Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 02. Okt. 2014 - 4 L 125/13

ECLI:ECLI:DE:OVGST:2014:1002.4L125.13.0A
bei uns veröffentlicht am02.10.2014

Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümerin eines Grundstückes (FlSt. 180/08 der Flur A in der Gemarkung W.) im Gemeindegebiet der Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag für das Jahr 2004.

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Am 21. Mai 2008 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge für die öffentlichen Verkehrsanlagen der Gemeinde C., die am 1. Januar 2000 in Kraft treten sollte. Am 19. August 2008 wurde die erste Beitrags(satz)satzung für die Abrechnungseinheit „W.“ und das Abrechnungsjahr 2004 beschlossen, die am 30. August 2008 in Kraft treten sollte.

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Die Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid vom 22. September 2008 für das Jahr 2004 zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag in Höhe von 124,87 heran. Auf die Klage der Klägerin hob das Verwaltungsgericht Halle den Bescheid mit Urteil vom 4. Dezember 2009 (- 2 A 263/08 HAL -) auf, da u.a. die gebildete Abrechnungseinheit mit § 6a KAG LSA nicht in Einklang stehe.

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Am 26. Juli 2011 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine neue Satzung über die Erhebung wiederkehrender Beiträge, die am 1. Januar 2000 in Kraft treten sollte, sowie am 30. August 2011 hinsichtlich der Abrechnungseinheit „W.“ eine neue Beitrags(satz)satzung für das Abrechnungsjahr 2004, die am 30. August 2008 in Kraft treten sollte. Auf der Grundlage dieser Satzungen zog die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 4. Oktober 2011 für das Jahr 2004 zu einem wiederkehrenden Straßenausbaubeitrag in Höhe von 125,60 € heran.

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Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 28. März 2012 beim Verwaltungsgericht Halle erneut Anfechtungsklage erhoben. Das Gericht hat mit Urteil vom 27. März 2013 den angefochtenen Bescheid aufgehoben, weil die Festsetzung des Beitragssatzes infolge der Einbeziehung nicht beitragsfähiger Kosten unwirksam sei.

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Die Beklagte hat fristgerecht Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt und mit einer Beitrags(satz)satzung vom 7. Mai 2013, die am 30. August 2008 i

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n Kraft treten soll, den Beitragssatz für das Jahr 2004 verringert. Mit Teilaufhebungsbescheid vom 8. Juli 2013 hat sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit darin ein höherer Beitrag als 114,71 festgesetzt worden ist. Die Beteiligten haben daraufhin den Rechtsstreit hinsichtlich des überschießenden Betrages für erledigt erklärt.

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Der beschließende Senat hat mit Beschluss vom 21. August 2013 das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, und das Urteil des Verwaltungsgerichts insoweit für unwirksam erklärt. Weiterhin hat der Senat die Berufung der Beklagten zugelassen, soweit das erstinstanzliche Urteil den Bescheid der Beklagten und deren Widerspruchsbescheid hinsichtlich einer Beitragssumme von 114,71 € aufhebt.

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Die Beklagte macht zur Begründung geltend, der vom Verwaltungsgericht gerügte Fehler sei durch die Beitragssatzung vom 7. Mai 2013 geheilt worden.

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An der bisherigen Rechtsprechung des Senates, wonach die Beitragsschuld im wiederkehrenden Beitragsrecht gerade unabhängig von der in einer gesonderten Satzung vorgenommenen Festsetzung des Beitragssatzes entstehe, sei festzuhalten. Sie sei zutreffend und methodisch systemgerecht. Eine Änderung dieser Rechtsprechung würde eine Erhebung wiederkehrender Beiträge im Jahresturnus praktisch unmöglich machen. Nach ihrer Kenntnis verfüge nicht eine einzige Gemeinde über eine satzungsmäßige Bestimmung des Beitragssatzes zum Jahresende. Es sei in der Praxis nicht ausgeschlossen, dass die Unternehmerrechnungen erst bis Mitte Dezember des jeweiligen Jahres gestellt würden, so dass auf Grund der weiter vorzunehmenden Maßnahmen die Umsetzung einer sachgerechten Beitragssatzung bis zum Jahresende ausgeschlossen sei. Im Übrigen habe sie im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des Senats die Beitragssatzung erstellt und es wäre ihr bei einer Änderung die Möglichkeit genommen, rückwirkend Beiträge zu erhebe. Dies widerspreche aber ebenfalls der (bisherigen) beitragsrechtlichen Methodik, da sie die Möglichkeit haben müsse, einen gerichtlich festgestellten Fehler rückwirkend zu heilen.

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Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) verlange keine andere Betrachtungsweise. Im Recht der wiederkehrenden Beiträge bestehe eine hinreichende Rechtssicherheit hinsichtlich der Frage der Entstehung der Beitragsschuld und einer etwaigen Verjährung von Beitragsansprüchen. Die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10 -) zu dem Thema der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge nehme gerade nicht auf die Entscheidung vom 5. März 2013 Bezug.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 2. Kammer - vom 27. März 2013 abzuändern, soweit sich der Rechtsstreit nicht erledigt hat, und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie trägt vor, der Beitragsanspruch sei verjährt. Auf Grund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 müsse entsprechend dem Wortlaut des § 6a Abs. 6 KAG LSA davon ausgegangen werden, dass die Beitragsschuld mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr entstehe. Der Beitragsanspruch sei aber erst unter dem 4. Oktober 2011 geltend gemacht worden und daher verspätet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

18

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

19

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund des Schriftsatzes der Beklagten vom 4. September 2014 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor.

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Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. Oktober 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2012 und des Teilaufhebungsbescheides vom 8. Juli 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Einer Beitragserhebung steht entgegen, dass die Beitrags(satz)satzung der Beklagten vom 7. Mai 2013, mit der der Beitragssatz für das streitbefangene Beitragsjahr 2004 festgesetzt worden ist, rückwirkend nur zum 30. August 2008 in Kraft getreten ist.

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Gemäß § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA entsteht bei wiederkehrenden Straßenausbaubeiträgen die Beitragsschuld jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr. Wiederkehrende Beiträge können damit nur für solche Kalenderjahre erhoben werden, für die am jeweiligen 31.12. eine gültige Beitragssatzung in Kraft war. Anders als bei einmaligen Straßenausbaubeiträgen entsteht nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA die Beitragsschuld zu einem kalendermäßig bestimmten Datum, nämlich jeweils mit Ablauf des 31.12. für das abgelaufene Kalenderjahr. Eine Beitragsschuld kann aber nur dann entstehen, wenn eine wirksame Satzung in Kraft ist. Daher muss bereits zum gesetzlich genau festgelegten Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld eine wirksame Beitragssatzung (ggf. durch eine zulässige Rückwirkungsanordnung) in Kraft sein. Die im Rahmen des einmaligen Straßenausbaubeitragsrechts zu § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA in der bis zum 22. April 1999 geltenden Fassung ergangene Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts, wonach die sachliche Beitragspflicht erst mit der ersten wirksamen Satzung entsteht, ist auf die Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld nicht anwendbar. Dies gilt auch für die entsprechende Rechtsprechung zum Erschließungsbeitragsrecht. § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA enthält mit der kalendermäßigen Bestimmung eines Datums eine spezielle Regelung, die sich von den Regelungen zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht im Erschließungsbeitragsrecht bzw. einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht unterscheidet. Der Satzungsgeber kann die Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld auch nicht über den 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres hinausschieben. Denn § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA enthält keine dem § 6 Abs. 6 Satz 4 KAG LSA entsprechende Regelung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Februar 2008 - 4 L 298/07 -; Beschl. v. 13. Oktober 2004 - 2 M 264/04 -; VG Magdeburg, Beschl. v. 12. November 2003 - 2 B 546/03 -; VG Weimar, Urt. v. 5. Februar 2014 - 3 K 1548/12 We -, m.w.N., jeweils zit. nach JURIS).

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Aus der Bestimmung des Zeitpunktes der Entstehung der Beitragsschuld für das abgelaufene Kalenderjahr in § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA auf den jeweiligen 31.12. ergibt sich, dass zu dem Zeitpunkt auch der Beitragssatz für dieses Kalenderjahr festgelegt sein muss (so auch VG Magdeburg, Urt. v. 13. Juli 2005 - 2 A 57/05 -, zit. nach JURIS; nicht eindeutig: OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 5. November 2013 - 6 A 10553/13 -, zit. nach JURIS; VG Weimar, Urt. v. 5. Februar 2014 - 3 K 1548/12 We -, a.a.O.). Soweit sich aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, zit. nach JURIS; Beschl. v. 10. Dezember 2008 - 4 L 25/07 -; wohl auch VG Meiningen, Beschl. v. 7. März 2012 - 1 E 41/12 ME -, zit. nach JURIS) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest.

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1. Die nunmehr vertretene Auslegung folgt aus dem allgemeinen beitragsrechtlichen Grundsatz, dass eine Beitragsschuld, d.h. die sachliche Beitragspflicht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19. September 2013 - 9 B 20/13, 9 B 21/13 -, zit. nach JURIS; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rdnr. 92 ff.) nur dann entsteht, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach unveränderbar ist. Der Beitrag muss der Höhe nach berechenbar und der entstandene Aufwand im Erschließungsbeitragsrecht und dem Recht der einmaligen Straßenausbaubeiträge - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe - zumindest ermittlungsfähig sein (vgl. BVerwG, st. Rspr. seit dem Urt. v. 22. August 1975 - 4 C 11.73 - zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 19 Rdnr. 5 ff. zu Erschließungsbeiträgen; OVG Sachsen-Anhalt, st. Rspr. seit Beschl. v. 19. Februar 1998 - B 2 S 141/97 -; VGH Hessen, Urt. v. 10. Juni 2014 - 5 A 337/13 -; OVG Thüringen, Urt. v. 23. November 2012 - 4 EO 571/09 -; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12. November 2010 - OVG 9 N 121.08 -; VGH Bayern, Urt. v. 14. Juli 2010 - 6 B 08.2254 -; OVG Niedersachsen, Beschl. v. 9. Juni 2010 - 9 ME 223/09 -; OVG Bremen, Beschl. v. 26. Februar 2009 - 1 B 317/08 -; OVG Sachsen, Urt. v. 3. September 2008 - 5 B 289/04 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 2. November 2005 - 1 L 105/05 -, jeweils zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, a.a.O., § 37 Rdnr. 8 ff., m.w.N.; ders., Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 490a, 490d, m.w.N. zu einmaligen Straßenausbaubeiträgen). Nur dann ist die Beitragspflicht auch in der Lage, die Festsetzungsverjährungsfrist in Lauf zu setzen. Denn nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsverjährungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Beitrag entstanden ist. Demnach kann die Beitragspflicht erst dann entstehen, wenn der Beitrag auch der Höhe nach voll ausgebildet ist.

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Soweit vertreten wird, die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht erfordere allenfalls eine spätere Bestimmbarkeit der Höhe der Beitragsforderung (so OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 13. Februar 2008 - 2 LB 42/07 -, zit. nach JURIS; vgl. auch OVG Brandenburg, Beschl. v. 2. August 2002 - 2 A 682/01.Z -, LKV 2003, 92 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31. Januar 2000 - 15 A 290/00 -, jeweils zit. nach JURIS) ist dem nicht zu folgen. Diese Auffassung verkennt, dass eine Entstehung der Beitragsschuld, mit der gleichzeitig gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 38 AO der Anspruch der beitragserhebenden Körperschaft aus dem Abgabenschuldverhältnis entsteht, notwendigerweise zumindest die Ermittelbarkeit der Beitragshöhe voraussetzt. Der unter § 38 AO fallende Abgabenanspruch (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 37 Abs. 1 AO) im Beitragsrecht ist der Anspruch des Abgabengläubigers gegen den Abgabenschuldner auf einen Beitrag i.S. einer Geldleistung. Zudem ist der Beginn einer Festsetzungsverjährungsfrist denknotwendig davon abhängig, dass die betroffene Abgabe grundsätzlich auch festgelegt werden kann.

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Die Abhängigkeit der Entstehung der Beitragsschuld von der Berechenbarkeit der Höhe des Beitrages gilt auch im Recht der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge. Solche Beiträge können gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA anstelle einmaliger Beiträge erhoben werden und unterscheiden sich in den grundlegenden Voraussetzungen zur Entstehung der Beitragsschuld, d.h. der sachlichen Beitragspflicht, nicht von diesen. Danach erfordert die Entstehung der Beitragsschuld i.S.d. § 6a Abs. 6 KAG LSA die Festsetzung eines Beitragssatzes. Selbst wenn die jährlichen Investitionsaufwendungen zum 31.12. des Kalenderjahres feststehen und auch die sonst erforderlichen Rahmenbedingungen für eine Beitragserhebung in einer Beitragssatzung festgelegt sein sollten, ist ohne eine zu diesem Zeitpunkt wirksame Beitragssatzsatzung eine Ermittelbarkeit des maßgeblichen Aufwandes und damit eine hinreichende Berechenbarkeit des Beitrages nicht möglich. Denn gem. § 6a Abs. 2 Satz 1 KAG LSA kann bei der Ermittlung des Beitragssatzes anstelle der jährlichen Investitionsaufwendungen vom Durchschnitt der zu erwartenden Aufwendungen der folgenden fünf Jahre ausgegangen werden. Daher ist auch bei einer von jährlichen Investitionsaufwendungen ausgehenden Regelung in einer Beitragssatzung nicht ausgeschlossen, dass eine später erlassene Beitragssatzsatzung eine abweichende Festlegung vornimmt, mit der Folge, dass sich der Umfang der anzurechnenden Aufwendungen ändert. Das Kommunalabgabengesetz ordnet an, dass die für die Höhe des Beitrages maßgebliche Entscheidung, nach welcher der beiden in Betracht kommenden Methoden die Aufwendungen zugrunde gelegt werden, im Rahmen der Festsetzung des Beitragssatzes getroffen wird. Weder darf die beitragserhebende Körperschaft auf die Festsetzung des Beitragssatzes verzichten noch stellt eine zu § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA ergangene Festlegung in der Beitragssatzung (vgl. § 11 Abs. 5 der Satzung der Beklagten vom 26. Juli 2011) eine abschließend wirkende Regelung dar.

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Dass im einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht eine Festsetzung des Beitragssatzes zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht zwingend notwendig ist (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 30 Rdnr. 36), steht dem nicht entgegen. Die Notwendigkeit, nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA den Satz der Abgabe in der Satzung anzugeben, entfällt deshalb, weil im Zeitpunkt des Erlasses der Beitragssatzung regelmäßig der für eine beitragsfähige Maßnahme entstandene Aufwand noch nicht feststeht. Ausdrücklich trägt dem § 6 Abs. 5 Satz 3 KAG LSA hinsichtlich der Festlegung des Beitragssatzes Rechnung. Danach genügt es, wenn in einer Beitragssatzung, die für mehrere gleichartige Einrichtungen (bzw. Verkehrsanlagen) erlassen wird, die Maßnahmen, für die Beiträge erhoben werden, nach Art und Umfang bezeichnet werden und der umzulegende Teil der Gesamtkosten bestimmt wird (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 15. Juni 2005 - 4 L 655/04 -, zit. nach JURIS).

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Auch die Anordnung in § 6a Abs. 5 KAG LSA, dass der Beitragssatz abweichend von § 2 Abs. 1 KAG LSA nicht nur in der eigentlichen Beitragssatzung, sondern auch in einer gesonderten Satzung festgelegt werden kann, hat nicht zur Folge, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt nach dem 31.12. des jeweiligen Kalenderjahres festgesetzt werden darf. Vielmehr wird dadurch dem Satzungsgeber lediglich ermöglicht, die Beitragssatzung in eine Grundlagensatzung und Beitragssatzsatzung(en) aufzuspalten, um so bei jährlichen Abrechnungsperioden ständige Änderungen der eigentlichen Beitragssatzung zu vermeiden (vgl. auch Kirchmer/Schmidt/Haack, KAG LSA, 2. A., § 6a, Nr. 5.3.3, Seite 336). Weder aus dem Wortlaut des § 6a Abs. 5 KAG LSA noch aus der Entstehungsgeschichte des § 6a KAG LSA lässt sich angesichts der oben dargestellten Erwägungen entnehmen, dass die Formulierung „gesondert“ hinsichtlich des Zeitpunktes der Festsetzung des Beitragssatzes zu einer von § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA abweichenden Auslegung führt.

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Die von der Beklagten aufgezeigten praktischen Schwierigkeiten sind Folge der Entscheidungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Ausgestaltung der Regelungen zur Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld und deren Berechnung. Sie treffen aber zum einen grundsätzlich nur beitragserhebende Körperschaften, die sich gem. § 6a Abs. 1 Satz 1 KAG LSA für eine jährliche Abrechnung ihrer Investitionsaufwendungen entscheiden. Zum anderen ist auch dann eine Festsetzung des Beitragssatzes zum 31.12. des Abrechnungsjahres nicht ausgeschlossen. So erfolgte vorliegend die letzte Zahlung auf Investitionsaufwendungen des Jahres 2004 am 12. November 2004, so dass nicht ersichtlich ist, warum der Beitragssatz nicht noch bis zum Ende des Jahres hätte festgesetzt werden können. Sollte dennoch auf Grund der Umstände des Einzelfalles die genaue Ermittlung des maßgeblichen Aufwandes bis zum 31.12. des Kalenderjahres noch nicht vollständig möglich sein, darf die beitragserhebende Körperschaft für den nicht genau ermittelbaren Teil des Aufwands eine sachgerechte Prognose zu dessen voraussichtlicher Höhe vornehmen. Ist von Gesetzes wegen eine Entstehung der Beitragsschuld zu einem festen Datum vorgesehen und die (vollständige) Ermittelbarkeit des maßgeblichen Aufwandes zu dem Datum aus tatsächlichen Gründen unmöglich, ist dies eine zwingende Folge. Die vorläufige Festsetzung eines Beitragssatzes, gleichsam unter dem Vorbehalt einer späteren rückwirkenden Änderung, sieht § 6a KAG LSA nicht vor. Die Prognosebefugnis enthält dabei - vergleichbar der Schätzungsbefugnis bei der Aufwandsermittlung im Erschließungsbeitragsrecht und im Recht der einmaligen Straßenausbaubeiträge (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 13. Oktober 2008 - 4 L 406/06 -; Urt. v. 28. Februar 2005 - 4/2 L 233/01 -, zit. nach JURIS; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. A., § 13 Rdnr. 7; § 33, Rdnr. 50) - einen gewissen Spielraum der Körperschaft.

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Offen bleiben kann, ob sich die Verpflichtung zum Erlass einer Beitragssatzsatzung spätestens zum jeweiligen 31.12. des Kalenderjahres nicht schon daraus ergibt, dass § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA zur Entstehung der Beitragsschuld ausdrücklich ein kalendermäßig bestimmtes Datum nennt und § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 6a Abs. 5 KAG gleichzeitig die Festsetzung eines Beitragssatzes in einer Satzung zwingend vorschreibt. Demgegenüber setzt § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA im einmaligen Straßenausbaubeitragsrecht als Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht den Zeitpunkt der „Beendigung“ der beitragsauslösenden Maßnahme bzw. der Teilmaßnahme oder des Abschnitts fest und es besteht gerade keine Verpflichtung zur Festsetzung eines Beitragssatzes.

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2. Die nunmehr vorgenommene Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA ist auch auf Grund der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht erforderlich.

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Dieses Gebot schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (so BVerfG, Beschl. v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -; vgl. auch Beschl. v. 3. September 2013 - 1 BvR 1282/13 -, jeweils zit. nach JURIS).

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Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -, zit. nach JURIS). Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zit. nach JURIS zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB; vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, zit. nach JURIS; VG Magdeburg, Urt. v. 25. Februar 2014 - 2 A 44/12 MD -; Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147 jeweils zum Erschließungsbeitragsrecht; vgl. weiter Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 487c; Bücken-Thielmeyer/Fenzel, LKV 2014, 241 f.; a.M.: VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10. Juli 2014 - 2 S 2228/13 -, zit. nach JURIS zum Erschließungsbeitragsrecht).

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Die dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts betrifft damit auch wiederkehrende Beiträge i.S.d. § 6a KAG LSA, die zur Finanzierung von Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen anstelle einmaliger Beiträge i.S.d. § 6 KAG LSA erhoben werden. Bei dem wiederkehrenden Beitrag handelt es sich um einen kommunalen Beitrag mit Entgeltcharakter. Der Gesetzgeber des Landes Sachsen-Anhalt hat mit der Regelung in § 6a Abs. 1 KAG LSA zum Ausdruck gebracht, dass wiederkehrende Beiträge als Gegenleistung für den Sondervorteil erhoben werden können, der sich aus der Nutzungsmöglichkeit einer einheitlichen kommunalen Einrichtung ergibt, die sich aus in einer Abrechnungseinheit zusammengefassten Verkehrsanlagen zusammensetzt. Erst die Herstellung eines räumlich und funktional zusammenhängenden Verkehrsnetzes erlaube eine sinnvolle Nutzung (vgl. Begründung zu § 6a KAG LSA, LT-Drs 2/1556, Seite 17). Der Zugang und die Zufahrt zu einem in sich geschlossenen und aufeinander aufbauenden System von Verkehrsanlagen, das durch erforderliche straßenbauliche Maßnahmen in einem verkehrsfähigen Zustand erhalten wird, begründet durch die damit eröffnete Möglichkeit der Inanspruchnahme einen greifbaren beitragsrechtlichen Vorteil für alle Beitragspflichtigen innerhalb der öffentlichen Einrichtung (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, a.a.O.; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24. Februar 2012 - 6 B 11492/11 -, m.w.N.; OVG Thüringen, Urt. v. 11. Juni 2007 - 4 N 1359/98 -, jeweils zit. nach JURIS). Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Beschluss vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10, 1 BvR 2104/10 -, zit. nach JURIS) zu einer § 6a KAG LSA vergleichbaren Regelung des Rheinland-Pfälzischen Kommunalabgabengesetzes ebenfalls festgestellt, der für die Beitragserhebung erforderliche Sondervorteil der Beitragspflichtigen liege in der Möglichkeit des Zugangs von ihren Grundstücken zu den öffentlichen Verkehrsanlagen.

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Die Bestimmung in § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, wonach die Beitragsschuld jeweils mit Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene Kalenderjahr entsteht, ist danach verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass auch der Beitragssatz zu diesem Zeitpunkt festgesetzt sein muss. Da eine Beitragsschuld nur entstehen kann, wenn die dazu notwendigen Voraussetzungen vorliegen, folgt aus § 6 Abs. 6 Satz 1 KAG LSA, dass eine Entstehung der Beitragsschuld nach dem 31.12. des Kalenderjahres für dieses Kalenderjahr ausgeschlossen ist. Die Festlegung eines kalendermäßig bestimmten Datums zur Entstehung der wiederkehrenden Beitragsschuld gewährleistet in Verbindung mit den Regelungen der Abgabenordnung zur Festsetzungsverjährung eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner. Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist. Dies entspricht in hinreichender Weise den verfassungsrechtlichen Vorgaben. Dann müssen die sonstigen maßgeblichen Regelungen auch so ausgelegt werden, dass sämtliche Voraussetzungen gegeben sind, dass die wiederkehrende Beitragsschuld zu dem gesetzlich festgesetzten Zeitpunkt entstehen kann. Wie oben dargelegt, ist dazu die Festsetzung des Beitragssatzes unumgänglich. Die verfassungskonforme Auslegung führt auch nicht dazu, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird, weil sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, a.a.O. m.w.N.). Vielmehr entspricht eine solche Auslegung gerade dem Anliegen des Gesetzgebers, abweichend von den Regelungen im sonstigen Beitragsrecht den zulässigen Entstehungszeitpunkt der wiederkehrenden Beitragsschuld zeitlich zu fixieren.

36

Dass in einer aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Juni 2014 (- 1 BvR 668/10 -) zu dem Thema der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge auf die Entscheidung vom 5. März 2013 kein Bezug genommen wird, ist insoweit unerheblich. Gegenstand des Verfahrens war allein die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge nach dem Rheinland-Pfälzischen Kommunalabgabengesetz.

37

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA ist nicht dadurch entbehrlich, dass unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Regelungen sichergestellt werden kann (so aber BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 -, a.a.O. zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen). Auch wenn der Geltendmachung eines wiederkehrenden Straßenausbaubeitrages i.S.d. § 6a KAG LSA, der den betroffenen Beitragsschuldner in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, (zusätzlich) der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen steht, ist es - wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 5. März 2013 ausdrücklich festgestellt hat - Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der konkreten Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des festgestellten Verfassungsverstoßes.

38

Jedenfalls dann, wenn - wie hier - eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen beitragsrechtlichen Bestimmungen möglich ist, wird diese deshalb nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit auch durch eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben gewährt werden kann. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt ausweislich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 gesetzliche Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Daher hat eine verfassungskonforme Auslegung bestehender Vorschriften, mit denen für die Beitragsschuldner in erkennbarer Weise eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragserhebung festgesetzt wird, Vorrang vor einer Anwendung des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Eingreifen von der Prüfung mehrerer unbestimmte Rechtsbegriffe unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles abhängig ist.

39

3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG führt trotz der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu § 6a Abs. 5 und 6 Satz 1 KAG LSA zu keinem anderen Ergebnis.

40

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 469/07 -; BVerwG, Urt. v. 4. November 2010 - 2 C 16/09 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.). Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete im Hinblick auf die Rechtsprechung Gleichheit in der Rechtsanwendung als einer Grundforderung des Rechtsstaates. Das bestehende Recht sei ausnahmslos ohne Ansehen der Person zu verwirklichen; jeder werde in gleicher Weise durch die Normierungen des Rechts berechtigt und verpflichtet. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass sich die Rechtsprechung eines Gerichts ändere, und diese Änderung sich nachteilig für das Rechtsschutzanliegen eines Klägers auswirke. Aus dem Recht auf Rechtsanwendungsgleichheit könne kein Anspruch auf Fortführung einer als nicht mehr richtig erkannten Rechtsprechung abgeleitet werden. Eine solche Änderung der Rechtsprechung sei willkürfrei, wenn sie hinreichend und auf den konkreten Fall bezogen begründet sei, selbst wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse oder der allgemeinen Anschauungen nicht eingetreten sei (so BVerfG, Beschl. v. 4. August 2004 - 1 BvR 1557/01 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Brocker, NJW 2012, 2996, 2998 f.)

41

Gemessen daran ist die vorgenommene Änderung der Rechtsprechung nicht zu beanstanden, da stichhaltige Gründe für den Wechsel der Rechtsauffassung vorliegen.

42

Offen bleiben kann, ob Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes der beitragserhebenden Körperschaften bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines rückwirkenden Erlasses einer Satzung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 KAG LSA) zur Festlegung eines Beitragssatzes Rechnung zu tragen ist (vgl. auch Brocker, NJW 2012, 2996, 3000). Allerdings könnte ein entsprechender Vertrauensschutz wohl erst durch die Entscheidung des Senats vom 11. Dezember 2007 (- 4 L 276/05 -, zit. nach JURIS) entstanden sein.

43

Auch falls der Erlass einer rückwirkenden Beitragssatzsatzung nach den allgemeinen (verfassungs)rechtlichen Vorgaben an eine Rückwirkung von Abgabensatzungen ausgeschlossen sein sollte (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11. Dezember 2007 - 4 L 276/05 -, a.a.O.), könnte dies auf die Auslegung des § 6a Abs. 6 Satz 1 KAG LSA keinen Einfluss haben. Ein geschütztes Recht einer beitragserhebenden Körperschaft, einen gerichtlich festgestellten Fehler durch Erlass einer (Änderungs)satzung stets rückwirkend heilen zu können, besteht nicht.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Soweit das Verfahren eingestellt worden ist, trägt die Beklagte die Kosten, da sie die Beitragsforderung reduziert und damit die Erledigung selbst herbeigeführt hat.

45

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

46

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

47

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Für den Zeitpunkt der Wertberechnung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung maßgeblich (vgl. § 40 GKG).


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 40 Zeitpunkt der Wertberechnung


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Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 130a


Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entspre

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 38 Entstehung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

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Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Gründe

1

Die Beschwerde des Klägers, mit der dieser einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht, bleibt ohne Erfolg.

2

Die Beschwerde sieht einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO und zugleich eine Gehörsverletzung darin, dass das Berufungsgericht im Beschlussverfahren gemäß § 130a VwGO entschieden habe, obwohl der Bevollmächtigte des Klägers auf den entsprechenden Hinweis des Gerichts vom 12. Februar 2010 mit Schriftsätzen vom 23. und 25. Februar 2010 - jeweils mit Anlagen - sowie vom 16. März 2010 u.a. auf die Notwendigkeit der Medikation des Klägers mit Methylphenidat hingewiesen habe. Auf diesen neuen und entscheidungserheblichen Vortrag habe das Berufungsgericht eine konkrete Gefahrenlage lediglich mit Hinweis darauf verneint, dass dieses Medikament im Kosovo für den Kläger erreichbar sei. Das rechtliche Gehör des Klägers sei verletzt worden, weil kein weiterer Hinweis auf das Festhalten an der beabsichtigten Entscheidung nach § 130a VwGO erfolgt sei. Aus dem Vorbringen der Beschwerde ergibt sich der gerügte Verfahrensmangel nicht.

3

Gemäß § 130a VwGO kann das Oberverwaltungsgericht über die Berufung durch Beschluss entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Ob das Gericht den ihm nach § 130a VwGO eröffneten Weg der Entscheidung im Beschlussverfahren beschreitet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, das nur auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzungen überprüfbar ist (stRspr, vgl. etwa Beschlüsse vom 3. Februar 1999 - BVerwG 4 B 4.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 33 und vom 8. August 2007 - BVerwG 10 B 74.07 - juris Rn. 3). Anhaltspunkte für derartige Ermessensfehler lassen sich der Beschwerde nicht entnehmen. Sie ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen zur Unterlassung eines Hinweises nach Eingang der Stellungnahme des Klägers.

4

Die Bezugnahme der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 6 EMRK führt schon im Ansatz nicht auf den behaupteten Verfahrensmangel. Denn Art. 6 Abs. 1 EMRK stand einer Entscheidung im Beschlussverfahren im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Vorschrift ist in ausländer- und asylverfahrensrechtlichen Streitigkeiten grundsätzlich nicht anwendbar, denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist ein Rechtsstreit über die Abschiebung eines Ausländers nicht als Streit über "zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 EMRK anzusehen (Beschluss vom 20. Dezember 2004 - BVerwG 1 B 67.04 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 69 m.w.N.).

5

Nach nationalem Recht gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, die Verfahrensbeteiligten durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. Beschluss vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 m.w.N.). Derartige, eine erneute Mitteilung des Verwaltungsgerichtshofs erfordernde Umstände trägt die Beschwerde aber nicht vor.

