beträgt gemäß § 8 Abs. 1 SBS 2008 14,05 Euro je m² errechneter Geschossfläche. Beitragspflichtig ist nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SBS 2008, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist.

13

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung sind – unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der ihr - u.a. - zugrunde liegenden Vorschriften der §§ 6 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG LSA (dazu 2.) – weder geltend gemacht noch ersichtlich.

14

Soweit das OVG LSA in mehreren Entscheidungen vom 10. März 2011 (4 L 385/08 und 4 L 67/09) davon ausgegangen ist, dass diese Satzung keine hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die in den dortigen Verfahren streitgegenständlichen Beitragsbescheide bilde, war damit nicht die Feststellung der Nichtigkeit der Satzung verbunden. Vielmehr hatte das Oberverwaltungsgericht insoweit darauf abgestellt, dass nicht geprüft werden könne, ob der in der Satzung festgesetzte Beitragssatz von 14,05 Euro je m2 errechneter Geschossfläche (§ 8 Abs. 1 SBS 2008) gegen das Aufwandsüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA verstoße, weil nicht ersichtlich oder vom Antragsgegner in hinreichender Weise dargelegt sei, dass die Methodik der in der Beitragskalkulation vorgenommenen Flächenermittlung für das Verbandsgebiet fehlerfrei sei ( OVG LSA, Urteil vom 10. März 2011 – 4 L 385/08 – Juris Rn. 16). Konkret hatte es die Schätzung der Geschossflächen im unbeplanten Innenbereich anhand der als repräsentativ für das Verbandsgebiet ausgewählten Grundstücke beanstandet.

15

Der Antragsgegner hat im Anschluss an diese Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Magdeburg eine neue Beitragskalkulation vom 13. Februar 2012 erstellt, die die Verbandsversammlung am 27. März 2012 beschlossen hat. Im Rahmen dieser Kalkulation wurde die Methodik der Ermittlung der Geschossflächen im unbeplanten Innenbereich geändert. Diese Flächen wurden nunmehr durch Multiplikation der aus den Automatisierten Liegenschaftskarten übernommenen bebauten Flächen mit den Geschosszahlen errechnet, die im Rahmen der für jedes Grundstück durchgeführten Vor-Ort-Besichtigung geschätzt worden sind (vgl. S. 11 der Beitragskalkulation). Gegen diese Methode der Ermittlung der Geschossflächen im unbeplanten Innenbereich als solche bestehen keine rechtlichen Bedenken (Urteil der Kammer vom 28. Januar 2013 – 4 A 198/12 HAL –).

16

Der in § 8 Abs. 1 SBS 2008 festgesetzte Beitragssatz liegt mit 14,05 Euro/m² zudem unter dem kalkulierten höchstzulässigen Satz von 16,73 Euro/m² (vgl. S. 14 der Kalkulation vom 13. Februar 2012). Im Übrigen sind Fehler der Beitragskalkulation vom 13. Februar 2012, die eine Unwirksamkeit der Beitragssatzregelung in der Satzung begründen könnten, weder gerügt noch ersichtlich.

17

Gegen die Höhe des geltend gemachten Beitrags hat der Antragsteller Einwände ebenfalls nicht erhoben.

18

2. Mit dem Einwand, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten, vermag der Antragsteller im Eilverfahren nicht durchzudringen, weil nicht überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Einwand in der Hauptsache durchgreifen wird.

19

a. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG LSA i.V.m. den §§ 169, 170 Abs. 1 AO beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist, innerhalb derer ein Beitrag festgesetzt werden darf, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die sachliche Beitragspflicht entstanden ist. Wird ein Beitrag für leitungsgebundene Einrichtungen erhoben, entsteht die Beitragspflicht gemäß § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem In-Kraft-Treten der Satzung. Dabei muss es sich um eine wirksame Satzung handeln, die der Herstellung der Anschlussmöglichkeit bzw. dem Entstehen der Vorteilslage nachfolgen kann, ohne sich Rückwirkung beimessen zu müssen (OVG LSA, Urteil vom 10. März 2011 - 4 L 67/09 – Juris Rn. 43, ständige Rechtsprechung).Nach diesen Regelungen begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 2008 und lief bis Ende 2012, so dass der streitgegenständliche Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2012 innerhalb dieser Frist erging.

20

Das Grundstück des Antragstellers konnte zwar bereits im Jahr 2003 an die öffentliche Einrichtung des Antragsgegners bzw. seines Rechtsvorgängers (AZV A-Stadt) angeschlossen werden. Indes konnte die Beitragspflicht erst mit In-Kraft-Treten der SBS 2008 im Jahr 2008 entstehen, da die zuvor erlassenen Beitragssatzungen des AZV A-Stadt unwirksam gewesen sind (Urteile der Kammer vom 26. Juni 2003 – 4 A 420/01 HAL – Juris, und vom 27. Oktober 2005 – 4 A 314/04 HAL –). Das trifft insbesondere auch auf die vom Antragsteller in Bezug genommene Satzung über die Erhebung von Schmutzwasserbeiträgen für die Entwässerung des Gebiets des Abwasserzweckverbands A-Stadt vom 09. Januar 2007 (SBS 2007) zu. Diese Satzung ist nach der Rechtsprechung der Kammer (Urteile der Kammer vom 04. August 2008 – 4 A 159/06 HAL –, vom 26. Januar 2009 – 4 A 303/08 HAL –) nichtig, da sie unwirksame Maßstabsregelungen enthält, die die Gesamtunwirksamkeit der Satzung nach sich ziehen. Die Kammer hat im Urteil vom 04. August 2008 u.a. ausgeführt:

21

„Die Regelungen in § 7 c Abs. 2 Sätze 3 und 4 SBS sind nichtig: Sie verstoßen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, denn sie führen zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von Grundstücken im unbeplanten Innenbereich bzw. im Außenbereich und Grundstücken in beplanten Gebieten. Nach § 7 c Abs. 2 Sätze 3 und 4 SBS sind bei Grundstücken im unbeplanten Innenbereich und im Außenbereich, bei denen sich die errechnete Geschossfläche im Sinne des § 8 Abs. 1 SBS aus der Summe aller Vollgeschossflächen ergibt (vgl. § 7 c Abs. 1 SBS), Dachgeschosse in dem Umfang, in dem sie tatsächlich ausgebaut sind, und begrenzt auf die Flächen, die eine Mindesthöhe von 1,50 m aufweisen, den Vollgeschossflächen unabhängig davon hinzuzurechnen, ob die Dachgeschosshöhe die Raumhöhe eines Vollgeschosses im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 der Satzung erreicht. Für Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans wird die Geschossfläche im Sinne von § 8 Abs. 1 SBS hingegen anhand der Festsetzungen im Bebauungsplan ermittelt (§ 7 a und 7 b SBS). Grundstücke in nicht beplanten Gebieten werden infolgedessen in unzulässiger Weise benachteiligt, weil in letzteren Dachgeschosse, die keine Vollgeschosse (im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 SBS) sind, bei der Beitragsbemessung außer Acht bleiben, während sie in anderen Gebieten hinzugerechnet werden, ohne dass es für eine derartige Differenzierung einen rechtfertigenden Grund gibt. Ein solcher ergibt sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt insbesondere nicht daraus, dass nach dem gewählten Geschossflächenmaßstab für beplante Gebiete auf das zulässige Nutzungsmaß, für andere Gebiete hingegen auf das tatsächliche Nutzungsmaß abgestellt wird. Denn die Ausgestaltung des Maßstabs darf nicht dazu führen, dass Grundstücke, deren Gebäude mit einem ausgebauten Dachgeschoss versehen sind, das kein Vollgeschoss ist, aufgrund ihrer Lage außerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans bei der Veranlagung gegenüber Grundstücken in beplanten Gebieten benachteiligt werden, obwohl sich das Maß der baulichen Nutzung nicht von den Gebäuden unterscheidet, die im beplanten Bereich mit einem ausgebauten Dachgeschoss ausgestattet sind, das kein Vollgeschoss beinhaltet (vgl. OVG LSA, Urteil vom 04. Dezember 2003 – 1 L 226/03 – Juris).

22

Die Unwirksamkeit dieser Regelung hat die Gesamtnichtigkeit der Regelungen über den Verteilungsmaßstab und daher der Satzung zur Folge, da einer Abgabensatzung ohne Maßstabsregelung ein nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA notwendiger Bestandteil fehlt.

23

Die Ungültigkeit einer satzungsrechtlichen Regelung führt in Analogie zu § 139 BGB nur dann nicht zur Gesamtnichtigkeit, wenn die restlichen Bestimmungen auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleiben und mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären, wenn dem Normgeber die Nichtigkeit des einen Teils bekannt gewesen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1978 – 7 C 44/76 –, DVBl. 1978, S. 536). Dies ist hier aber nicht der Fall. Es ist nämlich nicht mit Sicherheit davon auszugehen, dass der Beklagte die Verteilungsregelung auch ohne die Regelung über die Veranlagung von Dachgeschossflächen im nicht beplanten Bereich erlassen hätte. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beklagte eine andere – nicht gleichheitswidrige – Regelung zur Berücksichtigung der Dachgeschossflächen innerhalb des Geschossflächenmaßstabs getroffen oder aber einen anderen, die Berücksichtigung von Dachgeschossflächen erfassenden Verteilungsmaßstab (etwa den Vollgeschossmaßstab) gewählt hätte. Das gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass ausgebaute Dachgeschosse, die keine Vollgeschosse sind, im Verbandsgebiet häufig anzutreffen sind und diese Flächen daher einen nicht unerheblichen Teil der beitragsfähigen Fläche ausmachen.“

24

Daran ist auch im vorliegenden Eilverfahren festzuhalten.

25

b. Es bestehen zwar vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05. März 2013 (1 BvR 2457/08, Juris) verfassungsrechtliche Bedenken an der Regelung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nach § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA i.V.m. der Regelung über die Festsetzungsverjährung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG LSA. Es ist aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der angefochtene Beitragsbescheid im Hinblick darauf der Aufhebung unterliegen wird.

26

aa. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem vorgenannten Beschluss eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erklärt, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

27

Das Kommunalabgabengesetz des Landes Sachsen-Anhalt enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA fordert jedoch für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer (wirksamen) Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss. Zudem beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG LSA i.V.m. § 170 Abs. 1 AO erst mit dem Ablauf des Kalenderjahres zu laufen, in dem die Beitragspflicht entstanden ist. Damit ermöglichen diese Regelungen es ebenfalls, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Im Hinblick darauf dürften auch diese landesrechtlichen Vorschriften gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen (zur vergleichbaren Regelung in Brandenburg: BVerfG, Beschluss vom 03. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –), soweit sie die Fallkonstellationen regeln, dass die erste wirksame Beitragssatzung der Begründung der Vorteilslage nachfolgt. ohne sich Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage beizumessen.

28

bb. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA scheidet nach summarischer Prüfung aus. Das Tatbestandsmerkmal „frühestens mit dem In-Kraft-Treten der Satzung“ dürfte zum einen nicht dahingehend ausgelegt werden können, dass spätestens zu dem Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage eine wirksame – gegebenenfalls rückwirkende – Beitragssatzung in Kraft gesetzt sein müsse (OVG Lüneburg, Urteil vom 15. September 1995 – 9 L 6166/93 – Juris zum niedersächsischen Landesrecht). Zum anderen dürfte es auch nicht dahingehend ausgelegt werden können, dass es auf den Zeitpunkt ankomme, in dem die Gemeinde erstmals eine Beitragssatzung in Kraft setzen wollte mit der Folge, dass sich bei Ungültigkeit dieser Satzung eine später erlassene gültige Satzung Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt beimessen muss, um eine Beitragspflicht für die bereits vorher anschließbaren Grundstücke begründen zu können (OVG Münster, Urteil vom 18. Mai 1999 – 15 A 2880/96 – Juris zum nordrhein-westfälischen Landesrecht).

29

Die verfassungskonforme Auslegung einer gesetzlichen Regelung kommt nur in Betracht, soweit unter Berücksichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Zweck mehrere Deutungen der betreffenden Bestimmung möglich sind, von denen zumindest eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt. Durch den Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und den Gesetzeszweck werden der verfassungskonformen Auslegung Grenzen gezogen. Ein Normverständnis, das in Widerspruch zu dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht, kann auch im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht begründet werden. Im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird, dass also gleichsam der Gesetzgeber die von ihm getroffene Regelung nach der verfassungskonformen Auslegung „inhaltlich nicht wieder erkennt" (OVG Münster, Urteil vom 30. April 2013 – 14 A 207/11 – Juris Rn. 51 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

30

Danach scheidet eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA im o.g. Sinne aus, weil dies dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers zuwider liefe. Dies ergibt sich aus Folgendem:

31

§ 6 Abs. 6 KAG LSA in der bis zum 08. Oktober 1997 geltenden Fassung vom 11. Juni 1991 (GVBl. LSA S. 105), geändert durch das Gesetz vom 13. Juni 1996 (GVBl. LSA S. 200), bestimmte, dass die Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme entsteht, in den Fällen des Absatzes 2 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 4 mit der Beendigung des Abschnitts. Mit Wirkung vom 09. Oktober 1997 wurden durch das Gesetz vom 06. Oktober 1997 (GVBl. LSA S. 878) in § 6 Abs. 6 KAG LSA die Sätze 2, 3 und 4 angefügt:

32

„Wird ein Anschlussbeitrag erhoben, entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Investitionen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen wurden, fallen nicht unter diese Regelung. Die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen."

