Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Juli 2018 - 2 S 143/18

bei uns veröffentlicht am12.07.2018

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.01.2017 - 2 K 858/16 - geändert. Der Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.08.2013 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw vom 17.02.2016 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zum Abwasserbeitrag.
Er ist Eigentümer der Grundstücke Flst.-Nrn. ... und ... (R... Weg ...) auf der Gemarkung der Beklagten.
Mit Abwasserbeitragsbescheid vom 15.08.2013 zog die Beklagte den Kläger gemäß ihrer Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 25.07.2012 (im Folgenden: AbwS 2012) zu einem Abwasserbeitrag in Höhe von 7.395,90 EUR heran.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Calw mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2016 mit der Begründung als unbegründet zurück, dass im Gemeindegebiet der Beklagten bis zum Erlass der AbwS 2012 kein wirksames Abwassersatzungsrecht bestanden habe. Somit habe die Beitragspflicht des Klägers auch nicht verjähren können, weil die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit dem Inkrafttreten wirksamer Satzungsbestimmungen über die Beitragserhebung zum 01.10.2012 zu laufen begonnen habe. Der Gemeinderat habe als Normgeber die Befugnis gehabt, die mangels ordnungsgemäßer Globalberechnung als rechtswidrig erkannte Satzung vom 25.07.1984 (im Folgenden: AbwS 1984) aufzuheben und an ihre Stelle eine gültige Rechtsnorm zu setzen. Die Erhebung von Beiträgen vom Kläger widerspreche auch nicht den Grundsätzen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts oder dem Grundsatz von Treu und Glauben, denn die Anschlussmöglichkeit für das Grundstück des Klägers habe erst im Jahr 1994 und die Vorteilslage damit weniger als 30 Jahre vor Erlass des Abwasserbeitragsbescheids bestanden.
Der Kläger hat am 29.02.2016 bei dem Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, zu deren Begründung er zuletzt im Wesentlichen ausgeführt hat, sein Grundstück habe seit 1960 über eine Dreikammerfaulgrube verfügt. Da das in solchen Kleinkläranlagen anfallende vorgereinigte Abwasser in der Regel über einen Überlauf in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werde, sei das Grundstück bereits seit dem Jahr 1960 an die öffentliche Kanalisation angeschlossen. Damit liege die Vorteilslage länger als 30 Jahre zurück. Jedenfalls sei die Vorteilslage vor dem Jahr 1990 eingetreten, weil in einem Schreiben der Stadtverwaltung/Stadtwerke der Beklagten an seinen Vater vom 15.08.1990 auf eine Rechnung für die Herstellung des Kanalanschlusses des Grundstücks Bezug genommen werde. Dass der genaue Zeitpunkt nicht ermittelt werden könne, gehe zu Lasten der Beklagten. Die Beitragserhebung widerspreche zudem dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Weiter hat der Kläger sinngemäß geltend gemacht, die AbwS 2012 entfalte keine Rückwirkung bzw. könne nicht zur Abrechnung eines lange zurückliegenden Vorteils herangezogen werden. Auch verhalte sich die Beklagte widersprüchlich, weil sie jahrzehntelang die Satzungsbestimmungen des Jahres 1984 angewandt habe, nun aber von deren Unwirksamkeit ausgehe; es liege ein Fall unzulässiger Rechtsausübung vor.
Am 04.04.2015 hat der Kläger einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw gerichteten Klage gestellt, den das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 31.05.2016 - 2 K 1438/16 - als unbegründet abgelehnt hat. Seine Entscheidung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen damit begründet, dass an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide keine ernstlichen Zweifel bestünden. Der Beitragsbescheid beruhe auf §§ 20 ff. KAG i.V.m. der AbwS 2012. Bedenken hinsichtlich deren Wirksamkeit seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch wenn die Satzung ausdrücklich nicht rückwirkend, sondern erst zum 01.10.2012 in Kraft gesetzt worden sei, folge daraus entgegen der Auffassung des Klägers nicht, dass auf der Grundlage der Satzung nur dann Beiträge erhoben werden könnten, wenn der Anschluss eines Grundstücks an den öffentlichen Kanal nach dem Inkrafttreten der Satzung erfolgt sei. Die Satzung selbst enthalte keine diesbezüglichen einschränkenden Vorschriften. Auch existierten keine sonstigen Vorschriften oder allgemeine Rechtsgrundsätze, nach denen Beiträge nur erhoben werden dürften, wenn die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Beitragssatzung geschaffen werde. Der vom Kläger zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 - 1 BvR 2961/14 u.a. - betreffe eine mit dem vorliegenden Fall in keiner Weise vergleichbare Konstellation. Im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 15.08.2013 sei auch die vierjährige Beitragsfestsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, da gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG die Beitragsschuld frühestens mit dem Inkrafttreten einer wirksamen Satzung entstehe. Es sei davon auszugehen, dass alle früheren Abwassersatzungen der Beklagten mangels rechtmäßiger Globalberechnung an so erheblichen Rechtsfehlern gelitten hätten, dass sie nichtig gewesen seien. Der Abgabenerhebung habe voraussichtlich auch nicht das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entgegengestanden. Auch wenn das baden-württembergische KAG bisher keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung vorsehe, sei dies jedoch unschädlich, weil die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit auch durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden könne. Treuwidrig sei die Abgabenerhebung zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zum anderen könne auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften wie etwa § 53 Abs. 2 LVwVfG zurückgegriffen werden. Gemessen hieran sei die Beitragserhebung der Beklagten voraussichtlich nicht treuwidrig. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass es für den Kläger aufgrund einer konkreten Pflichtverletzung der Beklagten unzumutbar sein könnte, mit der Abgabenerhebung konfrontiert zu werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand liege der Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch nicht mehr als 30 Jahre zurück. Das Grundstück des Klägers sei unstreitig im Jahr 1994 an die öffentliche Abwasserentsorgung angeschlossen worden. Ob dieser Zeitpunkt zugleich der Zeitpunkt der erstmaligen Anschlussmöglichkeit und damit der Zeitpunkt des Eintritts der tatsächlichen Vorteilslage sei, sei unklar. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des gegen die Beitragserhebung eingewandten Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liege indes beim Kläger, welcher jedoch ohne nähere Substantiierung lediglich vorgetragen habe, dass es möglich erscheine, dass die Anschlussmöglichkeit für sein Grundstück bereits vor dem Jahr 1994 bestanden habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Klägers hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 27.07.2016 - 2 S 1191/16 - zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Beitragsschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage entstehe, und zwar nicht nur dann, wenn zuvor keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert habe, sondern auch wenn frühere Satzungen nichtig gewesen seien. Konkrete Anhaltspunkte, die dafür sprächen, dass ein Anschluss bereits 30 Jahre vor dem Zeitpunkt des Erlasses des Beitragsbescheides bestanden habe, habe der Kläger nicht benannt. Soweit der Kläger der Auffassung sei, die Beitragsschuld habe nur im Falle einer rückwirkenden Inkraftsetzung der Abwassersatzung der Beklagten entstehen können, weil die Satzung maßgeblich sei, die im Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage gegolten habe, verkenne er, dass es nach der Senatsrechtsprechung nicht darauf ankomme, ob die tatsächliche Vorteilslage erst unter der zeitlichen Geltung der Beitragssatzung geschaffen worden sei oder bereits vorher bestanden habe. Soweit der Kläger der AbwS 1984 Wirksamkeit beimessen wolle, übersehe er, dass die Beklagte diese Wirksamkeit in § 51 Abs. 2 und Abs. 3 AbwS 2012 gerade ausgeschlossen habe, womit auf der Grundlage der AbwS 1984 keine Beitragsschuld habe entstehen können. Mangels hinreichender Substantiierung griffen seine Einwände, wonach der Vertrauensschutzgrundsatz verletzt sei bzw. die Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben unter Übernahme der zivilrechtlichen 30-jährigen Verjährungsfrist ungenügend sei, auch mit Blick darauf, dass andere Bundesländer zwischenzeitlich zeitliche Höchstgrenzen geschaffen hätten, nicht durch. Auch dürfte der Vorwurf des Klägers, die Beklagte sei aufgrund einer konkreten Pflichtverletzung nach Treu und Glauben nicht mehr befugt, ihn mit Abgabenforderungen zu überziehen, nicht berechtigt sein. Zwar könne es der Beklagten bei pflichtgemäßem Verhalten mangels eigener Normverwerfungskompetenz oblegen haben, von der Wirksamkeit ihrer eigenen Satzung aus dem Jahre 1984 auszugehen, so dass die Nichtveranlagung des Klägers in ihren Verantwortungsbereich falle. Es sei aber derzeit nicht erkennbar, dass ihr deshalb eine konkrete, der Abgabenerhebung entgegenstehende Pflichtverletzung vorzuhalten wäre.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.01.2017 abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Calw sowie auf die Gründe seines Beschlusses vom 31.05.2016 - 2 K 1438/16 - und die des Senatsbeschlusses vom 27.07.2016 - 2 S 1191/16 - verwiesen, die es sich zu eigen gemacht hat. Ergänzend hat es seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Abgabenerhebung gegenüber dem Kläger nicht treuwidrig sei. Eine Treuwidrigkeit der Abgabenerhebung durch bloßen Zeitablauf könne sich in Anlehnung an in § 53 Abs. 2 LVwVfG zum Ausdruck kommende allgemeine Rechtsgrundsätze grundsätzlich erst 30 Jahre nach Eintritt der tatsächlichen Vorteilslage ergeben. Auch die vom Kläger vorgelegten Unterlagen ließen nicht den Schluss zu, dass seit dem Eintritt der Vorteilslage mehr als 30 Jahren vergangen seien. Insbesondere lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die ausweislich der vorgelegten Bauunterlagen im Jahr 1960 genehmigte Dreikammerfaulgrube auf dem Grundstück des Klägers an das öffentliche Abwasserentsorgungsnetz der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Vielmehr spreche das vom Kläger vorgelegte Schreiben der Stadtverwaltung/Stadtwerke der Beklagten vom 15.08.1990 dafür, dass die Vorteilslage in Gestalt des erstmals möglichen Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigung im Jahr 1990 oder kurz davor entstanden sei. Dafür, dass die so verstandene Vorteilslage nicht länger als ein halbes Jahr vor dem tatsächlichen Anschluss geschaffen worden sei, mithin ungefähr zur Jahreswende 1989/1990, spreche wiederum § 3 Abs. 3 AbwS a.F., wonach bebaute Grundstücke an die öffentlichen Abwasseranlagen anzuschließen gewesen seien, sobald die für sie bestimmten öffentlichen Abwasseranlagen betriebsfertig gewesen seien. Sei - wie hier - die öffentliche Abwasseranlage erst nach Errichtung einer baulichen Anlage hergestellt worden, so hätte das Grundstück satzungsgemäß innerhalb von sechs Monaten nach der betriebsfertigen Herstellung angeschlossen werden müssen. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Vater des Klägers entgegen dieser rechtlichen Verpflichtung gehandelt haben könnte. Die Beitragserhebung sei auch nicht aus anderen Gründen, ggf. in Verbindung mit dem Zeitablauf von rund 24 Jahren zwischen Eintritt der Vorteilslage und Beitragserhebung, treuwidrig gewesen; es liege auch kein sonstiger Fall unzulässiger Rechtsausübung vor. Zwar habe die Beklagte - wie von der Kammer mit Urteil vom 11.09.2014 - 2 K 2326/13 - festgestellt, ihr Beitragswesen in der Vergangenheit nachlässig geführt und trotz spätestens im Jahr 1984 erlangter Erkenntnis, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Ausführungen der Kammer hätten allerdings allein die Frage betroffen, ob die Klägerin im dortigen Fall berechtigt gewesen sei, bereits vor dem Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheids vorbeugenden verwaltungsgerichtlichen Rechtschutz zu begehren. Die Kammer habe aus der allgemeinen Vernachlässigung des Beitragswesens der Beklagten in der Vergangenheit aber nicht den Schluss gezogen, dass eine Erhebung von Beiträgen auch dann unzulässig sei, wenn sich diese auf eine Vorteilslage beziehe, deren Eintritt weniger als 30 Jahre zurückliege. Auch im konkreten Fall des Klägers bestünden keine Anhaltspunkte, die es rechtfertigen würden, die Beitragserhebung für die rund 24 Jahre zurückliegende Vorteilslage als treuwidrig zu erachten. Der Umstand, dass sich in einem Zeitraum von 30 Jahren die Möglichkeiten der Rekonstruktion tatsächlicher Geschehensabläufe zunehmend verringerten, sei keine Besonderheit des vorliegenden Falles. Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass eine Sachverhaltsermittlung typischerweise erschwerende Umstände wie häufige Eigentümerwechsel nicht bestünden, weil das Haus des Klägers zuvor seinem Vater gehört und sich damit offenbar durchgehend in Familienbesitz befunden habe. Dies führe im Ergebnis auch dazu, dass der Kläger selbst noch Unterlagen seines Vaters habe ausfindig machen können, aus denen sich mit einer großen Wahrscheinlichkeit schließen lasse, dass die erstmalige Möglichkeit des Anschlusses des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigung zur Jahreswende 1989/1990 bestanden habe. Die von der Kammer in ihrem Urteil vom 11.09.2014 diagnostizierte Vernachlässigung des kommunalen Beitragswesens habe sich insoweit nicht zu Lasten des Klägers ausgewirkt. Auch stelle der Umstand, dass die Beklagte jahrzehntelang von einer Wirksamkeit der Vorschriften ihrer Abwassersatzung über die Beitragserhebung ausgegangen sei, nunmehr aber - kraft besseren Wissens - deren Rechtswidrigkeit erkannt und diese in § 51 Abs. 3 Satz 2 AbwS 2012 aufgehoben habe, keinen Ansatzpunkt für die Annahme einer Treuwidrigkeit der Beitragserhebung dar. Jedenfalls hinsichtlich des klägerischen Grundstücks sei die Beklagte bislang nicht von einer Wirksamkeit der Vorschriften über die Beitragserhebung ausgegangen; vielmehr seien hinsichtlich des Grundstücks des Klägers bis zur streitgegenständlichen Beitragserhebung keine Beiträge geltend gemacht worden. Insoweit sei nicht erkennbar, dass der Beklagten eine konkrete, der Abgabenerhebung entgegenstehende Pflichtverletzung vorzuhalten wäre.
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.01.2017 - 2 K 858/16 - hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 09.01.2018 hat der Senat die Berufung zugelassen.
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Zur Begründung seiner Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass die durch den Bescheid der Beklagten vom 15.08.2013 erfolgte Festsetzung der Beitragsschuld rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze, weil es im baden-württembergischen KAG nach wie vor keine Regelung gäbe, durch die dem verfassungsrechtlichen Auftrag der zeitlichen Begrenzung der Rechtsausübung Rechnung getragen werde. An der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Auslegung der „Rückwirkung von Satzungen ohne ausdrückliche Rückwirkungsanordnung“ könne insbesondere mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschlüsse vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - und vom 12.11.2015 - 1 BvR 2961/14 -) nicht mehr festgehalten werden, wonach es dem Gesetzgeber trotz seines weiten Gestaltungsspielraums verboten sei, ganz von einer zeitlichen Begrenzung der Rechtsausübung abzusehen. Durch die rückwirkende Anwendung der AbwS 2012 werde der Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der verfassungsrechtliche Auftrag an den Gesetzgeber zur Bestimmung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Rechtsausübung nach Eintritt der Vorteilslage durch die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht ersetzt werden könne, weil die Anwendung dieses Grundsatzes subjektiv unterschiedliche Auslegungen ermögliche, was die zwischenzeitlich in mehreren Bundesländern von den Gesetzgebern unterschiedlich bestimmten zeitlichen Höchstgrenzen und die unterschiedliche Auslegung dieses Grundsatzes durch die Oberverwaltungsgerichte verdeutliche. Gerade deshalb sei die Verlässlichkeit der Rechtsordnung ohne Bestimmung einer zeitlichen Höchstgrenze durch den Gesetzgeber nicht gewährleistet. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben komme nur ergänzend in Fällen des Zeitpunktes des Eintritts der Vorteilslage unterhalb der (für Baden-Württemberg vom Gesetzgeber erst noch zu bestimmenden) zeitlichen Höchstgrenze in Betracht. Soweit das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 11.09.2014 - 2 K 2326/13 - von einer analogen Anwendung der 30-jährigen Verjährungshöchstgrenze ausgehe, handele es sich nicht um die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben, sondern um eine unkritische pauschale Übernahme einer von vielen möglichen Vorschriften.
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Da die Nichtigkeit der AbwS 1984 der Beklagten zu keinem Zeitpunkt rechtswirksam festgestellt worden und diese auch nicht rückwirkend aufgehoben worden, sondern durch die AbwS 2012 lediglich ihr zeitlicher Geltungswille beendet worden sei, müsse der AbwS 1984 aus Vertrauensschutzgründen während ihrer Geltungsdauer jedenfalls ein formeller Geltungsanspruch mit der Folge zukommen, dass die Verwaltung der Beklagten gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gehalten gewesen wäre, deren Wirksamkeit im Festsetzungsverfahren zu unterstellen. An der entgegenstehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg könne mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 15.11.2015 - 1 BvR 2961/14 - nicht mehr festgehalten werden, denn danach sei für den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht und des Verjährungsbeginns die erste - auch unwirksame - Satzung maßgeblich. Gehe man dementsprechend davon aus, dass die sachliche Beitragsschuld des Klägers schon auf Grundlage der AbwS 1984 habe entstehen können, sei dies spätestens mit dem 31.12.1990 geschehen, so dass die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des 31.12.1994 eingetreten sei. Darüber hinaus habe die Beklagte vor der Neuregelung ihrer Abwassersatzung auch nicht davon ausgehen dürfen, dass ihr nach Erlass der ersten Beitragssatzung mehr als die gesetzliche vierjährige Festsetzungsfrist bleiben würde, um Beitragsbescheide gegenüber den Beitragspflichtigen zu erlassen. Aufgrund ihrer Gesetzesbindung sei sie verpflichtet gewesen, von der Wirksamkeit der eigenen Beitragssatzung auszugehen. Somit habe sie Anlass gehabt, die Beitragspflichtigen innerhalb von vier Jahren nach Erlass ihrer ersten Satzung zu veranlagen. Dass die Beklagte dies nicht getan habe, falle in ihren Verantwortungsbereich.
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Aus demselben Grund, der pflichtwidrigen Nichterhebung von Abwasserbeiträgen auf der Grundlage der AbwS 1984, habe die Beklagte ihren Beitragsanspruch auch verwirkt. Dass sie im Falle des Grundstücks des Klägers wegen Vernachlässigung ihres Beitragswesens - anders als in zahlreichen anderen Fällen, in denen sie auf der Grundlage ihrer AbwS 1984 Abwasserbeiträge erhoben habe - ihr Recht pflichtwidrig nicht ausgeübt habe, gehe zu ihren Lasten.
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Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19.01.2017 - 2 K 858/16 - zu ändern und den Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.08.2013 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw vom 17.02.2016 aufzuheben und
die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
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Zur Begründung verteidigt sie das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts und führt ergänzend im Wesentlichen aus, dass die Beitragsschuld des Klägers erst mit der Schaffung der für die Beitragserhebung erforderlichen wirksamen Satzung - mithin zum 01.10.2012 - habe entstehen können. Zwar enthalte § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG entgegen dem verfassungsrechtlichen Auftrag, den das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - erteilt habe, bisher keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung. Dies sei jedoch unschädlich, weil § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG verfassungskonform ausgelegt werden könne und müsse. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit könne durch einen Rückgriff auf den Treuwidrigkeitstatbestand unter analoger Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG genügt werden, so dass die Beitragserhebung erst ab 30 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage unzulässig sei. Über den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sicherstellt, dass Beiträge nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung der Vorteilslage festgesetzt werden dürften. Damit werde dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit hinreichend Rechnung getragen. Selbst wenn man dies jedoch mit der für Baden-Württemberg nicht maßgeblichen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 03.12.2014 - 4 L 59/13 -) anders sähe, würde die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Normen bis zur Schaffung einer verfassungskonformen Neuregelung in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen, so dass eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung vorzunehmen wäre. Eine Treuwidrigkeit der Abgabenerhebung durch bloßen Zeitablauf könne sich in Anlehnung an in die § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgrundsätze grundsätzlich erst 30 Jahre nach Eintritt der Vorteilslage ergeben.
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Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG gegeben. Zunächst einmal läge eine planwidrige Regelungslücke vor, denn nach den Gesetzgebungsmaterialien zum baden-württembergischen KAG habe sich der Gesetzgeber mit den Anforderungen des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht auseinandergesetzt. Dies sei von dem Gesetzgeber auch nicht zu erwarten gewesen, da die konkreten verfassungsrechtlichen Anforderungen erst seit der maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - bekannt seien. Mit Blick auf die gefestigte Rechtsprechung des Senats habe der baden-württembergische Gesetzgeber - trotz Einführung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung in anderen Bundesländern - auch davon ausgehen dürfen, dass insofern auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG im Wege der Analogie oder zumindest vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben zurückgegriffen werden könne, weswegen die Regelungslücke auch als planwidrig anzusehen sei. Überdies bestehe auch eine vergleichbare Interessenlage. § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG diene ebenso wie das Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz. Die analoge Anwendung sei auch nicht durch § 2 Abs. 2 Nr. 1 LVwVfG und § 3 KAG gesperrt, zumal es sich bei der Vorschrift des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG um den Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens handele. Auch sei die Höhe einer zeitlichen Obergrenze von 30 Jahren nach Maßgabe des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht zu beanstanden. Derartige Fristen seien dem gesamten Recht - was sich mit Blick auf § 197 Abs. 1 BGB und § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG zeige - nicht fremd. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderten Rechtssicherheit und -frieden eine Verjährung nach 30 Jahren - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Schließlich würden mit der analogen Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes die Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht überschritten. Auch folge aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 nicht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für den hier zu entscheidenden Fall, denn dem Landesgesetzgeber stehe ein weiter Gestaltungsspielraum zu, in welcher Weise er eine zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragspflichtigen definiere und so Rechtssicherheit gewährleiste. Ausreichend sei, wenn aufgrund des durch den Gesetzgeber hingenommenen Rückgriffs auf den Treuwidrigkeitstatbestand unter analoger Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG im Ergebnis sichergestellt sei, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Dies habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Grundsatzentscheidung vom 05.03.2013 übersehen, als es irrig davon ausgegangen sei, dass der Bürger der Beitragspflicht nach Ablauf von 30 Jahren nicht durch Rückgriff auf den Treuwidrigkeitstatbestand in Gestalt der Verwirkung entgehen könne.
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Bereits im erstinstanzlichen Verfahren habe der Kläger nicht darlegen können, dass die Vorteilslage zum Zeitpunkt der Beitragserhebung bereits mehr als 30 Jahre bestanden habe. Dies sei auch tatsächlich nicht der Fall, denn die Vorteilslage sei zum Jahreswechsel 1989/1990 eingetreten und der streitgegenständliche Bescheid sei dem Kläger im Jahr 2013 bekannt gegeben worden, so dass die zeitliche Höchstgrenze von 30 Jahren nicht überschritten worden sei.
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Die Beitragserhebung sei gegenüber dem Kläger auch nicht treuwidrig erfolgt. Eine Treuwidrigkeit ergebe sich nicht daraus, dass eine solche Auslegung nach Treu und Glauben denknotwendig zu unterschiedlichen Ergebnissen und damit zu unterschiedlichen zeitlichen Höchstgrenzen führen könne. Dass in den Bundesländern zum Teil unterschiedliche gesetzliche Höchstgrenzen bestünden oder die Oberverwaltungsgerichte zu unterschiedlichen Auslegungen gelangt seien, führe nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Dieser erfordere keinesfalls eine bundeseinheitliche zeitliche Höchstgrenze. In diesem Sinne habe auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 08.03.2017 - 9 B 19.16 - festgestellt, dass es keinen abstrakten Rechtssatz gebe, der eine feste zeitliche Obergrenze vorsähe oder die Heranziehung der dreißigjährigen Verjährungsfrist als Maßstab für die Bestimmung einer festen zeitlichen Obergrenze ausschließe.
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Eine Treuwidrigkeit ergebe sich weiterhin auch nicht daraus, dass es die Beklagte bis 2012 unterlassen habe, eine rechtswirksame Beitragssatzung zu erlassen. Denn aus einer allgemeinen Vernachlässigung ihres Beitragswesens in der Vergangenheit könne nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Beitragserhebung auch dann unzulässig sei, wenn sie sich auf eine Vorteilslage beziehe, deren Eintritt weniger als 30 Jahre zurückliege. Nachdem die Beklagte aufgrund der Nichtigkeit ihrer früheren Abwassersatzungen, worauf sie sich auch ohne entsprechende Feststellung in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren berufen könne, bis zum Inkrafttreten der AbwS 2012 zur Erhebung von Abwasserbeiträgen nicht berechtigt gewesen sei, habe sie ihr Recht zur Beitragserhebung auch nicht verwirkt. Nachdem die früheren Abwassersatzungen der Beklagten unabhängig von einer entsprechenden Erklärung mit Wirkung ex tunc nichtig gewesen seien, verfange die Argumentation des Klägers, wonach die Beklagte mit § 51 Abs. 3 AbwS 2012 die früheren Satzungen nicht rückwirkend aufgehoben habe, sondern lediglich ihre Geltung mit Ablauf des 30.09.2012 beendet habe, nicht.
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Das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts stehe auch nicht in Widerspruch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2015 - 1 BvR 2961/14 -, denn der vom Bundesverfassungsgericht entschiedene Fall beziehe sich auf die mit der baden-württembergischen Rechtslage nicht vergleichbaren Rechtslage in Brandenburg. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt in der Situation befunden, in der eine Heranziehung zu Anschlussbeiträgen aufgrund des Ablaufs der Festsetzungsfrist ausgeschlossen gewesen wäre. Mit dem Beschluss einer wirksamen Abwassersatzung habe der Kläger jederzeit rechnen müssen und somit auch mit seiner Heranziehung zu einem Beitrag.
23 
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde die Vertreterin der Beklagten - die Stadtkämmerin Frau Z. - informatorisch angehört. Sie hat ausgeführt, dass die Beklagte nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg vom 04.02.1991 bis zum Inkrafttreten der Abwassersatzung vom 25.07.2012 keine Abwasserbeitragsbescheide mehr erlassen habe. Zuvor sei die Beitragserhebung entweder für ganze Straßenzüge oder aber im Einzelfall bei Erteilung einer Baugenehmigung oder bei Anschluss eines Grundstücks an den Kanal erfolgt und ansonsten wohl unterblieben. Vor ihrer im April 2008 erfolgten Amtsübernahme sei ihre Stelle in der Stadtkämmerei elf Monate lang vakant gewesen. Nach mehrmonatiger Krankheit sei ihr Amtsvorgänger, Herr M., der auch in der Vergangenheit immer wieder krankgeschrieben gewesen sei und psychische Probleme gehabt habe, in den Vorruhestand versetzt worden. Danach sei die Stelle ca. sechs Monate lang nicht besetzt worden. Eine Amtseinführung oder Übergabe ihres Geschäftsbereichs habe sie nicht erhalten. Vielmehr habe sie praktisch bei Null angefangen. Aufgrund des damals aktuellen Prüfungsberichts der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg vom 22.03.2007, der auf S. 63 die vom Verwaltungsgericht Karlsruhe in seinem Urteil vom 11.09.2014 - 2 K 2326/13 - auf Seiten 2/3 wiedergegebene Passage enthalte, habe sie die Missstände im Abwasserwesen der Beklagten sofort erkannt und eine Aufarbeitung eingeleitet. Sie habe festgestellt, dass die Beklagte in der Vergangenheit bei einer Vielzahl von Grundstücken - Größenordnung 1.000 - keine Abwasserbeiträge erhoben habe. Sie habe eine Projektgruppe gegründet, die vorhandenen Beitragsakten sowie Bauakten ausgewertet, im Laufe der Jahre 2009 und 2010 versucht, die Akten unter Mitwirkung der Bürger zu vervollständigen und eine grundstücksscharfe Datenbank erstellt. Unterstützt worden sei sie dabei von einem externen Kommunalberatungsbüro, der Fa. A. Ab August 2010 seien dann Informationsschreiben an die Bürger versandt worden, dass die Beklagte beabsichtige, die noch nicht erhobenen Anschlussbeiträge zu erheben.
24 
Die Akten des Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe sowie die beigezogenen Akten aus dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe - 2 K 2326/13 - waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie mit einer ausreichenden Begründung versehen; die ergänzende Bezugnahme des Klägers auf das Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren ist zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, juris, Rn. 14; Bader, in: ders./Funke-Kaiser u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124a, Rn. 39).
26 
Die Berufung ist auch begründet. Der Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.08.2013 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw vom 17.02.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
I.
27 
Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung des Abwasserbeitrags gegenüber dem Kläger sind § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, §§ 29 ff. des baden-württembergischen des Kommunalabgabengesetzes (KAG) vom 17. März 2005 i.V.m. den §§ 22 - 36 der Satzung der Beklagten über die örtliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - AbwS) vom 25. Juli 2012 (im Folgenden: AbwS 2012).
28 
Nach § 22 Satz 1 AbwS 2012 erhebt die Stadt zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Abwasseranlagen einen Abwasserbeitrag. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AbwS 2012 unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich benutzt werden können. Gemäß § 24 Abs. 1 AbwS 2012 ist Beitragsschuldner, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Der Beitrag bemisst sich nach der Nutzungsfläche (§§ 25 - 31 AbwS 2012), der Beitragssatz ist in § 33 AbwS 2012 geregelt. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2012 entsteht die Beitragsschuld in den Fällen des § 23 Abs. 1, sobald das Grundstück an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden kann. Gemäß § 35 wird der Abwasserbeitrag einen Monat nach Bekanntgabe des Abgabebescheids fällig.
II.
29 
Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften steht die rechnerisch richtige Ermittlung und Festsetzung des Abwasserbeitrags für die klägerischen Grundstücke Flst.-Nrn. ... und ... (R... Weg ...) nicht in Streit; der Senat hat auch keine Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Anwendung der § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, §§ 29 ff. KAG i.V.m. den §§ 22 - 36 AbwS 2012.
30 
1. Für die mit dem angefochtenen Bescheid veranlagten Grundstücke des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.10.2012 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die §§ 22 - 36 AbwS 2012 der Beklagten - in Kraft getreten ist (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 1 AbwS 2012). Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit - wie vom Verwaltungsgericht zu Recht herausgearbeitet - bereits (ungefähr) seit der Jahreswende 1989/1990 und damit lange vor dem Inkrafttreten der AbwS 2012 der Beklagten bestanden hat. Denn es ist nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragsschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. Senatsurteil vom 14.03.1996 - 2 S 1560/93 -, juris, Rn. 19). Dies gilt nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (vgl. Senatsurteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 -, juris, Rn. 18 f.). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld (vgl. Senatsurteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 29).
31 
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist vorliegend auch die Festsetzungsverjährung nicht eingetreten.
32 
Der Senat teilt in diesem Zusammenhang nicht die Rechtsauffassung des Klägers, dass die Beklagte mangels rechtswirksamer Nichtigkeitsfeststellung der AbwS 1984 verpflichtet gewesen wäre, trotz erkannter Ungültigkeit deren Wirksamkeit in einem Festsetzungsverfahren mit der Folge zu unterstellen, dass daran anknüpfend die Festsetzungsverjährung hätte eintreten können. Denn entgegen der Auffassung des Klägers kann sich die Ungültigkeit einer Satzung nicht - gewissermaßen fiktiv - auf die Verjährung auswirken (vgl. Senatsurteile vom 28.09.1995 - 2 S 3068/94 - und - 2 S 3062 S 3069/94 -, juris, Rn. 27), weil der Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO an das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld anknüpft (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.1993 - 8 C 59.91 -, juris, Rn. 17; Senatsurteile vom 21.04.1994 - 2 S 1854/92 -, juris, Rn. 31 und vom 19.09.2002 - 2 S 976/02 -, juris, Rn. 17; ThürOVG, Beschluss vom 28.08.2008 - 4 EO 405/08 -, juris, Rn. 4; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 3 KAG, Rn. 27 [Stand August 2016]).
33 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist, und endet im Falle der Ungültigkeit einer Satzung nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.10.2012 entstanden ist, begann der Lauf der Festsetzungsfrist mit Beginn des Jahres 2013. Nachdem der angefochtene Bescheid bereits am 15.08.2013 erlassen und dem Kläger am 17.08.2013 zugestellt worden ist, ist Festsetzungsverjährung vorliegend nicht eingetreten.
III.
34 
Die angefochtenen Bescheide sind hier aber deswegen rechtswidrig, weil die Heranziehung des Klägers zu dem Abwasserbeitrag gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163). Der Senat hat inzwischen (anders als noch im Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 23) Bedenken, ob das baden-württembergische Kommunalabgabengesetz, soweit es nach dem Eintritt der Vorteilslage eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung erlaubt, ohne gesetzliche Bestimmung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung dem genannten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entspricht (zweifelnd ebenfalls: Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 32 KAG, Rn. 3 [Stand Oktober 2014] sowie Driehaus, KStZ 2014, 181, 182, dazu im Folgenden 1.). Diese Bedenken kommen jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich zum Tragen, weil die Heranziehung des Klägers unabhängig davon schon gegen den auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (dazu 2.).
35 
1. Nach § 32 Abs. 1 KAG
36 
„entsteht die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die Einrichtung (§ 20 Abs. 1 KAG) oder den Teil der Einrichtung (§ 29 Abs. 1 KAG) angeschlossen werden kann, in den Fällen des § 29 Abs. 2 KAG in dem Zeitpunkt, der in der ortsüblichen Bekanntgabe als Zeitpunkt der technischen Fertigstellung des Ausbaus genannt ist, in den Fällen des § 29 Abs. 3 KAG mit dem Eintritt der Änderung in den Grundstücksverhältnissen, frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Satzung. Die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen.“
37 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG
38 
„sind auf die Kommunalabgaben die folgenden Bestimmungen der Abgabenordnung sinngemäß anzuwenden, soweit sie sich nicht auf bestimmte Steuern beziehen und soweit nicht dieses Gesetz besondere Vorschriften enthält:
(...)
39 
Nr. 4c) aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung - über die Festsetzungs- und Feststellungsverfahren (...) § 170 Abs. 1 bis 3, § 171 Abs. 1 bis 3, Abs. 3a mit der Maßgabe, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet (...).“
40 
Die Regelung des § 32 Abs. 1 KAG erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Denn ohne wirksame Satzung - und auf eine solche kommt es nach oben unter II. Gesagtem an - kann eine Beitragsschuld nicht entstehen und deshalb eine daran anknüpfende Verjährungsfrist auch nicht in Lauf gesetzt werden. Das baden-württembergische Landesrecht setzt der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, derzeit keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch eine rechtswirksame Satzung ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen - entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit - das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, unberücksichtigt (ebenso für die vergleichbare Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern: BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 10). Der Gesetzgeber hat damit keinen Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage getroffen. Dies begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.
41 
In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - hat das Bundesverfassungsgericht Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28.12.1992 (im Folgenden BayKAG) wegen eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips für verfassungswidrig erklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 40). Dort war folgendes geregelt:
42 
„Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:
(...)
43 
Nr. 4b) cc) aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung - über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,
44 
- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und
- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (...).“
45 
Zu dieser Regelung hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt (a.a.O., juris, Rn. 41 ff.):
46 
„Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.
47 
Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.
48 
Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber. Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.
49 
Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. (...)
50 
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.“
51 
Ebenso wie die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 für verfassungswidrig erklärte bayerische Regelung erlaubt § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG nach dem Eintritt der Vorteilslage die zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen. Insofern sind die beiden Regelungen miteinander vergleichbar (in diese Richtung schon Senatsurteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 23). Dass § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Regelung zum Ende der Festsetzungsfrist und nicht zum Fristbeginn trifft, dürfte angesichts des jeweils maßgeblichen Anknüpfungspunkts an die Bekanntmachung einer gültigen Satzung nichts an dem vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Umstand ändern, dass der Gesetzgeber damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 40).
52 
Die Bedenken des Senats gegen das Fehlen einer gesetzlichen Höchstgrenze der Beitragsheranziehung werden bestätigt durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.09.2013 (- 1 BvR 1282/13 -, juris) und vom 12.11.2015 (- 1 BvR 2961/14 -, juris). Beide Entscheidungen betreffen § 8 Abs. 7 Satz 2 des KAG Brandenburg in der Fassung vom 17.12.2003, welcher - insoweit mit § 32 Abs. 1 KAG vergleichbar - bestimmt, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung entsteht, wobei die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die brandenburgische Regelung wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig erklärt und stellt sich dieses Rückwirkungsproblem nach der baden-württembergischen Rechtslage nicht, weil nach dem KAG Baden-Württemberg für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht - anders als nach brandenburgischer Rechtslage (dazu BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 - a.a.O., Rn. 45 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg) - seit jeher nicht die erste Beitragssatzung mit formellem Geltungsanspruch, sondern die erste rechtswirksame Beitragssatzung maßgeblich ist (vgl. Senatsurteile vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 -, juris, Rn. 18 und vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 27), mit der Konsequenz, dass auch die Festsetzungsverjährung erst mit Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung zu laufen beginnt. § 32 Abs. 1 KAG eröffnet damit, anders als § 8 Abs. 7 Satz 2 des KAG Brandenburg i.d.F. vom 17.12.2003, nicht die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Möglichkeit, einen Beitragsschuldner trotz eingetretener Festsetzungsverjährung erneut zu einem Beitrag heranzuziehen. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 03.09.2013 (- 1 BvR 1282/13 -, juris, Rn. 6) bestätigt, dass auch die mit § 32 Abs. 1 KAG vergleichbare Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Brandenburg unabhängig von dem dargestellten Rückwirkungsproblem deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil sie eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils ermöglicht.
53 
Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143, juris, Rn. 42 ff.). Dies gilt - unabhängig von dem vom Bundesverfassungsgericht konkret entschiedenen Fall - für das gesamte Beitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 9).
54 
Danach ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt maßgeblich darauf ab, dass es dem Gesetzgeber trotz seines weiten Gestaltungsspielraums verboten ist, ganz von einer zeitlichen Begrenzung abzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143, juris, Rn. 46 sowie unter expliziter Herausarbeitung der tragenden Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts: BVerwG, Beschluss vom 08.03.2017 - 9 B 19.16 -, juris, Rn. 43 f.). Dementsprechend hatte die Verfassungsbeschwerde im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren auch nicht wegen der im dortigen Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb Erfolg, weil im bayerische Landesrecht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmt war (so unter expliziter Herausarbeitung der tragenden Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts: BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 17).
55 
Ausgehend hiervon steht dem Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines Gestaltungsauftrages eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 49 f.). Zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze dürfte ein schematischer Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG allerdings ausscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Beschluss vom 08.03.2017 - 9 B 19.16 -, juris, Rn. 45).
56 
Soweit sich die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts auf die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden verfassungsrechtlichen Gebote beziehen, kommt ihnen gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung auch für das vorliegende Verfahren zu (vgl. Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 31, Rn. 58 f. m.w.N.; Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl. 2011, § 31, Rn. 30 m.w.N.). Die Bindungswirkung reicht jedoch nicht so weit, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit bzw. Unvereinbarkeit einer Norm sowie daran anknüpfender Folgen zugleich auch inhaltsgleiche oder -ähnliche Normen anderer Gesetzgeber erfasst. Diese bleiben unberührt und sind u.a. von den Gerichten zu beachten, die hierbei jedoch an die Auslegung und Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht gebunden sind. Daraus folgt, dass eine inhaltsgleiche Norm dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG oder dem Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 LV vorzulegen ist, falls die Zugrundelegung der bindenden verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Annahme auch ihrer Verfassungswidrigkeit führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.05.2017 - 9 B 71.16 -, juris, Rn. 7 m.w.N.).
57 
Gleichwohl ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder an den Verfassungsgerichtshof nicht geboten, wenn es auf die Wirksamkeit einer Norm in dem konkreten Verfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. In einem solchen Fall wäre die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG bzw. nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 LV bereits unzulässig (vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 100, Rn. 16 m.w.N.; Oebbecke, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, B, Rn. 57). So liegt es hier.
58 
2. Denn unabhängig von der Unzulässigkeit der gerichtlichen Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze ist die (nicht schematische) Anwendung des Grundsatzes unzulässiger Rechtsausübung im konkreten Einzelfall - so auch hier - zulässig und geboten. Die Gerichte sind unabhängig vom Bestehen eines gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags dazu berufen, dem Verfassungsrecht bei der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts im Einzelfall zur Geltung zu verhelfen. Dies gilt auch dann, wenn dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner Aufgabe, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen, mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich herbeizuführen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 24.11.2017 - 15 A 1812/16 -, juris, Rn. 73; OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 06.11.2017 - 6 A 11831/16 -, juris, Rn. 36 ff.; Martensen, LKV 2014, 446, 450; ähnlich unter Betonung von Gründen des Vertrauensschutzes Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 2 KAG, Rn. 14 [Stand November 2012]).
59 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 14. April 1978 - 4 C 6.76 -, vom 16. Mai 2000 - 4 C 4.99 - und vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, jeweils juris; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 53, Rn. 41 und Rn. 57). Unabhängig von der Frage, ob sich durch seine Anwendung die Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen des baden-württembergischen KAG sicherstellen lassen, ist die Erhebung eines Abwasserbeitrags jedenfalls dann unzulässig, wenn sie im konkreten Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt.
60 
Der Grundsatz von Treu und Glauben wird anhand von Fallgruppen konkretisiert. Neben der - vorliegend schon aus tatsächlichen Gründen nicht gegebenen - Fallgruppe der Verwirkung (dazu a), deren Anwendbarkeit im Abwasserbeitragsrecht offen bleiben kann (kritisch für das Sanierungsrecht insoweit BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris, Rn. 30), kann die Geltendmachung eines Rechts auch nach der Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung ausgeschlossen sein (dazu b).
61 
a) Die Annahme der Verwirkung eines Rechts setzt voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und dass besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment), was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.02.1974 - III C 115.71 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris, Rn. 30; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 53, Rn. 23; Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 53, Rn. 13; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 53, Rn. 23).
62 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn unabhängig von der Frage des Vorliegens des ausreichenden Zeitmoments fehlt es jedenfalls am Vorliegen des Umstandsmoments, denn der Kläger hat schon nicht substantiiert dargelegt, dass er infolge eines Verhaltens der Beklagten darauf vertraut hat, dass die Beklagte das Recht zur Beitragserhebung nicht mehr geltend machen würde und er im Vertrauen auf deren langjährige Untätigkeit schutzwürdige Dispositionen getroffen hat. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich.
63 
b) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung, die der Erhebung eines Abwasserbeitrags auch dann entgegensteht, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Dieser Einwand greift dabei nicht erst dann ein, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Vielmehr kann die Beitragserhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls auch schon zuvor treuwidrig sein und eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 34).
64 
Die Ausübung eines Rechts kann unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Beitragserhebung zu konfrontieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 31). Für die Annahme einer Treuwidrigkeit reicht zwar - wie bei der Fallgruppe der Verwirkung - jeweils für sich genommen weder ein längerer Zeitablauf aus noch eine bloße Untätigkeit der Gemeinde noch das Vorliegen rein interner Organisationsmängel, wie z.B. ungenügender Personaleinsatz oder die haushaltsrechtswidrige Nichterhebung fälliger Kommunalabgaben (entsprechend zur Verwirkung vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53, Rn. 24 m.w.N.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 53, Rn. 46 f.). In ihrer Kumulation können die Pflichtverletzungen jedoch ein solches Maß an Pflichtwidrigkeit annehmen, dass die Rechtsausübung - vor allem nach Vergehen einer langen Zeit zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung - unabhängig von einem konkret betätigten Vertrauen des Betroffenen unzulässig sein kann, insbesondere wenn sich das pflichtwidrige Verhalten der Gemeinde negativ auf Rechte oder Rechtsgüter des betroffenen Bürgers ausgewirkt haben kann. Die Pflichtverletzung der Gemeinde kann dabei auch in einem qualifizierten Unterlassen bestehen. Wann das der Fall ist, muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 31 f.; Senatsurteile vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 -, juris, Rn. 46 f., vom 20.03.2015 - 2 S 1327/14 -, juris, Rn. 53 f. und vom 21.06.2017 - 2 S1946/16 -, juris, Rn. 53 f.).
65 
Nach diesen Maßstäben ist die Beitragserhebung der Beklagten vorliegend als treuwidrig anzusehen, denn der Beklagten fallen mehrere lang andauernde, zum Teil qualifizierte Pflichtverletzungen zur Last (dazu unten bb), die es nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls nicht mehr als zumutbar erscheinen lassen, den Kläger zu dem mit Beitragsbescheid vom 15.08.2013 festgesetzten Abwasserbeitrag in Höhe von 7.395,90 EUR heranzuziehen (dazu unten cc). Auf die - letztendlich bis zur professionellen internen und externen Aufarbeitung im Jahr 2009 - jahrzehntelang bestehenden Missstände der Verwaltung der Beklagten im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens (dazu im Einzelnen sogleich aa) hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits im Urteil vom 11.09.2014 (- 2 K 2326/13 -, juris, Rn. 20) hingewiesen. Sie sind zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
66 
aa) Nach den vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens der Beklagten insbesondere in folgenden Bereichen erhebliche langjährige Missstände bestanden:
67 
- Abwassersatzungsrecht, insbesondere mit Blick auf die fehlerhafte Globalberechnung,
- Art und Weise der Beitragserhebung im Gemeindegebiet,
- Aktenführung und Dokumentation,
- verwaltungsinterner Organisationsmangel durch unzureichende Personalausstattung der Stadtkämmerei.
68 
(1) Langjährige Mängel des Wasser-/Abwasserbeitragswesens der Beklagten bestanden bis zur Schaffung neuen Satzungsrechts am 25.07.2012 in deren Abwassersatzungsrecht. Zu Recht geht die Beklagte insoweit davon aus, dass ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 25. Juli 1984 (im Folgenden: AbwS 1984) unwirksam war. Zwar lag dieser Satzung entsprechend der Rechtsprechung des Senats eine Globalberechnung zugrunde. Diese war aber unzureichend, da die bis 1993 prognostizierten Herstellungskosten (Teilbetrag Abwasserkanal und biologischer Teil Klärwerk) unzutreffend berechnet waren. Mangels ordnungsgemäßer Kalkulationsgrundlage und fehlender Ermessensausübung des Gemeinderats hinsichtlich einzelner Aspekte der Globalberechnung litt die AbwS 1984 an einem zu ihrer Nichtigkeit führenden Mangel (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.07.1984 - 2 S 1352/81 -, BWVPr 1984, 278, vom 27.11.1989 - 2 S 2097/89 -, VBlBW 1990, 306 und vom 14.05.1990 - 2 S 1372/88 -, juris, Rn. 17; Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Teil III, § 8 [Beiträge] Stand: Mrz. 2006, Rn. 674). Dass dies in Bezug auf die konkrete Satzung der Beklagten bislang gerichtlich nicht festgestellt wurde, ändert nichts an der Nichtigkeit der AbwS 1984, denn diese Folge tritt eo ipso ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.05.1993 - 4 N 2.92 -, juris, Rn. 17; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 47, Rn. 119).
69 
Auf die Fehlerhaftigkeit der Globalberechnung 1984 wurde die Beklagte erstmals bereits im Prüfungsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (im Folgenden: GPA) vom 04.02.1991 hingewiesen und zur Überarbeitung mit anschließender erneuter Beschlussfassung des Gemeinderats aufgefordert (Rn. 25, 27). Weitere entsprechende Hinweise und Aufforderungen folgten in den Prüfungsberichten der GPA vom 30.09.1993 (Rn. 30) und vom 19.02.1996 (Rn. 34). Im Prüfungsbericht der GPA vom 15.12.1999 wurde die Untätigkeit der Beklagten erneut gerügt und sie eindringlich und unter Hinweis „auf das bereits seit Jahren bestehende erhebliche Prozessrisiko“ zur alsbaldigen Aktualisierung der Globalberechnung aufgefordert (a.a.O, Rn. 50). Eine solche unterblieb bis zur Fortschreibung im Jahr 2007.
70 
Bereits nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts vom 04.02.1991 erließ die Beklagte bewusst keine auf die AbwS 1984 gestützten Beitragsbescheide mehr. Vielmehr hob sie - wie sich S. 21 der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats am 08.02.2012 entnehmen lässt - auf Anraten ihres damaligen Bevollmächtigten mit Blick auf die fehlende Fortschreibung der Globalberechnung 1984 auf den Widerspruch eines Betroffenen hin bereits im Jahr 1993 einen Abwasserbeitragsbescheid auf.
71 
Demnach war der Beklagten spätestens nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 04.02.1991 bewusst, dass keine gültige Abwassersatzung vorlag. Gleichwohl unterließ sie es, die gebotene Globalberechnung 1984 fortzuschreiben und auf dieser Grundlage gültiges Satzungsrecht zu schaffen. Zwar mag von Treuwidrigkeit nicht immer schon dann auszugehen sein, wenn die Gemeinde eine als ungültig erkannte Satzung pflichtwidrig nicht zeitnah aufhebt (so BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 32 zur entgegen § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig erfolgten Aufhebung einer Sanierungssatzung). Jedoch weist der vorliegende Einzelfall die Besonderheit auf, dass die Beklagte zur Überzeugung des Senats die Missstände in ihrem Abwasserwesen zumindest im Zeitraum von 1991 (nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 04.02.1991) bis etwa Herbst 2009 (öffentlichkeitswirksame Aufarbeitung ihres Abwasserwesens) trotz z.T. eindringlicher Aufforderungen der GPA - etwa mit Prüfungsbericht vom 15.12.1999 - fortbestehen ließ. Auch nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 änderte sich zunächst nichts (vgl. dazu auch unten (4). In diesem Prüfungsbericht ist auf S. 63 ausgeführt:
72 
„Die Prüfung hat sich schwerpunktmäßig auf den Stand der Veranlagungen bei den Anschlussbeiträgen erstreckt.
73 
Dabei hat sich gezeigt, dass aufgrund der seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte. Die Prüfung wurde auch dadurch erschwert, dass der für die Beitragsveranlagung zuständige Stadtkämmerer wenig zur Sachverhaltsaufklärung beitragen konnte. Nach dem bei der Prüfung gewonnenen Eindruck lässt sich allerdings folgendes feststellen:
74 
Aufgrund der vorgefundenen Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Anschlussbeiträge von der Stadt in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind. In vielen Fällen wurde der Beitrag entgegen der satzungsrechtlichen Regelung im beplanten oder unbeplanten Innenbereich erst beim tatsächlichen Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben. Von den Beitragspflichtigen wurde dann in Einzelfällen geltend gemacht, dass die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten sei (z.B. Entwässerungsbeitrag für die FlSt.-Nr. ..., ...), woraufhin die Beitragsbescheide aufgehoben werden mussten. Andererseits wurden im Prüfungszeitraum aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt, die bereits in früheren Jahren schon einmal zum Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden waren. Aufgrund von Widersprüchen der Beitragspflichtigen mussten diese Veranlagungen ebenfalls wieder aufgehoben werden (z.B. FlSt.-Nr. ..., ...).
75 
Es ist davon auszugehen, dass in der Vergangenheit nicht nur in Einzelfällen die Veranlagung von beitragspflichtigen Grundstücken unterblieben ist. Auf die in Anlage 7 aufgeführten Grundstücke wird verwiesen. Aufgrund der unvollständigen und unübersichtlichen Aktenführung bedürfen diese Fälle einer weiteren Überprüfung. Darüber hinaus konnte für eine Vielzahl von Grundstücken die Frage der Beitragserhebung nicht geklärt werden. Für zahlreiche Grundstücke sind nur Entwässerungsbeitragsbescheide aktenkundig; ob eine Veranlagung des Wasserversorgungsbeitrags erfolgt oder aus welchen Gründen diese unterblieben ist, konnte oftmals nicht geklärt werden. Im Blick auf die finanziellen Auswirkungen und die Gleichbehandlung der Abgabenpflichtigen ist das Beitragswesen der Stadt grundsätzlich zu ordnen. Darüber hinaus sind für eine rechtmäßige Beitragserhebung zwingend die erforderlichen Grundlagen zu schaffen.“
76 
(2) Ein weiterer langjähriger, bis zum Erhebungsstopp im Jahr 1991 andauernder Mangel im Beitragswesen der Beklagten ist in der Art und Weise ihrer Beitragserhebung im Gemeindegebiet zu sehen. Zunächst einmal erfolgte die Beitragserhebung auf Grundlage der AbwS 1984 nicht einheitlich im ganzen Gemeindegebiet, sondern entweder nach Straßenzügen oder nur einzelfallbezogen (bei Erteilung einer Baugenehmigung oder bei Anschluss an den Kanal), so dass - worauf die GPA in ihrem Prüfungsbericht vom 22.03.2007 hingewiesen hat - die Anschlussbeiträge von der Stadt nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind. Ob die damalige Verwaltungspraxis als willkürlich bezeichnet werden kann, wofür die Aussage im an den Kläger gerichteten Informationsschreiben vom 21.01.2011 sprechen könnte, wonach es sein könne, dass sich in einer Straße der eine Eigentümer an den Kosten für die Herstellung der Anlagen durch Beitragszahlung beteiligt habe, sein Nachbar jedoch nicht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls erfolgte die Beitragserhebung im Gemeindegebiet in einer Vielzahl von Fällen (Größenordnung: 1.000 von 3.000 Grundstücken - vgl. dazu auch die Stellungnahme der Beklagten gegenüber dem Landratsamt Calw vom 04.11.2014 betreffend die Rechtsaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 08.10.2014) nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien. Mit der damals strukturellen Unordnung im Beitragswesen der Beklagten dürfte auch zusammenhängen, dass die Beklagte - wie im Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 festgestellt - in den 1990er-Jahren auf den Widerspruch von Betroffenen hin wiederholt rechtswidrige Beitragsbescheide aufhob.
77 
(3) Im Zusammenhang mit der Art und Weise der Beitragserhebung stehen auch die langjährig bestehenden Mängel in Aktenführung und Dokumentation. Wie sich dem Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 entnehmen lässt, konnte der Stand der Beitragserhebung anhand der vorgefundenen Aktenlage nicht abschließend ermittelt werden, insbesondere konnte für eine Vielzahl von Grundstücken die Frage der Beitragserhebung überhaupt nicht geklärt werden. Vielmehr ging die GPA davon aus, dass die Anschlussbeiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind und dass die Veranlagung von beitragspflichtigen Grundstücken nicht nur in Einzelfällen unterblieben ist. Dem an den Kläger gerichteten Informationsschreiben vom 21.01.2011 ist zu entnehmen, dass - auch nach Aufarbeitung des Beitragswesens unter Zuhilfenahme externer Hilfe - für das Grundstück Flst.-Nr. ... des Klägers keine entsprechenden Unterlagen gefunden wurden, weswegen die Beklagte von einer noch nicht erfolgten Beitragserhebung bzgl. der Beitragsarten „Kanalbeitrag“ und „Klärbeitrag“ ausging. Die Beklagte teilte aber zugleich mit, dass nicht ausgeschlossen sei, dass für das klägerische Grundstück doch bereits einmal Beiträge bezahlt worden seien. Laut Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 wurden aufgrund der unzureichenden Dokumentation von der Beklagten auch Grundstücke veranlagt, die bereits in früheren Jahren schon einmal zum Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden waren. Zudem lassen sich der Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 08.02.2012 - Seite 21 f. - verschiedene Fallgruppen zur unzureichenden Aktenführung der Beklagten entnehmen, u.a. hinsichtlich „unklarer Unterlagen“, „indirekter Unterlagen“, „Klärbeiträgen 1977 - 1978“ und „keine Unterlagen vorhanden/ermittelbar“.
78 
(4) Wie bereits oben unter (1) dargestellt, verging nach dem Bekanntwerden des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 bis zur Schaffung gültigen Satzungsrechts am 25.07.2012 ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Zeitraum von mehr als fünf Jahren.
79 
Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Beklagten mit rund 7.500 Einwohnern um eine Kleinstadt mit beschränkten personellen Verwaltungskapazitäten handelt. Der Senat sieht weiterhin, dass sich die neue Stadtkämmerin, Frau Z., nach ihrer Amtsübernahme sogleich der Aufarbeitung des Beitragswesens der Beklagten widmete. Angesichts der langjährigen Untätigkeit der Beklagten in der davor liegenden langen Zeit und der Deutlichkeit und Vehemenz des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 erscheint der Zeitraum bis zur Schaffung gültigen Satzungsrechts am 25.07.2012 gleichwohl unangemessen lang. Insbesondere hätte es der Gemeindeverwaltung der Beklagten oblegen, die Aufgaben des Stadtkämmerers nach Bekanntwerden des GPA-Prüfungsberichts 2007 sogleich anzugehen und damit nicht bis zum im April 2008 erfolgten Amtsantritt der neuen Stadtkämmerin zuzuwarten.
80 
bb) Die soeben dargelegten Missstände im Wasser-/Abwasserbeitragswesen beruhen auf mehreren, z.T. lang andauernden und z.T. qualifizierten Pflichtverletzungen der Beklagten, die sich zumindest teilweise auch auf den Kläger ausgewirkt haben können.
81 
(1) Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht schon darin zu sehen sein, dass sie es nach erkannter Unwirksamkeit ihrer AbwS 1984 unterließ, rechtswidrige Beitragsbescheide zu erlassen. Zwar ist die Gemeindeverwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht - und damit auch an das kommunale Abwassersatzungsrecht - gebunden und es steht ihr auch keine „Normverwerfungskompetenz“ zu. Gleichwohl dürfte sie nicht verpflichtet gewesen sein, die von ihr als unwirksam erkannte AbwS 1984 weiter anzuwenden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15.10.1999 - 1 M 3614/99 -, juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 10.04.1986 - III ZR 209/84 -, juris, Rn. 29; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18 Aufl. 2011, § 4, Rn. 66 ff.). Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben (so auch schon Senatsurteil vom 25.06.1992 - 2 S 1447/90 -, juris, Rn. 22). Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist jedenfalls darin zu sehen, dass sie es spätestens nach im Jahr 1991 erkannter Unwirksamkeit der AbwS 1984 unterlassen hat, die gebotene Globalberechnung 1984 fortzuschreiben und auf dieser Grundlage gültiges Satzungsrecht zu schaffen. In jedem Fall hätte es der Gemeindeverwaltung und dem Bürgermeister als deren Leiter oblegen, beim für die Satzungsänderung zuständigen Gemeinderat, dessen Vorsitzender der Bürgermeister ist, hierauf hinzuwirken.