6

Dass ein Beweisantrag gestellt wurde, behauptet die Beschwerde selbst nicht. Sie beruft sich vielmehr auf wesentliche neue Gesichtspunkte, die sich durch den Hinweis auf die aktuell notwendige Medikation des Klägers mit Methylphenidat ergeben hätten. Denn wäre eine erneute Anhörungsmitteilung erlassen worden, hätte ergänzend vorgetragen werden können, dass und aus welchem Grund eine Versorgung mit dem genannten Medikament für den Kläger gerade nicht erreichbar sei und ihm deshalb Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG hätte gewährt werden müssen. Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde jedoch die Substantiierungsanforderungen, denen ihr Vorbringen auf die Anhörungsmitteilung des Berufungsgerichts vom 12. Februar 2010 hinsichtlich eines Abschiebungsverbots aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung hätte genügen müssen, um die Pflicht zu einer erneuten Anhörung seitens des Berufungsgerichts zu begründen. Denn nicht allein das Angewiesensein auf ein bestimmtes Medikament, sondern auch dessen mangelnde Erreichbarkeit gehört zu den notwendigen anspruchsbegründenden Tatsachen, die angesichts der vom Berufungsgericht zur Gesundheitsversorgung im Kosovo bereits eingeführten Stellungnahmen hätten substantiiert werden müssen.

7

Schließlich ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Möglichkeit der Versorgung mit Methylphenidat aus Sicht des Berufungsgerichts einen entscheidungserheblichen Umstand betrifft. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat in der angefochtenen Entscheidung vielmehr ausgeführt, es sei hinsichtlich des ADHS/HKS-Medikaments nicht erkennbar, dass ein durch Nichteinnahme möglicherweise ausgelöstes Unwohlsein des Klägers oder eine Konzentrationsschwierigkeit, wie sie im Bericht der Ergotherapeutin T. vom 25. August 2009 beschrieben werde, als erhebliche konkrete Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewertet werden könnte (BA S. 10).

8

Der Senat sieht von einer weiteren Begründung der Entscheidung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.


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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich als Eigentümer des in B… gelegenen und mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flur …, Parzelle … gegen seine Heranziehung zu Vorauszahlungen auf den wiederkehrenden Ausbaubeitrag für das Jahr 2012.

2

Das veranlagte Grundstück liegt an der Wegeparzelle …, die von der Ortsdurchfahrt der Kreisstraße … („K…“) abzweigt und bis zur Grundstückseinfahrt des Klägers auf einer Länge von ca. 20 Metern mit einer bituminösen Deck- und Tragschicht versehen ist.

3

Die Beklagte erhebt aufgrund ihres Satzungsrechts wiederkehrende Ausbaubeiträge in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung sämtlicher zum Anbau bestimmter Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets, wobei die Beiträge nach dem Durchschnitt der im Zeitraum von fünf Jahren zu erwartenden Investitionsaufwendungen ermittelt werden. Das vom Gemeinderat der Beklagten im Jahre 2011 beschlossene Ausbauprogramm für den Fünfjahreszeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2015 sieht für das Jahr 2011 den Ausbau der G…-Straße und für das Jahr 2013 den Ausbau der B… Straße vor. Die prognostizierten Gesamtkosten verminderte die Beklagte sowohl um den Gemeindeanteil im Umfang von 35 % als auch um den im vorangegangenen Fünfjahreszeitraum erzielten Überschuss und teilte den verbliebenen Betrag durch fünf.

4

Auf dieser Grundlage zog die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 19. Januar 2012 zu Vorauszahlungen auf den wiederkehrenden Beitrag für das Jahr 2012 in Höhe von 503,96 € heran, wobei ein Teilbetrag von je 125,99 € zum 15.02., zum 15.05., zum 15.08. und zum 15.11.2012 fällig gestellt wurde.

5

Der dagegen vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2012 zurückgewiesen. Daraufhin hat er Klage erhoben.

6

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers und hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich insoweit zu eigen macht.

7

Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Beitragssatzung sei nichtig, weil die einheitliche öffentliche Einrichtung sämtlicher zum Anbau bestimmter Verkehrsanlagen der Beklagten nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit festgelegt worden sei. Die Beklagte habe der Beitragssatzung keinen Lageplan beigefügt und auch nicht durch eine enumerative Aufzählung der Straßen mit Längenangaben exakt bestimmt, welche Anbaustraßen nach ihrer Auffassung zu der einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehören sollen. Unabhängig davon sei der Vorauszahlungsbescheid deshalb zu beanstanden, weil die Gemeindestraße K… zu Unrecht in das Abrechnungsgebiet einbezogen worden sei. Weder habe die Beklagte den Nachweis der endgültigen Herstellung dieser Straße erbracht, noch sei diese wirksam dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Schließlich verstoße die Vorauszahlungserhebung gegen § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG, wonach ab Beginn des Kalenderjahres auf die Beitragsschuld „angemessene“ Vorauszahlungen verlangt werden könnten. Schon im Januar den vollen Jahresbetrag für das laufende Kalenderjahr als Vorauszahlung zu erheben, erscheine ungemessen, zumal die Beklagte erklärt habe, immer den vollen Durchschnittssatz des Fünfjahreszeitraums der Vorauszahlungserhebung zugrunde zu legen.

8

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, die satzungsrechtliche Festlegung des Abrechnungsgebiets sei in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats erfolgt. Die von der K … abzweigende Gemeindestraße „K…“ sei erstmals endgültig hergestellt, weil sie zumindest die Herstellungsmerkmale der Erschließungsbeitragssatzung aus dem Jahre 1968 erfülle. Diese Gemeindestraße habe schon vor dem Jahr 1963 dem öffentlichen Verkehr zur Verfügung gestanden. Ungeachtet dessen sei die Straßenparzelle 86/5 mit Allgemeinverfügung vom 7. November 2006 in ihrer gesamten Länge bis zum Bahndamm gewidmet worden. Auch wenn man diese für unwirksam halte, sei die Widmung der Straßenparzelle … bis zu der Grundstückseinfahrt des Klägers als Gemeindestraße „K…“ am 17. Dezember 2012, also vor Entstehen der Beitragspflicht, ordnungsgemäß nachgeholt worden. Auch von der Unangemessenheit der Höhe der Vorauszahlung könne keine Rede sein, zumal der Jahresbetrag in vier Teilbeträgen zu zahlen sei.

9

Die Beklagte beantragt,

10

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

11

Der Kläger regt an,

12

die Berufung zurückzuweisen.

13

Er verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt sein erstinstanzliches Vorbringen, die Wegeparzelle … sei keine öffentliche Anbaustraße, sondern ein Feldweg. Die Zuwegung zu seinem Haus sei bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in seinem Auftrag und auf seine Kosten nach Absprache mit der Beklagten hergestellt worden. Die Wegeparzelle … verfüge über keine ordnungsgemäße Entwässerungseinrichtung; das Niederschlagswasser werde vielmehr in die Straßenoberflächenentwässerung der Kreisstraße geleitet. Auch fehle eine Straßenbeleuchtung. Die Widmung des unteren Teils der Wegeparzelle 86/5 zu einer Gemeindestraße sei rechtswidrig, weil ein Begegnungsverkehr von Kraftfahrzeugen und auch das Befahren mit einem Lastwagen nicht möglich sei.

14

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen und den vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

15

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Vorauszahlungsbescheid vom 19. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2012 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Er beruht zwar auf einer hinreichenden satzungsrechtlichen Grundlage (1.). Im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung gehörte die Gemeindestraße „K…“ (Parzelle … teilweise) jedoch nicht zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen, weil sie in rechtlicher Hinsicht dem öffentlichen Verkehr noch nicht dauerhaft zur Verfügung stand (2.). Angesichts dessen ist es im Ergebnis unerheblich, dass die Vorauszahlungserhebung in Übereinstimmung mit § 10a Abs. 4 Satz 2 Kommunalabgabengesetz vom 20. Juni 1995 (GVBl. S. 175) i.d.F. des Gesetzes vom 12. Dezember 2006 (GVBl. S. 401 - KAG -) erfolgte (3.). Auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 10a KAG muss - wie das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat - wegen des Vorläufigkeitsvermerks, mit dem die Beklagte den Vorauszahlungsbescheid gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Abgabenordnung i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG versehen hat, nicht eingegangen werden.

17

1. Gemäß § 10a Abs. 1 Sätze 1 und 2 KAG können die Gemeinden durch Satzung bestimmen, dass die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils als wiederkehrender Beitrag auf die Grundstücke verteilt werden, welche die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer Straße haben, die zu der aus sämtlichen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des gesamten Gebiets oder einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile der Gemeinde bestehenden einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehört. Die einheitliche öffentliche Einrichtung der zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen muss in der Ausbaubeitragssatzung hinreichend bestimmt bezeichnet werden. Dies kann nach der Rechtsprechung des Senats (6 A 10818/12.OVG, esovgrp, juris) durch die Angabe des gesamten Gemeindegebiets bzw. einzelner, voneinander abgrenzbarer Gebietsteile erfolgen. Dabei bedarf es einer Aufzählung der Straßenparzellen unter Hinweis auf den räumlichen Umfang der Widmung nicht. Es genügt vielmehr, dass der Umfang der erstmals hergestellten und gewidmeten Anbaustraßen der einheitlichen öffentlichen Einrichtung im Sinne des § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht bestimmbar ist. Würde die satzungsrechtliche Festlegung der einheitlichen öffentlichen Einrichtung die Bezeichnung sämtlicher dazugehörender Anbaustraßen mit der Angabe ihrer räumlichen Ausdehnung und ihrer Widmung voraussetzen, müsste insbesondere im gesetzlichen Regelfall einer aus sämtlichen Anbaustraßen des gesamten Gemeindegebiets bestehenden einheitlichen öffentlichen Einrichtung (vgl. OVG RP, 6 C 10151/10.OVG, esovgrp) die Satzung ständig aktualisiert werden. Für ein solches Erfordernis ist weder dem Gesetzeswortlaut noch der Begründung zum Gesetzentwurf etwas zu entnehmen. Deshalb reicht es aus, wenn die einheitliche öffentliche Einrichtung im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 2 KAG in der Satzung nach dem gesamten Gemeindegebiet oder nach einzelnen, voneinander abgrenzbaren Gebietsteilen gebildet und bezeichnet wird. Diesen Anforderungen genügt die Satzung zur Erhebung von wiederkehrenden Beiträgen für den Ausbau von Verkehrsanlagen (Ausbaubeitragssatzung wiederkehrende Beiträge) für die Ortsgemeinde B… vom 12. Februar 2007 in der Fassung der Änderung vom 18. März 2011 - ABS -, die in § 3 Abs. 1 sämtliche zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen des Gemeindegebiets zu einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung zusammenfasst.

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2. Zu dieser öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen gehörte jedoch die Wegeparzelle … („K…“) im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung noch nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats zur Erhebung (endgültiger) wiederkehrender Ausbaubeiträge (vgl. 6 A 10818/12.OVG, esovgrp, juris; 6 A 12155/04.OVG, AS 32, 179, KStZ 2006, 58, juris) kann die satzungsrechtlich festzulegende einheitliche öffentliche Einrichtung von Anbaustraßen im Sinne des § 10a KAG nur aus solchen Straßen bestehen, die im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht erstmals hergestellt (§ 10a Abs. 1 Satz 2 KAG i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 2 KAG) und gewidmet sind. Das gilt für den vorliegenden Fall der Festsetzung von Vorauszahlungen entsprechend. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Vorauszahlungsbescheids auf wiederkehrende Ausbaubeiträge ist jedoch der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, regelmäßig also derjenige der Entscheidung über den Widerspruch (a). Seinerzeit war die Wegeparzelle … („K…“) zwar erstmals hergestellt (b), stand jedoch dem öffentlichen Verkehr noch nicht dauerhaft zur Verfügung (c). Deshalb war die Wegeparzelle … („K…“) zu diesem Zeitpunkt nicht Teil der einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen; eine Vorauszahlungspflicht für das veranlagte Grundstück des Klägers bestand (noch) nicht.

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a) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 11 C 25/93, BVerwGE 97, 214, juris; 8 C 87.88, NVwZ 1991, 360, juris; 8 C 14.81, BVerwGE 64, 218, juris) ist entschieden, dass sich der maßgebliche Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts nicht nach dem Prozessrecht, sondern nach dem jeweiligen materiellen Recht richtet, wobei im Zweifel die Regel gilt, dass bei der Anfechtung von Verwaltungsakten ohne Dauerwirkung die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend ist. Während der Zeitpunkt des Entstehens der (endgültigen) Pflicht zur Entrichtung wiederkehrender Beiträge durch die Bestimmung des § 10a Abs. 4 Satz 1 KAG normativ auf den 31. Dezember des abgelaufenen Kalenderjahres festgelegt ist, entsteht die ausschließlich persönliche Vorauszahlungspflicht aufgrund einer Ermessensentscheidung der Gemeinde mit dem Erlass des Vorauszahlungsbescheids. Das kann durchaus zu unterschiedlichen Zeitpunkten und darüber hinaus unter Umständen auch mehrfach geschehen (vgl. OVG RP, 6 A 10035/04.OVG, AS 31, 283, NVwZ-RR 2005, 499). Mit Rücksicht auf diese Anknüpfung der Beitragsschuld an einer ausdrücklichen gemeindlichen Entscheidung gegenüber dem Beitragspflichtigen ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, regelmäßig also derjenige der Entscheidung über den Widerspruch, der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids zur Erhebung von Vorauszahlungen gemäß § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG maßgebliche Zeitpunkt (vgl. auch OVG B-Bbg, 9 S 29.10, juris; BayVGH, 6 ZB 11.1919, juris; OVG NW, 3 A 1082/02, juris; OVG RP, 6 A 11585/99.OVG, esovgrp; auf den Zeitpunkt des Erlasses des Vorausleistungsbescheids stellen ab: ThürOVG, 4 VO 711/99; OVG MV, 1 M 34/03). Nur Grundstücke, die die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs (§ 10a Abs. 1 Satz 2 KAG) zu einer in diesem Zeitpunkt bereits erstmals hergestellten und gewidmeten Anbaustraße haben, können zu Vorauszahlungen auf wiederkehrende Ausbaubeiträge veranlagt werden.

20

Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass eine Vorauszahlung i.S.d. § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG nicht das Vorhandensein eines voll ausgebildeten Sondervorteils voraussetzt, sondern einen in seiner Wertigkeit geminderten Sondervorteil genügen lässt (vgl. OVG RP, 6 A 10138/09.OVG, esovgrp). Weil eine solche Vorauszahlung eine Leistung ist, die vor Entstehen der endgültigen (sachlichen) Beitragspflicht, also vor Ablauf des 31. Dezember für das abgelaufene (Kalender-)Jahr (§ 10a Abs. 4 Satz 1 KAG), auf diese „künftige Beitragsschuld“ erhoben wird, basiert ihre Erhebung zwar auf einer Prognose (vgl. OVG RP, 6 A 11867/02.OVG, AS 30, 287, NVwZ-RR 2004, 70, esovgrp; 6 A 10035/04.OVG, AS 31, 283, NVwZ-RR 2005, 499). Diese Prognose umfasst nicht nur das Entstehen der endgültigen Beitragspflicht überhaupt, sondern auch deren Höhe. Dementsprechend bedarf die Heranziehung zu Vorausleistungen bzw. Vorauszahlungen einer gewissenhaften Aufwandsschätzung, deren Änderungen, soweit sie nicht völlig unbedeutend sind, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens berücksichtigt werden müssen (vgl. OVG RP, 6 A 10730/09.OVG, esovgrp; 6 A 10750/08.OVG, AS 37, 200, juris; vgl. auch OVG RP, 6 A 10035/04.OVG, AS 31, 283, NVwZ-RR 2005, 499). Das bedeutet indessen nicht, dass auch die Frage, ob eine Verkehrsanlage dem öffentlichen Verkehr rechtlich gesichert dauerhaft zur Verfügung steht, lediglich prognostisch zu beantworten ist. Dass eine Verkehrsanlage voraussichtlich bis zum Entstehen der endgültigen (sachlichen) Beitragspflicht gewidmet sein wird, reicht für eine Vorausleistungs- bzw. Vorauszahlungserhebung wiederkehrender Beiträge nicht aus (vgl. auch HessVGH, 5 TG 2230/96, NVwZ-RR 1998, 137, juris).

21

Auch der Rechtsprechung des Senats kann nicht entnommen werden, dass eine Straße, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid noch nicht dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt ist, als Teil der einheitlichen öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen im Sinne des § 10a KAG betrachtet werden kann. Im Zusammenhang mit der Erhebung von Vorausleistungen auf einmalige Ausbaubeiträge hat der Senat (vgl. 6 A 10310/03.OVG, AS 30, 359, esovgrp; 6 A 10131/05.OVG; 6 A 10527/07.OVG, AS 35, 71, NVwZ-RR 2008, 54, esovgrp, juris) erwogen, einen Vorausleistungsbescheid nicht allein deswegen als rechtswidrig zu betrachten, weil im Zeitpunkt seines Erlasses die förmliche Widmung einer Straße noch ausstand, ihre Eigenschaft als tatsächlich dem öffentlichen Verkehr dienende Verkehrsanlage und die Bereitschaft der Gemeinde zur (Nachholung der) Widmung aber gegeben waren. Begründet wurde dies mit der Überlegung, es sei wenig überzeugend, einen Vorausleistungsbescheid aufzuheben, der im Anschluss daran mit gleichem Inhalt wegen der zwischenzeitlich erfolgten förmlichen Widmung erneut und nunmehr rechtmäßig erlassen könnte. Diese Begründung trifft auf Bescheide zur Erhebung von Vorauszahlungen auf wiederkehrende Beiträge schon wegen der mit Ablauf des 31. Dezember für das jeweilige Kalenderjahr entstehenden endgültigen Beitragspflicht regelmäßig nicht zu. Denn nach dem 31. Dezember eines bestimmten Kalenderjahres darf ein Vorauszahlungsbescheid für das abgelaufene Jahr nicht mehr ergehen, weil dann der wiederkehrende Ausbaubeitrag bereits endgültig erhoben werden kann (vgl. OVG RP, 6 A 11652/05.OVG, esovgrp; 6 A 10730/09.OVG, esovgrp). Die erwähnten Überlegungen des Senats zum inhaltsgleichen Neuerlass eines aufgehobenen Beitragsbescheids haben demgegenüber insbesondere Überzeugungskraft, wenn eine Pflicht zur Beitragserhebung besteht und deshalb eine erneute Heranziehung des Beitragspflichtigen nach Aufhebung eines Beitragsbescheids erfolgen müsste (vgl. BVerwG, 8 C 87.88, NVwZ 1991, 360, juris). Die Erhebung von Vorauszahlungen gemäß § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG steht jedoch im Ermessen der Gemeinde. Auf diese sind auch deshalb die erwähnten Überlegungen nicht übertragbar.

22

Die Erhebung von Vorauszahlungen gemäß § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG von den Beitragspflichtigen einer Straße, die im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch gegen den Vorauszahlungsbescheid dem öffentlichen Verkehr (noch) nicht zu dienen bestimmt ist, kann auch nicht durch Nachholung der Widmung geheilt werden. Da eine Widmung nicht rückwirkend in Kraft gesetzt werden kann, lässt sich ein Mangel der „Öffentlichkeit“ einer Verkehrsanlage nicht durch eine zeitlich nachfolgende Widmung beheben, wie dies beispielsweise im Falle eines Satzungsmangels, der rückwirkend beseitigt werden kann, möglich ist. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei betont, dass eine solche nach der Vorauszahlungserhebung, aber vor Ablauf des 31. Dezember des betreffenden Kalenderjahres wirksam werdende Widmung für das Entstehen der (endgültigen) Beitragspflicht rechtzeitig erfolgt.

23

b) Im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung war die Wegeparzelle … („K…“) bis zur Einfahrt zum Grundstück des Klägers erstmals hergestellt.

24

Ob eine Straße, deren räumliche Ausdehnung weder durch einen Bebauungsplan noch durch eine Entscheidung nach § 125 Abs. 2 BBauG/BauGB festgelegt war, erstmals hergestellt war, ist für den Zeitpunkt zu beantworten, in dem sie zu einer Anbaustraße wurde (OVG RP 6 A 10939/05.OVG; 6 A 10836/12.OVG, esovgrp, juris). Eine Straße ist nur „zum Anbau bestimmt“, wenn und soweit an sie angebaut werden darf, d.h. wenn und soweit sie die an sie angrenzenden Grundstücke bebaubar oder sonst wie in beachtlicher Weise nutzbar macht (vgl. BVerwG, 8 C 32.95, BVerwGE 102, 294, NVwZ 1989, 69, juris). Der untere Teil der Parzelle … erhielt seine Anbaubestimmung bis zur Einfahrt zum Grundstück des Klägers mit der Errichtung des Wohnhauses auf diesem Grundstück. Da die Wegeparzelle … am Bahngelände endet und das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück … (K… 8) unmittelbar an der K … liegt, kam eine weitere qualifizierte Bebauung entlang der Wegeparzelle … kaum in Betracht. Der Bereich des klägerischen Grundstücks, auf dem das Wohnhaus errichtet ist, befindet sich ebenso wie das Wohngebäude K… 8 im Bebauungszusammenhang, der entlang der K … besteht. Für eine weitere qualifizierte Bebauung entlang der Wegeparzelle … ist angesichts der geringen Größe der übrigen Grundstücke, des vorbezeichneten Bebauungszusammenhangs und des sich anschließenden Bahngeländes kein Raum.

25

Ob von der erstmaligen endgültigen Herstellung dieses unteren Teils der Wegeparzelle … schon vor dem Jahre 1963 auszugehen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung. Sie entsprach jedenfalls spätestens mit dem Inkrafttreten der Erschließungsbeitragssatzung vom 1. Juni 1968 - EBS 1968 - den dort geregelten Herstellungsmerkmalen. Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, fehlte es nicht an der in § 7 Abs. 1 Nr. 3 EBS 1968 vorgeschriebenen Entwässerungseinrichtung. Zwar läuft das Niederschlagswasser, welches auf dem asphaltierten unteren Teil der Wegeparzelle … anfällt, nicht in eine für diese Wegeparzelle gesondert angelegte Entwässerungseinrichtung. Dieses Wasser wird aber zum Teil von dem in der Mitte des asphaltierten Teilstücks befindlichen Abwasserschacht aufgenommen. Im Übrigen fließt das Niederschlagswasser entlang der seitlichen Bordsteine in die längs der Ortsdurchfahrt der K … angelegte Entwässerungsrinne und wird anschließend mit dem auf der Ortsdurchfahrt der K … anfallenden Niederschlagswasser zum nächstgelegenen Straßeneinlauf fortgeleitet. Angesichts des natürlichen Gefälles und der geringen Länge dieses Teilstücks der Wegeparzelle … von wenigen Metern stellte dies im maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erschließungsbeitragssatzung vom 1. Juni 1968 eine ausreichende Straßenoberflächenentwässerung dar. Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn bei sehr starkem Regen das sich auf dem unteren Teil der Wegeparzelle … sammelnde Niederschlagswasser über die Rinne an der Ortsdurchfahrt der K … hinaus auf die Fahrbahn dieser Straße gelangen sollte. Dass im Jahre 1968 unter einer ordnungsgemäßen Straßenentwässerungseinrichtung nur eine solche zu verstehen war, die Einlaufschächte selbst in kurzen, abschüssigen und wenig befahrenen Straßen erforderte, kann nicht angenommen werden. Denn das Niederschlagswasser wurde nicht etwa im Seitenbereich der Parzelle … versickert oder in anderer Weise dem Grundwasser zugeführt.

26

Wie das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, war die endgültige erstmalige Herstellung nicht von der „etwa vorgesehenen Beleuchtung“ (§ 7 Abs. 1 EBS 1968) abhängig. Denn diese Formulierung ist nicht hinreichend bestimmt (vgl. BVerwG, IV C 104.67, BauR 1970, 169, juris; BVerwG, IV C 62.71, BVerwGE 42, 269, juris; IV C 82.74, BauR 1977, 411, juris; OVG RP, 6 A 10836/12.OVG, esovgrp, juris). Keine Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass in § 7 Abs. 4 EBS 1968 ein weiteres Herstellungsmerkmal festgelegt, aber seinerzeit nicht erfüllt war. Nach dieser Bestimmung stellt die Gemeindeverwaltung die endgültige Herstellung u.a. der einzelnen Erschließungsanlage fest und gibt sie öffentlich bekannt. Dabei kann es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG IV C 96.66, BVerwGE 30, 207, juris; vgl. auch BVerwG 8 C 26.84, BVerwGE 72, 143, juris) nicht um ein Herstellungsmerkmal handeln.

27

c) Die Wegeparzelle … („K…“) stand aber im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch weder insgesamt noch auf dem asphaltierten Teilstück bis zur Einfahrt zum Grundstück des Klägers dem öffentlichen Verkehr dauerhaft und rechtlich gesichert zur Verfügung. Allerdings stellte sie am 31. Dezember 2012, als die (endgültige) Beitragspflicht für das Kalenderjahr 2012 entstand, in dem unteren asphaltierten Teilstück eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Gemeindestraße dar.

28

aa) Vor dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes - LStrG – hatte die Wegeparzelle … („K…“) keine Zweckbestimmung als dem öffentlichen Verkehr dienende Verkehrsfläche.

29

Insbesondere waren die Voraussetzungen des § 54 Satz 2 LStrG nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung wird für Straßen, die seit dem 31. März 1948 dem öffentlichen Verkehr dienten, vermutet, dass sie nach dem bisherigen Recht, also dem vor Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes geltenden Recht, die Eigenschaft einer öffentlichen Straße hatten. Da der später asphaltierte Teil der Wegeparzelle … nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten erst im Laufe der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch die Errichtung des Wohnhauses auf dem veranlagten Grundstück des Klägers seine Anbaubestimmung erlangte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Wegeparzelle … insoweit bereits seit dem 31. März 1948 dem öffentlichen Verkehr zu dienen bestimmt war.

30

Nichts anderes gilt für die Zeit zwischen der Errichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück des Klägers und dem Inkrafttreten des Landesstraßengesetzes im Jahre 1963. Zwar mag die Zufahrt zu diesem Grundstück im Einverständnis mit der Gemeinde als der Eigentümerin der Wegefläche und der Wegeunterhaltungspflichtigen hergerichtet worden sein. Anhaltspunkte für die ebenfalls erforderliche Zustimmung der Wegepolizeibehörde (vgl. Germershausen-Seydel, Das Wegerecht und die Wegeverwaltung in Preußen, 4. Aufl. 1932, S. 9) fehlen jedoch. Auch aus mehr oder weniger untrüglichen Anzeichen (vgl. OVG RP, 6 A 182/80, AS 17, 128, KStZ 1982, 218, esovgrp) kann nicht auf eine seinerzeit erfolgte „Widmung“ geschlossen werden kann. Angesichts der auf den unteren, nur ungefähr 20 Meter langen, asphaltierten Bereich beschränkten Anbaubestimmung ist nicht davon auszugehen, dass in nennenswertem Umfang eine tatsächliche Benutzung des über ein Gemeindegrundstück verlaufenden Weges, der insoweit nur die Funktion einer Zufahrt zu dem bebauten Grundstück des Klägers hatte, durch den öffentlichen Verkehr stattfand.

31

bb) Auch durch die Widmung vom 7. November 2006 wurde das untere asphaltierte Teilstück der Wegeparzelle … („K…“) keine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Gemeindestraße. Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde, erfolgte diese Widmung nicht ordnungsgemäß. Sie enthielt nicht nur eine unzutreffende Parzellenangabe, sondern betraf auch eine Straßenlänge von 76 m, obwohl tatsächlich nur eine Straße von ca. 20 m Länge existierte, während die restliche Strecke bis zum Bahndamm lediglich als Wirtschaftsweg hergerichtet war. Zwar ist eine Widmungsverfügung ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung (vgl. OVG RP, 6 A 10818/12.OVG, NVwZ-RR 2013, 283, esovgrp, juris; OVG NW, 11 A 1422/11, DÖV 2012, 695, juris; OVG RP, 1 A 11339/93, juris), die eine teilbare Regelung enthalten und daher teilweise rechtmäßig und teilweise rechtswidrig oder sogar nichtig sein kann. Eine solche Teilbarkeit einer einzigen Wegeparzelle, die auf einer kurzen Strecke als Straße hergestellt, zum größeren Teil aber ein Wirtschaftsweg geblieben ist, scheidet aber aus, wenn - wie hier - die Grenze zwischen beiden Bereichen nicht in eindeutiger Weise feststeht. Eine zeichnerische oder eine durch eine Längenangabe konkretisierte Festlegung war seinerzeit nicht erfolgt. Fraglich ist auch, ob die nachträglich offenbar von der Beklagten angelegte Querrinne mit Wassereinlaufschacht zu der schon in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts asphaltierten Wegefläche hinzuzurechnen ist.

32

Dass sich die Widmung nicht auf die gesamte Wegeparzelle … von der K … bis zum Bahndamm beziehen kann, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts (OVG RP, 1 A 11658/05.OVG; 6 A 10125/09.OVG; 6 A 10818/12.OVG, NVwZ-RR 2013, 283, esovgrp, juris), wonach nur eine existierende Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Sache haben kann. An einem gegenständlich vorhandenen Objekt, dem die öffentliche Zweckbestimmung einer dem allgemeinen Verkehr dienenden Straße verliehen werden kann, fehlt es aber, soweit - wie hier im Zeitpunkt der Widmung vom 7. November 2006 - lediglich ein land- und forstwirtschaftlichen Anforderungen genügender Wirtschaftsweg existiert.

33

cc) Erst durch die Widmung vom 17. Dezember 2012, die im Mitteilungsblatt der Verbandsgemeinde Z… (Mosel) vom 21. Dezember 2012 veröffentlicht wurde, erhielt der im beigefügten Lageplan gekennzeichnete untere Teil der Parzelle … seine Bestimmung für den öffentlichen Verkehr und wurde damit zur Gemeindestraße. Da dies erst nach Erlass des Widerspruchsbescheids erfolgte, ist der angefochtene Vorauszahlungsbescheid aufzuheben. Für das Entstehen der (endgültigen) Ausbaubeitragspflicht erfolgte die Widmung jedoch - wie bereits ausgeführt - rechtzeitig (vgl. OVG RP, 6 A 10527/07.OVG, AS 35, 71, esovgrp, juris). Anders als der Kläger meint, ist diese Widmung nicht etwa deswegen zu beanstanden, weil auf dem asphaltierten unteren Teil der Wegeparzelle … weder ein Begegnungsverkehr von Kraftfahrzeugen noch das Befahren mit einem Lastwagen möglich ist. Denn der Gemeingebrauch der Straße, den § 34 Abs. 1 Satz 1 LStrG jedermann im Rahmen der Widmung erlaubt, ist naturgemäß durch die bau- und verkehrstechnische Beschaffenheit einer Straße beschränkt, ohne dass dies die Unwirksamkeit der Widmung zur Folge hat (vgl. OVG RP, 1 A 10464/95.OVG, esovgrp; OVG RP, 6 A 10125/09.OVG; OVG SL, 1 B 215/07, AS 35, 104, NVwZ-RR 2008, 275, juris; VGH BW, 5 S 1990/87, NVwZ-RR 1190, 225, juris).