33

Mit der Regelung in § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, das Entstehen der Beitragspflicht als Anknüpfungspunkt für den Beginn der Festsetzungsverjährung frühestens auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten wirksamen Beitragssatzung zu legen, die nicht bereits im Zeitpunkt der Schaffung der Anschlussmöglichkeit vorliegen muss. Dies ergibt sich eindeutig aus der Begründung des Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion vom 16. August 1997 (Landtagsdrucksache 2/3895). Darin ist ausgeführt, dass ein Hinausschieben der Entstehung der Beitragspflicht bei Anschlussbeiträgen frühestens auf den Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der ersten rechtsgültigen Beitragssatzung erforderlich sei, um Beitragsausfällen oder Rückforderungen vorzubeugen, die sich im Hinblick auf die fehlgeschlagene Gründung der Zweckverbände und das Infragestehen ihrer Existenz ergeben könnten (S. 4, 7).

34

Die Änderung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG durch das Gesetz vom 16. April 1999 (GVBl. S. 150) in seine nunmehr geltende Fassung hatte keine inhaltliche Änderung zur Folge. Vielmehr hat der Gesetzgeber das Ziel der Regelung, dass die Beitragspflicht erst mit dem In-Kraft-Treten der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, auch wenn diese erst nach der Schaffung der Anschlussmöglichkeit in Kraft getreten ist, nochmals deutlich herausgestellt.

35

Mit dem Gesetz vom 16. April 1999 erhielten die Sätze 1 und 2 des § 6 Abs. 6 KAG LSA folgende Fassung:

36

"Für Verkehrsanlagen (Absatz 1 Satz 1) entsteht die Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme, in den Fällen des Absatzes 2 mit der Beendigung der Teilmaßnahme und in den Fällen des Absatzes 4 mit der Beendigung des Abschnitts, sofern vor der Entscheidung über die beitragsauslösende Maßnahme eine Satzung vorliegt. Wird ein Beitrag für leitungsgebundene Einrichtungen erhoben, entsteht die Beitragspflicht, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung."

37

In der Begründung des Gesetzentwurfs der PDS-Fraktion vom 28. Januar 1999 (Landtagsdrucksache 3/919) wird ausgeführt, dass bis zur Änderung des § 6 Abs. 6 KAG LSA durch das Gesetz vom 06. Oktober 1997 eine Beitragspflicht habe erst entstehen können, wenn spätestens bei Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme eine gültige Satzung vorhanden gewesen sei. Durch das Gesetz vom 06. Oktober 1997 sei der Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht hinausgeschoben worden. Dies sei erfolgt, weil die Satzungen der nicht wirksam gegründeten Abwasserzweckverbände nichtig gewesen und diese aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht in der Lage seien, entsprechende Abgabensatzungen rückwirkend zu erlassen. Daher solle die Beitragspflicht erst mit dem In-Kraft-Treten einer gültigen Satzung entstehen, unabhängig von der Beendigung der beitragsauslösenden Maßnahme. Da das Oberverwaltungsgericht Magdeburg diese nach dem gesetzgeberischen Willen auf Anschlussbeiträge begrenzte Regelung auch auf Straßenausbaubeiträge angewandt habe, werde durch die Neufassung des § 6 Abs. 6 KAG LSA klargestellt, dass für den Straßenbau nur dann Beiträge erhoben werden dürften, wenn spätestens vor Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme eine rechtsgültige Beitragssatzung vorliege.

38

Damit stehen die Entstehungsgeschichte und der auch im unterschiedlichen Wortlaut der Regelungen der Sätze 1 und 2 des § 6 Abs. 6 KAG LSA zum Ausdruck kommende Gesetzeszweck einer von der bisherigen Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA abweichenden Auslegung entgegen.

39

cc. Die voraussichtliche (teilweise) Verfassungswidrigkeit der Regelungen des § 6 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b KAG LSA rechtfertigt gleichwohl nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den streitbefangenen Beitragsbescheid.

40

Im Hauptsacheverfahren ist die Kammer auch bei ihrer Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen gehindert, den strittigen Bescheid sogleich aufzuheben. Der Verstoß einer gesetzlichen Vorschrift gegen das Grundgesetz kann nur durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen eines Vorlageverfahrens gemäß Art. 100 GG festgestellt werden. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht im Hauptsacheverfahren zu dem Schluss kommen sollte, dass die genannten Vorschriften des KAG LSA verfassungswidrig sind, ist gegenwärtig nicht zu erwarten, dass es damit diese auch (mit rückwirkender Wirkung) für nichtig erklären würde. Steht eine gesetzliche Regelung mit dem Grundgesetz nicht in Einklang und hat der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen, trägt das Bundesverfassungsgericht dem regelmäßig in der Weise Rechnung, dass es die Regelung nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur verfassungskonformen Neuregelung setzt. Dem entsprechend hat das Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08, Juris Rn. 49 ff.) Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG (lediglich) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und dem bayrischen Gesetzgeber Gelegenheit zur verfassungsgemäßen Neuregelung gegeben.

41

Im Hinblick darauf dürfte auch in Sachsen-Anhalt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung zu geben sein. Dabei bleibt es ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze des vorgenannten Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts der Rechtssicherheit genügt.

42

Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit (Juris Rn. 50) ausgeführt:

43

„So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (…). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (…).“

44

Bei summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Möglichkeit zur Neuregelung ergreifen wird. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass dem Landesgesetzgeber die Problematik bekannt ist und ein Tätigwerden bereits geprüft wird; am 28. November 2013 war der Ausschuss für Inneres und Sport des Landtags von Sachsen-Anhalt mit dieser Angelegenheit befasst (vgl. S. 3750 ff des Stenografischen Berichts vom 26. April 2013, Plenarprotokoll 6/44 sowie TOP 3 der 40. Sitzung des Ausschusses). Zudem erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine gesetzliche Regelung erlassen wird, die den Grundsätzen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts Rechnung trägt und die der Inanspruchnahme des Antragstellers durch den angegriffenen Beitragsbescheid nicht entgegensteht.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die Streitwertfestsetzung auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung dreier Bescheide, mit denen sie zu Anschlussbeiträgen für die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Schmutzwasserentsorgung herangezogen werden.

2

Die Antragsteller sind seit dem 11.11.2008 als Eigentümer der in der Gemarkung … Flur … belegenen und jeweils unter einer separaten laufenden Nummer geführten Flurstücke … (588 qm, Grundbuchblatt …), … (3.104 qm, Grundbuchblatt …) und … (1.099 qm, Grundbuchblatt …) eingetragen.

3

Bereits im Jahr 1995 erfolgte die Herstellung der streitbefangenen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage.

4

Mit Bescheiden vom 03.09.2013 zog der Antragsgegner die Antragsteller zu Anschlussbeiträgen für die öffentliche Schmutzwasserentsorgung in Höhe von insgesamt 38.366,32 EUR heran. Hierbei setzte er für das Flurstück … einen Beitrag von 4.708,70 EUR (Bescheid-Nr.: …), für das Flurstück … einen Beitrag von 24.856,38 EUR (Bescheid-Nr.: …) und für das Flurstück … einen Beitrag von 8.800,79 EUR (Bescheid-Nr.: …) fest. Der Antragsgegner legte seiner jeweiligen Berechnung drei Vollgeschosse (Geschossfaktor 2,2) und einen Beitragssatz von 3,64 EUR/qm zugrunde.

5

Gegen diese drei Beitragsbescheide legten die anwaltlich vertretenen Antragsteller mit Schriftsätzen vom 24.09.2013 jeweils Widerspruch ein und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners lehnte Namens und im Auftrag des Antragsgegners die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung mit Schriftsatz vom 18.11.2013 ab.

6

Mit Mahnschreiben vom 15.01.2013 mahnte der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern die Zahlung der mit Bescheiden vom 03.09.2013 festgesetzten Anschlussbeiträge in Höhe von insgesamt 38.366,32 EUR an und forderte sie auf, bis zum 29.01.2014 zu zahlen. Die Mahnung enthält bei der Angabe der „Verbr.-Stelle“ den Hinweis „Kopie an Mieter“.

7

Der Antragsteller zu 2. forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 23.01.2014 auf, es zu unterlassen, die Mahnung den Mietern zuzuleiten und gab ihm die Gelegenheit, dies bis 11.00 Uhr schriftlich ihm gegenüber zu erklären.

8

Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners teilte dem Antragsteller zu 2. mit Schriftsatz vom 24.01.2014, welcher bei diesem am selben Tag um 14.41 Uhr einging, mit, dass die Mieter weder eine Kopie der Mahnung erhalten hätten noch ein solches Vorgehen beabsichtigt gewesen sei und entschuldigte sich ausdrücklich. Denn bei dem Hinweis „Kopie an Mieter“ handele es sich um einen „voreingestellten Hinweis“ bei Mahnungen in Bezug auf Gebühren, der fälschlicherweise nicht entfernt worden sei. Eine Kopie dieses Schriftsatzes wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am selben Tag um 14.42 Uhr übermittelt.

9

Die Antragsteller haben beim beschließenden Gericht am 24.01.2014 (Faxeingang: 15.57 Uhr) um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit an das Gericht gerichtetem Schriftsatz vom 28.01.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners von Vollstreckungsmaßnahmen bis zu einer Entscheidung des Gerichts abzusehen und keine Unterrichtung der Mieter vorzunehmen.

10

Zur Begründung ihres Antrags führen die Antragsteller aus, dass ihnen kein rechtliches Gehör vor der Ablehnung der Aussetzungsanträge gewährt worden sei. Die Ablehnung sei durch den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgt, ohne dass dieser eine Bevollmächtigung vorgelegt habe, zudem fehle es an der öffentlich-rechtlichen Beleihung. Das beschließende Gericht habe bereits in den Verfahren 9 A 45/13 MD und 9 B 46/13 MD hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke zum Herstellungsbeitrag entschieden, wobei die vormals festgesetzten Beiträge deutlich niedriger geworden seien. Die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage sei bereits 1995 erfolgt, so dass die Antragsteller nunmehr im Abstand von nahezu 19 Jahren zu Beiträgen aufgrund einer (ersten) wirksamen Beitragssatzung aus dem Jahr 2009 herangezogen würden. Dies stelle einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit dar (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –). Der Antragsgegner müsse sich zurechnen lassen, dass sein Verbandsmitglied – die Gemeinde … – als früherer Eigentümer des Grundstücks ein voll erschlossenes Grundstück verkauft habe und sich nach dem Kaufvertrag verpflichtet habe, Erschließungskosten, soweit sie noch nicht fällig gestellt worden seien, zu tragen. Die Satzung sei – jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall – mangels verfassungskonformer Auslegung rechtswidrig, so dass die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragsgegners ausgehe. Selbst wenn man hiervon nicht ausginge, müsse den Antragstellern Vollstreckungsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache eingeräumt werden, da in analoger Anwendung des § 717 ZPO i.V.m. § 173 VwGO die Vollstreckung bis zur Entscheidung in der Hauptsache unbillig sei. Für den in der Mahnung erfolgten Hinweis „Kopie an Mieter“ fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Das Gericht müsse dem Antragsgegner aufgeben, dies zu unterlassen.

11

Die Antragsteller beantragen,

12

1. die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 24.09.2013 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 03.09.2013 anzuordnen,

13

hilfsweise, den Antragstellern Vollstreckungsschutz zu gewähren und

14

2. dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, das Mahnschreiben vom 15.01.2014 dem Mieter zur Kenntnis zu geben.

15

Der Antragsgegner beantragt,

16

die Anträge abzulehnen.

17

Er erwidert, dass der Antrag auf „Vollstreckungsschutz“ bereits unzulässig sei. Darüber hinaus habe der Antragsgegner bereits vor Antragstellung sowohl dem Antragsteller zu 2. als auch dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Mieter keine Mahnung erhielten und auch nicht erhalten würden. Der zu Ziffer 1 gestellte Hauptantrag sei zulässig, aber unbegründet. Insbesondere sei das rechtliche Gehör nicht verletzt worden, denn die Antragsteller haben mehrere Wochen Zeit zur Begründung gehabt. Der Aussetzungsantrag sei von Amts wegen geprüft worden. Auch im gerichtlichen Verfahren sei nicht zu einer etwaigen unbilligen Härte vorgetragen. Der Verweis auf die Verfahren 9 A 45/13 MD und 9 B 46/13 MD verfange nicht, weil die Bescheide wegen des fehlenden Grundeigentums aufgehoben worden seien. Hinsichtlich der Beitragshöhe sei darauf zu verweisen, dass die Grundstücksfläche, der Geschossfaktor und der Beitragssatz jeweils identisch seien, die vormalige geringere Heranziehung sei dem teilweise nur hälftigen Eigentum der früheren Eigentümerin geschuldet. Auf die Entscheidung des BVerfG könne sich nicht berufen werden, da das Gericht in dem Verfahren 9 A 45/13 MD mit Urteil vom 12.07.2013 festgestellt habe, dass die sachliche Beitragspflicht erst am 01.05.2009 entstanden sei. Dieses Urteil binde den Rechtsnachfolger gemäß § 121 Nr. 1 VwGO.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren und der Verfahren 9 A 45/13 MD, 9 B 46/13 MD verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

19

Die Anträge haben keinen Erfolg.