82 
Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Fortschreibung der gebotenen Globalberechnung bis ins Jahr 2007 und die Aufarbeitung ihres Abwasserwesens sogar bis ins Jahr 2008 hinein trotz mehrfacher, z.T. eindringlicher Aufforderungen der GPA unterließ. Die Schaffung gültigen Satzungsrechts erfolgte dann schließlich erst im Jahr 2012. Der Zeitraum, in dem der Gemeinde eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, beträgt schon ausgehend von einem sicheren Erkennen der Unwirksamkeit der AbwS 1984 spätestens im Jahr 1991 16, 17 bzw. 21 Jahre. Personalmangel und/oder -ausfälle, wie sie nach Auskunft der Stadtkämmerin Frau Z. vor ihrem Amtsantritt bei der Beklagten bestanden haben mögen oder fehlende eigene Sachkompetenz einer Gemeinde (vgl. dazu S. 52 der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats am 25.03.2009) sind nicht geeignet, die genannte Pflichtverletzung zu rechtfertigen, zumal die Missstände zur Überzeugung des Senats langjährig und nicht nur infolge leichter Nachlässigkeit bzw. Fahrlässigkeit bestanden haben (vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 20.12.2007 - OVG 4 B 19.07 -, juris, Rn. 38). Hinzu kommt, dass die Beklagte auch bereits vor dem Erhebungsstopp im Jahr 1991 pflichtwidrig handelte, indem sie die Beiträge aufgrund der AbwS 1984 im Gemeindegebiet nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien erhob.
83 
Bis zur grundlegenden Aufarbeitung des Beitragswesens weist auch die unvollständige Aktenführung und unzureichende Dokumentation in diesem Bereich Pflichtverletzungen auf, was u.a. zur Folge hatte, dass es z.T. zu unzulässigen Doppelveranlagungen kam und sich die beitragsrelevanten Sachverhalte - selbst nach einer professionellen und gründlichen Aufarbeitung - offenbar nicht nur vereinzelt nicht mehr vollständig und rechtssicher ermitteln lassen.
84 
Denn auch ohne dass es eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedarf, besteht nach dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG die behördliche Pflicht zur Anlegung und Führung von Akten (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 06.06.1983 - 2 BvR 244/83 -, juris, Rn. 2; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 55; Nds. OVG, Urteil vom 28.04.2015 - 5 LB 141/14 -, juris, Rn. 97 ff.; Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24, Rn. 51 und § 29 Rn. 16 m.w.N.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 29 f.). Zumal bei Rechtsvorgängen, die sich - wie im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens - meist über längere Zeit erstrecken, ist die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das zukünftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Erst derartige schriftliche Akten gestatten der vollziehenden Gewalt eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände ohne Rücksicht darauf, ob aus innerorganisatorischen Gründen oder wegen der Zuständigkeitsbegründung einer anderen Behörde ein neuer Bediensteter, der kein eigenes Wissen über die Vorgeschichte besitzt, mit der Bearbeitung der Sache betraut wird. Die Aktenführung liegt damit zugleich im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Einzelnen, der nur auf der Grundlage möglichst vollständiger Erfassung aller rechtlich erheblichen Tatsachen seinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf angemessene Behandlung seiner Angelegenheit durch die zuständigen Behörden - und gegebenenfalls durch die Gerichte - mit Erfolg geltend machen kann (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 06.06.1983 - 2 BvR 244/83 -, juris, Rn. 2). Gerade mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kommt der Aktenführungspflicht eine subjektiv-rechtliche Seite zu (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 56 und Rn. 59). Im Einzelnen sind die Behörden verpflichtet, den bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablauf objektiv, vollständig, nachvollziehbar und wahrheitsgemäß zu dokumentieren (Gebot der Aktenwahrheit, Aktenklarheit und Aktenvollständigkeit; vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.05.2013 - 3 L 398/13 -, juris, Rn. 5; Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24, Rn. 51 und § 29 Rn. 16; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 12c). Was wesentlich ist, richtet sich nach dem jeweiligen materiellen und formellen Recht des jeweiligen Rechtsgebiets, wobei insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit im öffentlichen und privaten Interesse zu berücksichtigen ist. Zu den zur Verwaltungsakte zu nehmenden wesentlichen Vorgängen gehören außer den bei der Behörde eingegangenen verfahrensbezogenen Dokumente auch Kopien eigener Schreiben, behördliche Verfügungen, Niederschriften über Besprechungen und Vermerke über alle sonstigen erheblichen Vorgänge sowie schriftliche Niederlegungen einer Beweiserhebung (vgl. Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 29, Rn. 16; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 32). Schließlich sind die Behörden verpflichtet, den Aktenbestand langfristig zu sichern (vgl. Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 29, Rn. 17 m.w.N.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 31; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 1b). Pflichtverletzungen im Bereich der Aktenführung und Dokumentation gehen zumindest dann zu Lasten der Behörde, wenn eine Aktenführung ganz unterbleibt oder wenn bestehende Akten oder Aktenteile im Rahmen der Sachbearbeitung keine Berücksichtigung finden, etwa weil sie nicht auffindbar sind oder vom Sachbearbeiter nicht herangezogen worden sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.04.2015 - 5 LB 141/14 -, juris, Rn. 99). Dementsprechend kann - unter dem Gesichtspunkt des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung eine Beweislastumkehr zu Gunsten des beweispflichtigen Bürgers zur Folge haben (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 53; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 1c; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 32).
85 
(2) Die genannten Pflichtverletzungen der Beklagten können sich zumindest teilweise auch auf den Kläger nachteilig ausgewirkt haben, weswegen es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls treuwidrig und nicht mehr zumutbar erscheint, ihn zu dem mit Beitragsbescheid vom 15.08.2013 festgesetzten Abwasserbeitrag in Höhe von 7.395,90 EUR heranzuziehen.
86 
Zu sehen ist insoweit zunächst, dass zwischen dem vom Verwaltungsgericht zu Recht (ungefähr) auf die Jahreswende 1989/1990 taxierten Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage für das klägerische Grundstück und der verfahrensgegenständlichen Beitragsfestsetzung vom 15.08.2013 rund 23 ½ Jahre liegen.Unabhängig von der vom baden-württembergischen Landesgesetzgeber zu bestimmenden Höchstfrist liegt ein Zeitraum von über zwei Jahrzehnten zumindest in einem Bereich, in dem etwa die Landesgesetzgeber in Bayern (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 1 BayKAG), Mecklenburg-Vorpommern (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V) und Sachsen (vgl. § 3a Abs. 3 SächsKAG) eine Beitragserhebung nicht mehr gestatten. Zwar begründet der lange Zeitablauf zwischen dem tatsächlichen Anschluss oder der erstmaligen Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung für sich allein noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers darauf, zu Beiträgen nicht (mehr) herangezogen zu werden, wenn er zugleich die Vorteile der Einrichtung in Anspruch nimmt bzw. in Anspruch nehmen konnte (vgl. Senatsurteil vom 28.09.1995 - 2 S 3068/94 -; ähnlich unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung: BayVGH, Beschluss vom 05.12.2001- 23 ZS 01.2926 -, juris, Rn. 5). Jedoch ist die erhebliche Zeitdauer im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände ein Faktor unter mehreren, der - wie vorliegend - gegen die fortbestehende Zumutbarkeit der Abgabenerhebung sprechen kann.
87 
Im konkreten Einzelfall ist weiter zu berücksichtigen, dass die aufgezeigten qualifizierten Pflichtverletzungen der Beklagten insoweit Außenwirkung hatten, als eine Beitragserhebung im Zeitraum vom 1991 bis nach dem Inkrafttreten der AbwS 2012 gemeindeweit unterblieb, wobei die Missstände im Wasser-/Abwasserbeitragswesen in der beklagten Gemeinde allgemein bekannt gewesen sein dürften, nachdem die Beklagte - wie im Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 festgestellt - in den 1990er-Jahren auf den Widerspruch von Betroffenen hin wiederholt rechtswidrige Beitragsbescheide aufhob. Vor diesem Hintergrund bestand - worauf die Stadtkämmerin Fr. Z. im Rahmen der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 25.03.2009 (vgl. Niederschrift, Seite 52) zu Recht hingewiesen hatte - ein Zustand der Rechtsunsicherheit, der zwar für sich genommen der Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens auf künftig unterbleibende Beitragserhebung entgegengestanden haben kann, jedoch insbesondere angesichts seiner erheblichen Dauer als weiterer, gegen die fortbestehende Zumutbarkeit der Abgabenerhebung sprechender Umstand angesehen werden muss (weitergehend: Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 2 KAG, Rn. 14 [Stand November 2012], der in diesem Fall aus Gründen des Vertrauensschutzes einen gänzlichen Ausschluss der Abgabenerhebung für möglich erachtet).
88 
Von besonderer Bedeutung ist weiterhin, dass die mangelhafte Aktenführung und Dokumentation der Beklagten konkrete Auswirkungen auf den Fall des Klägers hatte. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich der Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage hinsichtlich der klägerischen Grundstücke heute nicht mehr exakt und sicher bestimmen lässt, weswegen auch das Verwaltungsgericht - letztlich nur unter Würdigung verschiedener Umstände und Indizien - lediglich zur ungefähren Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts gelangt ist. Nachdem es im Gemeindegebiet in der Vergangenheit mehrfach zu rechtswidrigen Doppelveranlagungen gekommen war, lässt sich nach den Unterlagen der Beklagten auch nicht sicher ausschließen, dass für die Grundstücke - etwa vom Vater des Klägers als dessen Rechtsvorgänger - bereits schon einmal Beiträge bezahlt worden sind, von denen die Beteiligten übereinstimmend keine Kenntnis haben.
89 
Insofern bestehen Unklarheiten im Sachverhalt, hinsichtlich derer es unbillig erscheint, etwaige Nachteile dem Kläger aufzuerlegen. Dass er selbst noch Unterlagen seines Vaters ausfindig machen konnte, aus denen das Verwaltungsgericht „mit großer Wahrscheinlichkeit“ auf den Zeitpunkt der erstmaligen Anschlussmöglichkeit des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigung zur Jahreswende 1989/1990 geschlossen hat, kann ihm nicht entgegengehalten werden und entlastet die Beklagte nicht, zumal diese - wie sich der Aufstellung anhängiger Widerspruchsverfahren im an die Beklagte gerichteten Hinweisschreiben des Landratsamts Calw vom 28.10.2014 zum Petitionsverfahren 15/03204 entnehmen lässt - in 368 von 421 Fällen, in denen Widerspruch erhoben worden war, Abwasserbeitragsbescheide hinsichtlich Grundstücken erlassen hatte, bei denen die Vorteilslage bereits vor mehr als 30 Jahren vor deren Erlass eingetreten war. Nach dem oben Ausgeführten geht eine Verletzung der Verpflichtung zur Führung ordnungsgemäßer und vollständiger Akten sowie zu deren langfristiger Aufbewahrung zu Lasten der Beklagten.
90 
Bei einer Gesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände kommt der Senat daher im vorliegenden Einzelfall zu dem Ergebnis, dass es trotz langjähriger Nutzung der öffentlichen Abwassereinrichtungen durch den Kläger bzw. dessen Vater hier nicht mehr zumutbar erscheint, ihn mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren.
91 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
92 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war hier nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es dem Kläger angesichts der Komplexität der Rechtslage nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst zu führen.
93 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
94 
Beschluss vom 12. Juli 2018
95 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 7.395,90 EUR festgesetzt.
96 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
25 
Die Berufung des Klägers ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie mit einer ausreichenden Begründung versehen; die ergänzende Bezugnahme des Klägers auf das Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren ist zulässig (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.06.1998 - 9 C 6.98 -, juris, Rn. 14; Bader, in: ders./Funke-Kaiser u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 124a, Rn. 39).
26 
Die Berufung ist auch begründet. Der Abwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 15.08.2013 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Calw vom 17.02.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und das klageabweisende Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern.
I.
27 
Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung des Abwasserbeitrags gegenüber dem Kläger sind § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, §§ 29 ff. des baden-württembergischen des Kommunalabgabengesetzes (KAG) vom 17. März 2005 i.V.m. den §§ 22 - 36 der Satzung der Beklagten über die örtliche Abwasserbeseitigung (Abwassersatzung - AbwS) vom 25. Juli 2012 (im Folgenden: AbwS 2012).
28 
Nach § 22 Satz 1 AbwS 2012 erhebt die Stadt zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Abwasseranlagen einen Abwasserbeitrag. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 AbwS 2012 unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, für die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich benutzt werden können. Gemäß § 24 Abs. 1 AbwS 2012 ist Beitragsschuldner, wer im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheids Eigentümer des Grundstücks ist. Der Beitrag bemisst sich nach der Nutzungsfläche (§§ 25 - 31 AbwS 2012), der Beitragssatz ist in § 33 AbwS 2012 geregelt. Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 AbwS 2012 entsteht die Beitragsschuld in den Fällen des § 23 Abs. 1, sobald das Grundstück an den öffentlichen Kanal angeschlossen werden kann. Gemäß § 35 wird der Abwasserbeitrag einen Monat nach Bekanntgabe des Abgabebescheids fällig.
II.
29 
Unter Zugrundelegung dieser Vorschriften steht die rechnerisch richtige Ermittlung und Festsetzung des Abwasserbeitrags für die klägerischen Grundstücke Flst.-Nrn. ... und ... (R... Weg ...) nicht in Streit; der Senat hat auch keine Anhaltspunkte für eine rechtswidrige Anwendung der § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 1, §§ 29 ff. KAG i.V.m. den §§ 22 - 36 AbwS 2012.
30 
1. Für die mit dem angefochtenen Bescheid veranlagten Grundstücke des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.10.2012 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die §§ 22 - 36 AbwS 2012 der Beklagten - in Kraft getreten ist (vgl. § 51 Abs. 3 Satz 1 AbwS 2012). Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit - wie vom Verwaltungsgericht zu Recht herausgearbeitet - bereits (ungefähr) seit der Jahreswende 1989/1990 und damit lange vor dem Inkrafttreten der AbwS 2012 der Beklagten bestanden hat. Denn es ist nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragsschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. Senatsurteil vom 14.03.1996 - 2 S 1560/93 -, juris, Rn. 19). Dies gilt nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (vgl. Senatsurteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 -, juris, Rn. 18 f.). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld (vgl. Senatsurteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 29).
31 
2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist vorliegend auch die Festsetzungsverjährung nicht eingetreten.
32 
Der Senat teilt in diesem Zusammenhang nicht die Rechtsauffassung des Klägers, dass die Beklagte mangels rechtswirksamer Nichtigkeitsfeststellung der AbwS 1984 verpflichtet gewesen wäre, trotz erkannter Ungültigkeit deren Wirksamkeit in einem Festsetzungsverfahren mit der Folge zu unterstellen, dass daran anknüpfend die Festsetzungsverjährung hätte eintreten können. Denn entgegen der Auffassung des Klägers kann sich die Ungültigkeit einer Satzung nicht - gewissermaßen fiktiv - auf die Verjährung auswirken (vgl. Senatsurteile vom 28.09.1995 - 2 S 3068/94 - und - 2 S 3062 S 3069/94 -, juris, Rn. 27), weil der Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO an das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld anknüpft (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.12.1993 - 8 C 59.91 -, juris, Rn. 17; Senatsurteile vom 21.04.1994 - 2 S 1854/92 -, juris, Rn. 31 und vom 19.09.2002 - 2 S 976/02 -, juris, Rn. 17; ThürOVG, Beschluss vom 28.08.2008 - 4 EO 405/08 -, juris, Rn. 4; Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 3 KAG, Rn. 27 [Stand August 2016]).
33 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist, und endet im Falle der Ungültigkeit einer Satzung nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.10.2012 entstanden ist, begann der Lauf der Festsetzungsfrist mit Beginn des Jahres 2013. Nachdem der angefochtene Bescheid bereits am 15.08.2013 erlassen und dem Kläger am 17.08.2013 zugestellt worden ist, ist Festsetzungsverjährung vorliegend nicht eingetreten.
III.
34 
Die angefochtenen Bescheide sind hier aber deswegen rechtswidrig, weil die Heranziehung des Klägers zu dem Abwasserbeitrag gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163). Der Senat hat inzwischen (anders als noch im Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 23) Bedenken, ob das baden-württembergische Kommunalabgabengesetz, soweit es nach dem Eintritt der Vorteilslage eine zeitlich unbegrenzte Heranziehung erlaubt, ohne gesetzliche Bestimmung einer zeitlichen Höchstgrenze für die Beitragserhebung dem genannten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit entspricht (zweifelnd ebenfalls: Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 32 KAG, Rn. 3 [Stand Oktober 2014] sowie Driehaus, KStZ 2014, 181, 182, dazu im Folgenden 1.). Diese Bedenken kommen jedoch vorliegend nicht entscheidungserheblich zum Tragen, weil die Heranziehung des Klägers unabhängig davon schon gegen den auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (dazu 2.).
35 
1. Nach § 32 Abs. 1 KAG
36 
„entsteht die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die Einrichtung (§ 20 Abs. 1 KAG) oder den Teil der Einrichtung (§ 29 Abs. 1 KAG) angeschlossen werden kann, in den Fällen des § 29 Abs. 2 KAG in dem Zeitpunkt, der in der ortsüblichen Bekanntgabe als Zeitpunkt der technischen Fertigstellung des Ausbaus genannt ist, in den Fällen des § 29 Abs. 3 KAG mit dem Eintritt der Änderung in den Grundstücksverhältnissen, frühestens jedoch mit In-Kraft-Treten der Satzung. Die Satzung kann einen späteren Zeitpunkt bestimmen.“
37 
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG
38 
„sind auf die Kommunalabgaben die folgenden Bestimmungen der Abgabenordnung sinngemäß anzuwenden, soweit sie sich nicht auf bestimmte Steuern beziehen und soweit nicht dieses Gesetz besondere Vorschriften enthält:
(...)
39 
Nr. 4c) aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung - über die Festsetzungs- und Feststellungsverfahren (...) § 170 Abs. 1 bis 3, § 171 Abs. 1 bis 3, Abs. 3a mit der Maßgabe, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet (...).“
40 
Die Regelung des § 32 Abs. 1 KAG erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Denn ohne wirksame Satzung - und auf eine solche kommt es nach oben unter II. Gesagtem an - kann eine Beitragsschuld nicht entstehen und deshalb eine daran anknüpfende Verjährungsfrist auch nicht in Lauf gesetzt werden. Das baden-württembergische Landesrecht setzt der Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, derzeit keine bestimmte zeitliche Höchstgrenze, falls die maßgeblichen Satzungen - wie hier - zunächst nichtig waren und erst später durch eine rechtswirksame Satzung ersetzt worden sind. Es lässt damit in diesen Fällen - entgegen dem verfassungsrechtlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit - das berechtigte Interesse des Bürgers, in zumutbarer Zeit Klarheit darüber zu gewinnen, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss, unberücksichtigt (ebenso für die vergleichbare Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern: BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 10). Der Gesetzgeber hat damit keinen Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage getroffen. Dies begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken.
41 
In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - hat das Bundesverfassungsgericht Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28.12.1992 (im Folgenden BayKAG) wegen eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips für verfassungswidrig erklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 40). Dort war folgendes geregelt:
42 
„Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:
(...)
43 
Nr. 4b) cc) aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung - über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,
44 
- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und
- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (...).“
45 
Zu dieser Regelung hat das Bundesverfassungsgericht Folgendes ausgeführt (a.a.O., juris, Rn. 41 ff.):
46 
„Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.
47 
Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.
48 
Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber. Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.
49 
Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. (...)
50 
Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.“
51 
Ebenso wie die vom Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 für verfassungswidrig erklärte bayerische Regelung erlaubt § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG nach dem Eintritt der Vorteilslage die zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen. Insofern sind die beiden Regelungen miteinander vergleichbar (in diese Richtung schon Senatsurteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 23). Dass § 3 Abs. 1 Nr. 4c KAG im Gegensatz zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Regelung zum Ende der Festsetzungsfrist und nicht zum Fristbeginn trifft, dürfte angesichts des jeweils maßgeblichen Anknüpfungspunkts an die Bekanntmachung einer gültigen Satzung nichts an dem vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Umstand ändern, dass der Gesetzgeber damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 40).
52 
Die Bedenken des Senats gegen das Fehlen einer gesetzlichen Höchstgrenze der Beitragsheranziehung werden bestätigt durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 03.09.2013 (- 1 BvR 1282/13 -, juris) und vom 12.11.2015 (- 1 BvR 2961/14 -, juris). Beide Entscheidungen betreffen § 8 Abs. 7 Satz 2 des KAG Brandenburg in der Fassung vom 17.12.2003, welcher - insoweit mit § 32 Abs. 1 KAG vergleichbar - bestimmt, dass die Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Satzung entsteht, wobei die Satzung einen späteren Zeitpunkt bestimmen kann. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die brandenburgische Regelung wegen Verstoßes gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot für verfassungswidrig erklärt und stellt sich dieses Rückwirkungsproblem nach der baden-württembergischen Rechtslage nicht, weil nach dem KAG Baden-Württemberg für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht - anders als nach brandenburgischer Rechtslage (dazu BVerfG, Beschluss vom 12.11.2015 - a.a.O., Rn. 45 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des OVG Berlin-Brandenburg) - seit jeher nicht die erste Beitragssatzung mit formellem Geltungsanspruch, sondern die erste rechtswirksame Beitragssatzung maßgeblich ist (vgl. Senatsurteile vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 -, juris, Rn. 18 und vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris, Rn. 27), mit der Konsequenz, dass auch die Festsetzungsverjährung erst mit Inkrafttreten einer rechtswirksamen Satzung zu laufen beginnt. § 32 Abs. 1 KAG eröffnet damit, anders als § 8 Abs. 7 Satz 2 des KAG Brandenburg i.d.F. vom 17.12.2003, nicht die vom Bundesverfassungsgericht beanstandete Möglichkeit, einen Beitragsschuldner trotz eingetretener Festsetzungsverjährung erneut zu einem Beitrag heranzuziehen. Dennoch hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 03.09.2013 (- 1 BvR 1282/13 -, juris, Rn. 6) bestätigt, dass auch die mit § 32 Abs. 1 KAG vergleichbare Regelung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Brandenburg unabhängig von dem dargestellten Rückwirkungsproblem deshalb verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, weil sie eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils ermöglicht.
53 
Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es, die Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung einer Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143, juris, Rn. 42 ff.). Dies gilt - unabhängig von dem vom Bundesverfassungsgericht konkret entschiedenen Fall - für das gesamte Beitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 9).
54 
Danach ist es Aufgabe des Gesetzgebers, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt maßgeblich darauf ab, dass es dem Gesetzgeber trotz seines weiten Gestaltungsspielraums verboten ist, ganz von einer zeitlichen Begrenzung abzusehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BVerfGE 133, 143, juris, Rn. 46 sowie unter expliziter Herausarbeitung der tragenden Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts: BVerwG, Beschluss vom 08.03.2017 - 9 B 19.16 -, juris, Rn. 43 f.). Dementsprechend hatte die Verfassungsbeschwerde im vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Verfahren auch nicht wegen der im dortigen Fall zwischen der Vorteilserlangung und der beitragsrechtlichen Heranziehung verstrichenen Zeit, sondern deshalb Erfolg, weil im bayerische Landesrecht überhaupt keine zeitliche Grenze für die Abgabenerhebung bestimmt war (so unter expliziter Herausarbeitung der tragenden Rechtssätze des Bundesverfassungsgerichts: BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 17).
55 
Ausgehend hiervon steht dem Gesetzgeber bei der Wahrnehmung seines Gestaltungsauftrages eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, BVerfGE 133, 143-163, juris, Rn. 49 f.). Zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze dürfte ein schematischer Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG allerdings ausscheiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.04.2015 - 9 C 19.14 -, juris, Rn. 13; BVerwG, Beschluss vom 08.03.2017 - 9 B 19.16 -, juris, Rn. 45).
56 
Soweit sich die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts auf die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden verfassungsrechtlichen Gebote beziehen, kommt ihnen gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung auch für das vorliegende Verfahren zu (vgl. Heusch, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 31, Rn. 58 f. m.w.N.; Lechner/Zuck, BVerfGG, 6. Aufl. 2011, § 31, Rn. 30 m.w.N.). Die Bindungswirkung reicht jedoch nicht so weit, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit bzw. Unvereinbarkeit einer Norm sowie daran anknüpfender Folgen zugleich auch inhaltsgleiche oder -ähnliche Normen anderer Gesetzgeber erfasst. Diese bleiben unberührt und sind u.a. von den Gerichten zu beachten, die hierbei jedoch an die Auslegung und Anwendung durch das Bundesverfassungsgericht gebunden sind. Daraus folgt, dass eine inhaltsgleiche Norm dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG oder dem Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 LV vorzulegen ist, falls die Zugrundelegung der bindenden verfassungsrechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Annahme auch ihrer Verfassungswidrigkeit führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.05.2017 - 9 B 71.16 -, juris, Rn. 7 m.w.N.).
57 
Gleichwohl ist eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder an den Verfassungsgerichtshof nicht geboten, wenn es auf die Wirksamkeit einer Norm in dem konkreten Verfahren nicht entscheidungserheblich ankommt. In einem solchen Fall wäre die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG bzw. nach Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 LV bereits unzulässig (vgl. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 100, Rn. 16 m.w.N.; Oebbecke, in: Christ/Oebbecke, Handbuch Kommunalabgabenrecht, 2016, B, Rn. 57). So liegt es hier.
58 
2. Denn unabhängig von der Unzulässigkeit der gerichtlichen Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze ist die (nicht schematische) Anwendung des Grundsatzes unzulässiger Rechtsausübung im konkreten Einzelfall - so auch hier - zulässig und geboten. Die Gerichte sind unabhängig vom Bestehen eines gesetzgeberischen Gestaltungsauftrags dazu berufen, dem Verfassungsrecht bei der Anwendung des einfachen Gesetzesrechts im Einzelfall zur Geltung zu verhelfen. Dies gilt auch dann, wenn dem Gesetzgeber bei der Erfüllung seiner Aufgabe, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen, mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich herbeizuführen (vgl. OVG Nordrh.-Westf., Urteil vom 24.11.2017 - 15 A 1812/16 -, juris, Rn. 73; OVG Rheinl.-Pf., Urteil vom 06.11.2017 - 6 A 11831/16 -, juris, Rn. 36 ff.; Martensen, LKV 2014, 446, 450; ähnlich unter Betonung von Gründen des Vertrauensschutzes Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 2 KAG, Rn. 14 [Stand November 2012]).
59 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 14. April 1978 - 4 C 6.76 -, vom 16. Mai 2000 - 4 C 4.99 - und vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, jeweils juris; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 53, Rn. 41 und Rn. 57). Unabhängig von der Frage, ob sich durch seine Anwendung die Anforderungen des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen des baden-württembergischen KAG sicherstellen lassen, ist die Erhebung eines Abwasserbeitrags jedenfalls dann unzulässig, wenn sie im konkreten Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt.
60 
Der Grundsatz von Treu und Glauben wird anhand von Fallgruppen konkretisiert. Neben der - vorliegend schon aus tatsächlichen Gründen nicht gegebenen - Fallgruppe der Verwirkung (dazu a), deren Anwendbarkeit im Abwasserbeitragsrecht offen bleiben kann (kritisch für das Sanierungsrecht insoweit BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris, Rn. 30), kann die Geltendmachung eines Rechts auch nach der Fallgruppe der unzulässigen Rechtsausübung ausgeschlossen sein (dazu b).
61 
a) Die Annahme der Verwirkung eines Rechts setzt voraus, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und dass besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen (Umstandsmoment), was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und er sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.02.1974 - III C 115.71 -, juris, Rn. 18; BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris, Rn. 30; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 53, Rn. 23; Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 53, Rn. 13; Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 53, Rn. 23).
62 
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn unabhängig von der Frage des Vorliegens des ausreichenden Zeitmoments fehlt es jedenfalls am Vorliegen des Umstandsmoments, denn der Kläger hat schon nicht substantiiert dargelegt, dass er infolge eines Verhaltens der Beklagten darauf vertraut hat, dass die Beklagte das Recht zur Beitragserhebung nicht mehr geltend machen würde und er im Vertrauen auf deren langjährige Untätigkeit schutzwürdige Dispositionen getroffen hat. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich.
63 
b) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung, die der Erhebung eines Abwasserbeitrags auch dann entgegensteht, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Dieser Einwand greift dabei nicht erst dann ein, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Vielmehr kann die Beitragserhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls auch schon zuvor treuwidrig sein und eine unzulässige Rechtsausübung darstellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 34).
64 
Die Ausübung eines Rechts kann unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Beitragserhebung zu konfrontieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 31). Für die Annahme einer Treuwidrigkeit reicht zwar - wie bei der Fallgruppe der Verwirkung - jeweils für sich genommen weder ein längerer Zeitablauf aus noch eine bloße Untätigkeit der Gemeinde noch das Vorliegen rein interner Organisationsmängel, wie z.B. ungenügender Personaleinsatz oder die haushaltsrechtswidrige Nichterhebung fälliger Kommunalabgaben (entsprechend zur Verwirkung vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53, Rn. 24 m.w.N.; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 53, Rn. 46 f.). In ihrer Kumulation können die Pflichtverletzungen jedoch ein solches Maß an Pflichtwidrigkeit annehmen, dass die Rechtsausübung - vor allem nach Vergehen einer langen Zeit zwischen dem Eintritt der Vorteilslage und der Beitragserhebung - unabhängig von einem konkret betätigten Vertrauen des Betroffenen unzulässig sein kann, insbesondere wenn sich das pflichtwidrige Verhalten der Gemeinde negativ auf Rechte oder Rechtsgüter des betroffenen Bürgers ausgewirkt haben kann. Die Pflichtverletzung der Gemeinde kann dabei auch in einem qualifizierten Unterlassen bestehen. Wann das der Fall ist, muss nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 31 f.; Senatsurteile vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 -, juris, Rn. 46 f., vom 20.03.2015 - 2 S 1327/14 -, juris, Rn. 53 f. und vom 21.06.2017 - 2 S1946/16 -, juris, Rn. 53 f.).
65 
Nach diesen Maßstäben ist die Beitragserhebung der Beklagten vorliegend als treuwidrig anzusehen, denn der Beklagten fallen mehrere lang andauernde, zum Teil qualifizierte Pflichtverletzungen zur Last (dazu unten bb), die es nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls nicht mehr als zumutbar erscheinen lassen, den Kläger zu dem mit Beitragsbescheid vom 15.08.2013 festgesetzten Abwasserbeitrag in Höhe von 7.395,90 EUR heranzuziehen (dazu unten cc). Auf die - letztendlich bis zur professionellen internen und externen Aufarbeitung im Jahr 2009 - jahrzehntelang bestehenden Missstände der Verwaltung der Beklagten im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens (dazu im Einzelnen sogleich aa) hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe bereits im Urteil vom 11.09.2014 (- 2 K 2326/13 -, juris, Rn. 20) hingewiesen. Sie sind zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
66 
aa) Nach den vorliegenden Unterlagen und den Angaben der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens der Beklagten insbesondere in folgenden Bereichen erhebliche langjährige Missstände bestanden:
67 
- Abwassersatzungsrecht, insbesondere mit Blick auf die fehlerhafte Globalberechnung,
- Art und Weise der Beitragserhebung im Gemeindegebiet,
- Aktenführung und Dokumentation,
- verwaltungsinterner Organisationsmangel durch unzureichende Personalausstattung der Stadtkämmerei.
68 
(1) Langjährige Mängel des Wasser-/Abwasserbeitragswesens der Beklagten bestanden bis zur Schaffung neuen Satzungsrechts am 25.07.2012 in deren Abwassersatzungsrecht. Zu Recht geht die Beklagte insoweit davon aus, dass ihre Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 25. Juli 1984 (im Folgenden: AbwS 1984) unwirksam war. Zwar lag dieser Satzung entsprechend der Rechtsprechung des Senats eine Globalberechnung zugrunde. Diese war aber unzureichend, da die bis 1993 prognostizierten Herstellungskosten (Teilbetrag Abwasserkanal und biologischer Teil Klärwerk) unzutreffend berechnet waren. Mangels ordnungsgemäßer Kalkulationsgrundlage und fehlender Ermessensausübung des Gemeinderats hinsichtlich einzelner Aspekte der Globalberechnung litt die AbwS 1984 an einem zu ihrer Nichtigkeit führenden Mangel (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17.07.1984 - 2 S 1352/81 -, BWVPr 1984, 278, vom 27.11.1989 - 2 S 2097/89 -, VBlBW 1990, 306 und vom 14.05.1990 - 2 S 1372/88 -, juris, Rn. 17; Birk, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Teil III, § 8 [Beiträge] Stand: Mrz. 2006, Rn. 674). Dass dies in Bezug auf die konkrete Satzung der Beklagten bislang gerichtlich nicht festgestellt wurde, ändert nichts an der Nichtigkeit der AbwS 1984, denn diese Folge tritt eo ipso ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 06.05.1993 - 4 N 2.92 -, juris, Rn. 17; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2011, § 47, Rn. 119).
69 
Auf die Fehlerhaftigkeit der Globalberechnung 1984 wurde die Beklagte erstmals bereits im Prüfungsbericht der Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (im Folgenden: GPA) vom 04.02.1991 hingewiesen und zur Überarbeitung mit anschließender erneuter Beschlussfassung des Gemeinderats aufgefordert (Rn. 25, 27). Weitere entsprechende Hinweise und Aufforderungen folgten in den Prüfungsberichten der GPA vom 30.09.1993 (Rn. 30) und vom 19.02.1996 (Rn. 34). Im Prüfungsbericht der GPA vom 15.12.1999 wurde die Untätigkeit der Beklagten erneut gerügt und sie eindringlich und unter Hinweis „auf das bereits seit Jahren bestehende erhebliche Prozessrisiko“ zur alsbaldigen Aktualisierung der Globalberechnung aufgefordert (a.a.O, Rn. 50). Eine solche unterblieb bis zur Fortschreibung im Jahr 2007.
70 
Bereits nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts vom 04.02.1991 erließ die Beklagte bewusst keine auf die AbwS 1984 gestützten Beitragsbescheide mehr. Vielmehr hob sie - wie sich S. 21 der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats am 08.02.2012 entnehmen lässt - auf Anraten ihres damaligen Bevollmächtigten mit Blick auf die fehlende Fortschreibung der Globalberechnung 1984 auf den Widerspruch eines Betroffenen hin bereits im Jahr 1993 einen Abwasserbeitragsbescheid auf.
71 
Demnach war der Beklagten spätestens nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 04.02.1991 bewusst, dass keine gültige Abwassersatzung vorlag. Gleichwohl unterließ sie es, die gebotene Globalberechnung 1984 fortzuschreiben und auf dieser Grundlage gültiges Satzungsrecht zu schaffen. Zwar mag von Treuwidrigkeit nicht immer schon dann auszugehen sein, wenn die Gemeinde eine als ungültig erkannte Satzung pflichtwidrig nicht zeitnah aufhebt (so BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 -, juris, Rn. 32 zur entgegen § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig erfolgten Aufhebung einer Sanierungssatzung). Jedoch weist der vorliegende Einzelfall die Besonderheit auf, dass die Beklagte zur Überzeugung des Senats die Missstände in ihrem Abwasserwesen zumindest im Zeitraum von 1991 (nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 04.02.1991) bis etwa Herbst 2009 (öffentlichkeitswirksame Aufarbeitung ihres Abwasserwesens) trotz z.T. eindringlicher Aufforderungen der GPA - etwa mit Prüfungsbericht vom 15.12.1999 - fortbestehen ließ. Auch nach Kenntnisnahme des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 änderte sich zunächst nichts (vgl. dazu auch unten (4). In diesem Prüfungsbericht ist auf S. 63 ausgeführt:
72 
„Die Prüfung hat sich schwerpunktmäßig auf den Stand der Veranlagungen bei den Anschlussbeiträgen erstreckt.
73 
Dabei hat sich gezeigt, dass aufgrund der seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte. Die Prüfung wurde auch dadurch erschwert, dass der für die Beitragsveranlagung zuständige Stadtkämmerer wenig zur Sachverhaltsaufklärung beitragen konnte. Nach dem bei der Prüfung gewonnenen Eindruck lässt sich allerdings folgendes feststellen:
74 
Aufgrund der vorgefundenen Aktenlage ist davon auszugehen, dass die Anschlussbeiträge von der Stadt in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind. In vielen Fällen wurde der Beitrag entgegen der satzungsrechtlichen Regelung im beplanten oder unbeplanten Innenbereich erst beim tatsächlichen Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben. Von den Beitragspflichtigen wurde dann in Einzelfällen geltend gemacht, dass die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten sei (z.B. Entwässerungsbeitrag für die FlSt.-Nr. ..., ...), woraufhin die Beitragsbescheide aufgehoben werden mussten. Andererseits wurden im Prüfungszeitraum aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt, die bereits in früheren Jahren schon einmal zum Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden waren. Aufgrund von Widersprüchen der Beitragspflichtigen mussten diese Veranlagungen ebenfalls wieder aufgehoben werden (z.B. FlSt.-Nr. ..., ...).
75 
Es ist davon auszugehen, dass in der Vergangenheit nicht nur in Einzelfällen die Veranlagung von beitragspflichtigen Grundstücken unterblieben ist. Auf die in Anlage 7 aufgeführten Grundstücke wird verwiesen. Aufgrund der unvollständigen und unübersichtlichen Aktenführung bedürfen diese Fälle einer weiteren Überprüfung. Darüber hinaus konnte für eine Vielzahl von Grundstücken die Frage der Beitragserhebung nicht geklärt werden. Für zahlreiche Grundstücke sind nur Entwässerungsbeitragsbescheide aktenkundig; ob eine Veranlagung des Wasserversorgungsbeitrags erfolgt oder aus welchen Gründen diese unterblieben ist, konnte oftmals nicht geklärt werden. Im Blick auf die finanziellen Auswirkungen und die Gleichbehandlung der Abgabenpflichtigen ist das Beitragswesen der Stadt grundsätzlich zu ordnen. Darüber hinaus sind für eine rechtmäßige Beitragserhebung zwingend die erforderlichen Grundlagen zu schaffen.“
76 
(2) Ein weiterer langjähriger, bis zum Erhebungsstopp im Jahr 1991 andauernder Mangel im Beitragswesen der Beklagten ist in der Art und Weise ihrer Beitragserhebung im Gemeindegebiet zu sehen. Zunächst einmal erfolgte die Beitragserhebung auf Grundlage der AbwS 1984 nicht einheitlich im ganzen Gemeindegebiet, sondern entweder nach Straßenzügen oder nur einzelfallbezogen (bei Erteilung einer Baugenehmigung oder bei Anschluss an den Kanal), so dass - worauf die GPA in ihrem Prüfungsbericht vom 22.03.2007 hingewiesen hat - die Anschlussbeiträge von der Stadt nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind. Ob die damalige Verwaltungspraxis als willkürlich bezeichnet werden kann, wofür die Aussage im an den Kläger gerichteten Informationsschreiben vom 21.01.2011 sprechen könnte, wonach es sein könne, dass sich in einer Straße der eine Eigentümer an den Kosten für die Herstellung der Anlagen durch Beitragszahlung beteiligt habe, sein Nachbar jedoch nicht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls erfolgte die Beitragserhebung im Gemeindegebiet in einer Vielzahl von Fällen (Größenordnung: 1.000 von 3.000 Grundstücken - vgl. dazu auch die Stellungnahme der Beklagten gegenüber dem Landratsamt Calw vom 04.11.2014 betreffend die Rechtsaufsichtsbeschwerde des Klägers vom 08.10.2014) nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien. Mit der damals strukturellen Unordnung im Beitragswesen der Beklagten dürfte auch zusammenhängen, dass die Beklagte - wie im Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 festgestellt - in den 1990er-Jahren auf den Widerspruch von Betroffenen hin wiederholt rechtswidrige Beitragsbescheide aufhob.
77 
(3) Im Zusammenhang mit der Art und Weise der Beitragserhebung stehen auch die langjährig bestehenden Mängel in Aktenführung und Dokumentation. Wie sich dem Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 entnehmen lässt, konnte der Stand der Beitragserhebung anhand der vorgefundenen Aktenlage nicht abschließend ermittelt werden, insbesondere konnte für eine Vielzahl von Grundstücken die Frage der Beitragserhebung überhaupt nicht geklärt werden. Vielmehr ging die GPA davon aus, dass die Anschlussbeiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden sind und dass die Veranlagung von beitragspflichtigen Grundstücken nicht nur in Einzelfällen unterblieben ist. Dem an den Kläger gerichteten Informationsschreiben vom 21.01.2011 ist zu entnehmen, dass - auch nach Aufarbeitung des Beitragswesens unter Zuhilfenahme externer Hilfe - für das Grundstück Flst.-Nr. ... des Klägers keine entsprechenden Unterlagen gefunden wurden, weswegen die Beklagte von einer noch nicht erfolgten Beitragserhebung bzgl. der Beitragsarten „Kanalbeitrag“ und „Klärbeitrag“ ausging. Die Beklagte teilte aber zugleich mit, dass nicht ausgeschlossen sei, dass für das klägerische Grundstück doch bereits einmal Beiträge bezahlt worden seien. Laut Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 wurden aufgrund der unzureichenden Dokumentation von der Beklagten auch Grundstücke veranlagt, die bereits in früheren Jahren schon einmal zum Anschlussbeitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden waren. Zudem lassen sich der Niederschrift über die nichtöffentliche Gemeinderatssitzung vom 08.02.2012 - Seite 21 f. - verschiedene Fallgruppen zur unzureichenden Aktenführung der Beklagten entnehmen, u.a. hinsichtlich „unklarer Unterlagen“, „indirekter Unterlagen“, „Klärbeiträgen 1977 - 1978“ und „keine Unterlagen vorhanden/ermittelbar“.
78 
(4) Wie bereits oben unter (1) dargestellt, verging nach dem Bekanntwerden des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 bis zur Schaffung gültigen Satzungsrechts am 25.07.2012 ein weiterer, nicht zu vernachlässigender Zeitraum von mehr als fünf Jahren.
79 
Der Senat verkennt nicht, dass es sich bei der Beklagten mit rund 7.500 Einwohnern um eine Kleinstadt mit beschränkten personellen Verwaltungskapazitäten handelt. Der Senat sieht weiterhin, dass sich die neue Stadtkämmerin, Frau Z., nach ihrer Amtsübernahme sogleich der Aufarbeitung des Beitragswesens der Beklagten widmete. Angesichts der langjährigen Untätigkeit der Beklagten in der davor liegenden langen Zeit und der Deutlichkeit und Vehemenz des Prüfungsberichts der GPA vom 22.03.2007 erscheint der Zeitraum bis zur Schaffung gültigen Satzungsrechts am 25.07.2012 gleichwohl unangemessen lang. Insbesondere hätte es der Gemeindeverwaltung der Beklagten oblegen, die Aufgaben des Stadtkämmerers nach Bekanntwerden des GPA-Prüfungsberichts 2007 sogleich anzugehen und damit nicht bis zum im April 2008 erfolgten Amtsantritt der neuen Stadtkämmerin zuzuwarten.
80 
bb) Die soeben dargelegten Missstände im Wasser-/Abwasserbeitragswesen beruhen auf mehreren, z.T. lang andauernden und z.T. qualifizierten Pflichtverletzungen der Beklagten, die sich zumindest teilweise auch auf den Kläger ausgewirkt haben können.
81 
(1) Entgegen der Auffassung des Klägers dürfte eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht schon darin zu sehen sein, dass sie es nach erkannter Unwirksamkeit ihrer AbwS 1984 unterließ, rechtswidrige Beitragsbescheide zu erlassen. Zwar ist die Gemeindeverwaltung gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht - und damit auch an das kommunale Abwassersatzungsrecht - gebunden und es steht ihr auch keine „Normverwerfungskompetenz“ zu. Gleichwohl dürfte sie nicht verpflichtet gewesen sein, die von ihr als unwirksam erkannte AbwS 1984 weiter anzuwenden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15.10.1999 - 1 M 3614/99 -, juris, Rn. 10; BGH, Urteil vom 10.04.1986 - III ZR 209/84 -, juris, Rn. 29; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18 Aufl. 2011, § 4, Rn. 66 ff.). Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben (so auch schon Senatsurteil vom 25.06.1992 - 2 S 1447/90 -, juris, Rn. 22). Eine Pflichtverletzung der Beklagten ist jedenfalls darin zu sehen, dass sie es spätestens nach im Jahr 1991 erkannter Unwirksamkeit der AbwS 1984 unterlassen hat, die gebotene Globalberechnung 1984 fortzuschreiben und auf dieser Grundlage gültiges Satzungsrecht zu schaffen. In jedem Fall hätte es der Gemeindeverwaltung und dem Bürgermeister als deren Leiter oblegen, beim für die Satzungsänderung zuständigen Gemeinderat, dessen Vorsitzender der Bürgermeister ist, hierauf hinzuwirken.
82 
Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Fortschreibung der gebotenen Globalberechnung bis ins Jahr 2007 und die Aufarbeitung ihres Abwasserwesens sogar bis ins Jahr 2008 hinein trotz mehrfacher, z.T. eindringlicher Aufforderungen der GPA unterließ. Die Schaffung gültigen Satzungsrechts erfolgte dann schließlich erst im Jahr 2012. Der Zeitraum, in dem der Gemeinde eine Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, beträgt schon ausgehend von einem sicheren Erkennen der Unwirksamkeit der AbwS 1984 spätestens im Jahr 1991 16, 17 bzw. 21 Jahre. Personalmangel und/oder -ausfälle, wie sie nach Auskunft der Stadtkämmerin Frau Z. vor ihrem Amtsantritt bei der Beklagten bestanden haben mögen oder fehlende eigene Sachkompetenz einer Gemeinde (vgl. dazu S. 52 der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung des Gemeinderats am 25.03.2009) sind nicht geeignet, die genannte Pflichtverletzung zu rechtfertigen, zumal die Missstände zur Überzeugung des Senats langjährig und nicht nur infolge leichter Nachlässigkeit bzw. Fahrlässigkeit bestanden haben (vgl. OVG Berlin-Bbg., Urteil vom 20.12.2007 - OVG 4 B 19.07 -, juris, Rn. 38). Hinzu kommt, dass die Beklagte auch bereits vor dem Erhebungsstopp im Jahr 1991 pflichtwidrig handelte, indem sie die Beiträge aufgrund der AbwS 1984 im Gemeindegebiet nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien erhob.
83 
Bis zur grundlegenden Aufarbeitung des Beitragswesens weist auch die unvollständige Aktenführung und unzureichende Dokumentation in diesem Bereich Pflichtverletzungen auf, was u.a. zur Folge hatte, dass es z.T. zu unzulässigen Doppelveranlagungen kam und sich die beitragsrelevanten Sachverhalte - selbst nach einer professionellen und gründlichen Aufarbeitung - offenbar nicht nur vereinzelt nicht mehr vollständig und rechtssicher ermitteln lassen.
84 
Denn auch ohne dass es eines ausdrücklichen Ausspruchs im Gesetz bedarf, besteht nach dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG die behördliche Pflicht zur Anlegung und Führung von Akten (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 06.06.1983 - 2 BvR 244/83 -, juris, Rn. 2; OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 55; Nds. OVG, Urteil vom 28.04.2015 - 5 LB 141/14 -, juris, Rn. 97 ff.; Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24, Rn. 51 und § 29 Rn. 16 m.w.N.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 29 f.). Zumal bei Rechtsvorgängen, die sich - wie im Bereich des Wasser-/Abwasserbeitragswesens - meist über längere Zeit erstrecken, ist die den Behörden nach dem Grundgesetz obliegende Vollziehung der Gesetze nicht ohne eine Dokumentation der einzelnen Verwaltungsvorgänge denkbar, die das bisherige sachbezogene Geschehen sowie mögliche Erkenntnisquellen für das zukünftig in Frage kommende behördliche Handeln enthält. Erst derartige schriftliche Akten gestatten der vollziehenden Gewalt eine fortlaufende Kenntnis aller für sie maßgeblichen Umstände ohne Rücksicht darauf, ob aus innerorganisatorischen Gründen oder wegen der Zuständigkeitsbegründung einer anderen Behörde ein neuer Bediensteter, der kein eigenes Wissen über die Vorgeschichte besitzt, mit der Bearbeitung der Sache betraut wird. Die Aktenführung liegt damit zugleich im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Einzelnen, der nur auf der Grundlage möglichst vollständiger Erfassung aller rechtlich erheblichen Tatsachen seinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf angemessene Behandlung seiner Angelegenheit durch die zuständigen Behörden - und gegebenenfalls durch die Gerichte - mit Erfolg geltend machen kann (vgl. BVerfG, Dreierausschussbeschluss vom 06.06.1983 - 2 BvR 244/83 -, juris, Rn. 2). Gerade mit Blick auf die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kommt der Aktenführungspflicht eine subjektiv-rechtliche Seite zu (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 56 und Rn. 59). Im Einzelnen sind die Behörden verpflichtet, den bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablauf objektiv, vollständig, nachvollziehbar und wahrheitsgemäß zu dokumentieren (Gebot der Aktenwahrheit, Aktenklarheit und Aktenvollständigkeit; vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.05.2013 - 3 L 398/13 -, juris, Rn. 5; Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 24, Rn. 51 und § 29 Rn. 16; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 12c). Was wesentlich ist, richtet sich nach dem jeweiligen materiellen und formellen Recht des jeweiligen Rechtsgebiets, wobei insbesondere die Bedeutung der Angelegenheit im öffentlichen und privaten Interesse zu berücksichtigen ist. Zu den zur Verwaltungsakte zu nehmenden wesentlichen Vorgängen gehören außer den bei der Behörde eingegangenen verfahrensbezogenen Dokumente auch Kopien eigener Schreiben, behördliche Verfügungen, Niederschriften über Besprechungen und Vermerke über alle sonstigen erheblichen Vorgänge sowie schriftliche Niederlegungen einer Beweiserhebung (vgl. Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 29, Rn. 16; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 32). Schließlich sind die Behörden verpflichtet, den Aktenbestand langfristig zu sichern (vgl. Ritgen, in: Knack/Hennecke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 29, Rn. 17 m.w.N.; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 31; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 1b). Pflichtverletzungen im Bereich der Aktenführung und Dokumentation gehen zumindest dann zu Lasten der Behörde, wenn eine Aktenführung ganz unterbleibt oder wenn bestehende Akten oder Aktenteile im Rahmen der Sachbearbeitung keine Berücksichtigung finden, etwa weil sie nicht auffindbar sind oder vom Sachbearbeiter nicht herangezogen worden sind (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.04.2015 - 5 LB 141/14 -, juris, Rn. 99). Dementsprechend kann - unter dem Gesichtspunkt des Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens - eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung eine Beweislastumkehr zu Gunsten des beweispflichtigen Bürgers zur Folge haben (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 22.12.2000 - 2 L 38/99 -, juris, Rn. 53; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 29, Rn. 1c; Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 29, Rn. 32).
85 
(2) Die genannten Pflichtverletzungen der Beklagten können sich zumindest teilweise auch auf den Kläger nachteilig ausgewirkt haben, weswegen es unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls treuwidrig und nicht mehr zumutbar erscheint, ihn zu dem mit Beitragsbescheid vom 15.08.2013 festgesetzten Abwasserbeitrag in Höhe von 7.395,90 EUR heranzuziehen.
86 
Zu sehen ist insoweit zunächst, dass zwischen dem vom Verwaltungsgericht zu Recht (ungefähr) auf die Jahreswende 1989/1990 taxierten Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage für das klägerische Grundstück und der verfahrensgegenständlichen Beitragsfestsetzung vom 15.08.2013 rund 23 ½ Jahre liegen.Unabhängig von der vom baden-württembergischen Landesgesetzgeber zu bestimmenden Höchstfrist liegt ein Zeitraum von über zwei Jahrzehnten zumindest in einem Bereich, in dem etwa die Landesgesetzgeber in Bayern (vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 1 BayKAG), Mecklenburg-Vorpommern (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V) und Sachsen (vgl. § 3a Abs. 3 SächsKAG) eine Beitragserhebung nicht mehr gestatten. Zwar begründet der lange Zeitablauf zwischen dem tatsächlichen Anschluss oder der erstmaligen Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung für sich allein noch kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers darauf, zu Beiträgen nicht (mehr) herangezogen zu werden, wenn er zugleich die Vorteile der Einrichtung in Anspruch nimmt bzw. in Anspruch nehmen konnte (vgl. Senatsurteil vom 28.09.1995 - 2 S 3068/94 -; ähnlich unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung: BayVGH, Beschluss vom 05.12.2001- 23 ZS 01.2926 -, juris, Rn. 5). Jedoch ist die erhebliche Zeitdauer im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände ein Faktor unter mehreren, der - wie vorliegend - gegen die fortbestehende Zumutbarkeit der Abgabenerhebung sprechen kann.
87 
Im konkreten Einzelfall ist weiter zu berücksichtigen, dass die aufgezeigten qualifizierten Pflichtverletzungen der Beklagten insoweit Außenwirkung hatten, als eine Beitragserhebung im Zeitraum vom 1991 bis nach dem Inkrafttreten der AbwS 2012 gemeindeweit unterblieb, wobei die Missstände im Wasser-/Abwasserbeitragswesen in der beklagten Gemeinde allgemein bekannt gewesen sein dürften, nachdem die Beklagte - wie im Prüfungsbericht der GPA vom 22.03.2007 festgestellt - in den 1990er-Jahren auf den Widerspruch von Betroffenen hin wiederholt rechtswidrige Beitragsbescheide aufhob. Vor diesem Hintergrund bestand - worauf die Stadtkämmerin Fr. Z. im Rahmen der nichtöffentlichen Sitzung des Gemeinderats vom 25.03.2009 (vgl. Niederschrift, Seite 52) zu Recht hingewiesen hatte - ein Zustand der Rechtsunsicherheit, der zwar für sich genommen der Bildung eines schutzwürdigen Vertrauens auf künftig unterbleibende Beitragserhebung entgegengestanden haben kann, jedoch insbesondere angesichts seiner erheblichen Dauer als weiterer, gegen die fortbestehende Zumutbarkeit der Abgabenerhebung sprechender Umstand angesehen werden muss (weitergehend: Faiß, Das Kommunalabgabenrecht in BW, Bd. 1, § 2 KAG, Rn. 14 [Stand November 2012], der in diesem Fall aus Gründen des Vertrauensschutzes einen gänzlichen Ausschluss der Abgabenerhebung für möglich erachtet).
88 
Von besonderer Bedeutung ist weiterhin, dass die mangelhafte Aktenführung und Dokumentation der Beklagten konkrete Auswirkungen auf den Fall des Klägers hatte. Dies zeigt sich bereits daran, dass sich der Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage hinsichtlich der klägerischen Grundstücke heute nicht mehr exakt und sicher bestimmen lässt, weswegen auch das Verwaltungsgericht - letztlich nur unter Würdigung verschiedener Umstände und Indizien - lediglich zur ungefähren Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts gelangt ist. Nachdem es im Gemeindegebiet in der Vergangenheit mehrfach zu rechtswidrigen Doppelveranlagungen gekommen war, lässt sich nach den Unterlagen der Beklagten auch nicht sicher ausschließen, dass für die Grundstücke - etwa vom Vater des Klägers als dessen Rechtsvorgänger - bereits schon einmal Beiträge bezahlt worden sind, von denen die Beteiligten übereinstimmend keine Kenntnis haben.
89 
Insofern bestehen Unklarheiten im Sachverhalt, hinsichtlich derer es unbillig erscheint, etwaige Nachteile dem Kläger aufzuerlegen. Dass er selbst noch Unterlagen seines Vaters ausfindig machen konnte, aus denen das Verwaltungsgericht „mit großer Wahrscheinlichkeit“ auf den Zeitpunkt der erstmaligen Anschlussmöglichkeit des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Abwasserbeseitigung zur Jahreswende 1989/1990 geschlossen hat, kann ihm nicht entgegengehalten werden und entlastet die Beklagte nicht, zumal diese - wie sich der Aufstellung anhängiger Widerspruchsverfahren im an die Beklagte gerichteten Hinweisschreiben des Landratsamts Calw vom 28.10.2014 zum Petitionsverfahren 15/03204 entnehmen lässt - in 368 von 421 Fällen, in denen Widerspruch erhoben worden war, Abwasserbeitragsbescheide hinsichtlich Grundstücken erlassen hatte, bei denen die Vorteilslage bereits vor mehr als 30 Jahren vor deren Erlass eingetreten war. Nach dem oben Ausgeführten geht eine Verletzung der Verpflichtung zur Führung ordnungsgemäßer und vollständiger Akten sowie zu deren langfristiger Aufbewahrung zu Lasten der Beklagten.
90 
Bei einer Gesamtwürdigung aller aufgezeigten Umstände kommt der Senat daher im vorliegenden Einzelfall zu dem Ergebnis, dass es trotz langjähriger Nutzung der öffentlichen Abwassereinrichtungen durch den Kläger bzw. dessen Vater hier nicht mehr zumutbar erscheint, ihn mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren.
91 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
92 
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war hier nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären, weil es dem Kläger angesichts der Komplexität der Rechtslage nicht zumutbar war, das Vorverfahren selbst zu führen.
93 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
94 
Beschluss vom 12. Juli 2018
95 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird gemäß § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 7.395,90 EUR festgesetzt.
96 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Juli 2018 - 2 S 143/18

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 zitiert 24 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 100


(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 197 Dreißigjährige Verjährungsfrist


(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,1.Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,2.Herausgabeansprüche

Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG | § 31


(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. (2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gese

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 53 Hemmung der Verjährung durch Verwaltungsakt


(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ode

Baugesetzbuch - BBauG | § 162 Aufhebung der Sanierungssatzung


(1) Die Sanierungssatzung ist aufzuheben, wenn 1. die Sanierung durchgeführt ist oder2. die Sanierung sich als undurchführbar erweist oder3. die Sanierungsabsicht aus anderen Gründen aufgegeben wird oder4. die nach § 142 Absatz 3 Satz 3 oder 4 für di

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 12. Juli 2018 - 2 S 143/18 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 06. Nov. 2017 - 6 A 11831/16

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Diese Entscheidung zitiert Tenor Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 20. März 2015 - 2 S 1327/14

bei uns veröffentlicht am 20.03.2015

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03. Juni 2014 - 3 K 5/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die Revision wird nicht zugelas

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Jan. 2015 - 2 S 1840/14

bei uns veröffentlicht am 27.01.2015

Tenor Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Juli 2014 - 2 K 3146/12 - wird zurückgewiesen.Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbe

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13

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Gründe I. 1 Die Klägerin, Eigentümer eines 1.406 m2 großen, bebauten Grundstücks (FlSt. 34 und 35, Flur A der Gemarkung S.) an der Straße „Dörfchen“ im Verbandsgebiet des Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag. A

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 11. Sept. 2014 - 2 K 2326/13

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Tenor 1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 31. März 2014 - 2 S 2366/13

bei uns veröffentlicht am 31.03.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand  1 Der Klä

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 20. März 2014 - 4 C 11/13

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Tatbestand 1 Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge. 2

Bundesverfassungsgericht Nichtannahmebeschluss, 03. Sept. 2013 - 1 BvR 1282/13

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Gründe 1 Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

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Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom

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Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
10 
2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
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2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
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1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
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Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
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So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
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Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
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Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
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Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
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Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
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Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
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Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümer eines 1.406 m2 großen, bebauten Grundstücks (FlSt. 34 und 35, Flur A der Gemarkung S.) an der Straße „Dörfchen“ im Verbandsgebiet des Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag. Auf dem Grundstück wurde von den 1950er Jahren bis November 2000 ein Altenpflegeheim betrieben.