34

3. Angesichts dessen ist es im Ergebnis unerheblich, dass die Vorauszahlungserhebung in Übereinstimmung mit § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG erfolgte.

35

Gemäß § 10a Abs. 4 Satz 2 KAG können ab Beginn des Kalenderjahres angemessene Vorauszahlungen auf die Beitragsschuld verlangt werden. Mit dem Begriff „Kalenderjahr“ ist das „abgelaufene Jahr“ im Sinne des § 10a Abs. 4 Satz 1 KAG gemeint, für das die Beitragsschuld mit Ablauf des 31. Dezember entsteht (vgl. OVG RP 6 B 10720/11.OVG). Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den voraussichtlich für das Jahr 2012 entstehenden Beitrag in voller Höhe als Vorauszahlung festgesetzt hat. Insbesondere hat die Beklagte damit die gesetzliche Vorgabe, wonach „angemessene“ Vorauszahlungen erhoben werden können, nicht missachtet. Zwar hat der Gesetzgeber damit wohl deutlich machen wollen, dass es der Gemeinde nicht stets erlaubt sein soll, Vorauszahlungen in der voraussichtlichen Höhe des später entstehenden endgültigen Beitrags zu fordern, sondern dass sich die Angemessenheit an den Gesamtkosten und dem Verhältnis zu den im Zeitpunkt der Vorauszahlungs- bzw. Vorausleistungserhebung von der Gemeinde bereits eingesetzten Aufwendungen zu orientieren habe (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 135; NdsOVG, 9 L 6811/96, NdsVBl. 1999, 144). Ungeachtet dessen kann die Angemessenheit der Vorauszahlungen auch dann gegeben sein, wenn diese in Höhe der voraussichtlichen (endgültigen) Beitragsschuld verlangt werden. Dies kann insbesondere bei Vorliegen einer satzungsrechtlichen Fälligkeitsbestimmung der Fall sein, die die Zahlung von Vorauszahlungsteilbeträgen über das Kalenderjahr hin erstreckt. Eine solche Fälligkeitsregelung enthält § 11 Abs. 1 ABS, der bestimmt, dass die Vorauszahlungen jeweils zu einem Viertel am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und am 15. November eines jeden Jahres fällig werden.

36

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO.

38

Gründe, gemäß § 132 Abs. 2 VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 503,96 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Miteigentümer haften als Gesamtschuldner; bei Wohnungs- und Teileigentum sind die einzelnen Wohnungs- und Teileigentümer nur entsprechend ihrem Miteigentumsanteil heranzuziehen. Werden im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 hergestellt, erweitert oder verbessert, sind Vorschriften über die Erhebung von Beiträgen für diese Maßnahmen auf Grundstücke im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet nicht anzuwenden. Satz 3 gilt entsprechend für die Anwendung der Vorschrift über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen im Sinne des § 135a Absatz 3.

(2) Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert).

(2a) Die Gemeinde kann durch Satzung bestimmen, dass der Ausgleichsbetrag abweichend von Absatz 1 Satz 1 ausgehend von dem Aufwand (ohne die Kosten seiner Finanzierung) für die Erweiterung oder Verbesserung von Erschließungsanlagen im Sinne des § 127 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 (Verkehrsanlagen) in dem Sanierungsgebiet zu berechnen ist; Voraussetzung für den Erlass der Satzung sind Anhaltspunkte dafür, dass die sanierungsbedingte Erhöhung der Bodenwerte der Grundstücke in dem Sanierungsgebiet nicht wesentlich über der Hälfte dieses Aufwands liegt. In der Satzung ist zu bestimmen, bis zu welcher Höhe der Aufwand der Berechnung zu Grunde zu legen ist; sie darf 50 vom Hundert nicht übersteigen. Im Geltungsbereich der Satzung berechnet sich der Ausgleichsbetrag für das jeweilige Grundstück nach dem Verhältnis seiner Fläche zur Gesamtfläche; als Gesamtfläche ist die Fläche des Sanierungsgebiets ohne die Flächen für die Verkehrsanlagen zu Grunde zu legen. § 128 Absatz 1 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163) zu entrichten. Die Gemeinde kann die Ablösung im Ganzen vor Abschluss der Sanierung zulassen; dabei kann zur Deckung von Kosten der Sanierungsmaßnahme auch ein höherer Betrag als der Ausgleichsbetrag vereinbart werden. Die Gemeinde soll auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen, wenn der Ausgleichsbetragspflichtige an der Festsetzung vor Abschluss der Sanierung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann.

(4) Die Gemeinde fordert den Ausgleichsbetrag durch Bescheid an; der Betrag wird einen Monat nach der Bekanntgabe des Bescheids fällig. Vor der Festsetzung des Ausgleichsbetrags ist dem Ausgleichsbetragspflichtigen Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung der für die Wertermittlung seines Grundstücks maßgeblichen Verhältnisse sowie der nach § 155 Absatz 1 anrechenbaren Beträge innerhalb angemessener Frist zu geben. Der Ausgleichsbetrag ruht nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück.

(5) Die Gemeinde hat den Ausgleichsbetrag auf Antrag des Eigentümers in ein Tilgungsdarlehen umzuwandeln, sofern diesem nicht zugemutet werden kann, die Verpflichtung bei Fälligkeit mit eigenen oder fremden Mitteln zu erfüllen. Die Darlehensschuld ist mit höchstens 6 vom Hundert jährlich zu verzinsen und mit 5 vom Hundert zuzüglich der ersparten Zinsen jährlich zu tilgen. Der Tilgungssatz kann im Einzelfall bis auf 1 vom Hundert herabgesetzt werden und das Darlehen niedrig verzinslich oder zinsfrei gestellt werden, wenn dies im öffentlichen Interesse oder zur Vermeidung unbilliger Härten oder zur Vermeidung einer von dem Ausgleichsbetragspflichtigen nicht zu vertretenden Unwirtschaftlichkeit der Grundstücksnutzung geboten ist. Die Gemeinde soll den zur Finanzierung der Neubebauung, Modernisierung oder Instandsetzung erforderlichen Grundpfandrechten den Vorrang vor einem zur Sicherung ihres Tilgungsdarlehens bestellten Grundpfandrecht einräumen.