20

1. Der zu Ziffer 1. gestellte zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

21

Bei den streitbefangenen Beitragsbescheiden des Antragsgegners vom 03.09.2013 handelt es sich um Anforderungen von öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hiergegen haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 VwGO soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (a.) oder die Vollziehung für die Abgabenpflichtige eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (b.).

22

a. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides derart überwiegen, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfsführers wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Der Gesetzgeber bewertet im Abgabenbereich das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug generell höher als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht, so dass das Vollzugsinteresse wegen der gesetzlichen Wertung auch bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt. Das bedeutet, dass Abgaben im Zweifelsfall zunächst zu erbringen sind und den Zahlungspflichtigen das Risiko trifft, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen.

23

Nach summarischer Prüfung stellen sich die Erfolgsaussichten in der noch anhängig zu machenden Hauptsache jedenfalls als offen dar. Dies ergibt sich aus Folgendem:

24

Die Beitragsbescheide finden nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens in der rückwirkend zum 01.05.2009 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung des … vom 01.04.2009 (im Folgenden: AS 2009) ihre Rechtsgrundlage. Hierbei handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts um die erste wirksame Abgabensatzung des Antragsgegners, die wegen § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geeignet war, sachliche Beitragspflichten zum Entstehen zu bringen (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 07.02.2011 – 9 A 189/10 –, n.v.). Bedenken, die als solches gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit der AS 2009 sprechen könnten, haben die Antragsteller nicht geltend gemacht; sie sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens auch nicht ersichtlich.

25

Dass die Beitragsbescheide vor dem Hintergrund des von den Antragstellern in Bezug genommenen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 – (vgl. juris) auch zur Überzeugung der Kammer (verfassungs-)rechtlichen Bedenken begegnen können, rechtfertigt gleichwohl die jeweilige Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 31.05.2013 – 4 M 110/13 – juris; VG Cottbus, Beschluss vom 08.05.2013 – 6 L 328/12 – juris).

26

Entscheidungserheblich kommt es zwar darauf an, ob der Antragsgegner auch in zeitlicher Hinsicht (noch) berechtigt ist, die streitbefangenen Beiträge geltend zu machen, wenn – wie hier – die beitragsauslösende Maßnahme bereits im Jahr 1995 abgeschlossen war, jedoch die erste wirksame Beitragssatzung sich Wirkung auf den 01.05.2009 zumisst. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum BayKAG auf die Rechtslage nach dem KAG LSA übertragen lassen. Betrachtet man die Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA zusammen mit den Vorschriften über die Verjährung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG LSA i.V.m. §§ 169 ff. AO, so dürfte auch das KAG LSA – wie das BayKAG – unvollständig sein. Nach § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA entsteht die sachliche Beitragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung (vgl. OVG LSA, B. v. 24.01.2011 – 4 L 134/09 – m.w.N.), wobei die Satzung sogar einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 4 KAG-LSA), ohne dass insoweit eine zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung im vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Sinne normiert ist. Damit sind auch in Sachsen-Anhalt Fälle denkbar, für die das Gesetz keine zeitliche Grenze für die Beitragserhebung gewährleistet, zumal eine ausdrückliche rechtliche Verpflichtung des Satzungsgebers, die erste wirksame Beitragssatzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Beitragssatzung in Kraft zu setzen, nicht besteht. Eine Beitragserhebung wäre danach noch "nach Jahr und Tag" und jedenfalls auch derzeit noch möglich. Eine solche gesetzliche Reglung ist unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip in seiner vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

27

Gleichwohl müssen all diese Rechtsfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und dürften sodann eine Vorlageverpflichtung des Gerichts begründen. Denn nach summarischer Prüfung dürfte eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA insbesondere vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausscheiden. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht indes eine Vorlageverpflichtung nicht. Gleichwohl ergibt die hier allein gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage aber auch nicht, dass die Vollziehung der angefochtenen Beitragsbescheide wegen Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen auszusetzen wäre.

28

Selbst wenn nämlich im Hauptsacheverfahren das Verfassungsgericht zu dem Schluss kommen sollte, dass die genannten Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig sind, ist jedenfalls gegenwärtig nicht zu erwarten, dass es damit diese auch (mit rückwirkender Wirkung) für nichtig erklären würde (vgl. VG Cottbus, a.a.O.). Steht eine gesetzliche Regelung mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, hat der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht trägt dem regelmäßig in der Weise Rechnung, dass es die Regelung nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur verfassungskonformen Neuregelung setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2006 - 1BvL 1/04, juris). Der Landesgesetzgeber hat hiernach Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung (vgl. z.B. zur Rechtslage in Brandenburg: KAG-Änderungsgesetz vom 05.12.2013 – GVBl. I Nr. 40). Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt (vgl. VG Cottbus, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist in erster Linie der Landesgesetzgeber aufgerufen, eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen, was – gerichtsbekanntermaßen – derzeit erfolgt, so dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich sind, mithin jedenfalls derzeit von offenen Erfolgsaussichten auszugehen ist.

29

Soweit die Antragsteller darüber hinaus einwenden, es erschließe sich nicht, weshalb die Beitragsforderungen höher seien als die gegenüber der vormaligen Eigentümerin festgesetzten Beitragsforderungen, führt auch dies zu keiner anderen Betrachtung. Denn – wie der Antragsgegner zu Recht darstellt – sind in den durch Urteil des beschließenden Gerichts vom 12.07.2013 aufgehobenen Bescheide des Antragsgegners sowohl die jeweilige Grundstücksfläche als auch die Geschossanzahl sowie der mit dieser korrespondierende Geschossfaktor und der zugrunde gelegte Beitragssatz identisch. Soweit die Heranziehung der vormaligen Eigentümerin der Grundstücke in geringerem Maße erfolgte, hat der Antragsgegner lediglich darauf abgestellt, dass hinsichtlich zweier Grundstücke hälftiges Miteigentum vorgelegen habe und in der Folge die Beitragsforderung halbiert. Ausgehend davon, dass die Antragsteller Eigentümer der streitbefangenen Grundstücke zu je ein halb sind, bestand für ein entsprechendes Vorgehen – unabhängig davon, dass auch die vormalige Miteigentümerin als solche in Gänze hätte herangezogen werden können – keine Notwendigkeit.

30

Andere Gründe die gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide streiten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

31

Auch der Einwand der Antragsteller, ihnen sei kein rechtliches Gehör hinsichtlich ihrer beim Antragsgegner gestellten Aussetzungsanträge gewährt worden, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn die Vorschrift des § 80 Abs. 6 VwGO, die durch das 4. VwGOÄndG eingefügt wurde, dient allein der Entlastung der Gerichte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 182), so dass die Antragsteller sich hierauf nicht berufen können, da ihre Einwendungen jedenfalls im gerichtlichen Verfahren vollumfänglich Gehör finden.

32

b. Dass die Vollziehung der streitbefangenen Beitragsbescheide vom 03.09.2013 für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, wird von den Antragstellern nicht behauptet. Denn eine solche unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer – etwa durch Rückzahlung - (wieder) gut zu machen sind oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 07.05. 2008 – 9 S 11.08 – juris).

33

2. Das Gericht legt den gestellten Hilfsantrag gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend aus, dass die Antragsteller hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren, mit der dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, bis zur Entscheidung in der (noch anhängig zu machenden) Hauptsache die Vollstreckung aus den streitbefangenen Bescheiden einzustellen. Dieser auf die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichtete Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. bspw. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.11.2011 – 3 S 1317/11 – juris), aber unbegründet. Der Antragsteller hat schon das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920Abs. 2, 294 ZPO. Die Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 3 VwVG LSA liegen vor. Soweit die Antragsteller vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vortragen, die Vollstreckung sei unbillig, mithin vorläufig einzustellen (vgl. § 24 VwVG LSA), vermögen sie hiermit nicht durchzudringen. Denn die Erfolgsaussichten hinsichtlich einer noch anhängig zu machenden Klage gegen die streitbefangenen Bescheide sind derzeit jedenfalls offen (vgl. obige Darstellung). Eine Vollstreckung wäre allenfalls dann als unzulässige Rechtsausübung unbillig und ermessensfehlerhaft, wenn der Betrag der Vollstreckung sogleich zurückgezahlt werden müsste. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, denn der Landesgesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung des gerichtlich angenommenen Verfassungsverstoßes, so dass nicht von vornherein feststeht, dass die – zur Vollstreckung anstehenden – streitbefangenen Beitragsforderungen durch den Antragsgegner gleichsam zurückzuzahlen sind.

34

3. Der zu Ziffer 2. gestellte Antrag, dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, das Mahnschreiben vom 15.01.2014 dem Mieter zur Kenntnis zu geben, ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn der Antragsgegner ist der Verpflichtung ausweislich der Gerichtsakte bereits vor Stellung des Eilantrags (24.01.2014, Faxeingang bei Gericht 15.57 Uhr) nachgekommen, indem er auf dem Faxwege am selben Tag um 14.41 Uhr den Antragsteller zu 2., der ihn direkt zur Erklärung aufgefordert hatte und um 14.42 Uhr den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller über die insoweitige Fehlerhaftigkeit des Mahnschreibens vom 15.01.2014 unterrichtete und sich ausdrücklich entschuldigte.

35

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes in Abgabensachen – ungeachtet der im Übrigen beantragten Begehren – regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde zu legen ist (38.366,32 ./. 4).


(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Vollziehung dreier Bescheide, mit denen sie zu Anschlussbeiträgen für die vom Antragsgegner betriebene öffentliche Schmutzwasserentsorgung herangezogen werden.

2

Die Antragsteller sind seit dem 11.11.2008 als Eigentümer der in der Gemarkung … Flur … belegenen und jeweils unter einer separaten laufenden Nummer geführten Flurstücke … (588 qm, Grundbuchblatt …), … (3.104 qm, Grundbuchblatt …) und … (1.099 qm, Grundbuchblatt …) eingetragen.

3

Bereits im Jahr 1995 erfolgte die Herstellung der streitbefangenen öffentlichen Schmutzwasserbeseitigungsanlage.

4

Mit Bescheiden vom 03.09.2013 zog der Antragsgegner die Antragsteller zu Anschlussbeiträgen für die öffentliche Schmutzwasserentsorgung in Höhe von insgesamt 38.366,32 EUR heran. Hierbei setzte er für das Flurstück … einen Beitrag von 4.708,70 EUR (Bescheid-Nr.: …), für das Flurstück … einen Beitrag von 24.856,38 EUR (Bescheid-Nr.: …) und für das Flurstück … einen Beitrag von 8.800,79 EUR (Bescheid-Nr.: …) fest. Der Antragsgegner legte seiner jeweiligen Berechnung drei Vollgeschosse (Geschossfaktor 2,2) und einen Beitragssatz von 3,64 EUR/qm zugrunde.

5

Gegen diese drei Beitragsbescheide legten die anwaltlich vertretenen Antragsteller mit Schriftsätzen vom 24.09.2013 jeweils Widerspruch ein und beantragten gleichzeitig die Aussetzung der Vollziehung. Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners lehnte Namens und im Auftrag des Antragsgegners die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung mit Schriftsatz vom 18.11.2013 ab.

6

Mit Mahnschreiben vom 15.01.2013 mahnte der Antragsgegner gegenüber den Antragstellern die Zahlung der mit Bescheiden vom 03.09.2013 festgesetzten Anschlussbeiträge in Höhe von insgesamt 38.366,32 EUR an und forderte sie auf, bis zum 29.01.2014 zu zahlen. Die Mahnung enthält bei der Angabe der „Verbr.-Stelle“ den Hinweis „Kopie an Mieter“.

7

Der Antragsteller zu 2. forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 23.01.2014 auf, es zu unterlassen, die Mahnung den Mietern zuzuleiten und gab ihm die Gelegenheit, dies bis 11.00 Uhr schriftlich ihm gegenüber zu erklären.

8

Der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners teilte dem Antragsteller zu 2. mit Schriftsatz vom 24.01.2014, welcher bei diesem am selben Tag um 14.41 Uhr einging, mit, dass die Mieter weder eine Kopie der Mahnung erhalten hätten noch ein solches Vorgehen beabsichtigt gewesen sei und entschuldigte sich ausdrücklich. Denn bei dem Hinweis „Kopie an Mieter“ handele es sich um einen „voreingestellten Hinweis“ bei Mahnungen in Bezug auf Gebühren, der fälschlicherweise nicht entfernt worden sei. Eine Kopie dieses Schriftsatzes wurde dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am selben Tag um 14.42 Uhr übermittelt.

9

Die Antragsteller haben beim beschließenden Gericht am 24.01.2014 (Faxeingang: 15.57 Uhr) um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Mit an das Gericht gerichtetem Schriftsatz vom 28.01.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners von Vollstreckungsmaßnahmen bis zu einer Entscheidung des Gerichts abzusehen und keine Unterrichtung der Mieter vorzunehmen.