2

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 zog die Stadt D. die Klägerin für das Grundstück zu einem Beitrag für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung in Höhe von 4.454,46 € heran. Zum 1. April 2004 übertrug dann die Stadt D. die Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten, dessen Verbandsversammlung am 14. April 2004 eine Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung beschloss.

3

Den gegen den Beitragsbescheid fristgerecht eingelegten Widerspruch, der nicht begründet worden ist, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2008 zurück. Auf die am 20. Oktober 2008 erhobene Klage der Klägerin hob der Beklagte am 25. Februar 2009 den Widerspruchsbescheid auf und die Stadt D. beschied am 20. April 2009 den Widerspruch der Klägerin. Das Verwaltungsgericht Halle hob mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 51/09 HAL -) den Beitragsbescheid auf, da die in Betracht kommenden Beitragssatzungen der Stadt D. und ihres Rechtsvorgängers, des AZV D., als rechtliche Grundlage ausschieden; einen am 30. September 2009 gestellten Antrag der Stadt D. auf Zulassung auf Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 17. November 2010 (- 4 L 212/09 -) ab.

4

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 zog der Beklagte die Klägerin nach seiner Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung für das Grundstück zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 4.822,02 € heran. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 4. Oktober 2011 beim Verwaltungsgericht Halle erneut Anfechtungsklage erhoben.

5

Das Gericht hat den Beitragsbescheid auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 aufgehoben.

6

Der Bescheid sei festsetzungsverjährt, da die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück mit Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten im Jahre 2004 entstanden sei. Die vorherige Beitragssatzung der Stadt D. sei unwirksam gewesen. § 171 Abs. 3a AO sei nicht einschlägig, da dessen Anwendung voraussetze, dass durch den zunächst angefochtenen Abgabenbescheid die Festsetzungsfrist für die Abgabe gewahrt worden sei, die mit dem späteren Abgabenbescheid (erneut) festgesetzt werde. Dies sei nicht der Fall. Mit dem angefochtenen Beitragsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 werde der im Jahre 2004 entstandene Beitrag geltend gemacht. Die im Hinblick auf diesen Beitrag mit Ablauf des Jahres 2004 begonnene Festsetzungsfrist sei durch den ursprünglich angefochtenen Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 nicht gewahrt worden. Abgesehen davon, dass der Bescheid erlassen worden sei, bevor der Beitrag auf der Grundlage der erst am 14. April 2004 beschlossenen Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung entstanden sei, habe es der Stadt D. an der sachlichen Zuständigkeit für die Festsetzung des vom Beklagten geltend gemachten Beitrags gefehlt. Die Festsetzungsfrist werde jedoch gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur gewahrt, wenn der Abgabenbescheid von der zuständigen Behörde festgesetzt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn die Stadt D. sei nur für die Festsetzung ihrer eigenen Beitragsforderung zuständig, nicht aber für die Festsetzung der Beitragsforderung des Beklagten.

7

Auf Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Juli 2013 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

8

Der Beklagte macht zur Begründung geltend, § 171 Abs. 3a AO sei auch dann einschlägig, wenn zwischen dem Erlass des ursprünglichen und dann aufgehobenen Beitragsbescheides und dem Erlass eines neuen Beitragsbescheides eine andere Behörde zuständig geworden sei. Der Abgabeschuldner dürfe nicht dadurch bessergestellt werden, dass - mehr oder weniger zufällig - im Lauf der Zeit Änderungen in der Zuständigkeit der abgabenerhebenden Behörde eingetreten seien. Maßgeblich sei, dass das veranlagte Grundstück einen Vorteil der Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung nach wie vor habe und dass mit dem Herstellungsbeitrag dieser Vorteil abgegolten werden solle. Selbst wenn man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) zur Auslegung des § 171 Abs. 3a AO heranziehen wolle, könne dies allenfalls zur Folge haben, dass die abgabenerhebende Körperschaft zeitnah, mindestens innerhalb der gesetzlichen vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist einen neuen Beitragsbescheid erlassen müsse. Dies sei geschehen.

9

Daneben könne dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit durch eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben Rechnung getragen werden. Weder die Fallgruppe der Verwirkung noch der unzulässigen Rechtsausübung sei aber einschlägig. Die Vorteilslage für die Klägerin sei ausweislich des Bauabnahmeprotokolls für die Kanalbauarbeiten im Ortsteil S. in der Straße „Dörfchen“ im Mai 2000 entstanden. Eine zentrale Entsorgung sei dann ab dem Jahr 2004 möglich gewesen, nachdem das zentrale Kanalnetz fertiggestellt und das Schmutzwasser in die Zentralkläranlage in D. habe weitergeleitet werden können. Innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist habe die Stadt D. einen Beitragsbescheid erlassen, dessen Aufhebung durch das Verwaltungsgericht erst mit dem die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss vom 17. Oktober 2010 rechtskräftig geworden sei. Innerhalb eines Monats danach habe er erneut einen Beitrag festgesetzt, um seiner Beitragserhebungspflicht zu entsprechen. Zuvor sei er daran wegen des Verbots der Doppelveranlagung und des zwar zur gerichtlichen Überprüfung gestellten, aber wirksamen Beitragsbescheids der Stadt D. gehindert gewesen. Nicht im Ansatz könne von einer Pflichtverletzung ausgegangen werden.

10

Der Beklagte beantragt,

11

das auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie trägt vor, die Ablaufhemmung könne nur zwischen den Beteiligten eines Klageverfahrens wirken und nicht gegenüber unbeteiligten Dritten. Mit Übernahme der Abwasserbeseitigung hätte der Beklagte prüfen müssen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt ihm zustehende Beitragsansprüche verjähren. Der Beklagte habe nicht das zwischen ihr und der Stadt D. geführte Klageverfahren abwarten können. Außerdem habe der Beklagte seine öffentliche Einrichtung weitergehend definiert als dies in der Stadt D. der Fall gewesen sei. Das Klageverfahren gegen die Stadt D. könne daher keine verjährungshemmenden Auswirkungen haben, weil es eine andere öffentliche Einrichtung betreffe. Eine erweiternde Auslegung der Abgabenordnung sei nicht möglich, da es sich um eine Schutznorm handele.

15

Zudem sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 eine Verjährung des Beitragsanspruches eingetreten. Auf Grund einer danach gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück angeschlossen werden könne und eine (nicht zwingend rechtmäßige) Satzung bestehe. Eine mögliche Hemmungs- und Unterbrechungswirkung aus vorangegangenen Verfahren der Stadt D. wirke zum einen nicht zugunsten des Beklagten und ändere im Übrigen nichts an der Verjährung. Eine Anschlussmöglichkeit habe bereits im Jahre 1991 bestanden. Für das Objekt sei Ende 1991 ein Bauantrag gestellt worden, der hinsichtlich der Beseitigung des Abwassers die Einleitung in eine öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage im Trennsystem vorgesehen habe. Es sei beabsichtigt gewesen, einen Anbau zu dem Pflegeheim zu errichten. Unter dem 17. Dezember 1992 sei die Baugenehmigung erteilt worden. Auch der beauftragte Architekt habe für den Bereich Abwasser die Entsorgung in eine zentrale Kläranlage angegeben. Nach ihrer Erinnerung sei eine zentrale Entsorgung über die Straße „Dörfchen“ erfolgt; wohin das Leitungssystem letztendlich entsorgt habe, sei nicht bekannt. Auf einem Grundriss des Pflegeheims aus dem Jahr 1993 seien sowohl ein Schmutzwasser- als auch ein Regenwasserkanal eingezeichnet und auf der Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahr 1994 sein Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar. Ein Zeuge könne bestätigen, dass bereits 1993 ein Mischwasserkanal vorhanden gewesen sei, der über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Darüber hinaus sei 1995 einem Antrag auf Trinkwasserversorgung seitens des Wasserzweckverbandes (…) stattgegeben worden. Eine verfassungskonforme Auslegung auf der Grundlage der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014, die zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist führe, komme nicht in Betracht.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

17

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

18

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund der Schriftsätze der Klägerin vom 19. November 2014 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 23. Juni 2011 - 9 B 94.10 -, v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor. Insbesondere die tatsächlichen Ausführungen der Klägerin zur Anschlusssituation sind nicht geeignet, ihre Auffassung zu stützen.

19

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen Anschlussbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten vom 14. April 2004 - SBAS -, die ordnungsgemäß im Amtsblatt des Landkreises Wittenberg vom 8. Mai 2004 veröffentlicht wurde und in den hier maßgeblichen Teilen rückwirkend am 1. März 2004 in Kraft trat.

21

1. Nach welcher satzungsrechtlichen Grundlage der Beitrag zu bemessen ist, richtet sich nach dem geltenden Recht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Beitragspflicht entsteht im Anschlussbeitragsrecht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA in der ab 9. Oktober 1997 geltenden Fassung - KAG LSA -, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die in § 7 Abs. 1 SBAS getroffene Regelung, wonach die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung vor dem Grundstück entsteht, wird insoweit ergänzt. Nach der vorher geltenden Fassung des § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes entstand die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu beiden Gesetzesfassungen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Januar 2011 - 4 L 234/09 -; Urt. v. 6. März 2003 - 1 L 318/02 -, m.w.N.; vgl. auch Beschl. v. 10. November 1999 - B 3 S 29/98 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung entstehen.

22

Die Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 ist für das Grundstück der Klägerin die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung, da die vorher geltenden Beitragssatzungen der Rechtsvorgänger des Beklagten, der Stadt D. sowie des AZV D., keine taugliche Rechtsgrundlage waren. Wie das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 52/09 -) zur Recht festgestellt hat, verstieß die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Stadt D. vom 11. Juli 2000 - auch in der Gestalt der vier Änderungssatzungen - mit der Festsetzung eines geringeren Beitragssatzes für Grundstücke, die die in der Zeit vom 15. Juni 1991 bis 4. November 1993 angeschlossen wurden oder anschließbar waren, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS). Die Entwässerungsabgabensatzung des AZV D. vom 9. April 1996 enthielt keine wirksame Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA in einer Beitragssatzung vorgeschrieben ist.

23

2. Durchgreifende Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Satzung vom 14. April 2004 sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab sonst ersichtlich.

24

3. Der angefochtene Bescheid vom 21. Dezember 2010 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in festsetzungsverjährter Zeit erlassen worden.

25

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist.

26

Die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück der Klägerin ist nach der zum 1. April 2004 erfolgten Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Beklagten und vor Ablauf des Jahres 2004 entstanden. Denn unstreitig bestand jedenfalls im Jahr 2004 eine dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten und die am 1. März 2004 in Kraft getretene Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 war die erste wirksame Beitragssatzung. Dass die sachliche Beitragspflicht erst auf Grund der Satzungsregelungen des Beklagten entstanden ist, obwohl die Stadt D. vor der Übertragung der Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten schon ein Abwasserbeseitigungssystem hergestellt hatte, ist unschädlich.

27

Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des 31. Dezember 2004 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist jedoch gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a AO durch die Einlegung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 bis zum Eintritt der Bestandskraft des nunmehr streitigen Beitragsbescheides des Beklagten gehemmt worden.

28

Wird ein Abgabenbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft gem. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 171 Abs. 3a Satz 2 AO hinsichtlich des gesamten Abgabenanspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO bestimmt, dass in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden ist, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist.

29

a) Die Regelungen des § 171 Abs. 3a AO sind anwendbar. Zwar werden in § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA lediglich die Absätze 1 bis 4 und 7 bis 14 des § 171 AO, nicht jedoch dessen Absatz 3a auf kommunale Abgaben für entsprechend anwendbar erklärt. Gleichwohl ist auch der letztgenannte Absatz von der als dynamische Verweisung anzusehenden Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA erfasst (vgl. mit näherer Begründung OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11. Oktober 2004 - 2 M 444/04 -; Beschl. v. 12. Juli 2002 - 1 M 273/01 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch Beschl. v. 26. September 2006 - 4 L 208/06 -; vgl. weiter Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 38a, m.w.N.).

30

b) Die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3a AO sind erfüllt.

31

Bei dem Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 handelt es sich um einen Abgabenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO, der mit einem Widerspruch angefochten und in einem Klageverfahren gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben worden ist. Rechtsfolge des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist, dass die Ablaufhemmung erst endet, wenn ein nachfolgender (neuer) Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist bzw. über den Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid unanfechtbar entschieden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. Juli 2013 - OVG 9 B 64.11 -; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011 - 4 EO 39/11 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30. August 2011 - 6 A 10475/11 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. Oktober 2010 - 14 A 1345/10 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 36, m.w.N.).

32

Dass die Stadt D. den Bescheid vom 24. Februar 2004 erlassen hat, bevor die sachliche Beitragspflicht entstanden war, steht dem nicht entgegen. Es ist von vornherein unschädlich, wenn der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Abgabenbescheides i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO noch nicht entstanden war. Der Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3a AO liegt die Konstellation zugrunde, dass die ursprüngliche Abgabenfestsetzung angefochten worden ist, und dass nunmehr die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung der streitigen Abgabe nicht dadurch obsolet werden soll, dass zwischenzeitlich - d.h. während der Rechtsbehelf gegen die alte Festsetzung noch anhängig ist - die Festsetzungsfrist abläuft. Nur die Anfechtung eines nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 125 AO nichtigen Bescheids führt nicht zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (VGH Bayern, Urt. v. 8. März 1991 - 23 B 89.134 -; BFH, Urt. v. 19. November 2009 - IV R 89/06 -, m.w.N., jeweils zit. nach JURIS zu § 171 Abs. 3 AO a.F.; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 50).

33

Auch der Umstand, dass der Beklagte nach Erhebung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 24. Februar 2004 für die Beitragserhebung zuständig geworden ist und somit nach Einsetzen der Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden hat, ist unschädlich (so i.E. auch OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -, zit. nach JURIS zu einem Gebührenanspruch). Die Abgabenfestsetzung nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO und damit die Festsetzungsfrist beziehen sich zwar - was sich auch aus § 171 Abs. 3a AO Satz 2 AO ergibt - auf den konkreten Abgabenanspruch i.S.d. § 37 Abs. 1 AO, d.h. auf den Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis nach § 38 AO zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner. Angesichts des Zwecks des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO sowie des Umstands, dass diese Regelung nach § 13 Satz 1 KAG LSA nur entsprechend anzuwenden ist und eine vergleichbare Zuständigkeitsverlagerung in Verfahren nach der Abgabenordnung gerade nicht stattfinden kann, ist aber eine erweiternde Auslegung für den Fall vorzunehmen, dass die Befugnis zur Beitragserhebung auf eine insoweit als Rechtsnachfolger anzusehende andere Körperschaft übergeht. Die in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO vorgenommene Verlängerung der Hemmung soll die Durchführung des behördlichen Verfahrens sichern (vgl. BFH, Urt. v. 5. Oktober 2004 - VII R 77/03 -, zit. nach JURIS unter Hinweis auf BT-Drs VI/1982, Seite 151; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011, a.a.O.). Ohne eine solche Regelung wären gerade in kommunalabgabenrechtlichen Verfahren, deren Rechtsgrundlage kommunale Satzungen bilden, Einbußen der abgabenerhebenden Körperschaften zu befürchten. Denn ein Verweis auf § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, wonach auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides eine Neubescheidung erfolgen kann, fehlt im Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt. Für die Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist es daher ausreichend, dass die Beitragsfestsetzung der vorher zuständigen Körperschaft auf einen nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch gerichtet war (vgl. dazu auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994 - I B 139/93 -, zit. nach JURIS), so dass einer Beitragsfestsetzung durch die während der Hemmungswirkung zuständig gewordene Körperschaft die Ausschlusswirkung des Beitragsbescheides der vorher zuständigen Körperschaft entgegenstand. Dass die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nach der vom Verwaltungsgericht genannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urt. v. 13. Dezember 2001 - III R 13/00 -, zit. nach JURIS) nur gewahrt ist, wenn der Abgabenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Behörde verlassen hat, hat für die Auslegung des § 171 Abs. 3a AO keine Bedeutung (vgl. auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994, a.a.O.). Insoweit ausreichend ist, dass der Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 fristwahrend i.S.d. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO ihren Bereich verlassen hat.

34

Die erhobenen Einwendungen der Klägerin sind nicht durchgreifend. Abgesehen davon, dass die maßgeblichen Regelungen der Abgabenordnung entgegen ihrer Auffassung schon nicht als Schutznorm für die Beitragspflichtigen anzusehen sind, ergibt sich die hier vorgenommene Auslegung maßgeblich aus dem nur auf eine entsprechende Anwendung gerichteten Anwendungsbefehl des Gesetzgebers des Kommunalabgabengesetzes. Ohne Erfolg macht die Klägerin auch geltend, die öffentliche Entsorgungseinrichtung des Beklagten, um deren Herstellung es gehe, sei nicht identisch mit der ehemaligen öffentlichen Entsorgungseinrichtung der Stadt D., weil die Städte A und Z-E hinzugekommen seien. Diese Städte waren zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht nach der maßgebenden Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten vom 14. April 2004 noch nicht von der Einrichtung des Beklagten erfasst. Darüber hinaus lässt eine bloße flächenmäßige Erweiterung der öffentlichen Einrichtung nicht die Einstufung des Beitragsanspruchs des Beklagten als einen - verglichen mit dem Beitragsanspruch der Stadt D. - nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch entfallen.

35

4. Eine Beitragserhebung wird durch die die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht nicht ausgeschlossen.

36

Dieses Gebot schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, zit. nach JURIS).

37

Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -; vgl. auch Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils zit. nach JURIS). Die in der Rechtsprechung angeführten Argumente gegen eine Anwendung der Entscheidung vom 5. März 2013 im Anschlussbeitragsrecht (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014 - 1 L 142/13 -; VG Greifswald, Urt. v. 14. November 2013 - 3 A 524/11 -; VG Schwerin, Urt. v. 11. April 2013 - 4 A 1250/12 -, jeweils zit. nach JURIS) sind angesichts der eindeutigen Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts von vornherein nicht durchgreifend. Die Überlegungen zu den Besonderheiten des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs, zu der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen im Hinblick auf die teilweise Gebührenfinanzierung und das Entstehen von Finanzierungslücken, zu der Sondersituation in den neuen Bundesländern, zu der Vergleichbarkeit mit dem Erschließungsbeitragsrecht sowie zu den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. dazu umfassend OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.) richten sich unmittelbar gegen die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG in der Entscheidung vom 5. März 2013. Aber auch wenn die genannten Überlegungen und noch andere Erwägungen (z.B. der durch Inflation und Zinseszinseffekte bedingte Vorteil für den Beitragspflichtigen durch eine verzögerte Heranziehung) in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich angesprochen werden, ist die verfassungsrechtlich maßgebliche Frage i.S.d. § 31 Abs. 1 BVerfGG als geklärt anzusehen. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

38

a) Zwar führen sowohl § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA (1) als auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO (2) in der bisher von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung zu mit dem genannten Verfassungsgebot nicht zu vereinbarenden Ergebnissen.

39

(1) § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA ermöglicht in der bisherigen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von Anschlussbeiträgen. Denn gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 170 Abs. 1 AO wird damit auch die Festsetzungsverjährung hinausgeschoben. Es bleibt letztlich der beitragserhebenden Körperschaft überlassen, ob und wann sie eine Beitragssatzung erlässt, mit der wiederum erst die sachlich Beitragspflicht entsteht und die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen beginnt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3. September 2013 - 1 BvR 1282/13 -; BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013, a.a.O.; VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013 - 4 B 266/13 -; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, jeweils zit. nach JURIS; OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, f., m.w.N.). Der Umstand, dass auf Grund des § 6 Abs. 8 KAG LSA die sachliche und persönliche Beitragspflicht für ein Grundstück auseinanderfallen kann und dann im Einzelfall möglicherweise kein Verstoß gegen des Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vorliegt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.), ändert daran nichts.

40

(2) Entsprechendes gilt für § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO. Danach besteht für den Erlass eines auf die Aufhebung eines angefochtenen Abgabenbescheides folgenden Bescheides, dessen Unanfechtbarkeit erst die bestehende Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist beseitigt, keine Frist (vgl. BFH, Urt. v. 23. März 1993 - VII R 38/92 - zu § 171 Abs. 3 Satz 3 AO a.F., zit. nach JURIS; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 58). Im Falle der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung eines Abgabenbescheides hat es also die abgabenerhebende Körperschaft in der Hand, ob und wann sie einen neuen Bescheid erlässt, so dass im Ergebnis dann ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit des Anschlussbeitrages vorliegt.

41

b) Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Regelungen, mit der eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit verhindert wird, ist ausgeschlossen.

42

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

43

(1) Die nach dem Wortlaut der Regelung allein in Betracht kommende Auslegung des ab 9. Oktober 1997 geltenden § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung, um wirksam zu sein, rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (vgl. OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013 - 5 A 478/10 -, zit. nach JURIS; Storm, DWW 2013, 246, 248 Fn. 13; Martensen, LKV 2014, 446, 451; vgl. auch das von Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 5. März 2013 angeführte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535, 536 f.), ist mit den dargelegten Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

44

Mit einer solchen Auslegung dürfte schon hinsichtlich des durch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelten Erlasses der für die Beitragserhebung erforderlichen Beitragssatzung die verfassungsrechtliche Vorgabe einer bestimmbaren zeitlichen Obergrenze nicht erfüllt sein. Denn dadurch wird nicht die Fallkonstellation erfasst, dass die zuständige Körperschaft von vornherein keine Beitragssatzung erlässt (vgl. zur Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Regelungen in einem solchen Fall die Gesetzesbegründung zu der Änderung des BayKAG vom 13. Januar 2014, LT-Drs 17/370, Seite 12 f.).

45

Jedenfalls steht einer abweichenden Auslegung die Entstehungsgeschichte des Gesetzes entgegen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Neuregelung klar zum Ausdruck gebracht, dass vor dem Hintergrund der Problematik von ungültigen Zweckverbandsgründungen die sachliche Beitragspflicht bei Anschlussbeiträgen mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen sollte. Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu der Regelung (LT-Drs 2/3895 vom 26. August 1997, Seite 7; vgl. weiter Begründung des Gesetzentwurfs zu der ab 1999 geltenden Neuregelung in LT-Drs 3/919 vom 28. Januar 1999, Seite 5) und entspricht dem prinzipiellen Zweck des Gesetzes (so auch VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013, a.a.O.; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a, S. 22/27). Eine andere Auslegung würde also das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfälschen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 18. Mai 1999 in Bezug auf eine zu § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA inhaltsgleiche Bestimmung des KAG NW eine abweichende Auslegung vornahm (vgl. auch OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F., zit. nach JURIS; a.M.: OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. September 2002 - 2 S 976/02 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, jeweils zit. nach JURIS zu vergleichbaren Regelungen) erfolgte dies unter ausdrücklichem Hinweis auf die im Ergebnis unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Norm.

46

(2) Der eindeutige Wortlaut des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO und die durch die Entstehungsgeschichte bestätigte Zielsetzung des Gesetzgebers der Abgabenordnung verhindert ebenfalls eine abweichende Auslegung des § 171 Abs. 3a AO. Auch wenn § 13 Abs. 1 KAG LSA ausdrücklich nur eine „entsprechende“ Anwendung der Regelungen der Abgabenordnung vorsieht, hat der Gesetzgeber des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt durch die vorgenommene Verweisung dieses gesetzgeberische Ziel übernommen.

47

c) Eine analoge Heranziehung von Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt bzw. des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt nicht in Betracht.

48

Jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung (hier die Analogie) setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (so BVerwG, Urt. v. 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) bzw. wenn der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist (so BVerwG, Urt. v. 25. April 2013 - 6 C 5.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich auf Grund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte (BVerwG, Urt. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012 - 4 L 224/11 -, zit. nach JURIS).

49

Einer analogen Heranziehung des § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG bzw. des § 53 Abs. 2 VwVfG LSA a.F. i.V.m. § 218 BGB a.F., die für unanfechtbare Verwaltungsakte zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers eine 30jährige Verjährungsfrist vorsehen (vgl. dazu VGH Bayern, Urt. v. 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, zit. nach JURIS; zum Erschließungsbeitragsrecht; VG Dresden, Urt. v. 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 187 f.), steht schon entgegen, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. das Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt für Verwaltungsverfahren, soweit in ihnen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, ausdrücklich nicht gilt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA a.F.). Das für Beitragsansprüche im Anschlussbeitragsrecht damit speziellere Kommunalabgabengesetz verweist aber gerade auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen (Festsetzungsverjährung, Zahlungsverjährung) auf die Abgabenordnung. Im Übrigen liegt keine Regelungslücke vor, da ein versehentliches Regelungsversäumnis des Gesetzgebers nicht anzunehmen ist (vgl. Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147), und es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, der Gesetzgeber hätte eine dreißigjährige Verjährungsfrist anordnen wollen, wenn er - eine Gesetzeslücke unterstellt - den Sachverhalt bedacht hätte.

50

d) Die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen kann jedoch hier ausnahmsweise durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen; vgl. auch BFH, Urt. v. 3. Mai 1979 - I R 49/78 -, zit. nach JURIS zu § 146 Abs. 3 AO a.F.).

51

(1) Zwar ist es - wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 5. März 2013 ausdrücklich festgestellt hat - Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2. Oktober 2014 - 4 L 125/13 -) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es muss für die Beitragsschuldner in erkennbarer Weise eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragserhebung festgesetzt werden. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Eingreifen von mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängig ist, reicht dazu grundsätzlich nicht aus (a.M.: VG Karlsruhe, Urt. v. 11. September 2014 - 2 K 2326/13 -, zit. nach JURIS zu einem Wasserversorgungsbeitrag; Driehaus, KStZ 2014, 181, 188; Martensen, LKV 2014, 446, 450). Dementsprechend kann auch eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) eine gesetzliche Regelung nicht ersetzen (so aber OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.).

52

Allerdings ist eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10. September 2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Normen in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen.

53

(2) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung steht der Beitragserhebung durch den Beklagten nicht entgegen.

54

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (a.a.O.), der sich der Senat insoweit anschließt, kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last falle und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheine. Eine Abgabenerhebung sei dann treuwidrig, wenn es auf Grund der Pflichtverletzung der abgabenerhebenden Körperschaft unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Beitragsschuldner mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen sei ein enger Maßstab. Unter Heranziehung der in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, sei eine Abgabenerhebung generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sei. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze könne die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sei dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung.

55

Nach diesen Maßgaben ist die Beitragserhebung durch den Beklagten nicht treuwidrig.

56

Eine Vorteilslage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsteht im Anschlussbeitragsrecht nach den Darlegungen in der Entscheidung vom 5. März 2013 mit dem „Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung“, d.h. mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung oder mit einer rechtlich dauerhaft gesicherten Anschlussmöglichkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 183; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a). Denn dann hat der Beitragsschuldner einen Vorteil erlangt, der durch den einmaligen Beitrag abgegolten wird.

57

Hier entstand die Vorteilslage für die Klägerin nach dem substanziierten Vorbringen des Beklagten frühestens mit der im Mai 2000 erfolgte Abnahme der Kanalbauarbeiten in der Straße, an der das klägerische Grundstück anliegt. Erst ab dann konnte das Grundstück an den Hauptsammler in dieser Straße angeschlossen werden. Ein von der Klägerin behaupteter Anschluss an eine zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bestand vor diesem Zeitpunkt nicht; vielmehr wurde das Schmutzwasser des auf dem Grundstück befindlichen Altenpflegeheims stets über eine dezentrale Anlage entsorgt. Aus den von der Klägerin genannten Unterlagen und Bekundungen Dritter ergibt sich nichts anderes. Die Mitteilung des Wasserzweckverbandes (…) aus dem Jahr 1995 über den Anschluss des Grundstücks an die Wasserversorgung ist von vornherein ohne Belang, weil daraus nicht auf eine bestehende Schmutzwasserbeseitigung dieses Grundstücks in eine zentrale Kläranlage geschlossen werden kann. Entsprechendes gilt für die Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahre 1994, auf der nach Mitteilung der Klägerin „Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar“ seien, sowie für eine Bekundung des ehemaligen Chefs der örtlichen Melioration, wonach ein Mischwasserkanal über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Der Bauantrag vom 13. November 1991 und die dazu ergangene Baugenehmigung vom 17. Dezember 1992 sind ebenfalls nicht ausreichend. Zwar wird in dem Bauantrag zur Beseitigung des Abwassers auf eine „Öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage: Trennsystem“ abgestellt und ein Gemeindekanal „Schmutzwasser: DN 200 der Stadt S. im Bereich der Zufahrt“ angeführt. Damit stellte der Bauantrag aber offensichtlich auf mögliche Planungen ab. Denn nach den Bedingungen Nr. 1.3. Satz 1 in der Anlage Nr. 1 zu der Baugenehmigung sind die anfallenden Abwässer in einer abflusslosen Sammelgrube ordnungsgemäß zu sammeln und zu entsorgen. Dementsprechend wird in einem zweiten Bauantrag der Klägerin aus dem Jahre 1997 zu dem streitbefangenen Grundstück („Rekonstruktion Alten- u. Pflegeheim“) ausdrücklich angegeben, dass die Grundstücksentwässerung über eine Kleinkläranlage erfolge. Nach einer Mitteilung des Abwasserzweckverbandes D. vom 3. Februar 1998 sei ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserleitung voraussichtlich erst ab dem Jahr 2002 möglich. Für das beplante Grundstück sei eine Übergangsmöglichkeit bzw. Dauerlösung gemäß DIN 4261 erforderlich und zwar eine Kleinkläranlage mit Nachbehandlung. Die Untere Wasserbehörde des Landkreises Wittenberg teilte der Klägerin im April 1998 mit, das Grundstück sei an die geplante Schmutzwasserleitung anzuschließen und als Behelfslösung bis zum Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation sei für die Abwasserentsorgung des Grundstückes eine abflusslose dichte Sammelgrube vorgesehen. Die Klägerin stellte daraufhin auch ausdrücklich einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung einer abflusslosen Grube. Der Abwasserzweckverband erklärte in einem Schreiben vom 28. Mai 1998, die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung sei entsprechend der von der Unteren Wasserbehörde festgelegten Lösung für die Übergangszeit gesichert. Die von der Klägerin angeführten Grundrisse des Pflegeheims aus dem Jahre 1993 mit eingezeichneten Schmutzwasser- und Regenwasserkanälen beziehen sich daher allein auf den Anschluss an die dezentrale Anlage auf dem Grundstück.

58

Die Beitragserhebung durch den Beklagten mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 erscheint nach den Umständen des Einzelfalles nicht als unzumutbar. Auch wenn die Zeitspanne zwischen dem Entstehen der Vorteilslage - falls man von einer Anschlussmöglichkeit schon ab Mai 2000 ausgeht - und der nunmehr streitbefangenen und damit maßgeblichen Beitragserhebung etwas mehr als zehn Jahre beträgt, ist der möglicherweise eine Pflichtverletzung begründende Zeitraum einer vorwerfbaren Untätigkeit des Beklagten oder der Stadt D. als seiner Rechtsvorgängerin deutlich kürzer. Dass die Stadt D. trotz Vorliegen einer Beitragssatzung fast vier Jahre bis zum Erlass des Beitragsbescheides vom 24. Februar 2004 benötigte, ist an sich nicht zu beanstanden, da der Körperschaft vor Erlass eines Beitragsbescheids ein angemessener Zeitraum zur Bearbeitung einzuräumen ist und dieser Zeitraum durch die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist begrenzt wird. Der Zeitablauf im Übrigen ist auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens gegen diesen ersten Bescheid zurückzuführen. Denn der Beklagte hat zeitnah zu dem rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens den streitigen Beitragsbescheid erlassen. Eine verzögerte Bearbeitung eines Widerspruchsverfahrens gegen einen Beitragsbescheid ist zwar als Pflichtverletzung anzusehen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die zeitliche Verzögerung in der Bearbeitung des Widerspruches der Klägerin gegen den Bescheid der Stadt D. teilweise auf die fehlende Begründung des Widerspruches sowie die Zuständigkeitsverlagerung zurückzuführen ist. Zudem hatte die Klägerin die Möglichkeit, im Rahmen einer Untätigkeitsklage ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Der allenfalls wenige Jahre betragende Zeitraum einer pflichtwidrigen Untätigkeit der Stadt D., der dem Beklagten zuzurechnen ist, ist danach zu kurz, um für sich genommen eine Beitragserhebung als unzumutbar zu qualifizieren. Da auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Beitragserhebung als treuwidrig erscheinen lassen, ist der Gesamtzeitraum nicht ausreichend, um nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Verletzung rechtsstaatlicher Vorgaben anzunehmen.

59

Es kann danach offen bleiben, ob die Vorteilslage nicht sogar erst im Jahr 2004 durch den vom Beklagten behaupteten Lückenschluss in der Kanalverbindung zum Klärwerk entstanden ist.

60

4. Einwände gegen die Berechnung des Beitrages sind nicht geltend gemacht; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

61

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

62

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

63

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

64

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


(1) In 30 Jahren verjähren, soweit nicht ein anderes bestimmt ist,

1.
Schadensersatzansprüche, die auf der vorsätzlichen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung beruhen,
2.
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen,
3.
rechtskräftig festgestellte Ansprüche,
4.
Ansprüche aus vollstreckbaren Vergleichen oder vollstreckbaren Urkunden,
5.
Ansprüche, die durch die im Insolvenzverfahren erfolgte Feststellung vollstreckbar geworden sind, und
6.
Ansprüche auf Erstattung der Kosten der Zwangsvollstreckung.

(2) Soweit Ansprüche nach Absatz 1 Nr. 3 bis 5 künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben, tritt an die Stelle der Verjährungsfrist von 30 Jahren die regelmäßige Verjährungsfrist.

(1) Ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, hemmt die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

(2) Ist ein Verwaltungsakt im Sinne des Absatzes 1 unanfechtbar geworden, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre. Soweit der Verwaltungsakt einen Anspruch auf künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt hat, bleibt es bei der für diesen Anspruch geltenden Verjährungsfrist.

Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
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2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
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1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
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Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
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So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
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Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
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Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
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Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
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Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
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Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
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2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
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Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
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Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
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Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
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Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
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Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
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Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
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cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
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Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
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Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
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Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
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dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
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Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
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4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
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5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
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Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
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6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
10 
Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
11 
Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
12 
Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
13 
Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
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Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.


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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Bescheide der Beklagten vom 24. August 2011, mit welchen er zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 70.305,48 € für die erstmalige Herstellung des Teils der „G.-Str.“ in M... herangezogen wurde, der von der F.-Str. abzweigt, vierspurig ausgebaut ist und auf der Parzelle 326/8 liegt.

2

Dieses Teilstück der „G.-Str.“ wurde in den Jahren 1985/86 erbaut. Ursprünglich plante die Beklagte – wie im Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck gebracht und im Deckblatt 3 zum Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ im Jahr 1989 bekräftigt –, die „G.-Str.“ in westlicher Richtung, also über die Parzelle 326/8 hinaus, vierspurig weiterzuführen. Diese Planung gab die Beklagte mit dem im Jahr 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot III“ auf.

3

Mit Bescheiden vom 25. Oktober 1991 erhob die Beklagte Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für den auf der Parzelle 326/8 liegenden Teil der „G.-Str.“. Die mit Umlegungsbeschluss vom 31. Oktober 1990 eingeleitete Baulandumlegung in diesem räumlichen Bereich wurde im Jahr 1999 aufgehoben, ohne dass es zu Änderungen in Bezug auf die Grundstücke des Klägers gekommen war. Nach der Widmung der „G.-Str.“ im Jahr 2007 erließ die Beklagte drei Erschließungsbeitragsbescheide vom 4. September 2007, von denen zwei vom Verwaltungsgericht Koblenz im Verfahren 4 K 949/10.KO wegen unzulässiger Bildung wirtschaftlicher Grundstückseinheiten aufgehoben wurden. Abgewiesen wurde die im Verfahren 4 K 949/10.KO erhobene Klage gegen den sich auf das Grundstück Parzelle 330/10 beziehenden Erschließungsbeitragsbescheid.

4

Unter dem 24. August 2011 ergingen die sieben angefochtenen Bescheide. Die Grundstücke Parzellen 325/5 sowie 326/7 und die Grundstücke Parzellen 325/4 sowie 326/6 wurden von der Beklagten jeweils als wirtschaftliche Grundstückseinheit veranlagt; hinsichtlich der Grundstücke Parzellen 320/5, 323/5, 320/4 und 323/4 ergingen Einzelbescheide. Für das Grundstück des Klägers Parzelle 330/10 erfolgte eine Nachveranlagung aufgrund des neu errechneten Beitragssatzes.

5

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich zu Eigen macht.

6

Die nach Zurückweisung der Widersprüche des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2014 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Erschließungsbeitragsbescheide seien hinreichend bestimmt und auch in materiell-rechtlicher Hinsicht – bis auf geringfügige Korrekturen – nicht zu beanstanden. Die Beitragsschuld sei weder verjährt noch aus anderen Gründen erloschen. Auch die Nacherhebung für die Parzelle 330/10 sei zulässig. An der Erforderlichkeit einer vierspurigen Herstellung der Fahrbahn bestünden keine durchgreifenden Zweifel. Soweit dies geboten sei, habe die Beklagte ferner eine Vergünstigung für Hinterliegergrundstücke berücksichtigt.

7

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen, die Breite der abgerechneten vierspurigen Verkehrsanlage sei nicht erforderlich, zumal ihre Fortsetzung nach Westen lediglich zweispurig erfolgt sei. Die „G.-Str.“ müsse außerdem bis zur Einmündung der „C.-Str.“ als eine einheitliche Verkehrsanlage betrachtet werden. Ferner berücksichtige das angefochtene Urteil die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend, wonach es nicht erlaubt sei, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Dass die Beklagte nach dem Straßenbau mehr als 20 Jahre bis zum Erlass der angefochtenen Heranziehungsbescheide habe verstreichen lassen, könne verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden. Dabei sei der späte Zeitpunkt der Widmung, die die Beitragspflicht erst ausgelöst habe, keine Rechtfertigung für die erwähnte zeitliche Verzögerung der Veranlagung. Die maßgebliche Vorteilslage sei bereits mit der Übergabe der abgerechneten Straße an den Verkehr im Jahr 1986 eingetreten. Ungeachtet dessen hätte das Verwaltungsgericht auch eine konkludente Widmung in Betracht ziehen müssen.

8

Der Kläger beantragt,

9

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2016 die sechs Beitragsbescheide sowie den Nacherhebungsbescheid der Beklagten vom 24. August 2011 und den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz vom 15. Dezember 2014 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie erläutert den zeitlichen Ablauf zwischen Planung, Bau und Abrechnung des vierspurigen Teils der „G.-Str.“ (Parzelle 326/8). Angesichts der aufgetretenen Schwierigkeiten bestreitet die Beklagte eine unzulässige Verzögerung der Heranziehung. Sie weist insbesondere auf notwendig gewordene Planungsänderungen und ein Umlegungsverfahren in den Jahren 1990 bis 1999 hin, das eine frühere Widmung als die im Jahr 2007 wirksam gewordene nicht zugelassen habe.

13

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen, den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und den beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren 4 K 1262/09.KO, 4 K 949/10.KO sowie 4 K 80/15.KO, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung des Klägers gegen die ganz überwiegende Abweisung seiner Klage ist unbegründet.

15

Soweit das Verwaltungsgericht der Beklagten in geringfügigem Umfang eine Neuberechnung zu Gunsten des Klägers aufgegeben hat, ist das angefochtene Urteil rechtskräftig geworden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 24. August 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2014 sind in dem noch anhängigen Umfang rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Die angefochtenen Bescheide beruhen auf den Bestimmungen der §§ 127 ff. des BaugesetzbuchsBauGB – i. V. m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung einmaliger Beiträge für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen (Erschließungsbeiträge) vom 14. April 1988 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 8. April 2004 – EBS –. Danach erhebt die Beklagte Erschließungsbeiträge zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen unter im Einzelnen geregelten Voraussetzungen. Die Beitragserhebung setzt insbesondere voraus, dass ein Beitragsanspruch entstanden (1.) sowie nicht wieder erloschen ist (2.) und ihm auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht (3.).

17

1. Der Anspruch auf Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage (a) entsteht mit dem Abschluss der „endgültigen Herstellung“ (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) unter Beachtung der Voraussetzungen des § 125 BauGB (b), dem Eigentumserwerb der Beklagten an der Straßenparzelle (§ 8 EBS) und dem Wirksamwerden der Widmung dieser Verkehrsanlage (c). Diese Voraussetzungen sind hier ebenso gegeben wie die Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands (d).

18

a) Als beitragsfähige Erschließungsanlage i. S. d. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist der Teil der „G.-Str.“ zu betrachten, der von der F.-Str. abzweigt bzw. in sie einmündet, vierspurig ausgebaut ist und auf der Parzelle 326/8 liegt.

19

Bei der Bestimmung des Umfangs, also insbesondere des Anfangs sowie des Endes einer Erschließungsstraße ist – ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise – grundsätzlich auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten geprägte Erscheinungsbild abzustellen (BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 − 8 C 17.94 −, BVerwGE 101, 12).

20

Nach diesem Maßstab stellt das erwähnte, ca. 200 m lange Teilstück der „G.-Str.“ eine selbständige Erschließungsanlage dar. Wegen seines vierspurigen Ausbaus unterscheidet es sich von seiner zweispurigen Fortsetzung in westlicher Richtung so erheblich, dass von einer einheitlichen Verkehrsanlage „G.-Str.“ nicht die Rede sein kann. Auch die Fahrbahnoberfläche lässt das westliche Ende der Straßenparzelle 326/8, die mit Verbundsteinpflaster versehen ist, als deutliche Zäsur gegenüber der asphaltierten Fahrbahn der westlichen Fortführung der „G.-Str.“ auf der Parzelle 2576/4 erscheinen. Angesichts dessen kann dem Kläger nicht in der Auffassung gefolgt werden, die „G.-Str.“ müsse von ihrer Abzweigung von der F.-Str. bis zur Einmündung der „C.-Str.“ als eine einheitliche Verkehrsanlage betrachtet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des unterschiedlichen Erscheinungsbilds der Straßenparzellen 326/8 und 2576/4 nimmt der Senat Bezug auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Januar 2011 im Verfahren 4 K 949/10.KO.

21

b) Dass der abgerechnete, vierspurige Teil der „G.-Str.“ den Herstellungsmerkmalen des § 8 EBS entsprechend hergestellt wurde, kann den Verwaltungsvorgängen sowie dem von der Beklagten vorgelegten Foto entnommen werden; dies wird vom Kläger auch nicht bezweifelt. Gleiches gilt für den notwendigen Grunderwerb (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 9. August 2013 – 9 B 31.13 –, juris), der im Jahr 1986 abgeschlossen werden konnte.

22

c) Die Widmung der abgerechneten Erschließungsanlage wurde vom Rat der Beklagten am 5. Juli 2007 beschlossen und im Amtsblatt vom 31. Juli 2007 öffentlich bekannt gemacht.

23

Anders als der Kläger meint, wurde der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) nicht bereits als Bestandteil der F.-Str. im Jahr 1982 gewidmet. Zu den seinerzeit in der Widmung einzeln bezeichneten Straßenparzellen gehört die Parzelle 326/8 nicht. Sie konnte auch nicht etwa als unselbständiger Bestandteil der F.-Str. von der Widmung umfasst sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. November 1984 – 8 C 77.83 –, BVerwGE 70,247; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1995 – 8 C 33.94 –, KStZ 1996, 156) kann dies nur für öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen vorgesehene und nicht verzweigte Stichwege bei einer Ausdehnung bis zu 100 m und einer dieser Ausdehnung angemessenen Anzahl erschlossener Grundstücke gelten. Daran fehlt es hier schon deshalb, weil der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) ca. 200 m lang ist.

24

Die Zweckbestimmung, dem öffentlichen Verkehr zu dienen, vermochte der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) auch nicht – wie der Kläger meint – durch eine „konkludente Widmung“ zu erlangen. Unter Geltung des Landesstraßengesetzes – LStrG –, also für die Zeit nach dem 1. April 1963, kann eine Straße allein durch eine förmliche Widmung gemäß § 36 LStrG für den öffentlichen Verkehr bestimmt werden, die nicht rückwirkend verfügt werden kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 10. Juni 2003 – 6 A 10310/03.OVG –, AS 30, 359; OVG RP, Beschluss vom 13. Mai 2004 – 6 B 10428/04.OVG –). Abgesehen von der Möglichkeit, beispielsweise gemäß § 36 Abs. 4 LStrG eine Widmung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens auszusprechen, sind andere rechtliche Formen, eine Verkehrsanlage auf Dauer als dem öffentlichen Verkehr dienend bereit zu stellen, straßenrechtlich nicht vorgesehen. Insbesondere vermögen die Festsetzungen eines Bebauungsplans eine Widmung nicht zu ersetzen (vgl. OVG RP, Urteil vom 18. März 2003 – 6 A 11867/02.OVG –, AS 30, 287). Das gilt erst recht für die Aufnahme einer Verkehrsfläche in eine gemeindliche Straßenreinigungssatzung.

25

d) Auch die Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands, insbesondere des vierspurigen Ausbaus der abgerechneten Erschließungsanlage, zieht der Kläger ohne Erfolg in Zweifel.

26

Bei der Beurteilung dessen, in welchem Umfang eine Gemeinde die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage für "erforderlich" im Sinne des § 129 Abs. 1 BauGB hält, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen, steht ihr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu (BVerwG, Urteil vom 13. August 1993 – 8 C 36/91 –, KStZ 1994, 136). Die Gemeinde darf bei der Entscheidung, in welcher Breite eine Erschließungsanlage hergestellt werden soll, auch das Bedürfnis nach Leichtigkeit des Verkehrs in ihre Überlegungen einbeziehen (BVerwG, Urteil vom 24. November 1978 – IV C 18.76 –, NJW 1979, 2220). Die planerische Festlegung des erforderlichen Umfangs einer Erschließungsanlage ist auf den Bedarf auszurichten, mit dem unter Berücksichtigung einer voraussehbaren Entwicklung vorsorglich gerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 13. August 1993 – 8 C 36.91 –, KStZ 1994, 136).

27

Gemessen daran kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte die Erforderlichkeit des vierspurigen Ausbaus der abgerechneten Erschließungsanlage in einer Breite von etwa 17 m für erforderlich gehalten hat. Damit ist sie weit unterhalb der für Gewerbegebiete in § 2 Abs. 1 Nr. 1 d) EBS festgesetzten Höchstbreiten geblieben und hat – wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde – ermöglicht, dass die jeweils rechten Fahrbahnen als Parkflächen genutzt werden können, zumal eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen auf den Grundstücken nicht sichergestellt war. Außerdem gewährleistet diese Straßenbreite, dass Lastzüge ohne Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn auf die anliegenden Gewerbegrundstücke abbiegen können. Zwar ist davon auszugehen, dass der zugrundeliegende Bebauungsplan "Gewerbegebiet Depot II" der Beklagten wegen eines Ausfertigungsmangels und wegen Abwägungsfehlern nicht wirksam geworden ist. Die Abwägung wurde vom Verwaltungsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 – 7 K 1366/89.KO aber nicht wegen der festgesetzten Straßenbreite beanstandet, sondern wegen Vernachlässigung der Belange der benachbarten Städte in ihrer Funktion als Ober- oder Mittelzentren. Schließlich ist – anders als der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt hat – der vierspurige Ausbau der abgerechneten Erschließungsanlage in dem Gewerbegebiet der Beklagten nicht singulär. Vielmehr wurde die parallel zur „G.-Str.“ angelegte Straße „A...“ ebenfalls vierspurig ausgebaut und mit einem Verbundsteinpflaster sowie seitlichen Parkmarkierungen versehen, wie die Beteiligten bestätigten.

28

Im Hinblick auf die weiteren Einwände des Klägers gegen die Höhe der festgesetzten Erschließungsbeiträge, die er im Berufungsverfahren nicht wieder angesprochen hat, verweist der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils und des im Verfahren 4 K 949/10.KO ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Januar 2011.

29

2. Der Beitragsanspruch der Beklagten ist weder durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (a) noch durch Verwirkung (b) erloschen. Auch die in Bezug auf das Grundstück Parzelle 330/10 vorgenommene Nacherhebung ist nicht zu beanstanden (c).

30

a) Für das Erschließungsbeitragsrecht gelten die landesabgabenrechtlichen Verjährungsvorschriften (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitrage, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 26). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – i. V. m. § 170 Abs. 1 der AbgabenordnungAO – beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist. Da die Widmung als letzte Voraussetzung der Entstehung des Beitragsanspruchs – wie ausgeführt – im Jahr 2007 wirksam wurde, lief die vierjährige (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) Festsetzungsfrist erst nach Erlass der angefochtenen Bescheide, nämlich am 31. Dezember 2011, ab.

31

b) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 17. Januar 2011 – 4 K 949/10.KO – begründet, dass trotz des Zeitablaufs eine Verwirkung des Beitragsanspruchs nicht eingetreten ist. Der Kläger konnte aufgrund der Umstände nicht darauf vertrauen, er werde nicht (mehr) zu Erschließungsbeiträgen herangezogen. Die Entschlossenheit der Beklagten, die Herstellungskosten für die abgerechnete Verkehrsanlage durch Erschließungsbeiträge zu refinanzieren, kam bereits in der Erhebung von Vorausleistungen durch die Bescheide vom 25. Oktober 1991 zum Ausdruck. In der Folgezeit war die Beklagte wegen des dem Kläger bekannten Umlegungsverfahrens gehindert, endgültige Beitragsbescheide zu erlassen (vgl. hierzu OVG RP, Urteil vom 8. September 2004 – 8 A 10380/04.OVG –, NVwZ-RR 2005, 849). Nach dessen Abschluss wurde die „G.-Str.“ über die Parzelle 326/8 hinaus (zweispurig) nach Westen verlängert und im Jahr 2007 insgesamt dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Noch im Jahr 2007 ergingen drei Erschließungsbeitragsbescheide, von denen zwei allerdings gerichtlich aufgehoben wurden. Unter diesen Umständen war das Vertrauen des Klägers, er werde von endgültigen Erschließungsbeiträgen für seine Grundstücke verschont bleiben, nicht schutzwürdig.