(6) Die Gemeinde kann von den Eigentümern auf den nach den Absätzen 1 bis 4 zu entrichtenden Ausgleichsbetrag Vorauszahlungen verlangen, sobald auf dem Grundstück eine den Zielen und Zwecken der Sanierung entsprechende Bebauung oder sonstige Nutzung zulässig ist; die Absätze 1 bis 5 sind sinngemäß anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13. Juni 2013 - 2 K 3004/12 - geändert und wie folgt neu gefasst: Der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2011 und deren Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2012 werden aufgehoben, soweit darin eine Vorauszahlung von mehr als 44.358,38 EUR festgesetzt wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen und die Berufung der Klägerin wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorauszahlung auf einen Erschließungsbeitrag.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst.- Nr. ... Das insgesamt 57.421 m² große Grundstück liegt mit einer Teilfläche von 1.104 m² im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 521 „...: ... ..., ...: ... ..." (rechtsverbindlich seit dem 04.03.1978), der ein Mischgebiet festsetzt. Die übrige Grundstücksfläche befindet sich im Außenbereich.
Im Jahr 1997 hat die Beklagte mit der Herstellung der Erschließungsanlage „... ..." in ihrer heutigen Form begonnen. Die Anlage liegt im Geltungsbereich des am 10.05.2003 in Kraft getretenen Bebauungsplanes Nr. 671 „...: ..., ...: ... ...".
Die Erschließungsanlage ist mittlerweile in bautechnischer Hinsicht hergestellt. Die endgültige Berechnung der Ingenieurkosten ist noch nicht möglich. Sie hängt vom Ausgang eines Zivilrechtsstreits zwischen der Beklagten und einem Bauunternehmer ab, der mittlerweile vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe anhängig ist.
Mit Bescheid vom 26.11.2010 zog die Beklagte die Klägerin für die Herstellung der Erschließungsanlage „... ..." zu einer Vorauszahlung auf einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 47.623,09 EUR heran. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 - zugestellt am 22.10.2012 - zurück.
Die Klägerin hat am 21.11.2012 Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13.06.2013 hinsichtlich eines - einen Betrag von 44.128,52 EUR übersteigenden - Teilbetrags stattgegeben und die es im Übrigen abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: An der Erhebung einer Vorauszahlung sei die Beklagte nicht deshalb gehindert, weil die abgerechneten Baumaßnahmen technisch bereits vollständig abgeschlossen seien. Denn die Erschließungsbeitragspflicht sei mangels endgültiger Schlussrechnung noch nicht entstanden. Die Berechnung der Ingenieurkosten hänge vom Ausgang eines Zivilrechtsstreits ab. Die endgültige Herstellung sei erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden könne.
Bei der Kanzlerstraße handle es sich des Weiteren nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 vorhandene Straße i.S.d. § 242 Abs. 1 BauGB bzw. § 49 Abs. 6 KAG, für die kein Erschließungsbeitrag mehr erhoben werden könne. Seit Inkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes vom 20.02.1868 habe eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen können. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei die Kanzlerstraße jedenfalls deshalb keine vorhandene Straße, weil sie nicht bis zum 29.06.1961, sondern erstmals 1997 plangemäß ausgebaut worden sei.
Mit den abgerechneten Baumaßnahmen sei die Kanzlerstraße ferner erstmals endgültig hergestellt worden. Da die Beklagte in ihrer Satzung den Grunderwerb in rechtlich zulässiger Weise zum Herstellungsmerkmal erklärt habe, habe vor 2004 keine endgültige Herstellung erfolgen können; erst zu diesem Zeitpunkt sei der Grunderwerb durch die Beklagte abgeschlossen worden. Im Übrigen sei durch keine der früheren (provisorischen) Baumaßnahmen, die es im Bereich der jetzt abgerechneten Anlage gegeben habe, die streitgegenständliche Anbaustraße in einen Ausbauzustand versetzt worden, der bereits als endgültige Herstellung betrachtet werden könne.
Das Grundstück der Klägerin gehöre ferner zum Kreis der erschlossenen Grundstücke. Die Lage des Grundstücks in einem Mischgebiet begründe keinen Rechtsanspruch darauf, dass jede dort zulässige Nutzung ausgeübt werden könne. Bei einem Grundstück im Mischgebiet reiche es deshalb aus, dass an dieses herangefahren werden könne. Herangefahren werden könne in diesem Sinn an ein Grundstück mit Kraftwagen regelmäßig dann, wenn auf der Fahrbahn einer öffentlichen Straße bis zur Höhe des Grundstücks mit Personen- und Versorgungsfahrzeugen gefahren und von da ab ggf. auf einem Gehweg und/oder Radweg das Grundstück betreten werden könne. Dass diese Voraussetzung hier erfüllt sei, habe das Verwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 23.04.2009 - 2 K 1506/07 - festgestellt.
10 
Das teilweise im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegende und insoweit veranlagte Grundstück der Klägerin sei des Weiteren beitragspflichtig gemäß § 40 KAG. Das Gericht habe bereits mit Urteil vom 23.04.2009 die Bebaubarkeit des maßgeblichen Grundstücksteils unter anderem mit der Begründung bejaht, dass die Nachbargrundstücke bebaut seien und sich auch auf der veranlagten Teilfläche des klägerischen Grundstücks ein kleineres Wohnhaus befinde, das zumindest als Wochenendhaus genutzt werde. Da sich die Grundstücksverhältnisse seit 2009 nicht verändert hätten, erscheine nunmehr keine andere Einschätzung gerechtfertigt. Vorliegend bestehe nach wie vor die allein maßgebliche abstrakte Bebauungsmöglichkeit, da das Grundstück gewerblich genutzt werden könne. In Betracht komme dabei insbesondere die Errichtung von Bürogebäuden.
11 
Der Beitragsanspruch der Beklagten sei nicht durch Eintritt der Festsetzungsverjährung erloschen. Da die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden sei, habe auch der Lauf der Verjährungsfrist noch nicht begonnen.
12 
Der angegriffene Bescheid sei jedoch der Höhe nach teilweise rechtswidrig. Zunächst begegne es allerdings keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG die Kosten für die Herstellung der Kreisverkehrsanlage anteilsmäßig geltend gemacht habe. Nach dieser Bestimmung zählten unter anderem auch die Herstellungskosten für den Anschluss der Straßen an bestehende öffentliche Straßen durch Kreuzungen zu den beitragsfähigen Erschließungskosten. Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Änderungsgesetz 2009 schließe der Begriff der Kreuzungen auch Kreisverkehrsplätze als bautechnisch besonders gestaltete höhengleiche Kreuzungen ein. Das Innenministerium habe es für entbehrlich gehalten, in den Zusatz auch Kreisverkehre aufzunehmen, da diese unter den Begriff der Straßenkreuzung einzuordnen seien und es daher einer Gleichstellung im Gesetz nicht bedürfe. Demnach erlangten Kreisverkehrsanlagen beitragsrechtlich nicht als eigene Anlagen, sondern als auf die im Kreisverkehr zusammengeführten Verkehrsanlagen aufzuteilende Kostenmasse Relevanz.
13 
Ebenfalls rechtsfehlerfrei habe die Beklagte für das Grundstück der Klägerin einen Artzuschlag für ein Mischgebiet gemäß § 11 Abs. 2 EBS festgesetzt. Insoweit werde auf die obigen Ausführungen verwiesen.
14 
Es bestünden auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Erforderlichkeit der errichteten Stützmauer und damit die Beitragsfähigkeit des diesbezüglichen Erschließungsaufwandes. Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 a) StrG gehöre zur öffentlichen Straße auch eine Böschung oder Stützmauer. Dies bedeute aber nicht, dass jede sich an eine Straße anschließende Stützmauer ohne weiteres als Teil dieser Straße anzusehen sei, sondern nur dann, wenn sie dem Schutz der Straße diene, d.h. für die Sicherung der Straße und des Straßenverkehrs erforderlich sei. Die Beitragsfähigkeit der Kosten einer erforderlichen Stützmauer als Erschließungsaufwand für die Herstellung der entsprechenden Anbaustraße setze dabei nicht voraus, dass die Mauer im Bebauungsplan ausgewiesen sei. Aus diesem Grund komme es nicht darauf an, ob sie in den Bebauungsplänen Nr. 521 und 671 in allen Einzelheiten in der tatsächlich ausgeführten Form festgesetzt sei.
15 
Die Beklagte habe das Grundstück Flst.-Nr. 7... bei der Oberverteilung unberücksichtigt lassen dürfen. Da es teilweise als öffentliche Grünfläche festgesetzt und teilweise im Außenbereich gelegen sei, unterliege es mangels abstrakter Bebaubarkeit keiner Erschließungsbeitragspflicht. Im Außenbereich befindliche Grundstücke seien bereits nach dem Wortlaut des § 40 KAG nicht beitragspflichtig. Ein Grundstück, das in einem Bebauungsplan als öffentliche Grünfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) festgesetzt sei, sei typischerweise einer erschließungsbeitragsrechtlich relevanten Nutzung schlechthin entzogen. An diesem Ergebnis ändere die tatsächlich verwirklichte Bebauung mit Schrebergärten nichts. Die Tatsache der Bebauung sei als solche ungeeignet, eine Beitragspflicht auszulösen. Sie spiele zwar insoweit eine Rolle, als sie in der Regel die Baulandeigenschaft indiziere, da durch die Bebauung grundsätzlich die abstrakte Bebaubarkeit eines Grundstücks zum Ausdruck komme. Etwas anderes gelte jedoch bei bestandsgeschützten Bauwerken. Bei einem Grundstück, auf dem ein Gebäude lediglich aus dem Recht auf Bestandsschutz erhalten werden könne, könne nicht von einem bebaubaren Grundstück gesprochen werden.
16 
In die Verteilung einzustellen sei allerdings - entgegen der bisherigen Berechnung - auch die im Innenbereich befindliche Fläche des Grundstücks Flst.-Nr. 2... Dieses Grundstück gehöre mit seiner Innenbereichsfläche zum Kreis der durch die Kanzlerstraße erschlossenen Grundstücke. Die planerische Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche sei hinsichtlich dieses Grundstücks unwirksam geworden. Eine bauplanerische Festsetzung trete wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sie sich beziehe, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht hätten, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließe und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht habe, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehme. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, da die Beklagte noch im Jahr 2008 den Bau einer sowohl im Außen- wie auch im Innenbereich gelegenen Halle genehmigt habe. Die Beklagte habe bewusst eine Genehmigung erteilt, die den Festsetzungen eines Bebauungsplanes widerspreche. Vor diesem Hintergrund sei eine Realisierung der planerischen Festsetzungen ausgeschlossen.
17 
Selbst wenn man von der Wirksamkeit der planerischen Festsetzungen ausgehe, sei das Grundstück Flst.-Nr. 2... unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse vor Ort als erschlossen anzusehen. Für die Beantwortung der Frage nach dem Erschlossensein durch Anbaustraßen sei im Einzelfall ausnahmsweise über das Bebauungsrecht hinausgehend darauf abzustellen, ob die Eigentümer der übrigen Grundstücke nach den bestehenden tatsächlichen Verhältnissen schutzwürdig erwarten könnten, dass auch die Grundstücke, deren Erschlossensein auf der Grundlage einzig der bebauungsrechtlichen Situation zu verneinen sei, in den Kreis der erschlossenen Grundstücke einbezogen werden müssten und sich so die Beitragsbelastung der übrigen Grundstücke vermindere. Eine schutzwürdige Erwartung in diesem Sinne könne hier angenommen werden. Auf dem mit einer Lagerhalle bebauten Grundstück Flst.-Nr. 2... befinde sich ein Schrottbetrieb. Da mithin unabhängig von einer bebauungsrechtlichen Betrachtungsweise auf dem durch die Kanzlerstraße erschlossenen Grundstück eine gewerbliche Nutzung erfolge, vermittele die Erschließungsanlage diesem Grundstück einen tatsächlichen Vorteil. Vor diesem Hintergrund sei jedenfalls zu erwarten, dass von dem Grundstück aus die Straße in gleichem Umfang (oder mehr) in Anspruch genommen werde wie von den übrigen Anliegergrundstücken aus.
18 
Unter Einbeziehung des Grundstücks Flst.-Nr. 2... errechne sich eine Vorauszahlung in Höhe von 44.128,52 EUR (statt der geltend gemachten 47.623,09 EUR).
19 
Die Klägerin hat fristgerecht die vom Senat zugelassene Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts eingelegt, soweit ihre Klage abgewiesen worden ist. Sie trägt zur Begründung vor: Da die Maßnahme bereits seit langem abgeschlossen sei, dürfe keine Vorauszahlung festgesetzt werden. Dass das beauftragte Ingenieurbüro angeblich noch keine Rechnung erstellt habe, ändere daran nichts. Unstrittig seien auf diese Leistungen Abschlagszahlungen erfolgt. Es sei fraglich, ob unter der Geltung des KAG die Beitragsschuld erst entstehen könne, wenn die letzte Unternehmerrechnung eingegangen sei. Jedenfalls sei die Beitragsforderung verjährt. Die Ausbauarbeiten seien 1997 begonnen und 1998 abgeschlossen worden. Bei der seit mehr als 70 Jahren bestehenden Kanzlerstraße handle es sich ferner um eine beitragsfreie vorhandene Straße, da sie in Übereinstimmung mit einem Bebauungsplan aus den 1970er Jahren ohne Kreisverkehr ortsstraßenmäßig ausgebaut worden sei. Die Fahrbahn habe einen modernen Aufbau sowie eine Beleuchtung und Straßenentwässerung gehabt. Die ab 1997 durchgeführten Bauarbeiten seien daher nicht als erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage, sondern als Ausbau einer schon vorhandenen Anlage zu werten. Es fehle auch an einem Erschlossensein, da auf das Grundstück nicht heraufgefahren werden könne. Das Grundstück steige erheblich an. Außerdem sei an der Kanzlerstraße eine hohe Stützmauer nebst Treppen errichtet worden, durch die das Grundstück geradezu eingemauert werde. Eine gewerbliche Nutzung sei daher schlechterdings nicht vorstellbar. Zudem sei der Bau von Stellplätzen auf dem Grundstück nicht möglich.
20 
Die Kosten für die Herstellung des Kreisverkehrs hätten nicht in die Abrechnung eingestellt werden dürfen, da er als eigenständiges Element des Straßennetzes einer verbesserten überörtlichen Verkehrsführung diene und den Anliegern der Kanzlerstraße keinen spezifischen Vorteil vermittle. Auch sei die Veranlagung des Grundstücks mit einem Artzuschlag für ein Mischgebiet rechtswidrig, da die diesbezügliche Festsetzung in dem Bebauungsplan Nr. 521 obsolet sei. Aufgrund der Höhenlage des Grundstücks könne dort keine Nutzung erfolgen, die für ein Mischgebiet typisch sei. Insbesondere eine gewerbliche Nutzung sei ausgeschlossen. Die Kosten für die Herstellung der Stützmauer seien nicht beitragsfähig. Die Mauer sei in den Bebauungsplänen Nr. 521 und 671 nicht in der tatsächlich ausgeführten Form festgesetzt. Im Bebauungsplan scheine nur eine solche Stützmauer festgesetzt zu sein, die vor einem kleineren Teil der an die Kanzlerstraße grenzenden Grundstücksfläche liege. Schließlich sei die Oberverteilung rechtswidrig, da auf dem Grundstück Flst.-Nr. 7... seit Jahrzehnten die geduldete Nutzung „Schrebergärten" stattfinde. Dieses städtische Grundstück hätte daher zumindest als untergeordnete Nutzung im Sinne einer Kleingartenanlage (gemäß § 9 Abs. 2 EBS mit einem Nutzungsfaktor von 0,5) veranlagt werden müssen.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13.06.2013 zu ändern und den Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 26.11.2010 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 18.10.2012 insgesamt aufzuheben.
23 
Die Beklagte beantragt,
24 
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
25 
Sie meint, die sachliche Beitragspflicht sei mangels Vorlage der letzten Unternehmerrechnung noch nicht entstanden. Die Honorarrechnung des bauleitenden Ingenieurbüros liege noch nicht vor. Der Grunderwerb, der nach den Erschließungsbeitragssatzungen der Beklagten Herstellungsmerkmal sei, sei erst im Jahr 2006 - und nicht wie vom Verwaltungsgericht angenommen im Jahr 2004 - abgeschlossen worden. 1997/98 sei lediglich ein Teilausbau der Straße bis zur Einmündung der Robert-Bauer-Straße erfolgt. Die Kanzlerstraße sei keine vorhandene Straße. Vor den jetzt abgerechneten Baumaßnahmen sei noch keine endgültige Herstellung der Straße erfolgt. Erst durch die 2003/04 und 2005/06 durchgeführten Baumaßnahmen sei die Straße in voller Länge und entsprechend dem dann gültigen Bebauungsplan Nr. 671 hergestellt worden. Die Anlage sei zuvor nicht entsprechend dem Bebauungsplan Nr. 425 vom 23.07.1965 mit einer Straßenbreite von max. 18,20 m hergestellt worden, sondern habe lediglich eine Breite von 6 m aufgewiesen. Ebenso wenig entspreche der Ausbau dem Bebauungsplan Nr. 521 vom 04.03.1978 mit einer Breite von 17,50 m. Erst die Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 671 seien umgesetzt worden. Eine Nutzung gemäß den planungsrechtlichen Möglichkeiten des Mischgebiets sei auf dem vorhandenen Grundstück möglich. Hierfür genüge es, wenn an das Grundstück herangefahren werden könne.
26 
Die Kosten für einen Teil der Fahrbahn des Kreisverkehrs seien zu Recht auf der Grundlage von § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG in die Abrechnung eingestellt worden, da ein Kreisverkehrsplatz lediglich eine bautechnisch anders gestaltete Kreuzung darstelle. Selbst wenn man dies anders sehe, wirke sich dies im Ergebnis praktisch nicht aus. Da die Herstellung der Abbiegespur zur Robert-Bauer-Straße zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei, sei die geforderte Vorauszahlung jedenfalls der Höhe nach gerechtfertigt. Die (fiktiven) Kosten mit Abbiegespur und ohne Berücksichtigung des Kreisverkehrs führten im Ergebnis zu einer um 34,68 EUR höheren Vorauszahlung. Der Artzuschlag für ein Mischgebiet sei rechtmäßig. Im Abrechnungsgebiet bzw. im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 521 sei eine mischgebietstypische Nutzung möglich und liege auch tatsächlich vor (Haus/Wochenendhaus sowie Gartenschuppen). Die bautechnische Gestaltung der Betonstützmauer erlaube sogar eine Durchbrechung und die Schaffung einer Zufahrt, um so eine Tiefgarage oder einen ebenerdigen Verladebereich zu ermöglichen. Die Festsetzungen des Bebauungsplanes seien daher nicht aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse hinfällig oder gar widersprüchlich. Die Kosten für die Stützmauer seien beitragsfähig. Mit dem Bau der vollständig auf dem Straßengrundstück befindlichen Stützmauer mit Treppenaufgang sei eine Zugänglichkeit des Grundstücks und dauerhafte Sicherung der Erschließungsanlage erreicht worden. Durch die Mauer sei das Grundstück höhengleich nutzbar und auch die Stellplatzpflicht sei nicht problematisch. Zu Recht sei das Grundstück Flst.-Nr. 7... nicht in die Oberverteilung eingestellt worden. Durch die dort tatsächlich vorhandene und bestandsgeschützte, aber abstrakt baurechtlich nicht zulässige Nutzung werde mangels dauerhaften Vorteils keine Beitragspflicht ausgelöst.
27 
Die Beklagte hat fristgerecht die vom Senat zugelassene Berufung eingelegt, soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben hat. Sie macht geltend, die Oberverteilung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Auch das Grundstück Flst.-Nr. 2... sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts zu Recht nicht eingestellt worden. Zu Unrecht sei das Gericht davon ausgegangen, dass dort eine öffentliche Grünfläche festgesetzt sei. Dem einschlägigen Bebauungsplan sei eindeutig zu entnehmen, dass für die betreffende Teilfläche des Grundstücks „Grünland“, also eine landwirtschaftliche Fläche, im Bebauungsplan festgesetzt sei. Die baurechtlich genehmigte Lagerhalle nehme gerade einmal 24,3 m² im Plangebiet ein. Es könne keine Rede davon sein, dass die weitere Verwirklichung des Festsetzungen des Bebauungsplans auf den übrigen Grundstücksflächen durch diese geringfügige Bebauung auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen sei. Durch die tatsächlich vorhandene und bestandsgeschützte, aber abstrakt baurechtlich nicht zulässige Nutzung werde mangels dauerhaften Vorteils keine Beitragspflicht ausgelöst. Es bestehe auch keine schutzwürdige Erwartung der anderen Grundstückseigentümer, dass die Straße von dem Grundstück in gleichem Umfang in Anspruch genommen werde wie von den anderen Anliegergrundstücken aus. Es fehle schon an der erforderlichen Baulandeigenschaft im Sinne des § 38 KAG. Jedenfalls aber könne sich eine solche schutzwürdige Erwartung höchstens auf die tatsächlich gewerblich genutzte (Teil-) Fläche von ca. 1.166 m² beziehen.
28 
Die Beklagte beantragt als Berufungsklägerin,
29 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 13.06.2013 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
30 
Die Klägerin beantragt als Berufungsbeklagte,
31 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
32 
Zur Begründung macht sie geltend, zu Recht habe das Verwaltungsgericht beanstandet, dass das Grundstück Flst.-Nr. 2... nicht in die Oberverteilung einbezogen worden sei. Unabhängig von der Frage, ob der Bebauungsplan dort Grünland oder eine öffentliche Grünfläche festsetze, sei er funktionslos geworden. Auf dem Grundstück befinde sich seit Jahrzehnten ein Schrottbetrieb; für den Bau einer Halle sei sogar eine Genehmigung erteilt worden. Aufgrund dieser tatsächlich vorhandenen und von der Beklagten geduldeten gewerblichen Nutzung könnten die weiteren Anlieger zudem schutzwürdig erwarten, dass dieses Grundstück in die Verteilung des beitragsfähigen Erschließungsaufwandes einbezogen werde.
33 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten in beiden Rechtszügen verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten zulässig und zu einem geringen Teil begründet. Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ist in der maßgeblichen Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zum überwiegenden Teil rechtmäßig und verletzt die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er ist lediglich insoweit aufzuheben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 44.358,38 EUR festgesetzt wird.
35 
Ihre gesetzliche Grundlage findet die angefochtene Erhebung von Vorauszahlungen in § 25 Abs. 2 KAG i.V.m § 14 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (EBS) vom 13.10.2009. Danach können die Gemeinden Vorauszahlungen auf einen Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Beitrags erheben, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden und die endgültige Herstellung innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Maßgeblich für den Lauf dieser Frist ist der Erlass des Widerspruchsbescheids.
36 
I. Die Erhebung einer Vorauszahlung ist dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
37 
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem abrechneten Teilstück der Kanzlerstraße nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob sie bereits - wie die Klägerin vorträgt - seit mehr 70 Jahren ortsstraßenmäßig ausgebaut ist, also in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn das vor dem jetzt vorhandenen Ausbau vorhandene Sträßchen hat nicht den Planungen der Gemeinde entsprochen.
38 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -).
39 
Hier lagen Ortsbaupläne aus den Jahren 1900 oder 1904 und aus den dreißiger Jahren vor, die jedoch eine Straßenbreite von 12,00 m bzw. sogar 16,00 m festgesetzt haben. Die damals vorhandene Straße war jedoch bei einer Breite der Fahrbahn von lediglich 5,50 m insgesamt nur 7,50 m breit. Von einem plangemäßen Ausbau konnte demzufolge nicht die Rede sein. Es lag vielmehr ein deutlicher Minderausbau vor. War ein Ortsbauplan oder Bebauungsplan vorhanden, so war eine neue Ortsstraße erst mit ihrem plangemäßen Ausbau als Erschließungsanlage im Sinne des § 180 Abs. 2 BBauG vorhanden (st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 11.02.1993 - 2 S 696/91 - VBlBW 1993, 260). Wie auch nach dem früheren württembergischen Recht (hierzu: Senatsurteil vom 23.09.1993 - 2 S 3019/91 - juris) war im badischen Recht ein planabweichender Minderausbau grundsätzlich nicht zulässig.
40 
2. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, nicht entstanden. Bis zu dem jetzt vorgenommenen Ausbau fehlt es schon an einer Herstellung, die den Festsetzungen der jeweils geltenden einschlägigen Bebauungspläne entsprochen hat.
41 
Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes setzt die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Erschließungsanlage grundsätzlich voraus, dass sie in Einklang mit den Festsetzungen eines Bebauungsplans erfolgt. Hierbei handelt es sich um eine anlagenbezogene Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragsschuld. Weicht die Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage in relevanter Weise von dem an der Rechtssatzqualität teilnehmenden Inhalt eines Bebauungsplans ab, fehlt es daher an der erschließungsbeitragsrechtlich rechtmäßigen Herstellung als einer der anlagebezogenen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht (Reif in Gössl/Reif, KAG, § 41 Anm. 3.3.3.4 und 3.3.4.3). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Im Einzelnen:
42 
a) Nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bis zum 31.07.1979 ist das abgerechnete Teilstück der Kanzlerstraße offenkundig nicht planmäßig hergestellt worden. Bis zu der am 01.08.1979 in Kraft getretenen Novelle des Bundesbaugesetzes bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte; nach Satz 2 der Vorschrift hatte sich die Herstellung nach dessen Festsetzungen zu richten. Eine Regelung, nach der ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig war, existierte damals noch nicht. Daher bestand - ähnlich wie im zuvor geltenden badischen und württembergischen Recht - eine strikte Planbindung, die allenfalls nur ganz geringfügige Abweichungen erlaubte. Waren größere Abweichungen vorhanden, lag die nach § 125 Abs. 1 BBauG erforderliche Bindung an den Bebauungsplan demzufolge nicht vor.
43 
Der Bebauungsplan Nr. 425 vom 23.07.1965 sah bis zur Einmündung der Robert-Bauer-Straße eine vierspurige Straße mit einer Straßenbreite von max. 18,20 m vor; östlich dieser Einmündung war hingegen nur eine in eine Richtung befahrbare Fahrbahn ohne Begegnungsverkehr mit einer Breite der Fahrbahn von nur 7 m vorgesehen. Mit dem Bebauungsplan Nr. 521 vom 04.03.1978 plante die Beklagte sogar auch im weiteren Verlauf in Richtung Osten statt einer Einbahnstraße eine leistungsfähige vierspurige Straße mit einer Straßenbreite von max. 17,50 m. Diesen Planungen hat die damals vorhandene Straße nicht ansatzweise entsprochen. Wie bereits dargelegt, war die damals vorhandene Straße bei einer Breite der Fahrbahn von lediglich 5,50 m insgesamt nur 7,50 m breit. Ergänzend kann auf die hierzu ergangenen Ausführungen der Beklagten samt grafischer Aufbereitung sowohl im Widerspruchsbescheid als auch im Berufungsverfahren verwiesen werden, die die Klägerin nicht substantiiert angegriffen hat.
44 
b) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
45 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
46 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite vom 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a). Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus liegt im vorliegenden Fall eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der jeweiligen Planungen vor. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt das vorhandene Sträßchen ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in den Bebauungsplänen Nr. 425 vom 23.07.1965 und Nr. 521 vom 04.03.1978 vorgesehenen Straßen mit Straßenbreiten von bis zu 18,20 m bzw. 17,50 m dar.
47 
Hierbei handelt es sich jeweils nicht nur um einen untergeordneten Gesichtspunkt, sondern um einen wesentlichen Grundzug der Planung. Die Bewältigung der Verkehrsprobleme hat bei der Aufstellung beider Bebauungspläne eine erhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus deren Begründungen deutlich hervor. Nach der Begründung des Bebauungsplans Nr. 425 erfolgte die Aufstellung dieses Plans aus drei Gründen; als erster Grund wird unter a) ausdrücklich eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse genannt. Auch in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 521 spielen die Verkehrsverhältnisse bei den dargelegten Überlegungen eine dominante Rolle. Den in diesen Plänen zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzepten und der Bewältigung der als unbefriedigend empfundenen Verkehrssituation kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers jeweils eine zentrale Rolle zu. Bei den insoweit erfolgten Festsetzungen handelt es sich nach der aus den Begründungen der Bebauungspläne ersichtlichen Absicht des Plangebers daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung, sondern um zentrale Punkte, mit denen die Gesamtplanung geradezu „stehen oder fallen“ sollte, sodass die aufgezeigten erheblichen Abweichungen von diesen Festsetzungen jeweils die Grundzüge der Planung berühren.
48 
c) Selbst wenn man die Planbindung als solche außer Acht ließe, kommt in den von dem Gemeinderat der Beklagten beschlossenen Bebauungsplänen auch ein entsprechendes Bauprogramm zum Ausdruck, das vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 671 vom 10.05.2003 zu keiner Zeit erfüllt worden ist. Die Bebauungspläne Nr. 425 Nr. 521 vom 04.03.1978 sahen zumindest in Teilbereichen nicht nur Straßenbreiten von jeweils max. 18,20 m bzw. 17,50 m vor, sondern auch die Errichtung eines Gehwegs auf der Südseite der Straße. Die Erschließungsanlage hat daher auch dem in den Bebauungsplänen Nr. 425 und Nr. 521 zum Ausdruck kommenden Bauprogramm bezüglich der herzustellenden flächenmäßigen Teilanlagen und deren flächenmäßigem Umfang (insbesondere Fahrbahnbreite) nicht entsprochen.
49 
d) Demgegenüber haben das Verwaltungsgericht und die Beklagte insoweit zu Unrecht (auch) auf den fehlenden Grunderwerb abgestellt. Denn die „fehlenden“ und erst im Zuge des jetzt abgerechneten Ausbaus erworbenen Grundflächen betreffen - soweit ersichtlich - nur solche Flächen, die im Zuge des jetzt erfolgten Ausbaus zusätzlich erforderlich geworden sind, und nicht die Flächen, auf denen sich das bereits vorhandene Sträßchen befunden hatte. Wäre das tatsächlich vorhandene Sträßchen auch im Rechtssinne bereits vorhanden und plangemäß ausgebaut gewesen, hätte es daher jedenfalls nicht an dem Merkmal des Grunderwerbs gefehlt.
50 
3. Erst die - bezüglich der Straßenbreite deutlich reduzierten - Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 671 vom 10.05.2003 sind mit dem jetzt abgerechneten Ausbau ohne Abweichung von den Grundzügen der Planung verwirklicht worden. Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen bis heute (noch) nicht entstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insoweit nicht die bautechnische Fertigstellung der Anlage, sondern der Eingang der letzten Unternehmerrechnung maßgeblich. Diese liegt aber immer noch nicht vor. Hintergrund ist die Tatsache, dass seit 2009 - mittlerweile vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe - zwischen der Beklagten und einem Bauunternehmer ein Rechtsstreit anhängig ist und wegen der hieraus resultierenden Unsicherheit auch eine endgültige Abrechnung der Ingenieurleistungen noch nicht erfolgen konnte.
51 
Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
52 
An dieser Rechtsprechung wird auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten. Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
53 
4. Aus den Ausführungen unter 2. und 3. folgt zugleich, dass der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier noch nicht zu laufen begonnen hat. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen die tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht. Abgesehen davon dürfte im typischen Fall - wie auch hier - zwischen der tatsächlichen technischen Herstellung einer Anlage und dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung kein derart langer Zeitraum vergehen, der es gebieten könnte, seitens der Gemeinde auf die Beitragserhebung verzichten zu müssen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht hier deswegen hinausgezögert ist, weil die letzte Unternehmerrechnung wegen eines Zivilrechtsstreits noch nicht vorliegt, während der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Sachverhalt zugrunde lag, bei dem sich das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht allein deshalb verzögert hatte, weil die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Da hier kein vergleichbares Versäumnis vorliegt, das in die Sphäre der Gemeinde fällt, und die plangemäße bautechnische Herstellung der Erschließungsanlage im Jahr 2006 auch noch nicht solange zurückliegt wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Rechtsstreit, wäre für die hier gegebene Fallkonstellation jedenfalls im Ergebnis eine eventuelle verfassungsrechtlich gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten.
54 
5. Das Grundstück der Klägerin ist ferner sowohl im Sinne des § 39 Abs. 1 KAG als auch des § 40 KAG erschlossen.
55 
a) Ein die Beitragspflicht nach § 39 Abs. 1 KAG auslösender Vorteil besteht nur dann, wenn die Straße einem Grundstück die Bebaubarkeit vermittelt. Das Bebauungsrecht macht in allen seinen Vorschriften die Zulässigkeit der Ausführung baulicher Anlagen von der Sicherung u.a. der verkehrlichen Erschließung abhängig (§§ 30 ff. BauGB). Diese verkehrliche Erschließung erfordert im Grundsatz, dass ein Grundstück über eine öffentliche Straße für Kraftfahrzeuge u.a. der Polizei und des Rettungswesens sowie der Ver- und Entsorgung einschließlich privater Kraftwagen erreichbar ist, d.h. es verlangt eine Erreichbarkeit dergestalt, dass an ein Grundstück herangefahren werden kann. Anders verhält es sich jedoch, wenn das Bebauungsrecht ausnahmsweise weniger, nämlich eine Erreichbarkeit lediglich für Fußgänger (Zugang), genügen lässt. Wenn der Bebauungsplan ein nach seinen Festsetzungen lediglich zugängliches Grundstück als bebaubar ausweist, ist eine bloße Zugangsmöglichkeit ausreichend; ein solches Grundstück ist dann schon kraft dieser Zugänglichkeit bebaubar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.1992 - 4 NB 2.90 - NVwZ 1992, 974; Senatsurteil vom 22.10.2007 - 2 S 157/07 - DÖV 2008, 292; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 30 Rn. 46). Umgekehrt kann das Bauplanungsrecht wie z.B. im Falle einer gewerblichen Nutzung aber auch ein Mehr, nämlich eine Erreichbarkeit in Form der Möglichkeit, mit Kraftwagen auf das Grundstück herauffahren zu können, fordern. Der ein Erschlossensein begründende Erschließungsvorteil erfordert bei einem Mischgebietsgrundstück aber nicht, dass die Erschließungsanlage dem Grundstück eine Bebaubarkeit für alle nach § 6 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungsarten ermöglicht. Der Erschließungsvorteil, den das Grundstück durch die Erschließungsanlage erfährt, besteht vielmehr darin, dass es überhaupt bebaubar wird, dass auf ihm also irgendeine der nach § 6 Abs. 2 BauNVO rechtlich zulässigen baulichen Nutzungen mit Blick auf diese Erschließungsanlage nunmehr genehmigt werden müsste (BVerwG, Urteil vom 27.09.2006 - 9 C 4.05 - BVerwGE 126, 378; s. auch BVerwG, Urteil vom 01.09.2004 - BVerwG 9 C 15.03 - BVerwGE 121, 365 m.w.N.). Für die im Mischgebiet ebenfalls zulässige Wohnnutzung genügt aber grundsätzlich ein Heranfahrenkönnen (vgl. Senatsurteil vom 26.06.2012 - 2 S 3258/11 - BWGZ 2012, 684).
56 
Da hier unstreitig an das in einem Mischgebiet gelegene Grundstück der Klägerin herangefahren werden kann, sind die Voraussetzungen an dessen Erschließung im Sinne des § 39 KAG gegeben. Daher kann der Senat offenlassen, ob nicht sogar - ähnlich wie auf dem angrenzenden Grundstück des saftherstellenden Betriebs - ein teilweises Abtragen des Hangs und die Schaffung einer ebenerdigen Zufahrts- und Baumöglichkeit auf dem Straßenniveau mit zumutbarem Aufwand realisierbar wäre, obwohl dies mit erheblichen Eingriffen in die Geländebeschaffenheit und die von der Beklagten errichtete Stützmauer verbunden wäre.
57 
b) Auch eine Erschließung im Sinne des § 40 KAG liegt vor, obwohl das Grundstück der Klägerin von der Kanzlerstraße aus nur über eine von der Beklagten hergestellte Treppe, die in die Stützmauer integriert ist, fußläufig erreichbar ist. Nach § 40 KAG unterliegen der Beitragspflicht erschlossene Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, wenn und soweit sie baulich, gewerblich oder in einer vergleichbaren Weise genutzt werden dürfen. Ob ein erschlossenes Grundstück beitragspflichtig ist, ist damit abhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die zur Beitragspflicht führende Grundstücksnutzung gestatten (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 133 Abs. 1 BBauG/BauGB: BVerwG, Urteil vom 14.01.1983 - 8 C 81.81 - NVwZ 1983, 669; Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 45.91 - NVwZ 1993, 1208; s. auch Senatsurteil vom 26.06.2012, aaO).
58 
Nicht nur die bauplanungsrechtlichen (s. unter a), sondern auch die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens sind hier erfüllt. Nach § 4 Abs. 1 LBO dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder eine befahrbare öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; bei Wohnwegen kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen. Wenn man diese Grundsätze auf die vorliegende Situation überträgt, was sich aufdrängt, da der Zugang mittels der in die Stützmauer integrierten Treppe unter Sicherheits- und Brandschutzaspekten mit einem Wohnweg vergleichbar ist, genügt die Erreichbarkeit eines Baugrundstücks für Fußgänger, wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen. Ob Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere nach Größe, Art und Lage des Gebäudes und den Einsatzmöglichkeiten von Feuerwehr und Rettungsdienst. So kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn bei ein- oder zweigeschossigen Gebäuden ein Heranführen von Feuerwehrfahrzeugen unmittelbar an das Gebäude nicht erforderlich ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Länge des Wohnweges. Im Hinblick auf eine wirkungsvolle Gewährleistung der Feuerlösch- und Rettungsarbeiten dürfte diese Länge bei ca. 80 m liegen. Davon ausgehend bestehen hier keine Bedenken wegen des Brandschutzes. Bei dem eingenommenen Augenschein konnte sich der Senat davon überzeugen, dass die in die Stützmauer integrierte und gut ausgebaute Treppe problemlos für Fußgänger begehbar ist. Sie ermöglicht ohne Weiteres die erforderlichen Feuerlösch- und Rettungsarbeiten für ein maximal zweigeschossiges Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin in ausreichender Weise. Bei dieser Gebäudegröße ist ein unmittelbares Heranfahrenkönnen mit Lösch- oder Rettungsfahrzeugen an das Gebäude entbehrlich; es genügt, wenn - wie hier - die Entfernung zu einem möglichen Haltepunkt für ein Löschfahrzeug noch so bemessen ist, dass Löscharbeiten mit dem Schlauch möglich sind (vgl. zum Ganzen: Sauter, LBO für Bad.-Württ., § 4 Rn. 24).