10

Zur Begründung ihres Antrags führen die Antragsteller aus, dass ihnen kein rechtliches Gehör vor der Ablehnung der Aussetzungsanträge gewährt worden sei. Die Ablehnung sei durch den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners erfolgt, ohne dass dieser eine Bevollmächtigung vorgelegt habe, zudem fehle es an der öffentlich-rechtlichen Beleihung. Das beschließende Gericht habe bereits in den Verfahren 9 A 45/13 MD und 9 B 46/13 MD hinsichtlich der streitbefangenen Grundstücke zum Herstellungsbeitrag entschieden, wobei die vormals festgesetzten Beiträge deutlich niedriger geworden seien. Die Herstellung der Abwasserbeseitigungsanlage sei bereits 1995 erfolgt, so dass die Antragsteller nunmehr im Abstand von nahezu 19 Jahren zu Beiträgen aufgrund einer (ersten) wirksamen Beitragssatzung aus dem Jahr 2009 herangezogen würden. Dies stelle einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und –vorhersehbarkeit dar (BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –). Der Antragsgegner müsse sich zurechnen lassen, dass sein Verbandsmitglied – die Gemeinde … – als früherer Eigentümer des Grundstücks ein voll erschlossenes Grundstück verkauft habe und sich nach dem Kaufvertrag verpflichtet habe, Erschließungskosten, soweit sie noch nicht fällig gestellt worden seien, zu tragen. Die Satzung sei – jedenfalls für den hier zu entscheidenden Fall – mangels verfassungskonformer Auslegung rechtswidrig, so dass die Interessenabwägung zum Nachteil des Antragsgegners ausgehe. Selbst wenn man hiervon nicht ausginge, müsse den Antragstellern Vollstreckungsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache eingeräumt werden, da in analoger Anwendung des § 717 ZPO i.V.m. § 173 VwGO die Vollstreckung bis zur Entscheidung in der Hauptsache unbillig sei. Für den in der Mahnung erfolgten Hinweis „Kopie an Mieter“ fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Das Gericht müsse dem Antragsgegner aufgeben, dies zu unterlassen.

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Die Antragsteller beantragen,

12

1. die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 24.09.2013 gegen die Bescheide des Antragsgegners vom 03.09.2013 anzuordnen,

13

hilfsweise, den Antragstellern Vollstreckungsschutz zu gewähren und

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2. dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, das Mahnschreiben vom 15.01.2014 dem Mieter zur Kenntnis zu geben.

15

Der Antragsgegner beantragt,

16

die Anträge abzulehnen.

17

Er erwidert, dass der Antrag auf „Vollstreckungsschutz“ bereits unzulässig sei. Darüber hinaus habe der Antragsgegner bereits vor Antragstellung sowohl dem Antragsteller zu 2. als auch dem Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Mieter keine Mahnung erhielten und auch nicht erhalten würden. Der zu Ziffer 1 gestellte Hauptantrag sei zulässig, aber unbegründet. Insbesondere sei das rechtliche Gehör nicht verletzt worden, denn die Antragsteller haben mehrere Wochen Zeit zur Begründung gehabt. Der Aussetzungsantrag sei von Amts wegen geprüft worden. Auch im gerichtlichen Verfahren sei nicht zu einer etwaigen unbilligen Härte vorgetragen. Der Verweis auf die Verfahren 9 A 45/13 MD und 9 B 46/13 MD verfange nicht, weil die Bescheide wegen des fehlenden Grundeigentums aufgehoben worden seien. Hinsichtlich der Beitragshöhe sei darauf zu verweisen, dass die Grundstücksfläche, der Geschossfaktor und der Beitragssatz jeweils identisch seien, die vormalige geringere Heranziehung sei dem teilweise nur hälftigen Eigentum der früheren Eigentümerin geschuldet. Auf die Entscheidung des BVerfG könne sich nicht berufen werden, da das Gericht in dem Verfahren 9 A 45/13 MD mit Urteil vom 12.07.2013 festgestellt habe, dass die sachliche Beitragspflicht erst am 01.05.2009 entstanden sei. Dieses Urteil binde den Rechtsnachfolger gemäß § 121 Nr. 1 VwGO.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im anhängigen Verfahren und der Verfahren 9 A 45/13 MD, 9 B 46/13 MD verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

II.

19

Die Anträge haben keinen Erfolg.

20

1. Der zu Ziffer 1. gestellte zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

21

Bei den streitbefangenen Beitragsbescheiden des Antragsgegners vom 03.09.2013 handelt es sich um Anforderungen von öffentlichen Abgaben im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Hiergegen haben Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 4 S. 3, Abs. 5 VwGO soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten die aufschiebende Wirkung einer Klage angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (a.) oder die Vollziehung für die Abgabenpflichtige eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (b.).

22

a. Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides derart überwiegen, dass ein Erfolg des Rechtsbehelfsführers wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Der Gesetzgeber bewertet im Abgabenbereich das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug generell höher als das private Interesse an einer vorläufigen Befreiung von der Leistungspflicht, so dass das Vollzugsinteresse wegen der gesetzlichen Wertung auch bei offenen Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt. Das bedeutet, dass Abgaben im Zweifelsfall zunächst zu erbringen sind und den Zahlungspflichtigen das Risiko trifft, im Ergebnis möglicherweise zu Unrecht in Vorleistung treten zu müssen.

23

Nach summarischer Prüfung stellen sich die Erfolgsaussichten in der noch anhängig zu machenden Hauptsache jedenfalls als offen dar. Dies ergibt sich aus Folgendem:

24

Die Beitragsbescheide finden nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens in der rückwirkend zum 01.05.2009 in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Abwasserbeseitigung des … vom 01.04.2009 (im Folgenden: AS 2009) ihre Rechtsgrundlage. Hierbei handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts um die erste wirksame Abgabensatzung des Antragsgegners, die wegen § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geeignet war, sachliche Beitragspflichten zum Entstehen zu bringen (vgl. VG Magdeburg, Urteil vom 07.02.2011 – 9 A 189/10 –, n.v.). Bedenken, die als solches gegen die formelle oder materielle Wirksamkeit der AS 2009 sprechen könnten, haben die Antragsteller nicht geltend gemacht; sie sind nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens auch nicht ersichtlich.

25

Dass die Beitragsbescheide vor dem Hintergrund des von den Antragstellern in Bezug genommenen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 – (vgl. juris) auch zur Überzeugung der Kammer (verfassungs-)rechtlichen Bedenken begegnen können, rechtfertigt gleichwohl die jeweilige Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 31.05.2013 – 4 M 110/13 – juris; VG Cottbus, Beschluss vom 08.05.2013 – 6 L 328/12 – juris).

26

Entscheidungserheblich kommt es zwar darauf an, ob der Antragsgegner auch in zeitlicher Hinsicht (noch) berechtigt ist, die streitbefangenen Beiträge geltend zu machen, wenn – wie hier – die beitragsauslösende Maßnahme bereits im Jahr 1995 abgeschlossen war, jedoch die erste wirksame Beitragssatzung sich Wirkung auf den 01.05.2009 zumisst. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum BayKAG auf die Rechtslage nach dem KAG LSA übertragen lassen. Betrachtet man die Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA zusammen mit den Vorschriften über die Verjährung in § 13 Abs. 1 Nr. 4 lit. b KAG LSA i.V.m. §§ 169 ff. AO, so dürfte auch das KAG LSA – wie das BayKAG – unvollständig sein. Nach § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG-LSA entsteht die sachliche Beitragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens mit Inkrafttreten der ersten wirksamen Beitragssatzung (vgl. OVG LSA, B. v. 24.01.2011 – 4 L 134/09 – m.w.N.), wobei die Satzung sogar einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 4 KAG-LSA), ohne dass insoweit eine zeitliche Obergrenze für die Beitragserhebung im vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Sinne normiert ist. Damit sind auch in Sachsen-Anhalt Fälle denkbar, für die das Gesetz keine zeitliche Grenze für die Beitragserhebung gewährleistet, zumal eine ausdrückliche rechtliche Verpflichtung des Satzungsgebers, die erste wirksame Beitragssatzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Beitragssatzung in Kraft zu setzen, nicht besteht. Eine Beitragserhebung wäre danach noch "nach Jahr und Tag" und jedenfalls auch derzeit noch möglich. Eine solche gesetzliche Reglung ist unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip in seiner vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

27

Gleichwohl müssen all diese Rechtsfragen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben und dürften sodann eine Vorlageverpflichtung des Gerichts begründen. Denn nach summarischer Prüfung dürfte eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA insbesondere vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte und dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ausscheiden. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes besteht indes eine Vorlageverpflichtung nicht. Gleichwohl ergibt die hier allein gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage aber auch nicht, dass die Vollziehung der angefochtenen Beitragsbescheide wegen Verfassungswidrigkeit der zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen auszusetzen wäre.

28

Selbst wenn nämlich im Hauptsacheverfahren das Verfassungsgericht zu dem Schluss kommen sollte, dass die genannten Gesetzesbestimmungen verfassungswidrig sind, ist jedenfalls gegenwärtig nicht zu erwarten, dass es damit diese auch (mit rückwirkender Wirkung) für nichtig erklären würde (vgl. VG Cottbus, a.a.O.). Steht eine gesetzliche Regelung mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, hat der Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das Bundesverfassungsgericht trägt dem regelmäßig in der Weise Rechnung, dass es die Regelung nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist zur verfassungskonformen Neuregelung setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.07.2006 - 1BvL 1/04, juris). Der Landesgesetzgeber hat hiernach Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung (vgl. z.B. zur Rechtslage in Brandenburg: KAG-Änderungsgesetz vom 05.12.2013 – GVBl. I Nr. 40). Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt (vgl. VG Cottbus, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist in erster Linie der Landesgesetzgeber aufgerufen, eine verfassungskonforme Neuregelung zu schaffen, was – gerichtsbekanntermaßen – derzeit erfolgt, so dass die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich sind, mithin jedenfalls derzeit von offenen Erfolgsaussichten auszugehen ist.

29

Soweit die Antragsteller darüber hinaus einwenden, es erschließe sich nicht, weshalb die Beitragsforderungen höher seien als die gegenüber der vormaligen Eigentümerin festgesetzten Beitragsforderungen, führt auch dies zu keiner anderen Betrachtung. Denn – wie der Antragsgegner zu Recht darstellt – sind in den durch Urteil des beschließenden Gerichts vom 12.07.2013 aufgehobenen Bescheide des Antragsgegners sowohl die jeweilige Grundstücksfläche als auch die Geschossanzahl sowie der mit dieser korrespondierende Geschossfaktor und der zugrunde gelegte Beitragssatz identisch. Soweit die Heranziehung der vormaligen Eigentümerin der Grundstücke in geringerem Maße erfolgte, hat der Antragsgegner lediglich darauf abgestellt, dass hinsichtlich zweier Grundstücke hälftiges Miteigentum vorgelegen habe und in der Folge die Beitragsforderung halbiert. Ausgehend davon, dass die Antragsteller Eigentümer der streitbefangenen Grundstücke zu je ein halb sind, bestand für ein entsprechendes Vorgehen – unabhängig davon, dass auch die vormalige Miteigentümerin als solche in Gänze hätte herangezogen werden können – keine Notwendigkeit.

30

Andere Gründe die gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide streiten könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

31

Auch der Einwand der Antragsteller, ihnen sei kein rechtliches Gehör hinsichtlich ihrer beim Antragsgegner gestellten Aussetzungsanträge gewährt worden, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Denn die Vorschrift des § 80 Abs. 6 VwGO, die durch das 4. VwGOÄndG eingefügt wurde, dient allein der Entlastung der Gerichte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 182), so dass die Antragsteller sich hierauf nicht berufen können, da ihre Einwendungen jedenfalls im gerichtlichen Verfahren vollumfänglich Gehör finden.

32

b. Dass die Vollziehung der streitbefangenen Beitragsbescheide vom 03.09.2013 für die Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben könnte, wird von den Antragstellern nicht behauptet. Denn eine solche unbillige Härte liegt (nur) dann vor, wenn durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen über die eigentliche Zahlung hinausgehende Nachteile entstehen, die nicht oder nur schwer – etwa durch Rückzahlung - (wieder) gut zu machen sind oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. OVG Berlin- Brandenburg, Beschluss vom 07.05. 2008 – 9 S 11.08 – juris).

33

2. Das Gericht legt den gestellten Hilfsantrag gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend aus, dass die Antragsteller hilfsweise den Erlass einer einstweiligen Anordnung begehren, mit der dem Antragsgegner aufgegeben werden soll, bis zur Entscheidung in der (noch anhängig zu machenden) Hauptsache die Vollstreckung aus den streitbefangenen Bescheiden einzustellen. Dieser auf die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gerichtete Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zulässig (vgl. bspw. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.11.2011 – 3 S 1317/11 – juris), aber unbegründet. Der Antragsteller hat schon das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920Abs. 2, 294 ZPO. Die Vollstreckungsvoraussetzungen nach § 3 VwVG LSA liegen vor. Soweit die Antragsteller vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vortragen, die Vollstreckung sei unbillig, mithin vorläufig einzustellen (vgl. § 24 VwVG LSA), vermögen sie hiermit nicht durchzudringen. Denn die Erfolgsaussichten hinsichtlich einer noch anhängig zu machenden Klage gegen die streitbefangenen Bescheide sind derzeit jedenfalls offen (vgl. obige Darstellung). Eine Vollstreckung wäre allenfalls dann als unzulässige Rechtsausübung unbillig und ermessensfehlerhaft, wenn der Betrag der Vollstreckung sogleich zurückgezahlt werden müsste. Hierfür bestehen jedoch keine Anhaltspunkte, denn der Landesgesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten zur Beseitigung des gerichtlich angenommenen Verfassungsverstoßes, so dass nicht von vornherein feststeht, dass die – zur Vollstreckung anstehenden – streitbefangenen Beitragsforderungen durch den Antragsgegner gleichsam zurückzuzahlen sind.