32

c) Anders als der Kläger meint, steht der Nachveranlagung in Bezug auf das Grundstück Parzelle 330/10 nicht der Einwand der Rechtskraft entgegen. Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 17. Januar 2011 – 4 K 949/10.KO – die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 4. September 2007, mit dem für die Parzelle 330/10 ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 34.959,46 € festgesetzt wurde, abgewiesen, aber nicht etwa entschieden, dass der Kläger einen darüber hinaus gehenden Betrag nicht schuldet.

33

Die Beklagte verstößt mit dem das Grundstück Parzelle 330/10 betreffenden Bescheid vom 24. August 2011 auch nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. hierzu OVG RP, Beschluss vom 7. Juni 2004 – 6 A 10430/04.OVG –, NVwZ-RR 2004, 782; OVG RP, Urteil vom 19. September 2006 – 6 A 10724/06.OVG –, AS 33, 327 = KStZ 2006, 239). Denn bei diesem Bescheid vom 24. August 2011 handelt es sich um einen zulässigen (Teil-)Widerruf des Beitragsbescheids vom 4. September 2007.

34

Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG durch Gesetz vom 12. Dezember 2006 wurde die Möglichkeit zum (Teil-)Widerruf begünstigender Beitragsbescheide nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO eröffnet, also zur Nacherhebung von Beiträgen aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen, soweit ohne den (Teil-)Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Der Begriff „Tatsache“ in § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO bezeichnet nicht nur im umgangssprachlichen Sinn etwas rein Tatsächliches, sondern auch die abgabenrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts (BFH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – VII R 43/07 –, BFHE 223, 344). Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses in diesem Sinn liegt regelmäßig schon dann vor, wenn bei einem Festhalten an der früheren Entscheidung der Begünstigte gegenüber anderen Abgabenpflichtigen bevorzugt würde (OVG RP, Urteil vom 28. April 2009 – 6 A 11113/08.OVG –, AS 37, 254); denn es besteht ein öffentliches Interesse an der Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung (vgl. BFH, Urteil vom 30. November 2004 – VII R 41/03 –, BFHE 208, 361).

35

3. Die Beitragserhebung stellt ferner nicht wegen des langen Zeitraums, der seit der technischen Fertigstellung der abgerechneten Verkehrsanlage vergangen ist, eine unzulässige Rechtsausübung dar.

36

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) verlangt das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 46). Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 45; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris, Rn. 7). Es kann ausreichen, dass der Erhebung einer Abgabe durch eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auslegung einer Norm eine bestimmte zeitliche Grenze gesetzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2016 – 1 BvR 3092/15 –, NVwZ-RR 2016, 889, Rn. 7 ff.).

37

Während in Bayern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen gesetzliche Höchstfristen für die Beitragserhebung normiert wurden, hat der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber (bisher) auf eine solche Regelung verzichtet. Dies kann nach Auffassung des Senats nicht beanstandet werden, weil der Landesgesetzgeber davon ausgehen konnte, zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze komme ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 des VerwaltungsverfahrensgesetzesVwVfG – im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – BayVBl. 2014, 241 <242>) oder vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 28, 31 ff.) in Betracht (so auch Driehaus, KStZ 2014, 181 <188>).

38

Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 16. Februar 2017 (– 6 A 10137/14.OVG –, juris) dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211) in der Auffassung angeschlossen, durch den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben werde sichergestellt, dass sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Sanierungsvorteils festgesetzt werden dürfen. Danach ist die Abgabenerhebung dann treuwidrig, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Obwohl es im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein mag, wann diese Unzumutbarkeit eintritt, ist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aber handhabbar, wobei ein enger Maßstab zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 32). Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann danach etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte. Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften wie etwa der Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG zurückgegriffen werden, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 33 m. w. N.; OVG RP, Urteil vom 16. Februar 2017 – 6 A 10137/14.OVG –, juris).

39

b) Die in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auch im Erschließungsbeitragsrecht übernommen werden. Zwar dauert ein Sanierungsverfahren von dessen Einleitung bis zur Aufhebung der Sanierungssatzung im Allgemeinen wesentlich länger als ein Verfahren zur erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage. Dieser Unterschied ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht maßgebend. Entscheidend für die Vergleichbarkeit der Erhebung von Sanierungsausgleichsbeträgen und der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ist, dass in beiden Fällen zwischen dem Eintritt der Vorteilslage (Abschluss der Sanierungsmaßnahmen bzw. technische Fertigstellung der Erschließungsanlage) und der Abgabenerhebung ein langer Zeitraum liegen kann, der durch Verjährungsfristen nicht begrenzt wird, wenn die jeweilige Abgabenpflicht noch nicht entstanden ist. Damit ist auch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein (wie BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 34 und OVG RP, Urteil vom 16. Februar 2017 – 6 A 10137/14.OVG –, juris, für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge).

40

Soweit der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, NVwZ-RR 2015, 786) einen Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze einer Beitragserhebung nicht für zulässig hält, folgt ihm der Senat nicht. Zwar trifft es zu, dass § 53 Abs. 2 VwVfG gemäß § 1 Abs. 1 und 3 Nr. 1 LVwVfG nicht für Verfahren gilt, die nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Das schließt aber nicht aus, die Wertung einer allgemeinen Verjährungsvorschrift wie der Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG zur Ausfüllung des erläuterten Treuwidrigkeitstatbestandes heranzuziehen. Damit wird ferner nicht die Aufgabe des Gesetzgebers verkannt, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen. Denn das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 45; Beschluss vom 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris, Rn. 7) hält es für ausreichend, wenn der Gesetzgeber jedenfalls im Ergebnis sicherstellt, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.

41

c) Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen durch die Bescheide der Beklagten vom 24. August 2011 stellt nach diesen Maßstäben keine unzulässige Rechtsausübung dar. Seit dem Entstehen der Vorteilslage sind nicht mehr als 30 Jahre verstrichen (aa). Aber auch unabhängig davon ist die Beitragserhebung nach den vorliegenden Umständen nicht treuwidrig (bb).

42

aa) Da die Vorteilslage im Jahr 1999 eingetreten ist, vergingen bis zur Beitragserhebung im Jahr 2011 lediglich ca. 12 Jahre. Der beitragsrechtliche Vorteil durch erstmalige Herstellung einer Erschließungsstraße kann nämlich frühestens mit der technischen Fertigstellung einer bestimmten (eigenständigen) Verkehrsanlage entsprechend den satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmalen durch Verwirklichung des aufgestellten Bauprogramms entstehen (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 –, BayVBl 2014, 241, Rn. 22). Dabei wird nicht verkannt, dass dieser Vorteil erst dann voll ausgeprägt ist, wenn nicht nur die tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt bzw. eines Zugangs zur Erschließungsanlage gegeben, sondern diese auch rechtlich dauerhaft – im Allgemeinen aufgrund straßenrechtlicher Widmung – gesichert ist. Da die Widmung einer Verkehrsanlage aber zu den Voraussetzungen des Entstehens des Beitragsanspruchs zählt und die Gemeinde es in der Hand hat, die Widmung hinauszuzögern, bleibt sie im vorliegenden Zusammenhang – zugunsten der Beitragspflichtigen – bei der Festlegung des Eintritts der Vorteilslage unberücksichtigt.

43

Als eigenständige Erschließungsstraße konnte das vierspurige Teilstück der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) frühestens mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Depot III“ der Beklagten am 14. September 1999 angesehen werden. Damit gab die Beklagte ihre im Bebauungplan „Gewerbegebiet Depot II“ aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck gebrachte und im Deckblatt 3 zum Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ im Jahr 1989 bekräftigte Absicht auf, die „G.-Str.“ in westlicher Richtung ebenfalls vierspurig weiterzuführen und eine nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild einheitliche Verkehrsanlage „G.-Str.“ zu schaffen. Seinerzeit, also im Jahr 1999, waren die Verkehrsanlage bautechnisch fertiggestellt und – wie erwähnt – die Herstellungsmerkmale des § 8 EBS erfüllt.

44

Auch wenn man annimmt, das vierspurige Teilstück der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) sei bereits im Jahr 1986 – seinerzeit mit der Bezeichnung „1. Stichstraße F.-Str.“ – als eigenständige Verkehrsanlage fertiggestellt gewesen, sind seitdem bis zum Erlass der angefochtenen Bescheide nicht schon 30 Jahre, sondern ungefähr 25 Jahre vergangen.

45

bb) Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 32 f.) kann eine Beitragserhebung schon vor Ablauf einer Frist von 30 Jahren seit dem Entstehen der Vorteilslage wegen besonderer Umstände des Einzelfalls treuwidrig sein. Solche Umstände liegen hier nicht vor.

46

Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeitspanne von ca. 12 Jahren, die bis zur Beitragserhebung verging, diese als eine unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen könnte. Gleiches gilt im Ergebnis, wenn man von einem 25-jährigen Zeitraum zwischen der technischen Fertigstellung der Verkehrsanlage und dem Erlass der angefochtenen Bescheide ausgeht.

47

Treuwidrig ist die Abgabenerhebung – wie ausgeführt – erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211). Soweit von einem Versäumnis der Beklagten gesprochen werden kann, weil sie bis zum Jahr 2007 mit der Widmung der abgerechneten Verkehrsanlage gewartet und das Entstehen der Beitragspflicht damit verzögert hat, begründet dies nicht die Unzumutbarkeit der angefochtenen Beitragserhebung. Denn der Kläger musste schon aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen durch Bescheide vom 25. Oktober 1991 mit dem Erlass endgültiger Erschließungsbeitragsbescheide nach Entstehen der Beitragspflicht rechnen. Da die endgültige Beitragserhebung zudem während des von 1990 bis 1999 laufenden Umlegungsverfahrens nicht möglich war (vgl. OVG RP, Urteil vom 8. September 2004 – 8 A 10380/04.OVG –, NVwZ-RR 2005, 849), kann insoweit nicht von einer Pflichtverletzung der Beklagten gesprochen werden. Das gilt auch für die Verzögerung der Widmung während dieses Zeitraums. Danach hat die Beklagte, deren Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ mit nachfolgenden Änderungen verwaltungsgerichtlich beanstandet worden war, die planungsrechtlichen Grundlagen der Beitragserhebung geschaffen, indem sie im Jahr 2000 den Bebauungsplan „Gewerbepark I“ in Kraft setzte. Dass die Beklagte von 1999 bzw. 2000 bis zum Jahr 2007 mit der Widmung der Straßenparzelle 326/8 gewartet hat, bis die „G.-Str.“ insgesamt fertiggestellt war, ist zwar bedenklich, führt aber nicht dazu, dass die Abgabenerhebung für die Beitragspflichtigen unzumutbar wird.

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

49

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

50

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage, ob eine Höchstfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen gesetzlich normiert werden muss (so wohl BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, NVwZ-RR 2015, 786) oder ob zur Bestimmung dieser Höchstgrenze ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG in Betracht kommt (siehe hierzu für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211; BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – BayVBl. 2014, 241), ist höchstrichterlich (noch) nicht geklärt.

Beschluss

51

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 68.170,14 € (§§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG) und für das erstinstanzliche Verfahren – insoweit unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts – auf 70.305,48 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 GKG).

52

Der erstinstanzliche Streitwert ergibt sich aus der Summe der mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Erschließungsbeiträge abzüglich des für die Parzelle 330/10 bereits veranlagten Betrags in Höhe von 34.959,46 €.

53

Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren berücksichtigt die vom Verwaltungsgericht rechtskräftig entschiedene geringfügige Ermäßigung der Beitragshöhen. Aufgrund der danach erhöhten Gesamtfläche der beitragspflichtigen Grundstücke vermindert sich der Beitragssatz auf 7,795133 €/m². Da die veranlagten Grundstücke des Klägers mit einer beitragspflichtigen Fläche von 13.230 m² anzusetzen sind, ergibt sich eine Beitragsschuld von 103.129,60 €, von der bereits 34.959,46 € (Parzelle 330/10) erhoben sind, so dass ein Betrag von insgesamt 68.170,14 € verbleibt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.

2

Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.

3

Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.

4

Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.

5

Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).

6

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).

9

1. Die Revision ist zulässig.

10

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.

11

In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.

12

2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

13

a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.

14

Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.

15

b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.

16

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.

18

c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.

19

Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.

20

d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.

21

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).

22

Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.

23

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.

24

Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.

25

Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.

26

Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.

27

Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.

28

e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.

29

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).

30

Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).

31

Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

32

Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.

33

Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

34

Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.