II.
59 
Die gegen die Höhe der festgesetzten Vorauszahlung gerichteten Einwendungen der Klägerin sind nur zum Teil begründet. Ohne Erfolg wendet sie sich gegen die Festsetzung eines Artzuschlags für ihr Grundstück (1.) und die Berücksichtigung des Aufwands für die Herstellung der vor ihrem Grundstück befindlichen Stützmauer (2.). Zu Recht beanstandet sie jedoch, dass die Kosten des Kreisverkehrs teilweise in den Gesamtaufwand eingeflossen sind (3.) und die städtischen Grundstücke Flst.-Nrn. 7... (4.) und 2... (5.) bei der Oberverteilung nicht berücksichtigt worden sind. Da die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berechnung beim Erschließungsaufwand Berücksichtigung finden dürfen, führt dies im Ergebnis jedoch „nur“ zu einer Reduzierung des von der Beklagten festgesetzten Vorauszahlungsbetrags um 3.264,71 EUR (6.).
60 
1. Nach der Satzung der Beklagten (§ 11 Abs. 2 EBS) ist der Nutzungsfaktor u.a. für Grundstücke, die in einem Mischgebiet liegen, um 0,25 zu erhöhen. Die Klägerin meint, für ihr Grundstück dürfe kein solcher Artzuschlag festgesetzt werden, weil es nicht gewerblich genutzt werden könne. Dies trifft jedoch nicht zu.
61 
Der Verteilungsmaßstab hat nicht nur dem Maß der baulichen Nutzung, sondern auch der Art dieser Nutzung Rechnung zu tragen (vgl. § 38 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KAG). Dabei muss nicht für alle verschiedenen Nutzungsarten eine Regelung vorgesehen werden. Ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1998, BVerwGE 106, 147) ist vielmehr eine Unterscheidung nach gewerblicher/industrieller und anderer Nutzung, im Übrigen ist der Gemeinde Ermessen eröffnet. Der gebietsbezogene Artzuschlag ist regelmäßig bei beplanten Gewerbe- und Industriegebieten angezeigt. Für beplante Mischgebiete muss ein gebietsbezogener Artzuschlag nicht verlangt werden, er darf aber festgesetzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 04.04.2005 - 2 S 2441/04 - NVwZ-RR 2006, 420). Der grundstücksbezogene Artzuschlag war demgegenüber nach dem früher maßgeblichen bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht bei typisierender Betrachtungsweise eine nicht zwingend gebotene, aber zulässige Erweiterung der Verteilungsregelung. Der Wortlaut des § 131 BauGB war insoweit offen. § 131 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hat nur allgemein bestimmt, dass u.a. die Art der baulichen Nutzung beim Verteilungsmaßstab zu berücksichtigen ist, § 131 Abs. 3 BauGB hat diese Vorgabe dahingehend konkretisiert, dass in Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des BauGB erschlossen worden sind, der Maßstab so anzuwenden ist, dass der Verschiedenheit der Nutzungen Rechnung getragen wird.
62 
Demgegenüber sieht die nunmehr anwendbare landesrechtliche Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 3 KAG mit der Formulierung„Die Art der baulichen Nutzung ergibt sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans und, soweit diesbezügliche Festsetzungen nicht bestehen, aus der die Eigenart der näheren Umgebung prägenden Nutzung" ausdrücklich nur noch einen gebietsbezogenen und keinen grundstücksbezogenen, d. h. von der tatsächlichen Grundstücksnutzung bestimmten Artzuschlag vor (vgl. Reif in Gössl/Reif, KAG, § 38 Anm. 3.4.5.3 unter Berufung auf VG Freiburg, Beschluss vom 22.12.2010 - 6 K 2536/10 -). Die Anordnung eines grundstücksbezogenen Artzuschlags etwa für die faktische überwiegende gewerbliche Nutzung eines Grundstücks in einem allgemeinen Wohngebiet ist also nicht (mehr) möglich. Gerechtfertigt wird dieser Ausschluss des grundstücksbezogenen Artzuschlags damit, dass eine gewerbliche Nutzung in reinen Wohngebieten nur ausnahmsweise (§ 3 Abs. 3 BauNVO), in allgemeinen Wohngebieten nur beschränkt oder ausnahmsweise (§ 4 Abs. 2 und 3 BauNVO) zulässig und selbst in Mischgebieten (§ 6 BauNVO) jedenfalls nicht die Regel ist. Damit stellt der Landesgesetzgeber typisierend nur auf die zulässige und damit wahrscheinliche Nutzungsart und nicht auf die tatsächlich verwirklichte Nutzung ab. Der Verzicht auf den grundstücksbezogenen Artzuschlag liegt dabei im Interesse der Verwaltungspraktikabilität, denn es muss nicht für jedes einzelne Grundstück untersucht werden, wie es tatsächlich konkret genutzt wird. Zugleich werden auf eine damit verbundene Momentaufnahme zurückzuführende Zufallsergebnisse in der tatsächlichen Nutzung bei der Kostenverteilung vermieden (vgl. Reif, ebd.).
63 
Deshalb ist es folgerichtig, grundstücksbezogene Umstände des Einzelfalls bei der Festsetzung eines Artzuschlags grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Daher kann auch im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden, dass an das Grundstück der Klägerin lediglich herangefahren, nicht aber - jedenfalls ohne wesentliche bauliche Veränderungen - auf es heraufgefahren werden kann. Wollte man solche Grundstücke von der Erhebung eines Artzuschlags ausnehmen, müsste man in die grundstücksbezogene Einzelfallprüfung eintreten, die der Landesgesetzgeber gerade vermeiden wollte. Denn im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis hat er entschieden, dass für die Festsetzung eines Artzuschlags allein die planungsrechtliche Situation - und nicht die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Grundstücks - maßgeblich sein soll. Abgesehen davon steht auch nicht fest, dass das Grundstück der Klägerin selbst bei Beibehaltung der jetzigen Geländesituation (s.o. bereits unter I.5.a) für jegliche - auch nur geringfügige - gewerbliche und vergleichbare Nutzung faktisch von vornherein vollkommen ungeeignet ist.
64 
2. Die Beklagte hat zu Recht die Herstellungskosten für die Herstellung der auf der Südseite der Kanzlerstraße errichteten Stützmauer bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin würde die Beitragsfähigkeit der für die Errichtung der Stützmauer entstandenen Kosten im vorliegenden Fall weder dann scheitern, wenn die Stützmauer nicht im einschlägigen Bebauungsplan ausgewiesen wäre, noch dann, wenn sie auf einem Anliegergrundstück angelegt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.1989 - 8 C 86.87 - BVerwGE 82, 215; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 13 Rn. 56). Erforderlich ist allein, dass sie entweder eine höher gelegene Straße gegen angrenzende Grundstücke oder - wie hier - anliegende Grundstücke gegen eine tieferliegende Straße abstützt. Dies ist nach den gegebenen topografischen Gegebenheiten der Fall. Der vom Senat eingenommene Augenschein hat gezeigt, dass das Gelände nach Süden hin stark ansteigt und somit eine Verwirklichung des Straßenbauvorhabens den Bau einer Stützmauer erfordert hat. Abgesehen davon ist die Stützmauer samt Treppenaufgängen entgegen der Annahme der Klägerin im Bebauungsplan Nr. 671 festgesetzt und zumindest zum überwiegenden Teil auch auf dem Straßengrundstück errichtet worden. Eine genauere Überprüfung der Grundstücksgrenzverhältnisse war dem Senat bei dem durchgeführten Augenschein im Übrigen nicht möglich, da in dem fraglichen Bereich keine Abmarkungen vorhanden sind.
65 
3. Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht einen Teil der Kosten für die Herstellung der Kreisverkehrsanlage an der Einmündung zur Gesellstraße bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands berücksichtigt. Dieser Kreisverkehr ist weder Teil der hier abgerechneten Erschließungsanlage (a) noch können die Kosten für seine Herstellung in anderer Weise als Aufwand in die Abrechnung der Erschließungsanlage einbezogen werden (b).
66 
a) Für die Abgrenzung des Ermittlungsraums ist im Erschließungsbeitragsrecht grundsätzlich auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen. Soweit demgegenüber vertreten wird, Kreisverkehrsanlagen stellten nur eine besondere Form der Kreuzung dar und seien daher regelmäßig keine eigenständigen Verkehrsanlagen (so insbes. Reif in Gössl/Reif, KAG, § 33 Anm. 2.1.1 und § 35 Anm. 4.3.5), überzeugt dies nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb ausschließlich bei der Beurteilung von Kreisverkehrsanlagen bei der Abgrenzung des Ermittlungsraums die sonst maßgebliche natürliche Betrachtungsweise aufgegeben werden und stattdessen auf eine straßenrechtliche Betrachtungsweise zurückgegriffen werden sollte. Eine spezielle Regelung für Kreisverkehrsanlagen, die es gebieten könnte, von diesem Grundsatz abzuweichen, wird auch im Kommunalabgabengesetz des Landes Baden-Württemberg nicht getroffen (vgl. Driehaus, Erschließungsbeitragsrecht in BW, § 5 Rn. 12; Göppl, Leitfaden zum Erschließungsbeitragsrecht in BW, S. 46 ff.).
67 
Ob eine Kreisverkehrsanlage als selbständige Verkehrsanlage oder als Teil einer (anderen) Straße zu betrachten ist, richtet sich daher richtigerweise nach dem durch die tatsächlichen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt geprägten Erscheinungsbild (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1996 - 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12). Eine Kreisverkehrsanlage im Sinne des § 9a der Straßenverkehrsordnung - StVO - stellt hiernach nicht in jedem Fall eine eigenständige Verkehrsanlage dar. Vielmehr kommt es auf das tatsächliche Erscheinungsbild an. Danach dürfte im Regelfall eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel überfahren werden kann und die gegenüber der Kreisfahrbahn im Wesentlichen nur optisch markiert ist, im Allgemeinen nicht als Unterbrechung einer Straße wirken. Kann die Mittelinsel überfahren werden (vgl. Anl. 2 zur StVO, Zeichen 215 Nr. 2) und sind die Kreisfahrbahn sowie die Mittelinsel nur optisch markiert, spricht mehr gegen eine trennende Wirkung und gegen eine Eigenständigkeit des Verkehrskreisels. Demgegenüber wird eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel gärtnerisch oder künstlerisch gestaltet ist und nicht überfahren werden kann, eine so deutliche Zäsur im Straßenverlauf darstellen, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine eigenständige Verkehrsanlage darstellt. Ein Verkehrskreisel, in den mehrere Straßen einmünden und dessen Mittelinsel bautechnisch von der Kreisfahrbahn abgesetzt ist, erscheint im Allgemeinen als eigenständige Verkehrsanlage und als Unterbrechung einer einmündenden Straße (vgl. hierzu: OVG Rheinl.-Pf., Urteile vom 11.12.2012 - 6 A 10870/12 - KStZ 2013, 57 und vom 21.08.2007 - 6 A 10527/07 - KommJur 2008, 221; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 14 Rn. 53 ff.).
68 
Der hier von der Beklagten errichtete Kreisverkehr an der Einmündung der Gesellstraße stellt hiernach eine eigenständige Verkehrsanlage dar. Dieser sich schon nach den vorliegenden Plänen aufdrängende Eindruck hat sich bei dem von dem Senat eingenommenen Augenschein bestätigt. Es handelt sich um eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel gärtnerisch gestaltet ist und nicht überfahren werden kann. Sie wirkt daher wie eine selbständige Anlage und nicht wie ein bloßer Annex der Kanzler- oder der Gesellstraße. Der Kreisverkehr bewirkt eine so deutliche Zäsur im Straßenverlauf, dass er bei natürlicher Betrachtungsweise als eine eigenständige Verkehrsanlage - vergleichbar mit einem Platz - anzusehen ist. Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass von dem östlichen (hier abgerechneten) Teilstück der Kanzlerstraße aus die westlich des Kreisverkehrs verlaufende Fortführung der Kanzlerstraße - trotz der Kreisverkehrsanlage - eingesehen werden kann. Dies hat seine Ursache allein darin, dass beide Teilstücke nicht in Form einer (allein von dem Kreisverkehr unterbrochenen) Geraden verlaufen, sondern leicht zueinander versetzt sind. Der natürliche Eindruck, wonach die Kreisverkehrsanlage eine selbständige Anlage darstellt, wird hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt.
69 
Diese Auffassung hat im Übrigen die Beklagte im Verwaltungsverfahren zumindest sinngemäß selbst vertreten. In der Abrechnungsakte wird auf S. 4 ausdrücklich ausgeführt, dass der Kreisverkehr durch seine platzähnliche Aufweitung und die optische Unterbrechung der Sichtachse eine Zäsur zwischen dem östlichen und dem westlichen Teilstück der Kanzlerstraße bilde. Nur den sich hieraus ergebenden Schluss, dass der Kreisverkehr deshalb nicht nur die Kanzlerstraße in zwei selbständige Erschließungsanlagen trennt, sondern seinerseits ebenfalls als erschließungsbeitragsrechtlich selbständig anzusehen ist, hat sie nicht gezogen.
70 
b) Die (teilweisen) Kosten für die Herstellung des Kreisverkehrs dürfen auch nicht etwa deshalb berücksichtigt werden, weil es sich um Anschlusskosten i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG handeln würde. Danach gehören u.a. auch die Kosten für den Anschluss einer Straße an bestehende öffentliche Straßen durch Einmündungen oder Kreuzungen zu den beitragsfähigen Erschließungskosten. Denn aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht unterscheidet sich der Kreisverkehr maßgeblich von einer bloßen Kreuzung oder Einmündung (ausführl. hierzu: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 14 Rn. 59; VG Stuttgart, Urteil vom 07.09.2006 - 2 K 2059/04 -). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - bei natürlicher Betrachtungsweise um eine selbständige Verkehrsanlage handelt. Zwar wäre der Gesetzgeber wohl berechtigt, auch außerhalb der abzurechnenden Erschließungsanlage entstehende Kosten als zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand gehörend zu bestimmen. Hierzu bedürfte es jedoch einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, da der nach § 37 Abs. 1 KAG maßgebliche Ermittlungsraum grundsätzlich die einzelne Erschließungsanlage ist. An einer solchen Regelung fehlt es. Die in der Gesetzesbegründung vertretene Auffassung (LT-Drucks. 13/3977, S. 58), ein Kreisverkehr sei insoweit einer Kreuzung gleichzustellen, mag aus straßenrechtlicher Sicht zutreffen. Sie widerspricht in der geäußerten Allgemeinheit jedoch dem Grundsatz, dass im Erschließungsbeitragsrecht die Abgrenzung der Einzelanlagen anhand einer natürlichen Betrachtungsweise zu erfolgen hat, und hat auch im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden (vgl. Göppl, aaO, S. 51).
71 
4. Das städtische Grundstück Flst.-Nr. 7... hätte mit der im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 521 gelegenen Teilfläche nach § 9 Abs. 2 EBS mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 und unter Berücksichtigung einer Mehrfacherschließung bei der Oberverteilung berücksichtigt werden müssen. Denn nach § 9 Abs. 2 EBS wird auf Gemeinbedarfs- oder Grünflächengrundstücke in beplanten Gebieten, deren Grundstücksflächen aufgrund ihrer Zweckbestimmung nicht oder nur zu einem untergeordneten Teil mit Gebäuden überdeckt werden können (z.B. Friedhöfe, Sportplätze, Freibäder, Kleingartengelände), ein Nutzungsfaktor von 0,5 angewandt. Eine solche Grundstücksfläche i.S.v. § 9 Abs. 2 EBS, die nicht jeder baulichen, gewerblichen oder vergleichbaren Nutzung vollständig entzogen ist, liegt hier vor. Dies ergibt eine Auslegung des insoweit maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 521, der dort „Grünland“ festsetzt. Diese Festsetzung ist im besonderen Fall dieses Planes nicht so zu verstehen, dass jegliche bauliche (oder vergleichbare) Nutzung ausgeschlossen sein soll. Im Einzelnen:
72 
Da die Festsetzung als „Grünland“ als solche in § 9 Abs. 1 BBauG bzw. BauGB nicht vorgesehen ist, bedarf ihre Verwendung im Bebauungsplan Nr. 521 der Auslegung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist ersichtlich keine öffentliche Grünfläche gemeint, denn für die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche ist nach der Legende des Bebauungsplans ausdrücklich ein anderes Planzeichen vorgesehen („gepunktetes“ Grün, vgl. auch die PlanZVO 1965, Nr. 9).
73 
Anders als die Beklagte meint, wird für die Teilfläche dieses Grundstücks, die im Geltungsbereich des Bebauungsplan Nr. 521 liegt, aber auch keine landwirtschaftliche Fläche festgesetzt. Nach der Legende des Bebauungsplans ist für eine „Fläche für Land- und Forstwirtschaft“ ebenfalls keine monochrome grüne Markierung, sondern eine andere Kennzeichnung vorgesehen, nämlich eine hell-dunkelgrüne Schraffur. Dieses Planzeichen wird an anderer Stelle auch tatsächlich für den Bereich südlich der Kanzlerstraße und östlich des Mischgebiets verwendet und entspricht zudem der damals geltenden Fassung der Planzeichenverordnung (PlanZVO 1965, Nr. 12.3).
74 
Weiter belegen die tatsächlichen Grundstücksverhältnisse, dass der Normgeber die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nicht gewollt haben kann. Diese Festsetzung würde voraussetzen, dass Belange der erwerbsmäßig ausgeübten Landwirtschaft bewusst gefördert werden sollten. Dafür sind hier aber keine Anhaltspunkte vorhanden, zumal die hier betroffenen Bereiche schon wegen ihrer Lage ersichtlich nicht landwirtschaftlich sinnvoll nutzbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1972 - IV C 8.70 - BVerwGE 40, 258; OVG Saarl., Urteil vom 28.09.1993 - 2 R 50/92 - BauR 1994, 77). Auch eine erwerbsmäßige forstwirtschaftliche Nutzung ist in diesem Bereich nicht denkbar, obwohl sich dort Bäume und Sträucher befinden. Eine ökonomisch sinnvolle Nutzung dieses Bereichs durch einen Forstbetrieb ist kaum vorstellbar. Erst Recht gilt dies für andere Bereiche mit derselben Festsetzung. So ist es evident, dass der unmittelbare Uferbereich der Enz, der zudem zwischen der Fläche des Gewässers und Straßen-, Gewerbe- und Sportflächen eingezwängt ist, keiner „gewerbsmäßigen“ Land- oder Forstwirtschaft zugänglich ist.
75 
Ferner war dem Normgeber bei der Planung 1977/78 die auf dem gemeindeeigenen Grundstück Flst.-Nr. 7... schon seit den 1960er Jahren - und bis heute - ausgeübte kleingärtnerische Nutzung bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Nutzung eingeschränkt werden sollte und stattdessen eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung angestrebt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch nach Erlass des Bebauungsplans hat die Beklagte, die sowohl Grundstückseigentümerin als auch Baurechtsbehörde ist, keinerlei Versuch unternommen, auf zivil- oder baurechtlichem Wege eine kleingärtnerische Nutzung zu unterbinden und stattdessen eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung durchzusetzen. Im Gegenteil hat die Beklagte vor dem Eingang in die Kleingartenanlage sogar eine Parkfläche mit einer kleinen Stützmauer für die Pächter der Kleingärten errichtet (s. das dem Verhandlungsprotokoll beigefügte Lichtbild Nr. 5).
76 
Hiernach spricht alles dafür, dass der Satzungsgeber mit der Festsetzung „Grünland“ nicht bezweckt hat, die schon damals vorhandene geringfügige bauliche oder vergleichbare Nutzung zu unterbinden. Da ferner davon auszugehen ist, dass er eine baurechtlich zulässige Festsetzung wählen wollte, kann hiernach mit der Festsetzung als „Grünland“ nur eine besondere Form der privaten Grünfläche i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BBauG bzw. BauGB gemeint sein. Kennzeichnend für diese Festsetzung ist, dass es sich städtebaulich (noch) um eine im Wesentlichen begrünte Fläche handelt, auf der bauliche Anlagen jedoch nicht vollständig ausgeschlossen sind. Die Grenze für eine Festsetzung als private Grünfläche ist dabei erst dann überschritten, wenn sich aus den Festsetzungen für die zulässigen baulichen Anlagen das typische Bild eines Bau- oder eines Sondergebiets ergibt. Grundsätzlich ist auf einer derartigen Fläche aber eine kleingärtnerische Nutzung zulässig. Dazu gehört auch eine untergeordnete Bebauung, die einem Kleingarten dient. Dies rechtfertigt es, solche Flächen in die Oberverteilung einzubeziehen, da sie zumindest den baulich und gewerblich nutzbaren Flächen gleichgestellt und damit grundsätzlich beitragspflichtig sind (vgl. zum Ganzen: Ernst bzw. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 133 Rnrn. 4 ff. bzw. § 9 Rnrn. 124 ff.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 9 Rn. 82 ff.; Gern, NJW 1981, 1424).
77 
Dass dies hier im Übrigen auch in tatsächlicher Hinsicht sachgerecht ist, zeigt sich schon daran, dass die Beklagte - wie bereits ausgeführt - auf dem Grundstück eine private Parkfläche für die Kleingartenpächter errichtet hat. Dies belegt, dass eine nicht nur vollkommen untergeordnete Inanspruchnahme der Straße, die durch die Nutzung des Grundstücks verursacht wird, auch tatsächlich stattfindet.
78 
5. Auch das - ebenfalls gemeindeeigene - Grundstück Flst.-Nr. 2... hätte mit der gesamten im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 521 gelegenen Teilfläche mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 bei der Oberverteilung berücksichtigt werden müssen. Diese Teilfläche ist nämlich ebenfalls nicht jeder baulichen, gewerblichen oder vergleichbaren Nutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 EBS vollständig entzogen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 4. verwiesen werden.
79 
Dabei ist die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche zu berücksichtigen, selbst wenn aus topographischen Gründen ein kleiner Teil dieser Fläche faktisch nicht bebaubar sein sollte. Insoweit ist die Lage gleich zu beurteilen wie im Falle öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen. Für diese gilt aber, dass nicht lediglich die überbaubare Fläche als Baugrundstück anzusehen ist (ausführl.: Senatsurteil vom 26.10.2011 - 2 S 1294/11 - juris-Rn. 61 ff.). Grundsätzlich ist vielmehr die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG zu qualifizieren und dementsprechend in vollem Umfang bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nach einem Maßstab zu berücksichtigen, der - wie der hier in der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vorgesehene sog. Vollgeschossmaßstab - auch auf die Größe der erschlossenen Grundstücksfläche abstellt. Der Erschließungsbegriff in § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG kann nicht daran vorbeigehen, dass das Baurecht fast nie die volle Überbauung eines Grundstücks zulässt, sondern die Zulässigkeit einer Bebauung meist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraussetzt. Damit rechtfertigt sich die Erstreckung des Erschlossenseins grundsätzlich auf die gesamte Grundstücksfläche (vgl. zum Bundesrecht: Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, Rn. 5.4.3.3). Wie öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen bei Grundstücken in beplanten Gebieten führen deshalb auch faktische Einschränkungen der baulichen Nutzung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten grundsätzlich nicht dazu, dass im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG eine geringere erschlossene Grundstücksfläche der Aufwandsverteilung zugrunde gelegt werden muss.
80 
6. Da die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berechnung beim Erschließungsaufwand Berücksichtigung finden dürfen, führt dies im Ergebnis jedoch „nur“ zu einer Reduzierung des von der Beklagten festgesetzten Vorauszahlungsbetrags um 3.264,71 EUR. Zwar würde sich bei bloßem Herausrechnen der Kosten des Kreisverkehrs und der Einbeziehung von Teilflächen der Grundstücke Flst.-Nrn. 7... und 2... bei der Oberverteilung ein noch niedrigerer Beitrag ergeben. Weil bei der ursprünglichen Berechnung der Vorauszahlung jedoch die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße nicht berücksichtigt worden sind, obwohl es sich hierbei um erforderliche Kosten im Sinne des § 33 Satz 2 KAG handelt, sind diese Kosten im Rahmen der anzustellenden Vergleichsberechnung zu berücksichtigen.
81 
a) Bei der Anfechtung von Erschließungsbeitragsbescheiden sind die Verwaltungsgerichte zur Spruchreifmachung verpflichtet. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO müssen sie grundsätzlich selbst - ggf. mit Hilfestellung der beklagten Behörde - ermitteln und prüfen, ob ein Geldleistungsverwaltungsakt - u.U. mit anderer Begründung - ganz oder teilweise aufrecht erhalten bleiben kann (BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 - BVerwG 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200; Beschluss vom 04.09.2008 - BVerwG 9 B 2.08 - NVwZ 2009, 253). Dies gilt auch für Vorauszahlungsbescheide (BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 - 9 C 2.08 - BVerwGE 134, 139). Daraus folgt, dass ein Vorauszahlungsbescheid auch dann aufrecht zu erhalten ist, wenn bei seinem Erlass zwar die voraussichtlichen Kosten der endgültigen Herstellung fehlerhaft prognostiziert worden sind, der festgesetzte Betrag aber im Ergebnis auch auf der Grundlage einer fehlerfreien Prognose nicht zu beanstanden ist. Dies ist sinngemäß auch auf die Fälle übertragbar, in denen eine Prognose zwar auf falschen Annahmen beruht hat, die erhobene Vorauszahlung aber dennoch im Ergebnis der Höhe nach - wie hier - nur zu einem geringen Teil zu beanstanden ist. Dies ist auch im Ergebnis sachgerecht. Denn die Gemeinde wäre in solchen Fällen befugt, eine weitere Vorauszahlung fordern, solange die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist. Daher würde es auch aus der Sicht des Beitragspflichtigen keinen Sinn machen, einen Vorauszahlungsbescheid gerichtlich ganz oder teilweise aufzuheben, obwohl die Gemeinde nach einer auf aktuelle Annahmen gestützten Prognose sogleich einen weiteren Vorauszahlungsbescheid erlassen dürfte (ausführl.: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.11.2013 - 2 S 2471/12 - juris).
82 
b) Die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße stellt sich unter Beachtung der Einschätzungsprärogative der Gemeinde als erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG dar.
83 
Bei der Beurteilung dessen, was die Gemeinde im konkreten Fall für erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG hält, steht ihr eine Einschätzungsprärogative zu (so inhaltsgleich zum Bundesrecht: BVerwG, Urteile vom 24.11.1978 - IV C 18.76 - NJW 1979, 2220 und vom 08.08.1975 - IV C 74.73 - BayVBl 1976, 281). Die Gemeinde darf hierbei auch das Bedürfnis nach Leichtigkeit des Verkehrs in ihre Überlegungen einbeziehen. Das macht jedoch eine Entscheidung, ob das Maß des Erforderlichen überschritten ist, nicht entbehrlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass jede Erschließungsanlage nicht nur dem Nutzen der von ihr erschlossenen Grundstücke, sondern auch dem Wohl der Allgemeinheit diene; sie stehe damit nicht nur dem Anliegerverkehr, sondern auch dem üblichen Durchgangsverkehr zur Verfügung. Wenn eine Erschließungsanlage so gestaltet werde, dass sie auch den über den reinen Anliegerverkehr hinausgehenden innerörtlichen Verkehr aufnehmen könne, so werfe dies im Hinblick auf den Begriff der Erforderlichkeit in der Regel keine Probleme auf. Erreiche der überörtliche Durchgangsverkehr indes eine gewisse Stärke, so könne das in Frage stellen, ob die Straße in ihrer gegebenen Ausgestaltung, z.B. hinsichtlich der Anzahl der Fahrspuren, zur Erschließung der Bauflächen erforderlich sei (ebd.).
84 
Hier ist durch die Anlegung der Abbiegespur das für die Erschließung Erforderliche nicht überschritten. Sie dient ersichtlich nicht allein dem Durchgangsverkehr, sondern in erheblichem Maße auch den Belangen der Verkehrssicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs, die den Anliegern der Straße ebenfalls zugute kommen. Bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein hat sich deutlich gezeigt, dass insbesondere der durch die an die Kanzlerstraße angrenzenden gewerblich genutzten Grundstücke generierte Verkehr mit Lastkraftwagen durch haltende und auf die Parkflächen abbiegende Fahrzeuge erheblich behindert wäre, wenn es keine Abbiegespur zur Robert-Bauer-Straße gäbe. Erfordern die Verhältnisse auf einer Gemeindestraße mit Rücksicht auf den Abbiegeverkehr in eine einmündende andere Gemeindestraße im Interesse eines gefahrloseren und flüssigeren Verkehrsflusses die Anlegung einer Abbiegespur, sind deren Kosten der Straße zuzurechnen, auf der sie errichtet wird (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 33 Rn. 18). Damit stellt sich die Lage grundlegend anders dar als bei einem vierspurigen Ausbau, wie er früher im Falle der Kanzlerstraße geplant war. Denn zusätzliche Fahrspuren, die allein wegen des Durchgangsverkehrs angelegt werden, sind regelmäßig nicht zur Erschließung der Bauflächen erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG (Reif in Gössl/Reif, KAG, § 35 Anm. 5.4.1.2.1).
85 
Nach dem in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken hält es der Senat für sachgerecht, dass die Klägerin insgesamt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen hat, da die Beklagte bei einer Gesamtbetrachtung nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (vgl. Schulz in MK-ZPO, 4. Aufl., § 92 Rn. 19; Jaspersen/Wache in Beck-OK ZPO, § 92 Rn. 32).
86 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
87 
Beschluss vom 10. Juli 2014
88 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.623,09 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
89 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
34 
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Demgegenüber ist die Berufung der Beklagten zulässig und zu einem geringen Teil begründet. Der angefochtene Vorauszahlungsbescheid ist in der maßgeblichen Gestalt des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids (vgl. § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) zum überwiegenden Teil rechtmäßig und verletzt die Klägerin insoweit nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er ist lediglich insoweit aufzuheben, als darin eine Vorauszahlung von mehr als 44.358,38 EUR festgesetzt wird.
35 
Ihre gesetzliche Grundlage findet die angefochtene Erhebung von Vorauszahlungen in § 25 Abs. 2 KAG i.V.m § 14 Abs. 1 der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen (EBS) vom 13.10.2009. Danach können die Gemeinden Vorauszahlungen auf einen Erschließungsbeitrag bis zur Höhe des voraussichtlichen endgültigen Beitrags erheben, wenn mit der Herstellung der Erschließungsanlage begonnen worden und die endgültige Herstellung innerhalb von vier Jahren zu erwarten ist. Maßgeblich für den Lauf dieser Frist ist der Erlass des Widerspruchsbescheids.
36 
I. Die Erhebung einer Vorauszahlung ist dem Grunde nach zu Recht erfolgt.
37 
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei dem abrechneten Teilstück der Kanzlerstraße nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob sie bereits - wie die Klägerin vorträgt - seit mehr 70 Jahren ortsstraßenmäßig ausgebaut ist, also in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn das vor dem jetzt vorhandenen Ausbau vorhandene Sträßchen hat nicht den Planungen der Gemeinde entsprochen.
38 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -).
39 
Hier lagen Ortsbaupläne aus den Jahren 1900 oder 1904 und aus den dreißiger Jahren vor, die jedoch eine Straßenbreite von 12,00 m bzw. sogar 16,00 m festgesetzt haben. Die damals vorhandene Straße war jedoch bei einer Breite der Fahrbahn von lediglich 5,50 m insgesamt nur 7,50 m breit. Von einem plangemäßen Ausbau konnte demzufolge nicht die Rede sein. Es lag vielmehr ein deutlicher Minderausbau vor. War ein Ortsbauplan oder Bebauungsplan vorhanden, so war eine neue Ortsstraße erst mit ihrem plangemäßen Ausbau als Erschließungsanlage im Sinne des § 180 Abs. 2 BBauG vorhanden (st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 11.02.1993 - 2 S 696/91 - VBlBW 1993, 260). Wie auch nach dem früheren württembergischen Recht (hierzu: Senatsurteil vom 23.09.1993 - 2 S 3019/91 - juris) war im badischen Recht ein planabweichender Minderausbau grundsätzlich nicht zulässig.
40 
2. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, nicht entstanden. Bis zu dem jetzt vorgenommenen Ausbau fehlt es schon an einer Herstellung, die den Festsetzungen der jeweils geltenden einschlägigen Bebauungspläne entsprochen hat.
41 
Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes setzt die Rechtmäßigkeit der Herstellung einer Erschließungsanlage grundsätzlich voraus, dass sie in Einklang mit den Festsetzungen eines Bebauungsplans erfolgt. Hierbei handelt es sich um eine anlagenbezogene Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Erschließungsbeitragsschuld. Weicht die Herstellung einer beitragsfähigen Erschließungsanlage in relevanter Weise von dem an der Rechtssatzqualität teilnehmenden Inhalt eines Bebauungsplans ab, fehlt es daher an der erschließungsbeitragsrechtlich rechtmäßigen Herstellung als einer der anlagebezogenen Voraussetzungen für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht (Reif in Gössl/Reif, KAG, § 41 Anm. 3.3.3.4 und 3.3.4.3). So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Im Einzelnen:
42 
a) Nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bis zum 31.07.1979 ist das abgerechnete Teilstück der Kanzlerstraße offenkundig nicht planmäßig hergestellt worden. Bis zu der am 01.08.1979 in Kraft getretenen Novelle des Bundesbaugesetzes bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte; nach Satz 2 der Vorschrift hatte sich die Herstellung nach dessen Festsetzungen zu richten. Eine Regelung, nach der ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig war, existierte damals noch nicht. Daher bestand - ähnlich wie im zuvor geltenden badischen und württembergischen Recht - eine strikte Planbindung, die allenfalls nur ganz geringfügige Abweichungen erlaubte. Waren größere Abweichungen vorhanden, lag die nach § 125 Abs. 1 BBauG erforderliche Bindung an den Bebauungsplan demzufolge nicht vor.
43 
Der Bebauungsplan Nr. 425 vom 23.07.1965 sah bis zur Einmündung der Robert-Bauer-Straße eine vierspurige Straße mit einer Straßenbreite von max. 18,20 m vor; östlich dieser Einmündung war hingegen nur eine in eine Richtung befahrbare Fahrbahn ohne Begegnungsverkehr mit einer Breite der Fahrbahn von nur 7 m vorgesehen. Mit dem Bebauungsplan Nr. 521 vom 04.03.1978 plante die Beklagte sogar auch im weiteren Verlauf in Richtung Osten statt einer Einbahnstraße eine leistungsfähige vierspurige Straße mit einer Straßenbreite von max. 17,50 m. Diesen Planungen hat die damals vorhandene Straße nicht ansatzweise entsprochen. Wie bereits dargelegt, war die damals vorhandene Straße bei einer Breite der Fahrbahn von lediglich 5,50 m insgesamt nur 7,50 m breit. Ergänzend kann auf die hierzu ergangenen Ausführungen der Beklagten samt grafischer Aufbereitung sowohl im Widerspruchsbescheid als auch im Berufungsverfahren verwiesen werden, die die Klägerin nicht substantiiert angegriffen hat.
44 
b) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
45 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
46 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite vom 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a). Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus liegt im vorliegenden Fall eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der jeweiligen Planungen vor. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt das vorhandene Sträßchen ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in den Bebauungsplänen Nr. 425 vom 23.07.1965 und Nr. 521 vom 04.03.1978 vorgesehenen Straßen mit Straßenbreiten von bis zu 18,20 m bzw. 17,50 m dar.
47 
Hierbei handelt es sich jeweils nicht nur um einen untergeordneten Gesichtspunkt, sondern um einen wesentlichen Grundzug der Planung. Die Bewältigung der Verkehrsprobleme hat bei der Aufstellung beider Bebauungspläne eine erhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus deren Begründungen deutlich hervor. Nach der Begründung des Bebauungsplans Nr. 425 erfolgte die Aufstellung dieses Plans aus drei Gründen; als erster Grund wird unter a) ausdrücklich eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse genannt. Auch in der Begründung des Bebauungsplans Nr. 521 spielen die Verkehrsverhältnisse bei den dargelegten Überlegungen eine dominante Rolle. Den in diesen Plänen zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzepten und der Bewältigung der als unbefriedigend empfundenen Verkehrssituation kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers jeweils eine zentrale Rolle zu. Bei den insoweit erfolgten Festsetzungen handelt es sich nach der aus den Begründungen der Bebauungspläne ersichtlichen Absicht des Plangebers daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung, sondern um zentrale Punkte, mit denen die Gesamtplanung geradezu „stehen oder fallen“ sollte, sodass die aufgezeigten erheblichen Abweichungen von diesen Festsetzungen jeweils die Grundzüge der Planung berühren.
48 
c) Selbst wenn man die Planbindung als solche außer Acht ließe, kommt in den von dem Gemeinderat der Beklagten beschlossenen Bebauungsplänen auch ein entsprechendes Bauprogramm zum Ausdruck, das vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 671 vom 10.05.2003 zu keiner Zeit erfüllt worden ist. Die Bebauungspläne Nr. 425 Nr. 521 vom 04.03.1978 sahen zumindest in Teilbereichen nicht nur Straßenbreiten von jeweils max. 18,20 m bzw. 17,50 m vor, sondern auch die Errichtung eines Gehwegs auf der Südseite der Straße. Die Erschließungsanlage hat daher auch dem in den Bebauungsplänen Nr. 425 und Nr. 521 zum Ausdruck kommenden Bauprogramm bezüglich der herzustellenden flächenmäßigen Teilanlagen und deren flächenmäßigem Umfang (insbesondere Fahrbahnbreite) nicht entsprochen.
49 