34

3. Der zu Ziffer 2. gestellte Antrag, dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, das Mahnschreiben vom 15.01.2014 dem Mieter zur Kenntnis zu geben, ist bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Denn der Antragsgegner ist der Verpflichtung ausweislich der Gerichtsakte bereits vor Stellung des Eilantrags (24.01.2014, Faxeingang bei Gericht 15.57 Uhr) nachgekommen, indem er auf dem Faxwege am selben Tag um 14.41 Uhr den Antragsteller zu 2., der ihn direkt zur Erklärung aufgefordert hatte und um 14.42 Uhr den Prozessbevollmächtigten der Antragsteller über die insoweitige Fehlerhaftigkeit des Mahnschreibens vom 15.01.2014 unterrichtete und sich ausdrücklich entschuldigte.

35

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

36

5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG, wobei in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 1.5) in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes in Abgabensachen – ungeachtet der im Übrigen beantragten Begehren – regelmäßig ¼ des Abgabenbetrages zugrunde zu legen ist (38.366,32 ./. 4).


Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 - 11 K 310/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 228.009,98 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin als Eigentümerin eines in der Gemeinde A-Stadt gelegenen Betriebsgeländes zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR.

In der Gemeinde A-Stadt wurde zum 1.4.1995 mit der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und -gebühren vom 21.3.1995 - AGS 1995 - anstelle der bis dahin einheitlich nach dem Frischwassermaßstab erhobenen Abwassergebühr eine nach Schmutz- und Niederschlagswasser „gesplittete“ Abwassergebühr eingeführt. Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin mit Bescheiden vom 21.12.1995, 5.1.1996 und 8.2.1996 für die Zeit vom 1.4.1995 bis zum 31.12.1996 zu Niederschlagswassergebühren in Höhe von zusammen 118.127,52 DM herangezogen. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage, und mit Urteil vom 19.11.1999 - 11 K 254/97 - hob das Verwaltungsgericht die genannten Bescheide auf. Begründet wurde das damit, der in der Satzung festgelegte Maßstab für die Berechnung der Niederschlagswassergebühr verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG; außerdem fehle es an einer angesichts der unvermittelten Einführung der Niederschlagswassergebühr mit Blick auf das Übermaßverbot erforderlichen schonenden Überleitungsbestimmung in der Satzung. Das Urteil vom 19.11.1999 wurde rechtskräftig.

Die Gemeinde A-Stadt erließ am 18.7.2000 mit Rückwirkung zum 1.4.1995 eine neue Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2000 - und forderte von der Klägerin mit Bescheiden vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 für die Jahre 1996 bis 2001 Niederschlagswassergebühren in Höhe von insgesamt 221.959,17 EUR. Die Klägerin wandte sich nach erfolglosem Vorverfahren erneut an das Verwaltungsgericht. Mit Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - hob das Verwaltungsgericht die Gebührenbescheide auf; es fehle immer noch an der gebotenen Überleitungsvorschrift in der Satzung. Das Urteil vom 12.3.2004 wurde rechtskräftig.

Bereits zum 1.1.2004 hatten die Gemeinde A-Stadt und der Zweckverband Kommunale Entsorgung B-Stadt den Zweckverband Entsorgung A-Stadt, den Beklagten des vorliegenden Verfahrens, gegründet, der die Aufgaben des bisherigen Eigenbetriebs Kanalwerk der Gemeinde A-Stadt übernahm. Der Zweckverband Entsorgung A-Stadt beschloss am 3.12.2004 eine Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2004 -, die in § 12 eine Übergangsregelung „zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Gebührenpflichtigen“ enthält, und setzte sie mit Wirkung zum 1.1.1996 in Kraft. Mit Bescheiden vom 17.1.2005 zog der Beklagte die Klägerin zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR heran. Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 9.2.2007 - 11 K 310/05 - abgewiesen. In dem Urteil heißt es unter anderem: Die Satzung vom 3.12.2004 sei gültig und vom Beklagten zutreffend angewandt worden. Der Beklagte sei befugt gewesen, die Satzung vom 3.12.2004 überhaupt und mit Rückwirkung zum 1.1.1996 zu erlassen; auf ihn seien nämlich durch die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003 wirksam alle zuvor der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung einschließlich der Gebührenerhebung übertragen worden. Die Meinung der Klägerin, dass die Aufgabenübertragung mangels entsprechender ausdrücklicher weitergehender Aussage in der Satzung vom 9.12.2003 ausschließlich Aufgaben, die in der Zeit nach Gründung des Zweckverbandes angefallen seien, erfasse, gehe am Wortlaut der Satzung vorbei. Ebenfalls unbedenklich sei, dass sich die Gebührensatzung vom 3.12.2004 Rückwirkung ab 1.1.1996 beilege. Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin werde dadurch nicht beeinträchtigt, denn diese habe angesichts der früheren Veranlagungen und der auf ihre Klagen hin ergangenen Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1999 und 12.3.2004 nie davon ausgehen können, endgültig gebührenfrei zu bleiben. Die angefochtenen Bescheide seien schließlich rechtzeitig, nämlich vor Eintritt von Festsetzungsverjährung, ergangen. Der Lauf der einschlägigen Frist von vier Jahren sei nämlich durch die rechtzeitig erfolgten früheren Bescheide gehemmt gewesen. Das ergebe sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 23.2.2007 zugestellt worden; am 19.3.2007 hat diese um die Zulassung der Berufung nachgesucht und ihren Antrag am 17.4.2007 näher begründet.

Der Beklagte sieht keinen Grund für die Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.2.2007 ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das, was die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.4.2007 vorgebracht hat und den Umfang der Prüfung durch den Senat im Zulassungsverfahren begrenzt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), gibt keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Die Ausführungen der Klägerin begründen keine - und erst recht keine ernstlichen - Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wobei für diese Feststellung keine besonders schwierige Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art zu beantworten ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); ebenso wenig kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin problematisierten Rechtsfragen lassen sich schon im Zulassungsverfahren ohne weiteres aus dem Gesetz in Verbindung mit den einschlägigen Satzungen beantworten, wobei im Grunde bereits das Verwaltungsgericht alles Notwendige ausgeführt hat. Mit Blick auf die Zulassungsantragsbegründung bemerkt der Senat teils wiederholend, teils ergänzend:

a) Die Meinung der Klägerin, „ein Zweckverband ... (dürfe) keine Gebühren erheben für einen Zeitraum vor seiner Entstehung; wenn er insoweit Gebühren für eines seiner Mitglieder erheben will, muss es insoweit eine ausdrückliche Vereinbarung geben beziehungsweise er muss insoweit ausdrücklich ermächtigt worden sein; dies ist vorliegend nicht geschehen“, geht fehlt; sie findet insbesondere im Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit - KGG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.6.1997 (Amtsblatt S. 723) keine Stütze.

Nach den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 KGG können Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, zu deren Durchführung sie berechtigt oder verpflichtet sind, nach Maßgabe dieses Gesetzes Zweckverbände bilden. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgaben der am Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände gehen - so § 4 Abs. 1 KGG - nach Maßgabe der Verbandssatzung auf den Zweckverband über. Vor diesem Hintergrund kommt den zwingend in der Verbandssatzung zu bestimmenden „Aufgaben“ des Zweckverbandes (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 KGG) entscheidende Bedeutung zu. Dabei enthält das saarländische Landesrecht - anders als das hessische Landesrecht

dazu VGH Kassel, Urteil vom 25.2.1985 - V OE 41/82 -, DÖV 1986, 157 -

keine Vorgabe dahingehend, Aufgaben dürften einem Zweckverband lediglich mit Wirkung für die Zukunft übertragen werden. Angesichts der „offenen“ Formulierung in § 2 Abs. 1 KGG steht es nach saarländischem Landesrecht den Gemeinden und Gemeindeverbänden vielmehr frei, die Aufgabenübertragung nur für die Zukunft vorzunehmen oder auf noch unerledigte Angelegenheiten aus der Vergangenheit zu erstrecken. Das folgt eindeutig aus § 3 Abs. 3 Satz 1 KGG. Danach kann der Zweckverband in Erfüllung seiner Aufgaben Satzungen erlassen, soweit Gemeinden und Gemeindeverbände, die Mitglieder des Zweckverbandes sind, in Erledigung der dem Zweckverband übertragenen Aufgaben zum Erlass von Satzungen berechtigt waren, insbesondere über die Erhebung von Gebühren. Durch den Gebrauch des Wortes „waren“ wird - jeden Zweifel ausschließend - klargestellt, dass es für die Zulässigkeit der Übertragung der Befugnis, eine Gebührensatzung zu erlassen, von der Gemeinde auf den Zweckverband ausreicht, dass die Gemeinde zu irgend einem zurückliegenden Zeitpunkt in der betreffenden Angelegenheit satzungsbefugt war . Allein das ist sinnvoll, um ein - oft missliches - Nebeneinander von Gemeinde und Zweckverband in demselben Aufgabengebiet ausschließen zu können. Demgegenüber führt selbst die Klägerin keinen einleuchtenden Grund an, warum es verboten sein soll, einem Zweckverband die Erledigung auch solcher Angelegenheiten zu übertragen, die zwar vor seiner Gründung angefallen, aber noch nicht abschließend erledigt sind

zum Problem vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6.4.1992 - 7 B 47/92 -, NVwZ-RR 1992, 428; OVG Münster, Beschluss vom 7.9.2004 – 9 B 1551/04 -, NVwZ-RR 2005, 278, und Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Auflage, Rdnr. 935.

Eine umfassende, also nicht auf erst nach dem 1.1.2004 angefallene Angelegenheiten beschränkte Aufgabenübertragung enthält die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003. Dabei kann dahinstehen, ob nicht bereits eine Vermutung für einen dahingehenden Regelungswillen bei Gründung eines Zweckverbandes besteht

vgl. dazu für das bayerische beziehungsweise das sächsische Landesrecht Friedl/Wiethe-Körprich unter Hinweis auf VGH München, Urteil vom 23.4.1986 - 23 CS 85 A 2663 -, n.v., beziehungsweise Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2007 -, § 8 Rdnr. 722 beziehungsweise Rdnr. 1255.

Der Wortlaut der Satzung vom 9.12.2003 spricht jedenfalls eindeutig für diese Auslegung. Zu Recht hat bereits das Verwaltungsgericht auf die keinerlei Einschränkung enthaltenden Aussagen des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Satzung vom 9.12.2003 hingewiesen, wonach der Zweckverband die örtlichen Aufgaben der Abwasserbeseitigung wahrnimmt und alle der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung übernimmt. Dass dies in der Vergangenheit begründete Rechte und Pflichten einschließt, macht für den Vertragsbereich § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung mit der Aussage deutlich, der Zweckverband trete in alle Rechte und Pflichten der Verträge ein. Nichts anderes ergibt sich für die Abwassergebührenerhebung und das einschlägige Satzungsrecht. Die Verbandsversammlung entscheidet nämlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung über den Erlass von Satzungen über die Erhebung von Abwassergebühren – das schließt aufgrund der umfassenden Satzungsautonomie die Befugnis zum Erlass rückwirkender Satzungen selbstverständlich ein -, und bis zum Inkrafttreten eigener Satzungen des Zweckverbandes gelten nach § 6 Abs. 4 die den Aufgabenbereich des Zweckverbandes betreffenden Satzungen der Gemeinde A-Stadt fort. Dass damit nach dem in der Satzung verlautbarten Willen seiner Mitglieder der Zweckverband unter anderem berechtigt und verpflichtet sein soll, am 1.1.2004 noch unerledigte Gebührenangelegenheiten aus früherer Zeit zu regeln, liegt auch ohne dahingehende ausdrückliche Aussage offen zutage und ist unter den gegebenen Umständen einzig sinnvoll. Davon ist übrigens das Verwaltungsgericht - von der Klägerin unbeanstandet - bereits im Vorprozess ausgegangen

vgl. Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 -, S. 8.

§ 8 Abs. 2 AGS 2004, wonach der Anspruch auf die Niederschlagswassergebühr mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahrs entsteht, stellt die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung nicht in Frage. Dieselbe Satzung bestimmt nämlich in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 den Beklagten - und gerade nicht die Gemeinde A-Stadt - zum Gläubiger unter anderem der Niederschlagswassergebühren, was offensichtlich Gebührenansprüche für vor Gründung des Zweckverbandes erfolgte Abwassereinleitungen einschließen soll. Insoweit bestätigt die AGS 2004 den vom Senat angenommenen umfassenden Aufgabenübergang von der Gemeinde A-Stadt auf den Zweckverband.

Im Weiteren ergibt die Aussage in § 1 Abs. 3 des Vertrags vom 19.11.2003, wonach die Kooperation zwischen den Zweckverbandsmitgliedern mit der Vertragsunterzeichnung beginnt, kein Argument gegen die hier vertretene Auffassung, da sie den Aufgabenkreis, auf den sich die künftige Zusammenarbeit bezieht, gerade nicht benennt.

b) Fehl geht auch die Kritik der Klägerin an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege kein Fall von Festsetzungsverjährung vor.