35

3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Juli 2014 - 2 K 3146/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
Sie sind seit dem 05.05.2008 als Eigentümer des Grundstücks ... (Gemarkung ..., FIst.Nr. .../...), das mit einem Wohnhaus bebaut ist, im Grundbuch eingetragen. Das Anwesen liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „M.-St. Peter", der am 08.08.1997 in Kraft getreten ist. Von der ... führt ein Stichweg zum Grundstück der Kläger.
Bereits am 03.03.1997 hatte die Beklagte mit der ... ...G, deren Alleingesellschafterin sie ist, einen Erschließungsvertrag geschlossen. Zur Refinanzierung ihres Erschließungsaufwandes hatte die ...G mit den damaligen Grundstückseigentümern Verträge geschlossen, nach denen sich diese zur anteiligen Bezahlung der Erschließungskosten verpflichtetet hatten. Nach § 13 Abs. 6 des Erschließungsvertrages sollte die Beklagte nach Abrechnung und Fertigstellung u.a. die Aufmaße und Bestandspläne über die hergestellten Erschließungsmaßnahmen sowie sämtliche Rechnungs- und Zahlungsbelege erhalten. Die Beklagte prüfte die Richtigkeit der Schlussabrechnung und bestätigte diese gegenüber der ...G unter dem 03.06.2005. Mit Schreiben vom 09.06.2005 machte die ...G gegenüber den Grundstückseigentümern die Erschließungskosten geltend.
Einer Klage von Grundstückseigentümern, die an die ...G gezahlte Abschlagszahlungen zurückgefordert hatten, gab das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz mit Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - statt. Dabei ging es davon aus, dass sowohl der zwischen der Beklagten und der ...G geschlossene Erschließungsvertrag als auch die zwischen der ...G und den Grundstückseigentümern geschlossenen Kostenerstattungsvereinbarungen nichtig seien. Mit Schreiben vom 13.07.2011 wurden die Kläger darüber informiert, dass das von ihnen erworbene Grundstück hiervon betroffen sei. Die ...G zahlte in der Folgezeit die erhaltenen Zahlungen - unter anderem auch an die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks - zurück und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 30.05.2012 für die von ihr verauslagten Kosten, die Betreuungsgebühr und Zinsen insgesamt 1.309.164,93 EUR in Rechnung. Unter dem 10.10.2012 teilte die Beklagte der ...G mit, dass sie die Rechnung bezüglich der Betreuungsgebühr korrigiert und einen Betrag von 1.262.081,23 EUR für den 31.10.2012 zur Auszahlung angewiesen habe.
Mit Bescheiden vom 15.06.2012 zog die Beklagte die Kläger auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006, in Kraft getreten am 01.02.2006, gesamtschuldnerisch zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt 6.444,35 EUR heran. Dabei wurde der von der ... abzweigende Stichweg, an dem sich das Anwesen befindet, im Wege der Abschnittsbildung („Entscheidung“ vom 10.10.2011) gesondert abgerechnet. Der Beitragssatz betrug ca. 9,65 EUR/m².
Am 02.07.2012 legten die Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 zurückwies.
Am 21.09.2012 haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Erschließungsbeitragsforderung sei bereits verjährt, da die Rechnungsstellung der ...G im Jahr 2012 nicht die letzte Unternehmerrechnung darstelle. Die beitragsfähigen Kosten seien der Beklagten seit der Mitteilung des Erschließungsträgers vom 03.06.2005 bekannt. Darauf, dass ihr damals die Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages nicht bekannt gewesen sei, komme es nicht an.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht: Verjährung sei nicht eingetreten, da die Beitragspflicht erst mit der endgültigen Herstellung entstehe. Dies sei regelmäßig bei Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall. Die ...G habe der Beklagten ihren entstandenen Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 in Rechnung gestellt. Der Lauf der Festsetzungsfrist habe daher erst Ende des Jahres 2012 beginnen können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.07.2014 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Beitragserhebung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte zunächst durch Abschluss des städtebaulichen Erschließungsvertrags eine Entscheidung für das privatrechtliche Rechtsregime getroffen habe. Das Bundesverwaltungsgericht nehme für den Fall der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages auch die Nichtigkeit des Kostenerstattungsvertrages an, da beide Rechtsverhältnisse in einem Akzessorietätsverhältnis stünden. Sei der Erschließungsvertrag nichtig, entfalle die Leistungspflicht des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde. Diese Akzessorietät habe zur Folge, dass dem Rückabwicklungsanspruch aus dem Kostenerstattungsvertrag des Grundstückseigentümers gegen den Erschließungsträger ein Rückabwicklungsanspruch des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde folge.
10 
Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Die Verjährungsfrist habe hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Gemäß § 41 KAG entstehe die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Nach allgemeiner Auffassung sei eine endgültige Herstellung erst dann eingetreten, wenn der entstandene Aufwand feststellbar sei. Daher sei die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungsstellung durch die ...G am 30.05.2012 entstanden. Ein beitragsfähiger Aufwand sei erst durch diese Rechnungsstellung ausgelöst worden und durch die Auszahlungsanordnung vom 10.10.2012 in Höhe von 1.262.081,23 EUR entstanden.
11 
Die letzte Unternehmerrechnung sei hier die Geltendmachung der Erschließungskosten durch den Erschließungsträger gegenüber der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Kläger könne nicht auf die an die damaligen Grundstückseigentümer übersandte Schlussabrechnung vom 09.06.2005 abgestellt werden. Zwar habe auch die Beklagte die Schlussabrechnung zur Kenntnisnahme übersandt bekommen. Diese Schlussabrechnung habe jedoch nicht die Grundlage für die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes gebildet. Aufgrund der Abhängigkeit des Erschließungsbeitragsanspruchs vom Herstellungsaufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten sei die Berechenbarkeit des Aufwandes als Bestandteil der endgültigen Herstellung anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht stelle in seiner Entscheidung vom 01.12.2010 darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, der im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückeigentümer umgelegt werden könne.
12 
Der Beitragspflicht könnten die Kläger auch nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hätten, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden könne.
13 
Die jetzige Beitragserhebung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es fehle an einer Erwartung der Kläger, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Erschließung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts habe jedem Grundstückseigentümer bewusst sein müssen, dass er ein Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und erschließen wolle. Auch könne ein Grundstückseigentümer für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, für eine erhaltene Erschließungsleistung nicht herangezogen zu werden, zumal er die auf vertraglicher Basis geleisteten Zahlungen zurück erstattet bekommen habe. Mangels eines erstattungsfähigen Aufwandes sei es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, bereits bei Bestehen der tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern. Der vorliegende Fall unterscheide sich somit grundsätzlich von den Fällen, in denen eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung gescheitert sei.
14 
Der Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag werde hier auch nicht einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass den betreffenden Grundstückseigentümern die aufgrund von Erschließungsverträgen geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge niedriger seien als die ursprünglich geltend gemachte Forderung.
15 
Die Kläger haben fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie tragen zur Begründung vor: Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungstellung durch die ...G am 30.05.2012 an die Beklagte entstanden sei, sei unzutreffend. Maßgeblich sei, ob sich die Frage der Beitragsfähigkeit klären lasse. Ausgehend hiervon sei der umlagefähige Erschließungsaufwand der Beklagten spätestens mit Schreiben der ...G vom 09.06.2005 voll umfänglich bekannt gewesen. Der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch sei deshalb spätestens am 09.06.2005 entstanden und daher verjährt. Die am 09.06.2005 entstandene Beitragsforderung werde in ihrem Bestand von dem Erschließungsvertrag nicht berührt. Selbst bei einem wirksamen Erschließungsvertrag sei die Erschließungslast nach außen nicht betroffen. Die Gemeinde übertrage mit dem Abschluss eines Erschließungsvertrages keine Hoheitsrechte, wie etwa das Recht, den „Erschließungsvertrag“ [gemeint ist wohl Erschließungsbeitrag] als Kommunalabgabe einzufordern. Trotz eines Erschließungsvertrages bleibe die Gemeinde deshalb zur Erschließung verpflichtet und zur Beitragserhebung berechtigt. Dies müsse erst Recht für den vorliegenden Fall gelten, da das BVerwG den Erschließungsvertrag von Anfang an für unwirksam erklärt habe.
16 
Auch die Erwägung, dass die Schlussrechnung vom 09.06.2005 schon wegen der unterschiedlichen Höhe nicht die Grundlage des beitragsfähigen Aufwandes bilde, könne das Urteil nicht rechtfertigen. Aus der Schlussrechnung vom 09.06.2005 habe unter Inanspruchnahme der zugehörigen Unterlagen der endgültige Erschließungsaufwand errechnet werden können.
17 
Auch die Annahmen, den betreffenden Grundstückseigentümern seien die geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge seien niedriger als die ursprünglich geltend gemachte Forderung, könnten das angefochtene Urteil nicht tragen. Zum einen sei der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ nicht an die Kläger, sondern an die Voreigentümer zurückgezahlt worden. Ob sich aus § 436 BGB ein Freistellungsanspruch für die Kläger ergebe, könne strittig sein. Zum anderen müsse die Frage, wann die Beitragspflicht entstanden sei, unabhängig davon entschieden werden, ob der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ zurückbezahlt worden sei.
18 
Nach alledem verkenne das angefochtene Urteil, dass der Erschließungsvertrag für die Frage, wann der Erschließungsbeitrag entstanden sei, keinerlei rechtliche Relevanz habe. Deshalb habe auch die am 30.05.2012 ergangene Rechnungsstellung der ...G an die Beklagte nicht dazu geführt, dass der Beitragsanspruch erst am 30.05.2012 entstanden sei. Vielmehr sei der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch bereits am 09.06.2005 entstanden.
19 
Die Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht stelle darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, welcher im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden könne, stelle eine fehlerhafte Interpretation dar. Aus der dortigen Formulierung sei zum einen der von der Beklagten eingeführte Begriff „erst" nicht zu entnehmen. Zum anderen verweise das BVerwG allein darauf, dass die ...G zivilrechtlich ein objektiv fremdes Geschäft - hier der Beklagten - geführt habe und dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden sei, den sie, die Beklagte, „im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen“ umlegen könne. Zu den erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen gehörten aber auch die Verjährungsvorschriften.
20 
Das Urteil verkenne insgesamt, dass die angefochtene Beitragserhebung gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Die Kläger hätten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 26.11.2004 erworben, nachdem die Voreigentümer die privatrechtlich geltend gemachten Erschließungskosten bereits an die ...G entrichtet hätten. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom 13.07.2011 - also mehr als sechs Jahre später - hätten sie Kenntnis davon erhalten, dass die Erschließungskosten privatrechtlich abgerechnet worden seien und der Erschließungsvertrag vom Bundesverwaltungsgericht „für nichtig erklärt worden“ sei. Da den Klägern diese Umstände nicht bekannt gewesen seien, hätten sie nach Abschluss des Kaufvertrages im Jahre 2004 nach insgesamt mehr als sechs Jahren die Erwartung haben können, nicht mehr zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen zu werden. Vom Sachverhalt her unterscheide sich der vorliegende Fall deshalb grundlegend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 - zugrunde gelegen habe. In dem dortigen Fall sei die Versorgung mit Trinkwasser nämlich zeitlich weit vor dem Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und dem Inkrafttreten einer öffentlich-rechtlichen Satzung hergestellt worden, sodass die Beitragspflicht erst mit dem Anschluss und dem Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung habe entstehen konnte. Demzufolge führe das Urteil aus, dass unter Geltung des Privatrechts jedem Grundstückseigentümer bewusst gewesen sein müsse, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen wolle; eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung könne sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben habe, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht am 09.06.2005 entstanden. Die Kläger beriefen sich also keineswegs auf Zeiträume, in denen die Beitragserhebung rechtlich nicht möglich gewesen sei.
21 
Das Recht der Beklagten zur Erhebung des Erschließungsbeitrages sei durch den Erschließungsvertrag in keiner Weise eingeschränkt gewesen. Angesichts des Rechtsstreits über die Wirksamkeit des Erschließungsvertrages hätte die Beklagte im Wege eines vorsorglich vor dem 31.12.2009 erlassenen Beitragsbescheides - bei gleichzeitiger Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft des Urteils - die drohende Verjährung gegenüber den Klägern unterbrechen können. Auch „§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO“ [gemeint ist wohl § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO] sehe für diesen Fall eine vorläufige Beitragserhebung vor. Die Rückkehr ins öffentliche Recht sei also mit keinerlei finanziellen Risiken für die Beklagte verbunden gewesen. Letztendlich gehöre die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen habe, der am Rechtsleben teilnehme.
22 
Die Kläger beantragen,
23 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.07.2014 - 2 K 3146/12 - zu ändern und die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 15.06.2012 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben.
24 
Die Beklagte beantragt,
25 
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
26 
Sie meint, entgegen der Rechtsauffassung der Kläger könne für das Entstehen der Beitragspflicht nicht auf die Schlussabrechnung der ...G vom 09.06.2005 abgestellt werden. Schon der schlichte Umstand, dass die Schlussabrechnung aus dem Jahr 2005 keine Rechnungsstellung gegenüber der Beklagten sei, stehe der Qualifizierung dieser Abrechnung als letzter Unternehmerrechnung entgegen. In einer Konstellation wie der vorliegenden sei die letzte Unternehmerrechnung die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger. Ergänzend habe das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, aus der unterschiedlichen Höhe der geltend gemachten Forderungen (Schlussabrechnung gegenüber den Grundstückseigentümern vom 09.06.2005 und Erstattungsforderung gegenüber der Beklagten vom 30.05.2012) folge, dass die Beklagte den Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 habe berechnen können. Die Höhe des umlagefähigen Erschließungsaufwandes hänge von der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der ...G ab. Dieser bestimme sich in entsprechender Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB nach dem Wert des Erlangten. Zu ersetzen sei also der objektive Verkehrswert. Dazu gehöre aber auch der für die Herstellung einer entsprechenden Erschließungsanlage notwendige Überwachungs- und Koordinierungsaufwand, der bei demjenigen anfalle, der die Herstellung der Erschließungsanlagen durch Dritte durchführen lasse.
27 
Verfehlt sei die Auffassung der Kläger, die Beklagte hätte zur Vermeidung des Verjährungsrisikos vorsorglich eine Beitragserhebung durchführen müssen. Die bei Abschluss eines Erschließungsvertrages grundsätzlich fortbestehende Erschließungslast bedeute nicht, dass die Gemeinde vorsorglich einen Erschließungsbeitragsbescheid erlassen könne. Gemeint sei damit nur, dass die Verpflichtung der Gemeinde zur Herstellung der Erschließungsanlage auch bei Abschluss eines Erschließungsvertrages latent fortbestehe und sich wieder aktualisiere, wenn sie die Erschließungsanlage doch selbst herstellen müsse. Eine Gemeinde sei grundsätzlich an die getroffene Regieentscheidung gebunden. Dies bedeute, dass eine vorsorgliche Beitragserhebung ausscheide, da die Gemeinde mit Abschluss eines derartigen Erschließungsvertrags die Entscheidung gegen eine Refinanzierung durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen getroffen habe.
28 
Unabhängig von der Frage, ob und in welcher Form die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf eine Steuerung des Verjährungsbeginns durch nachträgliches Inkraftsetzen einer gültigen Satzung bezögen, auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden könnten, könne hier nicht von einer jahrzehntelangen Vorteilslage gesprochen werden, die der späteren Beitragserhebung vorausgegangen sei. Stelle man mit den Klägern auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks ab, habe die Vorteilslage erst ab Ende 2004 bestanden. Stelle man - wohl zutreffend - auf die Abrechnung der Erschließungsanlage durch und gegenüber der ...G ab, bestehe die Vorteilslage seit dem Jahr 2005. Ca. sechs Jahre später sei die Information über die drohende Beitragserhebung erfolgt. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei im Jahr 2012 ergangen, also sieben Jahre nach dem Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage.
29 
Der vorliegende Sachverhalt weise ferner Besonderheiten auf, die dazu führten, dass die Beitragserhebung in verfassungsrechtlicher Hinsicht unproblematisch sei. Eine Beitragspflicht für die Grundstückseigentümer komme nur in Betracht, wenn der Beklagten ein umlagefähiger Aufwand entstanden sei. Erst die Rückabwicklung der vertraglichen Beziehungen sei im konkreten Sachverhalt Voraussetzung für eine Beitragserhebung gewesen. Es sei schwerlich überzeugend, eine unzumutbare Belastung durch die Erhebung von Beiträgen zu bejahen, wenn diese Belastung durch die vorangegangene Erstattung der Erschließungskosten kompensiert worden sei. Ein Grundstückseigentümer könne für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, nicht zu Beiträgen herangezogen zu werden. Auch im Hinblick auf den Gedanken der Zumutbarkeit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt wegen der Erstattung zuvor geleisteter Zahlungen grundlegend von der Konstellation, die das Bundesverfassungsgericht beurteilt habe.
30 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG, §§ 33 ff. KAG und der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006 finden, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre gegen diese Bescheide erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (1.). Auch eine eventuelle absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung ist hier nicht überschritten (2.).
32 
1. Festsetzungsverjährung
33 
a) Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist hiernach nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
34 
An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten (Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris). Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
35 
b) Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß §§ 1, 3 Abs. 4 KAG i.V.m. § 169 AO vier Jahre. Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze hat der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn erst in diesem Jahr ist die Abgabe entstanden (vgl. § 170 Abs. 1 AO). Letzte Unternehmerrechnung in dem oben dargestellten Sinn ist hier nämlich das Schreiben des Erschließungsträgers, der ...G, vom 30.05.2012, in dem diese der Beklagten ihren Erschließungsaufwand in Rechnung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger kann insoweit nicht auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden. Denn erstmals mit dieser Rechnung vom 30.05.2012 ist der Beklagten ein eigener Aufwand entstanden. Die Festsetzungsverjährungsfrist kann aber nicht zu laufen beginnen, solange der Abgaben erhebenden Gemeinde noch nicht einmal ein eigener Aufwand entstanden ist. Dies folgt schon aus dem in § 20 Abs. 2 KAG zum Ausdruck kommenden Wesen des Erschließungsbeitrags. Hiernach erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage einen Erschließungsbeitrag. Solange der Gemeinde noch keine eigenen Kosten entstanden sind, kann demzufolge schon begrifflich keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen.
36 
Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB entsteht, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Genau dies regelt im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen der Beklagten und der ...G vom 03.03.1997 (so ausdrücklich - zum vorliegenden Erschließungsvertrag - BVerwG, Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244, juris-Rn. 31). Der Aufwand ist hier daher zunächst allein dem Erschließungsträger, also der ...G, entstanden. Nachdem der Erschließungsvertrag gescheitert ist, konnte sich die ...G ihre Aufwendungen allein im Rechtsverhältnis mit der Beklagten erstatten lassen; der Beklagten wiederum ist dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden, den sie im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen auf die Kläger umlegen konnte (vgl. BVerwG, ebd., Rn. 55).
37 
Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde auch nach Abschluss eines Erschließungsvertrags letztendlich für die Erschließung verantwortlich bleibt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig lediglich, dass sie die ordnungsgemäße und zeitige Abwicklung des Erschließungsvertrags zu überwachen hat (vgl. Driehaus, aaO., § 6 Rn. 47). Eine Befugnis zur vorsorglichen Beitragserhebung folgt aus dieser Verantwortung hingegen nicht. Solange und soweit der Gemeinde kein eigener Aufwand entstanden ist, ist eine Beitragserhebung vielmehr schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen, denn das Wesen des Erschließungsbeitrags besteht gerade darin, dass die Gemeinde einen eigenen Aufwand auf die Beitragspflichtigen umlegt (vgl. bereits oben).
38 
c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre eine Gemeinde in einer solchen Konstellation nicht etwa berechtigt, bereits vorab vorsorglich Beitragsbescheide zu erlassen. Durch die Bauverpflichtung und Kostentragung des Erschließungsträgers entstehen der Gemeinde zunächst keine Kosten, sodass sie auch keine Beiträge nach §§ 127 ff. BauGB oder §§ 33 ff. KAG BW erheben kann (vgl. Birk, VBlBW 2011, 329 ff.). Soweit und solange ein Dritter - wie der durch einen Erschließungsvertrag mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließung betraute Erschließungsträger - den Erschließungsaufwand trägt, entstehen der Gemeinde mit anderen Worten keine Kosten, die einen beitragsrelevanten Aufwand darstellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1973 - VII ZR 246/72 - BGHZ 61, 359; Schlesw.-Holst. OLG, Urteil vom 13.03.2003 - 16 U 100/02 - NVwZ 2004, 1528; Saarl. OVG, Urteil vom 07.11.1988 - 1 R 322/87 - DÖV 1989, 861; Grziwotz, MDR 1996, 978, und in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 308). Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Da der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten entstanden sind, kann sie erst dann Beiträge von den Grundstückseigentümern unter Einhaltung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung erheben.
39 
Erst nachdem sich die im Abschluss des Erschließungsvertrags realisierte Regieentscheidung der Gemeinde - bisweilen auch als Regimeentscheidung bezeichnet (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Driehaus, aaO, § 6 III.; Birk, VBlBW 2011, 329 ff.) - hier primär wegen des als Vertragspartner nicht geeigneten Erschließungsträgers als rechtswidrig erwiesen und die ...G der Beklagten ihren Aufwand in Rechnung gestellt hat, war die Gemeinde befugt, Beiträge zu erheben. Die Beitragspflicht entsteht auch nach dieser Betrachtungsweise daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde (vgl. Birk, ebd.).
40 
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, die grundsätzlich auch auf das baden-württembergische Kommunalabgabenrecht Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG). Danach kann eine Abgabe vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind.
41 
Zum einen erscheint es schon als fraglich, ob diese Vorschrift - jedenfalls für den Zeitraum vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - überhaupt Geltung für das Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen kann, denn es spricht manches dafür, dass § 25 Abs. 2 KAG - der die Zulässigkeit der Erhebung von Vorauszahlungen regelt - insoweit eine abschließende Spezialregelung enthält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.11.1981 - 2 S 1044/80 - Ls. in juris). Jedenfalls aber setzt die vorläufige Festsetzung einer Abgabe nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraus; die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen selbst unterfällt hingegen nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 15.12.2009 - 1 L 323/06 - juris-Rn. 62). Da es hier um die rechtliche Bewertung eines Erschließungsvertrags und des davon abhängigen Kostenerstattungsvertrags geht, kommt eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG nicht in Betracht.
42 
Auch § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO i.Verb. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG AO ist auf den vorliegenden Sachverhalt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Danach ist eine vorläufige Festsetzung (auch dann) zulässig, wenn die Vereinbarkeit eines Abgabengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hier war zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht Gegenstand eines solchen Verfahrens. Eine vorläufige Festsetzung hinsichtlich ungeklärter Rechtsfragen des einfachen Rechts sieht § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht vor (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 165 Rn. 25).
43 
e) Unerheblich ist angesichts dessen auch, dass der Gemeinde die Rechnungen, die die einzelnen Bauunternehmer der ...G gestellt haben, spätestens im Jahr 2005 bekannt geworden sind. Denn auf diese Kenntnis kann es in rechtlicher Hinsicht nicht ankommen. Das Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht mit dem Verhältnis zwischen einem Generalunternehmer, der damit beauftragt wird, die Erschließung für die Gemeinde zu planen, durchzuführen und dazu ggf. Subunternehmer zu beauftragen, vergleichbar. Auch in diesem Fall entsteht der Gemeinde nicht schon dann ein beitragsfähiger Aufwand, wenn die einzelnen Subunternehmer ihre Rechnungen bei dem Generalunternehmer einreichen, sondern erst dann, wenn der Generalunternehmer seine Kosten gegenüber der Gemeinde geltend macht. Erst zu diesem Zeitpunkt kann daher auch frühestens die sachliche Beitragspflicht entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
44 
2. absolute zeitliche Grenze der Beitragserhebung
45 
a) Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
46 
b) Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
47 
aa) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
48 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Zwar fällt es entgegen der schriftsätzlich vertretenen Auffassung der Beklagten (jedenfalls auch) in ihre Sphäre, dass sie einen nichtigen Erschließungsvertrag geschlossen hat, der hier letztlich zu einer späteren Beitragserhebung geführt hat. Dies kann ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalls aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, nachdem nicht nur das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, sondern auch der Senat den hier vorliegenden Erschließungsvertrag zunächst für wirksam gehalten hatten; erst in letzter Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass er nichtig sei. Angesichts dessen wiegt eine eventuelle Pflichtverletzung der Beklagten hier allenfalls leicht, sodass die verspätete Abgabenerhebung im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, in denen die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Ein damit vergleichbares Versäumnis einer Gemeinde liegt hier nicht vor.
49 
Auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nach dem Scheitern des Erschließungsvertrags nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung nicht kostenfrei erstellen konnte. Dies war im Übrigen ersichtlich auch den damaligen Rechtsmittelführern in den Verfahren 2 S 424/08 (vor dem Senat) bzw. 9 C 8.09 (vor dem BVerwG) bewusst, die die Rückerstattung bereits gezahlter Kostenerstattungsbeträge geltend gemacht hatten. Sie hatten damals nicht vorgetragen, dass sie überhaupt nicht zu Erschließungskosten herangezogen werden dürften, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die konkrete Vertragsgestaltung führe zu einer unzulässigen Umgehung zwingender erschließungsbeitragsrechtlicher Vorschriften (vgl. den in dem Senatsurteil vom 23.10.2009 - 2 S 424/08 - DVBl. 2010, 185 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 wiedergegebenen Vortrag der dortigen Kläger).
50 
bb) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
51 
Ein auch nur annähernd vergleichbarer Zeitraum ist hier jedoch nicht verstrichen. Nachdem erst im Jahr 2005 die Rechnungen der Unternehmer, die der Erschließungsträger beauftragt hatte, vollständig vorlagen, ist auch unter Hinwegdenken des nichtigen Erschließungsvertrags und unter Zugrundlegung der Annahme, dass der Erschließungsaufwand im Jahr 2005 vollumfänglich feststellbar gewesen wäre, zwischen dem Entstehen der Vorteilslage und dem Erlass der streitbefangenen Beitragsbescheide im Jahr 2012 nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
52 
cc) Schließlich spricht - ohne dass es darauf noch ankäme - im Ergebnis gegen eine Treuwidrigkeit auch, dass der Erschließungsträger den Grundstückseigentümern die gezahlten Kostenerstattungsbeträge zurückerstattet hat und damit keine Doppelbelastung der Grundstückseigentümer eingetreten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rückzahlung im Falle der Kläger an die Voreigentümer des Grundstücks erfolgt ist, denn insoweit ist auf eine grundstücksbezogene Betrachtungsweise abzustellen. Nach der Grundregel des § 436 BGB ist davon auszugehen, dass der Grundstücksverkäufer verpflichtet ist, den Erwerber von Erschließungsbeiträgen freizustellen. Aber auch wenn im Einzelfall eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden sein sollte - wofür die Kläger allerdings keinen konkreten Beleg geliefert haben -, fiele dies allein in den Risikobereich der Vertragsparteien und wäre daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit zu begründen.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 27. Januar 2015
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.444,35 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
31 
Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG, §§ 33 ff. KAG und der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006 finden, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre gegen diese Bescheide erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (1.). Auch eine eventuelle absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung ist hier nicht überschritten (2.).
32 
1. Festsetzungsverjährung
33 
a) Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist hiernach nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
34 
An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten (Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris). Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
35 
b) Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß §§ 1, 3 Abs. 4 KAG i.V.m. § 169 AO vier Jahre. Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze hat der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn erst in diesem Jahr ist die Abgabe entstanden (vgl. § 170 Abs. 1 AO). Letzte Unternehmerrechnung in dem oben dargestellten Sinn ist hier nämlich das Schreiben des Erschließungsträgers, der ...G, vom 30.05.2012, in dem diese der Beklagten ihren Erschließungsaufwand in Rechnung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger kann insoweit nicht auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden. Denn erstmals mit dieser Rechnung vom 30.05.2012 ist der Beklagten ein eigener Aufwand entstanden. Die Festsetzungsverjährungsfrist kann aber nicht zu laufen beginnen, solange der Abgaben erhebenden Gemeinde noch nicht einmal ein eigener Aufwand entstanden ist. Dies folgt schon aus dem in § 20 Abs. 2 KAG zum Ausdruck kommenden Wesen des Erschließungsbeitrags. Hiernach erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage einen Erschließungsbeitrag. Solange der Gemeinde noch keine eigenen Kosten entstanden sind, kann demzufolge schon begrifflich keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen.
36 
Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB entsteht, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Genau dies regelt im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen der Beklagten und der ...G vom 03.03.1997 (so ausdrücklich - zum vorliegenden Erschließungsvertrag - BVerwG, Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244, juris-Rn. 31). Der Aufwand ist hier daher zunächst allein dem Erschließungsträger, also der ...G, entstanden. Nachdem der Erschließungsvertrag gescheitert ist, konnte sich die ...G ihre Aufwendungen allein im Rechtsverhältnis mit der Beklagten erstatten lassen; der Beklagten wiederum ist dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden, den sie im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen auf die Kläger umlegen konnte (vgl. BVerwG, ebd., Rn. 55).
37 
Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde auch nach Abschluss eines Erschließungsvertrags letztendlich für die Erschließung verantwortlich bleibt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig lediglich, dass sie die ordnungsgemäße und zeitige Abwicklung des Erschließungsvertrags zu überwachen hat (vgl. Driehaus, aaO., § 6 Rn. 47). Eine Befugnis zur vorsorglichen Beitragserhebung folgt aus dieser Verantwortung hingegen nicht. Solange und soweit der Gemeinde kein eigener Aufwand entstanden ist, ist eine Beitragserhebung vielmehr schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen, denn das Wesen des Erschließungsbeitrags besteht gerade darin, dass die Gemeinde einen eigenen Aufwand auf die Beitragspflichtigen umlegt (vgl. bereits oben).
38 
c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre eine Gemeinde in einer solchen Konstellation nicht etwa berechtigt, bereits vorab vorsorglich Beitragsbescheide zu erlassen. Durch die Bauverpflichtung und Kostentragung des Erschließungsträgers entstehen der Gemeinde zunächst keine Kosten, sodass sie auch keine Beiträge nach §§ 127 ff. BauGB oder §§ 33 ff. KAG BW erheben kann (vgl. Birk, VBlBW 2011, 329 ff.). Soweit und solange ein Dritter - wie der durch einen Erschließungsvertrag mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließung betraute Erschließungsträger - den Erschließungsaufwand trägt, entstehen der Gemeinde mit anderen Worten keine Kosten, die einen beitragsrelevanten Aufwand darstellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1973 - VII ZR 246/72 - BGHZ 61, 359; Schlesw.-Holst. OLG, Urteil vom 13.03.2003 - 16 U 100/02 - NVwZ 2004, 1528; Saarl. OVG, Urteil vom 07.11.1988 - 1 R 322/87 - DÖV 1989, 861; Grziwotz, MDR 1996, 978, und in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 308). Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Da der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten entstanden sind, kann sie erst dann Beiträge von den Grundstückseigentümern unter Einhaltung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung erheben.
39 
Erst nachdem sich die im Abschluss des Erschließungsvertrags realisierte Regieentscheidung der Gemeinde - bisweilen auch als Regimeentscheidung bezeichnet (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Driehaus, aaO, § 6 III.; Birk, VBlBW 2011, 329 ff.) - hier primär wegen des als Vertragspartner nicht geeigneten Erschließungsträgers als rechtswidrig erwiesen und die ...G der Beklagten ihren Aufwand in Rechnung gestellt hat, war die Gemeinde befugt, Beiträge zu erheben. Die Beitragspflicht entsteht auch nach dieser Betrachtungsweise daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde (vgl. Birk, ebd.).
40 
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, die grundsätzlich auch auf das baden-württembergische Kommunalabgabenrecht Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG). Danach kann eine Abgabe vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind.
41 
Zum einen erscheint es schon als fraglich, ob diese Vorschrift - jedenfalls für den Zeitraum vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - überhaupt Geltung für das Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen kann, denn es spricht manches dafür, dass § 25 Abs. 2 KAG - der die Zulässigkeit der Erhebung von Vorauszahlungen regelt - insoweit eine abschließende Spezialregelung enthält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.11.1981 - 2 S 1044/80 - Ls. in juris). Jedenfalls aber setzt die vorläufige Festsetzung einer Abgabe nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraus; die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen selbst unterfällt hingegen nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 15.12.2009 - 1 L 323/06 - juris-Rn. 62). Da es hier um die rechtliche Bewertung eines Erschließungsvertrags und des davon abhängigen Kostenerstattungsvertrags geht, kommt eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG nicht in Betracht.
42 
Auch § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO i.Verb. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG AO ist auf den vorliegenden Sachverhalt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Danach ist eine vorläufige Festsetzung (auch dann) zulässig, wenn die Vereinbarkeit eines Abgabengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hier war zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht Gegenstand eines solchen Verfahrens. Eine vorläufige Festsetzung hinsichtlich ungeklärter Rechtsfragen des einfachen Rechts sieht § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht vor (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 165 Rn. 25).
43 
e) Unerheblich ist angesichts dessen auch, dass der Gemeinde die Rechnungen, die die einzelnen Bauunternehmer der ...G gestellt haben, spätestens im Jahr 2005 bekannt geworden sind. Denn auf diese Kenntnis kann es in rechtlicher Hinsicht nicht ankommen. Das Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht mit dem Verhältnis zwischen einem Generalunternehmer, der damit beauftragt wird, die Erschließung für die Gemeinde zu planen, durchzuführen und dazu ggf. Subunternehmer zu beauftragen, vergleichbar. Auch in diesem Fall entsteht der Gemeinde nicht schon dann ein beitragsfähiger Aufwand, wenn die einzelnen Subunternehmer ihre Rechnungen bei dem Generalunternehmer einreichen, sondern erst dann, wenn der Generalunternehmer seine Kosten gegenüber der Gemeinde geltend macht. Erst zu diesem Zeitpunkt kann daher auch frühestens die sachliche Beitragspflicht entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
44 
2. absolute zeitliche Grenze der Beitragserhebung
45 
a) Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
46 
b) Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
47 
aa) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
48 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Zwar fällt es entgegen der schriftsätzlich vertretenen Auffassung der Beklagten (jedenfalls auch) in ihre Sphäre, dass sie einen nichtigen Erschließungsvertrag geschlossen hat, der hier letztlich zu einer späteren Beitragserhebung geführt hat. Dies kann ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalls aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, nachdem nicht nur das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, sondern auch der Senat den hier vorliegenden Erschließungsvertrag zunächst für wirksam gehalten hatten; erst in letzter Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass er nichtig sei. Angesichts dessen wiegt eine eventuelle Pflichtverletzung der Beklagten hier allenfalls leicht, sodass die verspätete Abgabenerhebung im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, in denen die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Ein damit vergleichbares Versäumnis einer Gemeinde liegt hier nicht vor.
49 
Auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nach dem Scheitern des Erschließungsvertrags nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung nicht kostenfrei erstellen konnte. Dies war im Übrigen ersichtlich auch den damaligen Rechtsmittelführern in den Verfahren 2 S 424/08 (vor dem Senat) bzw. 9 C 8.09 (vor dem BVerwG) bewusst, die die Rückerstattung bereits gezahlter Kostenerstattungsbeträge geltend gemacht hatten. Sie hatten damals nicht vorgetragen, dass sie überhaupt nicht zu Erschließungskosten herangezogen werden dürften, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die konkrete Vertragsgestaltung führe zu einer unzulässigen Umgehung zwingender erschließungsbeitragsrechtlicher Vorschriften (vgl. den in dem Senatsurteil vom 23.10.2009 - 2 S 424/08 - DVBl. 2010, 185 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 wiedergegebenen Vortrag der dortigen Kläger).
50 
bb) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
51 
Ein auch nur annähernd vergleichbarer Zeitraum ist hier jedoch nicht verstrichen. Nachdem erst im Jahr 2005 die Rechnungen der Unternehmer, die der Erschließungsträger beauftragt hatte, vollständig vorlagen, ist auch unter Hinwegdenken des nichtigen Erschließungsvertrags und unter Zugrundlegung der Annahme, dass der Erschließungsaufwand im Jahr 2005 vollumfänglich feststellbar gewesen wäre, zwischen dem Entstehen der Vorteilslage und dem Erlass der streitbefangenen Beitragsbescheide im Jahr 2012 nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
52 
cc) Schließlich spricht - ohne dass es darauf noch ankäme - im Ergebnis gegen eine Treuwidrigkeit auch, dass der Erschließungsträger den Grundstückseigentümern die gezahlten Kostenerstattungsbeträge zurückerstattet hat und damit keine Doppelbelastung der Grundstückseigentümer eingetreten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rückzahlung im Falle der Kläger an die Voreigentümer des Grundstücks erfolgt ist, denn insoweit ist auf eine grundstücksbezogene Betrachtungsweise abzustellen. Nach der Grundregel des § 436 BGB ist davon auszugehen, dass der Grundstücksverkäufer verpflichtet ist, den Erwerber von Erschließungsbeiträgen freizustellen. Aber auch wenn im Einzelfall eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden sein sollte - wofür die Kläger allerdings keinen konkreten Beleg geliefert haben -, fiele dies allein in den Risikobereich der Vertragsparteien und wäre daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit zu begründen.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 27. Januar 2015
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.444,35 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03. Juni 2014 - 3 K 5/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.-Nrn. ... der Gemarkung T. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006. Es grenzt im Nordwesten an die Badstraße an.
Mit Bescheid vom 09.11.2011 erhob die Beklagte für die Herstellung der Badstraße für das Grundstück FIst.-Nr. ... insgesamt einen Erschließungsbeitrag von 6.687,88 EUR, von dem der Kläger - seinem Miteigentumsanteil von 67/100 entsprechend - 4.480,88 EUR zu entrichten habe.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, der hier maßgebliche Teil der Badstraße sei bereits in den 1960er Jahren erschlossen worden. Im August 2011 hätten die Eigentümer der Badstraße ein Informationsschreiben erhalten. Nachdem die Anwohner einen Brief verfasst hätten, habe der Bürgermeister der Beklagten im September 2011 schriftlich erklärt, dass die zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße durchgeführten Feinbelagsarbeiten nicht in Ansatz gebracht werden könnten, da dieser Abschnitt bereits endgültig hergestellt gewesen sei. Damit habe er bestätigt, dass keine Kosten mehr auf den Kläger zukämen. Aufgrund der schriftlichen Stellungnahme des Bürgermeisters sei Verwirkung eingetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 02.01.2013 Klage erhoben. Ergänzend hat er vorgetragen: Nachdem aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 22.09.2011 hervorgegangen sei, dass die Kosten für den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der Badstraße nicht in Ansatz gebracht werden könnten, sei er davon ausgegangen, dass ihm keine weiteren Kosten auferlegt würden. Die Beklagte habe ihr Recht auf Beitragserhebung über längere Zeit nicht geltend gemacht, obwohl es ihr zumutbar und möglich gewesen sei. Hinzu komme, dass ein Beitrag erhoben worden sei, obwohl der Bürgermeister erklärt habe, dass auf den Kläger keine weiteren Kosten zukämen. Die Beklagte gebe zu, dass die Badstraße 1954 erbaut worden und eine Baustraße gewesen sei. Dass - wie die Beklagte ausführe - zu keinem Zeitpunkt der Stand einer endgültigen Herstellung erreicht worden sei, könne nicht ernstgenommen werden. Die Verwirkung sei daran zu sehen, dass die Beklagte die Beitragserhebung verzögert habe. Die Badstraße sei im Klägerabschnitt bereits im Jahr 1954 erschlossen worden. Dies gelte auch dann, wenn damals kein Bebauungsplan existiert haben sollte. Denn maßgeblich seien die technischen Gegebenheiten.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht: Die Badstraße sei im Jahr 1954 erbaut worden und habe den Aufbau einer Baustraße mit einer Decke aus grobem Bitumenkies erhalten. Eine Tragschicht/Feindecke sei nicht aufgebracht worden. 1965 sei eine Teerdecke aufgebracht worden. Bis Anfang März 1968 habe es immer wieder Ausbesserungs- und Teerarbeiten gegeben. 1968 seien Wasserleitungs- und Straßenbauarbeiten ausgeschrieben worden. Die Bebauung entlang der Badstraße östlich der Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße sei in den 1950er und 1960er Jahren entstanden. Die Grundstücke an der Hermann-Simon-Straße seien 1956 zu Beiträgen herangezogen und die Kaminskistraße sei 1964 abgerechnet worden. 1983 sei ein Abrechnungsgebiet gebildet worden, das u.a. den westlichen Verlauf der Badstraße umfasst habe. Auf dieser Grundlage seien die [dortigen] Eigentümer im Jahr 1988 zu Erschließungsbeiträgen herangezogen worden. Das [hier streitgegenständliche] Gebiet östlich der Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße sei zunächst unbeplant geblieben. Daher seien dort zunächst keine Beiträge erhoben worden.
Bis zum jetzt streitigen Ausbau sei zu keinem Zeitpunkt der Stand einer endgültigen Herstellung erreicht worden. In gutem Zustand sei lediglich der westliche Teil des Straßenstücks zwischen Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße und Hebelstraße gewesen, wo in den 1980er Jahren auf einer Strecke von etwa 65 m eine Feindecke aufgebracht worden sei. Die Badstraße sei zwischen 2008 und 2010 vollständig erneuert worden. Die Kosten des Feinbelags auf dem Stück zwischen Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße und Hebelstraße seien vom beitragsfähigen Erschließungsaufwand ebenso ausgenommen worden wie die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Bau des Mowag-Knotens entstanden seien. Auch die Kosten der Erneuerung der Abwasserleitung sowie der Straßenverengung zur Verkehrslenkung und zur Verkehrsberuhigung seien nicht berücksichtigt worden. Die Kosten für die Straßenbaumaßnahmen in den 1950er und 1960er Jahren seien ebenfalls nicht eingerechnet worden.
Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans im Jahr 2006 sei die Badstraße nur ein Provisorium gewesen. Denn es habe die Feindecke gefehlt. Die Anschlüsse der Rinnenplatten und der Bordsteine seien nicht hergestellt gewesen. Es hätten die Randbefestigungen als Teil einer funktionstüchtigen Straßenentwässerung sowie durchgehend angelegte und angrenzende Gehwege sowie Teile der Straßenbeleuchtung gefehlt. Ohne Bedeutung sei, dass die Badstraße mit der Teilanlage Fahrbahn zwischen Kaitlestraße und Hebelstraße im straßenbautechnischen Sinne endgültig hergestellt gewesen sei. Denn maßgeblich sei der Herstellungszustand der gesamten Erschließungsanlage.
10 
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.07.2014 stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Zu Recht sei die Beklagte allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Badstraße nicht um eine beim Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 vorhandene Straße handle. Unstreitig habe es für die Badstraße zunächst keinen entsprechenden Plan gegeben. Die Badstraße sei auch nicht bereits vor Inkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes als historische Ortsstraße vorhanden gewesen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie dem Anbau innerhalb der geschlossenen Ortslage gedient habe.
11 
Allerdings seien die Kosten des Ausbaus in den Jahren 2008 bis 2010 nicht beitragsfähig. Jedenfalls seit dem 01.01.2006, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 12.12.2005 (EBS 2005), könne nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass die Badstraße nicht endgültig hergestellt gewesen sei. Sie sei bereits seit den im Jahr 1968 durchgeführten Ausbauarbeiten mit einer Asphaltschicht bedeckt gewesen. An dieser Annahme ändere auch die Tatsache nichts, dass in der Rechnung der Firma E. vom 14.10.1968 der Begriff Bitumenkies verwendet werde. Denn auch eine aus Asphalt ausgeführte einfache Fahrbahndecke genüge den Anforderungen an die endgültige Herstellung. Etwas anderes gelte zwar dann, wenn die Unfertigkeit der Fahrbahn oder des Gehwegs zu erkennen sei. Entsprechende hinreichende Indizien lägen aber nicht vor und seien auch nicht darin zu sehen, dass kein Feinasphalt verwendet worden sei. Der Belag sei nicht so grob gewesen, dass es sich aus Sicht des Bürgers aufgedrängt habe, dass es sich noch nicht um den endgültigen Zustand handle, zumal die Fahrbahndecke bereits seit fast vier Jahrzehnten vorhanden gewesen sei.
12 
Daran ändere auch der Hinweis der Beklagten auf den Ausbauzustand der Badstraße im Bereich zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und dem Mowag-Knoten bzw. der Einmündung der Feldbergstraße nichts. Zwar sei auf der nördlichen Straßenseite kein Gehweg vorhanden gewesen. Nach § 4 Abs. 1 EBS 2005 sei aber nicht (mehr) Voraussetzung für die endgültige Herstellung, dass ein beidseitiger Gehweg vorhanden sei. Ob nach den vorherigen Erschließungsbeitragssatzungen die Anlegung einer beidseitigen Gehweganlage vorgeschrieben gewesen sei, könne daher offenbleiben. Darüber hinaus habe die Badstraße auch über eine Straßenentwässerung verfügt. Dass auf einer Teilstrecke kein Bordstein und kein Rinnengraben vorhanden gewesen seien, stehe dem wegen der Kürze des Straßenstücks nicht entgegen. Dass das Straßenstück zwischen Kaminskistraße und Feldbergstraße sehr schmal gewesen sei und einen Begegnungsverkehr (kaum) zugelassen habe, rechtfertige ebenfalls keine andere Beurteilung. Nach dem früheren Bauprogramm der Gemeinde habe wegen der damaligen Grundstücksverhältnisse keine Möglichkeit zu einer Verbreiterung der Fahrbahn bestanden.
13 
Eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen. Das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setzte voraus, dass ein Bebauungsplan in Kraft sei, dem die Herstellung der Anlage entspreche, oder eine Planung vorliege, die den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen genüge. Dies sei aber in Bezug auf den Ausbaustand der Badstraße vor den Arbeiten in den Jahren 2008 bis 2010 nicht der Fall. Denn der 2006 erlassene Bebauungsplan decke jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand ab.
14 
Die Beklagte hat fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie trägt fristgerecht zur Begründung vor: Vor den Ausbauarbeiten in den Jahren 2008/2009 habe die Badstraße keine Decke im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EBS 2005 aufgewiesen. Das Verwaltungsgericht gehe fehl, wenn es meine, mangels Maßgeblichkeit technischer Regelwerke komme es für die endgültige Herstellung einer Straße auch nicht darauf an, ob eine Straße eine Decke aus Feinasphalt aufweise, und weiter, maßgeblich sei allein, ob der Straßenbelag so grob sei, dass sich die Unfertigkeit der Straße dem Bürger aufdränge. Damit überspanne das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die subjektive Erkennbarkeit. Nach den üblichen technischen Standards sei der Oberbau einer Asphaltstraße grundsätzlich aus (mindestens) zwei Schichten aufgebaut, der Tragschicht (oder den Tragschichten) und der Asphaltdeckschicht. Die Asphaltdeckschicht sei üblicherweise aus Asphaltfeinbeton herzustellen. Bitumenkies werde lediglich für Tragschichten verwendet. Diese Anforderung an das Erscheinungsbild einer fertigen Straße mit einem feinkörnigen Belag sei jedem Bürger aus eigener Anschauung bekannt. Ob eine Erschließungsanlage über eine Decke aus Asphaltfeinbeton verfüge, könne er auf einen Blick feststellen.
15 
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu praxisfernen Ergebnissen. Es sei nicht unüblich, dass Gemeinden zunächst nur die Tragschicht herstellten und notdürftig funktionsfähig herrichteten. Diese Vorgehensweise werde oft gewählt, um eine Beschädigung der Deckschicht durch Bautätigkeiten auf den Anliegergrundstücken zu vermeiden. Diese auch von der Beklagten im Jahr 1968 gewählte Vorgehensweise würde dazu führen, dass die Gemeinde die Kosten für die technisch erforderliche Deckschicht jeweils selbst tragen müsste. Denn eine Asphaltdecke in irgendeiner Ausführung läge vor.
16 
Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei auch vom Willen der Beklagten als Satzungsgeberin nicht gedeckt. In jahrelanger Übung habe die Rechtsprechung vergleichbare Merkmalsregelungen so ausgelegt, dass Asphaltstraßen erst dann endgültig hergestellt seien, wenn sie über eine Deckschicht aus Asphaltfeinbeton verfügten. Dieser Rechtsprechung sei die Praxis gefolgt. Eine Regelung, nach der jede beliebige Asphaltdecke zur endgültigen Herstellung einer Straße führe, habe die Beklagte nicht gewollt.
17 
Die Abweichung von dieser jahrzehntelang praktizierten Auslegung der Merkmalsregelung sei auch nicht durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geboten. Danach komme es für die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage nicht auf Details eines technischen Ausbaustandards an, die für den Bürger nicht erkennbar seien. Eine Abkehr vom allgemein anerkannten, für den Bürger ohne weiteres erkennbaren Erfordernis eines Feinbelags für die endgültige Herstellung einer Straße lasse sich dieser Entscheidung aber nicht entnehmen.
18 
Vor dem Ausbau 2008/2009 habe sich die Straße in einem Zustand befunden, der den Bürger klar erkennen habe lassen, dass sie nicht endgültig hergestellt gewesen sei. Nach den Ausbauarbeiten im Jahr 1968 habe sie lediglich eine Decke aus Bitumenkies gehabt. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, auf der gesamten Länge der Erschließungsanlage sei die Fahrbahnoberfläche bündig mit den Rinnsteinen hergestellt gewesen. Es gebe Aufnahmen aus der Zeit vor dem Ausbau 2008/2009, die belegten, dass die Rinnsteine zumindest in Teilen der Badstraße deutlich über den Straßenbelag hervorragten.
19 
Schließlich sei auch aus dem mangelhaften Ausbauzustand der Badstraße zwischen Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße (später: Mowag-Knoten) für den Bürger klar erkennbar, dass die Badstraße vor Abschluss der Ausbauarbeiten 2008/2009 noch nicht auf ihrer gesamten Länge endgültig hergestellt worden sei. Nach dem Bauprogramm der Beklagten sei für die Badstraße auf der gesamten Länge ein zweiseitiger Gehweg vorgesehen. In den Ausschreibungsunterlagen aus den Jahren 2008/2009 werde ausdrücklich die Herstellung eines zweiseitigen Gehwegs verlangt. In dem Bereich Kaminskistraße bis Feldbergstraße/Mowag-Knoten sei des Weiteren keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung vorhanden gewesen. Bordsteine oder Rinnengraben seien nicht vorhanden gewesen. Das betroffene Straßenstücks mache etwa 20 bis 25 % der Erschließungsanlage aus.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03.06.2014 - 3 K 5/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
24 
Er meint: Bei ihm gehe es um den Teil der Badstraße zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße. Dieser Teil sei fertiggestellt gewesen. Dies habe die Beklagte sogar mit Schreiben vom 22.09.2011 bestätigt. Entgegen der Ausführung der Gegenseite sei darauf abzustellen, ob die Herstellung für den Bürger erkennbar gewesen sei. Die Badstraße sei bereits im Jahr 1968 sie mit einer Asphaltschicht bedeckt gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es sogar eine Straßenentwässerung gegeben. Wenn der Durchschnittsbürger eine Straße ohne Schwierigkeiten befahren könne, sei sie funktionsfähig. Es komme dabei nicht darauf an, aus welchem Material die Deckschicht bestehe. Die Gegenseite behaupte, für den Bürger sei die Unfertigkeit der Straße stets erkennbar, wenn sie über keine Decke aus Feinasphalt verfüge. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Bürger seit Jahrzehnten die Straße hätten nutzen können.
25 
Auf Hinweis des Berichterstatters, dass zu klären sei, ob es sich bei der jetzt fertiggestellten Anlage um ein Aliud handle, hat die Beklagte ergänzend ausgeführt: Maßgeblich sei die Merkmalsregelung der Erschließungsbeitragssatzung vom 12.12.2005 (EBS 2005). Danach seien Anbaustraßen erst dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stünden. Vor dem Ausbau 2008/2009 sei sie nicht Eigentümerin sämtlicher Flächen der Erschließungsanlage gewesen. Der Gehweg auf der Nordseite der Badstraße habe sich bis zum Ausbau 2008/2009 auf privaten Grundstücken befunden. Die verfrüht erlassenen Erschließungsbeitragsbescheide seien durch den zwischenzeitlichen Eigentumserwerb geheilt.
26 
Darüber hinaus handele es sich bei der Badstraße, wie sie 2008/2009 ausgebaut worden sei, im Vergleich zur vor dem Ausbau vorhandenen Straße um eine andere Erschließungsanlage. Denn die Straßenführung sei im östlichen Straßenabschnitt erheblich geändert worden. Während die Badstraße vor der Baumaßnahme im Osten in die Feldbergstraße gemündet habe, schließe sie nun direkt an den Mowag-Knoten an. Insbesondere der Zuschnitt des Grundstücks FISt.-Nr. ... sei im Zuge der Maßnahme erheblich geändert worden. Die Grundstücksfläche habe sich um gut ein Drittel verringert. Die ursprüngliche Badstraße sei zudem auf etwa einem Viertel bis einem Drittel ihrer Länge außerhalb der Fahrbahntrasse der neuen Badstraße verlaufen. Hinzu komme, dass die Fahrbahn der neuen Badstraße im östlichen Bereich gut doppelt so breit sei wie die ursprüngliche Straße. Insgesamt sei die neue Badstraße deutlich besser ausgebaut als die alte Straße. Sie verfüge insbesondere über einen durchgehenden Gehweg an ihrer Nordseite sowie leistungsfähige Entwässerungseinrichtungen auf ihrer gesamten Länge.
27 
Der Kläger hat wie folgt ergänzend Stellung genommen: Der Teil der Straße des Klägers sei fertig gewesen. Die Fahrbahndecke bestehe seit 1968. Es handele sich auch nicht um ein Aliud. Das Gebiet sei nicht völlig neu gestaltet und die Straße [neu] angelegt worden. Die Kosten des in den sechziger Jahren erfolgten Ausbaus seien wegen Verwirkung nicht durchsetzbar. Die Beklagte habe in dem Schreiben vom 22.09.2011 klar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger keinen Beitrag mehr schulde.
28 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht zu einem Erschließungsbeitrag für das jetzt abgerechnete Teilstück der Badstraße herangezogen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
30 
1. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt hier keine sogenannte historische Straße vor, also eine Straße, die bereits vor Inkrafttreten des Badischen Ortsstraßengesetzes vom 20.02.1868 als Ortsstraße vorhanden war. Das Vorhandensein einer historischen Ortsstraße hängt entscheidend von ihrer innerörtlichen Erschließungsfunktion ab, die durch den Baubestand repräsentiert wird, dem sie die erforderliche Zugänglichkeit vermittelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.02.1994 - 2 S 1287/93 - BWGZ 1994, 705 m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ist in dem historischen Gemarkungsatlas (Urmessung 1866 bis 1873) zwar eine Wegefläche im Bereich der heutigen Trasse der Badstraße eingezeichnet (wohl Flst.-Nr. ...). Gebäude haben sich jedoch weder im Bereich des Wegegrundstücks noch sonst irgendwo in dessen näherer Umgebung befunden. Daher ist nicht ersichtlich, dass der weit im - nach heutigem Verständnis - Außenbereich gelegene Weg dem Anbau innerhalb einer geschlossenen Ortslage gedient haben könnte.
31 
2. Es handelt sich bei der abrechneten Anlage auch nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann sie in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn es fehlt an der erforderlichen planerischen Festsetzung.
32 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -). Hier fehlt es - unstreitig - an einem derartigen Plan.
33 
3. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, jedenfalls bis zum jetzt strittigen Ausbau nicht entstanden.
34 
a) Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG bzw. BauGB grundsätzlich, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB durften solche Anlagen ansonsten nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden, an der es hier fehlt. Daneben war allerdings nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB eine Erschließungsanlage auch dann vom erschließungsrechtlichen Planerfordernis freigestellt, wenn es sich um eine Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile handelte, für die die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war. Diese Voraussetzung erfüllt eine Straße dann, wenn ihr Verlauf und ihre Ausgestaltung auf Grund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, derart festliegen, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts ändern könnte. Im vorliegenden Fall zeigt jedoch bereits ein Vergleich des früheren Verlaufs der Badstraße im Bereich des Mowag-Knotens mit der heutigen Planung und Herstellung in diesem Bereich, dass hier ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Straßenführung bestanden hat und eine eindeutigen Festlegung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht gegeben war (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.03.1990 - 2 S 2284/89 - juris m.w. Nachw.).
35 
b) Seit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs vom 27.08.1997 am 01.01.1998 ist eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr erforderlich. Denn nach der ab dem 01.01.1998 geltenden Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB dürfen beitragsfähige Erschließungsanlagen hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Nach dieser Neufassung ist die Rechtmäßigkeit der Herstellung beitragsfähiger Erschließungsanlagen nicht mehr von einer Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung ist davon auszugehen, dass § 125 Abs. 2 BauGB auf alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen anzuwenden ist, für welche die Rechtmäßigkeit der Herstellung am 31.12.1997 noch nicht durch eine erteilte Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde belegt war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2002 - 2 S 2585/01 - BWGZ 2002, 427 m.w. Nachw.).
36 
Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Bei dieser Prüfung nach § 125 Abs. 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sodass eine entsprechende Feststellung des Gemeinderats, die Herstellung z.B. einer Anbaustraße entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, erforderlich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 2 S 1657/06 - ESVGH 58, 165).
37 
Dass hier vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 eine solche Abwägungsentscheidung des Gemeinderats der Beklagten nach § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB stattgefunden haben könnte, ist nicht erkennbar. Ein entsprechender Vorgang ist nicht in den vorliegenden Akten dokumentiert. Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der gemeindeintern zuständige Gemeinderat eine entsprechende Feststellung getroffen haben könnte.
38 
c) Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gibt es zwar grundsätzlich eine planungsrechtliche Grundlage für die Herstellung der jetzt abgerechneten Erschließungsanlage. Der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand der Badstraße war jedoch von diesen Planungen nicht gedeckt.
39 
aa) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist zwar ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
40 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
41 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite von 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a).
42 
bb) Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus in dem Straßenstück zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße liegt im vorliegenden Fall - auch wenn man die gesamte abgerechnete Strecke der Badstraße in den Blick nimmt - eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der Planung vor. Laut Bebauungsplan war durchgehend eine Straßenbreite von mindestens neun Metern insgesamt, also für Fahrbahn und Gehweg zusammen, vorgesehen. In dem Teilstück der Badstraße zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße war jedoch tatsächlich nur eine Straßenbreite von ca. 4,50 m, also etwa der Hälfte, tatsächlich vorhanden. Daher mussten für die Errichtung der „neuen“ Straße erhebliche weitere, ehemals private, Grundstücksflächen außerhalb der vorhandenen Trasse der „alten“ Straße in Anspruch genommen werden. Die zuvor vorhandene tatsächliche Straßenbreite von nur 4,50 m unterscheidet sich aber nicht nur im Hinblick auf die nunmehr in Anspruch genommenen erheblichen weiteren, früher privaten Flächen, sondern auch im Hinblick auf ihre Verkehrsbedeutung deutlich von der geplanten und dementsprechend hergestellten Straße. Sie ließ zwar wohl gerade noch einen ausreichenden Begegnungsverkehr, nicht aber zusätzlich die jetzt realisierte Anlage eines Gehwegs auf der nördlichen Straßenseite zu. Durch die veränderte Verkehrsführung in diesem Teilstück hat sich der Charakter der Straße insgesamt verändert. Daher unterscheidet sich die objektive Verkehrsbedeutung der Erschließungsanlage insgesamt durch den geplanten Ausbau dieses Teilstücks erheblich von dem früher vorhandenen Zustand, auch wenn die veränderte Teilstrecke lediglich ca. 75 m misst. Weiter sieht der Plan auch eine andere Anbindung der Badstraße an das weiterführende Straßennetz in Richtung Osten vor. Dort ist statt der zuvor vorhandenen einfachen Einmündung in die Feldbergstraße nunmehr im Bereich des Zusammentreffens der Badstraße mit der Feldbergstraße, der Westendstraße und der Waldshuter Straße eine großflächige öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen, auf der eine Kreisverkehrsanlage, der sog. Mowag-Knoten, errichtet worden ist. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt die ursprünglich vorhandene Straße daher auch insgesamt ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in dem Bebauungsplan vorgesehenen Straße dar. Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen wie ein LKW-Fahrverbot haben bei dieser planungsrechtlichen Beurteilung demgegenüber außer Betracht zu bleiben.
43 
Hierbei handelt es sich zudem nicht nur um einen untergeordneten planerischen Gesichtspunkt. Die bewusst vorgenommene Veränderung der Verkehrssituation hat bei der Aufstellung des Bebauungsplans eine nicht nur unerhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus dessen Begründung deutlich hervor. In der Begründung des Bebauungsplans wird als erster Anlass für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans ausdrücklich die Neuplanung der Einmündung der L 157 in die L 159 (Mowag-Knoten) genannt. Dem in dem Plan zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzept und der Bewältigung der offenbar als verbesserungsbedürftig empfundenen Verkehrssituation in diesem Bereich kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers nicht nur eine gänzlich untergeordnete Rolle zu, sodass es sich bei den insoweit erfolgten Festsetzungen daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung handelt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die aufgezeigten Abweichungen von diesen Festsetzungen auch die Grundzüge der Planung berühren.
44 
Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass dem Plangeber bei Erlass des Bebauungsplans die vorhandene Verkehrssituation bekannt gewesen ist. Diese hat er offensichtlich nicht mehr hinnehmen und bewusst durch den Ausbau des östlichen Teilstücks der Badstraße und den veränderten Anschluss an das weiterführende Straßennetz durch den sog. Mowag-Knoten verbessern wollen. Diese in der - von der tatsächlich vorgefundenen Situation abweichende - Planung zum Ausdruck kommende Konzeption verbietet es, den bei Planerlass vorhandenen Straßenzustand als im Wesentlichen noch plangemäß anzusehen, da die erkennbare Intention des Plangebers gerade darauf abgezielt hat, den bisherigen Zustand zu verändern.
45 
d) Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen durch den 2008/2009 erfolgten tatsächlichen Ausbau (noch) nicht unmittelbar entstanden. Jedenfalls seit der seit 2005 geltenden Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (EBS 2005) gehört der Grunderwerb zu den Herstellungsmerkmalen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EBS 2005 sind Anbaustraßen u.a. dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stehen. Da der Grunderwerb hier erst am 18.01.2012 abgeschlossen war, konnte auch erst zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entstehen. Dass dies erst nach der Beitragserhebung durch die Beklagte erfolgt ist, ist unschädlich.
46 
4. Es ist auch keine erstmalige endgültige Herstellung der abgerechneten Erschließungsanlage durch frühere Baumaßnahmen in den 1960er Jahren mit kostenbegrenzender Wirkung erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte - wie geschehen - die Kosten der 2008/2009 durchgeführten Baumaßnahmen in voller Höhe abrechnen darf.
47 
a) Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich endgültig hergestellt, wenn sie erstens die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (vgl. § 132 Nr. 4 BauGB) erforderlichen Teileinrichtungen, zweitens die nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen flächenmäßigen Teileinrichtungen aufweist und diese drittens dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, KStZ 1996, 213; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -). Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1985, DVBl. 1986, 349; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
48 
b) Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er Jahre durchgeführten Baumaßnahmen kann allerdings nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gem. § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetzt und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiert. Es trifft zwar zu, dass das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten von einer nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßigen Straßenherstellung abhängt (s.o.). Für die Beantwortung der hier interessierenden Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, spielt die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB jedoch keine Rolle (vgl. Urteile des Senats vom 25.10.2001 - 2 S 730/00 - und vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
49 
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 21.10.1988 - 8 C 64.87 - NVwZ-RR 1989, 382; ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.; § 13 Rn. 53), der sich der Senat auch in Bezug auf die nunmehr erfolgte Regelung dieser Materie in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG anschließt, stellt sich die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung immer im Hinblick auf eine bestimmte Erschließungsanlage. Dies zwingt dazu, bei der Frage nach der zu beurteilenden Erschließungsanlage anzusetzen, d.h. der Erschließungsanlage als solcher. Erst wenn geklärt ist, was die Erschließungsanlage ist, kann - in einem zweiten Schritt - gefragt werden, ob diese Anlage durch die Baumaßnahme, die bzw. deren Kosten Gegenstand der Betrachtung sind, erstmalig hergestellt, d.h. gleichsam neu angelegt, oder aber nach einer früheren (erstmaligen) endgültigen Herstellung lediglich verändert, erweitert oder verbessert worden ist. Werden Straßenverhältnisse umgestaltet, so erfordert die Entscheidung über das Vorliegen einer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG), den neuen Zustand mit dem alten Zustand zu vergleichen. Grundlage dieses Vergleichs hat die Erschließungsanlage zu sein. Ist die ausgebaute Anbaustraße identisch mit einer bereits früher zu irgendeinem Zeitpunkt im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Verkehrsanlage, schließt das die Annahme aus, die für die abzurechnende Baumaßnahme entstandenen Kosten seien solche einer erstmaligen Herstellung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG. Fehlt es dagegen an einer solchen Identität, ist mithin die Erschließungsanlage, die durch die abzurechnende Baumaßnahme entstanden ist, nicht identisch mit einer bereits früher im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Anlage, sondern eine - insgesamt gesehen - andere Anlage, hat das zur Folge, dass diese Erschließungsanlage insgesamt erstmalig hergestellt worden ist und die Ausbaukosten Kosten ihrer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG) sind.
50 
d) Im vorliegenden Fall liegt unter Anwendung dieser Maßstäbe ein Aliud vor. Die jetzt ausgebaute Anlage ist nicht mit der seinerzeitigen Badstraße identisch und stellt daher in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht eine neue - andere - Anlage dar. Demzufolge kann die jetzt ausgebaute Straße schon aus rechtlichen Gründen nicht zu einem früheren Zeitpunkt bereits erstmals endgültig hergestellt worden sein. Denn bei der seinerseits hergestellten Badstraße handelt es sich im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne nicht um die jetzt abgerechnete Anlage. Dies hat im Übrigen der Sache nach auch bereits das Verwaltungsgericht erkannt, indem es ausgeführt hat, eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen, da der nunmehr erlassene Bebauungsplan jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand abdecke.
51 
Wie der Senat bereits unter 3.c) bb) im Einzelnen dargelegt hat, ist der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand des jetzt abgerechneten Teilstücks der Badstraße bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht mehr von den planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gedeckt. Zwar ist im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung möglicherweise nicht (ausschließlich) auf den im Plan vorgesehenen, sondern (auch) auf den tatsächlich realisierten Ausbauzustand abzustellen. Letztlich muss dieser Frage aber nicht weiter nachgegangen werden, weil der 2008/2009 erfolgte Ausbau in Einklang mit den Festsetzungen des Plans steht. Daher kann für die Frage, ob insgesamt noch dieselbe oder eine andere Anlage vorliegt, sinngemäß auf die entsprechenden Ausführungen unter 3.c) bb) verwiesen werden. Daraus ergibt sich, dass der im östlichen Teil der Anlage grundlegend veränderte Zuschnitt der Fahrbahn- und Gehwegflächen die Anlage insgesamt als ein Aliud im Vergleich zu dem früher vorhandenen Zustand erscheinen lässt. Daher kommt es letztlich nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob der frühere Ausbauzustand der Anlage in technischer Hinsicht überhaupt eine erstmalige endgültige Herstellung darstellen konnte.
52 
5. Schließlich steht auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend: Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820) der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Rechtsprechung, wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
53 
Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grund-sätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 sowie Senatsurteil vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 - juris). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
54 
a) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
55 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, überhaupt nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung ihrer Grundstücke nicht kostenfrei erstellen konnte. Gegenteiliges lässt sich auch nicht dem an die Grundstückseigentümer gerichteten Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 22.09.2011 entnehmen. Darin wird vielmehr - auf die Argumente der Grundstückseigentümer eingehend - ausführlich begründet, weshalb die Beklagte zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags verpflichtet und auch nicht berechtigt ist, dabei einen erhöhten gemeindlichen Eigenanteil abzusetzen. Zwar wird in dem Schreiben auch ausgeführt, dass der „Abschnitt“ zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße bereits „endgültig hergestellt“ gewesen sei. Diese Passage dient jedoch erkennbar nur als Begründung dafür, dass die Beklagte die Kosten für die Herstellung des Feinbelags auf diesem Teilstück nicht in die Beitragsbemessung einbezogen hat. Ob diese Nichteinbeziehung zu Recht erfolgt ist, kann dahinstehen, da sich dies aufwandsvermindernd und damit zugunsten der Beitragspflichtigen ausgewirkt hat.
56 
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass eine Erschließungsanlage oder eine Teilanlage nicht schon dann erstmalig hergestellt ist, wenn lediglich eine Teilstrecke den Anforderungen des Ausbauprogramms entspricht, sondern erst dann, wenn die Anlage in ihrer gesamten Länge und Breite, also in ihrer gesamten Ausdehnung diesen Anforderungen entspricht (vgl. Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 128 Rn. 20c). Deshalb kann es unter keinem Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein, ob bereits vor den jetzt abgerechneten Baumaßnahmen eine Teilstrecke in technischer Hinsicht erstmals endgültig hergestellt gewesen ist.
57 
b) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
58 
Hier ist zwar seit der in den 1960er erfolgten - zumindest provisorischen - Herstellung der „alten“ Badstraße ein sogar noch längerer Zeitraum verstrichen. Im Erschließungsbeitragsrecht kann die Frage, ob und ggf. seit wann eine Vorteilslage vorhanden war, jedoch immer nur in Bezug auf die jeweilige Erschließungsanlage beantwortet werden. Demgegenüber spielt es für die Beitragspflicht keine Rolle, ob ein Grundstück bereits durch eine andere Anlage erschlossen war oder ist. Dies zeigt sich besonders deutlich an den Fällen der Mehrfacherschließung, in denen ein Grundstück auch für mehrere Anlagen beitragspflichtig sein kann. Nachdem die „alte“ nicht mit der jetzt abgerechneten „neuen“ Erschließungsanlage identisch ist, mit anderen Worten also ein Aliud vorliegt, ist die Frage der Vorteilslage auch nur im Hinblick auf diese „neue“ - und damit zugleich andere - Erschließungsanlage zu prüfen. Da die hier abgerechnete Anlage erst im Jahr 2006 planerisch festgesetzt sowie 2008/2009 technisch hergestellt worden ist und ferner die sachliche Beitragspflicht sogar erst mit dem Abschluss des Grunderwerbs im Jahr 2012 entstehen konnte, ist in Bezug auf diese maßgebliche Anlage seit dem Entstehen der Vorteilslage nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
60 
Beschluss vom 20. März 2015
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.480,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
29 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht zu einem Erschließungsbeitrag für das jetzt abgerechnete Teilstück der Badstraße herangezogen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
30 
1. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt hier keine sogenannte historische Straße vor, also eine Straße, die bereits vor Inkrafttreten des Badischen Ortsstraßengesetzes vom 20.02.1868 als Ortsstraße vorhanden war. Das Vorhandensein einer historischen Ortsstraße hängt entscheidend von ihrer innerörtlichen Erschließungsfunktion ab, die durch den Baubestand repräsentiert wird, dem sie die erforderliche Zugänglichkeit vermittelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.02.1994 - 2 S 1287/93 - BWGZ 1994, 705 m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ist in dem historischen Gemarkungsatlas (Urmessung 1866 bis 1873) zwar eine Wegefläche im Bereich der heutigen Trasse der Badstraße eingezeichnet (wohl Flst.-Nr. ...). Gebäude haben sich jedoch weder im Bereich des Wegegrundstücks noch sonst irgendwo in dessen näherer Umgebung befunden. Daher ist nicht ersichtlich, dass der weit im - nach heutigem Verständnis - Außenbereich gelegene Weg dem Anbau innerhalb einer geschlossenen Ortslage gedient haben könnte.
31 
2. Es handelt sich bei der abrechneten Anlage auch nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann sie in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn es fehlt an der erforderlichen planerischen Festsetzung.
32 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -). Hier fehlt es - unstreitig - an einem derartigen Plan.
33 
3. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, jedenfalls bis zum jetzt strittigen Ausbau nicht entstanden.
34 
a) Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG bzw. BauGB grundsätzlich, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB durften solche Anlagen ansonsten nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden, an der es hier fehlt. Daneben war allerdings nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB eine Erschließungsanlage auch dann vom erschließungsrechtlichen Planerfordernis freigestellt, wenn es sich um eine Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile handelte, für die die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war. Diese Voraussetzung erfüllt eine Straße dann, wenn ihr Verlauf und ihre Ausgestaltung auf Grund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, derart festliegen, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts ändern könnte. Im vorliegenden Fall zeigt jedoch bereits ein Vergleich des früheren Verlaufs der Badstraße im Bereich des Mowag-Knotens mit der heutigen Planung und Herstellung in diesem Bereich, dass hier ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Straßenführung bestanden hat und eine eindeutigen Festlegung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht gegeben war (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.03.1990 - 2 S 2284/89 - juris m.w. Nachw.).
35 
b) Seit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs vom 27.08.1997 am 01.01.1998 ist eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr erforderlich. Denn nach der ab dem 01.01.1998 geltenden Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB dürfen beitragsfähige Erschließungsanlagen hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Nach dieser Neufassung ist die Rechtmäßigkeit der Herstellung beitragsfähiger Erschließungsanlagen nicht mehr von einer Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung ist davon auszugehen, dass § 125 Abs. 2 BauGB auf alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen anzuwenden ist, für welche die Rechtmäßigkeit der Herstellung am 31.12.1997 noch nicht durch eine erteilte Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde belegt war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2002 - 2 S 2585/01 - BWGZ 2002, 427 m.w. Nachw.).
36 
Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Bei dieser Prüfung nach § 125 Abs. 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sodass eine entsprechende Feststellung des Gemeinderats, die Herstellung z.B. einer Anbaustraße entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, erforderlich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 2 S 1657/06 - ESVGH 58, 165).
37 
Dass hier vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 eine solche Abwägungsentscheidung des Gemeinderats der Beklagten nach § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB stattgefunden haben könnte, ist nicht erkennbar. Ein entsprechender Vorgang ist nicht in den vorliegenden Akten dokumentiert. Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der gemeindeintern zuständige Gemeinderat eine entsprechende Feststellung getroffen haben könnte.
38 
c) Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gibt es zwar grundsätzlich eine planungsrechtliche Grundlage für die Herstellung der jetzt abgerechneten Erschließungsanlage. Der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand der Badstraße war jedoch von diesen Planungen nicht gedeckt.
39 
aa) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist zwar ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
40 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
41 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite von 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a).
42 
bb) Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus in dem Straßenstück zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße liegt im vorliegenden Fall - auch wenn man die gesamte abgerechnete Strecke der Badstraße in den Blick nimmt - eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der Planung vor. Laut Bebauungsplan war durchgehend eine Straßenbreite von mindestens neun Metern insgesamt, also für Fahrbahn und Gehweg zusammen, vorgesehen. In dem Teilstück der Badstraße zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße war jedoch tatsächlich nur eine Straßenbreite von ca. 4,50 m, also etwa der Hälfte, tatsächlich vorhanden. Daher mussten für die Errichtung der „neuen“ Straße erhebliche weitere, ehemals private, Grundstücksflächen außerhalb der vorhandenen Trasse der „alten“ Straße in Anspruch genommen werden. Die zuvor vorhandene tatsächliche Straßenbreite von nur 4,50 m unterscheidet sich aber nicht nur im Hinblick auf die nunmehr in Anspruch genommenen erheblichen weiteren, früher privaten Flächen, sondern auch im Hinblick auf ihre Verkehrsbedeutung deutlich von der geplanten und dementsprechend hergestellten Straße. Sie ließ zwar wohl gerade noch einen ausreichenden Begegnungsverkehr, nicht aber zusätzlich die jetzt realisierte Anlage eines Gehwegs auf der nördlichen Straßenseite zu. Durch die veränderte Verkehrsführung in diesem Teilstück hat sich der Charakter der Straße insgesamt verändert. Daher unterscheidet sich die objektive Verkehrsbedeutung der Erschließungsanlage insgesamt durch den geplanten Ausbau dieses Teilstücks erheblich von dem früher vorhandenen Zustand, auch wenn die veränderte Teilstrecke lediglich ca. 75 m misst. Weiter sieht der Plan auch eine andere Anbindung der Badstraße an das weiterführende Straßennetz in Richtung Osten vor. Dort ist statt der zuvor vorhandenen einfachen Einmündung in die Feldbergstraße nunmehr im Bereich des Zusammentreffens der Badstraße mit der Feldbergstraße, der Westendstraße und der Waldshuter Straße eine großflächige öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen, auf der eine Kreisverkehrsanlage, der sog. Mowag-Knoten, errichtet worden ist. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt die ursprünglich vorhandene Straße daher auch insgesamt ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in dem Bebauungsplan vorgesehenen Straße dar. Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen wie ein LKW-Fahrverbot haben bei dieser planungsrechtlichen Beurteilung demgegenüber außer Betracht zu bleiben.
43 
Hierbei handelt es sich zudem nicht nur um einen untergeordneten planerischen Gesichtspunkt. Die bewusst vorgenommene Veränderung der Verkehrssituation hat bei der Aufstellung des Bebauungsplans eine nicht nur unerhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus dessen Begründung deutlich hervor. In der Begründung des Bebauungsplans wird als erster Anlass für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans ausdrücklich die Neuplanung der Einmündung der L 157 in die L 159 (Mowag-Knoten) genannt. Dem in dem Plan zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzept und der Bewältigung der offenbar als verbesserungsbedürftig empfundenen Verkehrssituation in diesem Bereich kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers nicht nur eine gänzlich untergeordnete Rolle zu, sodass es sich bei den insoweit erfolgten Festsetzungen daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung handelt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die aufgezeigten Abweichungen von diesen Festsetzungen auch die Grundzüge der Planung berühren.
44 
Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass dem Plangeber bei Erlass des Bebauungsplans die vorhandene Verkehrssituation bekannt gewesen ist. Diese hat er offensichtlich nicht mehr hinnehmen und bewusst durch den Ausbau des östlichen Teilstücks der Badstraße und den veränderten Anschluss an das weiterführende Straßennetz durch den sog. Mowag-Knoten verbessern wollen. Diese in der - von der tatsächlich vorgefundenen Situation abweichende - Planung zum Ausdruck kommende Konzeption verbietet es, den bei Planerlass vorhandenen Straßenzustand als im Wesentlichen noch plangemäß anzusehen, da die erkennbare Intention des Plangebers gerade darauf abgezielt hat, den bisherigen Zustand zu verändern.
45 
d) Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen durch den 2008/2009 erfolgten tatsächlichen Ausbau (noch) nicht unmittelbar entstanden. Jedenfalls seit der seit 2005 geltenden Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (EBS 2005) gehört der Grunderwerb zu den Herstellungsmerkmalen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EBS 2005 sind Anbaustraßen u.a. dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stehen. Da der Grunderwerb hier erst am 18.01.2012 abgeschlossen war, konnte auch erst zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entstehen. Dass dies erst nach der Beitragserhebung durch die Beklagte erfolgt ist, ist unschädlich.
46 
4. Es ist auch keine erstmalige endgültige Herstellung der abgerechneten Erschließungsanlage durch frühere Baumaßnahmen in den 1960er Jahren mit kostenbegrenzender Wirkung erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte - wie geschehen - die Kosten der 2008/2009 durchgeführten Baumaßnahmen in voller Höhe abrechnen darf.
47 
a) Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich endgültig hergestellt, wenn sie erstens die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (vgl. § 132 Nr. 4 BauGB) erforderlichen Teileinrichtungen, zweitens die nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen flächenmäßigen Teileinrichtungen aufweist und diese drittens dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, KStZ 1996, 213; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -). Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1985, DVBl. 1986, 349; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
48 
b) Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er Jahre durchgeführten Baumaßnahmen kann allerdings nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gem. § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetzt und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiert. Es trifft zwar zu, dass das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten von einer nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßigen Straßenherstellung abhängt (s.o.). Für die Beantwortung der hier interessierenden Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, spielt die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB jedoch keine Rolle (vgl. Urteile des Senats vom 25.10.2001 - 2 S 730/00 - und vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
49 
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 21.10.1988 - 8 C 64.87 - NVwZ-RR 1989, 382; ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.; § 13 Rn. 53), der sich der Senat auch in Bezug auf die nunmehr erfolgte Regelung dieser Materie in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG anschließt, stellt sich die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung immer im Hinblick auf eine bestimmte Erschließungsanlage. Dies zwingt dazu, bei der Frage nach der zu beurteilenden Erschließungsanlage anzusetzen, d.h. der Erschließungsanlage als solcher. Erst wenn geklärt ist, was die Erschließungsanlage ist, kann - in einem zweiten Schritt - gefragt werden, ob diese Anlage durch die Baumaßnahme, die bzw. deren Kosten Gegenstand der Betrachtung sind, erstmalig hergestellt, d.h. gleichsam neu angelegt, oder aber nach einer früheren (erstmaligen) endgültigen Herstellung lediglich verändert, erweitert oder verbessert worden ist. Werden Straßenverhältnisse umgestaltet, so erfordert die Entscheidung über das Vorliegen einer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG), den neuen Zustand mit dem alten Zustand zu vergleichen. Grundlage dieses Vergleichs hat die Erschließungsanlage zu sein. Ist die ausgebaute Anbaustraße identisch mit einer bereits früher zu irgendeinem Zeitpunkt im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Verkehrsanlage, schließt das die Annahme aus, die für die abzurechnende Baumaßnahme entstandenen Kosten seien solche einer erstmaligen Herstellung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG. Fehlt es dagegen an einer solchen Identität, ist mithin die Erschließungsanlage, die durch die abzurechnende Baumaßnahme entstanden ist, nicht identisch mit einer bereits früher im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Anlage, sondern eine - insgesamt gesehen - andere Anlage, hat das zur Folge, dass diese Erschließungsanlage insgesamt erstmalig hergestellt worden ist und die Ausbaukosten Kosten ihrer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG) sind.
50 
d) Im vorliegenden Fall liegt unter Anwendung dieser Maßstäbe ein Aliud vor. Die jetzt ausgebaute Anlage ist nicht mit der seinerzeitigen Badstraße identisch und stellt daher in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht eine neue - andere - Anlage dar. Demzufolge kann die jetzt ausgebaute Straße schon aus rechtlichen Gründen nicht zu einem früheren Zeitpunkt bereits erstmals endgültig hergestellt worden sein. Denn bei der seinerseits hergestellten Badstraße handelt es sich im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne nicht um die jetzt abgerechnete Anlage. Dies hat im Übrigen der Sache nach auch bereits das Verwaltungsgericht erkannt, indem es ausgeführt hat, eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen, da der nunmehr erlassene Bebauungsplan jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand abdecke.
51 
Wie der Senat bereits unter 3.c) bb) im Einzelnen dargelegt hat, ist der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand des jetzt abgerechneten Teilstücks der Badstraße bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht mehr von den planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gedeckt. Zwar ist im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung möglicherweise nicht (ausschließlich) auf den im Plan vorgesehenen, sondern (auch) auf den tatsächlich realisierten Ausbauzustand abzustellen. Letztlich muss dieser Frage aber nicht weiter nachgegangen werden, weil der 2008/2009 erfolgte Ausbau in Einklang mit den Festsetzungen des Plans steht. Daher kann für die Frage, ob insgesamt noch dieselbe oder eine andere Anlage vorliegt, sinngemäß auf die entsprechenden Ausführungen unter 3.c) bb) verwiesen werden. Daraus ergibt sich, dass der im östlichen Teil der Anlage grundlegend veränderte Zuschnitt der Fahrbahn- und Gehwegflächen die Anlage insgesamt als ein Aliud im Vergleich zu dem früher vorhandenen Zustand erscheinen lässt. Daher kommt es letztlich nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob der frühere Ausbauzustand der Anlage in technischer Hinsicht überhaupt eine erstmalige endgültige Herstellung darstellen konnte.
52 
5. Schließlich steht auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend: Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820) der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Rechtsprechung, wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
53 
Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grund-sätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 sowie Senatsurteil vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 - juris). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
54 
a) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
55 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, überhaupt nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung ihrer Grundstücke nicht kostenfrei erstellen konnte. Gegenteiliges lässt sich auch nicht dem an die Grundstückseigentümer gerichteten Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 22.09.2011 entnehmen. Darin wird vielmehr - auf die Argumente der Grundstückseigentümer eingehend - ausführlich begründet, weshalb die Beklagte zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags verpflichtet und auch nicht berechtigt ist, dabei einen erhöhten gemeindlichen Eigenanteil abzusetzen. Zwar wird in dem Schreiben auch ausgeführt, dass der „Abschnitt“ zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße bereits „endgültig hergestellt“ gewesen sei. Diese Passage dient jedoch erkennbar nur als Begründung dafür, dass die Beklagte die Kosten für die Herstellung des Feinbelags auf diesem Teilstück nicht in die Beitragsbemessung einbezogen hat. Ob diese Nichteinbeziehung zu Recht erfolgt ist, kann dahinstehen, da sich dies aufwandsvermindernd und damit zugunsten der Beitragspflichtigen ausgewirkt hat.
56 
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass eine Erschließungsanlage oder eine Teilanlage nicht schon dann erstmalig hergestellt ist, wenn lediglich eine Teilstrecke den Anforderungen des Ausbauprogramms entspricht, sondern erst dann, wenn die Anlage in ihrer gesamten Länge und Breite, also in ihrer gesamten Ausdehnung diesen Anforderungen entspricht (vgl. Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 128 Rn. 20c). Deshalb kann es unter keinem Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein, ob bereits vor den jetzt abgerechneten Baumaßnahmen eine Teilstrecke in technischer Hinsicht erstmals endgültig hergestellt gewesen ist.
57 
b) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
58 
Hier ist zwar seit der in den 1960er erfolgten - zumindest provisorischen - Herstellung der „alten“ Badstraße ein sogar noch längerer Zeitraum verstrichen. Im Erschließungsbeitragsrecht kann die Frage, ob und ggf. seit wann eine Vorteilslage vorhanden war, jedoch immer nur in Bezug auf die jeweilige Erschließungsanlage beantwortet werden. Demgegenüber spielt es für die Beitragspflicht keine Rolle, ob ein Grundstück bereits durch eine andere Anlage erschlossen war oder ist. Dies zeigt sich besonders deutlich an den Fällen der Mehrfacherschließung, in denen ein Grundstück auch für mehrere Anlagen beitragspflichtig sein kann. Nachdem die „alte“ nicht mit der jetzt abgerechneten „neuen“ Erschließungsanlage identisch ist, mit anderen Worten also ein Aliud vorliegt, ist die Frage der Vorteilslage auch nur im Hinblick auf diese „neue“ - und damit zugleich andere - Erschließungsanlage zu prüfen. Da die hier abgerechnete Anlage erst im Jahr 2006 planerisch festgesetzt sowie 2008/2009 technisch hergestellt worden ist und ferner die sachliche Beitragspflicht sogar erst mit dem Abschluss des Grunderwerbs im Jahr 2012 entstehen konnte, ist in Bezug auf diese maßgebliche Anlage seit dem Entstehen der Vorteilslage nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
60 
Beschluss vom 20. März 2015
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.480,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
10 
2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Die Sanierungssatzung ist aufzuheben, wenn

1.
die Sanierung durchgeführt ist oder
2.
die Sanierung sich als undurchführbar erweist oder
3.
die Sanierungsabsicht aus anderen Gründen aufgegeben wird oder
4.
die nach § 142 Absatz 3 Satz 3 oder 4 für die Durchführung der Sanierung festgelegte Frist abgelaufen ist.
Sind diese Voraussetzungen nur für einen Teil des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets gegeben, ist die Satzung für diesen Teil aufzuheben.

(2) Der Beschluss der Gemeinde, durch den die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets ganz oder teilweise aufgehoben wird, ergeht als Satzung. Die Satzung ist ortsüblich bekannt zu machen. Die Gemeinde kann auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Satzung zur Aufhebung der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets beschlossen worden ist; § 10 Absatz 3 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Bekanntmachung wird die Satzung rechtsverbindlich.