d) Demgegenüber haben das Verwaltungsgericht und die Beklagte insoweit zu Unrecht (auch) auf den fehlenden Grunderwerb abgestellt. Denn die „fehlenden“ und erst im Zuge des jetzt abgerechneten Ausbaus erworbenen Grundflächen betreffen - soweit ersichtlich - nur solche Flächen, die im Zuge des jetzt erfolgten Ausbaus zusätzlich erforderlich geworden sind, und nicht die Flächen, auf denen sich das bereits vorhandene Sträßchen befunden hatte. Wäre das tatsächlich vorhandene Sträßchen auch im Rechtssinne bereits vorhanden und plangemäß ausgebaut gewesen, hätte es daher jedenfalls nicht an dem Merkmal des Grunderwerbs gefehlt.
50 
3. Erst die - bezüglich der Straßenbreite deutlich reduzierten - Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 671 vom 10.05.2003 sind mit dem jetzt abgerechneten Ausbau ohne Abweichung von den Grundzügen der Planung verwirklicht worden. Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen bis heute (noch) nicht entstanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist insoweit nicht die bautechnische Fertigstellung der Anlage, sondern der Eingang der letzten Unternehmerrechnung maßgeblich. Diese liegt aber immer noch nicht vor. Hintergrund ist die Tatsache, dass seit 2009 - mittlerweile vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe - zwischen der Beklagten und einem Bauunternehmer ein Rechtsstreit anhängig ist und wegen der hieraus resultierenden Unsicherheit auch eine endgültige Abrechnung der Ingenieurleistungen noch nicht erfolgen konnte.
51 
Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
52 
An dieser Rechtsprechung wird auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten. Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
53 
4. Aus den Ausführungen unter 2. und 3. folgt zugleich, dass der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier noch nicht zu laufen begonnen hat. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich nicht auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen die tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht. Abgesehen davon dürfte im typischen Fall - wie auch hier - zwischen der tatsächlichen technischen Herstellung einer Anlage und dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung kein derart langer Zeitraum vergehen, der es gebieten könnte, seitens der Gemeinde auf die Beitragserhebung verzichten zu müssen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht hier deswegen hinausgezögert ist, weil die letzte Unternehmerrechnung wegen eines Zivilrechtsstreits noch nicht vorliegt, während der o.a. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein Sachverhalt zugrunde lag, bei dem sich das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht allein deshalb verzögert hatte, weil die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Da hier kein vergleichbares Versäumnis vorliegt, das in die Sphäre der Gemeinde fällt, und die plangemäße bautechnische Herstellung der Erschließungsanlage im Jahr 2006 auch noch nicht solange zurückliegt wie in dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Rechtsstreit, wäre für die hier gegebene Fallkonstellation jedenfalls im Ergebnis eine eventuelle verfassungsrechtlich gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten.
54 
5. Das Grundstück der Klägerin ist ferner sowohl im Sinne des § 39 Abs. 1 KAG als auch des § 40 KAG erschlossen.
55 
a) Ein die Beitragspflicht nach § 39 Abs. 1 KAG auslösender Vorteil besteht nur dann, wenn die Straße einem Grundstück die Bebaubarkeit vermittelt. Das Bebauungsrecht macht in allen seinen Vorschriften die Zulässigkeit der Ausführung baulicher Anlagen von der Sicherung u.a. der verkehrlichen Erschließung abhängig (§§ 30 ff. BauGB). Diese verkehrliche Erschließung erfordert im Grundsatz, dass ein Grundstück über eine öffentliche Straße für Kraftfahrzeuge u.a. der Polizei und des Rettungswesens sowie der Ver- und Entsorgung einschließlich privater Kraftwagen erreichbar ist, d.h. es verlangt eine Erreichbarkeit dergestalt, dass an ein Grundstück herangefahren werden kann. Anders verhält es sich jedoch, wenn das Bebauungsrecht ausnahmsweise weniger, nämlich eine Erreichbarkeit lediglich für Fußgänger (Zugang), genügen lässt. Wenn der Bebauungsplan ein nach seinen Festsetzungen lediglich zugängliches Grundstück als bebaubar ausweist, ist eine bloße Zugangsmöglichkeit ausreichend; ein solches Grundstück ist dann schon kraft dieser Zugänglichkeit bebaubar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.01.1992 - 4 NB 2.90 - NVwZ 1992, 974; Senatsurteil vom 22.10.2007 - 2 S 157/07 - DÖV 2008, 292; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 30 Rn. 46). Umgekehrt kann das Bauplanungsrecht wie z.B. im Falle einer gewerblichen Nutzung aber auch ein Mehr, nämlich eine Erreichbarkeit in Form der Möglichkeit, mit Kraftwagen auf das Grundstück herauffahren zu können, fordern. Der ein Erschlossensein begründende Erschließungsvorteil erfordert bei einem Mischgebietsgrundstück aber nicht, dass die Erschließungsanlage dem Grundstück eine Bebaubarkeit für alle nach § 6 Abs. 2 BauNVO zulässigen Nutzungsarten ermöglicht. Der Erschließungsvorteil, den das Grundstück durch die Erschließungsanlage erfährt, besteht vielmehr darin, dass es überhaupt bebaubar wird, dass auf ihm also irgendeine der nach § 6 Abs. 2 BauNVO rechtlich zulässigen baulichen Nutzungen mit Blick auf diese Erschließungsanlage nunmehr genehmigt werden müsste (BVerwG, Urteil vom 27.09.2006 - 9 C 4.05 - BVerwGE 126, 378; s. auch BVerwG, Urteil vom 01.09.2004 - BVerwG 9 C 15.03 - BVerwGE 121, 365 m.w.N.). Für die im Mischgebiet ebenfalls zulässige Wohnnutzung genügt aber grundsätzlich ein Heranfahrenkönnen (vgl. Senatsurteil vom 26.06.2012 - 2 S 3258/11 - BWGZ 2012, 684).
56 
Da hier unstreitig an das in einem Mischgebiet gelegene Grundstück der Klägerin herangefahren werden kann, sind die Voraussetzungen an dessen Erschließung im Sinne des § 39 KAG gegeben. Daher kann der Senat offenlassen, ob nicht sogar - ähnlich wie auf dem angrenzenden Grundstück des saftherstellenden Betriebs - ein teilweises Abtragen des Hangs und die Schaffung einer ebenerdigen Zufahrts- und Baumöglichkeit auf dem Straßenniveau mit zumutbarem Aufwand realisierbar wäre, obwohl dies mit erheblichen Eingriffen in die Geländebeschaffenheit und die von der Beklagten errichtete Stützmauer verbunden wäre.
57 
b) Auch eine Erschließung im Sinne des § 40 KAG liegt vor, obwohl das Grundstück der Klägerin von der Kanzlerstraße aus nur über eine von der Beklagten hergestellte Treppe, die in die Stützmauer integriert ist, fußläufig erreichbar ist. Nach § 40 KAG unterliegen der Beitragspflicht erschlossene Grundstücke im Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, wenn und soweit sie baulich, gewerblich oder in einer vergleichbaren Weise genutzt werden dürfen. Ob ein erschlossenes Grundstück beitragspflichtig ist, ist damit abhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen das (bundesrechtliche) Bebauungsrecht und das (landesrechtliche) Bauordnungsrecht die zur Beitragspflicht führende Grundstücksnutzung gestatten (vgl. zu der entsprechenden Regelung in § 133 Abs. 1 BBauG/BauGB: BVerwG, Urteil vom 14.01.1983 - 8 C 81.81 - NVwZ 1983, 669; Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 45.91 - NVwZ 1993, 1208; s. auch Senatsurteil vom 26.06.2012, aaO).
58 
Nicht nur die bauplanungsrechtlichen (s. unter a), sondern auch die bauordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Bauvorhabens sind hier erfüllt. Nach § 4 Abs. 1 LBO dürfen Gebäude nur errichtet werden, wenn das Grundstück in angemessener Breite an einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche liegt oder eine befahrbare öffentlich-rechtlich gesicherte Zufahrt zu einer befahrbaren öffentlichen Verkehrsfläche hat; bei Wohnwegen kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen. Wenn man diese Grundsätze auf die vorliegende Situation überträgt, was sich aufdrängt, da der Zugang mittels der in die Stützmauer integrierten Treppe unter Sicherheits- und Brandschutzaspekten mit einem Wohnweg vergleichbar ist, genügt die Erreichbarkeit eines Baugrundstücks für Fußgänger, wenn keine Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen. Ob Bedenken wegen des Brandschutzes bestehen, richtet sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, insbesondere nach Größe, Art und Lage des Gebäudes und den Einsatzmöglichkeiten von Feuerwehr und Rettungsdienst. So kann auf die Befahrbarkeit verzichtet werden, wenn bei ein- oder zweigeschossigen Gebäuden ein Heranführen von Feuerwehrfahrzeugen unmittelbar an das Gebäude nicht erforderlich ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Länge des Wohnweges. Im Hinblick auf eine wirkungsvolle Gewährleistung der Feuerlösch- und Rettungsarbeiten dürfte diese Länge bei ca. 80 m liegen. Davon ausgehend bestehen hier keine Bedenken wegen des Brandschutzes. Bei dem eingenommenen Augenschein konnte sich der Senat davon überzeugen, dass die in die Stützmauer integrierte und gut ausgebaute Treppe problemlos für Fußgänger begehbar ist. Sie ermöglicht ohne Weiteres die erforderlichen Feuerlösch- und Rettungsarbeiten für ein maximal zweigeschossiges Gebäude auf dem Grundstück der Klägerin in ausreichender Weise. Bei dieser Gebäudegröße ist ein unmittelbares Heranfahrenkönnen mit Lösch- oder Rettungsfahrzeugen an das Gebäude entbehrlich; es genügt, wenn - wie hier - die Entfernung zu einem möglichen Haltepunkt für ein Löschfahrzeug noch so bemessen ist, dass Löscharbeiten mit dem Schlauch möglich sind (vgl. zum Ganzen: Sauter, LBO für Bad.-Württ., § 4 Rn. 24).
II.
59 
Die gegen die Höhe der festgesetzten Vorauszahlung gerichteten Einwendungen der Klägerin sind nur zum Teil begründet. Ohne Erfolg wendet sie sich gegen die Festsetzung eines Artzuschlags für ihr Grundstück (1.) und die Berücksichtigung des Aufwands für die Herstellung der vor ihrem Grundstück befindlichen Stützmauer (2.). Zu Recht beanstandet sie jedoch, dass die Kosten des Kreisverkehrs teilweise in den Gesamtaufwand eingeflossen sind (3.) und die städtischen Grundstücke Flst.-Nrn. 7... (4.) und 2... (5.) bei der Oberverteilung nicht berücksichtigt worden sind. Da die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berechnung beim Erschließungsaufwand Berücksichtigung finden dürfen, führt dies im Ergebnis jedoch „nur“ zu einer Reduzierung des von der Beklagten festgesetzten Vorauszahlungsbetrags um 3.264,71 EUR (6.).
60 
1. Nach der Satzung der Beklagten (§ 11 Abs. 2 EBS) ist der Nutzungsfaktor u.a. für Grundstücke, die in einem Mischgebiet liegen, um 0,25 zu erhöhen. Die Klägerin meint, für ihr Grundstück dürfe kein solcher Artzuschlag festgesetzt werden, weil es nicht gewerblich genutzt werden könne. Dies trifft jedoch nicht zu.
61 
Der Verteilungsmaßstab hat nicht nur dem Maß der baulichen Nutzung, sondern auch der Art dieser Nutzung Rechnung zu tragen (vgl. § 38 Abs. 3 Sätze 2 und 3 KAG). Dabei muss nicht für alle verschiedenen Nutzungsarten eine Regelung vorgesehen werden. Ausreichend (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.01.1998, BVerwGE 106, 147) ist vielmehr eine Unterscheidung nach gewerblicher/industrieller und anderer Nutzung, im Übrigen ist der Gemeinde Ermessen eröffnet. Der gebietsbezogene Artzuschlag ist regelmäßig bei beplanten Gewerbe- und Industriegebieten angezeigt. Für beplante Mischgebiete muss ein gebietsbezogener Artzuschlag nicht verlangt werden, er darf aber festgesetzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 04.04.2005 - 2 S 2441/04 - NVwZ-RR 2006, 420). Der grundstücksbezogene Artzuschlag war demgegenüber nach dem früher maßgeblichen bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht bei typisierender Betrachtungsweise eine nicht zwingend gebotene, aber zulässige Erweiterung der Verteilungsregelung. Der Wortlaut des § 131 BauGB war insoweit offen. § 131 Abs. 2 Nr. 1 BauGB hat nur allgemein bestimmt, dass u.a. die Art der baulichen Nutzung beim Verteilungsmaßstab zu berücksichtigen ist, § 131 Abs. 3 BauGB hat diese Vorgabe dahingehend konkretisiert, dass in Gebieten, die nach dem Inkrafttreten des BauGB erschlossen worden sind, der Maßstab so anzuwenden ist, dass der Verschiedenheit der Nutzungen Rechnung getragen wird.
62 
Demgegenüber sieht die nunmehr anwendbare landesrechtliche Regelung des § 38 Abs. 3 Satz 3 KAG mit der Formulierung„Die Art der baulichen Nutzung ergibt sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans und, soweit diesbezügliche Festsetzungen nicht bestehen, aus der die Eigenart der näheren Umgebung prägenden Nutzung" ausdrücklich nur noch einen gebietsbezogenen und keinen grundstücksbezogenen, d. h. von der tatsächlichen Grundstücksnutzung bestimmten Artzuschlag vor (vgl. Reif in Gössl/Reif, KAG, § 38 Anm. 3.4.5.3 unter Berufung auf VG Freiburg, Beschluss vom 22.12.2010 - 6 K 2536/10 -). Die Anordnung eines grundstücksbezogenen Artzuschlags etwa für die faktische überwiegende gewerbliche Nutzung eines Grundstücks in einem allgemeinen Wohngebiet ist also nicht (mehr) möglich. Gerechtfertigt wird dieser Ausschluss des grundstücksbezogenen Artzuschlags damit, dass eine gewerbliche Nutzung in reinen Wohngebieten nur ausnahmsweise (§ 3 Abs. 3 BauNVO), in allgemeinen Wohngebieten nur beschränkt oder ausnahmsweise (§ 4 Abs. 2 und 3 BauNVO) zulässig und selbst in Mischgebieten (§ 6 BauNVO) jedenfalls nicht die Regel ist. Damit stellt der Landesgesetzgeber typisierend nur auf die zulässige und damit wahrscheinliche Nutzungsart und nicht auf die tatsächlich verwirklichte Nutzung ab. Der Verzicht auf den grundstücksbezogenen Artzuschlag liegt dabei im Interesse der Verwaltungspraktikabilität, denn es muss nicht für jedes einzelne Grundstück untersucht werden, wie es tatsächlich konkret genutzt wird. Zugleich werden auf eine damit verbundene Momentaufnahme zurückzuführende Zufallsergebnisse in der tatsächlichen Nutzung bei der Kostenverteilung vermieden (vgl. Reif, ebd.).
63 
Deshalb ist es folgerichtig, grundstücksbezogene Umstände des Einzelfalls bei der Festsetzung eines Artzuschlags grundsätzlich außer Betracht zu lassen. Daher kann auch im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt werden, dass an das Grundstück der Klägerin lediglich herangefahren, nicht aber - jedenfalls ohne wesentliche bauliche Veränderungen - auf es heraufgefahren werden kann. Wollte man solche Grundstücke von der Erhebung eines Artzuschlags ausnehmen, müsste man in die grundstücksbezogene Einzelfallprüfung eintreten, die der Landesgesetzgeber gerade vermeiden wollte. Denn im Rahmen der ihm zustehenden Typisierungsbefugnis hat er entschieden, dass für die Festsetzung eines Artzuschlags allein die planungsrechtliche Situation - und nicht die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Grundstücks - maßgeblich sein soll. Abgesehen davon steht auch nicht fest, dass das Grundstück der Klägerin selbst bei Beibehaltung der jetzigen Geländesituation (s.o. bereits unter I.5.a) für jegliche - auch nur geringfügige - gewerbliche und vergleichbare Nutzung faktisch von vornherein vollkommen ungeeignet ist.
64 
2. Die Beklagte hat zu Recht die Herstellungskosten für die Herstellung der auf der Südseite der Kanzlerstraße errichteten Stützmauer bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands berücksichtigt. Entgegen der Ansicht der Klägerin würde die Beitragsfähigkeit der für die Errichtung der Stützmauer entstandenen Kosten im vorliegenden Fall weder dann scheitern, wenn die Stützmauer nicht im einschlägigen Bebauungsplan ausgewiesen wäre, noch dann, wenn sie auf einem Anliegergrundstück angelegt worden wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.1989 - 8 C 86.87 - BVerwGE 82, 215; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 13 Rn. 56). Erforderlich ist allein, dass sie entweder eine höher gelegene Straße gegen angrenzende Grundstücke oder - wie hier - anliegende Grundstücke gegen eine tieferliegende Straße abstützt. Dies ist nach den gegebenen topografischen Gegebenheiten der Fall. Der vom Senat eingenommene Augenschein hat gezeigt, dass das Gelände nach Süden hin stark ansteigt und somit eine Verwirklichung des Straßenbauvorhabens den Bau einer Stützmauer erfordert hat. Abgesehen davon ist die Stützmauer samt Treppenaufgängen entgegen der Annahme der Klägerin im Bebauungsplan Nr. 671 festgesetzt und zumindest zum überwiegenden Teil auch auf dem Straßengrundstück errichtet worden. Eine genauere Überprüfung der Grundstücksgrenzverhältnisse war dem Senat bei dem durchgeführten Augenschein im Übrigen nicht möglich, da in dem fraglichen Bereich keine Abmarkungen vorhanden sind.
65 
3. Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht einen Teil der Kosten für die Herstellung der Kreisverkehrsanlage an der Einmündung zur Gesellstraße bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands berücksichtigt. Dieser Kreisverkehr ist weder Teil der hier abgerechneten Erschließungsanlage (a) noch können die Kosten für seine Herstellung in anderer Weise als Aufwand in die Abrechnung der Erschließungsanlage einbezogen werden (b).
66 
a) Für die Abgrenzung des Ermittlungsraums ist im Erschließungsbeitragsrecht grundsätzlich auf eine natürliche Betrachtungsweise abzustellen. Soweit demgegenüber vertreten wird, Kreisverkehrsanlagen stellten nur eine besondere Form der Kreuzung dar und seien daher regelmäßig keine eigenständigen Verkehrsanlagen (so insbes. Reif in Gössl/Reif, KAG, § 33 Anm. 2.1.1 und § 35 Anm. 4.3.5), überzeugt dies nicht. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb ausschließlich bei der Beurteilung von Kreisverkehrsanlagen bei der Abgrenzung des Ermittlungsraums die sonst maßgebliche natürliche Betrachtungsweise aufgegeben werden und stattdessen auf eine straßenrechtliche Betrachtungsweise zurückgegriffen werden sollte. Eine spezielle Regelung für Kreisverkehrsanlagen, die es gebieten könnte, von diesem Grundsatz abzuweichen, wird auch im Kommunalabgabengesetz des Landes Baden-Württemberg nicht getroffen (vgl. Driehaus, Erschließungsbeitragsrecht in BW, § 5 Rn. 12; Göppl, Leitfaden zum Erschließungsbeitragsrecht in BW, S. 46 ff.).
67 
Ob eine Kreisverkehrsanlage als selbständige Verkehrsanlage oder als Teil einer (anderen) Straße zu betrachten ist, richtet sich daher richtigerweise nach dem durch die tatsächlichen Verhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt geprägten Erscheinungsbild (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.03.1996 - 8 C 17.94 - BVerwGE 101, 12). Eine Kreisverkehrsanlage im Sinne des § 9a der Straßenverkehrsordnung - StVO - stellt hiernach nicht in jedem Fall eine eigenständige Verkehrsanlage dar. Vielmehr kommt es auf das tatsächliche Erscheinungsbild an. Danach dürfte im Regelfall eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel überfahren werden kann und die gegenüber der Kreisfahrbahn im Wesentlichen nur optisch markiert ist, im Allgemeinen nicht als Unterbrechung einer Straße wirken. Kann die Mittelinsel überfahren werden (vgl. Anl. 2 zur StVO, Zeichen 215 Nr. 2) und sind die Kreisfahrbahn sowie die Mittelinsel nur optisch markiert, spricht mehr gegen eine trennende Wirkung und gegen eine Eigenständigkeit des Verkehrskreisels. Demgegenüber wird eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel gärtnerisch oder künstlerisch gestaltet ist und nicht überfahren werden kann, eine so deutliche Zäsur im Straßenverlauf darstellen, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine eigenständige Verkehrsanlage darstellt. Ein Verkehrskreisel, in den mehrere Straßen einmünden und dessen Mittelinsel bautechnisch von der Kreisfahrbahn abgesetzt ist, erscheint im Allgemeinen als eigenständige Verkehrsanlage und als Unterbrechung einer einmündenden Straße (vgl. hierzu: OVG Rheinl.-Pf., Urteile vom 11.12.2012 - 6 A 10870/12 - KStZ 2013, 57 und vom 21.08.2007 - 6 A 10527/07 - KommJur 2008, 221; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 14 Rn. 53 ff.).
68 
Der hier von der Beklagten errichtete Kreisverkehr an der Einmündung der Gesellstraße stellt hiernach eine eigenständige Verkehrsanlage dar. Dieser sich schon nach den vorliegenden Plänen aufdrängende Eindruck hat sich bei dem von dem Senat eingenommenen Augenschein bestätigt. Es handelt sich um eine Kreisverkehrsanlage, deren Mittelinsel gärtnerisch gestaltet ist und nicht überfahren werden kann. Sie wirkt daher wie eine selbständige Anlage und nicht wie ein bloßer Annex der Kanzler- oder der Gesellstraße. Der Kreisverkehr bewirkt eine so deutliche Zäsur im Straßenverlauf, dass er bei natürlicher Betrachtungsweise als eine eigenständige Verkehrsanlage - vergleichbar mit einem Platz - anzusehen ist. Dies wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass von dem östlichen (hier abgerechneten) Teilstück der Kanzlerstraße aus die westlich des Kreisverkehrs verlaufende Fortführung der Kanzlerstraße - trotz der Kreisverkehrsanlage - eingesehen werden kann. Dies hat seine Ursache allein darin, dass beide Teilstücke nicht in Form einer (allein von dem Kreisverkehr unterbrochenen) Geraden verlaufen, sondern leicht zueinander versetzt sind. Der natürliche Eindruck, wonach die Kreisverkehrsanlage eine selbständige Anlage darstellt, wird hierdurch jedoch nicht beeinträchtigt.
69 
Diese Auffassung hat im Übrigen die Beklagte im Verwaltungsverfahren zumindest sinngemäß selbst vertreten. In der Abrechnungsakte wird auf S. 4 ausdrücklich ausgeführt, dass der Kreisverkehr durch seine platzähnliche Aufweitung und die optische Unterbrechung der Sichtachse eine Zäsur zwischen dem östlichen und dem westlichen Teilstück der Kanzlerstraße bilde. Nur den sich hieraus ergebenden Schluss, dass der Kreisverkehr deshalb nicht nur die Kanzlerstraße in zwei selbständige Erschließungsanlagen trennt, sondern seinerseits ebenfalls als erschließungsbeitragsrechtlich selbständig anzusehen ist, hat sie nicht gezogen.
70 
b) Die (teilweisen) Kosten für die Herstellung des Kreisverkehrs dürfen auch nicht etwa deshalb berücksichtigt werden, weil es sich um Anschlusskosten i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 2 KAG handeln würde. Danach gehören u.a. auch die Kosten für den Anschluss einer Straße an bestehende öffentliche Straßen durch Einmündungen oder Kreuzungen zu den beitragsfähigen Erschließungskosten. Denn aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht unterscheidet sich der Kreisverkehr maßgeblich von einer bloßen Kreuzung oder Einmündung (ausführl. hierzu: Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 14 Rn. 59; VG Stuttgart, Urteil vom 07.09.2006 - 2 K 2059/04 -). Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich - wie hier - bei natürlicher Betrachtungsweise um eine selbständige Verkehrsanlage handelt. Zwar wäre der Gesetzgeber wohl berechtigt, auch außerhalb der abzurechnenden Erschließungsanlage entstehende Kosten als zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand gehörend zu bestimmen. Hierzu bedürfte es jedoch einer eindeutigen gesetzlichen Regelung, da der nach § 37 Abs. 1 KAG maßgebliche Ermittlungsraum grundsätzlich die einzelne Erschließungsanlage ist. An einer solchen Regelung fehlt es. Die in der Gesetzesbegründung vertretene Auffassung (LT-Drucks. 13/3977, S. 58), ein Kreisverkehr sei insoweit einer Kreuzung gleichzustellen, mag aus straßenrechtlicher Sicht zutreffen. Sie widerspricht in der geäußerten Allgemeinheit jedoch dem Grundsatz, dass im Erschließungsbeitragsrecht die Abgrenzung der Einzelanlagen anhand einer natürlichen Betrachtungsweise zu erfolgen hat, und hat auch im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden (vgl. Göppl, aaO, S. 51).
71 
4. Das städtische Grundstück Flst.-Nr. 7... hätte mit der im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 521 gelegenen Teilfläche nach § 9 Abs. 2 EBS mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 und unter Berücksichtigung einer Mehrfacherschließung bei der Oberverteilung berücksichtigt werden müssen. Denn nach § 9 Abs. 2 EBS wird auf Gemeinbedarfs- oder Grünflächengrundstücke in beplanten Gebieten, deren Grundstücksflächen aufgrund ihrer Zweckbestimmung nicht oder nur zu einem untergeordneten Teil mit Gebäuden überdeckt werden können (z.B. Friedhöfe, Sportplätze, Freibäder, Kleingartengelände), ein Nutzungsfaktor von 0,5 angewandt. Eine solche Grundstücksfläche i.S.v. § 9 Abs. 2 EBS, die nicht jeder baulichen, gewerblichen oder vergleichbaren Nutzung vollständig entzogen ist, liegt hier vor. Dies ergibt eine Auslegung des insoweit maßgeblichen Bebauungsplans Nr. 521, der dort „Grünland“ festsetzt. Diese Festsetzung ist im besonderen Fall dieses Planes nicht so zu verstehen, dass jegliche bauliche (oder vergleichbare) Nutzung ausgeschlossen sein soll. Im Einzelnen:
72 
Da die Festsetzung als „Grünland“ als solche in § 9 Abs. 1 BBauG bzw. BauGB nicht vorgesehen ist, bedarf ihre Verwendung im Bebauungsplan Nr. 521 der Auslegung. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist ersichtlich keine öffentliche Grünfläche gemeint, denn für die Festsetzung einer öffentlichen Grünfläche ist nach der Legende des Bebauungsplans ausdrücklich ein anderes Planzeichen vorgesehen („gepunktetes“ Grün, vgl. auch die PlanZVO 1965, Nr. 9).
73 
Anders als die Beklagte meint, wird für die Teilfläche dieses Grundstücks, die im Geltungsbereich des Bebauungsplan Nr. 521 liegt, aber auch keine landwirtschaftliche Fläche festgesetzt. Nach der Legende des Bebauungsplans ist für eine „Fläche für Land- und Forstwirtschaft“ ebenfalls keine monochrome grüne Markierung, sondern eine andere Kennzeichnung vorgesehen, nämlich eine hell-dunkelgrüne Schraffur. Dieses Planzeichen wird an anderer Stelle auch tatsächlich für den Bereich südlich der Kanzlerstraße und östlich des Mischgebiets verwendet und entspricht zudem der damals geltenden Fassung der Planzeichenverordnung (PlanZVO 1965, Nr. 12.3).
74 
Weiter belegen die tatsächlichen Grundstücksverhältnisse, dass der Normgeber die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft nicht gewollt haben kann. Diese Festsetzung würde voraussetzen, dass Belange der erwerbsmäßig ausgeübten Landwirtschaft bewusst gefördert werden sollten. Dafür sind hier aber keine Anhaltspunkte vorhanden, zumal die hier betroffenen Bereiche schon wegen ihrer Lage ersichtlich nicht landwirtschaftlich sinnvoll nutzbar sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1972 - IV C 8.70 - BVerwGE 40, 258; OVG Saarl., Urteil vom 28.09.1993 - 2 R 50/92 - BauR 1994, 77). Auch eine erwerbsmäßige forstwirtschaftliche Nutzung ist in diesem Bereich nicht denkbar, obwohl sich dort Bäume und Sträucher befinden. Eine ökonomisch sinnvolle Nutzung dieses Bereichs durch einen Forstbetrieb ist kaum vorstellbar. Erst Recht gilt dies für andere Bereiche mit derselben Festsetzung. So ist es evident, dass der unmittelbare Uferbereich der Enz, der zudem zwischen der Fläche des Gewässers und Straßen-, Gewerbe- und Sportflächen eingezwängt ist, keiner „gewerbsmäßigen“ Land- oder Forstwirtschaft zugänglich ist.
75 
Ferner war dem Normgeber bei der Planung 1977/78 die auf dem gemeindeeigenen Grundstück Flst.-Nr. 7... schon seit den 1960er Jahren - und bis heute - ausgeübte kleingärtnerische Nutzung bekannt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Nutzung eingeschränkt werden sollte und stattdessen eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung angestrebt worden sein könnte, sind nicht ersichtlich. Auch nach Erlass des Bebauungsplans hat die Beklagte, die sowohl Grundstückseigentümerin als auch Baurechtsbehörde ist, keinerlei Versuch unternommen, auf zivil- oder baurechtlichem Wege eine kleingärtnerische Nutzung zu unterbinden und stattdessen eine land- oder forstwirtschaftliche Nutzung durchzusetzen. Im Gegenteil hat die Beklagte vor dem Eingang in die Kleingartenanlage sogar eine Parkfläche mit einer kleinen Stützmauer für die Pächter der Kleingärten errichtet (s. das dem Verhandlungsprotokoll beigefügte Lichtbild Nr. 5).
76 
Hiernach spricht alles dafür, dass der Satzungsgeber mit der Festsetzung „Grünland“ nicht bezweckt hat, die schon damals vorhandene geringfügige bauliche oder vergleichbare Nutzung zu unterbinden. Da ferner davon auszugehen ist, dass er eine baurechtlich zulässige Festsetzung wählen wollte, kann hiernach mit der Festsetzung als „Grünland“ nur eine besondere Form der privaten Grünfläche i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 15 BBauG bzw. BauGB gemeint sein. Kennzeichnend für diese Festsetzung ist, dass es sich städtebaulich (noch) um eine im Wesentlichen begrünte Fläche handelt, auf der bauliche Anlagen jedoch nicht vollständig ausgeschlossen sind. Die Grenze für eine Festsetzung als private Grünfläche ist dabei erst dann überschritten, wenn sich aus den Festsetzungen für die zulässigen baulichen Anlagen das typische Bild eines Bau- oder eines Sondergebiets ergibt. Grundsätzlich ist auf einer derartigen Fläche aber eine kleingärtnerische Nutzung zulässig. Dazu gehört auch eine untergeordnete Bebauung, die einem Kleingarten dient. Dies rechtfertigt es, solche Flächen in die Oberverteilung einzubeziehen, da sie zumindest den baulich und gewerblich nutzbaren Flächen gleichgestellt und damit grundsätzlich beitragspflichtig sind (vgl. zum Ganzen: Ernst bzw. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 133 Rnrn. 4 ff. bzw. § 9 Rnrn. 124 ff.; Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl., § 9 Rn. 82 ff.; Gern, NJW 1981, 1424).
77 
Dass dies hier im Übrigen auch in tatsächlicher Hinsicht sachgerecht ist, zeigt sich schon daran, dass die Beklagte - wie bereits ausgeführt - auf dem Grundstück eine private Parkfläche für die Kleingartenpächter errichtet hat. Dies belegt, dass eine nicht nur vollkommen untergeordnete Inanspruchnahme der Straße, die durch die Nutzung des Grundstücks verursacht wird, auch tatsächlich stattfindet.
78 
5. Auch das - ebenfalls gemeindeeigene - Grundstück Flst.-Nr. 2... hätte mit der gesamten im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 521 gelegenen Teilfläche mit einem Nutzungsfaktor von 0,5 bei der Oberverteilung berücksichtigt werden müssen. Diese Teilfläche ist nämlich ebenfalls nicht jeder baulichen, gewerblichen oder vergleichbaren Nutzung im Sinne des § 9 Abs. 2 EBS vollständig entzogen. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 4. verwiesen werden.
79 
Dabei ist die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche zu berücksichtigen, selbst wenn aus topographischen Gründen ein kleiner Teil dieser Fläche faktisch nicht bebaubar sein sollte. Insoweit ist die Lage gleich zu beurteilen wie im Falle öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen. Für diese gilt aber, dass nicht lediglich die überbaubare Fläche als Baugrundstück anzusehen ist (ausführl.: Senatsurteil vom 26.10.2011 - 2 S 1294/11 - juris-Rn. 61 ff.). Grundsätzlich ist vielmehr die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG zu qualifizieren und dementsprechend in vollem Umfang bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nach einem Maßstab zu berücksichtigen, der - wie der hier in der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vorgesehene sog. Vollgeschossmaßstab - auch auf die Größe der erschlossenen Grundstücksfläche abstellt. Der Erschließungsbegriff in § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG kann nicht daran vorbeigehen, dass das Baurecht fast nie die volle Überbauung eines Grundstücks zulässt, sondern die Zulässigkeit einer Bebauung meist die Freihaltung erheblicher Grundstücksteile voraussetzt. Damit rechtfertigt sich die Erstreckung des Erschlossenseins grundsätzlich auf die gesamte Grundstücksfläche (vgl. zum Bundesrecht: Reif, Arbeitsmappe Erschließungsbeitragsrecht nach dem BauGB, Rn. 5.4.3.3). Wie öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen bei Grundstücken in beplanten Gebieten führen deshalb auch faktische Einschränkungen der baulichen Nutzung aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten grundsätzlich nicht dazu, dass im Rahmen des § 39 Abs. 1 Satz 1 KAG eine geringere erschlossene Grundstücksfläche der Aufwandsverteilung zugrunde gelegt werden muss.
80 
6. Da die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Berechnung beim Erschließungsaufwand Berücksichtigung finden dürfen, führt dies im Ergebnis jedoch „nur“ zu einer Reduzierung des von der Beklagten festgesetzten Vorauszahlungsbetrags um 3.264,71 EUR. Zwar würde sich bei bloßem Herausrechnen der Kosten des Kreisverkehrs und der Einbeziehung von Teilflächen der Grundstücke Flst.-Nrn. 7... und 2... bei der Oberverteilung ein noch niedrigerer Beitrag ergeben. Weil bei der ursprünglichen Berechnung der Vorauszahlung jedoch die Kosten für die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße nicht berücksichtigt worden sind, obwohl es sich hierbei um erforderliche Kosten im Sinne des § 33 Satz 2 KAG handelt, sind diese Kosten im Rahmen der anzustellenden Vergleichsberechnung zu berücksichtigen.
81 
a) Bei der Anfechtung von Erschließungsbeitragsbescheiden sind die Verwaltungsgerichte zur Spruchreifmachung verpflichtet. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO müssen sie grundsätzlich selbst - ggf. mit Hilfestellung der beklagten Behörde - ermitteln und prüfen, ob ein Geldleistungsverwaltungsakt - u.U. mit anderer Begründung - ganz oder teilweise aufrecht erhalten bleiben kann (BVerwG, Urteil vom 18.11.2002 - BVerwG 9 C 2.02 - BVerwGE 117, 200; Beschluss vom 04.09.2008 - BVerwG 9 B 2.08 - NVwZ 2009, 253). Dies gilt auch für Vorauszahlungsbescheide (BVerwG, Urteil vom 10.06.2009 - 9 C 2.08 - BVerwGE 134, 139). Daraus folgt, dass ein Vorauszahlungsbescheid auch dann aufrecht zu erhalten ist, wenn bei seinem Erlass zwar die voraussichtlichen Kosten der endgültigen Herstellung fehlerhaft prognostiziert worden sind, der festgesetzte Betrag aber im Ergebnis auch auf der Grundlage einer fehlerfreien Prognose nicht zu beanstanden ist. Dies ist sinngemäß auch auf die Fälle übertragbar, in denen eine Prognose zwar auf falschen Annahmen beruht hat, die erhobene Vorauszahlung aber dennoch im Ergebnis der Höhe nach - wie hier - nur zu einem geringen Teil zu beanstanden ist. Dies ist auch im Ergebnis sachgerecht. Denn die Gemeinde wäre in solchen Fällen befugt, eine weitere Vorauszahlung fordern, solange die sachliche Beitragspflicht noch nicht entstanden ist. Daher würde es auch aus der Sicht des Beitragspflichtigen keinen Sinn machen, einen Vorauszahlungsbescheid gerichtlich ganz oder teilweise aufzuheben, obwohl die Gemeinde nach einer auf aktuelle Annahmen gestützten Prognose sogleich einen weiteren Vorauszahlungsbescheid erlassen dürfte (ausführl.: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.11.2013 - 2 S 2471/12 - juris).
82 
b) Die Anlegung einer Abbiegespur in die Robert-Bauer-Straße stellt sich unter Beachtung der Einschätzungsprärogative der Gemeinde als erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG dar.
83 
Bei der Beurteilung dessen, was die Gemeinde im konkreten Fall für erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG hält, steht ihr eine Einschätzungsprärogative zu (so inhaltsgleich zum Bundesrecht: BVerwG, Urteile vom 24.11.1978 - IV C 18.76 - NJW 1979, 2220 und vom 08.08.1975 - IV C 74.73 - BayVBl 1976, 281). Die Gemeinde darf hierbei auch das Bedürfnis nach Leichtigkeit des Verkehrs in ihre Überlegungen einbeziehen. Das macht jedoch eine Entscheidung, ob das Maß des Erforderlichen überschritten ist, nicht entbehrlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass jede Erschließungsanlage nicht nur dem Nutzen der von ihr erschlossenen Grundstücke, sondern auch dem Wohl der Allgemeinheit diene; sie stehe damit nicht nur dem Anliegerverkehr, sondern auch dem üblichen Durchgangsverkehr zur Verfügung. Wenn eine Erschließungsanlage so gestaltet werde, dass sie auch den über den reinen Anliegerverkehr hinausgehenden innerörtlichen Verkehr aufnehmen könne, so werfe dies im Hinblick auf den Begriff der Erforderlichkeit in der Regel keine Probleme auf. Erreiche der überörtliche Durchgangsverkehr indes eine gewisse Stärke, so könne das in Frage stellen, ob die Straße in ihrer gegebenen Ausgestaltung, z.B. hinsichtlich der Anzahl der Fahrspuren, zur Erschließung der Bauflächen erforderlich sei (ebd.).
84 
Hier ist durch die Anlegung der Abbiegespur das für die Erschließung Erforderliche nicht überschritten. Sie dient ersichtlich nicht allein dem Durchgangsverkehr, sondern in erheblichem Maße auch den Belangen der Verkehrssicherheit und der Leichtigkeit des Verkehrs, die den Anliegern der Straße ebenfalls zugute kommen. Bei dem vom Senat eingenommenen Augenschein hat sich deutlich gezeigt, dass insbesondere der durch die an die Kanzlerstraße angrenzenden gewerblich genutzten Grundstücke generierte Verkehr mit Lastkraftwagen durch haltende und auf die Parkflächen abbiegende Fahrzeuge erheblich behindert wäre, wenn es keine Abbiegespur zur Robert-Bauer-Straße gäbe. Erfordern die Verhältnisse auf einer Gemeindestraße mit Rücksicht auf den Abbiegeverkehr in eine einmündende andere Gemeindestraße im Interesse eines gefahrloseren und flüssigeren Verkehrsflusses die Anlegung einer Abbiegespur, sind deren Kosten der Straße zuzurechnen, auf der sie errichtet wird (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 33 Rn. 18). Damit stellt sich die Lage grundlegend anders dar als bei einem vierspurigen Ausbau, wie er früher im Falle der Kanzlerstraße geplant war. Denn zusätzliche Fahrspuren, die allein wegen des Durchgangsverkehrs angelegt werden, sind regelmäßig nicht zur Erschließung der Bauflächen erforderlich im Sinne des § 33 Satz 2 KAG (Reif in Gössl/Reif, KAG, § 35 Anm. 5.4.1.2.1).
85 
Nach dem in § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken hält es der Senat für sachgerecht, dass die Klägerin insgesamt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen hat, da die Beklagte bei einer Gesamtbetrachtung nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (vgl. Schulz in MK-ZPO, 4. Aufl., § 92 Rn. 19; Jaspersen/Wache in Beck-OK ZPO, § 92 Rn. 32).
86 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
87 
Beschluss vom 10. Juli 2014
88 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 47.623,09 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
89 
Der Beschluss ist unanfechtbar.


Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 6. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 989,21 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die von ihm dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein Gegenstand der Überprüfung durch den Senat sind, führen nicht zu einer von dem angefochtenen Beschluss abweichenden Interessenabwägung. Dem Verwaltungsgericht ist vielmehr darin zuzustimmen, dass an der Rechtmäßigkeit der Heranziehung des Antragstellers zu einem wiederkehrenden Beitrag durch Bescheid vom 6. Juni 2011 keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen.

2

Insbesondere hält der Senat an seiner bereits in den Urteilen vom 20. November 2007 (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) und vom 10. Juni 2008 (6 C 10255/08, AS 36, 195, KStZ 2009, 37, ESOVGRP, juris) ausführlich begründeten Auffassung fest, dass die in § 10a KAG getroffene Neuregelung zur Erhebung wiederkehrender Beiträge für den Ausbau von Verkehrsanlagen verfassungsgemäß ist. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Verwaltungsgerichts Koblenz an das Bundeverfassungsgericht vom 1. August 2011 - 4 K 1392/10.KO -, soweit dessen Begründung vom Antragsteller im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Bezug genommen worden ist.

3

So bleibt trotz der in § 10a KAG zur Erhebung wiederkehrender Beiträge eingeräumte Möglichkeit, eine aus allen Anbaustraßen in der Gemeinde oder einzelnen, voneinander abgrenzbarer Gebietsteilen bestehende einheitliche öffentliche Einrichtung zu bilden, die für die Beitragserhebung unerlässliche Verknüpfung zwischen Abgabenlast und Sondervorteil erhalten (vgl. hierzu BVerfG, 1 BvL 1/58, BVerfGE 9, 291 [297]; BVerfG, 2 BvR 591/95, NVwZ 2003, 467).

4

Soweit mit der Beschwerde geltend gemacht wird, die einheitliche öffentliche Einrichtung aller Anbaustraßen ermögliche keine Abgrenzung zwischen Sondervorteil und beitragsfreiem Allgemeingebrauch, verkennt sie, dass der mit einem Straßenausbau verbundene Sondervorteil, der die Beitragserhebung rechtfertigt, keineswegs in einem über den Gemeingebrauch an Straßen hinausgehenden Sondernutzungsrecht besteht. Sowohl bei der Erhebung von Einmalbeiträgen als auch bei der Erhebung wiederkehrender Straßenausbaubeiträge geht es nicht um den Vorteil der Straßenbenutzung. Denn diese Möglichkeit steht auch Ortsfremden sowie nicht beitragspflichtigen Einwohnern offen. Der die Beitragserhebung rechtfertigende Sondervorteil liegt für den Eigentümer eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks beim einmaligen Beitrag in der unmittelbaren Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage (§ 10 Abs. 5 KAG) und beim wiederkehrenden Beitrags nach § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG in der rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeit einer Zufahrt oder eines Zugangs zu einer der Verkehrsanlagen der einheitlichen öffentlichen Einrichtung, die von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildet wird. Diese Zugangs- bzw. Zufahrtsmöglichkeit stellt für ein Grundstück einen Sondervorteil dar, wenn es gerade wegen dieser wegemäßigen Erschließung qualifiziert (baulich und/oder gewerblich) nutzbar ist bzw. bleibt (vgl. OVG RP, 6 A 10158/06, AS 33, 260, KStZ 2006, 171, ESOVGRP, juris). Dass diese Zugänglichkeit und damit die qualifizierte Nutzbarkeit eines Grundstücks gesichert wird, rechtfertigt die Erhebung von Beiträgen für den Straßenausbau.

5

Dabei darf – worauf der Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) bereits hingewiesen hat – nicht übersehen werden, dass die Zugänglichkeit zu einem Grundstück keineswegs allein durch die Straße, an der es gelegen ist, vermittelt wird, sondern zusätzlich durch andere Verkehrsanlagen, die den Anschluss ans übrige Straßennetz herstellen. Diese Abhängigkeit von weiteren Verkehrsanlagen wird von dem Sondervorteil, der durch den Ausbau einer Anbaustraße innerhalb der einheitlichen öffentlichen Einrichtung entsteht, erfasst. Das vom Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) in diesem Zusammenhang erwähnte Beispiel einer mehr als 100 m langen, selbständigen Sackgasse belegt diese Abhängigkeit ungeachtet der Frage, unter welchen Umständen eine Erschließungseinheit aus einer solchen Sackgasse und der Hauptstraße, auf die sie angewiesen ist, gebildet werden kann.

6

Der Sondervorteil eines qualifiziert nutzbaren Grundstücks in einer von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildeten einheitlichen öffentlichen Einrichtung durch den Ausbau einer entfernt liegenden Anbaustraße setzt keinen räumlichen und funktionalen Zusammenhang der Verkehrsanlagen in der Einrichtung voraus. Denn der Gesetzgeber hat dem § 10a KAG einen neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff zugrunde gelegt, der vom bisherigen in wesentlicher Hinsicht abweicht und nicht mehr vom Vorliegen eines räumlichen und funktionalen Zusammenhangs der Verkehrsanlagen in der Abrechnungseinheit abhängt. Abgesehen davon war der durch die räumlich und funktional zusammenhängende Abrechnungseinheit nach bisherigem Beitragsrecht vermittelte Vorteil nicht „konkreter“ als der Sondervorteil, den die einheitliche öffentliche Einrichtung gemäß § 10a KAG in ihrer Gesamtheit als einheitliches Straßensystem bietet (OVG RP, 6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris). Denn auch der Umstand, dass die Bildung einer einzigen Abrechnungseinheit nach bisherigem Recht grundsätzlich nur in kleineren Gemeinden oder in Ortsteilen vergleichbarer Größe möglich war (OVG RP, 6 C 10580/02.OVG, AS 30, 291, ESOVGRP; 6 A 10631/03.OVG, ESOVGRP, juris), lässt nicht den Schluss zu, der wiederkehrende Beitrag habe nach dem bisherigen Recht eine größere „Nähe zum Aufwand“ gehabt (vgl. Kube, LKRZ 2007, 93 f.; von Mutius, Verfassungsrechtliche Anforderungen an eine Novellierung des kommunalen Beitragsrechts, 1985, S. 46; Schoch, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Erhebung „wiederkehrender Beiträge“ für Verkehrsanlagen, 2005, S. 59, 65).

7

So sieht § 10a Abs. 1 Satz 2 KAG die Möglichkeit vor, in einzelnen, voneinander abgrenzbaren Gebietsteilen einer Gemeinde eigenständige öffentliche Einrichtungen von Anbaustraßen zu schaffen und damit dem Gesichtspunkt der Nähe zum Aufwand in besonderer Weise Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser "Auftrennung" (Landtags-Drucks. 15/318, S. 7) des Gemeindegebiets ermöglichen, dass besonderen örtlichen Gegebenheiten Rechnung getragen wird (vgl. OVG RP, 6 C 10255/08.OVG, AS 36, 195, KStZ 2009, 37, ESOVGRP). Dementsprechend bestimmt § 10a Abs. 1 Satz 3 KAG, dass die Gemeinde die Entscheidung über die eine Einheit bildenden Verkehrsanlagen "in Wahrnehmung ihres Selbstverwaltungsrechts unter Beachtung der örtlichen Gegebenheiten" trifft. Solche örtliche Gegebenheiten, die die Bildung einer einzigen öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen im gesamten Gemeindegebiet rechtfertigen, werden regelmäßig in kleineren oder mittelgroßen Gemeinden vorliegen. Hingegen wird in größeren Gemeinden und insbesondere in Großstädten die Bildung mehrerer Einrichtungen naheliegen, um eine Nähe des Beitragspflichtigen zum Aufwand zu gewährleisten (so schon OVG RP, 6 A 10505/10.OVG, ESOVGRP, juris). Der so durch § 10a KAG den Gemeinden eingeräumte Entscheidungsspielraum gestattet es daher, im Einzelfall Einheiten von Verkehrsanlagen zu bilden, die den Beitragspflichtigen einen hinreichenden Sondervorteil vermitteln.

8

Der Systemwechsel vom bisherigen wiederkehrenden Beitrag in einer räumlich und funktional zusammenhängenden Abrechnungseinheit zum wiederkehrenden Beitrag in grundsätzlich einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen, also zu dem neuen Anlagen- und Vorteilsbegriff des § 10a KAG, ist im Gesetzgebungsverfahren auch zu Recht mit dem Feld-, Weinbergs- und Waldwegenetz einer Gemeinde verglichen worden. Dass dieses meist weitmaschiger ist als das Anbaustraßennetz in einer Gemeinde, bedeutet nicht, dass einem qualifiziert nutzbaren Grundstück in einer von allen zum Anbau bestimmten Verkehrsanlagen gebildeten einheitlichen öffentlichen Einrichtung durch den Ausbau einer von diesem Grundstück entfernt liegenden Anbaustraße kein Sondervorteil zuteil wird. Der beitragsrechtlich relevante Vorteil, den die Beitragspflichtigen sowohl in der Gemeindeeinrichtung „Feld-, Weinbergs- und Waldwegenetz“ (vgl. OVG RP, 6 A 11246/03, ESOVGRP) als auch in einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen haben, besteht in der Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Wege- bzw. Straßensystems durch entsprechende Ausbaumaßnahmen der Gemeinde (Gesetzesbegründung zu § 10a KAG, LT-Drucks. 15/318 S. 7). Der Senat (6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris) hat bereits entschieden und hält daran fest, dass der mit der Bildung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung verbundene Sondervorteil auch in der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde zum Ausdruck kommt, diese Einrichtung funktionsfähig zu halten.

9

Dieser Systemwechsel ist auch nicht wegen der Wahlmöglichkeit der Gemeinden zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen im Straßenausbaubeitragsrecht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Denn auch der mit dem einmaligen Beitrag korrespondierende Vorteilsbegriff bleibt unvollkommen; auch er vermag den Vorzug, den der beitragspflichtige Grundstückseigentümer durch den Straßenausbau erfährt, nicht präzise abzubilden. So lässt die bloße Anknüpfung an die Zugänglichkeit zu der ausgebauten Verkehrsanlage beim einmaligen Beitrag unberücksichtigt, dass zur wegemäßigen Erschließung eines bestimmten Grundstücks allein die Straße, an der es gelegen ist, keineswegs ausreicht, sondern erst über andere Verkehrsanlagen der Anschluss an das übrige Straßennetz vermittelt wird (OVG RP, 6 C 10601/07.OVG, AS 35, 209, DVBl 2008, 135, ESOVGRP, juris). Diesem Aspekt wird der oben dargelegte Vorteilsbegriff, der den wiederkehrenden Beitrag im Sinne des § 10a KAG kennzeichnet, eher gerecht.

10

Der Beschluss des VG Koblenz vom 1. August 2011(4 K 1392/10.KO, juris) gibt auch aus anderen Gründen keine Veranlassung, an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 10a KAG zu zweifeln. Insbesondere hat die satzungsrechtliche Konstituierung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde nicht zur Folge, dass sämtliche einbezogenen Straßen ihre aufgrund anderer Normen bestehende rechtliche Klassifizierung und Eigenständigkeit verlieren. Dennoch wird dadurch eine neue einheitliche öffentliche Gemeindeeinrichtung geschaffen.

11

Dabei unterliegt eine öffentliche Straße, die zum Anbau bestimmt ist, vielfältigen Regelungen unterschiedlicher Rechtsgebiete: Das Grundstück (Wegeparzelle), auf dem die Straße verläuft, steht im Eigentum einer oder mehrerer natürlicher oder juristischer Personen und kann zugunsten eines anderen Rechtssubjekts auf bürgerlich-rechtlicher Grundlage belastet sein. Nach dem öffentlichen Sachenrecht, nämlich dem Straßenrecht, bestimmt sich die Widmung der Straße und die Trägerschaft der Baulast. Aufgrund des (Bundes-)Straßenverkehrsrechts kann die Straßenverkehrsbehörde Regelungen des Verkehrs auf der Straße treffen. Das Erschließungsbeitragsrecht ermöglicht die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung der Straße, während nach dem Kommunalabgabenrecht Ausbaubeiträge für die Erneuerung, die Erweiterung, die Verbesserung oder den Umbau der Straße erhoben werden können. Mit der satzungsrechtlichen Konstituierung einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde zum Zwecke der Erhebung wiederkehrender Ausbaubeiträge wird weder der bundesrechtliche Vorrang der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die erstmalige endgültige Herstellung einer Straße berührt noch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen und auch nicht die straßenrechtliche Widmung oder Straßenbaulast. Die Schaffung einer Einrichtung nach § 10a KAG hat auch nicht zur Folge, dass die einbezogenen Ortsdurchfahrten ihre straßenrechtliche Klassifizierung als Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen oder ihre Eigenständigkeit als Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinn verlieren. Die Frage, ob der Landesgesetzgeber die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße zu einem (unselbständigen) Bestandteil einer kommunalen Einrichtung machen darf, stellt sich deshalb nicht. Ebenso wenig führt das Fortbestehen der Selbständigkeit der Straßen in der einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen zu einem Widerspruch in der Rechtsprechung des Senats. Die vom Verwaltungsgericht Koblenz insoweit angeführten Entscheidungen im Verfahren 6 C 10580/02.OVG (NVwZ-RR 2003, 591, ESOVGRP, juris) und im Verfahren 6 A 33/75 (AS 14, 364) ergingen zur früheren, nicht mehr geltenden beitragsrechtlichen Rechtslage.

12

Obwohl sämtliche einbezogenen Straßen ihre aufgrund anderer Normen bestehende rechtliche Klassifizierung und Eigenständigkeit behalten, wird mit der satzungsrechtlichen Konstituierung einer öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen in der Gemeinde eine neue einheitliche öffentliche Gemeindeeinrichtung zur Erhaltung, Verbesserung oder Erweiterung des Anbaustraßensystems durch entsprechende Ausbaumaßnahmen der in der Baulast der Gemeinde stehenden Straßen bzw. Teileinrichtungen geschaffen (vgl. Gesetzesbegründung zu § 10a KAG, LT-Drucks. 15/318 S. 7). Denn eine Anbaustraße in einer Gemeinde kann gleichzeitig mehreren Zwecken dienen und dementsprechend jeweils unterschiedlichen rechtlichen Regelungen unterliegen. Beispielsweise kann die Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße sowohl dem überörtlichen als auch dem innerörtlichen Verkehr dienen. Sie kann, was die einzelnen Teileinrichtungen angeht, in der Baulast unterschiedlicher Träger stehen. Dass Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen deshalb mehr Aufgaben als Gemeindestraßen haben, ist unerheblich. Denn einerseits ist die Zweckbestimmung von Gemeindestraßen ebenfalls unterschiedlich, je nach dem, ob sie – wie Sackgassen – nur dem Anliegerverkehr oder ob sie – wie Durchgangsstraßen – auch der Verbindung zu anderen Straßen dienen. Hinzu kommen Unterschiede straßenverkehrsrechtlicher Art: Auch Gemeindestraßen, die als verkehrsberuhigte Zonen festgesetzt sind, gehören zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung, sofern sie zum Anbau bestimmt sind.

13

Die Einheitlichkeit der öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen wird zudem bei der satzungsrechtlichen Festlegung des Gemeindeanteils gemäß § 10a Abs. 3 KAG deutlich. Denn dabei muss der Satzungsgeber sämtliche in der Baulast der Gemeinde stehenden Verkehrsanlagen und -teile innerhalb der öffentlichen Einrichtung von Anbaustraßen in den Blick nehmen und insgesamt das Verhältnis von Anlieger- und Durchgangsverkehr gewichten, wobei der gesamte von Anliegergrundstücken innerhalb der öffentlichen Einrichtung ausgehende bzw. dorthin führende Verkehr als Anliegerverkehr zu bewerten ist (OVG RP, 6 A 11146/09.OVG, ESOVGRP, juris; 6 C 11187/10.OVG, ESOVGRP, juris).

14

Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Verpflichtung der Gemeinde, diese Einrichtung insgesamt funktionsfähig zu halten, besteht ihr Zweck ferner in der Refinanzierung der Ausbaumaßnahmen durch die Erhebung wiederkehrender Beiträge.

15

Angesichts dessen muss nicht erörtert werden, ob das Erschließungsbeitragsrecht auf die Kosten zur Baureifmachung eines Grundstücks oder Baugebiets beschränkt ist und ob das Wegenetz einer Stadt eine Erschließungseinheit darstellen kann.Auch aus dem Umstand, dass straßenrechtlich zwar die allgemeine Straßenbaulast der Gemeinden geregelt, aber keine Kostenabwälzung auf die Anlieger vorgesehen ist, lässt sich nicht schließen, die kommunalabgabenrechtliche Erhebung von Straßenausbaubeiträgen für Ausbaumaßnahmen in einer einheitlichen öffentlichen Einrichtung der Anbaustraßen sei auch bei Vorliegen eines Sondervorteils ausgeschlossen.

16

Soweit in dem Beschluss des VG Koblenz vom 1. August 2011(4 K 1392/10.KO, juris) Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem Sanierungsbetragsrecht und mit der Festlegung der Verkehrsanlagen, die zur einheitlichen öffentlichen Einrichtung gehören, angesprochen werden, sind sie durch Auslegung lösbar und führen nicht zu durchgreifenden Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung des § 10a KAG.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

18

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tatbestand

1

Der Kläger als Präsident des ... (Besoldungsgruppe R 6) und der Beigeladene als damaliger Präsident des ...gerichts (Besoldungsgruppe R 6) bewarben sich auf die nach R 8 besoldete Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts in Koblenz. Die Stelle war frei geworden, weil der Amtsinhaber Justizminister des beklagten Landes geworden war.

2

Der Justizminister gab dem Beigeladenen aufgrund einer von ihm selbst erstellten Anlassbeurteilung den Vorzug. Der Präsidialrat der ordentlichen Gerichtsbarkeit sprach sich wegen der fehlenden Erfahrung des Beigeladenen im Bereich dieser Gerichtsbarkeit gegen ihn aus. Nach dem Landesrichtergesetz bedurfte der Besetzungsvorschlag der Zustimmung des Richterwahlausschusses, wofür die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. In der Sitzung des Ausschusses vom 8. Februar 2007 stimmten in der gesetzlich vorgesehenen offenen Abstimmung fünf Mitglieder für und vier Mitglieder gegen den Besetzungsvorschlag. Die beiden richterlichen Mitglieder enthielten sich ihrer Stimme. Sie waren unmittelbar vor der Sitzung des Ausschusses von der Staatssekretärin des Justizministeriums zu einem Gespräch in ihrem Dienstzimmer gebeten worden.

3

Der Antrag des Klägers, dem Beklagten im Wege einstweiliger Anordnung die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts zu untersagen, blieb in beiden Instanzen erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde des Klägers gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts durch Beschluss vom 13. Juni 2007 zurück. Darin heißt es, der Richterwahlausschuss habe dem Besetzungsvorschlag zugestimmt, weil die Zahl der Ja-Stimmen die Zahl der Nein-Stimmen überwogen habe. Es gebe keine greifbaren Anhaltspunkte für eine sachwidrige Beeinflussung der richterlichen Ausschussmitglieder durch die Staatssekretärin. Die Auswahlentscheidung des Justizministers sei frei von Rechtsfehlern. Dessen Anlassbeurteilung für den Beigeladenen sei auf zureichende tatsächliche Erkenntnisse gestützt. Der Justizminister habe statistische Unterlagen über die Arbeitsergebnisse der Sozialgerichtsbarkeit während der Amtszeit des Beigeladenen als Präsident des ...gerichts verwertet. Darüber hinaus habe er seinen persönlichen Eindruck von dem Beigeladenen zugrunde gelegt, den er aufgrund der regelmäßigen Kontakte der Präsidenten der Obergerichte gewonnen habe. Da sowohl der Kläger als auch der Beigeladene mit der bestmöglichen Gesamtnote beurteilt worden seien, habe der Justizminister die Auswahl des Beigeladenen zu Recht auf bestimmte aussagekräftige Gesichtspunkte gestützt. Er habe rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass der Beigeladene bereits jahrelang Präsident eines Obergerichts gewesen sei, während seiner Amtszeit die Sozialgerichtsbarkeit des Landes nach den Statistiken über die Bearbeitung sozialgerichtlicher Verfahren in die Spitzengruppe der Sozialgerichtsbarkeiten geführt habe und nur ihm die ständige Bereitschaft zur Modernisierung der Justiz und zur Innovation bescheinigt worden sei.

4

Während des Beschwerdeverfahrens hatte der Kläger angekündigt, er werde im Falle der Zurückweisung seiner Beschwerde verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen.

5

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2007 wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Justizministerium des Beklagten jeweils am 22. Juni 2007 zur Mittagszeit per Telefax übermittelt. Ungefähr eine halbe Stunde später händigte der Justizminister in seinem Dienstzimmer dem Beigeladenen die Ernennungsurkunde aus. Die danach eingelegte Verfassungsbeschwerde des Klägers nahm die zuständige Kammer des Bundesverfassungsgerichts durch Beschluss vom 24. September 2007 nicht zur Entscheidung an. In den Gründen heißt es, die Ernennung des Beigeladenen unmittelbar nach der Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung trotz der dem Beklagten mitgeteilten Absicht des Klägers, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, verletze den Kläger in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG. Jedoch sei dem Kläger zuzumuten, den Rechtsweg auszuschöpfen, weil eine Hauptsacheklage angesichts der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht als offensichtlich aussichtslos bewertet werden könne.

6

Mit seiner Klage will der Kläger hauptsächlich die Aufhebung der Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts erreichen. Hilfsweise strebt er seine Ernennung zusätzlich zu derjenigen des Beigeladenen an. Weiter hilfsweise will er festgestellt wissen, dass ihn sowohl die Ernennung des Beigeladenen und die zugrunde liegende Auswahlentscheidung als auch die Vornahme der Ernennung vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinen Rechten verletzten.

7

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat sie in Bezug auf sämtliche Klagebegehren als unzulässig angesehen. Sein Berufungsurteil ist im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:

8

Die Ernennung des Beigeladenen könne nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht rückgängig gemacht werden. Es sei auch rechtlich unmöglich, den Kläger zum weiteren Präsidenten des Oberlandesgerichts zu ernennen. Die Planstellen für die Präsidenten der beiden Oberlandesgerichte des Beklagten seien rechtsbeständig besetzt. Die Bereitstellung einer dritten Planstelle komme nicht in Betracht. Auch habe der Justizminister die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes nicht verhindert. Er habe nach dem damaligen Stand der Rechtsprechung keinen Grund zu der Annahme gehabt, er müsse mit der Ernennung des Beigeladenen nach Abschluss des einstweiligen Anordnungsverfahrens weiter zuwarten, um dem Kläger die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu ermöglichen. Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass er durch Auswahl und Ernennung des Beigeladenen in seinen Rechten verletzt worden sei. Die Feststellung einer Rechtsverletzung durch die vorzeitige Ernennung des Beigeladenen am 22. Juni 2007 sei nicht möglich, weil das vor Klageerhebung erforderliche Widerspruchsverfahren nicht stattgefunden habe.

9

Mit der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Berufungsurteil verletze seine Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Zudem erhebt er Besetzungs-, Aufklärungs- und Gehörsrügen.

10

Der Kläger beantragt mit dem Hauptantrag,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 2009 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 1. Juli 2008 aufzuheben sowie die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts und dessen Einweisung in die Planstelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Kläger zum Präsidenten des Oberlandesgerichts zu ernennen und in die dazugehörende Planstelle einzuweisen, hilfsweise über die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts Koblenz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil.

13

Der Beigeladene beteiligt sich nicht am Revisionsverfahren.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist zulässig. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Revisionsbegründung form- und fristgerecht als elektronisches Dokument eingereicht (§ 55a Abs. 1 VwGO in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof - ERVVO - vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091).

15

Bei elektronisch übermittelten Dokumenten, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, tritt die qualifizierte elektronische Signatur an die Stelle der Unterschrift (§ 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO; § 2 Abs. 6 ERRVO). Die Signatur soll die Authentizität und die Integrität des übermittelten elektronischen Dokuments sicherstellen (§ 55a Abs. 1 Satz 3 VwGO). Sie soll Gewähr dafür bieten, dass das anstelle eines Schriftstücks eingereichte Dokument von einem bestimmten Verfasser stammt und mit seinem Willen übermittelt worden ist. Daher reicht es bei Übermittlung des Dokuments als Anlage einer Datei aus, dass diese in einer Weise signiert ist, die keinen Zweifel an dem Verfasser des Dokuments zulässt. Es ist dann nicht erforderlich, dass er das Dokument gesondert signiert. Dementsprechend hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in Einklang mit den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nur die Datei signiert, mit der er die Revisionsbegründung fristgemäß elektronisch übermittelt hat.

16

Die Revision des Klägers ist mit dem Hauptantrag im Wesentlichen begründet. Die angefochtene Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts und seine Einweisung in die dazugehörende Planstelle beim Oberlandesgericht Koblenz sind mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, weil die Ernennung die Rechte der Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt und der Grundsatz der Ämterstabilität der Aufhebung nicht entgegensteht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Beklagte muss über die Vergabe des Amtes des Präsidenten des Oberlandesgerichts aufgrund eines erneuten Auswahlverfahrens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats nochmals entscheiden.

17

1. Der Kläger kann die Ernennung des Beigeladenen anfechten, weil sie in seine Rechte eingreift. Die Ernennung eines nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählten Bewerbers für ein Amt stellt einen Verwaltungsakt dar, der darauf gerichtet ist, unmittelbare Rechtswirkungen für die durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber zu entfalten.

18

Einer Ernennung bedarf es, um einem Richter oder Beamten auf Lebenszeit ein höherwertiges, nämlich einer höheren Besoldungsgruppe zugeordnetes Amt im statusrechtlichen Sinne zu verleihen (Beförderung; vgl. § 5 Abs. 1 des Landesrichtergesetzes Rheinland Pfalz - LRiG RP - i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 4 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz - LBG RP -; nunmehr § 8 Abs. 1 Nr. 3 des Beamtenstatusgesetzes - BeamtStG -). Die Ernennung erfolgt durch Aushändigung der Ernennungsurkunde (§ 8 Abs. 2 Satz 1 LBG RP; § 8 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG). Dadurch wird der Richter oder Beamte Inhaber des höherwertigen Amtes mit den daran geknüpften Rechten und Pflichten aus dem Richter- oder Beamtenverhältnis. Die Ernennung begründet Ansprüche auf die Einweisung in die zu dem Amt gehörende Planstelle und auf eine dem neuen Amt angemessene Beschäftigung bei dem Gericht oder der Behörde, der die Planstelle zugeordnet ist (Urteile vom 23. September 2004 - BVerwG 2 C 27.03 - BVerwGE 122, 53 <55 f.> und vom 22. Juni 2006 - BVerwG 2 C 26.05 - BVerwGE 126, 182 Rn. 12).

19

Darüber hinaus ist die Ernennung nach ihrem Regelungsgehalt auf unmittelbare Rechtswirkungen für diejenigen Bewerber gerichtet, die sich erfolglos um die Verleihung des Amtes beworben haben. Die Ernennung greift in deren Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG ein, weil sie in einem untrennbaren rechtlichen Zusammenhang mit der Entscheidung des Dienstherrn über die Bewerberauswahl steht und deren rechtliches Schicksal teilt. Die Ernennung des ausgewählten Bewerbers ist Ziel und Abschluss des Auswahlverfahrens.

20

Der Dienstherr ist an den Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG gebunden, wenn er ein Amt im statusrechtlichen Sinne nicht durch Umsetzung oder eine den Status nicht berührende Versetzung, sondern durch Beförderung des Inhabers eines niedrigeren Amtes vergeben will. Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Richter oder Beamte den Anforderungen seines Amtes genügt und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren wird. Art. 33 Abs. 2 GG gilt für Beförderungen unbeschränkt und vorbehaltlos; er enthält keine Einschränkungen, die die Bedeutung des Leistungsgrundsatzes relativieren. Diese inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG für die Vergabe höherwertiger Ämter machen eine Bewerberauswahl notwendig. Der Dienstherr muss Bewerbungen von Richtern oder Beamten um das höherwertige Amt zulassen und darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ 2003, 200 <201>; BVerwG, Urteile vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <149 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 16 f., vom 25. November 2004 - BVerwG 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <239 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 31 S. 22 f., vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 f. und vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 17 f.).

21

Art. 33 Abs. 2 GG dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes. Fachliches Niveau und rechtliche Integrität des öffentlichen Dienstes sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zudem vermittelt Art. 33 Abs. 2 GG Bewerbern ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl. Jeder Bewerber um das Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch; vgl. Urteile vom 28. Oktober 2004 a.a.O. und vom 17. August 2005 a.a.O).

22

Als Anspruch auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl wird der Bewerbungsverfahrensanspruch auch erfüllt, wenn der Dienstherr die Bewerbung ablehnt, weil er in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG einen anderen Bewerber für am besten geeignet hält. Nur in den seltenen Ausnahmefällen, in denen der dem Dienstherrn durch Art. 33 Abs. 2 GG eröffnete Beurteilungsspielraum für die Gewichtung der Leistungskriterien auf Null reduziert ist, d.h. ein Bewerber eindeutig am Besten geeignet ist, gibt Art. 33 Abs. 2 GG diesem Bewerber einen Anspruch auf Erfolg im Auswahlverfahren. Dessen Bewerbungsverfahrensanspruch erstarkt zum Anspruch auf Vergabe des höheren Amtes.

23

Aufgrund seiner Zielrichtung ist der Bewerbungsverfahrensanspruch an ein laufendes Auswahlverfahren zur Vergabe eines bestimmten Amtes geknüpft. Die Bewerber um dieses Amt stehen in einem Wettbewerb, dessen Regeln der Leistungsgrundsatz vorgibt. Ihre Ansprüche stehen nicht isoliert nebeneinander, sondern sind aufeinander bezogen. Sie werden in Ansehung des konkreten Bewerberfeldes, d.h. des Leistungsvermögens der Mitbewerber, inhaltlich konkretisiert. Jede Benachteiligung oder Bevorzugung eines Bewerbers wirkt sich auch auf die Erfolgsaussichten der Mitbewerber aus. Dies gilt umso mehr, je weniger Bewerber um das Amt konkurrieren.

24

Ein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG kann sich daraus ergeben, dass ein Leistungsvergleich gar nicht möglich ist, weil es bereits an tragfähigen Erkenntnissen über das Leistungsvermögen, d.h. an aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen, fehlt. Der eigentliche Leistungsvergleich verletzt Art. 33 Abs. 2 GG, wenn nicht unmittelbar leistungsbezogene Gesichtspunkte in die Auswahlentscheidung einfließen oder die Leistungsmerkmale fehlerhaft gewichtet werden. Aus der gegenseitigen Abhängigkeit der Bewerbungen folgt, dass jeder Bewerber im Stande sein muss, sowohl eigene Benachteiligungen als auch Bevorzugungen eines anderen zu verhindern, die nicht durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt sind. Daher kann sich eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs auch aus der Beurteilung eines Mitbewerbers oder aus dem Leistungsvergleich zwischen ihnen ergeben. Voraussetzung ist nur, dass sich ein derartiger Verstoß auf die Erfolgsaussichten der eigenen Bewerbung auswirken kann. Deren Erfolg muss bei rechtsfehlerfreiem Verlauf zumindest ernsthaft möglich sein (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - NVwZ 2008, 194 und vom 8. Oktober 2007 - 2 BvR 1846/07 u.a. - NVwZ 2008, 69; BVerwG, Urteil vom 18. April 2002 - BVerwG 2 C 19.01 - Buchholz 237.95 § 20 SHLBG Nr. 2).