Die Festsetzungsverjährungsfrist für die Niederschlagswassergebühr beträgt nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Niederschlagswassergebührenschuld entsteht mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahres (§ 9 Abs. 2 AGS 2004). Das bedeutet, dass in Bezug auf die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2001, 2002 und 2003 die Festsetzungsverjährungsfrist am 31.12.2005, 31.12.2006 und 31.12.2007 abgelaufen wäre. Da die angefochtenen Bescheide am 17.1.2005 ergangen sind, stellt sich für den Erhebungszeitraum 2001 bis 2003 von vornherein kein Verjährungsproblem.

Bezüglich der Jahre 1996 bis 2000 hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf die in § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO enthaltene Sonderregelung über die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährungsfrist hingewiesen und diese Bestimmung in Übereinstimmung mit der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung

u.a. OVG Münster, Beschluss vom 30.6.1995 – 15 A 3337/92 -, zitiert nach Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Auflage, Rdnr. 472; OVG Lüneburg, Urteil vom 26.6.1996 - 9 L 1781/94 -, NVwZ 1998, 427; OVG Magdeburg, Beschluss vom 12.7.2002 – 1 M 273/01 -, NVwZ-RR 2003, 233, und VGH Kassel, Beschluss vom 10.4.2007 – 5 TG 3116/06 -, KStZ 2007, 131,

und Literatur

u.a. Lauenroth/Sauthoff in Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnrn. 35 bis 38; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 19 Rdnr. 37, und Thiem, Allgemeines kommunales Abgabenrecht, S. 166/167,

ausgelegt. Danach dauert die durch Anfechtung eines ersten, vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Abgabenbescheids mittels Widerspruchs und Klage bewirkte Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist nach gerichtlicher Bescheidaufhebung an, bis die betreffende Angelegenheit durch einen neuen Bescheid unanfechtbar geregelt ist. Fallbezogen bedeutet dies, dass die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise - seit dem 1.1.2004 - der an deren Stelle getretene Beklagte angesichts der jeweils vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Bescheide vom 5.1. und 8.2.1996 betreffend die Niederschlagswassergebühren für das Jahr 1996 und vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 betreffend die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2001 nach deren rechtskräftigen Aufhebung durch die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1996 - 11 K 254/97 - und 12.3.2004 - 11 K 51/02 - mit Blick auf die Festsetzungsverjährung unbegrenzt Zeit für eine Neuveranlagung hatte. Ausschließlich der Gesichtspunkt der Verwirkung stellte insoweit eine äußerste Grenze dar, die hier allerdings nicht überschritten ist, da die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise der Beklagte jeweils alsbald nach Rechtskraft der genannten Urteile des Verwaltungsgerichts Anstrengungen unternahm, die in den Gerichtsentscheidungen angesprochenen Satzungsmängel zu beheben und neue Veranlagungen vorzunehmen. Die Klägerin selbst behauptet denn auch nicht, je angenommen zu haben, endgültig gebührenfrei zu bleiben, und beruft sich ausdrücklich nur auf Verjährung, nicht aber - auch - auf Verwirkung.

Der Versuch der Klägerin, nunmehr die Richtigkeit insbesondere der das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - tragenden Annahme, die Gebührensatzung vom 18.7.2000 sei nichtig, in Frage zu stellen, um dadurch § 171 Abs. 3 a AO „auszuhebeln“, muss scheitern. Zwar kommt der Verwerfung der genannten Gebührensatzung durch das Verwaltungsgericht keine Allgemeinverbindlichkeit zu. Infolge der Rechtskraft des Urteils vom 12.3.2004 stehen aber im Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten bindend die Unwirksamkeit der Satzung vom 18.7.2000 sowie die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 fest. Einzig an die gerichtliche Aufhebung der genannten Abgabenbescheide knüpft aber die Vorschrift des § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO an. Weitergehende Ausführungen zu dieser Vorschrift sind angesichts der zutreffenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts sowie der einhelligen Norminterpretation durch Rechtsprechung und Literatur nicht veranlasst.

Schließlich ergibt sich aus dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 - 15 A 2880/96 -

OVGE 48,1; ebenso OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 8.6.2000 - 2 D 29/98 NE -, DVBl. 2001, 494 Leitsatz; diese Rechtsprechung ist mit Bundesrecht vereinbar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 6.9.1999 - 11 B 40/99 -, Juris, festgestellt hat;

nichts zugunsten der Klägerin. Der Leitsatz des genannten Urteils lautet:

Das Tatbestandsmerkmal „ .... frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung ...“ in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW bedeutet nicht „frühestens mit Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung“. Das Tatbestandsmerkmal bedeutet vielmehr, dass ... die Beitragspflicht erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Gemeinde eine Satzung in Kraft setzen will, die die Beitragspflicht entstehen lassen soll, sodass - sollte diese Satzung nichtig sein - eine für das Entstehen der Beitragspflicht erforderliche neue, wirksame Satzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Satzung haben muss.

Damit bezieht sich diese Entscheidung erklärtermaßen einzig auf den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW, also die Beitragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen. Eine weitergehende Geltung für das gesamte Kommunalabgabenrecht oder doch zumindest für das Abwassergebührenrecht postuliert das OVG Münster nicht und ist angesichts der auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW abhebenden Entscheidungsgründe auch nicht mittelbar dem Urteil zu entnehmen. Der beschließende Senat

u.a. Entscheidungen vom 14.2.1991 - 1 R 621/88 -, n.v., vom 5.9.1991 - 1 W 41/91 -, SKZ 1992, 109 Leitsatz 9, vom 7.12.1992 - 1 W 50/92 -, SKZ 1993, 102 Leitsatz 6, und vom 21.5.1993 - 1 W 24/93 -, SKZ 1993, 272 Leitsatz 6; ebenso OVG Greifswald, Urteil vom 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132; OVG Weimar, Beschluss vom 18.3.2002 - 4 ZEO 669/01 -, NVwZ-RR 2003, 91, und Becker, KStZ 2001, 161; dass diese Rechtsprechung ebenfalls bundesrechtskonform ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Senats vom 14.2.1991 mit Beschluss vom 13.11.1991 - 8 B 78/91 -, n.v., festgestellt;

hat zudem schon wiederholt entschieden, dass er, obwohl § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Saarland mit der entsprechenden Vorschrift des nordrhein-westfälischen Landesrechts übereinstimmt, die vom OVG Münster im Urteil vom 18.5.1999 vorgenommene Norminterpretation für falsch hält. All dies bedarf indes keiner Vertiefung. Die Klägerin übersieht bei ihrer Berufung auf das Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 nämlich völlig, dass sich der Beklagte bei Erlass der Gebührensatzung vom 3.12.2004 exakt so verhalten hat, wie es dem Leitsatz des Urteils vom 18.5.1999 entspricht. Die Gebührensatzung wurde nämlich rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft gesetzt mit der Folge, dass seit dem 1.1.1996 der Gebührenanspruch für das einzelne Kalenderjahr mit dessen Ablauf entstand und Festsetzungsverjährung folglich jeweils vier Jahre später eingetreten wäre. Indes wurde der Eintritt von Festsetzungsverjährung durch den rechtzeitigen Erlass von Gebührenbescheiden verhindert, und die durch die Anfechtung dieser Bescheide durch die Klägerin bewirkte Ablaufhemmung dauerte bei Erlass der jetzt angefochtenen Bescheide aufgrund der Regelung in § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO noch an

in diesem Sinne wohl auch Becker, a.a.O., S. 161 unten/162 oben, wonach dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 vornehmlich dann Bedeutung zukommt, wenn der Abgabenanspruch – anders als hier - nicht unter Zugrundelegung der Bestimmungen der ersten Satzung rechtzeitig geltend gemacht wurde.

Angesichts der aufgezeigten eindeutigen Rechtslage in den von der Klägerin problematisierten Punkten besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen. Der Antrag der Klägerin muss vielmehr zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3, 39 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden

1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.

(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.

(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.

(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.

(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

(2) Ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Soweit der Verwaltungsakt einen Anspruch auf künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt hat, bleibt es bei der für diesen Anspruch geltenden Verjährungsfrist.

(1) Der Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung ist unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist und der Schuldner sich hierauf beruft. Dies gilt auch, wenn der Schuldner nach § 275 Absatz 1 bis 3, § 439 Absatz 4 oder § 635 Absatz 3 nicht zu leisten braucht und der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt wäre. § 216 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) § 214 Abs. 2 findet entsprechende Anwendung.

(1) Dieses Gesetz gilt nicht für die Tätigkeit der Kirchen, der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihrer Verbände und Einrichtungen.

(2) Dieses Gesetz gilt ferner nicht für

1.
Verfahren der Bundes- oder Landesfinanzbehörden nach der Abgabenordnung,
2.
die Strafverfolgung, die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, die Rechtshilfe für das Ausland in Straf- und Zivilsachen und, unbeschadet des § 80 Abs. 4, für Maßnahmen des Richterdienstrechts,
3.
Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem errichteten Schiedsstellen,
4.
Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch,
5.
das Recht des Lastenausgleichs,
6.
das Recht der Wiedergutmachung.

(3) Für die Tätigkeit

1.
der Gerichtsverwaltungen und der Behörden der Justizverwaltung einschließlich der ihrer Aufsicht unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt dieses Gesetz nur, soweit die Tätigkeit der Nachprüfung durch die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit oder durch die in verwaltungsrechtlichen Anwalts-, Patentanwalts- und Notarsachen zuständigen Gerichte unterliegt;
2.
der Behörden bei Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen gelten nur die §§ 3a bis 13, 20 bis 27, 29 bis 38, 40 bis 52, 79, 80 und 96;
3.
der Vertretungen des Bundes im Ausland gilt dieses Gesetz nicht.

(1) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind täglich festzuhalten. Die Pflicht zur Einzelaufzeichnung nach Satz 1 besteht aus Zumutbarkeitsgründen bei Verkauf von Waren an eine Vielzahl von nicht bekannten Personen gegen Barzahlung nicht. Das gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 146a verwendet.

(2) Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu führen und aufzubewahren. Dies gilt nicht, soweit für Betriebstätten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes nach dortigem Recht eine Verpflichtung besteht, Bücher und Aufzeichnungen zu führen, und diese Verpflichtung erfüllt wird. In diesem Fall sowie bei Organgesellschaften außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des hiesigen Unternehmens übernommen werden, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind. Dabei sind die erforderlichen Anpassungen an die steuerrechtlichen Vorschriften im Geltungsbereich dieses Gesetzes vorzunehmen und kenntlich zu machen.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann der Steuerpflichtige elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem anderen Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen und aufbewahren. Macht der Steuerpflichtige von dieser Befugnis Gebrauch, hat er sicherzustellen, dass der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist.

(2b) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 kann die zuständige Finanzbehörde auf schriftlichen oder elektronischen Antrag des Steuerpflichtigen bewilligen, dass elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen oder Teile davon in einem Drittstaat oder in mehreren Drittstaaten geführt und aufbewahrt werden können. Voraussetzung ist, dass

1.
der Steuerpflichtige der zuständigen Finanzbehörde den Standort oder die Standorte des Datenverarbeitungssystems oder bei Beauftragung eines Dritten dessen Namen und Anschrift mitteilt,
2.
der Steuerpflichtige seinen sich aus den §§ 90, 93, 97, 140 bis 147 und 200 Absatz 1 und 2 ergebenden Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist,
3.
der Datenzugriff nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes in vollem Umfang möglich ist und
4.
die Besteuerung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.
Werden der Finanzbehörde Umstände bekannt, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen, hat sie die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung der elektronischen Bücher und sonstigen erforderlichen elektronischen Aufzeichnungen einen oder mehrere Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu verlangen. Eine Änderung der unter Satz 2 Nummer 1 benannten Umstände ist der zuständigen Finanzbehörde unverzüglich mitzuteilen.

(2c) Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner elektronischen Buchführung oder seinen Pflichten nach Absatz 2b Satz 4, zur Einräumung des Datenzugriffs nach § 147 Abs. 6, zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 Abs. 1 im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist nach Bekanntgabe durch die zuständige Finanzbehörde nicht nach oder hat er seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung der zuständigen Finanzbehörde in einen oder mehrere Drittstaaten verlagert, kann ein Verzögerungsgeld von 2 500 Euro bis 250 000 Euro festgesetzt werden.

(3) Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Wird eine andere als die deutsche Sprache verwendet, so kann die Finanzbehörde Übersetzungen verlangen. Werden Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbole verwendet, muss im Einzelfall deren Bedeutung eindeutig festliegen.

(4) Eine Buchung oder eine Aufzeichnung darf nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.

(5) Die Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen können auch in der geordneten Ablage von Belegen bestehen oder auf Datenträgern geführt werden, soweit diese Formen der Buchführung einschließlich des dabei angewandten Verfahrens den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen; bei Aufzeichnungen, die allein nach den Steuergesetzen vorzunehmen sind, bestimmt sich die Zulässigkeit des angewendeten Verfahrens nach dem Zweck, den die Aufzeichnungen für die Besteuerung erfüllen sollen. Bei der Führung der Bücher und der sonst erforderlichen Aufzeichnungen auf Datenträgern muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der Dauer der Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar sind und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Dies gilt auch für die Befugnisse der Finanzbehörde nach § 146b Absatz 2 Satz 2, § 147 Absatz 6 und § 27b Absatz 2 Satz 2 und 3 des Umsatzsteuergesetzes. Absätze 1 bis 4 gelten sinngemäß.