(3) Die Gemeinde ersucht das Grundbuchamt, die Sanierungsvermerke zu löschen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
10 
Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
11 
Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
12 
Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
13 
Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25. September 2013 - 1 K 437/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag.
Der Kläger ist seit 1977 Eigentümer des unbebauten, 841 m² großen Grundstücks FIst.-Nr. 3762/3 der Gemarkung der Beklagten. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981, der für das Grundstück ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. 1982/83 wurde im Zuge der Erschließung des Gebietes die Wasserversorgungsleitung in der vor dem Grundstück des Klägers verlaufenden öffentlichen Straße verlegt. Dabei wurde auch ein „Blindanschluss“ für das Grundstück des Klägers hergestellt.
Die Beklagte hatte die Entgeltzahlungen für die Versorgung mit Trinkwasser seit Mitte der 70er Jahre privatrechtlich geregelt. Am 09.11.2006 beschloss der Gemeinderat der Beklagten eine Satzung über den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung der Grundstücke mit Wasser (Wasserversorgungssatzung - WVS -). Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 WVS trat diese Satzung am 01.01.2007 in Kraft. Nach § 1 Abs. 1 WVS betreibt die Beklagte die Wasserversorgung seither als öffentliche Einrichtung. Nach § 25 WVS erhebt sie zur teilweisen Deckung ihres Aufwands für die Anschaffung, Herstellung und den Ausbau der öffentlichen Wasserversorgungsanlagen einen Wasserversorgungsbeitrag.
Mit Bescheid vom 19.12.2011 - zugestellt am 20.12.2011 - setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für das Grundstück Flst.-Nr. 3762/3 einen Wasserversorgungsbeitrag in Höhe von 2.222,68 EUR fest. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück.
Am 15.03.2013 hat der Kläger Klage erhoben, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25.09.2013 abgewiesen hat. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Für das veranlagte Grundstück sei die abstrakte Beitragsschuld entstanden. Bei dem Grundstück handele es sich um Bauland, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" liege. Für ein solches Grundstück entstehe die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden könne (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; §§ 36 Abs. 1 Nr. 1, 26 Abs. 2 WVS). Die Anschlussmöglichkeit bestehe hier bereits seit 1982/83. Nach dem Vortrag der Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung in das unbebaute Grundstück gelegt worden, die allerdings verschlossen worden sei (sogenannter Blindanschluss).
Die Entstehung der abstrakten Beitragsschuld setze ferner das Vorliegen einer gültigen Satzung voraus (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KAG). Auch diese Voraussetzung sei mit Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 erfüllt. Die Beklagte habe mit Erlass dieser Satzung die Beitragspflicht auch mit Wirkung für das Grundstück des Klägers begründen können, obwohl die Anschlussmöglichkeit zu einem Zeitpunkt geschaffen worden sei, als die Beklagte über keine Wasserversorgungssatzung verfügt habe. Das Kommunalabgabengesetz enthalte keine Vorschriften, denen entnommen werden könne, dass anschließbare Baugrundstücke, die die Vorteilslage bereits vor Inkrafttreten der Satzung erhalten hätten, von der Beitragspflicht ausgenommen seien. § 32 Abs. 2 KAG betreffe lediglich Grundstücke, die schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätten angeschlossen werden können, jedoch noch nicht angeschlossen worden seien. Diese Fallkonstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Grundstück des Klägers erst 1982/83 die Anschlussmöglichkeit erhalten habe.
Die Beitragsschuld sei auch nicht durch Erfüllung erloschen. Unstreitig sei gegenüber dem Kläger vor Erlass des angefochtenen Bescheides für das streitige Grundstück kein Wasserversorgungsbeitragsbescheid ergangen. Der Kläger behaupte lediglich, die Beklagte habe ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses verlangt, das er auch entrichtet habe. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses für das veranlagte Grundstück habe er jedoch keine Nachweise vorgelegt. Demgegenüber habe die Beklagte mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die Sachkontenblätter der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. Dort seien alle geforderten Baukostenzuschüsse einzeln aufgeführt. Die in den Sachkontenblättern aufgeführten drei Zahlungen des Klägers über 2.000,-- DM (11.06.1982), über 626,-- DM (18.08.1982) und über 451,14 DM (31.12.1982) bezögen sich auf drei Belege, die aber nicht das veranlagte Grundstück beträfen. In den Rechnungsbelegen würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus ziehe die Beklagte zutreffend den Schluss, dass die Zahlungen nur die beiden bebauten Grundstücke des Klägers (FIst.-Nrn. 3792/2 und 3792) betreffen könnten. Dieser Darstellung sei der Kläger nicht mehr entgegengetreten. Unabhängig davon trage er nach allgemeinen Grundsätzen für den Einwand der Erfüllung die materielle Beweislast.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO betrage die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginne gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden sei. Da die abstrakte Beitragsschuld hier am 01.01.2007 entstanden sei, habe die Festsetzungsfrist am 01.01.2008 begonnen zu laufen und am 31.12.2011 geendet. Diese Frist sei mit Erlass des angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, den der Kläger am 20.12.2011 erhalten habe.
Die Beklagte habe ihr Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags auch nicht verwirkt. Auch dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen sei, berühre die Rechtmäßigkeit der Beitragsveranlagung nicht. Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte Ende 2006 dazu entschlossen habe, die bis dahin praktizierte privatrechtliche Entgeltregelung aufzugeben und künftig zur Finanzierung ihrer öffentlichen Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben zu erheben. Eine solche Umstellung sei von der Organisationsgewalt der Beklagten gedeckt. Es treffe nicht zu, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 privatrechtliche Ansprüche der Beklagten gegen den Kläger bereits verjährt gewesen seien. Denn der Kläger sei zu keinem Zeitpunkt Anschlussnehmer gewesen. Da sein Grundstück bis heute unbebaut sei, habe es an einer Verbindung des Verteilungsnetzes mit einer Anlage des Klägers gefehlt.
10 
Ob die Beklagte berechtigt gewesen sei, neben der grundsätzlich maßgeblichen AVBWasserV eigene allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser aufzustellen, könne offen bleiben. Ein zivilrechtlicher Anspruch nach den AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 sei ebenfalls nicht entstanden. Nr. 3.6 der AVB-Wasser sehe zwar vor, dass das städtische Wasserwerk der Beklagten berechtigt sei, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge" für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Alle Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 zur Ermittlung des „Wasserversorgungsbeitrags" ließen jedoch eindeutig erkennen, dass für unbebaute Grundstücke, deren Bebauung auch nicht unmittelbar bevorstehe, das Entgelt nicht berechnet werden könne. Alle Bestimmungen stellten nämlich auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück ab.
11 
Entgegen der Auffassung des Klägers folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) nicht, dass die Beitragserhebung im vorliegenden Fall rechtswidrig sei. Allein die Tatsache, dass zwischen der Verschaffung der Vorteilslage und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag hier nahezu 30 Jahre verstrichen seien, könne die Rechtswidrigkeit nicht begründen. Der Kläger habe 1982/83 durch die Anschlussmöglichkeit einen dauerhaften Vorteil erhalten. Diese Vorteilslage dauere bis heute an. Sie ermögliche es dem Kläger, sein Grundstück baulich zu nutzen. Dass er bis zum Erlass der Wasserversorgungssatzung keinen privatrechtlichen Baukostenzuschuss zu entrichten gehabt habe, liege allein daran, dass er von der Anschlussmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht habe. Es sei für ihn nach den Bestimmungen der AVBWasserV ohne weiteres erkennbar gewesen, dass er einen Baukostenzuschuss zu entrichten habe, sobald er auf seinem Grundstück eine Anlage errichte und diese mit dem öffentlichen Versorgungsnetz verbinde. Dies gelte umso mehr, als er für seine beiden bebauten Grundstücke im Jahr 1982 derartige Baukostenzuschüsse entrichtet habe.
12 
Der Kläger hat am 11.11.2013 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Für sein Grundstück bestehe seit dem Jahr 1982 eine Anschlussmöglichkeit. Die Wasserversorgungssatzung vom 09.11.2006 sei ohne Rückwirkung am 01.01.2007 in Kraft getreten. Deshalb falle der Tatbestand der Anschlussmöglichkeit nicht in den zeitlichen Geltungsbereich dieser Satzung. Damit sei die sachliche Beitragsschuld auf der Grundlage dieser Satzung nicht entstanden. Es liege ein bereits abgeschlossener Sachverhalt vor, denn die Vorteilslage für sein Grundstück sei bereits 1982/1983 entstanden. Damals sei die Versorgung mit Trinkwasser privatrechtlich geregelt gewesen. Nach Nr. 3.6 AVB-Wasser der Beklagten sei diese berechtigt gewesen, vom Abnehmer die Bezahlung der in Anlage 2 festgelegten Wasserversorgungsbeiträge für die Versorgungsanlagen und -leitungen vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten zu verlangen. Daraus folge, dass die sachliche Beitragsschuld hier 1982/1983 entstanden sei. Die Beitragshöhe habe sich nach der maximalen Nutzungsmöglichkeit gerichtet. Seiner Erinnerung nach sei die Beitragsschuld auch beglichen worden. Entsprechende Belege seien nach nunmehr 30 Jahren bei ihm jedoch nicht mehr auffindbar. Die Beweislast liege bei der Beklagten. Aus dem Gesamtzusammenhang gehe hervor, dass zwischen ihm und der Beklagten ein zivilrechtliches Vertragsverhältnis bestanden habe. Da die Beklagte einen Anschluss tatsächlich hergestellt habe, sei davon auszugehen, dass auch ein entsprechender Antrag gestellt und ein Vertragsverhältnis - jedenfalls durch konkludente Handlungen - begründet worden sei. Andernfalls hätte die Beklagte das Grundstück zur Herstellung des Grundstücksanschlusses zu Unrecht betreten.
13 
Selbst wenn man davon ausgehe, dass 1982/1983 die entstandene Beitragsschuld weder festgesetzt noch gezahlt worden sei, sei diese Schuld inzwischen veranlagungsverjährt. Er verweise auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Danach sei für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden könnten, verfassungsrechtlich geboten. Hier liege der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung, nämlich der tatsächliche Anschluss, 30 Jahre zurück. Die Auffassung der Beklagten würde es ermöglichen, den Verjährungsbeginn ohne zeitliche Obergrenze unendlich hinauszuschieben. Damit würde der Interessenkonflikt einseitig zu Lasten der Abgabenschuldner gelöst. Die Verjährung könne nämlich unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen. Die sachliche Beitragspflicht sei hier im zeitlichen Geltungsbereich der AVB-Wasser im Jahr 1982 entstanden. Eine erneute Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nach Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung scheide bereits im Hinblick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung aus.
14 
Der Kläger beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 25.09.2013 - 1 K 437/13 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2011 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 aufzuheben,
und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 
Die Beklagte beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen.
18 
Sie führt zur Begründung aus: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Gemäß § 32 Abs. 1 KAG entstehe die Beitragsschuld, sobald das Grundstück an die öffentliche Einrichtung angeschlossen werden könne, frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung. Beide Voraussetzungen müssten gleichzeitig vorliegen. Die Wasserversorgungssatzung der Beklagten sei am 01.01.2007 in Kraft getreten. Vor Inkrafttreten der Satzung sei das Nutzungsverhältnis privatrechtlich ausgestaltet gewesen. Gemäß § 9 AVB-WasserV sei das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, von den Anschlussnehmern einen angemessenen Baukostenzuschuss zu verlangen. Ziffer 3.6 AVB-Wasser i.V. mit Ziffer 1 der Anlage 2 konkretisiere die Höhe des Baukostenzuschusses. Daraus ergebe sich, dass Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragsschuld damals stets gewesen sei, dass das maßgebliche Grundstück tatsächlich an die Versorgungsleitungen angeschlossen gewesen sei. Dies sei beim Grundstück des Klägers nicht der Fall gewesen. Es gebe keine Unterlagen über einen Anschluss des Grundstücks oder einen bezahlten Baukostenzuschuss. Von einem tatsächlichen Anschluss könne erst ausgegangen werden, wenn das Grundstück über eine Hausanschlussleitung dauerhaft und betriebsfertig verbunden sei. Das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da der Anschluss verschlossen worden sei. Das Grundstück des Klägers besitze lediglich einen solchen „Blindanschluss“. Der Hinweis des Klägers auf die Regelung unter Ziffer 3.6 AVB-Wasser bleibe ohne Erfolg. Die Möglichkeit einer Heranziehung vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten habe damals nur bestehen können, wenn die Anschlussarbeiten zeitnah erfolgten, also konkret geplant seien. Bis zum Inkrafttreten der Versorgungssatzung habe es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende Beteiligung des Klägers an den Kosten für die Errichtung der sein Grundstück unstreitig erschließenden Wasserversorgungsleitungen gefehlt. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen dürfen, zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr zu einer teilweisen Kostentragung herangezogen zu werden.
19 
Auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte unter dem 17./18.02.2014 mitgeteilt: Auch nach nochmaliger Überprüfung sei weder ein Antrag noch eine entsprechende Annahmeerklärung auffindbar. Anträge auf Wasserversorgung aus dem Zeitraum 1982/83 seien größtenteils nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist entsorgt worden. Die Erschließung eines Baugebiets mit der Hauptleitung und den Grundstücksanschlüssen im öffentlichen Straßenraum („Blindanschlüsse“) erfolge im Vorfeld unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung. Um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, würden die Grundstücksanschlüsse häufig - wie auch im vorliegenden Fall - in das Privatgrundstück hinein verlängert. Bei einer geplanten Bebauung stelle der Eigentümer einen Antrag auf Anschluss an die Wasserversorgung. Wenn ein Vertragsverhältnis bestehe, installiere die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung. Nach den von dem Kläger vorgelegten Fotografien habe sich hier auf dem Anschluss noch die Endkappe (ohne Entnahmemöglichkeit) befunden. Vergleichbare (Blind-) Anschlüsse seien in vergleichbaren Fällen routinemäßig hergestellt worden.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
22 
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen, da der angefochtene Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 19.12.2011 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 27.02.2013 rechtmäßig sind und ihn nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
23 
1. Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine gesetzliche Grundlage in den Vorschriften des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes, insbesondere in den §§ 2 Abs. 1, 20 Abs. 1, 32 KAG. Bedenken gegen die Vereinbarkeit dieser hier einschlägigen Vorschriften gegen höherrangiges Recht bestehen nicht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) entschieden, dass die Bestimmung in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit unvereinbar sei. Eine wohl vergleichbare Regelung findet sich auch im baden-württembergischen Kommunalabgabengesetz in § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG. Diese Regelung ist jedoch für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung, sodass dahinstehen kann, ob auch diese baden-württembergische Vorschrift verfassungswidrig ist.
24 
Ihre satzungsrechtliche Grundlage findet die Beitragserhebung in der Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006, die am 01.01.2007 in Kraft getreten ist (§ 55 Abs. 2 WVS). Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit dieser Satzung hat der Kläger nicht erhoben und sind auch sonst nicht ersichtlich.
25 
2. Für das mit dem angefochtenen Bescheid veranlagte Grundstück des Klägers ist die abstrakte Beitragsschuld am 01.01.2007 entstanden.
26 
a) Das streitgegenständliche Grundstück ist bebaubar, weil es im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „......" vom 27.08.1981 liegt. Für ein solches Grundstück entsteht die abstrakte Beitragsschuld, sobald es an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen werden kann (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG; § 36 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 Abs. 2 WVS). Die tatsächliche Anschlussmöglichkeit besteht hier schon seit den Jahren 1982/83. Nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten wurde zu diesem Zeitpunkt im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes ... die Wasserversorgungshauptleitung in der öffentlichen Straße vor dem Grundstück des Klägers verlegt und außerdem eine Anschlussleitung bis in das unbebaute Grundstück gelegt, die mit einer Endkappe verschlossen worden ist („Blindanschluss“). Diese in tatsächlicher Hinsicht vorhandene Anschlussmöglichkeit besteht nach wie vor.
27 
b) In rechtlicher Hinsicht ist die abstrakte Beitragsschuld aber erst am 01.01.2007 entstanden, weil erst an diesem Tag die hierfür erforderliche satzungsrechtliche Grundlage - die Wasserversorgungssatzung (WVS) der Beklagten vom 09.11.2006 - in Kraft getreten ist. Bis zum 31.12.2006 konnte von vornherein keine öffentlich-rechtliche Beitragsschuld entstehen, weil die Beklagte seit Mitte der 70er Jahre das Entgelt für die Benutzung ihrer Wasserversorgungseinrichtungen auf privatrechtlicher Basis erhoben hatte. Ohne (wirksame) Satzung kann aber keine Beitragspflicht entstehen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27.02.1992 - 2 S 1328/90 - juris).
28 
c) Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld am 01.01.2007 ist es unschädlich, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit bereits seit den Jahren 1982/83 und damit lange vor dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 bestanden hat.
29 
Es ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht erforderlich, dass die tatsächliche Vorteilslage (erst) unter der zeitlichen Geltung einer Wasserversorgungssatzung geschaffen wird. Solange zwar in tatsächlicher Hinsicht eine Anschlussmöglichkeit - und damit eine potentielle Vorteilslage - besteht, aber (noch) keine satzungsrechtliche Grundlage für eine Beitragserhebung existiert, kann keine Beitragsschuld entstehen. In einem solchen Fall entsteht die Beitragschuld erst mit der Schaffung der für eine Beitragserhebung erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlage (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 14.03.1996 - 2 S 1566/93 - VBIBW 1996, 307). Dies gilt entgegen der Ansicht des Klägers nicht nur dann, wenn frühere Satzungen nichtig waren, sondern auch dann, wenn wie hier früher überhaupt keine öffentlich-rechtliche Abgabensatzung existiert hat. Denn das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld setzt neben dem Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einem bebaubaren Grundstück, das tatsächlich und rechtlich an diese Einrichtung angeschlossen werden kann, das Vorhandensein einer wirksamen Beitragssatzung voraus (Gössl in Gössl/Reif, Kommunalabgabengesetz BW, § 32 Anm. 1.1). Erst wenn diese drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind, entsteht die abstrakte Beitragsschuld.
30 
Die erforderliche satzungsrechtliche Grundlage hat die Beklagte hier erst mit Erlass ihrer zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Wasserversorgungssatzung geschaffen. Dies hat zur Folge, dass (erst) mit Inkrafttreten dieser Satzung die abstrakte Beitragsschuld - mit Wirkung ex nunc - entstanden ist. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält das Kommunalabgabengesetz keine Regelung, wonach Grundstücke beitragsfrei sind, für die bereits vor Inkrafttreten einer satzungsrechtlichen Grundlage in tatsächlicher Hinsicht eine Vorteilslage entstanden ist. Ein Fall des § 32 Abs. 2 KAG liegt hier - so zu Recht das Verwaltungsgericht - nicht vor, weil das Grundstück des Klägers nicht schon vor dem 01.04.1964 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAG - an die Einrichtung hätte angeschlossen werden können.
31 
3. Der angefochtenen Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags steht der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung nicht entgegen.
32 
a) Eine unmittelbare Anwendung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Beitragserhebung scheidet hier von vornherein aus. Seit Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage für das streitbefangene Grundstück in den Jahren 1982/83 bis zum 31.12.2006 sind für die Leistungen der Wasserversorgung der Beklagten keine öffentlich-rechtlichen Abgaben, sondern zivilrechtliche Entgelte erhoben worden. In diesem Zeitraum können demzufolge unabhängig von ihrer Bezeichnung höchstens Zahlungen auf privatrechtlicher Basis erhoben und geleistet worden sein. Dass bis zum 31.12.2006 dennoch ein öffentlich-rechtlicher Wasserversorgungsbeitrag festgesetzt und entrichtet worden sein könnte, ist daher fernliegend; dies behauptet auch der Kläger nicht.
33 
b) Unabhängig davon lässt sich aber auch nicht feststellen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen zivilrechtlichen Baukostenvorschuss oder eine sonstige Zahlung für den Anschluss des streitbefangenen Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet hätte. Der Kläger trägt zwar vor, seiner Erinnerung nach habe die Beklagte ihm gegenüber bereits 1982/83 ein privatrechtliches Entgelt in Form eines Baukostenzuschusses geltend gemacht, das er auch entrichtet habe. Der Senat ist jedoch der Überzeugung, dass dies in Bezug auf das streitbefangene Grundstück nicht zutrifft. Im Einzelnen:
34 
aa) Das Vorbringen des Klägers ist bereits äußerst unsubstantiiert. Nähere Einzelheiten wie auch die genauen Umstände der angeblichen Zahlung werden nicht geschildert. Für die behauptete Anforderung und Zahlung eines Baukostenzuschusses hat der Kläger zudem auch keine (z.B. schriftlichen) Nachweise vorgelegt.
35 
bb) Zudem sprechen gewichtige Indizien gegen die Behauptung des Klägers. Die Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 12.09.2013 die „Sachkontenblätter“ der Jahre 1982 bis 1984 zur Haushaltsstelle „Ertragszuschüsse Wasserversorgung" vorgelegt. In diesen Sachkontenblättern sind alle im jeweiligen Haushaltsjahr geforderten Baukostenzuschüsse enthalten. In diesen Sachkontenblättern sind aber lediglich zwei Zahlungen des Klägers über 2.200,-- DM (11.06.1982) und 626,-- DM (18.08.1982) sowie eine Rückerstattung über 451,14 DM (31.12.1982) aufgeführt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang übersehen hat, dass sich der dritte Beleg auf eine Rückzahlung der Beklagten an den Kläger bezieht, und demzufolge zu Unrecht von drei Zahlungen ausgegangen ist, und zudem den ersten Betrag versehentlich mit 2.000,-- DM (statt richtig 2.200.-- DM) benannt hat, ist dies im Ergebnis ohne Relevanz. Denn diese Belege beziehen sich jeweils erkennbar auf ein anderes bebautes Grundstück des Klägers im selben Baugebiet. Insoweit hat die Beklagte plausibel ausgeführt, dass sie kein unbebautes Grundstück betreffen könnten, denn in den Rechnungsbelegen („Vorläufige Berechnung“ Beleg Nr. 12/Hptp.B. 105) würden 580,-- DM für weitere angefangene 100 m² Nettogeschossfläche ausgewiesen. Daraus hat das Verwaltungsgericht gefolgert, dass die in den Sachkontenblättern dargestellten Zahlungen nur ein bebautes Grundstück des Klägers und nicht das unbebaute streitbefangene Grundstück betreffen können. Dies ist insbesondere auch vor dem Hintergrund überzeugend, dass die Bestimmungen in Nr. 1 der Anlage 2 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974 zur Ermittlung der Höhe des zu leistenden Entgelts auf den Umfang der Bebauung auf einem Grundstück abstellen. Jedenfalls für unbebaute Grundstücke, bei denen das Maß einer zukünftigen Bebauung noch nicht - z.B. im Hinblick auf eine bereits erteilte Baugenehmigung - absehbar war, hätte das Entgelt nach diesen Bestimmungen nicht berechnet werden können.
36 
Diesbezüglich hat auch der Kläger im Berufungsverfahren keine durchgreifenden Einwendungen erhoben; er stellt insbesondere nicht in Frage, dass die von der Beklagten vorgelegten Belege ein anderes Grundstück betroffen haben. Er meint jedoch, aus der Zahlung für andere Grundstücke müsse geschlossen werden, dass auch für das streitbefangene Grundstück gezahlt worden sei. Dies überzeugt jedoch nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die eine Zahlung detailliert vermerkt worden sein sollte, während die andere (angebliche) Zahlung, die im selben Zeitraum erfolgt sein müsste, aus unerfindlichen Gründen „unterschlagen“ worden wäre. Die vorgelegten detaillierten „Sachkontenblätter“ aus den 80er Jahren erwecken zudem den Eindruck der Vollständigkeit. Es ist kein plausibler Grund dafür vorhanden, weshalb ausgerechnet die hier umstrittene Zahlung dort nicht aufgeführt sein sollte, wenn sie tatsächlich geleistet worden wäre. Zum anderen kann ein sachlicher Grund für die Zahlung im Falle des bebauten Grundstücks ohne Weiteres darin gesehen werden, dass dieses Grundstück an die Wasserversorgung angeschlossen wurde, während dies bei dem streitbefangenen Grundstück, das immer noch unbebaut ist, nicht der Fall war.
37 
cc) Aber auch rechtliche Überlegungen sprechen dagegen, dass der Kläger bis zum 31.12.2006 einen Baukostenzuschuss oder ein vergleichbares Entgelt für den Anschluss des streitbefangene Grundstücks an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten geleistet haben könnte. Unter dem bis Ende 2006 geltenden privatrechtlichen Regime konnte die Beklagte keine einseitigen Zahlungspflichten per Hoheitsakt begründen. Zahlungsverpflichtungen der Anschlussnehmer haben vielmehr grundsätzlich den Abschluss eines zweiseitigen zivilrechtlichen Vertrags vorausgesetzt. Das Entstehen eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses setzt aber entsprechende übereinstimmende Willenserklärungen beider Vertragpartner voraus. Demgemäß müsste der Kläger einen Antrag (Anmeldung) auf Wasserversorgung gestellt (vgl. Nr. 3.1 der AVB-Wasser der Beklagten vom 15.07.1974) und die Beklagte diesen Antrag angenommen haben (Nr. 3.2). Davon hat auch Nr. 3.6 der AVB-Wasser nicht suspendiert. Zwar waren die Stadtwerke der Beklagten hiernach berechtigt, auch schon vor Inangriffnahme der Anschlussarbeiten die in Anlage 2 festgelegten „Wasserversorgungsbeiträge“ zu verlangen. Voraussetzung eines solchen zivilrechtlichen Anspruchs war aber ungeachtet der Bezeichnung als „Beitrag“ ein bestehendes privatrechtliches Vertragsverhältnis.
38 
Dass der hierfür erforderliche Antrag vom Kläger gestellt und von der Beklagten angenommen worden sein könnte, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Unterlagen sind - wie die Beklagte auf Anfrage des Berichterstatters unter dem 17./18.02.2014 ausdrücklich mitgeteilt hat - nicht (mehr) vorhanden. Auch der Kläger konnte keine entsprechenden Belege vorlegen. Gegen das Bestehen eines Vertragsverhältnisses spricht zudem, dass die Beklagte keinen Wasserzähler und keine technische Entnahmevorrichtung angebracht, sondern den Anschluss als „Blindanschluss“ mit einer Endkappe ohne Entnahmemöglichkeit ausgeführt hat.
39 
Daraus, dass die Beklagte 1982/83 - wohl im Einvernehmen mit dem Kläger - einen solchen „Blindanschluss“ gelegt hat, lässt sich auch nicht folgern, dass der Kläger zumindest konkludent einen Antrag auf Wasserversorgung gestellt und die Beklagte diesen Antrag angenommen hat. Denn auf Anfrage des Berichterstatters hat die Beklagte mitgeteilt, die Herstellung solcher „Blindanschlüsse“ sei routinemäßig bereits im Vorfeld bei der Erschließung eines Baugebiets unabhängig von Anträgen auf Wasserversorgung erfolgt; (erst) wenn ein Vertragsverhältnis bestanden habe, habe die Beklagte einen Wasserzähler und eine technische Entnahmevorrichtung installiert. Dies hält der Senat für überzeugend. Es ist plausibel, dass bei der tatsächlichen Erschließung eines neuen Baugebiets regelmäßig solche „Blindanschlüsse“ hergestellt werden, um ein späteres Wiederaufreißen der Straßen- und Gehwegdecke zu vermeiden, zumal bei einem Baugrundstück nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig davon auszugehen ist, dass früher oder später eine Bebauung stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus der einvernehmlichen Herstellung eines „Blindanschlusses“ entgegen der Auffassung des Klägers nicht schließen, dass - zumindest durch schlüssiges Verhalten - ein vertraglicher Anschluss an die Wasserversorgung erfolgt ist.
40 
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang anführt, durch die 1982/83 erfolgte Herstellung des „Blindanschlusses“ sei eine beitragsrechtliche Vorteilslage geschaffen worden, liegt dies neben der Sache. Da damals privatrechtliche Entgelte verlangt worden sind und eine öffentlich-rechtliche Beitragserhebung überhaupt nicht möglich war, kommt es auf das bloße Vorhandensein einer Vorteilslage nicht an. Auch das von dem Kläger betonte Interesse der Beklagten an einer möglichst baldigen Refinanzierung ihrer Aufwendungen, berechtigt diese für sich allein genommen offenkundig nicht dazu, ein zivilrechtliches Entgelt zu erheben.
41 
dd) Alles in allem bewertet der Senat dies im Rahmen einer Gesamtwürdigung dahingehend, dass in Bezug auf das streitbefangene Grundstück kein Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger zustande gekommen und auch keine privatrechtliche Zahlung eines Entgelts (etwa in Form eines Baukostenzschusses) durch den Kläger erfolgt ist. Seine entgegengesetzte Behauptung, seiner Erinnerung nach habe er einen Baukostenzuschuss entrichtet, lässt sich in nachvollziehbarer Weise ohne Weiteres damit erklären, dass er zwar Zahlungen an die Beklagte geleistet hat, diese aber jeweils ein anderes Grundstück im selben Baugebiet betroffen haben.
42 
Selbst wenn man zu der Folgerung käme, es lasse sich nicht mehr feststellen, ob eine Zahlung erfolgt ist („non liquet“), ginge dies zu Lasten des Klägers, da er nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweislast für die Behauptung trägt, er habe bereits einen Baukostenzuschuss für das fragliche Grundstück entrichtet.
43 
4. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 c KAG i.V.m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre. Sie beginnt gemäß § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Da die abstrakte Beitragsschuld hier erst am 01.01.2007 entstanden ist, hat die Festsetzungsfrist am 31.12.2011 geendet. Diese Frist ist mit Erlass des angefochtenen Bescheides vom 19.12.2011 eingehalten worden, der dem Kläger am 20.12.2011 zugestellt worden ist.
44 
5. Die Beklagte hat das Recht auf Erhebung eines Wasserversorgungsbeitrags ferner nicht verwirkt. Ein materielles Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm ein Geltendmachen seines Rechts ohne weiteres zumutbar gewesen wäre, der Verpflichtete infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, der Verpflichtete hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die er nicht ergriffen hätte oder die er nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 04.12.2001 - 4 C 2.00 - BVerwGE 115, 274, vom 29.08.1996 - 2 C 23/95 - BVerwGE 102, 33 und vom 20.01.1977 - V C 18.76 - BVerwGE 52, 16; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 30.07.2009 - 13 S 919/09 - InfAuslR 2009, 403).
45 
Hier fehlt es jedenfalls an der letzten Voraussetzung für die Annahme einer Verwirkung. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hat, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden kann.
46 
6. Dass zwischen der Verschaffung der Anschlussmöglichkeit im Jahre 1982/83 und der Heranziehung zu einem Wasserversorgungsbeitrag Ende 2011 ein Zeitraum von fast 30 Jahren verstrichen ist, berührt die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung nicht. Zwar lässt sich dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) möglicherweise der allgemeine Rechtsgedanke entnehmen, dass es regelmäßig eine absolute zeitliche Obergrenze für eine Beitragserhebung geben muss. Jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls - die in erster Linie darin begründet liegen, dass die Beklagte die Entgelte für die Leistungen der Wasserversorgung seit Anfang 2007 nicht mehr einem privatrechtlichen, sondern einem öffentlich-rechtlichen Regime unterstellt hat - ist indes eine verfassungsrechtlich möglicherweise gebotene absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht überschritten.
47 
a) In seinem Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes getroffene Bestimmung über den Beginn der Festsetzungsfrist bei der Heilung ungültiger Satzungen nichtig ist. Diese Vorschrift ist - wie auch ihr baden-württembergisches „Pendant“ - im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. Darüber hinaus hat sich das Bundesverfassungsgericht aber auch grundsätzlich zu der Problematik der Erhebung von öffentlich-rechtlichen Abgaben in den Fällen geäußert, in denen der tatsächliche Anknüpfungspunkt für deren Entstehen bereits lange zurück liegt. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten hiernach im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug. Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können. Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet es daher auch bei der Erhebung von Beiträgen, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.
48 
b) Welche Folgerungen hieraus allgemein für die Erhebung von Beiträgen zu ziehen sind (vgl. hierzu: BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -; OVG BBbg. Urteil vom 14.11.2013 - 9 B 34.12 -; SächsOVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10 - jeweils juris), kann offenbleiben. Denn der vorliegende Einzelfall weist Besonderheiten auf, die dazu führen, dass die Beitragserhebung hier in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht problematisch ist, obwohl zwischen der Schaffung der tatsächlichen Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und der Erhebung des Beitrags im Jahr 2011 fast dreißig Jahre verstrichen sind.
49 
Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass in dem Zeitraum zwischen der tatsächlichen Schaffung der Anschlussmöglichkeit in den Jahren 1982/83 und dem Inkrafttreten der Wasserversorgungssatzung der Beklagten am 01.01.2007 die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Wasserversorgungsbeitrags durch die Beklagte in rechtlicher Hinsicht schon im Ansatz nicht möglich war, weil die Entgeltzahlung in dieser Zeit noch privatrechtlich ausgestaltet war (vgl. § 13 Abs. 2 KAG). Daher lassen sich in Bezug auf diesen Zeitraum, in dem die Entgelte für die Wasserversorgung noch auf privatrechtlicher Basis erhoben worden sind, die tragenden Erwägungen in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das Bundesverfassungsgericht hat sich maßgeblich darauf gestützt, dass das Rechtsstaatsprinzip den Bürger in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor schützt, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit sei demzufolge abzuleiten, dass Einzelne gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen habe.
50 
Hier fehlt es aber schon an der Erwartung des Grundstückseigentümers, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Herstellung der Wasserversorgungseinrichtung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts musste jedem Grundstückseigentümer vielmehr bewusst sein, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten muss, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen möchte. Anders als im öffentlich-rechtlichen Beitragsrecht hatte die Gemeinde zudem keine Befugnis, bereits bei Bestehen einer tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern, sodass sich auch nicht sagen lässt, dass die Gemeinde eine ihr zustehende Befugnis nicht wahrgenommen hätte. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend von den Fällen, in denen schon immer eine öffentlich-rechtliche Regelung der Beitragserhebung beabsichtigt war und eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung der Gemeinde gescheitert ist.
51 
Der lange Zeitraum zwischen der Schaffung der Anschlussmöglichkeit und der Beitragserhebung beruht hier also letztlich in erster Linie darauf, dass das bis Ende 2006 geltende privatrechtliche Regime als Grundlage eines Anspruchs grundsätzlich eine vertragliche Vereinbarung verlangt hat, während das seit Anfang 2007 anwendbare öffentlich-rechtliche Beitragsrecht eine Beitragserhebung bereits bei Bestehen einer Vorteilslage zulässt. Nach der Überzeugung des Senats ginge es fehl, in einem solchen Fall bei einem Wechsel von einem privatrechtlichen zu einem öffentlich-rechtlichen System die in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (aaO) befürwortete absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung auch auf solche Zeiträume zu erstrecken, in denen die Erhebung von Entgelten privatrechtlich geregelt war. Eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung kann sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben hat, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt war. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch die Erhebung eines privatrechtlichen Entgelts in der Vergangenheit mangels des Zustandekommens eines Vertragsverhältnisses nicht möglich gewesen wäre
52 
Hierfür spricht im Übrigen auch die folgende Erwägung: Es obliegt der Organisationshoheit der Gemeinde, ob sie eine privatrechtliche Entgeltregelung trifft oder zur Finanzierung der Trinkwasserversorgung Kommunalabgaben erhebt. Auch die Umstellung vom privatrechtlichen zum öffentlich-rechtlichen Regime ist wie der umgekehrte Fall von der Organisationsgewalt der Gemeinde gedeckt (vgl. Gössl in Gössl/Reif, aaO, § 13 Anm. 4.1). Würde die Umstellung von einer privatrechtlichen Entgeltregelung zu einer Finanzierung über öffentlich-rechtliche Abgaben dazu führen, dass für viele unbebaute, aber bebaubare Grundstücke keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen, obwohl eine Vorteilslage besteht und nach der privatrechtlichen Regelung jederzeit damit gerechnet werden musste, dass im Falle einer Bebauung Baukostenzuschüsse (oder anders bezeichnete Entgelte) entrichtet werden müssen, würde dies die Organisationshoheit der Gemeinden unverhältnismäßig einschränken. Eine Rückkehr ins Öffentliche Recht wäre dann mit erheblichen finanziellen Risiken für die Gemeinden verbunden, ohne dass dies durch die überwiegenden Interessen der Betroffenen geboten wäre.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 31. März 2014
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.222,68 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Ihr kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der von der Beschwerdeführerin als verletzt gerügten Grundrechte angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

2

Soweit sie sich gegen den Beitragsbescheid richtet, fehlt es an der Rechts-wegerschöpfung (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

3

Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die im Eilverfahren ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen, da keine selbständige Beschwer durch das Eilverfahren geltend gemacht wird. Mit dem Vorbringen, die Beitragserhebung verletze die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sowie des Rechts auf eine willkürfreie Entscheidung, erhebt die Beschwerdeführerin Rügen, die das Hauptsacheverfahren betreffen.

4

Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ausnahmsweise vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung in der Hauptsache abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>), liegen hier nicht vor.

5

Der Beschwerdeführerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens zumutbar. Diese ist insbesondere nicht von vornherein aussichtslos. Denn die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen - unter anderem die Fragen der Wirksamkeit der Kanalanschlussbeitragssatzung 2008 und ihrer Vorgängersatzungen - wurden im fachgerichtlichen Eilverfahren nur summarisch geprüft. Die angegriffenen Entscheidungen ergingen zudem noch vor der Veröffentlichung des Beschlusses des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, S. 1004) mit dem der Erste Senat eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung im Bayerischen Kommunalabgabengesetz - BayKAG - (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG) für unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit erklärte, weil diese eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme der Beitragsschuldner nach Erlangung des Vorteils ermöglichte.

6

Das Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg - KAG Bbg - enthält zwar keine dem Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG vergleichbare Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsverjährung. § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 1 KAG Bbg fordert allerdings für das Entstehen der Beitragspflicht neben dem Eintritt der Vorteilslage das Inkrafttreten einer "rechtswirksamen" Satzung, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein muss; sie kann vielmehr nach § 8 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 KAG Bbg einen späteren Zeitpunkt für das Entstehen der Beitragspflicht bestimmen.

7

Diese Regelung ermöglicht ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzung von Beiträgen nach Erlangung des Vorteils und begegnet deshalb im Hinblick auf den Grundsatz der Rechtssicherheit verfassungsrechtlichen Bedenken. Es bedarf allerdings zunächst der Klärung im Hauptsacheverfahren, wie den Maßgaben des Senatsbeschlusses vom 5. März 2013 Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. Mai 2013 - 9 S 75.12 -, juris, Rn. 29 a.E.). Ein schwerer, unabwendbarer Nachteil der Beschwerdeführerin durch Verweisung auf den Rechtsweg in der Hauptsache, der ihr nicht zugemutet werden könnte (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>), ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

8

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

(2) In den Fällen des § 13 Nr. 6, 6a, 11, 12 und 14 hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Gesetzeskraft. Das gilt auch in den Fällen des § 13 Nr. 8a, wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz als mit dem Grundgesetz vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt. Soweit ein Gesetz als mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht vereinbar oder unvereinbar oder für nichtig erklärt wird, ist die Entscheidungsformel durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesgesetzblatt zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für die Entscheidungsformel in den Fällen des § 13 Nr. 12 und 14.

(1) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen. Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetze handelt.

(2) Ist in einem Rechtsstreite zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechtes Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Artikel 25), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

(3) Will das Verfassungsgericht eines Landes bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes oder des Verfassungsgerichtes eines anderen Landes abweichen, so hat das Verfassungsgericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.


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Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Februar 2016 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Bescheide der Beklagten vom 24. August 2011, mit welchen er zu Erschließungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 70.305,48 € für die erstmalige Herstellung des Teils der „G.-Str.“ in M... herangezogen wurde, der von der F.-Str. abzweigt, vierspurig ausgebaut ist und auf der Parzelle 326/8 liegt.

2

Dieses Teilstück der „G.-Str.“ wurde in den Jahren 1985/86 erbaut. Ursprünglich plante die Beklagte – wie im Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck gebracht und im Deckblatt 3 zum Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ im Jahr 1989 bekräftigt –, die „G.-Str.“ in westlicher Richtung, also über die Parzelle 326/8 hinaus, vierspurig weiterzuführen. Diese Planung gab die Beklagte mit dem im Jahr 1999 in Kraft getretenen Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot III“ auf.

3

Mit Bescheiden vom 25. Oktober 1991 erhob die Beklagte Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für den auf der Parzelle 326/8 liegenden Teil der „G.-Str.“. Die mit Umlegungsbeschluss vom 31. Oktober 1990 eingeleitete Baulandumlegung in diesem räumlichen Bereich wurde im Jahr 1999 aufgehoben, ohne dass es zu Änderungen in Bezug auf die Grundstücke des Klägers gekommen war. Nach der Widmung der „G.-Str.“ im Jahr 2007 erließ die Beklagte drei Erschließungsbeitragsbescheide vom 4. September 2007, von denen zwei vom Verwaltungsgericht Koblenz im Verfahren 4 K 949/10.KO wegen unzulässiger Bildung wirtschaftlicher Grundstückseinheiten aufgehoben wurden. Abgewiesen wurde die im Verfahren 4 K 949/10.KO erhobene Klage gegen den sich auf das Grundstück Parzelle 330/10 beziehenden Erschließungsbeitragsbescheid.

4

Unter dem 24. August 2011 ergingen die sieben angefochtenen Bescheide. Die Grundstücke Parzellen 325/5 sowie 326/7 und die Grundstücke Parzellen 325/4 sowie 326/6 wurden von der Beklagten jeweils als wirtschaftliche Grundstückseinheit veranlagt; hinsichtlich der Grundstücke Parzellen 320/5, 323/5, 320/4 und 323/4 ergingen Einzelbescheide. Für das Grundstück des Klägers Parzelle 330/10 erfolgte eine Nachveranlagung aufgrund des neu errechneten Beitragssatzes.

5

Hinsichtlich des seinem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalts im Übrigen nimmt der Senat gemäß § 130 b Satz 1 der VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen tatsächliche Feststellungen er sich zu Eigen macht.

6

Die nach Zurückweisung der Widersprüche des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2014 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Erschließungsbeitragsbescheide seien hinreichend bestimmt und auch in materiell-rechtlicher Hinsicht – bis auf geringfügige Korrekturen – nicht zu beanstanden. Die Beitragsschuld sei weder verjährt noch aus anderen Gründen erloschen. Auch die Nacherhebung für die Parzelle 330/10 sei zulässig. An der Erforderlichkeit einer vierspurigen Herstellung der Fahrbahn bestünden keine durchgreifenden Zweifel. Soweit dies geboten sei, habe die Beklagte ferner eine Vergünstigung für Hinterliegergrundstücke berücksichtigt.

7

Mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen, die Breite der abgerechneten vierspurigen Verkehrsanlage sei nicht erforderlich, zumal ihre Fortsetzung nach Westen lediglich zweispurig erfolgt sei. Die „G.-Str.“ müsse außerdem bis zur Einmündung der „C.-Str.“ als eine einheitliche Verkehrsanlage betrachtet werden. Ferner berücksichtige das angefochtene Urteil die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht hinreichend, wonach es nicht erlaubt sei, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Dass die Beklagte nach dem Straßenbau mehr als 20 Jahre bis zum Erlass der angefochtenen Heranziehungsbescheide habe verstreichen lassen, könne verfassungsrechtlich nicht hingenommen werden. Dabei sei der späte Zeitpunkt der Widmung, die die Beitragspflicht erst ausgelöst habe, keine Rechtfertigung für die erwähnte zeitliche Verzögerung der Veranlagung. Die maßgebliche Vorteilslage sei bereits mit der Übergabe der abgerechneten Straße an den Verkehr im Jahr 1986 eingetreten. Ungeachtet dessen hätte das Verwaltungsgericht auch eine konkludente Widmung in Betracht ziehen müssen.

8

Der Kläger beantragt,

9

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. Februar 2016 die sechs Beitragsbescheide sowie den Nacherhebungsbescheid der Beklagten vom 24. August 2011 und den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz vom 15. Dezember 2014 aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

11

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

12

Sie erläutert den zeitlichen Ablauf zwischen Planung, Bau und Abrechnung des vierspurigen Teils der „G.-Str.“ (Parzelle 326/8). Angesichts der aufgetretenen Schwierigkeiten bestreitet die Beklagte eine unzulässige Verzögerung der Heranziehung. Sie weist insbesondere auf notwendig gewordene Planungsänderungen und ein Umlegungsverfahren in den Jahren 1990 bis 1999 hin, das eine frühere Widmung als die im Jahr 2007 wirksam gewordene nicht zugelassen habe.

13

Die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten ergeben sich aus den zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätzen, den vorgelegten Verwaltungsvorgängen und den beigezogenen Gerichtsakten der Verfahren 4 K 1262/09.KO, 4 K 949/10.KO sowie 4 K 80/15.KO, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

14

Die Berufung des Klägers gegen die ganz überwiegende Abweisung seiner Klage ist unbegründet.

15

Soweit das Verwaltungsgericht der Beklagten in geringfügigem Umfang eine Neuberechnung zu Gunsten des Klägers aufgegeben hat, ist das angefochtene Urteil rechtskräftig geworden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Denn die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 24. August 2011 und der Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2014 sind in dem noch anhängigen Umfang rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

16

Die angefochtenen Bescheide beruhen auf den Bestimmungen der §§ 127 ff. des BaugesetzbuchsBauGB – i. V. m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung einmaliger Beiträge für die erstmalige Herstellung von Erschließungsanlagen (Erschließungsbeiträge) vom 14. April 1988 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 8. April 2004 – EBS –. Danach erhebt die Beklagte Erschließungsbeiträge zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen unter im Einzelnen geregelten Voraussetzungen. Die Beitragserhebung setzt insbesondere voraus, dass ein Beitragsanspruch entstanden (1.) sowie nicht wieder erloschen ist (2.) und ihm auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegensteht (3.).

17

1. Der Anspruch auf Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage (a) entsteht mit dem Abschluss der „endgültigen Herstellung“ (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB) unter Beachtung der Voraussetzungen des § 125 BauGB (b), dem Eigentumserwerb der Beklagten an der Straßenparzelle (§ 8 EBS) und dem Wirksamwerden der Widmung dieser Verkehrsanlage (c). Diese Voraussetzungen sind hier ebenso gegeben wie die Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands (d).

18

a) Als beitragsfähige Erschließungsanlage i. S. d. § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist der Teil der „G.-Str.“ zu betrachten, der von der F.-Str. abzweigt bzw. in sie einmündet, vierspurig ausgebaut ist und auf der Parzelle 326/8 liegt.

19

Bei der Bestimmung des Umfangs, also insbesondere des Anfangs sowie des Endes einer Erschließungsstraße ist – ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise – grundsätzlich auf das durch die tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens sachlicher Beitragspflichten geprägte Erscheinungsbild abzustellen (BVerwG, Urteil vom 22. März 1996 − 8 C 17.94 −, BVerwGE 101, 12).

20

Nach diesem Maßstab stellt das erwähnte, ca. 200 m lange Teilstück der „G.-Str.“ eine selbständige Erschließungsanlage dar. Wegen seines vierspurigen Ausbaus unterscheidet es sich von seiner zweispurigen Fortsetzung in westlicher Richtung so erheblich, dass von einer einheitlichen Verkehrsanlage „G.-Str.“ nicht die Rede sein kann. Auch die Fahrbahnoberfläche lässt das westliche Ende der Straßenparzelle 326/8, die mit Verbundsteinpflaster versehen ist, als deutliche Zäsur gegenüber der asphaltierten Fahrbahn der westlichen Fortführung der „G.-Str.“ auf der Parzelle 2576/4 erscheinen. Angesichts dessen kann dem Kläger nicht in der Auffassung gefolgt werden, die „G.-Str.“ müsse von ihrer Abzweigung von der F.-Str. bis zur Einmündung der „C.-Str.“ als eine einheitliche Verkehrsanlage betrachtet werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des unterschiedlichen Erscheinungsbilds der Straßenparzellen 326/8 und 2576/4 nimmt der Senat Bezug auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Januar 2011 im Verfahren 4 K 949/10.KO.

21

b) Dass der abgerechnete, vierspurige Teil der „G.-Str.“ den Herstellungsmerkmalen des § 8 EBS entsprechend hergestellt wurde, kann den Verwaltungsvorgängen sowie dem von der Beklagten vorgelegten Foto entnommen werden; dies wird vom Kläger auch nicht bezweifelt. Gleiches gilt für den notwendigen Grunderwerb (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 9. August 2013 – 9 B 31.13 –, juris), der im Jahr 1986 abgeschlossen werden konnte.

22

c) Die Widmung der abgerechneten Erschließungsanlage wurde vom Rat der Beklagten am 5. Juli 2007 beschlossen und im Amtsblatt vom 31. Juli 2007 öffentlich bekannt gemacht.

23

Anders als der Kläger meint, wurde der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) nicht bereits als Bestandteil der F.-Str. im Jahr 1982 gewidmet. Zu den seinerzeit in der Widmung einzeln bezeichneten Straßenparzellen gehört die Parzelle 326/8 nicht. Sie konnte auch nicht etwa als unselbständiger Bestandteil der F.-Str. von der Widmung umfasst sein. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 9. November 1984 – 8 C 77.83 –, BVerwGE 70,247; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1995 – 8 C 33.94 –, KStZ 1996, 156) kann dies nur für öffentliche, für das Befahren mit Kraftfahrzeugen vorgesehene und nicht verzweigte Stichwege bei einer Ausdehnung bis zu 100 m und einer dieser Ausdehnung angemessenen Anzahl erschlossener Grundstücke gelten. Daran fehlt es hier schon deshalb, weil der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) ca. 200 m lang ist.

24

Die Zweckbestimmung, dem öffentlichen Verkehr zu dienen, vermochte der vierspurige Teil der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) auch nicht – wie der Kläger meint – durch eine „konkludente Widmung“ zu erlangen. Unter Geltung des Landesstraßengesetzes – LStrG –, also für die Zeit nach dem 1. April 1963, kann eine Straße allein durch eine förmliche Widmung gemäß § 36 LStrG für den öffentlichen Verkehr bestimmt werden, die nicht rückwirkend verfügt werden kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 10. Juni 2003 – 6 A 10310/03.OVG –, AS 30, 359; OVG RP, Beschluss vom 13. Mai 2004 – 6 B 10428/04.OVG –). Abgesehen von der Möglichkeit, beispielsweise gemäß § 36 Abs. 4 LStrG eine Widmung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens auszusprechen, sind andere rechtliche Formen, eine Verkehrsanlage auf Dauer als dem öffentlichen Verkehr dienend bereit zu stellen, straßenrechtlich nicht vorgesehen. Insbesondere vermögen die Festsetzungen eines Bebauungsplans eine Widmung nicht zu ersetzen (vgl. OVG RP, Urteil vom 18. März 2003 – 6 A 11867/02.OVG –, AS 30, 287). Das gilt erst recht für die Aufnahme einer Verkehrsfläche in eine gemeindliche Straßenreinigungssatzung.

25

d) Auch die Erforderlichkeit des Erschließungsaufwands, insbesondere des vierspurigen Ausbaus der abgerechneten Erschließungsanlage, zieht der Kläger ohne Erfolg in Zweifel.

26

Bei der Beurteilung dessen, in welchem Umfang eine Gemeinde die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage für "erforderlich" im Sinne des § 129 Abs. 1 BauGB hält, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen, steht ihr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Spielraum zu (BVerwG, Urteil vom 13. August 1993 – 8 C 36/91 –, KStZ 1994, 136). Die Gemeinde darf bei der Entscheidung, in welcher Breite eine Erschließungsanlage hergestellt werden soll, auch das Bedürfnis nach Leichtigkeit des Verkehrs in ihre Überlegungen einbeziehen (BVerwG, Urteil vom 24. November 1978 – IV C 18.76 –, NJW 1979, 2220). Die planerische Festlegung des erforderlichen Umfangs einer Erschließungsanlage ist auf den Bedarf auszurichten, mit dem unter Berücksichtigung einer voraussehbaren Entwicklung vorsorglich gerechnet werden muss (BVerwG, Urteil vom 13. August 1993 – 8 C 36.91 –, KStZ 1994, 136).

27

Gemessen daran kann nicht beanstandet werden, dass die Beklagte die Erforderlichkeit des vierspurigen Ausbaus der abgerechneten Erschließungsanlage in einer Breite von etwa 17 m für erforderlich gehalten hat. Damit ist sie weit unterhalb der für Gewerbegebiete in § 2 Abs. 1 Nr. 1 d) EBS festgesetzten Höchstbreiten geblieben und hat – wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wurde – ermöglicht, dass die jeweils rechten Fahrbahnen als Parkflächen genutzt werden können, zumal eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen auf den Grundstücken nicht sichergestellt war. Außerdem gewährleistet diese Straßenbreite, dass Lastzüge ohne Inanspruchnahme der Gegenfahrbahn auf die anliegenden Gewerbegrundstücke abbiegen können. Zwar ist davon auszugehen, dass der zugrundeliegende Bebauungsplan "Gewerbegebiet Depot II" der Beklagten wegen eines Ausfertigungsmangels und wegen Abwägungsfehlern nicht wirksam geworden ist. Die Abwägung wurde vom Verwaltungsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 13. Juni 1991 – 7 K 1366/89.KO aber nicht wegen der festgesetzten Straßenbreite beanstandet, sondern wegen Vernachlässigung der Belange der benachbarten Städte in ihrer Funktion als Ober- oder Mittelzentren. Schließlich ist – anders als der Kläger in der mündlichen Berufungsverhandlung ausgeführt hat – der vierspurige Ausbau der abgerechneten Erschließungsanlage in dem Gewerbegebiet der Beklagten nicht singulär. Vielmehr wurde die parallel zur „G.-Str.“ angelegte Straße „A...“ ebenfalls vierspurig ausgebaut und mit einem Verbundsteinpflaster sowie seitlichen Parkmarkierungen versehen, wie die Beteiligten bestätigten.

28

Im Hinblick auf die weiteren Einwände des Klägers gegen die Höhe der festgesetzten Erschließungsbeiträge, die er im Berufungsverfahren nicht wieder angesprochen hat, verweist der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils und des im Verfahren 4 K 949/10.KO ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 17. Januar 2011.

29

2. Der Beitragsanspruch der Beklagten ist weder durch Eintritt der Festsetzungsverjährung (a) noch durch Verwirkung (b) erloschen. Auch die in Bezug auf das Grundstück Parzelle 330/10 vorgenommene Nacherhebung ist nicht zu beanstanden (c).

30

a) Für das Erschließungsbeitragsrecht gelten die landesabgabenrechtlichen Verjährungsvorschriften (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitrage, 9. Aufl. 2012, § 19 Rn. 26). Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 des Kommunalabgabengesetzes – KAG – i. V. m. § 170 Abs. 1 der AbgabenordnungAO – beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Anspruch entstanden ist. Da die Widmung als letzte Voraussetzung der Entstehung des Beitragsanspruchs – wie ausgeführt – im Jahr 2007 wirksam wurde, lief die vierjährige (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG i. V. m. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO) Festsetzungsfrist erst nach Erlass der angefochtenen Bescheide, nämlich am 31. Dezember 2011, ab.

31

b) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 17. Januar 2011 – 4 K 949/10.KO – begründet, dass trotz des Zeitablaufs eine Verwirkung des Beitragsanspruchs nicht eingetreten ist. Der Kläger konnte aufgrund der Umstände nicht darauf vertrauen, er werde nicht (mehr) zu Erschließungsbeiträgen herangezogen. Die Entschlossenheit der Beklagten, die Herstellungskosten für die abgerechnete Verkehrsanlage durch Erschließungsbeiträge zu refinanzieren, kam bereits in der Erhebung von Vorausleistungen durch die Bescheide vom 25. Oktober 1991 zum Ausdruck. In der Folgezeit war die Beklagte wegen des dem Kläger bekannten Umlegungsverfahrens gehindert, endgültige Beitragsbescheide zu erlassen (vgl. hierzu OVG RP, Urteil vom 8. September 2004 – 8 A 10380/04.OVG –, NVwZ-RR 2005, 849). Nach dessen Abschluss wurde die „G.-Str.“ über die Parzelle 326/8 hinaus (zweispurig) nach Westen verlängert und im Jahr 2007 insgesamt dem öffentlichen Verkehr gewidmet. Noch im Jahr 2007 ergingen drei Erschließungsbeitragsbescheide, von denen zwei allerdings gerichtlich aufgehoben wurden. Unter diesen Umständen war das Vertrauen des Klägers, er werde von endgültigen Erschließungsbeiträgen für seine Grundstücke verschont bleiben, nicht schutzwürdig.

32

c) Anders als der Kläger meint, steht der Nachveranlagung in Bezug auf das Grundstück Parzelle 330/10 nicht der Einwand der Rechtskraft entgegen. Das Verwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 17. Januar 2011 – 4 K 949/10.KO – die Klage gegen den Beitragsbescheid vom 4. September 2007, mit dem für die Parzelle 330/10 ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 34.959,46 € festgesetzt wurde, abgewiesen, aber nicht etwa entschieden, dass der Kläger einen darüber hinaus gehenden Betrag nicht schuldet.

33

Die Beklagte verstößt mit dem das Grundstück Parzelle 330/10 betreffenden Bescheid vom 24. August 2011 auch nicht gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. hierzu OVG RP, Beschluss vom 7. Juni 2004 – 6 A 10430/04.OVG –, NVwZ-RR 2004, 782; OVG RP, Urteil vom 19. September 2006 – 6 A 10724/06.OVG –, AS 33, 327 = KStZ 2006, 239). Denn bei diesem Bescheid vom 24. August 2011 handelt es sich um einen zulässigen (Teil-)Widerruf des Beitragsbescheids vom 4. September 2007.

34

Mit dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 4 KAG durch Gesetz vom 12. Dezember 2006 wurde die Möglichkeit zum (Teil-)Widerruf begünstigender Beitragsbescheide nach § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO eröffnet, also zur Nacherhebung von Beiträgen aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen, soweit ohne den (Teil-)Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Der Begriff „Tatsache“ in § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO bezeichnet nicht nur im umgangssprachlichen Sinn etwas rein Tatsächliches, sondern auch die abgabenrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts (BFH, Urteil vom 9. Dezember 2008 – VII R 43/07 –, BFHE 223, 344). Eine Gefährdung des öffentlichen Interesses in diesem Sinn liegt regelmäßig schon dann vor, wenn bei einem Festhalten an der früheren Entscheidung der Begünstigte gegenüber anderen Abgabenpflichtigen bevorzugt würde (OVG RP, Urteil vom 28. April 2009 – 6 A 11113/08.OVG –, AS 37, 254); denn es besteht ein öffentliches Interesse an der Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung (vgl. BFH, Urteil vom 30. November 2004 – VII R 41/03 –, BFHE 208, 361).

35

3. Die Beitragserhebung stellt ferner nicht wegen des langen Zeitraums, der seit der technischen Fertigstellung der abgerechneten Verkehrsanlage vergangen ist, eine unzulässige Rechtsausübung dar.

36

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143) verlangt das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 46). Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 45; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris, Rn. 7). Es kann ausreichen, dass der Erhebung einer Abgabe durch eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Auslegung einer Norm eine bestimmte zeitliche Grenze gesetzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2016 – 1 BvR 3092/15 –, NVwZ-RR 2016, 889, Rn. 7 ff.).

37

Während in Bayern, Brandenburg, Sachsen und Thüringen gesetzliche Höchstfristen für die Beitragserhebung normiert wurden, hat der rheinland-pfälzische Landesgesetzgeber (bisher) auf eine solche Regelung verzichtet. Dies kann nach Auffassung des Senats nicht beanstandet werden, weil der Landesgesetzgeber davon ausgehen konnte, zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze komme ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 des VerwaltungsverfahrensgesetzesVwVfG – im Wege der Analogie (so für Erschließungsbeiträge BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – BayVBl. 2014, 241 <242>) oder vermittelt über den Grundsatz von Treu und Glauben (so für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 28, 31 ff.) in Betracht (so auch Driehaus, KStZ 2014, 181 <188>).

38

Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 16. Februar 2017 (– 6 A 10137/14.OVG –, juris) dem 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211) in der Auffassung angeschlossen, durch den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben werde sichergestellt, dass sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Sanierungsvorteils festgesetzt werden dürfen. Danach ist die Abgabenerhebung dann treuwidrig, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Obwohl es im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein mag, wann diese Unzumutbarkeit eintritt, ist der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aber handhabbar, wobei ein enger Maßstab zugrunde zu legen ist (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 32). Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann danach etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte. Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften wie etwa der Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG zurückgegriffen werden, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 33 m. w. N.; OVG RP, Urteil vom 16. Februar 2017 – 6 A 10137/14.OVG –, juris).

39

b) Die in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auch im Erschließungsbeitragsrecht übernommen werden. Zwar dauert ein Sanierungsverfahren von dessen Einleitung bis zur Aufhebung der Sanierungssatzung im Allgemeinen wesentlich länger als ein Verfahren zur erstmaligen Herstellung einer Erschließungsanlage. Dieser Unterschied ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht maßgebend. Entscheidend für die Vergleichbarkeit der Erhebung von Sanierungsausgleichsbeträgen und der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen ist, dass in beiden Fällen zwischen dem Eintritt der Vorteilslage (Abschluss der Sanierungsmaßnahmen bzw. technische Fertigstellung der Erschließungsanlage) und der Abgabenerhebung ein langer Zeitraum liegen kann, der durch Verjährungsfristen nicht begrenzt wird, wenn die jeweilige Abgabenpflicht noch nicht entstanden ist. Damit ist auch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein (wie BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 34 und OVG RP, Urteil vom 16. Februar 2017 – 6 A 10137/14.OVG –, juris, für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge).

40

Soweit der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, NVwZ-RR 2015, 786) einen Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG zur Bestimmung der erforderlichen Höchstgrenze einer Beitragserhebung nicht für zulässig hält, folgt ihm der Senat nicht. Zwar trifft es zu, dass § 53 Abs. 2 VwVfG gemäß § 1 Abs. 1 und 3 Nr. 1 LVwVfG nicht für Verfahren gilt, die nach den Vorschriften der Abgabenordnung durchzuführen sind. Das schließt aber nicht aus, die Wertung einer allgemeinen Verjährungsvorschrift wie der Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG zur Ausfüllung des erläuterten Treuwidrigkeitstatbestandes heranzuziehen. Damit wird ferner nicht die Aufgabe des Gesetzgebers verkannt, in Wahrnehmung seines weiten Gestaltungsspielraums einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen einerseits der Allgemeinheit an der Beitragserhebung und andererseits der Beitragspflichtigen an einer zeitlich nicht unbegrenzten Inanspruchnahme zu schaffen. Denn das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 –, BVerfGE 133, 143, Rn. 45; Beschluss vom 3. September 2013 – 1 BvR 1282/13 –, juris, Rn. 7) hält es für ausreichend, wenn der Gesetzgeber jedenfalls im Ergebnis sicherstellt, dass Beiträge nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.

41

c) Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen durch die Bescheide der Beklagten vom 24. August 2011 stellt nach diesen Maßstäben keine unzulässige Rechtsausübung dar. Seit dem Entstehen der Vorteilslage sind nicht mehr als 30 Jahre verstrichen (aa). Aber auch unabhängig davon ist die Beitragserhebung nach den vorliegenden Umständen nicht treuwidrig (bb).

42

aa) Da die Vorteilslage im Jahr 1999 eingetreten ist, vergingen bis zur Beitragserhebung im Jahr 2011 lediglich ca. 12 Jahre. Der beitragsrechtliche Vorteil durch erstmalige Herstellung einer Erschließungsstraße kann nämlich frühestens mit der technischen Fertigstellung einer bestimmten (eigenständigen) Verkehrsanlage entsprechend den satzungsrechtlichen Herstellungsmerkmalen durch Verwirklichung des aufgestellten Bauprogramms entstehen (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 –, BayVBl 2014, 241, Rn. 22). Dabei wird nicht verkannt, dass dieser Vorteil erst dann voll ausgeprägt ist, wenn nicht nur die tatsächliche Möglichkeit einer Zufahrt bzw. eines Zugangs zur Erschließungsanlage gegeben, sondern diese auch rechtlich dauerhaft – im Allgemeinen aufgrund straßenrechtlicher Widmung – gesichert ist. Da die Widmung einer Verkehrsanlage aber zu den Voraussetzungen des Entstehens des Beitragsanspruchs zählt und die Gemeinde es in der Hand hat, die Widmung hinauszuzögern, bleibt sie im vorliegenden Zusammenhang – zugunsten der Beitragspflichtigen – bei der Festlegung des Eintritts der Vorteilslage unberücksichtigt.

43

Als eigenständige Erschließungsstraße konnte das vierspurige Teilstück der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) frühestens mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Depot III“ der Beklagten am 14. September 1999 angesehen werden. Damit gab die Beklagte ihre im Bebauungplan „Gewerbegebiet Depot II“ aus dem Jahr 1975 zum Ausdruck gebrachte und im Deckblatt 3 zum Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ im Jahr 1989 bekräftigte Absicht auf, die „G.-Str.“ in westlicher Richtung ebenfalls vierspurig weiterzuführen und eine nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild einheitliche Verkehrsanlage „G.-Str.“ zu schaffen. Seinerzeit, also im Jahr 1999, waren die Verkehrsanlage bautechnisch fertiggestellt und – wie erwähnt – die Herstellungsmerkmale des § 8 EBS erfüllt.

44

Auch wenn man annimmt, das vierspurige Teilstück der „G.-Str.“ (Straßenparzelle 326/8) sei bereits im Jahr 1986 – seinerzeit mit der Bezeichnung „1. Stichstraße F.-Str.“ – als eigenständige Verkehrsanlage fertiggestellt gewesen, sind seitdem bis zum Erlass der angefochtenen Bescheide nicht schon 30 Jahre, sondern ungefähr 25 Jahre vergangen.

45

bb) Nach der bereits erwähnten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211, Rn. 32 f.) kann eine Beitragserhebung schon vor Ablauf einer Frist von 30 Jahren seit dem Entstehen der Vorteilslage wegen besonderer Umstände des Einzelfalls treuwidrig sein. Solche Umstände liegen hier nicht vor.

46

Insbesondere gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zeitspanne von ca. 12 Jahren, die bis zur Beitragserhebung verging, diese als eine unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen könnte. Gleiches gilt im Ergebnis, wenn man von einem 25-jährigen Zeitraum zwischen der technischen Fertigstellung der Verkehrsanlage und dem Erlass der angefochtenen Bescheide ausgeht.