25

Der wechselseitige inhaltliche Bezug der Rechte der Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG schlägt sich in der Entscheidung des Dienstherrn nieder, welchen Bewerber er für am besten geeignet für das zu vergebende Amt hält. Diese Auswahlentscheidung betrifft nach ihrem Inhalt alle Bewerber gleichermaßen: Mit der Auswahl eines Bewerbers geht zwangsläufig die Ablehnung der Mitbewerber einher. Hat der Dienstherr die Auswahl in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG vorgenommen, so sind die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber erfüllt. Die gesonderten Mitteilungen der Auswahlentscheidung an jeden Bewerber, einmal positiven, ansonsten negativen Inhalts, stellen keine inhaltlich eigenständigen Entscheidungen dar, sondern geben die einheitliche, rechtlich untrennbare Auswahlentscheidung bekannt. Ihre Begründung muss die maßgebenden Erwägungen des Dienstherrn erkennen lassen.

26

Der Regelungsgehalt der Ernennung stimmt inhaltlich mit der Auswahlentscheidung überein. Die Ernennung folgt der Auswahlentscheidung, setzt diese rechtsverbindlich um und beendet das Auswahlverfahren. Sie ist an keine weiteren Voraussetzungen als an die Auswahlentscheidung gebunden, sondern bestätigt diese nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG getroffene Entscheidung des Dienstherrn auch im Hinblick auf die Bewerbungsverfahrensansprüche.

27

Ein unter Beachtung des Art. 33 Abs. 2 GG ausgewählter Bewerber hat einen Anspruch auf Verleihung des Amtes durch Ernennung (vgl. Beschluss vom 27. September 2007 - BVerwG 2 C 21.06, 26.06 und 29.07 - BVerwGE 129, 272 Rn. 45). Die Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber gehen durch die Ernennung unter, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Dies ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sodass das Amt unwiderruflich vergeben ist. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nur dann durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (vgl. unter 2.).

28

Die rechtliche Bedeutung der Ernennung wird nunmehr durch den Wortlaut des hier noch nicht anwendbaren § 9 BeamtStG verdeutlicht. Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Darin kommt zum Ausdruck, dass nicht nur die Auswahlentscheidung, sondern auch die daran anknüpfende Ernennung in die Rechte aller Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift (vgl. zum Ganzen Schenke, in: Festschrift für Schnapp (2008), S. 655 <667 f.>; Laubinger, ZBR 2010, 289 <292 f.>). An der gegenteiligen Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest (vgl. Urteile vom 9. März 1989 - BVerwG 2 C 4.87 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 36 S. 7 f. und vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <372 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27 S. 7 f.).

29

2. Die Anfechtungsklage des Klägers gegen die Ernennung scheitert nicht bereits am Grundsatz der Ämterstabilität, weil dem Kläger der durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG gebotene Rechtsschutz nicht erschöpfend vor der Ernennung gewährt worden ist. Aus diesem Grund ist eine inhaltliche Nachprüfung der Ernennung verfassungsrechtlich geboten.

30

Der Grundsatz der Ämterstabilität steht der Aufhebung einer Ernennung nicht entgegen, wenn ein herkömmlicher gesetzlicher Rücknahmetatbestand erfüllt ist. Diese Tatbestände erfassen vor allem Fallgestaltungen, in denen der Gesetzgeber die Aufrechterhaltung der Ernennung als unerträglich ansieht (vgl. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 LBG RP; § 12 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG). Ansonsten soll das Amt mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers unwiderruflich vergeben sein, ohne dass es darauf ankommt, ob die Ernennung mit Art. 33 Abs. 2 GG in Einklang steht (Urteile vom 25. August 1988 - BVerwG 2 C 62.85 - BVerwGE 80, 127 <130 f.> = Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 4 S. 5 f. und vom 9. März 1989 a.a.O. S. 7 f.; Beschluss vom 30. Juni 1993 - BVerwG 2 B 64.93 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 49; vgl. auch BGH, Beschluss vom 28. November 2005 - NotZ 18/05 - BGHZ 165, 139 <142 f.>).

31

Auch wenn die Ernennung in die Rechte der unterlegenen Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG eingreift, ist deren Rechtsbeständigkeit aus Gründen der Ämterstabilität mit dem Grundrecht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar, wenn unterlegene Bewerber ihren Bewerbungsverfahrensanspruch vor der Ernennung in der grundrechtlich gebotenen Weise gerichtlich geltend machen können. Es muss sichergestellt sein, dass ein unterlegener Bewerber die Auswahlentscheidung des Dienstherrn vor der Ernennung in einem gerichtlichen Verfahren überprüfen lassen kann, das den inhaltlichen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG genügt. Hierfür hat sich eine Praxis der Verwaltungsgerichte herausgebildet, die den gerichtlichen Rechtsschutz in den Zeitraum zwischen der Auswahlentscheidung und der Ernennung verlagert. Ein unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs darauf verwiesen, eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, durch die dem Dienstherrn die Ernennung des ausgewählten Bewerbers untersagt wird. Erwächst eine einstweilige Anordnung dieses Inhalts in Rechtskraft, so muss der Dienstherr das Auswahlverfahren, wenn er es nicht zulässigerweise abbricht, je nach Inhalt und Reichweite des Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG vollständig oder teilweise wiederholen und auf der Grundlage des wiederholten Verfahrens eine neue Auswahlentscheidung treffen (vgl. zum Abbruch: Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 21.95 - BVerwGE 101, 112 <115>). Der Dienstherr darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. Ein Hauptsacheverfahren findet dann wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt.

32

Dieses von den Verwaltungsgerichten allgemein praktizierte Modell des vor die Ernennung gezogenen Rechtsschutzes im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 VwGO wird den sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebenden Anforderungen nur dann gerecht, wenn das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt. Das Verfahren darf nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben. Dies bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen. Vielmehr ist eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl verfassungsrechtlich geboten. Auch dürfen die Verwaltungsgerichte die Anforderungen an einen Erfolg des unterlegenen Bewerbers nicht überspannen. Stellen sie eine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs fest, muss die Ernennung des ausgewählten Bewerbers bereits dann durch einstweilige Anordnung untersagt werden, wenn die Auswahl des Antragstellers bei rechtsfehlerfreier Auswahl jedenfalls möglich erscheint (stRspr; vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 - NJW 1990, 501; vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 - NVwZ 2003, 200; vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178 und vom 2. Oktober 2007 - 2 BvR 2457/04 - NVwZ 2008, 194; BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 -BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <106 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 31 f.).

33

Hatte ein unterlegener Bewerber Gelegenheit, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung auszuschöpfen, so sind seine Ansprüche aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG erfüllt. Dies gilt unabhängig davon, ob den gerichtlichen Entscheidungen materiellrechtliche oder prozessuale Mängel anhaften. Das Grundrecht auf gerichtlichen Rechtsschutz gibt weder einen Anspruch auf eine "richtige" Entscheidung noch darauf, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch zweimal, nämlich vor und nach der Ernennung gerichtlich verfolgt werden kann. Eine Anfechtung der Ernennung ist in diesen Fällen verfassungsrechtlich nicht geboten. Die Wirksamkeit des Rechtsschutzes vor der Ernennung hängt aber davon ab, dass der Dienstherr die gerichtliche Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung ermöglicht. Er muss mit der Ernennung des ausgewählten Bewerbers zuwarten, bis die unterlegenen Bewerber ihre Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft haben. Daher ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG Mitteilungs- und Wartepflichten des Dienstherrn, mit denen Ansprüche der unterlegenen Bewerber korrespondieren:

34

Zunächst muss der Dienstherr die Auswahlentscheidung vor der Ernennung den unterlegenen Bewerbern mitteilen (Urteile vom 1. April 2004 - BVerwG 2 C 26.03 - Buchholz 237.8 § 10 RhPLBG Nr. 1 S. 2 f. und vom 11. Februar 2009 - BVerwG 2 A 7.06 - Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 44 Rn. 20). Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, damit die Unterlegenen das Verwaltungsgericht anrufen können. In der Praxis der Verwaltungsgerichte hat sich eine Wartezeit von zwei Wochen ab Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet. Beantragt ein Bewerber rechtzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung, darf der Dienstherr die Ernennung erst nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens vornehmen (Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370 <374 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27 S. 10 f.).

35

Hat der Dienstherr in der abschließenden Beschwerdeinstanz des einstweiligen Anordnungsverfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht obsiegt, muss er nochmals angemessene Zeit mit der Ernennung zuwarten, um dem unterlegenen Bewerber Gelegenheit zu geben, zur Durchsetzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs nach Art. 33 Abs. 2 GG das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Nach der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleisten Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG auch die Möglichkeit, eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG zu erwirken oder Verfassungsbeschwerde zu erheben. Nimmt der Dienstherr dem unterlegenen Bewerber diese Möglichkeit, indem er den ausgewählten Bewerber nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts vor Ablauf einer angemessenen Wartefrist ernennt, so verhindert er die Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 - NJW-RR 2005, 998 <999>; vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - NVwZ 2007, 1178; vom 24. September 2007 - 2 BvR 1586/07 - NVwZ 2008, 70 und vom 9. Juli 2009 - 2 BvR 706/09 - NVwZ 2009, 1430).

36

Nach alledem verhindert der Dienstherr den nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 33 Abs. 2 GG gebotenen Rechtsschutz, wenn er den ausgewählten Bewerber ernennt, obwohl ihm dies durch eine Entscheidung eines Verwaltungsgerichts oder des Bundesverfassungsgerichts untersagt ist. Gleiches gilt, wenn er die Ernennung während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens vornimmt. Darüber hinaus liegen Fälle der Rechtsschutzverhinderung vor, wenn der Dienstherr die Ernennung ohne vorherige Mitteilungen an die unterlegenen Bewerber oder vor Ablauf der Wartefrist für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, der gesetzlichen Frist für die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht oder der Wartefrist für die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts vornimmt.

37

Verstößt der Dienstherr vor der Ernennung gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG, so muss der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz nach der Ernennung nachgeholt werden. Der Dienstherr kann sich auf die Ämterstabilität nicht berufen, um Verletzungen des vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu decken. Ansonsten hätte er es in der Hand, die Grundrechte unterlegener Bewerber durch vorzeitige Ernennungen auszuschalten. Gefährdungen der Funktionsfähigkeit von Justiz oder Verwaltung kann der Dienstherr vermeiden, indem er die Anforderungen der Rechtsschutzgarantie beachtet. Im Übrigen liegen sie wegen der überschaubaren Zahl der Fälle der Rechtsschutzverhinderung fern.

38

Dies gilt auch, wenn der Ämterstabilität als Ausdruck des Lebenszeitprinzips nach Art. 33 Abs. 5 GG nicht nur als Schutz gegen die Entziehung des Amtes durch den Dienstherrn, sondern auch in Konkurrentenstreitigkeiten Verfassungsrang zukäme (bejahend etwa Wernsmann, DVBl 2005, 276<282>; Schmidt-Preuß, Kollidierende Privatinteressen im Verwaltungsrecht, S. 475 ff; ablehnend Schenke, Festschrift für Schnapp (2008), S. 655 <688 f.>; Laubinger, ZBR 2010, 289 <295>).

39

Nach der Ernennung des ausgewählten Bewerbers kann unterlegenen Bewerbern gerichtlicher Rechtsschutz nur im Wege der Anfechtungsklage gegen die Ernennung gewährt werden. Eine andere Möglichkeit zur Durchsetzung ihres Bewerbungsverfahrensanspruchs besteht nicht. Verstößt die Ernennung gegen die Rechte des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG, so ist sie mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Aufhebung mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Vornahme scheidet aus, weil die mit der Ernennung verbundene Statusänderung jedenfalls ohne gesetzliche Grundlage nicht nachträglich ungeschehen gemacht werden kann. Die insoweit auch für Richter geltenden Beamtengesetze sehen die Aufhebung für die Vergangenheit nur in den Fällen vor, in denen ein Rücknahmetatbestand erfüllt ist (vgl. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 LBG RP; § 12 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtStG). Zudem erklären sie die Ernennung auf einen zurückliegenden Zeitpunkt für unzulässig und insoweit unwirksam (vgl. § 8 Abs. 4 Satz 2 LBG RP; nunmehr § 8 Abs. 4 BeamtStG). Gleiches muss für die Aufhebung der Ernennung gelten, zumal diese zeitliche Beschränkung Rechte übergangener Bewerber nicht berührt.

40

Aus den dargelegten Gründen führt der Senat die Rechtsprechung nicht weiter, dass in den Fällen der Rechtsschutzverhinderung zwar die Ernennung rechtsbeständig sei, jedoch der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers mit verändertem Inhalt fortbestehe (Urteil vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - a.a.O.). Aufgrund seiner Abhängigkeit von dem konkreten Auswahlverfahren ist dieser Anspruch nicht darauf gerichtet, eine weitere Planstelle zu schaffen. Deren Bereitstellung ergibt für funktionsgebundene Ämter keinen Sinn, weil es an der Möglichkeit einer amtsangemessenen Beschäftigung fehlt (vgl. Schnellenbach, ZBR 2004, 104 <105>). Hinzu kommt, dass auch das neue Amt nach den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG vergeben werden muss.

41

Im vorliegenden Fall kann sich der Beklagte nicht auf die Ämterstabilität berufen, weil er die Gewährung wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutzes für den Kläger verhindert hat. Durch die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts unmittelbar nach der Bekanntgabe der Beschwerdeentscheidung des Oberverwaltungsgerichts hat der Justizminister des Beklagten dem Kläger die Möglichkeit genommen, die Ernennung durch die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts zu verhindern. Er hat die aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG folgende Wartepflicht missachtet. Diesen Verfassungsverstoß hat bereits das Bundesverfassungsgericht in den Gründen des Kammerbeschlusses vom 24. September 2007 - 2 BvR 1586/07 - (NVwZ 2008, 70) festgestellt.

42

Dem Justizminister musste zum Zeitpunkt der Ernennung des Beigeladenen am 22. Juni 2007 auch bekannt sein, dass er die Ernennung noch nicht vornehmen durfte. Die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts, wonach das Bundesverfassungsgericht die Wartepflicht für seine eigene Anrufung erstmals in dem Kammerbeschluss vom 9. Juli 2007 - 2 BvR 206/07 - (NVwZ 2007, 1178) postuliert habe, sind unrichtig. Dieser Beschluss nimmt ausdrücklich auf den Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 2005 - 1 BvR 2231/02 u.a. - (NJW-RR 2005, 998) Bezug. Dort heißt es, eine Verletzung der Art. 19 Abs. 4 Satz 1, Art. 33 Abs. 2 GG liege vor, wenn einem unterlegenen Bewerber um eine Notarstelle durch umgehende Ernennung des ausgewählten Bewerbers die Möglichkeit genommen werde, die Besetzung der Stelle durch eine verfassungsgerichtliche Eilentscheidung zu verhindern. Der Justizminister kann sich nicht darauf berufen, diese Entscheidung nicht gekannt zu haben, zumal der Kläger die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts bereits angekündigt hatte.

43

3. Die Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts ist mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, weil sie den Kläger in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Die Erwägungen, auf die der Beklagte die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen gestützt hat, werden den sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden Anforderungen nicht gerecht. Dies hat die Rechtswidrigkeit der Ernennung zur Folge, ohne dass es darauf ankommt, ob der Beigeladene aus anderen als den vom Beklagten angeführten Gründen in Einklang mit Art. 33 Abs. 2 GG hätte ausgewählt werden können. Die Ernennung verletzt den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers, weil es zumindest ernsthaft möglich erscheint, dass dieser bei rechtsfehlerfreiem Verlauf anstelle des Beigeladenen ausgewählt und ernannt worden wäre.

44

Zwar enthält das Berufungsurteil keine tatsächlichen Feststellungen zur Auswahlentscheidung. Der Senat kann diese Entscheidung jedoch aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts vom 13. Juni 2007 im einstweiligen Anordnungsverfahren inhaltlich nachprüfen, weil diese von der Bezugnahme des Oberverwaltungsgerichts auf die Akten der Gerichtsverfahren umfasst werden.

45

Wie dargelegt dürfen der Entscheidung über die Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne nur leistungsbezogene Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße die Bewerber den Anforderungen ihres Amtes genügen und sich in einem höheren Amt voraussichtlich bewähren werden. Die Entscheidung des Dienstherrn, welche Bedeutung er den einzelnen Gesichtspunkten beimisst, unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte (Urteile vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <60 f.> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54 S. 3, vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - BVerwGE 122, 147 <150 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 30 S. 17 und vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <102 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 28 f.).

46

Der für die Bewerberauswahl maßgebende Leistungsvergleich ist anhand aktueller dienstlicher Beurteilungen vorzunehmen. Deren Eignung als Vergleichsgrundlage setzt voraus, dass sie inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das zu erwartende Leistungsvermögen in Bezug auf das angestrebte Amt auf der Grundlage der im innegehabten Amt erbrachten Leistungen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist. Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann der Dienstherr auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei er deren besondere Bedeutung begründen muss. So kann er der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt, besondere Bedeutung beimessen (Urteile vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 31.01 - Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 S. 2 f.; vom 27. Februar 2003 - BVerwG 2 C 16.02 - Buchholz 237.6 § 8 NdsLBG Nr. 10 S. 2 f. und vom 28. Oktober 2004 - BVerwG 2 C 23.03 - a.a.O. S. 151 und S. 18).

47

Der dienstlichen Beurteilung fehlt die erforderliche Aussagekraft, wenn sie auf einer nur partiell oder bruchstückhaft vorhandenen Kenntnis der für die Bewertungen erforderlichen Tatsachen beruht. Ist der für die Beurteilung Zuständige nicht in der Lage, sich ein eigenes vollständiges Bild von den Leistungen des Bewerbers zu machen, ist er darauf angewiesen, sich die fehlenden Kenntnisse von anderen Personen zu beschaffen. Hierfür kommen vorrangig, aber nicht ausschließlich die früher für die Beurteilung Zuständigen sowie Personen in Betracht, die die Dienstausübung des Bewerbers aus eigener Anschauung kennen. In diesen Fällen müssen die Beurteilungsbeiträge der sachkundigen Personen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraumes berücksichtigt werden. Der Beurteiler darf nicht davon absehen, Beurteilungsbeiträge einzuholen, weil er sich trotz fehlender eigener Anschauung zutraut, den Bewerber zutreffend einzuschätzen. Zwar ist er an die Feststellungen und Bewertungen Dritter nicht gebunden, sondern kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht. Abweichungen müssen nachvollziehbar begründet werden. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Werturteile auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren (Urteile vom 5. November 1998 - BVerwG 2 A 3.97 - BVerwGE 107, 360 <361 f.> = Buchholz 236.11 § 1a SLV Nr. 5 S. 12; vom 21. März 2007 - BVerwG 2 C 2.06 - Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27 Rn. 10 und vom 16. Oktober 2008 - BVerwG 2 A 9.07 - Buchholz 11 Art. 87a GG Nr. 6 Rn. 35 ).

48

Danach erweist sich die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen schon deshalb als rechtsfehlerhaft, weil dessen Anlassbeurteilung nicht auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht. Der für die Beurteilung zuständige Justizminister hat sich kein Bild über die dienstliche Tätigkeit des Beigeladenen als Präsident des ...gerichts verschafft. Hierfür reichen weder die statistischen Angaben über die Entwicklung der Sozialgerichtsbarkeit während der Amtszeit des Beigeladenen noch die Eindrücke aus, die der Justizminister in seiner Amtszeit als Präsident des Oberlandesgerichts Koblenz aufgrund der Zusammenarbeit der Präsidenten der Obergerichte des Landes von dem Beigeladenen gewonnen hat.

49

Statistische Angaben über Erledigungszahlen und Verfahrenslaufzeiten im Bereich einer Gerichtsbarkeit lassen für sich genommen keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Leistungen eines Gerichtspräsidenten und seine Eignung für das Amt des Präsidenten eines Obergerichts zu. Da sie dem Präsidenten nicht unmittelbar zugerechnet werden können, sind sie allenfalls geeignet, das Werturteil über die Führung der Dienstgeschäfte abzurunden.

50

Dass persönliche Eindrücke von einer Person aufgrund von Begegnungen bei Tagungen und vergleichbaren Veranstaltungen nicht geeignet sind, um auf weitere Erkenntnisse über dessen dienstliche Tätigkeit zu verzichten, liegt auf der Hand. Derartige Zusammenkünfte können keine Tatsachengrundlage liefern, auf die ein Gesamturteil über dienstliche Leistungen und über die Eignung für ein höherwertiges Amt gestützt werden kann.

51

Da dem Justizminister eigene Tatsachenkenntnisse fehlten, um Leistung und Eignung des Beigeladenen erschöpfend beurteilen zu können, war er verpflichtet, auf andere Erkenntnisquellen zurückzugreifen. Es hätte nahegelegen, Beurteilungsbeiträge hinreichend sachkundiger Mitarbeiter der Personalabteilung des Justizministeriums anzufordern. Der Beklagte hat zu keiner Zeit behauptet, dass derartige Beiträge eingeholt wurden. Daher kann dahingestellt bleiben, ob der Justizminister die Beurteilung des Beigeladenen vor der Eröffnung der Personalreferentin des Justizministeriums zur Prüfung zugeleitet hat. Das Oberverwaltungsgericht ist im Berufungsurteil von einer entsprechenden Feststellung in dem Beschluss vom 13. Juni 2007 abgerückt (Urteilsabdruck S. 40). Jedenfalls hat die Personalreferentin keinen Beurteilungsbeitrag erstellt.

52

Darüber hinaus verletzt auch der Leistungsvergleich, auf den der Beklagte die Auswahlentscheidung gestützt hat, den Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers. Zum einen sind die zugrunde gelegten Leistungskriterien nicht aussagekräftig, zum anderen fehlt es an gleichen Bewertungsmaßstäben für Kläger und Beigeladenen.

53

Da beide das bestmögliche Gesamturteil erhielten, war es dem Beklagten möglich, die Auswahlentscheidung auf bestimmte, als besonders bedeutsam angesehene Leistungsgesichtspunkte zu stützen. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in dem Beschluss vom 13. Juni 2007 hat der Beklagte darauf abgestellt, dass der Beigeladene bereits seit sieben Jahren Präsident eines Obergerichts war, in dieser Eigenschaft ein höher bewertetes Richteramt als der Kläger wahrnahm, die Sozialgerichtsbarkeit im statistischen Ländervergleich in die Spitzengruppe geführt habe und ihm eine stetige Innovations- und Modernisierungsbereitschaft eigen sei.

54

Das Amt des Beigeladenen als Präsident des ...gerichts kann hier für sich genommen keinen entscheidenden Eignungsvorsprung gegenüber dem Kläger begründen. Gleiches gilt für die unterschiedliche Einstufung der Richterämter. Denn das zu besetzende Amt ist in der ordentlichen Gerichtsbarkeit angesiedelt, in der nur der Kläger, nicht aber der Beigeladene über dienstliche Erfahrungen als Richter und Gerichtspräsident verfügt (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 2470/06 - NVwZ 2007, 691; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <103> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 29 zur Bedeutung eines höherwertigen Dienstpostens).

55

Die statistisch erfassten Verbesserungen im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit während der Amtszeit des Beigeladenen können einen Eignungsvorsprung nicht begründen, weil sie nicht lediglich das Werturteil über die Amtsführung des Beigeladenen abrunden. Vielmehr wird die Bewertung, der Beklagte verfüge über herausragende Fähigkeiten, ausschließlich mit den Statistiken belegt. Diese Betrachtungsweise greift zu kurz, weil sie die Besonderheiten des Amtes eines Gerichtspräsidenten außer Acht lässt. Aufgrund der durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleisteten Unabhängigkeit der Richter, die alle Bestandteile der Rechtsprechungstätigkeit umfasst, übt ein Gerichtspräsident keine Leitungsfunktion für diese Tätigkeit aus. Da er auf die Arbeitsweise der Richter nicht unmittelbar einwirken kann, ist er auch nicht für deren Arbeitsergebnisse verantwortlich, wie dies bei einem Behördenleiter in Bezug auf die Arbeit der Mitarbeiter der Behörde der Fall sein mag. Ein Gerichtspräsident kann nur Vorschläge machen und motivierend tätig werden, etwa mit gutem Beispiel vorangehen, um auf höhere Erledigungszahlen und kürzere Verfahrenslaufzeiten hinzuwirken. Er muss zu erkennen geben, dass er Verbesserungen in diesem Bereich nicht Vorrang um jeden Preis einräumt, sondern die Bedeutung der statistisch nicht erfassbaren inhaltlichen Qualität der Rechtsprechung, etwa der Bemühungen um eine erschöpfende Sachverhaltsaufklärung, nicht aus dem Blick verliert. Die Feststellung und Bewertung derartiger Bemühungen eines Gerichtspräsidenten kann nicht durch eine undifferenzierte Hervorhebung statistischer Angaben ersetzt werden.

56

Insoweit hat der Beklagte auch das Gebot gleicher Bewertungsmaßstäbe nicht beachtet. Hierfür wäre erforderlich gewesen, die statistische Entwicklung im Bereich des ... während der Amtszeit des Beklagten in vergleichbarer Weise festzustellen und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten und Instanzen mit den statistischen Angaben über die Sozialgerichtsbarkeit zu vergleichen.

57

Auf die dem Beigeladenen zugeschriebene Modernisierungs- und Innovationsbereitschaft konnte die Auswahlentscheidung nicht gestützt werden, weil dieses Merkmal inhaltlich gänzlich unbestimmt geblieben ist. Der Beklagte hat nicht deutlich gemacht, auf welche Tatsachen diese Wertung gestützt ist. Demzufolge hat er auch nicht dargelegt, auf welche Weise sich der Beigeladene hier vom Kläger abgehoben haben könnte.

58

Die dargestellten Defizite der Auswahlentscheidung haben zur Folge, dass der Beklagte ein neues Auswahlverfahren für die Besetzung der Stelle des Präsidenten des Oberlandesgerichts durchführen muss. Aus diesem Grund kann der Antrag des Klägers, den Beklagten zu seiner Ernennung anstelle des Beigeladenen zu verpflichten, keinen Erfolg haben. Für die erneute Bewerberauswahl müssen aktuelle Anlassbeurteilungen der Bewerber erstellt werden, wobei auch der seit 2007 verstrichene Zeitraum einzubeziehen ist. Dies bedeutet, dass auch die Amtsführung des Beigeladenen als Präsident des Oberlandesgerichts im Falle seiner erneuten Bewerbung zu beurteilen ist (vgl. Beschluss vom 11. Mai 2009 - BVerwG 2 VR 1.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 43 S. 16).

59

4. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes nach Art. 20 Abs. 3 GG gebietet nicht, im vorliegenden Fall von der Aufhebung der Ernennung abzusehen und es bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ernennung zu belassen. Eine Änderung der Rechtsprechung ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - BVerfGE 122, 248 <277 f.>). Dies ist hier der Fall. Die Auffassung, die Aufhebung der Ernennung scheitere in den Fällen der Rechtsschutzverhinderung nicht bereits am Grundsatz der Ämterstabilität, schließt eine Entwicklung ab, die der Senat durch die Urteile vom 13. September 2001 - BVerwG 2 C 39.00 - (BVerwGE 115, 89 = Buchholz 237.3 § 41a BrLBG Nr. 1) und vom 21. August 2003 - BVerwG 2 C 14.02 - (BVerwGE 118, 370 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 27) eingeleitet hat. Die Gründe des auf die Verfassungsbeschwerde des Klägers ergangenen Kammerbeschlusses vom 24. September 2007 - 2 BvR 1586/07 - (NVwZ 2008, 70) lassen darauf schließen, dass auch die zuständige Kammer des Bundesverfassungsgerichts angenommen hat, die Rechtsprechung des Senats sei im Wandel begriffen. Im Schrifttum ist die Anfechtbarkeit der Ernennung seit langem gefordert worden, wobei die Beschränkung auf Fälle der Rechtsschutzverhinderung überwiegend abgelehnt wird (vgl. nur Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz und Risikoverteilung im Verwaltungsrecht, 1988, S. 692 ff.; Schenke, Festschrift für Schnapp (2008), S. 655 <667 f.>; Laubinger, ZBR 2010, 289 <292 f.>; Battis, Kommentar zum BBG, 4. Auflage 2009, § 9 Rn. 30 f.; Höfling, in Bonner Kommentar zum Grundgesetz Stand: August 2007, Art. 33 Abs. 1 bis 3 Rn. 367 f.; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 325; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 42 Rn. 49).

60

Davon abgesehen ist ein Vertrauen des Beklagten in die Rechtsbeständigkeit der Ernennung auch wegen des Verfassungsverstoßes des Justizministers nicht schutzwürdig. Zwar hat der Beigeladene erhebliche Nachteile zu tragen. Er kann in dem Amt des Präsidenten des ...gerichts nicht mehr amtsangemessen beschäftigt werden. Auch dies ist auf das Vorgehen des Beklagten zurückzuführen, der die einzige Stelle nach der Ernennung des Beigeladenen zum Präsidenten des Oberlandesgerichts trotz Warnungen zügig besetzt hat. Der Beklagte ist aus Gründen der Fürsorgepflicht gehalten, die Folgen für den Beigeladenen soweit als möglich auszugleichen. Er kann den Beigeladenen mit dessen Zustimmung in ein anderes gleichwertiges Amt der Besoldungsgruppe R 6 versetzen. Aus diesem Grund hat der Senat die Wirksamkeit seines Urteils hinsichtlich der Aufhebung der Ernennung auf den Zeitpunkt der Urteilszustellung hinausgeschoben. Der Beigeladene kann sich erneut um das Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts bewerben. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass einer weiteren, allein der Ämterstabilität geschuldeten Amtsführung des Beigeladenen ein Makel anhaften würde, wenn es der Senat bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ernennung beließe. Seinen Belangen wird dadurch Rechnung getragen, dass die Auswahlentscheidung in einem neuen Bewerbungsverfahren unter seiner Beteiligung dann unter Berücksichtigung einer dienstlichen Beurteilung zu treffen ist, die seine Leistungen im Amt des Präsidenten des Oberlandesgerichts bewertet (Beschluss vom 11. Mai 2009 - BVerwG 2 VR 1.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 43 Rn. 4).

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Auf die Verfahrensrügen des Klägers braucht der Senat nicht einzugehen, weil sie für den Ausgang des Revisionsverfahrens unerheblich sind. Da die Klage mit dem Hauptantrag Erfolg hat, ist über die hilfsweise gestellten Verpflichtungs-, Bescheidungs- und Feststellungsanträge nicht zu entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.