(6) Die Ordnungsvorschriften gelten auch dann, wenn der Unternehmer Bücher und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, führt, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümerin eines Grundstückes (FlSt. 180/08 der Flur A in der Gemarkung W.) im Gemeindegebiet der Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag für das Jahr 2004.

2

Am 21. Mai 2008 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Gemeinde C., die am 1. Januar 2000 in Kraft treten sollte. Am 19. August 2008 wurde die erste Beitrags(satz)satzung für die Abrechnungseinheit „W.“ und das Abrechnungsjahr 2004 beschlossen, die am 30. August 2008 in Kraft treten sollte.

3

Die Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid vom 22. September 2008 für das Jahr 2004 zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag in Höhe von 124,87 heran. Auf die Klage der Klägerin hob das Verwaltungsgericht Halle den Bescheid mit Urteil vom 4. Dezember 2009 (- 2 A 263/08 HAL -) auf, da u.a. die gebildete Abrechnungseinheit mit § 6a KAG LSA nicht in Einklang stehe.

4

Am 26. Juli 2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge, die am 1. Januar 2000 in Kraft treten sollte, sowie am 30. August 2011 hinsichtlich der Abrechnungseinheit „W.“ eine neue Beitrags(satz)satzung für das Abrechnungsjahr 2004, die am 30. August 2008 in Kraft treten sollte. Auf der Grundlage dieser Satzungen zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 für das Jahr 2004 zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag in Höhe von 125,60 € heran.

5

Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 28. März 2012 beim Verwaltungsgericht Halle erneut Anfechtungsklage erhoben. Das Gericht hat mit Urteil vom 27. März 2013 den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil die Festsetzung des Beitragssatzes infolge der Einbeziehung nicht beitragsfähiger Kosten unwirksam sei.

6

Die Beklagte hat fristgerecht Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und mit einer Beitrags(satz)satzung vom 7. Mai 2013, die am 30. August 2008 i

7

n Kraft treten soll, den Beitragssatz für das Jahr 2004 verringert. Mit Teilaufhebungsbescheid vom 8. Juli 2013 hat sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit darin ein höherer Beitrag als 114,71 festgesetzt worden ist. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit hinsichtlich des überschießenden Betrages für erledigt erklärt.

8

Der beschließende Senat hat mit Beschluss vom 21. August 2013 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, und das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam erklärt. Weiterhin hat der Senat die Berufung der Beklagten zugelassen, soweit das erstinstanzliche Urteil den Bescheid der Beklagten und deren Widerspruchsbescheid hinsichtlich einer Beitragssumme von 114,71 € aufhebt.

9

Die Beklagte macht zur Begründung geltend, der vom Verwaltungsgericht gerügte Fehler sei durch die Beitragssatzung vom 7. Mai 2013 geheilt worden.

10

An der bisherigen Rechtsprechung des Senates, wonach die Beitragsschuld im wiederkehrenden Beitragsrecht gerade unabhängig von der in einer gesonderten Satzung vorgenommenen Festsetzung des Beitragssatzes entstehe, sei festzuhalten. Sie sei zutreffend und methodisch systemgerecht. Eine Änderung dieser Rechtsprechung würde eine Erhebung wiederkehrender Beiträge im Jahresturnus praktisch unmöglich machen. Nach ihrer Kenntnis verfüge nicht eine einzige Gemeinde über eine satzungsmäßige Bestimmung des Beitragssatzes zum Jahresende. Es sei in der Praxis nicht ausgeschlossen, dass die Unternehmerrechnungen erst bis Mitte Dezember des jeweiligen Jahres gestellt würden, so dass auf Grund der weiter vorzunehmenden Maßnahmen die Umsetzung einer sachgerechten Beitragssatzung bis zum Jahresende ausgeschlossen sei. Im Übrigen habe sie im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des Senats die Beitragssatzung erstellt und es wäre ihr bei einer Änderung die Möglichkeit genommen, rückwirkend Beiträge zu erhebe. Dies widerspreche aber ebenfalls der (bisherigen) beitragsrechtlichen Methodik, da sie die Möglichkeit haben müsse, einen gerichtlich festgestellten Fehler rückwirkend zu heilen.

11

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) verlange keine andere Betrachtungsweise. Im Recht der wiederkehrenden Beiträge bestehe eine hinreichende Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage der Entstehung der Beitragsschuld und einer etwaigen Verjährung von Beitragsansprüchen. Die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10 -) zu dem Thema der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge nehme gerade nicht auf die Entscheidung vom 5. März 2013 Bezug.

12

Die Beklagte beantragt,

13

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 2. Kammer - vom 27. März 2013 abzuändern, soweit sich der Rechtsstreit nicht erledigt hat, und die Klage abzuweisen.

14

Die Klägerin beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie trägt vor, der Beitragsanspruch sei verjährt. Auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 müsse entsprechend dem Wortlaut des § 6a Abs. 6 KAG LSA davon ausgegangen werden, dass die Beitragsschuld mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr entstehe. Der Beitragsanspruch sei aber erst unter dem 4. Oktober 2011 geltend gemacht worden und daher verspätet.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

18

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

19

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes der Beklagten vom 4. September 2014 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor.

20

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2012 und des Teilaufhebungsbescheides vom 8. Juli 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

21

Einer Beitragserhebung steht entgegen, dass die Beitrags(satz)satzung der Beklagten vom 7. Mai 2013, mit der der Beitragssatz für das streitbefangene Beitragsjahr 2004 festgesetzt worden ist, rückwirkend nur zum 30. August 2008 in Kraft getreten ist.

22

Gemäß § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA entsteht bei wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen die Beitragsschuld jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr. Wiederkehrende Beiträge können damit nur für solche Kalenderjahre erhoben werden, für die am jeweiligen 31.12. eine gültige Beitragssatzung in Kraft war. Anders als bei einmaligen Straßenausbaubeiträgen entsteht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA die Beitragsschuld zu einem kalendermäßig bestimmten Datum, nämlich jeweils mit Ablauf des 31.12. für das abgelaufene Kalenderjahr. Eine Beitragsschuld kann aber nur dann entstehen, wenn eine wirksame Satzung in Kraft ist. Daher muss bereits zum gesetzlich genau festgelegten Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld eine wirksame Beitragssatzung (ggf. durch eine zulässige Rückwirkungsanordnung) in Kraft sein. Die im Rahmen des einmaligen Straßenausbaubeitragsrechts zu § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA in der bis zum 22. April 1999 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entsteht, ist auf die Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld nicht anwendbar. Dies gilt auch für die entsprechende Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht. § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA enthält mit der kalendermäßigen Bestimmung eines Datums eine spezielle Regelung, die sich von den Regelungen zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht im Erschließungsbeitragsrecht bzw. einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht unterscheidet. Der Satzungsgeber kann die Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld auch nicht über den 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres hinausschieben. Denn § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA enthält keine dem § 6 Abs. 6 Satz 4 KAG LSA entsprechende Regelung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Februar 2008 - 4 L 298/07 -; Beschl. v. 13. Oktober 2004 - 2 M 264/04 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 12. November 2003 - 2 B 546/03 -; VG Weimar, Urt. v. 5. Februar 2014 - 3 K 1548/12 We -, m.w.N., jeweils zit. nach JURIS).

23

Aus der Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der Beitragsschuld für das abgelaufene Kalenderjahr in § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA auf den jeweiligen 31.12. ergibt sich, dass zu dem Zeitpunkt auch der Beitragssatz für dieses Kalenderjahr festgelegt sein muss (so auch VG Magdeburg, Urt. v. 13. Juli 2005 - 2 A 57/05 -, zit. nach JURIS; nicht eindeutig: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5. November 2013 - 6 A 10553/13 -, zit. nach JURIS; VG Weimar, Urt. v. 5. Februar 2014 - 3 K 1548/12 We -, a.a.O.). Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 10. Dezember 2008 - 4 L 25/07 -; wohl auch VG Meiningen, Beschl. v. 7. März 2012 - 1 E 41/12 ME -, zit. nach JURIS) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.

24

1. Die nunmehr vertretene Auslegung folgt aus dem allgemeinen beitragsrechtlichen Grundsatz, dass eine Beitragsschuld, d.h. die sachliche Beitragspflicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. September 2013 - 9 B 20/13, 9 B 21/13 -, zit. nach JURIS; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rdnr. 92 ff.) nur dann entsteht, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach unveränderbar ist. Der Beitrag muss der Höhe nach berechenbar und der entstandene Aufwand im Erschließungsbeitragsrecht und dem Recht der einmaligen Straßenausbaubeiträge - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe - zumindest ermittlungsfähig sein (vgl. BVerwG, st. Rspr. seit dem Urt. v. 22. August 1975 - 4 C 11.73 - zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 19 Rdnr. 5 ff. zu Erschließungsbeiträgen; OVG Sachsen-Anhalt, st. Rspr. seit Beschl. v. 19. Februar 1998 - B 2 S 141/97 -; VGH Hessen, Urt. v. 10. Juni 2014 - 5 A 337/13 -; OVG Thüringen, Urt. v. 23. November 2012 - 4 EO 571/09 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12. November 2010 - OVG 9 N 121.08 -; VGH Bayern, Urt. v. 14. Juli 2010 - 6 B 08.2254 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 9. Juni 2010 - 9 ME 223/09 -; OVG Bremen, Beschl. v. 26. Februar 2009 - 1 B 317/08 -; OVG Sachsen, Urt. v. 3. September 2008 - 5 B 289/04 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 2. November 2005 - 1 L 105/05 -, jeweils zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a.a.O., § 37 Rdnr. 8 ff., m.w.N.; ders., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 490a, 490d, m.w.N. zu einmaligen Straßenausbaubeiträgen). Nur dann ist die Beitragspflicht auch in der Lage, die Festsetzungsverjährungsfrist in Lauf zu setzen. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist. Demnach kann die Beitragspflicht erst dann entstehen, wenn der Beitrag auch der Höhe nach voll ausgebildet ist.

25

Soweit vertreten wird, die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erfordere allenfalls eine spätere Bestimmbarkeit der Höhe der Beitragsforderung (so OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13. Februar 2008 - 2 LB 42/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Brandenburg, Beschl. v. 2. August 2002 - 2 A 682/01.Z -, LKV 2003, 92 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31. Januar 2000 - 15 A 290/00 -, jeweils zit. nach JURIS) ist dem nicht zu folgen. Diese Auffassung verkennt, dass eine Entstehung der Beitragsschuld, mit der gleichzeitig gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 38 AO der Anspruch der beitragserhebenden Körperschaft aus dem Abgabenschuldverhältnis entsteht, notwendigerweise zumindest die Ermittelbarkeit der Beitragshöhe voraussetzt. Der unter § 38 AO fallende Abgabenanspruch (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 37 Abs. 1 AO) im Beitragsrecht ist der Anspruch des Abgabengläubigers gegen den Abgabenschuldner auf einen Beitrag i.S. einer Geldleistung. Zudem ist der Beginn einer Festsetzungsverjährungsfrist denknotwendig davon abhängig, dass die betroffene Abgabe grundsätzlich auch festgelegt werden kann.

26

Die Abhängigkeit der Entstehung der Beitragsschuld von der Berechenbarkeit der Höhe des Beitrages gilt auch im Recht der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge. Solche Beiträge können gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA anstelle einmaliger Beiträge erhoben werden und unterscheiden sich in den grundlegenden Voraussetzungen zur Entstehung der Beitragsschuld, d.h. der sachlichen Beitragspflicht, nicht von diesen. Danach erfordert die Entstehung der Beitragsschuld i.S.d. § 6a Abs. 6 KAG LSA die Festsetzung eines Beitragssatzes. Selbst wenn die jährlichen Investitionsaufwendungen zum 31.12. des Kalenderjahres feststehen und auch die sonst erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Beitragserhebung in einer Beitragssatzung festgelegt sein sollten, ist ohne eine zu diesem Zeitpunkt wirksame Beitragssatzsatzung eine Ermittelbarkeit des maßgeblichen Aufwandes und damit eine hinreichende Berechenbarkeit des Beitrages nicht möglich. Denn gem. § 6a Abs. 2 Satz 1 KAG LSA kann bei der Ermittlung des Beitragssatzes anstelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der zu erwartenden Aufwendungen der folgenden fünf Jahre ausgegangen werden. Daher ist auch bei einer von jährlichen Investitionsaufwendungen ausgehenden Regelung in einer Beitragssatzung nicht ausgeschlossen, dass eine später erlassene Beitragssatzsatzung eine abweichende Festlegung vornimmt, mit der Folge, dass sich der Umfang der anzurechnenden Aufwendungen ändert. Das Kommunalabgabengesetz ordnet an, dass die für die Höhe des Beitrages maßgebliche Entscheidung, nach welcher der beiden in Betracht kommenden Methoden die Aufwendungen zugrunde gelegt werden, im Rahmen der Festsetzung des Beitragssatzes getroffen wird. Weder darf die beitragserhebende Körperschaft auf die Festsetzung des Beitragssatzes verzichten noch stellt eine zu § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ergangene Festlegung in der Beitragssatzung (vgl. § 11 Abs. 5 der Satzung der Beklagten vom 26. Juli 2011) eine abschließend wirkende Regelung dar.