47

Treuwidrig ist die Abgabenerhebung – wie ausgeführt – erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211). Soweit von einem Versäumnis der Beklagten gesprochen werden kann, weil sie bis zum Jahr 2007 mit der Widmung der abgerechneten Verkehrsanlage gewartet und das Entstehen der Beitragspflicht damit verzögert hat, begründet dies nicht die Unzumutbarkeit der angefochtenen Beitragserhebung. Denn der Kläger musste schon aufgrund der Erhebung von Vorausleistungen durch Bescheide vom 25. Oktober 1991 mit dem Erlass endgültiger Erschließungsbeitragsbescheide nach Entstehen der Beitragspflicht rechnen. Da die endgültige Beitragserhebung zudem während des von 1990 bis 1999 laufenden Umlegungsverfahrens nicht möglich war (vgl. OVG RP, Urteil vom 8. September 2004 – 8 A 10380/04.OVG –, NVwZ-RR 2005, 849), kann insoweit nicht von einer Pflichtverletzung der Beklagten gesprochen werden. Das gilt auch für die Verzögerung der Widmung während dieses Zeitraums. Danach hat die Beklagte, deren Bebauungsplan „Gewerbegebiet Depot II“ mit nachfolgenden Änderungen verwaltungsgerichtlich beanstandet worden war, die planungsrechtlichen Grundlagen der Beitragserhebung geschaffen, indem sie im Jahr 2000 den Bebauungsplan „Gewerbepark I“ in Kraft setzte. Dass die Beklagte von 1999 bzw. 2000 bis zum Jahr 2007 mit der Widmung der Straßenparzelle 326/8 gewartet hat, bis die „G.-Str.“ insgesamt fertiggestellt war, ist zwar bedenklich, führt aber nicht dazu, dass die Abgabenerhebung für die Beitragspflichtigen unzumutbar wird.

48

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

49

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10 ZPO.

50

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die Frage, ob eine Höchstfrist für die Erhebung von Erschließungsbeiträgen gesetzlich normiert werden muss (so wohl BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 – 9 C 19.14 –, NVwZ-RR 2015, 786) oder ob zur Bestimmung dieser Höchstgrenze ein Rückgriff auf die 30-jährige Verjährungsfrist des § 53 Abs. 2 VwVfG in Betracht kommt (siehe hierzu für sanierungsrechtliche Ausgleichsbeiträge BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 – 4 C 11.13 –, BVerwGE 149, 211; BayVGH, Urteil vom 14. November 2013 – 6 B 12.704 – BayVBl. 2014, 241), ist höchstrichterlich (noch) nicht geklärt.

Beschluss

51

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 68.170,14 € (§§ 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG) und für das erstinstanzliche Verfahren – insoweit unter teilweiser Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts – auf 70.305,48 € festgesetzt (§§ 52 Abs. 3, 63 Abs. 3 GKG).

52

Der erstinstanzliche Streitwert ergibt sich aus der Summe der mit den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Erschließungsbeiträge abzüglich des für die Parzelle 330/10 bereits veranlagten Betrags in Höhe von 34.959,46 €.

53

Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren berücksichtigt die vom Verwaltungsgericht rechtskräftig entschiedene geringfügige Ermäßigung der Beitragshöhen. Aufgrund der danach erhöhten Gesamtfläche der beitragspflichtigen Grundstücke vermindert sich der Beitragssatz auf 7,795133 €/m². Da die veranlagten Grundstücke des Klägers mit einer beitragspflichtigen Fläche von 13.230 m² anzusetzen sind, ergibt sich eine Beitragsschuld von 103.129,60 €, von der bereits 34.959,46 € (Parzelle 330/10) erhoben sind, so dass ein Betrag von insgesamt 68.170,14 € verbleibt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge.

2

Im Jahre 1978 beschloss der Rat der Beklagten die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets "Südmarkt" im Stadtgebiet der Beklagten. Nach Genehmigung und Bekanntmachung der Sanierungssatzung führte die Beklagte verschiedene Ordnungs- und Sanierungsmaßnahmen durch; im Jahr 1989 schloss sie die letzten Sanierungsmaßnahmen ab. In den Jahren 1989 bis 1992 rechnete die Beklagte gegenüber dem Regierungspräsidenten Düsseldorf die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen ab; der Schlussverwendungsnachweis datiert vom 11. März 1992; mit Schreiben vom 15. Juni 1992 erklärte der Regierungspräsident das Modellvorhaben Südmarkt I (städtebaulicher Teil) haushalts- bzw. zuwendungsrechtlich für abgeschlossen.

3

Im Juni 2006 beschloss die Beklagte die Aufhebung der Sanierungssatzung, Ende Juni 2006 wurde die Aufhebungssatzung bekannt gemacht.

4

Der Kläger ist Wohnungseigentümer im Geltungsbereich des (ehemaligen) Sanierungsgebiets "Südmarkt". Mit Bescheid vom 25. Mai 2010 zog ihn die Beklagte nach vorheriger Anhörung zur Zahlung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags in Höhe von 1 216,80 € heran. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage.

5

Das Verwaltungsgericht hob den angefochtenen Bescheid auf. Die Voraussetzungen für die Erhebung von Ausgleichsbeträgen lägen aus drei selbständig tragenden Gründen nicht vor. Zunächst habe die Aufhebungssatzung wegen formeller Mängel nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt (1). Unabhängig davon sei der Abschluss der Sanierung nicht mit der - ohnehin unwirksamen - Aufhebungssatzung, sondern schon wesentlich früher eingetreten, weil die Sanierungssatzung spätestens im Jahr 1992 funktionslos geworden sei mit der Folge, dass die Erhebung des Ausgleichsbetrags spätestens seit dem Jahr 1997 festsetzungsverjährt sei (2). Zuletzt halte auch die Ermittlung der konkreten Ausgleichsbeträge einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand (3).

6

Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung wandte sich die Beklagte ausschließlich gegen den Entscheidungsgrund zu 2. Sie beantragte, das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Diese sei zwar zulässig, aber unbegründet. Zu Recht habe das Verwaltungsgericht angenommen, dass bei Erlass des Bescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die Festsetzungsfrist betrage vier Jahre und beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Entstanden sei die Abgabe hier spätestens Ende 1992, so dass die Festsetzungsfrist bereits Ende des Jahres 1996 abgelaufen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Sanierungssatzung im Jahr 1992 nicht aufgehoben worden sei. Zwar sei nach § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten". Daraus ergebe sich, dass insofern nur die förmliche Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB bzw. die förmliche Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung für das jeweilige Grundstück gemäß § 163 BauGB maßgeblich seien. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie Bedürfnisse der Rechtssicherheit bestätigten diesen Befund. Wann die Sanierung tatsächlich abgeschlossen sei, sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts daher unerheblich. Dieser Rechtsprechung könne jedoch, soweit es um die Auslösung der Festsetzungsfrist gehe, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr für alle Fallkonstellationen und so auch hier gefolgt werden. Denn sie führe dazu, dass die Gemeinde durch den pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung das Entstehen des Ausgleichsbetragsanspruchs unbegrenzt verhindern könne und damit der Eintritt der Festsetzungsverjährung in ihr Belieben gestellt wäre. Dies sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit unvereinbar. Dieses gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Diese zu Kanalanschlussbeiträgen ergangene Rechtsprechung finde auch auf sanierungsrechtliche Ausgleichsbeträge Anwendung. Die erforderliche Rechtssicherheit ergebe sich nicht daraus, dass die betroffenen Eigentümer gemäß § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung oder gemäß § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB die vorzeitige Festsetzung des Ausgleichsbetrags beantragen könnten. Auch die Überleitungsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB regele lediglich eine Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung, löse aber nicht die Festsetzungsfrist aus. Damit sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB in der bisherigen Auslegung mit dem Rechtsstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl sei eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht zulässig. Denn die Vorschrift könne für den Fall, dass die Gemeinde entgegen ihrer Rechtspflicht die Sanierungssatzung nicht aufhebe, verfassungskonform so ausgelegt werden, dass die abstrakte Ausgleichsbetragsforderung in dem Zeitpunkt entstehe, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben werden müssen. Das sei hier bereits im Jahre 1992 der Fall gewesen, weil in diesem Jahr teils die Sanierung vollständig durchgeführt gewesen, teils die Sanierungsabsicht aufgegeben worden sei. Da der angegriffene Bescheid somit bereits wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung rechtswidrig sei, könne dahingestellt bleiben, ob die vom Verwaltungsgericht angenommenen weiteren Rechtswidrigkeitsgründe vorliegen und ob das Berufungsgericht diese prüfen darf.

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Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision wegen Divergenz zugelassen, die Beklagte hat von dem zugelassenen Rechtsmittel Gebrauch gemacht.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision (1) ist im Ergebnis unbegründet. Das Berufungsurteil verletzt zwar Bundesrecht (2); die Entscheidung selbst stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (3).

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1. Die Revision ist zulässig.

10

Im Revisionsverfahren hat die Beklagte zuletzt ohne Einschränkung beantragt, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen. Eine unzulässige Beschränkung des Streitgegenstandes (vgl. hierzu z.B. Kraft, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 139 Rn. 36) liegt damit nicht vor.

11

In dem einschränkungslos formulierten Revisionsantrag liegt auch keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageerweiterung (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO), denn dem Umstand, dass die Beklagte ihren Antrag in der Berufungsinstanz darauf beschränkt hatte, "das angegriffene Urteil zu ändern und der Klage nicht wegen Festsetzungsverjährung stattzugeben", hat das Oberverwaltungsgericht (UA S. 7 f.) ausdrücklich nur als Problem der Berufungsbegründung (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO) Bedeutung beigemessen. Von einer Beschränkung des Streitgegenstandes in der Berufungsinstanz ist es ersichtlich nicht ausgegangen.

12

2. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts (UA S. 17), § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sei hinsichtlich des Beginns der vierjährigen Frist für die Festsetzung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge verfassungskonform dahin auszulegen, dass für den Fall einer rechtswidrig verzögerten Aufhebung der Sanierungssatzung nicht - wie in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehen - an den förmlichen "Abschluss der Sanierung" durch Aufhebung der Sanierungssatzung (§ 162 BauGB) anzuknüpfen, sondern der Zeitpunkt maßgeblich sei, "in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen", steht mit Bundesrecht nicht im Einklang.

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a) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 9) hat § 155 Abs. 5 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG NRW i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO die Regelung entnommen, dass die Festsetzung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags nicht mehr zulässig ist, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist; nach § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO beträgt die Festsetzungsfrist vier Jahre; sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist.

14

Wann die sanierungsrechtliche Ausgleichsabgabe entstanden ist, beantwortet § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB mit der Regelung, dass der Ausgleichsbetrag "nach Abschluss der Sanierung (§§ 162 und 163 BauGB) zu entrichten" ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - ZfBR 2011, 477 = BauR 2011, 1308 = BRS 78 Nr. 215 = juris Rn. 5 m.w.N.) ist der Begriff des Abschlusses der Sanierung förmlich zu verstehen. Die Pflicht zur Zahlung des Ausgleichsbetrags entsteht mit der rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 Abs. 1 BauGB (oder - hier nicht von Interesse - mit der Erklärung der Gemeinde gemäß § 163 BauGB, dass die Sanierung für ein Grundstück abgeschlossen ist). Zur rechtsförmlichen Aufhebung der Sanierungssatzung ist die Gemeinde unter den in § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB genannten Voraussetzungen zwar verpflichtet. Weder der Zeitablauf noch eine unzureichend zügige Förderung der Sanierung haben für sich genommen jedoch zur Folge, dass die Sanierungssatzung automatisch außer Kraft tritt (Urteil vom 20. Oktober 1978 - BVerwG 4 C 48.76 - Buchholz 406.15 § 50 StBauFG Nr. 1). Die an § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB anknüpfende vierjährige Festsetzungsfrist beginnt folglich erst mit Ablauf des Jahres zu laufen, in dem die Sanierungssatzung rechtsförmlich aufgehoben worden ist. Das gilt nach bisheriger Rechtsprechung des Senats auch dann, wenn die Gemeinde die Aufhebung der Sanierungssatzung rechtswidrig unterlässt, obwohl die Voraussetzungen der Aufhebung vorliegen.

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b) Die Anknüpfung der landesrechtlich geregelten Festsetzungsverjährung an die rechtsförmliche Aufhebung der Sanierungssatzung darf mit Blick auf das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit allerdings nicht zur Folge haben, dass es die Gemeinde in der Hand hat, durch rechtswidriges Unterlassen der Aufhebung der Sanierungssatzung den Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Dauer oder auf unverhältnismäßig lange Zeit zu verhindern.

16

Das Rechtsstaatsprinzip verlangt in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann. Das hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 - (NVwZ 2013, 1004) im Rahmen einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen die Heranziehung zu Kanalherstellungsbeiträgen auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) entschieden.

17

Zu Recht ist das Oberverwaltungsgericht (UA S. 11 f.) davon ausgegangen, dass diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe auch bei der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge Geltung beanspruchen. Das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit gilt für alle Fallkonstellationen, in denen eine abzugeltende Vorteilslage eintritt, die daran anknüpfenden Abgaben aber wegen des Fehlens sonstiger Voraussetzungen nicht entstehen und deshalb auch nicht verjähren können (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 21). Das ist beim Ausgleichsbetrag nach § 154 Abs. 3 BauGB regelmäßig (siehe aber § 163 BauGB) der Fall, solange die Gemeinde die Sanierungssatzung nicht aufhebt. Auch in diesem Fall darf eine gesetzlich angeordnete Abgabepflicht daher nicht zur Folge haben, dass die Gemeinde die Abgabe zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festsetzen kann.

18

c) Dem Oberverwaltungsgericht (UA S. 12 ff.) ist ferner darin zuzustimmen, dass dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht durch spezifisch sanierungsrechtliche Instrumente oder Vorkehrungen Rechnung getragen ist.

19

Zu Recht hat sich das Oberverwaltungsgericht auf den Standpunkt gestellt, dass die in § 143 Abs. 2 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Eintragung eines Sanierungsvermerks in die Grundbücher der von der Sanierung betroffenen Grundstücke einen Verfassungsverstoß zwar (möglicherweise) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ausschließt, nicht aber unter dem Gesichtspunkt der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit. Dessen Anforderungen ist auch nicht durch § 163 Abs. 1 Satz 2 BauGB Genüge getan, wonach die Gemeinde die Sanierung für ein Grundstück auf Antrag des Eigentümers als abgeschlossen zu erklären hat (vgl. hierzu Urteil vom 21. Dezember 2011 - BVerwG 4 C 13.10 - BVerwGE 141, 302); die damit eröffnete Möglichkeit in der Hand des einzelnen Eigentümers, den Abschluss der Sanierung grundstücksbezogen herbeizuführen, ist kein vollwertiges Surrogat für die in § 162 Abs. 1 BauGB geregelte Pflicht, die Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung für das gesamte Sanierungsgebiet abzuschließen. Gleiches gilt für die in § 154 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffene Regelung, dass die Gemeinde auf Antrag des Ausgleichsbetragspflichtigen den Ausgleichsbetrag vorzeitig festsetzen soll, wenn der Pflichtige an der vorzeitigen Festsetzung ein berechtigtes Interesse hat und der Ausgleichsbetrag mit hinreichender Sicherheit ermittelt werden kann; auch mit dieser Antragsmöglichkeit ist dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nicht hinreichend entsprochen; das gilt vor allem deswegen, weil die vorzeitige Festsetzung etwa im Hinblick auf ungewöhnliche Ermittlungsschwierigkeiten oder einen nicht vertretbaren Verwaltungsaufwand abgelehnt werden kann ("soll"; vgl. z.B. Kleiber, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand September 2013, § 154 Rn. 200). Die Übergangsvorschrift des § 235 Abs. 4 BauGB schließlich normiert wiederum nur eine Pflicht der Gemeinde, Sanierungssatzungen, die vor dem 1. Januar 2007 bekannt gemacht wurden, spätestens bis zum 31. Dezember 2021 mit den Rechtswirkungen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BauGB aufzuheben. Die Regelung ist deshalb ebenfalls kein geeignetes Instrument, den rechtsstaatlichen Anforderungen der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit für den Fall der Nichterfüllung dieser Pflicht Rechnung zu tragen.

20

d) Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10 und 17 ff.) hat sich deshalb zur Vermeidung rechtsstaatswidriger Ergebnisse veranlasst gesehen, der bisherigen Rechtsprechung des Senats zur Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht mehr einschränkungslos zu folgen. Für den Fall, dass die Gemeinde - wie hier - ihrer Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung nicht oder nicht rechtzeitig nachkomme, sei § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB verfassungskonform so auszulegen, dass die "abstrakte Ausgleichsbetragsforderung" nicht erst mit dem förmlichen Abschluss der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung, sondern bereits "in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB hätte aufgehoben worden sein müssen". Dieser Standpunkt ist mit Bundesrecht unvereinbar.

21

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. schon BVerfG, Entscheidung vom 8. März 1972 - 2 BvR 28/71 - BVerfGE 32, 373 <383 f.>; stRspr). Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1958 - 1 BvF 1/58 - BVerfGE 8, 71 <78 f.>). Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfG, Urteil vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 - BVerfGE 69, 1 <55>). Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt (BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1992 - 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 - BVerfGE 86, 288 <320>). Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <400> m.w.N.; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvL 149/52 - BVerfGE 8, 28 <34>, vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - BVerfGE 54, 277 <299 f.> m.w.N. und vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <274>). Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (BVerfG, Urteil vom 30. März 2004 - 2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01 - BVerfGE 110, 226 <267> m.w.N.; Beschluss vom 11. Juli 2013 - 2 BvR 2302/11, 2 BvR 12 BvR 1279/12 - NJW 2013, 3151 Rn. 77).

22

Mit seiner Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB überschreitet das Oberverwaltungsgericht die dargestellten Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung, denn diese läuft auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht.

23

Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) hat selbst hervorgehoben, dass es dem Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB darum ging, den "Abschluss der Sanierung" durch den Klammerverweis auf die §§ 162, 163 BauGB förmlich zu markieren. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts soll es aber "allein für den Fall, dass eine Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB pflichtwidrig die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt, … für die sachliche Abgabepflicht zu einer Ablösung von einem formalen Rechtsakt" kommen. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe, sei - so das Oberverwaltungsgericht - schon deshalb nicht erkennbar, weil der Gesetzgeber "selbstverständlich" davon ausgegangen sei, dass die von ihm normierte Pflicht zur Aufhebung der Sanierungssatzung beachtet wird. Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB, der auf § 162 BauGB Bezug nehme, könne sogar positiv dahingehend verstanden werden, dass ein "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die sachliche Abgabepflicht auch vorliege, wenn die Gemeinde entgegen der Vorschrift des § 162 Abs. 1 BauGB die Aufhebung der Sanierungssatzung unterlässt. Nichts sei dafür erkennbar, dass der Gesetzgeber in § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus dieser Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile habe gewähren wollen. Näher liege es, dass der Gesetzgeber den vom pflichtwidrigen Nichterlass der Aufhebungssatzung Betroffenen so habe stellen wollen, wie er nach der gesetzlichen Konzeption ohne die Pflichtwidrigkeit stünde. Diese Auffassung geht fehl.

24

Ihr steht bereits der durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigte eindeutige Wortlaut des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB entgegen. Der Begriff "Abschluss der Sanierung" im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB sollte, wie in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 8/2451 S. 37) klar und unmissverständlich zum Ausdruck kommt, durch den einzufügenden Klammerzusatz "auf die §§ 50 und 51 StBauFG (jetzt: §§ 162, 163 BauGB) bezogen werden, die den förmlichen Abschluss regeln". Dem Gesetzgeber ging es also ersichtlich darum, den Abschluss der Sanierung, mit der die Abgabepflicht entsteht, förmlich zu bestimmen.

25

Auch Bedürfnisse der Rechtssicherheit verlangen nach einer förmlichen Markierung des "Abschlusses der Sanierung", wie das Oberverwaltungsgericht (UA S. 10) im Ausgangspunkt selbst eingeräumt hat. Das findet seine Rechtfertigung darin, dass die in § 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Gründe, die zur Aufhebung der Sanierungssatzung verpflichten, auch von einer Willensentscheidung der Gemeinde abhängen. So ist etwa die Beendigung der sanierungsbedingten Baumaßnahmen allein noch kein hinlängliches Zeichen dafür, dass die Sanierung im Sinne des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB tatsächlich "durchgeführt" ist, solange dieser äußerlich wahrnehmbare Vorgang nicht auch von einem entsprechenden Willen der Gemeinde getragen ist. Ob dieser Wille vorliegt, kann nur die Gemeinde zuverlässig beurteilen, wie das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle (UA S. 14) zutreffend bemerkt hat. Äußerlich wahrnehmbare Hilfstatsachen, wie etwa der Zeitpunkt der Durchführung der letzten baulichen Maßnahmen oder die Abrechnung der Zuwendungen, haben insoweit nur indizielle Bedeutung. Nicht von ungefähr hat sich das Oberverwaltungsgericht (UA S. 22) auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen, dass die letzten baulichen Maßnahmen zur Sanierung im Jahr 1989 durchgeführt und in den Jahren 1989 bis 1992 die für die Sanierung erhaltenen Zuwendungen gegenüber dem Regierungspräsidium abgerechnet worden seien, lediglich zu der Aussage befähigt angesehen, dass die Sanierungssatzung "spätestens" im Jahre 1992 hätte aufgehoben werden müssen. Auch nach Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist deshalb daran festzuhalten, dass es angesichts "unüberwindbarer Schwierigkeiten", ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen, in sämtlichen Fällen des § 162 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 BauGB einer ausdrücklichen Entscheidung der Gemeinde über die Aufhebung der Sanierungssatzung bedarf (Beschluss vom 12. April 2011 - BVerwG 4 B 52.10 - juris Rn. 5, 6). Erst dieser formale Rechtsakt führt den "Abschluss der Sanierung" herbei. Alles Andere wäre mit Wortlaut, historischem Gesetzgeberwillen sowie Sinn und Zweck des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB unvereinbar.

26

Gesetzeswortlaut und historischer Gesetzgeberwille enthalten keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" bzw. der "sachlichen Abgabepflicht" und nur für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung auf diesen förmlich markierten Anknüpfungspunkt für den Abschluss der Sanierung verzichten wollte. Dabei geht es - anders als das Oberverwaltungsgericht (UA S. 20) angenommen hat - nicht darum, ob der Gesetzgeber einer Gemeinde, die pflichtwidrig die Sanierungssatzung nicht aufhebt, aus der Pflichtverletzung festsetzungsverjährungsrechtliche Vorteile gewähren wollte. Im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung geht es - anders als bei der richterlichen Rechtsfortbildung, etwa im Wege des Analogieschlusses - auch nicht darum, ob der Gesetzgeber, hätte er das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit bedacht, für den Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts zugrunde gelegt hätte. Es geht vielmehr darum, ob das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts dem klar erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers sowie dem Gesetzeszweck entspricht. Diese Frage ist ohne Einschränkung zu verneinen. Der Gesetzgeber hat sich - wie dargestellt - ersichtlich auch aus Gründen der Rechtssicherheit kategorisch auf einen durch die Aufhebung der Sanierungssatzung gemäß § 162 BauGB (oder die grundstücksbezogene Erklärung der Abgeschlossenheit der Sanierung gemäß § 163 BauGB) formal markierten Abschluss der Sanierung festgelegt. Die vom Oberverwaltungsgericht (UA S. 18) angenommenen Differenzierungen zwischen "persönlicher Abgabepflicht" und "abstrakter Ausgleichsbetragsforderung" bzw. "sachlicher Abgabepflicht" sowie zwischen einer rechtmäßigen und einer rechtswidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung sind in der Vorschrift nicht angelegt. Der Fall einer pflichtwidrigen Nichtaufhebung der Sanierungssatzung ist sowohl nach dem durch den historischen Gesetzgeberwillen bestätigten Wortlaut als auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift von § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfasst. Während der Gesetzgeber den Abschluss der Sanierung also ohne Ausnahme durch die Aufhebung der Sanierungssatzung förmlich markiert sieht, soll nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für den Fall einer pflichtwidrig unterlassenen Aufhebung der Sanierungssatzung hinsichtlich der "abstrakten Ausgleichsforderung" der Zeitpunkt des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung treten. Die normative Festlegung des Gesetzgebers würde mithin für den Fall einer nicht rechtzeitigen Aufhebung der Sanierungssatzung neu bestimmt; das Normverständnis des Oberverwaltungsgerichts liefe somit auf eine Deutung hinaus, die das gesetzgeberische Anliegen in einem zentralen Punkt verfälscht und deshalb die Grenzen zulässiger verfassungskonformer Auslegung überschreitet.

27

Das gilt umso mehr, als das Kriterium des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung nicht nur - wovon das Oberverwaltungsgericht (UA S. 19) offensichtlich ausgegangen ist - in dem "atypischen Fall pflichtwidrigen Verhaltens der Gemeinde" an die Stelle des förmlichen Abschlusses der Sanierung durch Aufhebung der Sanierungssatzung treten würde, sondern - konsequent zu Ende gedacht - letztlich auch in allen anderen Fällen zu prüfen wäre. Denn auch in dem Fall, in dem die Gemeinde die Aufhebung der Sanierung pflichtgemäß und rechtzeitig beschließt, müsste das Gericht, um dies feststellen zu können, erst einmal ermitteln, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen waren und die Sanierungssatzung nach § 162 Abs. 1 BauGB deshalb "hätte aufgehoben worden sein müssen". Die Prüfung des tatsächlichen Abschlusses der Sanierung bliebe dem Gericht also in keinem Fall erspart. Das gesetzgeberische Ziel, den Abschluss der Sanierung auch angesichts der "unüberwindbaren Schwierigkeiten, ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung den Zeitpunkt des Außerkrafttretens auch nur einigermaßen präzise festzulegen" (Beschluss vom 12. April 2011 a.a.O. Rn. 6), rein formal zu bestimmen, würde damit konterkariert.

28

e) Einer verfassungskonformen Auslegung des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB bedarf es im Übrigen schon deswegen nicht, weil unter Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über den Ausgleichsbetrag sichergestellt werden kann.

29

Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (Urteile vom 14. April 1978 - BVerwG 4 C 6.76 - BVerwGE 55, 337 <339> und vom 16. Mai 2000 - BVerwG 4 C 4.99 - BVerwGE 111, 162 <172> sowie Beschluss vom 5. März 1998 - BVerwG 4 B 3.98 - Buchholz 406.421 Garagen- und Stellplatzrecht Nr. 8). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Soweit es - wie bei sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen nach § 154 Abs. 1 BauGB - um bundesrechtlich geregelte Abgaben geht, gegen die sich der Einwand von Treu und Glauben richtet, unterliegt er der vollen revisionsgerichtlichen Überprüfung (vgl. Urteil vom 16. Mai 2000 a.a.O. S. 172 f.).

30

Nicht einschlägig ist allerdings die Fallgruppe der Verwirkung. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 5. März 2013 (a.a.O. Rn. 44) klargestellt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z.B. Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> m.w.N.) erfordert die Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen auch besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Im Sanierungsrecht wird - wie ausgeführt - bereits die erforderliche Vertrauensgrundlage wegen der Eintragung eines Sanierungsvermerks in das Grundbuch in aller Regel nicht gegeben sein. Im Übrigen erscheint das Instrument der Verwirkung auch mit Blick auf die weiteren Voraussetzungen (Vertrauenstatbestand, Vermögensdisposition) kaum geeignet, den Bürger vor einer rechtsstaatlich unzumutbaren Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge zu bewahren. Denn das rechtsstaatliche Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit erfordert eine Regelung, die ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greift (BVerfG, Beschluss vom 5. März 2013 a.a.O.).

31

Der Geltendmachung eines sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht jedoch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (vgl. hierzu allgemein z.B. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; im öffentlichen Recht z.B. Urteil vom 24. Februar 2010 - BVerwG 9 C 1.09 - BVerwGE 136, 126 Rn. 38). Nach dieser Fallgruppe kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.

32

Treuwidrigkeit liegt allerdings nicht bereits dann vor, wenn die Gemeinde die Sanierungssatzung entgegen ihrer Pflicht aus § 162 Abs. 1 BauGB nicht rechtzeitig aufgehoben hat. Treuwidrig ist die Abgabenerhebung vielmehr erst dann, wenn es aufgrund der Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Wann das der Fall ist, mag im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist aber handhabbar. Zugrunde zu legen ist ein enger Maßstab. Gegen die Annahme der Treuwidrigkeit kann etwa sprechen, dass sich der politische Willensbildungsprozess in der Gemeinde über die Fortsetzung der Sanierungsmaßnahmen schwierig gestaltete oder dass die Fortführung der Sanierung an finanziellen Engpässen scheiterte.

33

Darüber hinaus kann zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist zwar auf die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (VGH München, Urteil vom 14. November 2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22 im Anschluss an VG Dresden, Urteil vom 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 - juris Rn. 42) und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), kann aber zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.

34

Die Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge ist damit generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze kann die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung. Er steht der Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge auch dann entgegen, wenn sich der Betroffene hierauf nicht beruft. Den rechtsstaatlichen Anforderungen ist damit insgesamt Genüge getan.