27

Dass im einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht eine Festsetzung des Beitragssatzes zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht zwingend notwendig ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 30 Rdnr. 36), steht dem nicht entgegen. Die Notwendigkeit, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA den Satz der Abgabe in der Satzung anzugeben, entfällt deshalb, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Beitragssatzung regelmäßig der für eine beitragsfähige Maßnahme entstandene Aufwand noch nicht feststeht. Ausdrücklich trägt dem § 6 Abs. 5 Satz 3 KAG LSA hinsichtlich der Festlegung des Beitragssatzes Rechnung. Danach genügt es, wenn in einer Beitragssatzung, die für mehrere gleichartige Einrichtungen (bzw. Verkehrsanlagen) erlassen wird, die Maßnahmen, für die Beiträge erhoben werden, nach Art und Umfang bezeichnet werden und der umzulegende Teil der Gesamtkosten bestimmt wird (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15. Juni 2005 - 4 L 655/04 -, zit. nach JURIS).

28

Auch die Anordnung in § 6a Abs. 5 KAG LSA, dass der Beitragssatz abweichend von § 2 Abs. 1 KAG LSA nicht nur in der eigentlichen Beitragssatzung, sondern auch in einer gesonderten Satzung festgelegt werden kann, hat nicht zur Folge, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres festgesetzt werden darf. Vielmehr wird dadurch dem Satzungsgeber lediglich ermöglicht, die Beitragssatzung in eine Grundlagensatzung und Beitragssatzsatzung(en) aufzuspalten, um so bei jährlichen Abrechnungsperioden ständige Änderungen der eigentlichen Beitragssatzung zu vermeiden (vgl. auch Kirchmer/Schmidt/Haack, KAG LSA, 2. A., § 6a, Nr. 5.3.3, Seite 336). Weder aus dem Wortlaut des § 6a Abs. 5 KAG LSA noch aus der Entstehungsgeschichte des § 6a KAG LSA lässt sich angesichts der oben dargestellten Erwägungen entnehmen, dass die Formulierung „gesondert“ hinsichtlich des Zeitpunktes der Festsetzung des Beitragssatzes zu einer von § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA abweichenden Auslegung führt.

29

Die von der Beklagten aufgezeigten praktischen Schwierigkeiten sind Folge der Entscheidungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Ausgestaltung der Regelungen zur Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld und deren Berechnung. Sie treffen aber zum einen grundsätzlich nur beitragserhebende Körperschaften, die sich gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA für eine jährliche Abrechnung ihrer Investitionsaufwendungen entscheiden. Zum anderen ist auch dann eine Festsetzung des Beitragssatzes zum 31.12. des Abrechnungsjahres nicht ausgeschlossen. So erfolgte vorliegend die letzte Zahlung auf Investitionsaufwendungen des Jahres 2004 am 12. November 2004, so dass nicht ersichtlich ist, warum der Beitragssatz nicht noch bis zum Ende des Jahres hätte festgesetzt werden können. Sollte dennoch auf Grund der Umstände des Einzelfalles die genaue Ermittlung des maßgeblichen Aufwandes bis zum 31.12. des Kalenderjahres noch nicht vollständig möglich sein, darf die beitragserhebende Körperschaft für den nicht genau ermittelbaren Teil des Aufwands eine sachgerechte Prognose zu dessen voraussichtlicher Höhe vornehmen. Ist von Gesetzes wegen eine Entstehung der Beitragsschuld zu einem festen Datum vorgesehen und die (vollständige) Ermittelbarkeit des maßgeblichen Aufwandes zu dem Datum aus tatsächlichen Gründen unmöglich, ist dies eine zwingende Folge. Die vorläufige Festsetzung eines Beitragssatzes, gleichsam unter dem Vorbehalt einer späteren rückwirkenden Änderung, sieht § 6a KAG LSA nicht vor. Die Prognosebefugnis enthält dabei - vergleichbar der Schätzungsbefugnis bei der Aufwandsermittlung im Erschließungsbeitragsrecht und im Recht der einmaligen Straßenausbaubeiträge (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Oktober 2008 - 4 L 406/06 -; Urt. v. 28. Februar 2005 - 4/2 L 233/01 -, zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 13 Rdnr. 7; § 33, Rdnr. 50) - einen gewissen Spielraum der Körperschaft.

30

Offen bleiben kann, ob sich die Verpflichtung zum Erlass einer Beitragssatzsatzung spätestens zum jeweiligen 31.12. des Kalenderjahres nicht schon daraus ergibt, dass § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA zur Entstehung der Beitragsschuld ausdrücklich ein kalendermäßig bestimmtes Datum nennt und § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6a Abs. 5 KAG gleichzeitig die Festsetzung eines Beitragssatzes in einer Satzung zwingend vorschreibt. Demgegenüber setzt § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA im einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht als Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht den Zeitpunkt der „Beendigung“ der beitragsauslösenden Maßnahme bzw. der Teilmaßnahme oder des Abschnitts fest und es besteht gerade keine Verpflichtung zur Festsetzung eines Beitragssatzes.

31

2. Die nunmehr vorgenommene Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA ist auch auf Grund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht erforderlich.

32

Dieses Gebot schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (so BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -; vgl. auch Beschl. v. 3. September 2013 - 1 BvR 1282/13 -, jeweils zit. nach JURIS).

33

Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -, zit. nach JURIS). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zit. nach JURIS zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, zit. nach JURIS; VG Magdeburg, Urt. v. 25. Februar 2014 - 2 A 44/12 MD -; Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147 jeweils zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. weiter Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 487c; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241 f.; a.M.: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10. Juli 2014 - 2 S 2228/13 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht).

34

Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft damit auch wiederkehrende Beiträge i.S.d. § 6a KAG LSA, die zur Finanzierung von Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen anstelle einmaliger Beiträge i.S.d. § 6 KAG LSA erhoben werden. Bei dem wiederkehrenden Beitrag handelt es sich um einen kommunalen Beitrag mit Entgeltcharakter. Der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt hat mit der Regelung in § 6a Abs. 1 KAG LSA zum Ausdruck gebracht, dass wiederkehrende Beiträge als Gegenleistung für den Sondervorteil erhoben werden können, der sich aus der Nutzungsmöglichkeit einer einheitlichen kommunalen Einrichtung ergibt, die sich aus in einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen zusammensetzt. Erst die Herstellung eines räumlich und funktional zusammenhängenden Verkehrsnetzes erlaube eine sinnvolle Nutzung (vgl. Begründung zu § 6a KAG LSA, LT-Drs 2/1556, Seite 17). Der Zugang und die Zufahrt zu einem in sich geschlossenen und aufeinander aufbauenden System von Verkehrsanlagen, das durch erforderliche straßenbauliche Maßnahmen in einem verkehrsfähigen Zustand erhalten wird, begründet durch die damit eröffnete Möglichkeit der Inanspruchnahme einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil für alle Beitragspflichtigen innerhalb der öffentlichen Einrichtung (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24. Februar 2012 - 6 B 11492/11 -, m.w.N.; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2007 - 4 N 1359/98 -, jeweils zit. nach JURIS). Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 -, zit. nach JURIS) zu einer § 6a KAG LSA vergleichbaren Regelung des Rheinland-Pfälzischen Kommunalabgabengesetzes ebenfalls festgestellt, der für die Beitragserhebung erforderliche Sondervorteil der Beitragspflichtigen liege in der Möglichkeit des Zugangs von ihren Grundstücken zu den öffentlichen Verkehrsanlagen.

35

Die Bestimmung in § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, wonach die Beitragsschuld jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr entsteht, ist danach verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch der Beitragssatz zu diesem Zeitpunkt festgesetzt sein muss. Da eine Beitragsschuld nur entstehen kann, wenn die dazu notwendigen Voraussetzungen vorliegen, folgt aus § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, dass eine Entstehung der Beitragsschuld nach dem 31.12. des Kalenderjahres für dieses Kalenderjahr ausgeschlossen ist. Die Festlegung eines kalendermäßig bestimmten Datums zur Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld gewährleistet in Verbindung mit den Regelungen der Abgabenordnung zur Festsetzungsverjährung eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist. Dies entspricht in hinreichender Weise den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dann müssen die sonstigen maßgeblichen Regelungen auch so ausgelegt werden, dass sämtliche Voraussetzungen gegeben sind, dass die wiederkehrende Beitragsschuld zu dem gesetzlich festgesetzten Zeitpunkt entstehen kann. Wie oben dargelegt, ist dazu die Festsetzung des Beitragssatzes unumgänglich. Die verfassungskonforme Auslegung führt auch nicht dazu, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird, weil sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, a.a.O. m.w.N.). Vielmehr entspricht eine solche Auslegung gerade dem Anliegen des Gesetzgebers, abweichend von den Regelungen im sonstigen Beitragsrecht den zulässigen Entstehungszeitpunkt der wiederkehrenden Beitragsschuld zeitlich zu fixieren.

36

Dass in einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10 -) zu dem Thema der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge auf die Entscheidung vom 5. März 2013 kein Bezug genommen wird, ist insoweit unerheblich. Gegenstand des Verfahrens war allein die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge nach dem Rheinland-Pfälzischen Kommunalabgabengesetz.

37

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA ist nicht dadurch entbehrlich, dass unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelungen sichergestellt werden kann (so aber BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, a.a.O. zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen). Auch wenn der Geltendmachung eines wiederkehrenden Straßenausbaubeitrages i.S.d. § 6a KAG LSA, der den betroffenen Beitragsschuldner in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, (zusätzlich) der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen steht, ist es - wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 5. März 2013 ausdrücklich festgestellt hat - Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der konkreten Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des festgestellten Verfassungsverstoßes.

38

Jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen beitragsrechtlichen Bestimmungen möglich ist, wird diese deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit auch durch eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben gewährt werden kann. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt ausweislich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 gesetzliche Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Daher hat eine verfassungskonforme Auslegung bestehender Vorschriften, mit denen für die Beitragsschuldner in erkennbarer Weise eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragserhebung festgesetzt wird, Vorrang vor einer Anwendung des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Eingreifen von der Prüfung mehrerer unbestimmte Rechtsbegriffe unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles abhängig ist.

39

3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG führt trotz der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 6a Abs. 5 und 6 Satz 1 KAG LSA zu keinem anderen Ergebnis.

40

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 -; BVerwG, Urt. v. 4. November 2010 - 2 C 16/09 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete im Hinblick auf die Rechtsprechung Gleichheit in der Rechtsanwendung als einer Grundforderung des Rechtsstaates. Das bestehende Recht sei ausnahmslos ohne Ansehen der Person zu verwirklichen; jeder werde in gleicher Weise durch die Normierungen des Rechts berechtigt und verpflichtet. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass sich die Rechtsprechung eines Gerichts ändere, und diese Änderung sich nachteilig für das Rechtsschutzanliegen eines Klägers auswirke. Aus dem Recht auf Rechtsanwendungsgleichheit könne kein Anspruch auf Fortführung einer als nicht mehr richtig erkannten Rechtsprechung abgeleitet werden. Eine solche Änderung der Rechtsprechung sei willkürfrei, wenn sie hinreichend und auf den konkreten Fall bezogen begründet sei, selbst wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen nicht eingetreten sei (so BVerfG, Beschl. v. 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Brocker, NJW 2012, 2996, 2998 f.)

41

Gemessen daran ist die vorgenommene Änderung der Rechtsprechung nicht zu beanstanden, da stichhaltige Gründe für den Wechsel der Rechtsauffassung vorliegen.

42

Offen bleiben kann, ob Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes der beitragserhebenden Körperschaften bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines rückwirkenden Erlasses einer Satzung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA) zur Festlegung eines Beitragssatzes Rechnung zu tragen ist (vgl. auch Brocker, NJW 2012, 2996, 3000). Allerdings könnte ein entsprechender Vertrauensschutz wohl erst durch die Entscheidung des Senats vom 11. Dezember 2007 (- 4 L 276/05 -, zit. nach JURIS) entstanden sein.

43

Auch falls der Erlass einer rückwirkenden Beitragssatzsatzung nach den allgemeinen (verfassungs)rechtlichen Vorgaben an eine Rückwirkung von Abgabensatzungen ausgeschlossen sein sollte (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, a.a.O.), könnte dies auf die Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA keinen Einfluss haben. Ein geschütztes Recht einer beitragserhebenden Körperschaft, einen gerichtlich festgestellten Fehler durch Erlass einer (Änderungs)satzung stets rückwirkend heilen zu können, besteht nicht.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, trägt die Beklagte die Kosten, da sie die Beitragsforderung reduziert und damit die Erledigung selbst herbeigeführt hat.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

47

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Für den Zeitpunkt der Wertberechnung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung maßgeblich (vgl. § 40 GKG).


Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
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2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
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1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
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Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
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So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
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Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
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Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
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2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

(2) Ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Soweit der Verwaltungsakt einen Anspruch auf künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt hat, bleibt es bei der für diesen Anspruch geltenden Verjährungsfrist.

(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.