35

3. Ob die Erhebung des sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags vorliegend tatsächlich wegen unzulässiger Rechtsausübung ausgeschlossen war, kann der Senat offen lassen. Denn die Berufungsentscheidung stellt sich im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht (UA S. 9) hat angenommen, dass die Aufhebungssatzung der Beklagten vom 29. Juni 2006 nicht zu einem Abschluss der Sanierung im Sinne des § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB geführt habe, weil sie wegen formeller Mängel unwirksam sei. Das Oberverwaltungsgericht (UA S. 23) hat diese Frage offen gelassen und hierzu auch keine Feststellungen getroffen. Der vom Verwaltungsgericht angenommene Ausfertigungsmangel ist zwischen den Beteiligten aber unstreitig, wie diese im Termin zur mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich bestätigt haben. Der Senat kann deshalb von der formellen Unwirksamkeit der Aufhebungssatzung ausgehen. Fehlt es aber an einer wirksamen Aufhebungssatzung, dann mangelt es auch an dem vom § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorausgesetzten förmlichen Abschluss der Sanierung, so dass ein Ausgleichsbetrag nicht entstanden ist. Das hat - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - zur Folge, dass der angefochtene Abgabenbescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09. Juli 2014 - 2 K 3146/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
Sie sind seit dem 05.05.2008 als Eigentümer des Grundstücks ... (Gemarkung ..., FIst.Nr. .../...), das mit einem Wohnhaus bebaut ist, im Grundbuch eingetragen. Das Anwesen liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplans „M.-St. Peter", der am 08.08.1997 in Kraft getreten ist. Von der ... führt ein Stichweg zum Grundstück der Kläger.
Bereits am 03.03.1997 hatte die Beklagte mit der ... ...G, deren Alleingesellschafterin sie ist, einen Erschließungsvertrag geschlossen. Zur Refinanzierung ihres Erschließungsaufwandes hatte die ...G mit den damaligen Grundstückseigentümern Verträge geschlossen, nach denen sich diese zur anteiligen Bezahlung der Erschließungskosten verpflichtetet hatten. Nach § 13 Abs. 6 des Erschließungsvertrages sollte die Beklagte nach Abrechnung und Fertigstellung u.a. die Aufmaße und Bestandspläne über die hergestellten Erschließungsmaßnahmen sowie sämtliche Rechnungs- und Zahlungsbelege erhalten. Die Beklagte prüfte die Richtigkeit der Schlussabrechnung und bestätigte diese gegenüber der ...G unter dem 03.06.2005. Mit Schreiben vom 09.06.2005 machte die ...G gegenüber den Grundstückseigentümern die Erschließungskosten geltend.
Einer Klage von Grundstückseigentümern, die an die ...G gezahlte Abschlagszahlungen zurückgefordert hatten, gab das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz mit Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - statt. Dabei ging es davon aus, dass sowohl der zwischen der Beklagten und der ...G geschlossene Erschließungsvertrag als auch die zwischen der ...G und den Grundstückseigentümern geschlossenen Kostenerstattungsvereinbarungen nichtig seien. Mit Schreiben vom 13.07.2011 wurden die Kläger darüber informiert, dass das von ihnen erworbene Grundstück hiervon betroffen sei. Die ...G zahlte in der Folgezeit die erhaltenen Zahlungen - unter anderem auch an die Voreigentümer des klägerischen Grundstücks - zurück und stellte der Beklagten mit Schreiben vom 30.05.2012 für die von ihr verauslagten Kosten, die Betreuungsgebühr und Zinsen insgesamt 1.309.164,93 EUR in Rechnung. Unter dem 10.10.2012 teilte die Beklagte der ...G mit, dass sie die Rechnung bezüglich der Betreuungsgebühr korrigiert und einen Betrag von 1.262.081,23 EUR für den 31.10.2012 zur Auszahlung angewiesen habe.
Mit Bescheiden vom 15.06.2012 zog die Beklagte die Kläger auf der Grundlage ihrer Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006, in Kraft getreten am 01.02.2006, gesamtschuldnerisch zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt 6.444,35 EUR heran. Dabei wurde der von der ... abzweigende Stichweg, an dem sich das Anwesen befindet, im Wege der Abschnittsbildung („Entscheidung“ vom 10.10.2011) gesondert abgerechnet. Der Beitragssatz betrug ca. 9,65 EUR/m².
Am 02.07.2012 legten die Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 zurückwies.
Am 21.09.2012 haben die Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Erschließungsbeitragsforderung sei bereits verjährt, da die Rechnungsstellung der ...G im Jahr 2012 nicht die letzte Unternehmerrechnung darstelle. Die beitragsfähigen Kosten seien der Beklagten seit der Mitteilung des Erschließungsträgers vom 03.06.2005 bekannt. Darauf, dass ihr damals die Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages nicht bekannt gewesen sei, komme es nicht an.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht: Verjährung sei nicht eingetreten, da die Beitragspflicht erst mit der endgültigen Herstellung entstehe. Dies sei regelmäßig bei Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall. Die ...G habe der Beklagten ihren entstandenen Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 in Rechnung gestellt. Der Lauf der Festsetzungsfrist habe daher erst Ende des Jahres 2012 beginnen können.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.07.2014 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Der Beitragserhebung stehe nicht entgegen, dass die Beklagte zunächst durch Abschluss des städtebaulichen Erschließungsvertrags eine Entscheidung für das privatrechtliche Rechtsregime getroffen habe. Das Bundesverwaltungsgericht nehme für den Fall der Nichtigkeit des Erschließungsvertrages auch die Nichtigkeit des Kostenerstattungsvertrages an, da beide Rechtsverhältnisse in einem Akzessorietätsverhältnis stünden. Sei der Erschließungsvertrag nichtig, entfalle die Leistungspflicht des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde. Diese Akzessorietät habe zur Folge, dass dem Rückabwicklungsanspruch aus dem Kostenerstattungsvertrag des Grundstückseigentümers gegen den Erschließungsträger ein Rückabwicklungsanspruch des Erschließungsträgers gegenüber der Gemeinde folge.
10 
Der Beitragsanspruch sei nicht durch Festsetzungsverjährung erloschen. Die Verjährungsfrist habe hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Gemäß § 41 KAG entstehe die Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage. Nach allgemeiner Auffassung sei eine endgültige Herstellung erst dann eingetreten, wenn der entstandene Aufwand feststellbar sei. Daher sei die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungsstellung durch die ...G am 30.05.2012 entstanden. Ein beitragsfähiger Aufwand sei erst durch diese Rechnungsstellung ausgelöst worden und durch die Auszahlungsanordnung vom 10.10.2012 in Höhe von 1.262.081,23 EUR entstanden.
11 
Die letzte Unternehmerrechnung sei hier die Geltendmachung der Erschließungskosten durch den Erschließungsträger gegenüber der Beklagten. Entgegen der Auffassung der Kläger könne nicht auf die an die damaligen Grundstückseigentümer übersandte Schlussabrechnung vom 09.06.2005 abgestellt werden. Zwar habe auch die Beklagte die Schlussabrechnung zur Kenntnisnahme übersandt bekommen. Diese Schlussabrechnung habe jedoch nicht die Grundlage für die Höhe des beitragsfähigen Aufwandes gebildet. Aufgrund der Abhängigkeit des Erschließungsbeitragsanspruchs vom Herstellungsaufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten sei die Berechenbarkeit des Aufwandes als Bestandteil der endgültigen Herstellung anzusehen. Das Bundesverwaltungsgericht stelle in seiner Entscheidung vom 01.12.2010 darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, der im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückeigentümer umgelegt werden könne.
12 
Der Beitragspflicht könnten die Kläger auch nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Kläger im Vertrauen darauf, nicht mehr zu einem Beitrag herangezogen zu werden, eine (Vermögens-) Disposition getroffen hätten, die nicht oder nur unter erheblichen Kosten wieder rückgängig gemacht werden könne.
13 
Die jetzige Beitragserhebung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es fehle an einer Erwartung der Kläger, nicht mehr zu einer Kostenbeteiligung für die Erschließung herangezogen zu werden. Unter der Geltung des Privatrechts habe jedem Grundstückseigentümer bewusst sein müssen, dass er ein Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und erschließen wolle. Auch könne ein Grundstückseigentümer für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, für eine erhaltene Erschließungsleistung nicht herangezogen zu werden, zumal er die auf vertraglicher Basis geleisteten Zahlungen zurück erstattet bekommen habe. Mangels eines erstattungsfähigen Aufwandes sei es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, bereits bei Bestehen der tatsächlichen Vorteilslage ein solches Entgelt zu fordern. Der vorliegende Fall unterscheide sich somit grundsätzlich von den Fällen, in denen eine frühzeitige Beitragserhebung ausschließlich am Fehlen einer rechtsgültigen Satzung gescheitert sei.
14 
Der Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag werde hier auch nicht einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass den betreffenden Grundstückseigentümern die aufgrund von Erschließungsverträgen geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge niedriger seien als die ursprünglich geltend gemachte Forderung.
15 
Die Kläger haben fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie tragen zur Begründung vor: Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung, dass die sachliche Beitragspflicht nicht vor Eingang der Rechnungstellung durch die ...G am 30.05.2012 an die Beklagte entstanden sei, sei unzutreffend. Maßgeblich sei, ob sich die Frage der Beitragsfähigkeit klären lasse. Ausgehend hiervon sei der umlagefähige Erschließungsaufwand der Beklagten spätestens mit Schreiben der ...G vom 09.06.2005 voll umfänglich bekannt gewesen. Der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch sei deshalb spätestens am 09.06.2005 entstanden und daher verjährt. Die am 09.06.2005 entstandene Beitragsforderung werde in ihrem Bestand von dem Erschließungsvertrag nicht berührt. Selbst bei einem wirksamen Erschließungsvertrag sei die Erschließungslast nach außen nicht betroffen. Die Gemeinde übertrage mit dem Abschluss eines Erschließungsvertrages keine Hoheitsrechte, wie etwa das Recht, den „Erschließungsvertrag“ [gemeint ist wohl Erschließungsbeitrag] als Kommunalabgabe einzufordern. Trotz eines Erschließungsvertrages bleibe die Gemeinde deshalb zur Erschließung verpflichtet und zur Beitragserhebung berechtigt. Dies müsse erst Recht für den vorliegenden Fall gelten, da das BVerwG den Erschließungsvertrag von Anfang an für unwirksam erklärt habe.
16 
Auch die Erwägung, dass die Schlussrechnung vom 09.06.2005 schon wegen der unterschiedlichen Höhe nicht die Grundlage des beitragsfähigen Aufwandes bilde, könne das Urteil nicht rechtfertigen. Aus der Schlussrechnung vom 09.06.2005 habe unter Inanspruchnahme der zugehörigen Unterlagen der endgültige Erschließungsaufwand errechnet werden können.
17 
Auch die Annahmen, den betreffenden Grundstückseigentümern seien die geleisteten Zahlungen mit Verzinsung zurückgezahlt worden und die nunmehr erhobenen Beiträge seien niedriger als die ursprünglich geltend gemachte Forderung, könnten das angefochtene Urteil nicht tragen. Zum einen sei der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ nicht an die Kläger, sondern an die Voreigentümer zurückgezahlt worden. Ob sich aus § 436 BGB ein Freistellungsanspruch für die Kläger ergebe, könne strittig sein. Zum anderen müsse die Frage, wann die Beitragspflicht entstanden sei, unabhängig davon entschieden werden, ob der „privatrechtlich bezahlte Erschließungsbeitrag“ zurückbezahlt worden sei.
18 
Nach alledem verkenne das angefochtene Urteil, dass der Erschließungsvertrag für die Frage, wann der Erschließungsbeitrag entstanden sei, keinerlei rechtliche Relevanz habe. Deshalb habe auch die am 30.05.2012 ergangene Rechnungsstellung der ...G an die Beklagte nicht dazu geführt, dass der Beitragsanspruch erst am 30.05.2012 entstanden sei. Vielmehr sei der öffentlich-rechtliche Beitragsanspruch bereits am 09.06.2005 entstanden.
19 
Die Behauptung, das Bundesverwaltungsgericht stelle darauf ab, dass der Gemeinde erst durch das Erstattungsbegehren des Vertragspartners ein beitragsfähiger Aufwand entstehe, welcher im Rahmen der erschließungsrechtlichen Bestimmungen auf die Grundstückseigentümer umgelegt werden könne, stelle eine fehlerhafte Interpretation dar. Aus der dortigen Formulierung sei zum einen der von der Beklagten eingeführte Begriff „erst" nicht zu entnehmen. Zum anderen verweise das BVerwG allein darauf, dass die ...G zivilrechtlich ein objektiv fremdes Geschäft - hier der Beklagten - geführt habe und dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden sei, den sie, die Beklagte, „im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen“ umlegen könne. Zu den erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen gehörten aber auch die Verjährungsvorschriften.
20 
Das Urteil verkenne insgesamt, dass die angefochtene Beitragserhebung gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Die Kläger hätten das Grundstück mit Kaufvertrag vom 26.11.2004 erworben, nachdem die Voreigentümer die privatrechtlich geltend gemachten Erschließungskosten bereits an die ...G entrichtet hätten. Erst durch das Schreiben der Beklagten vom 13.07.2011 - also mehr als sechs Jahre später - hätten sie Kenntnis davon erhalten, dass die Erschließungskosten privatrechtlich abgerechnet worden seien und der Erschließungsvertrag vom Bundesverwaltungsgericht „für nichtig erklärt worden“ sei. Da den Klägern diese Umstände nicht bekannt gewesen seien, hätten sie nach Abschluss des Kaufvertrages im Jahre 2004 nach insgesamt mehr als sechs Jahren die Erwartung haben können, nicht mehr zu einem Erschließungsbeitrag herangezogen zu werden. Vom Sachverhalt her unterscheide sich der vorliegende Fall deshalb grundlegend von dem Sachverhalt, der dem Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 - zugrunde gelegen habe. In dem dortigen Fall sei die Versorgung mit Trinkwasser nämlich zeitlich weit vor dem Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und dem Inkrafttreten einer öffentlich-rechtlichen Satzung hergestellt worden, sodass die Beitragspflicht erst mit dem Anschluss und dem Inkrafttreten der ersten Beitragssatzung habe entstehen konnte. Demzufolge führe das Urteil aus, dass unter Geltung des Privatrechts jedem Grundstückseigentümer bewusst gewesen sein müsse, dass er ein wie auch immer bezeichnetes entsprechendes Entgelt leisten müsse, sobald er sein Grundstück bebauen und an die Wasserversorgung anschließen wolle; eine absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung könne sich nur auf die Zeiträume beziehen, in denen es überhaupt dem Grunde nach eine öffentlich-rechtliche Beitragspflicht gegeben habe, und nicht auf solche Zeiträume, in denen eine Beitragserhebung rechtlich gar nicht möglich gewesen wäre, weil die Entgeltzahlung privatrechtlich geregelt gewesen sei. Im vorliegenden Fall sei jedoch die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht am 09.06.2005 entstanden. Die Kläger beriefen sich also keineswegs auf Zeiträume, in denen die Beitragserhebung rechtlich nicht möglich gewesen sei.
21 
Das Recht der Beklagten zur Erhebung des Erschließungsbeitrages sei durch den Erschließungsvertrag in keiner Weise eingeschränkt gewesen. Angesichts des Rechtsstreits über die Wirksamkeit des Erschließungsvertrages hätte die Beklagte im Wege eines vorsorglich vor dem 31.12.2009 erlassenen Beitragsbescheides - bei gleichzeitiger Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft des Urteils - die drohende Verjährung gegenüber den Klägern unterbrechen können. Auch „§ 165 Abs. 1 Satz 3 AO“ [gemeint ist wohl § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO] sehe für diesen Fall eine vorläufige Beitragserhebung vor. Die Rückkehr ins öffentliche Recht sei also mit keinerlei finanziellen Risiken für die Beklagte verbunden gewesen. Letztendlich gehöre die richtige rechtliche Einordnung eines geplanten Vorgehens zum allgemeinen Risiko, das jeder zu tragen habe, der am Rechtsleben teilnehme.
22 
Die Kläger beantragen,
23 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 09.07.2014 - 2 K 3146/12 - zu ändern und die Erschließungsbeitragsbescheide der Beklagten vom 15.06.2012 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 20.08.2012 aufzuheben.
24 
Die Beklagte beantragt,
25 
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
26 
Sie meint, entgegen der Rechtsauffassung der Kläger könne für das Entstehen der Beitragspflicht nicht auf die Schlussabrechnung der ...G vom 09.06.2005 abgestellt werden. Schon der schlichte Umstand, dass die Schlussabrechnung aus dem Jahr 2005 keine Rechnungsstellung gegenüber der Beklagten sei, stehe der Qualifizierung dieser Abrechnung als letzter Unternehmerrechnung entgegen. In einer Konstellation wie der vorliegenden sei die letzte Unternehmerrechnung die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger. Ergänzend habe das Verwaltungsgericht auch darauf hingewiesen, aus der unterschiedlichen Höhe der geltend gemachten Forderungen (Schlussabrechnung gegenüber den Grundstückseigentümern vom 09.06.2005 und Erstattungsforderung gegenüber der Beklagten vom 30.05.2012) folge, dass die Beklagte den Erschließungsaufwand erst im Jahr 2012 habe berechnen können. Die Höhe des umlagefähigen Erschließungsaufwandes hänge von der Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der ...G ab. Dieser bestimme sich in entsprechender Anwendung des § 818 Abs. 2 BGB nach dem Wert des Erlangten. Zu ersetzen sei also der objektive Verkehrswert. Dazu gehöre aber auch der für die Herstellung einer entsprechenden Erschließungsanlage notwendige Überwachungs- und Koordinierungsaufwand, der bei demjenigen anfalle, der die Herstellung der Erschließungsanlagen durch Dritte durchführen lasse.
27 
Verfehlt sei die Auffassung der Kläger, die Beklagte hätte zur Vermeidung des Verjährungsrisikos vorsorglich eine Beitragserhebung durchführen müssen. Die bei Abschluss eines Erschließungsvertrages grundsätzlich fortbestehende Erschließungslast bedeute nicht, dass die Gemeinde vorsorglich einen Erschließungsbeitragsbescheid erlassen könne. Gemeint sei damit nur, dass die Verpflichtung der Gemeinde zur Herstellung der Erschließungsanlage auch bei Abschluss eines Erschließungsvertrages latent fortbestehe und sich wieder aktualisiere, wenn sie die Erschließungsanlage doch selbst herstellen müsse. Eine Gemeinde sei grundsätzlich an die getroffene Regieentscheidung gebunden. Dies bedeute, dass eine vorsorgliche Beitragserhebung ausscheide, da die Gemeinde mit Abschluss eines derartigen Erschließungsvertrags die Entscheidung gegen eine Refinanzierung durch die Erhebung von Erschließungsbeiträgen getroffen habe.
28 
Unabhängig von der Frage, ob und in welcher Form die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, die sich auf eine Steuerung des Verjährungsbeginns durch nachträgliches Inkraftsetzen einer gültigen Satzung bezögen, auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden könnten, könne hier nicht von einer jahrzehntelangen Vorteilslage gesprochen werden, die der späteren Beitragserhebung vorausgegangen sei. Stelle man mit den Klägern auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks ab, habe die Vorteilslage erst ab Ende 2004 bestanden. Stelle man - wohl zutreffend - auf die Abrechnung der Erschließungsanlage durch und gegenüber der ...G ab, bestehe die Vorteilslage seit dem Jahr 2005. Ca. sechs Jahre später sei die Information über die drohende Beitragserhebung erfolgt. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid sei im Jahr 2012 ergangen, also sieben Jahre nach dem Entstehen der tatsächlichen Vorteilslage.
29 
Der vorliegende Sachverhalt weise ferner Besonderheiten auf, die dazu führten, dass die Beitragserhebung in verfassungsrechtlicher Hinsicht unproblematisch sei. Eine Beitragspflicht für die Grundstückseigentümer komme nur in Betracht, wenn der Beklagten ein umlagefähiger Aufwand entstanden sei. Erst die Rückabwicklung der vertraglichen Beziehungen sei im konkreten Sachverhalt Voraussetzung für eine Beitragserhebung gewesen. Es sei schwerlich überzeugend, eine unzumutbare Belastung durch die Erhebung von Beiträgen zu bejahen, wenn diese Belastung durch die vorangegangene Erstattung der Erschließungskosten kompensiert worden sei. Ein Grundstückseigentümer könne für den Fall der Unwirksamkeit des Erschließungsvertrages kein berechtigtes Vertrauen darauf entwickeln, nicht zu Beiträgen herangezogen zu werden. Auch im Hinblick auf den Gedanken der Zumutbarkeit unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt wegen der Erstattung zuvor geleisteter Zahlungen grundlegend von der Konstellation, die das Bundesverfassungsgericht beurteilt habe.
30 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG, §§ 33 ff. KAG und der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006 finden, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre gegen diese Bescheide erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (1.). Auch eine eventuelle absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung ist hier nicht überschritten (2.).
32 
1. Festsetzungsverjährung
33 
a) Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist hiernach nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
34 
An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten (Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris). Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
35 
b) Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß §§ 1, 3 Abs. 4 KAG i.V.m. § 169 AO vier Jahre. Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze hat der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn erst in diesem Jahr ist die Abgabe entstanden (vgl. § 170 Abs. 1 AO). Letzte Unternehmerrechnung in dem oben dargestellten Sinn ist hier nämlich das Schreiben des Erschließungsträgers, der ...G, vom 30.05.2012, in dem diese der Beklagten ihren Erschließungsaufwand in Rechnung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger kann insoweit nicht auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden. Denn erstmals mit dieser Rechnung vom 30.05.2012 ist der Beklagten ein eigener Aufwand entstanden. Die Festsetzungsverjährungsfrist kann aber nicht zu laufen beginnen, solange der Abgaben erhebenden Gemeinde noch nicht einmal ein eigener Aufwand entstanden ist. Dies folgt schon aus dem in § 20 Abs. 2 KAG zum Ausdruck kommenden Wesen des Erschließungsbeitrags. Hiernach erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage einen Erschließungsbeitrag. Solange der Gemeinde noch keine eigenen Kosten entstanden sind, kann demzufolge schon begrifflich keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen.
36 
Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB entsteht, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Genau dies regelt im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen der Beklagten und der ...G vom 03.03.1997 (so ausdrücklich - zum vorliegenden Erschließungsvertrag - BVerwG, Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244, juris-Rn. 31). Der Aufwand ist hier daher zunächst allein dem Erschließungsträger, also der ...G, entstanden. Nachdem der Erschließungsvertrag gescheitert ist, konnte sich die ...G ihre Aufwendungen allein im Rechtsverhältnis mit der Beklagten erstatten lassen; der Beklagten wiederum ist dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden, den sie im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen auf die Kläger umlegen konnte (vgl. BVerwG, ebd., Rn. 55).
37 
Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde auch nach Abschluss eines Erschließungsvertrags letztendlich für die Erschließung verantwortlich bleibt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig lediglich, dass sie die ordnungsgemäße und zeitige Abwicklung des Erschließungsvertrags zu überwachen hat (vgl. Driehaus, aaO., § 6 Rn. 47). Eine Befugnis zur vorsorglichen Beitragserhebung folgt aus dieser Verantwortung hingegen nicht. Solange und soweit der Gemeinde kein eigener Aufwand entstanden ist, ist eine Beitragserhebung vielmehr schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen, denn das Wesen des Erschließungsbeitrags besteht gerade darin, dass die Gemeinde einen eigenen Aufwand auf die Beitragspflichtigen umlegt (vgl. bereits oben).
38 
c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre eine Gemeinde in einer solchen Konstellation nicht etwa berechtigt, bereits vorab vorsorglich Beitragsbescheide zu erlassen. Durch die Bauverpflichtung und Kostentragung des Erschließungsträgers entstehen der Gemeinde zunächst keine Kosten, sodass sie auch keine Beiträge nach §§ 127 ff. BauGB oder §§ 33 ff. KAG BW erheben kann (vgl. Birk, VBlBW 2011, 329 ff.). Soweit und solange ein Dritter - wie der durch einen Erschließungsvertrag mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließung betraute Erschließungsträger - den Erschließungsaufwand trägt, entstehen der Gemeinde mit anderen Worten keine Kosten, die einen beitragsrelevanten Aufwand darstellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1973 - VII ZR 246/72 - BGHZ 61, 359; Schlesw.-Holst. OLG, Urteil vom 13.03.2003 - 16 U 100/02 - NVwZ 2004, 1528; Saarl. OVG, Urteil vom 07.11.1988 - 1 R 322/87 - DÖV 1989, 861; Grziwotz, MDR 1996, 978, und in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 308). Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Da der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten entstanden sind, kann sie erst dann Beiträge von den Grundstückseigentümern unter Einhaltung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung erheben.
39 
Erst nachdem sich die im Abschluss des Erschließungsvertrags realisierte Regieentscheidung der Gemeinde - bisweilen auch als Regimeentscheidung bezeichnet (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Driehaus, aaO, § 6 III.; Birk, VBlBW 2011, 329 ff.) - hier primär wegen des als Vertragspartner nicht geeigneten Erschließungsträgers als rechtswidrig erwiesen und die ...G der Beklagten ihren Aufwand in Rechnung gestellt hat, war die Gemeinde befugt, Beiträge zu erheben. Die Beitragspflicht entsteht auch nach dieser Betrachtungsweise daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde (vgl. Birk, ebd.).
40 
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, die grundsätzlich auch auf das baden-württembergische Kommunalabgabenrecht Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG). Danach kann eine Abgabe vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind.
41 
Zum einen erscheint es schon als fraglich, ob diese Vorschrift - jedenfalls für den Zeitraum vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - überhaupt Geltung für das Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen kann, denn es spricht manches dafür, dass § 25 Abs. 2 KAG - der die Zulässigkeit der Erhebung von Vorauszahlungen regelt - insoweit eine abschließende Spezialregelung enthält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.11.1981 - 2 S 1044/80 - Ls. in juris). Jedenfalls aber setzt die vorläufige Festsetzung einer Abgabe nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraus; die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen selbst unterfällt hingegen nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 15.12.2009 - 1 L 323/06 - juris-Rn. 62). Da es hier um die rechtliche Bewertung eines Erschließungsvertrags und des davon abhängigen Kostenerstattungsvertrags geht, kommt eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG nicht in Betracht.
42 
Auch § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO i.Verb. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG AO ist auf den vorliegenden Sachverhalt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Danach ist eine vorläufige Festsetzung (auch dann) zulässig, wenn die Vereinbarkeit eines Abgabengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hier war zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht Gegenstand eines solchen Verfahrens. Eine vorläufige Festsetzung hinsichtlich ungeklärter Rechtsfragen des einfachen Rechts sieht § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht vor (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 165 Rn. 25).
43 
e) Unerheblich ist angesichts dessen auch, dass der Gemeinde die Rechnungen, die die einzelnen Bauunternehmer der ...G gestellt haben, spätestens im Jahr 2005 bekannt geworden sind. Denn auf diese Kenntnis kann es in rechtlicher Hinsicht nicht ankommen. Das Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht mit dem Verhältnis zwischen einem Generalunternehmer, der damit beauftragt wird, die Erschließung für die Gemeinde zu planen, durchzuführen und dazu ggf. Subunternehmer zu beauftragen, vergleichbar. Auch in diesem Fall entsteht der Gemeinde nicht schon dann ein beitragsfähiger Aufwand, wenn die einzelnen Subunternehmer ihre Rechnungen bei dem Generalunternehmer einreichen, sondern erst dann, wenn der Generalunternehmer seine Kosten gegenüber der Gemeinde geltend macht. Erst zu diesem Zeitpunkt kann daher auch frühestens die sachliche Beitragspflicht entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
44 
2. absolute zeitliche Grenze der Beitragserhebung
45 
a) Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
46 
b) Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
47 
aa) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
48 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Zwar fällt es entgegen der schriftsätzlich vertretenen Auffassung der Beklagten (jedenfalls auch) in ihre Sphäre, dass sie einen nichtigen Erschließungsvertrag geschlossen hat, der hier letztlich zu einer späteren Beitragserhebung geführt hat. Dies kann ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalls aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, nachdem nicht nur das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, sondern auch der Senat den hier vorliegenden Erschließungsvertrag zunächst für wirksam gehalten hatten; erst in letzter Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass er nichtig sei. Angesichts dessen wiegt eine eventuelle Pflichtverletzung der Beklagten hier allenfalls leicht, sodass die verspätete Abgabenerhebung im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, in denen die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Ein damit vergleichbares Versäumnis einer Gemeinde liegt hier nicht vor.
49 
Auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nach dem Scheitern des Erschließungsvertrags nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung nicht kostenfrei erstellen konnte. Dies war im Übrigen ersichtlich auch den damaligen Rechtsmittelführern in den Verfahren 2 S 424/08 (vor dem Senat) bzw. 9 C 8.09 (vor dem BVerwG) bewusst, die die Rückerstattung bereits gezahlter Kostenerstattungsbeträge geltend gemacht hatten. Sie hatten damals nicht vorgetragen, dass sie überhaupt nicht zu Erschließungskosten herangezogen werden dürften, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die konkrete Vertragsgestaltung führe zu einer unzulässigen Umgehung zwingender erschließungsbeitragsrechtlicher Vorschriften (vgl. den in dem Senatsurteil vom 23.10.2009 - 2 S 424/08 - DVBl. 2010, 185 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 wiedergegebenen Vortrag der dortigen Kläger).
50 
bb) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
51 
Ein auch nur annähernd vergleichbarer Zeitraum ist hier jedoch nicht verstrichen. Nachdem erst im Jahr 2005 die Rechnungen der Unternehmer, die der Erschließungsträger beauftragt hatte, vollständig vorlagen, ist auch unter Hinwegdenken des nichtigen Erschließungsvertrags und unter Zugrundlegung der Annahme, dass der Erschließungsaufwand im Jahr 2005 vollumfänglich feststellbar gewesen wäre, zwischen dem Entstehen der Vorteilslage und dem Erlass der streitbefangenen Beitragsbescheide im Jahr 2012 nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
52 
cc) Schließlich spricht - ohne dass es darauf noch ankäme - im Ergebnis gegen eine Treuwidrigkeit auch, dass der Erschließungsträger den Grundstückseigentümern die gezahlten Kostenerstattungsbeträge zurückerstattet hat und damit keine Doppelbelastung der Grundstückseigentümer eingetreten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rückzahlung im Falle der Kläger an die Voreigentümer des Grundstücks erfolgt ist, denn insoweit ist auf eine grundstücksbezogene Betrachtungsweise abzustellen. Nach der Grundregel des § 436 BGB ist davon auszugehen, dass der Grundstücksverkäufer verpflichtet ist, den Erwerber von Erschließungsbeiträgen freizustellen. Aber auch wenn im Einzelfall eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden sein sollte - wofür die Kläger allerdings keinen konkreten Beleg geliefert haben -, fiele dies allein in den Risikobereich der Vertragsparteien und wäre daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit zu begründen.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 27. Januar 2015
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.444,35 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
31 
Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht ihre Klage abgewiesen, denn die angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheide, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 KAG, §§ 33 ff. KAG und der Satzung der Beklagten über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen vom 24.01.2006 finden, sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre gegen diese Bescheide erhobenen Einwendungen greifen nicht durch. Festsetzungsverjährung ist nicht eingetreten (1.). Auch eine eventuelle absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung ist hier nicht überschritten (2.).
32 
1. Festsetzungsverjährung
33 
a) Der Senat hat mit Urteil vom 25.11.2010 - 2 S 1314/10 - (juris) zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass die Beitragspflicht gemäß § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der endgültigen Herstellung der beitragspflichtigen Erschließungsanlage entsteht. Der Zeitpunkt der „endgültigen Herstellung“ einer Erschließungsanlage ist hiernach nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der technischen Ausführungsarbeiten, also sozusagen mit dem „letzten Spatenstich“. Eine Erschließungsanlage im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB ist vielmehr nach allgemeiner Auffassung erst dann endgültig hergestellt, wenn u.a. der entstandene Aufwand feststellbar ist, also regelmäßig mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung (vgl. grundlegend hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 22.08.1975 - IV C 11.73 - BVerwGE 49, 131; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 01.08.1994 - 2 S 963/93 -; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl., § 19 Rn. 9). Sieht man von der Möglichkeit ab, in der Erschließungsbeitragssatzung Einheitssätze der Höhe nach festzulegen, spricht schon die Abhängigkeit des Erschließungsbeitrags von dem beitragsfähigen Aufwand und damit von den tatsächlich entstandenen Kosten dafür, dass die Berechenbarkeit des Aufwandes Bestandteil der endgültigen Herstellung im Sinne des § 133 Abs. 2 BauGB sein muss. Die Beitragspflicht entsteht regelmäßig - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - im Zeitpunkt der endgültigen Herstellung der Anlage; sie entsteht in diesem Zeitpunkt in bestimmter Höhe, kann auch der Höhe nach nicht mehr geändert werden und ist deshalb schon geeignet, die Verjährungsfrist in Lauf zu setzen. Entsteht die Beitragspflicht aber bereits der Höhe nach „voll ausgebildet", so muss - wegen der Abhängigkeit der Beitragshöhe vom entstandenen Aufwand - dieser Aufwand zumindest ermittlungsfähig sein. Auch im Hinblick auf die Verjährung führt allein dieses Verständnis des Begriffes der endgültigen Herstellung zu dem sachgerechten Ergebnis, dass die Verjährungsfrist jedenfalls nicht in Lauf gesetzt werden kann, bevor die Schlussrechnung eingegangen ist. Die gegenteilige Meinung würde zu Lasten der Gemeinden zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung der Verjährungsfrist führen. Die endgültige Herstellung ist folglich im Rechtssinne erst abgeschlossen, wenn über die technische Herstellung hinaus der Erschließungsbeitrag mit Hilfe der letzten Unternehmerrechnung der Höhe nach ermittelt werden kann. Diese schon 1975 entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht auch in den folgenden Jahren seiner Rechtsprechung zugrunde gelegt, ohne diese Frage indes erneut ausführlich zu erörtern (vgl. BVerwG, Urteile vom 15.02.1991 - 8 C 46/89 - NVwZ 1991, 235 und vom 08.05.2002 - 9 C 5.01 - NVwZ-RR 2002, 770).
34 
An dieser Rechtsprechung hat der Senat auch für das nunmehr landesrechtlich geregelte Erschließungsbeitragsrecht festgehalten (Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris). Vergleichbar mit der früher maßgeblichen bundesrechtlichen Regelung entsteht nach dem baden-württembergische Kommunalabgabengesetz gemäß § 41 Abs. 1 KAG die Beitragsschuld, wenn die Erschließungsanlage sämtliche zu ihrer erstmaligen endgültigen Herstellung vorgesehenen Teileinrichtungen im erforderlichen Umfang aufweist und diese den Merkmalen der endgültigen Herstellung (§ 34 Nr. 3) entsprechen, ihre Herstellung die Anforderungen des § 125 des Baugesetzbuches erfüllt und die Anlage öffentlich genutzt werden kann. Eine ausdrückliche Regelung, wann die erforderlichen Teilanlagen endgültig hergestellt in diesem Sinne sind, hat der Landesgesetzgeber nicht getroffen. Ersichtlich hat er insoweit in Kenntnis der allgemein zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht vertretenen Auffassung, die Beitragspflicht entstehe regelmäßig erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung, keinen Bedarf für eine hiervon abweichende landesrechtliche Regelung gesehen. Darauf deutet auch die Gesetzesbegründung hin, in der ausdrücklich darauf verwiesen wird, § 41 Abs. 1 enthalte die Voraussetzungen für die Entstehung der Beitragsschuld und entspreche weitgehend dem § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB in der Auslegung, die er durch Rechtsprechung und Literatur erfahren habe (LT-Drucksache 13/3966, S. 62). Allein diese Auslegung ist auch sachgerecht, weil der Gemeinde eine endgültige Abrechnung gar nicht möglich ist, solange der Erschließungsaufwand noch nicht endgültig feststellbar ist. Daher hält der Senat auch für das baden-württembergische Landesrecht daran fest, dass die sachliche Beitragspflicht nicht schon bereits mit der technischen Fertigstellung der Anlage, sondern erst mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung entstehen kann, sofern die sonstigen Voraussetzungen vorliegen.
35 
b) Die Festsetzungsfrist beträgt gemäß §§ 1, 3 Abs. 4 KAG i.V.m. § 169 AO vier Jahre. Unter Anwendung der soeben dargestellten Grundsätze hat der Lauf der Festsetzungsverjährungsfrist hier erst mit Ablauf des Jahres 2012 zu laufen begonnen. Denn erst in diesem Jahr ist die Abgabe entstanden (vgl. § 170 Abs. 1 AO). Letzte Unternehmerrechnung in dem oben dargestellten Sinn ist hier nämlich das Schreiben des Erschließungsträgers, der ...G, vom 30.05.2012, in dem diese der Beklagten ihren Erschließungsaufwand in Rechnung gestellt hat. Entgegen der Auffassung der Kläger kann insoweit nicht auf einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden. Denn erstmals mit dieser Rechnung vom 30.05.2012 ist der Beklagten ein eigener Aufwand entstanden. Die Festsetzungsverjährungsfrist kann aber nicht zu laufen beginnen, solange der Abgaben erhebenden Gemeinde noch nicht einmal ein eigener Aufwand entstanden ist. Dies folgt schon aus dem in § 20 Abs. 2 KAG zum Ausdruck kommenden Wesen des Erschließungsbeitrags. Hiernach erheben die Gemeinden zur Deckung ihrer anderweitig nicht gedeckten Kosten für die erstmalige endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage einen Erschließungsbeitrag. Solange der Gemeinde noch keine eigenen Kosten entstanden sind, kann demzufolge schon begrifflich keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen.
36 
Wesentlicher Regelungsgegenstand eines Erschließungsvertrages ist die Herstellung der Erschließungsanlagen im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers. Dies hat zur Folge, dass der Gemeinde kein beitragsfähiger Aufwand i.S.v. § 127 Abs. 1 BauGB entsteht, soweit und solange sie die Durchführung der Erschließung auf einen Erschließungsträger übertragen hat. Genau dies regelt im vorliegenden Fall der Vertrag zwischen der Beklagten und der ...G vom 03.03.1997 (so ausdrücklich - zum vorliegenden Erschließungsvertrag - BVerwG, Urteil vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244, juris-Rn. 31). Der Aufwand ist hier daher zunächst allein dem Erschließungsträger, also der ...G, entstanden. Nachdem der Erschließungsvertrag gescheitert ist, konnte sich die ...G ihre Aufwendungen allein im Rechtsverhältnis mit der Beklagten erstatten lassen; der Beklagten wiederum ist dadurch ein beitragsfähiger Aufwand entstanden, den sie im Rahmen der erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmungen auf die Kläger umlegen konnte (vgl. BVerwG, ebd., Rn. 55).
37 
Zwar weisen die Kläger zu Recht darauf hin, dass die Gemeinde auch nach Abschluss eines Erschließungsvertrags letztendlich für die Erschließung verantwortlich bleibt. Dies bedeutet jedoch regelmäßig lediglich, dass sie die ordnungsgemäße und zeitige Abwicklung des Erschließungsvertrags zu überwachen hat (vgl. Driehaus, aaO., § 6 Rn. 47). Eine Befugnis zur vorsorglichen Beitragserhebung folgt aus dieser Verantwortung hingegen nicht. Solange und soweit der Gemeinde kein eigener Aufwand entstanden ist, ist eine Beitragserhebung vielmehr schon aus rechtlichen Gründen von vornherein ausgeschlossen, denn das Wesen des Erschließungsbeitrags besteht gerade darin, dass die Gemeinde einen eigenen Aufwand auf die Beitragspflichtigen umlegt (vgl. bereits oben).
38 
c) Entgegen der Auffassung der Kläger wäre eine Gemeinde in einer solchen Konstellation nicht etwa berechtigt, bereits vorab vorsorglich Beitragsbescheide zu erlassen. Durch die Bauverpflichtung und Kostentragung des Erschließungsträgers entstehen der Gemeinde zunächst keine Kosten, sodass sie auch keine Beiträge nach §§ 127 ff. BauGB oder §§ 33 ff. KAG BW erheben kann (vgl. Birk, VBlBW 2011, 329 ff.). Soweit und solange ein Dritter - wie der durch einen Erschließungsvertrag mit der tatsächlichen Durchführung der Erschließung betraute Erschließungsträger - den Erschließungsaufwand trägt, entstehen der Gemeinde mit anderen Worten keine Kosten, die einen beitragsrelevanten Aufwand darstellen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1973 - VII ZR 246/72 - BGHZ 61, 359; Schlesw.-Holst. OLG, Urteil vom 13.03.2003 - 16 U 100/02 - NVwZ 2004, 1528; Saarl. OVG, Urteil vom 07.11.1988 - 1 R 322/87 - DÖV 1989, 861; Grziwotz, MDR 1996, 978, und in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 11 Rn. 308). Daher verbietet sich in einem solchen Fall von vornherein eine - auch nur vorsorgliche - Erhebung von Erschließungsbeiträgen. Da der Gemeinde erst durch die Erstattung der Herstellungskosten gegenüber dem Erschließungsträger Kosten entstanden sind, kann sie erst dann Beiträge von den Grundstückseigentümern unter Einhaltung der beitragsrechtlichen Voraussetzungen bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung erheben.
39 
Erst nachdem sich die im Abschluss des Erschließungsvertrags realisierte Regieentscheidung der Gemeinde - bisweilen auch als Regimeentscheidung bezeichnet (vgl. zu diesen Begriffen z.B. Driehaus, aaO, § 6 III.; Birk, VBlBW 2011, 329 ff.) - hier primär wegen des als Vertragspartner nicht geeigneten Erschließungsträgers als rechtswidrig erwiesen und die ...G der Beklagten ihren Aufwand in Rechnung gestellt hat, war die Gemeinde befugt, Beiträge zu erheben. Die Beitragspflicht entsteht auch nach dieser Betrachtungsweise daher erst mit der Geltendmachung der Erschließungskosten in Form des Erstattungsanspruchs durch den Erschließungsträger gegenüber der Gemeinde (vgl. Birk, ebd.).
40 
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO, die grundsätzlich auch auf das baden-württembergische Kommunalabgabenrecht Anwendung findet (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG). Danach kann eine Abgabe vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen ihrer Entstehung eingetreten sind.
41 
Zum einen erscheint es schon als fraglich, ob diese Vorschrift - jedenfalls für den Zeitraum vor Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - überhaupt Geltung für das Erschließungsbeitragsrecht beanspruchen kann, denn es spricht manches dafür, dass § 25 Abs. 2 KAG - der die Zulässigkeit der Erhebung von Vorauszahlungen regelt - insoweit eine abschließende Spezialregelung enthält (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.11.1981 - 2 S 1044/80 - Ls. in juris). Jedenfalls aber setzt die vorläufige Festsetzung einer Abgabe nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO ungewisse Tatsachen voraus; die rechtliche Würdigung dieser Tatsachen selbst unterfällt hingegen nicht dem Anwendungsbereich der Vorschrift (vgl. OVG Meckl.-Vorp., Urteil vom 15.12.2009 - 1 L 323/06 - juris-Rn. 62). Da es hier um die rechtliche Bewertung eines Erschließungsvertrags und des davon abhängigen Kostenerstattungsvertrags geht, kommt eine vorläufige Festsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG nicht in Betracht.
42 
Auch § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO i.Verb. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 lit. c KAG AO ist auf den vorliegenden Sachverhalt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Danach ist eine vorläufige Festsetzung (auch dann) zulässig, wenn die Vereinbarkeit eines Abgabengesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand des Verfahrens vor dem EuGH, dem BVerfG oder einem obersten Bundesgericht ist. Hier war zu keinem Zeitpunkt die Vereinbarkeit einer gesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht Gegenstand eines solchen Verfahrens. Eine vorläufige Festsetzung hinsichtlich ungeklärter Rechtsfragen des einfachen Rechts sieht § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO nicht vor (Cöster in Koenig, AO, 3. Aufl., § 165 Rn. 25).
43 
e) Unerheblich ist angesichts dessen auch, dass der Gemeinde die Rechnungen, die die einzelnen Bauunternehmer der ...G gestellt haben, spätestens im Jahr 2005 bekannt geworden sind. Denn auf diese Kenntnis kann es in rechtlicher Hinsicht nicht ankommen. Das Verhältnis zwischen Erschließungsträger und Gemeinde ist insoweit in tatsächlicher Hinsicht mit dem Verhältnis zwischen einem Generalunternehmer, der damit beauftragt wird, die Erschließung für die Gemeinde zu planen, durchzuführen und dazu ggf. Subunternehmer zu beauftragen, vergleichbar. Auch in diesem Fall entsteht der Gemeinde nicht schon dann ein beitragsfähiger Aufwand, wenn die einzelnen Subunternehmer ihre Rechnungen bei dem Generalunternehmer einreichen, sondern erst dann, wenn der Generalunternehmer seine Kosten gegenüber der Gemeinde geltend macht. Erst zu diesem Zeitpunkt kann daher auch frühestens die sachliche Beitragspflicht entstehen, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind.
44 
2. absolute zeitliche Grenze der Beitragserhebung
45 
a) Die von den Klägern angeführte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820), wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Diese Entscheidung erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
46 
b) Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
47 
aa) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
48 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Zwar fällt es entgegen der schriftsätzlich vertretenen Auffassung der Beklagten (jedenfalls auch) in ihre Sphäre, dass sie einen nichtigen Erschließungsvertrag geschlossen hat, der hier letztlich zu einer späteren Beitragserhebung geführt hat. Dies kann ihr unter den besonderen Umständen des Einzelfalls aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, nachdem nicht nur das erstinstanzliche Verwaltungsgericht, sondern auch der Senat den hier vorliegenden Erschließungsvertrag zunächst für wirksam gehalten hatten; erst in letzter Instanz ist das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass er nichtig sei. Angesichts dessen wiegt eine eventuelle Pflichtverletzung der Beklagten hier allenfalls leicht, sodass die verspätete Abgabenerhebung im vorliegenden Fall nicht als treuwidrig angesehen werden kann. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Sachverhalten, in denen die den Beitrag erhebende Gemeinde seit Jahrzehnten keine rechtsgültige Satzung erlassen hatte. Ein damit vergleichbares Versäumnis einer Gemeinde liegt hier nicht vor.
49 
Auch ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, nach dem Scheitern des Erschließungsvertrags nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung nicht kostenfrei erstellen konnte. Dies war im Übrigen ersichtlich auch den damaligen Rechtsmittelführern in den Verfahren 2 S 424/08 (vor dem Senat) bzw. 9 C 8.09 (vor dem BVerwG) bewusst, die die Rückerstattung bereits gezahlter Kostenerstattungsbeträge geltend gemacht hatten. Sie hatten damals nicht vorgetragen, dass sie überhaupt nicht zu Erschließungskosten herangezogen werden dürften, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die konkrete Vertragsgestaltung führe zu einer unzulässigen Umgehung zwingender erschließungsbeitragsrechtlicher Vorschriften (vgl. den in dem Senatsurteil vom 23.10.2009 - 2 S 424/08 - DVBl. 2010, 185 und dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 - 9 C 8.09 - BVerwGE 138, 244 wiedergegebenen Vortrag der dortigen Kläger).
50 
bb) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
51 
Ein auch nur annähernd vergleichbarer Zeitraum ist hier jedoch nicht verstrichen. Nachdem erst im Jahr 2005 die Rechnungen der Unternehmer, die der Erschließungsträger beauftragt hatte, vollständig vorlagen, ist auch unter Hinwegdenken des nichtigen Erschließungsvertrags und unter Zugrundlegung der Annahme, dass der Erschließungsaufwand im Jahr 2005 vollumfänglich feststellbar gewesen wäre, zwischen dem Entstehen der Vorteilslage und dem Erlass der streitbefangenen Beitragsbescheide im Jahr 2012 nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
52 
cc) Schließlich spricht - ohne dass es darauf noch ankäme - im Ergebnis gegen eine Treuwidrigkeit auch, dass der Erschließungsträger den Grundstückseigentümern die gezahlten Kostenerstattungsbeträge zurückerstattet hat und damit keine Doppelbelastung der Grundstückseigentümer eingetreten ist. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Rückzahlung im Falle der Kläger an die Voreigentümer des Grundstücks erfolgt ist, denn insoweit ist auf eine grundstücksbezogene Betrachtungsweise abzustellen. Nach der Grundregel des § 436 BGB ist davon auszugehen, dass der Grundstücksverkäufer verpflichtet ist, den Erwerber von Erschließungsbeiträgen freizustellen. Aber auch wenn im Einzelfall eine andere vertragliche Gestaltung gewählt worden sein sollte - wofür die Kläger allerdings keinen konkreten Beleg geliefert haben -, fiele dies allein in den Risikobereich der Vertragsparteien und wäre daher nicht geeignet, eine Unbilligkeit zu begründen.
53 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
54 
Beschluss vom 27. Januar 2015
55 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.444,35 festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
56 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03. Juni 2014 - 3 K 5/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
Er ist Miteigentümer des Grundstücks Flst.-Nrn. ... der Gemarkung T. Das Grundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006. Es grenzt im Nordwesten an die Badstraße an.
Mit Bescheid vom 09.11.2011 erhob die Beklagte für die Herstellung der Badstraße für das Grundstück FIst.-Nr. ... insgesamt einen Erschließungsbeitrag von 6.687,88 EUR, von dem der Kläger - seinem Miteigentumsanteil von 67/100 entsprechend - 4.480,88 EUR zu entrichten habe.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und führte zur Begründung aus, der hier maßgebliche Teil der Badstraße sei bereits in den 1960er Jahren erschlossen worden. Im August 2011 hätten die Eigentümer der Badstraße ein Informationsschreiben erhalten. Nachdem die Anwohner einen Brief verfasst hätten, habe der Bürgermeister der Beklagten im September 2011 schriftlich erklärt, dass die zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße durchgeführten Feinbelagsarbeiten nicht in Ansatz gebracht werden könnten, da dieser Abschnitt bereits endgültig hergestellt gewesen sei. Damit habe er bestätigt, dass keine Kosten mehr auf den Kläger zukämen. Aufgrund der schriftlichen Stellungnahme des Bürgermeisters sei Verwirkung eingetreten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 02.01.2013 Klage erhoben. Ergänzend hat er vorgetragen: Nachdem aus dem Schreiben des Bürgermeisters vom 22.09.2011 hervorgegangen sei, dass die Kosten für den streitgegenständlichen Streckenabschnitt der Badstraße nicht in Ansatz gebracht werden könnten, sei er davon ausgegangen, dass ihm keine weiteren Kosten auferlegt würden. Die Beklagte habe ihr Recht auf Beitragserhebung über längere Zeit nicht geltend gemacht, obwohl es ihr zumutbar und möglich gewesen sei. Hinzu komme, dass ein Beitrag erhoben worden sei, obwohl der Bürgermeister erklärt habe, dass auf den Kläger keine weiteren Kosten zukämen. Die Beklagte gebe zu, dass die Badstraße 1954 erbaut worden und eine Baustraße gewesen sei. Dass - wie die Beklagte ausführe - zu keinem Zeitpunkt der Stand einer endgültigen Herstellung erreicht worden sei, könne nicht ernstgenommen werden. Die Verwirkung sei daran zu sehen, dass die Beklagte die Beitragserhebung verzögert habe. Die Badstraße sei im Klägerabschnitt bereits im Jahr 1954 erschlossen worden. Dies gelte auch dann, wenn damals kein Bebauungsplan existiert haben sollte. Denn maßgeblich seien die technischen Gegebenheiten.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Sie hat geltend gemacht: Die Badstraße sei im Jahr 1954 erbaut worden und habe den Aufbau einer Baustraße mit einer Decke aus grobem Bitumenkies erhalten. Eine Tragschicht/Feindecke sei nicht aufgebracht worden. 1965 sei eine Teerdecke aufgebracht worden. Bis Anfang März 1968 habe es immer wieder Ausbesserungs- und Teerarbeiten gegeben. 1968 seien Wasserleitungs- und Straßenbauarbeiten ausgeschrieben worden. Die Bebauung entlang der Badstraße östlich der Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße sei in den 1950er und 1960er Jahren entstanden. Die Grundstücke an der Hermann-Simon-Straße seien 1956 zu Beiträgen herangezogen und die Kaminskistraße sei 1964 abgerechnet worden. 1983 sei ein Abrechnungsgebiet gebildet worden, das u.a. den westlichen Verlauf der Badstraße umfasst habe. Auf dieser Grundlage seien die [dortigen] Eigentümer im Jahr 1988 zu Erschließungsbeiträgen herangezogen worden. Das [hier streitgegenständliche] Gebiet östlich der Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße sei zunächst unbeplant geblieben. Daher seien dort zunächst keine Beiträge erhoben worden.
Bis zum jetzt streitigen Ausbau sei zu keinem Zeitpunkt der Stand einer endgültigen Herstellung erreicht worden. In gutem Zustand sei lediglich der westliche Teil des Straßenstücks zwischen Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße und Hebelstraße gewesen, wo in den 1980er Jahren auf einer Strecke von etwa 65 m eine Feindecke aufgebracht worden sei. Die Badstraße sei zwischen 2008 und 2010 vollständig erneuert worden. Die Kosten des Feinbelags auf dem Stück zwischen Kaitlestraße/Hermann-Simon-Straße und Hebelstraße seien vom beitragsfähigen Erschließungsaufwand ebenso ausgenommen worden wie die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Bau des Mowag-Knotens entstanden seien. Auch die Kosten der Erneuerung der Abwasserleitung sowie der Straßenverengung zur Verkehrslenkung und zur Verkehrsberuhigung seien nicht berücksichtigt worden. Die Kosten für die Straßenbaumaßnahmen in den 1950er und 1960er Jahren seien ebenfalls nicht eingerechnet worden.
Bis zum Inkrafttreten des Bebauungsplans im Jahr 2006 sei die Badstraße nur ein Provisorium gewesen. Denn es habe die Feindecke gefehlt. Die Anschlüsse der Rinnenplatten und der Bordsteine seien nicht hergestellt gewesen. Es hätten die Randbefestigungen als Teil einer funktionstüchtigen Straßenentwässerung sowie durchgehend angelegte und angrenzende Gehwege sowie Teile der Straßenbeleuchtung gefehlt. Ohne Bedeutung sei, dass die Badstraße mit der Teilanlage Fahrbahn zwischen Kaitlestraße und Hebelstraße im straßenbautechnischen Sinne endgültig hergestellt gewesen sei. Denn maßgeblich sei der Herstellungszustand der gesamten Erschließungsanlage.
10 
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 03.07.2014 stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt: Die zulässige Klage sei begründet. Zu Recht sei die Beklagte allerdings davon ausgegangen, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Badstraße nicht um eine beim Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 vorhandene Straße handle. Unstreitig habe es für die Badstraße zunächst keinen entsprechenden Plan gegeben. Die Badstraße sei auch nicht bereits vor Inkrafttreten des badischen Ortsstraßengesetzes als historische Ortsstraße vorhanden gewesen. Es seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie dem Anbau innerhalb der geschlossenen Ortslage gedient habe.
11 
Allerdings seien die Kosten des Ausbaus in den Jahren 2008 bis 2010 nicht beitragsfähig. Jedenfalls seit dem 01.01.2006, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten vom 12.12.2005 (EBS 2005), könne nicht (mehr) davon ausgegangen werden, dass die Badstraße nicht endgültig hergestellt gewesen sei. Sie sei bereits seit den im Jahr 1968 durchgeführten Ausbauarbeiten mit einer Asphaltschicht bedeckt gewesen. An dieser Annahme ändere auch die Tatsache nichts, dass in der Rechnung der Firma E. vom 14.10.1968 der Begriff Bitumenkies verwendet werde. Denn auch eine aus Asphalt ausgeführte einfache Fahrbahndecke genüge den Anforderungen an die endgültige Herstellung. Etwas anderes gelte zwar dann, wenn die Unfertigkeit der Fahrbahn oder des Gehwegs zu erkennen sei. Entsprechende hinreichende Indizien lägen aber nicht vor und seien auch nicht darin zu sehen, dass kein Feinasphalt verwendet worden sei. Der Belag sei nicht so grob gewesen, dass es sich aus Sicht des Bürgers aufgedrängt habe, dass es sich noch nicht um den endgültigen Zustand handle, zumal die Fahrbahndecke bereits seit fast vier Jahrzehnten vorhanden gewesen sei.
12 
Daran ändere auch der Hinweis der Beklagten auf den Ausbauzustand der Badstraße im Bereich zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und dem Mowag-Knoten bzw. der Einmündung der Feldbergstraße nichts. Zwar sei auf der nördlichen Straßenseite kein Gehweg vorhanden gewesen. Nach § 4 Abs. 1 EBS 2005 sei aber nicht (mehr) Voraussetzung für die endgültige Herstellung, dass ein beidseitiger Gehweg vorhanden sei. Ob nach den vorherigen Erschließungsbeitragssatzungen die Anlegung einer beidseitigen Gehweganlage vorgeschrieben gewesen sei, könne daher offenbleiben. Darüber hinaus habe die Badstraße auch über eine Straßenentwässerung verfügt. Dass auf einer Teilstrecke kein Bordstein und kein Rinnengraben vorhanden gewesen seien, stehe dem wegen der Kürze des Straßenstücks nicht entgegen. Dass das Straßenstück zwischen Kaminskistraße und Feldbergstraße sehr schmal gewesen sei und einen Begegnungsverkehr (kaum) zugelassen habe, rechtfertige ebenfalls keine andere Beurteilung. Nach dem früheren Bauprogramm der Gemeinde habe wegen der damaligen Grundstücksverhältnisse keine Möglichkeit zu einer Verbreiterung der Fahrbahn bestanden.
13 
Eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen. Das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht setzte voraus, dass ein Bebauungsplan in Kraft sei, dem die Herstellung der Anlage entspreche, oder eine Planung vorliege, die den in § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB bezeichneten Anforderungen genüge. Dies sei aber in Bezug auf den Ausbaustand der Badstraße vor den Arbeiten in den Jahren 2008 bis 2010 nicht der Fall. Denn der 2006 erlassene Bebauungsplan decke jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand ab.
14 
Die Beklagte hat fristgerecht die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie trägt fristgerecht zur Begründung vor: Vor den Ausbauarbeiten in den Jahren 2008/2009 habe die Badstraße keine Decke im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EBS 2005 aufgewiesen. Das Verwaltungsgericht gehe fehl, wenn es meine, mangels Maßgeblichkeit technischer Regelwerke komme es für die endgültige Herstellung einer Straße auch nicht darauf an, ob eine Straße eine Decke aus Feinasphalt aufweise, und weiter, maßgeblich sei allein, ob der Straßenbelag so grob sei, dass sich die Unfertigkeit der Straße dem Bürger aufdränge. Damit überspanne das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die subjektive Erkennbarkeit. Nach den üblichen technischen Standards sei der Oberbau einer Asphaltstraße grundsätzlich aus (mindestens) zwei Schichten aufgebaut, der Tragschicht (oder den Tragschichten) und der Asphaltdeckschicht. Die Asphaltdeckschicht sei üblicherweise aus Asphaltfeinbeton herzustellen. Bitumenkies werde lediglich für Tragschichten verwendet. Diese Anforderung an das Erscheinungsbild einer fertigen Straße mit einem feinkörnigen Belag sei jedem Bürger aus eigener Anschauung bekannt. Ob eine Erschließungsanlage über eine Decke aus Asphaltfeinbeton verfüge, könne er auf einen Blick feststellen.
15 
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts führe zu praxisfernen Ergebnissen. Es sei nicht unüblich, dass Gemeinden zunächst nur die Tragschicht herstellten und notdürftig funktionsfähig herrichteten. Diese Vorgehensweise werde oft gewählt, um eine Beschädigung der Deckschicht durch Bautätigkeiten auf den Anliegergrundstücken zu vermeiden. Diese auch von der Beklagten im Jahr 1968 gewählte Vorgehensweise würde dazu führen, dass die Gemeinde die Kosten für die technisch erforderliche Deckschicht jeweils selbst tragen müsste. Denn eine Asphaltdecke in irgendeiner Ausführung läge vor.
16 
Die Auslegung des Verwaltungsgerichts sei auch vom Willen der Beklagten als Satzungsgeberin nicht gedeckt. In jahrelanger Übung habe die Rechtsprechung vergleichbare Merkmalsregelungen so ausgelegt, dass Asphaltstraßen erst dann endgültig hergestellt seien, wenn sie über eine Deckschicht aus Asphaltfeinbeton verfügten. Dieser Rechtsprechung sei die Praxis gefolgt. Eine Regelung, nach der jede beliebige Asphaltdecke zur endgültigen Herstellung einer Straße führe, habe die Beklagte nicht gewollt.
17 
Die Abweichung von dieser jahrzehntelang praktizierten Auslegung der Merkmalsregelung sei auch nicht durch die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geboten. Danach komme es für die endgültige Herstellung einer Erschließungsanlage nicht auf Details eines technischen Ausbaustandards an, die für den Bürger nicht erkennbar seien. Eine Abkehr vom allgemein anerkannten, für den Bürger ohne weiteres erkennbaren Erfordernis eines Feinbelags für die endgültige Herstellung einer Straße lasse sich dieser Entscheidung aber nicht entnehmen.
18 
Vor dem Ausbau 2008/2009 habe sich die Straße in einem Zustand befunden, der den Bürger klar erkennen habe lassen, dass sie nicht endgültig hergestellt gewesen sei. Nach den Ausbauarbeiten im Jahr 1968 habe sie lediglich eine Decke aus Bitumenkies gehabt. Des Weiteren habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, auf der gesamten Länge der Erschließungsanlage sei die Fahrbahnoberfläche bündig mit den Rinnsteinen hergestellt gewesen. Es gebe Aufnahmen aus der Zeit vor dem Ausbau 2008/2009, die belegten, dass die Rinnsteine zumindest in Teilen der Badstraße deutlich über den Straßenbelag hervorragten.
19 
Schließlich sei auch aus dem mangelhaften Ausbauzustand der Badstraße zwischen Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße (später: Mowag-Knoten) für den Bürger klar erkennbar, dass die Badstraße vor Abschluss der Ausbauarbeiten 2008/2009 noch nicht auf ihrer gesamten Länge endgültig hergestellt worden sei. Nach dem Bauprogramm der Beklagten sei für die Badstraße auf der gesamten Länge ein zweiseitiger Gehweg vorgesehen. In den Ausschreibungsunterlagen aus den Jahren 2008/2009 werde ausdrücklich die Herstellung eines zweiseitigen Gehwegs verlangt. In dem Bereich Kaminskistraße bis Feldbergstraße/Mowag-Knoten sei des Weiteren keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung vorhanden gewesen. Bordsteine oder Rinnengraben seien nicht vorhanden gewesen. Das betroffene Straßenstücks mache etwa 20 bis 25 % der Erschließungsanlage aus.
20 
Die Beklagte beantragt,
21 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 03.06.2014 - 3 K 5/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
22 
Der Kläger beantragt,
23 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
24 
Er meint: Bei ihm gehe es um den Teil der Badstraße zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße. Dieser Teil sei fertiggestellt gewesen. Dies habe die Beklagte sogar mit Schreiben vom 22.09.2011 bestätigt. Entgegen der Ausführung der Gegenseite sei darauf abzustellen, ob die Herstellung für den Bürger erkennbar gewesen sei. Die Badstraße sei bereits im Jahr 1968 sie mit einer Asphaltschicht bedeckt gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt habe es sogar eine Straßenentwässerung gegeben. Wenn der Durchschnittsbürger eine Straße ohne Schwierigkeiten befahren könne, sei sie funktionsfähig. Es komme dabei nicht darauf an, aus welchem Material die Deckschicht bestehe. Die Gegenseite behaupte, für den Bürger sei die Unfertigkeit der Straße stets erkennbar, wenn sie über keine Decke aus Feinasphalt verfüge. Dem sei entgegenzuhalten, dass die Bürger seit Jahrzehnten die Straße hätten nutzen können.
25 
Auf Hinweis des Berichterstatters, dass zu klären sei, ob es sich bei der jetzt fertiggestellten Anlage um ein Aliud handle, hat die Beklagte ergänzend ausgeführt: Maßgeblich sei die Merkmalsregelung der Erschließungsbeitragssatzung vom 12.12.2005 (EBS 2005). Danach seien Anbaustraßen erst dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stünden. Vor dem Ausbau 2008/2009 sei sie nicht Eigentümerin sämtlicher Flächen der Erschließungsanlage gewesen. Der Gehweg auf der Nordseite der Badstraße habe sich bis zum Ausbau 2008/2009 auf privaten Grundstücken befunden. Die verfrüht erlassenen Erschließungsbeitragsbescheide seien durch den zwischenzeitlichen Eigentumserwerb geheilt.
26 
Darüber hinaus handele es sich bei der Badstraße, wie sie 2008/2009 ausgebaut worden sei, im Vergleich zur vor dem Ausbau vorhandenen Straße um eine andere Erschließungsanlage. Denn die Straßenführung sei im östlichen Straßenabschnitt erheblich geändert worden. Während die Badstraße vor der Baumaßnahme im Osten in die Feldbergstraße gemündet habe, schließe sie nun direkt an den Mowag-Knoten an. Insbesondere der Zuschnitt des Grundstücks FISt.-Nr. ... sei im Zuge der Maßnahme erheblich geändert worden. Die Grundstücksfläche habe sich um gut ein Drittel verringert. Die ursprüngliche Badstraße sei zudem auf etwa einem Viertel bis einem Drittel ihrer Länge außerhalb der Fahrbahntrasse der neuen Badstraße verlaufen. Hinzu komme, dass die Fahrbahn der neuen Badstraße im östlichen Bereich gut doppelt so breit sei wie die ursprüngliche Straße. Insgesamt sei die neue Badstraße deutlich besser ausgebaut als die alte Straße. Sie verfüge insbesondere über einen durchgehenden Gehweg an ihrer Nordseite sowie leistungsfähige Entwässerungseinrichtungen auf ihrer gesamten Länge.
27 
Der Kläger hat wie folgt ergänzend Stellung genommen: Der Teil der Straße des Klägers sei fertig gewesen. Die Fahrbahndecke bestehe seit 1968. Es handele sich auch nicht um ein Aliud. Das Gebiet sei nicht völlig neu gestaltet und die Straße [neu] angelegt worden. Die Kosten des in den sechziger Jahren erfolgten Ausbaus seien wegen Verwirkung nicht durchsetzbar. Die Beklagte habe in dem Schreiben vom 22.09.2011 klar zum Ausdruck gebracht, dass der Kläger keinen Beitrag mehr schulde.
28 
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze, wegen der sonstigen Einzelheiten auf die einschlägigen Akten der Beklagten, die vorgelegten Bebauungspläne und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Freiburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
29 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht zu einem Erschließungsbeitrag für das jetzt abgerechnete Teilstück der Badstraße herangezogen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
30 
1. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt hier keine sogenannte historische Straße vor, also eine Straße, die bereits vor Inkrafttreten des Badischen Ortsstraßengesetzes vom 20.02.1868 als Ortsstraße vorhanden war. Das Vorhandensein einer historischen Ortsstraße hängt entscheidend von ihrer innerörtlichen Erschließungsfunktion ab, die durch den Baubestand repräsentiert wird, dem sie die erforderliche Zugänglichkeit vermittelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.02.1994 - 2 S 1287/93 - BWGZ 1994, 705 m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ist in dem historischen Gemarkungsatlas (Urmessung 1866 bis 1873) zwar eine Wegefläche im Bereich der heutigen Trasse der Badstraße eingezeichnet (wohl Flst.-Nr. ...). Gebäude haben sich jedoch weder im Bereich des Wegegrundstücks noch sonst irgendwo in dessen näherer Umgebung befunden. Daher ist nicht ersichtlich, dass der weit im - nach heutigem Verständnis - Außenbereich gelegene Weg dem Anbau innerhalb einer geschlossenen Ortslage gedient haben könnte.
31 
2. Es handelt sich bei der abrechneten Anlage auch nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann sie in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn es fehlt an der erforderlichen planerischen Festsetzung.
32 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -). Hier fehlt es - unstreitig - an einem derartigen Plan.
33 
3. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, jedenfalls bis zum jetzt strittigen Ausbau nicht entstanden.
34 
a) Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG bzw. BauGB grundsätzlich, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB durften solche Anlagen ansonsten nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden, an der es hier fehlt. Daneben war allerdings nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB eine Erschließungsanlage auch dann vom erschließungsrechtlichen Planerfordernis freigestellt, wenn es sich um eine Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile handelte, für die die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war. Diese Voraussetzung erfüllt eine Straße dann, wenn ihr Verlauf und ihre Ausgestaltung auf Grund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, derart festliegen, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts ändern könnte. Im vorliegenden Fall zeigt jedoch bereits ein Vergleich des früheren Verlaufs der Badstraße im Bereich des Mowag-Knotens mit der heutigen Planung und Herstellung in diesem Bereich, dass hier ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Straßenführung bestanden hat und eine eindeutigen Festlegung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht gegeben war (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.03.1990 - 2 S 2284/89 - juris m.w. Nachw.).
35 
b) Seit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs vom 27.08.1997 am 01.01.1998 ist eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr erforderlich. Denn nach der ab dem 01.01.1998 geltenden Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB dürfen beitragsfähige Erschließungsanlagen hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Nach dieser Neufassung ist die Rechtmäßigkeit der Herstellung beitragsfähiger Erschließungsanlagen nicht mehr von einer Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung ist davon auszugehen, dass § 125 Abs. 2 BauGB auf alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen anzuwenden ist, für welche die Rechtmäßigkeit der Herstellung am 31.12.1997 noch nicht durch eine erteilte Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde belegt war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2002 - 2 S 2585/01 - BWGZ 2002, 427 m.w. Nachw.).
36 
Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Bei dieser Prüfung nach § 125 Abs. 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sodass eine entsprechende Feststellung des Gemeinderats, die Herstellung z.B. einer Anbaustraße entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, erforderlich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 2 S 1657/06 - ESVGH 58, 165).
37 
Dass hier vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 eine solche Abwägungsentscheidung des Gemeinderats der Beklagten nach § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB stattgefunden haben könnte, ist nicht erkennbar. Ein entsprechender Vorgang ist nicht in den vorliegenden Akten dokumentiert. Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der gemeindeintern zuständige Gemeinderat eine entsprechende Feststellung getroffen haben könnte.
38 
c) Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gibt es zwar grundsätzlich eine planungsrechtliche Grundlage für die Herstellung der jetzt abgerechneten Erschließungsanlage. Der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand der Badstraße war jedoch von diesen Planungen nicht gedeckt.
39 
aa) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist zwar ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
40 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
41 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite von 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a).
42 
bb) Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus in dem Straßenstück zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße liegt im vorliegenden Fall - auch wenn man die gesamte abgerechnete Strecke der Badstraße in den Blick nimmt - eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der Planung vor. Laut Bebauungsplan war durchgehend eine Straßenbreite von mindestens neun Metern insgesamt, also für Fahrbahn und Gehweg zusammen, vorgesehen. In dem Teilstück der Badstraße zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße war jedoch tatsächlich nur eine Straßenbreite von ca. 4,50 m, also etwa der Hälfte, tatsächlich vorhanden. Daher mussten für die Errichtung der „neuen“ Straße erhebliche weitere, ehemals private, Grundstücksflächen außerhalb der vorhandenen Trasse der „alten“ Straße in Anspruch genommen werden. Die zuvor vorhandene tatsächliche Straßenbreite von nur 4,50 m unterscheidet sich aber nicht nur im Hinblick auf die nunmehr in Anspruch genommenen erheblichen weiteren, früher privaten Flächen, sondern auch im Hinblick auf ihre Verkehrsbedeutung deutlich von der geplanten und dementsprechend hergestellten Straße. Sie ließ zwar wohl gerade noch einen ausreichenden Begegnungsverkehr, nicht aber zusätzlich die jetzt realisierte Anlage eines Gehwegs auf der nördlichen Straßenseite zu. Durch die veränderte Verkehrsführung in diesem Teilstück hat sich der Charakter der Straße insgesamt verändert. Daher unterscheidet sich die objektive Verkehrsbedeutung der Erschließungsanlage insgesamt durch den geplanten Ausbau dieses Teilstücks erheblich von dem früher vorhandenen Zustand, auch wenn die veränderte Teilstrecke lediglich ca. 75 m misst. Weiter sieht der Plan auch eine andere Anbindung der Badstraße an das weiterführende Straßennetz in Richtung Osten vor. Dort ist statt der zuvor vorhandenen einfachen Einmündung in die Feldbergstraße nunmehr im Bereich des Zusammentreffens der Badstraße mit der Feldbergstraße, der Westendstraße und der Waldshuter Straße eine großflächige öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen, auf der eine Kreisverkehrsanlage, der sog. Mowag-Knoten, errichtet worden ist. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt die ursprünglich vorhandene Straße daher auch insgesamt ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in dem Bebauungsplan vorgesehenen Straße dar. Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen wie ein LKW-Fahrverbot haben bei dieser planungsrechtlichen Beurteilung demgegenüber außer Betracht zu bleiben.
43 
Hierbei handelt es sich zudem nicht nur um einen untergeordneten planerischen Gesichtspunkt. Die bewusst vorgenommene Veränderung der Verkehrssituation hat bei der Aufstellung des Bebauungsplans eine nicht nur unerhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus dessen Begründung deutlich hervor. In der Begründung des Bebauungsplans wird als erster Anlass für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans ausdrücklich die Neuplanung der Einmündung der L 157 in die L 159 (Mowag-Knoten) genannt. Dem in dem Plan zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzept und der Bewältigung der offenbar als verbesserungsbedürftig empfundenen Verkehrssituation in diesem Bereich kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers nicht nur eine gänzlich untergeordnete Rolle zu, sodass es sich bei den insoweit erfolgten Festsetzungen daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung handelt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die aufgezeigten Abweichungen von diesen Festsetzungen auch die Grundzüge der Planung berühren.
44 
Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass dem Plangeber bei Erlass des Bebauungsplans die vorhandene Verkehrssituation bekannt gewesen ist. Diese hat er offensichtlich nicht mehr hinnehmen und bewusst durch den Ausbau des östlichen Teilstücks der Badstraße und den veränderten Anschluss an das weiterführende Straßennetz durch den sog. Mowag-Knoten verbessern wollen. Diese in der - von der tatsächlich vorgefundenen Situation abweichende - Planung zum Ausdruck kommende Konzeption verbietet es, den bei Planerlass vorhandenen Straßenzustand als im Wesentlichen noch plangemäß anzusehen, da die erkennbare Intention des Plangebers gerade darauf abgezielt hat, den bisherigen Zustand zu verändern.
45 
d) Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen durch den 2008/2009 erfolgten tatsächlichen Ausbau (noch) nicht unmittelbar entstanden. Jedenfalls seit der seit 2005 geltenden Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (EBS 2005) gehört der Grunderwerb zu den Herstellungsmerkmalen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EBS 2005 sind Anbaustraßen u.a. dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stehen. Da der Grunderwerb hier erst am 18.01.2012 abgeschlossen war, konnte auch erst zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entstehen. Dass dies erst nach der Beitragserhebung durch die Beklagte erfolgt ist, ist unschädlich.
46 
4. Es ist auch keine erstmalige endgültige Herstellung der abgerechneten Erschließungsanlage durch frühere Baumaßnahmen in den 1960er Jahren mit kostenbegrenzender Wirkung erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte - wie geschehen - die Kosten der 2008/2009 durchgeführten Baumaßnahmen in voller Höhe abrechnen darf.
47 
a) Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich endgültig hergestellt, wenn sie erstens die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (vgl. § 132 Nr. 4 BauGB) erforderlichen Teileinrichtungen, zweitens die nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen flächenmäßigen Teileinrichtungen aufweist und diese drittens dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, KStZ 1996, 213; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -). Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1985, DVBl. 1986, 349; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
48 
b) Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er Jahre durchgeführten Baumaßnahmen kann allerdings nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gem. § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetzt und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiert. Es trifft zwar zu, dass das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten von einer nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßigen Straßenherstellung abhängt (s.o.). Für die Beantwortung der hier interessierenden Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, spielt die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB jedoch keine Rolle (vgl. Urteile des Senats vom 25.10.2001 - 2 S 730/00 - und vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
49 
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 21.10.1988 - 8 C 64.87 - NVwZ-RR 1989, 382; ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.; § 13 Rn. 53), der sich der Senat auch in Bezug auf die nunmehr erfolgte Regelung dieser Materie in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG anschließt, stellt sich die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung immer im Hinblick auf eine bestimmte Erschließungsanlage. Dies zwingt dazu, bei der Frage nach der zu beurteilenden Erschließungsanlage anzusetzen, d.h. der Erschließungsanlage als solcher. Erst wenn geklärt ist, was die Erschließungsanlage ist, kann - in einem zweiten Schritt - gefragt werden, ob diese Anlage durch die Baumaßnahme, die bzw. deren Kosten Gegenstand der Betrachtung sind, erstmalig hergestellt, d.h. gleichsam neu angelegt, oder aber nach einer früheren (erstmaligen) endgültigen Herstellung lediglich verändert, erweitert oder verbessert worden ist. Werden Straßenverhältnisse umgestaltet, so erfordert die Entscheidung über das Vorliegen einer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG), den neuen Zustand mit dem alten Zustand zu vergleichen. Grundlage dieses Vergleichs hat die Erschließungsanlage zu sein. Ist die ausgebaute Anbaustraße identisch mit einer bereits früher zu irgendeinem Zeitpunkt im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Verkehrsanlage, schließt das die Annahme aus, die für die abzurechnende Baumaßnahme entstandenen Kosten seien solche einer erstmaligen Herstellung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG. Fehlt es dagegen an einer solchen Identität, ist mithin die Erschließungsanlage, die durch die abzurechnende Baumaßnahme entstanden ist, nicht identisch mit einer bereits früher im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Anlage, sondern eine - insgesamt gesehen - andere Anlage, hat das zur Folge, dass diese Erschließungsanlage insgesamt erstmalig hergestellt worden ist und die Ausbaukosten Kosten ihrer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG) sind.
50 
d) Im vorliegenden Fall liegt unter Anwendung dieser Maßstäbe ein Aliud vor. Die jetzt ausgebaute Anlage ist nicht mit der seinerzeitigen Badstraße identisch und stellt daher in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht eine neue - andere - Anlage dar. Demzufolge kann die jetzt ausgebaute Straße schon aus rechtlichen Gründen nicht zu einem früheren Zeitpunkt bereits erstmals endgültig hergestellt worden sein. Denn bei der seinerseits hergestellten Badstraße handelt es sich im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne nicht um die jetzt abgerechnete Anlage. Dies hat im Übrigen der Sache nach auch bereits das Verwaltungsgericht erkannt, indem es ausgeführt hat, eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen, da der nunmehr erlassene Bebauungsplan jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand abdecke.
51 
Wie der Senat bereits unter 3.c) bb) im Einzelnen dargelegt hat, ist der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand des jetzt abgerechneten Teilstücks der Badstraße bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht mehr von den planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gedeckt. Zwar ist im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung möglicherweise nicht (ausschließlich) auf den im Plan vorgesehenen, sondern (auch) auf den tatsächlich realisierten Ausbauzustand abzustellen. Letztlich muss dieser Frage aber nicht weiter nachgegangen werden, weil der 2008/2009 erfolgte Ausbau in Einklang mit den Festsetzungen des Plans steht. Daher kann für die Frage, ob insgesamt noch dieselbe oder eine andere Anlage vorliegt, sinngemäß auf die entsprechenden Ausführungen unter 3.c) bb) verwiesen werden. Daraus ergibt sich, dass der im östlichen Teil der Anlage grundlegend veränderte Zuschnitt der Fahrbahn- und Gehwegflächen die Anlage insgesamt als ein Aliud im Vergleich zu dem früher vorhandenen Zustand erscheinen lässt. Daher kommt es letztlich nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob der frühere Ausbauzustand der Anlage in technischer Hinsicht überhaupt eine erstmalige endgültige Herstellung darstellen konnte.
52 
5. Schließlich steht auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend: Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820) der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Rechtsprechung, wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
53 
Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grund-sätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 sowie Senatsurteil vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 - juris). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
54 
a) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
55 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, überhaupt nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung ihrer Grundstücke nicht kostenfrei erstellen konnte. Gegenteiliges lässt sich auch nicht dem an die Grundstückseigentümer gerichteten Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 22.09.2011 entnehmen. Darin wird vielmehr - auf die Argumente der Grundstückseigentümer eingehend - ausführlich begründet, weshalb die Beklagte zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags verpflichtet und auch nicht berechtigt ist, dabei einen erhöhten gemeindlichen Eigenanteil abzusetzen. Zwar wird in dem Schreiben auch ausgeführt, dass der „Abschnitt“ zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße bereits „endgültig hergestellt“ gewesen sei. Diese Passage dient jedoch erkennbar nur als Begründung dafür, dass die Beklagte die Kosten für die Herstellung des Feinbelags auf diesem Teilstück nicht in die Beitragsbemessung einbezogen hat. Ob diese Nichteinbeziehung zu Recht erfolgt ist, kann dahinstehen, da sich dies aufwandsvermindernd und damit zugunsten der Beitragspflichtigen ausgewirkt hat.
56 
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass eine Erschließungsanlage oder eine Teilanlage nicht schon dann erstmalig hergestellt ist, wenn lediglich eine Teilstrecke den Anforderungen des Ausbauprogramms entspricht, sondern erst dann, wenn die Anlage in ihrer gesamten Länge und Breite, also in ihrer gesamten Ausdehnung diesen Anforderungen entspricht (vgl. Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 128 Rn. 20c). Deshalb kann es unter keinem Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein, ob bereits vor den jetzt abgerechneten Baumaßnahmen eine Teilstrecke in technischer Hinsicht erstmals endgültig hergestellt gewesen ist.
57 
b) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
58 
Hier ist zwar seit der in den 1960er erfolgten - zumindest provisorischen - Herstellung der „alten“ Badstraße ein sogar noch längerer Zeitraum verstrichen. Im Erschließungsbeitragsrecht kann die Frage, ob und ggf. seit wann eine Vorteilslage vorhanden war, jedoch immer nur in Bezug auf die jeweilige Erschließungsanlage beantwortet werden. Demgegenüber spielt es für die Beitragspflicht keine Rolle, ob ein Grundstück bereits durch eine andere Anlage erschlossen war oder ist. Dies zeigt sich besonders deutlich an den Fällen der Mehrfacherschließung, in denen ein Grundstück auch für mehrere Anlagen beitragspflichtig sein kann. Nachdem die „alte“ nicht mit der jetzt abgerechneten „neuen“ Erschließungsanlage identisch ist, mit anderen Worten also ein Aliud vorliegt, ist die Frage der Vorteilslage auch nur im Hinblick auf diese „neue“ - und damit zugleich andere - Erschließungsanlage zu prüfen. Da die hier abgerechnete Anlage erst im Jahr 2006 planerisch festgesetzt sowie 2008/2009 technisch hergestellt worden ist und ferner die sachliche Beitragspflicht sogar erst mit dem Abschluss des Grunderwerbs im Jahr 2012 entstehen konnte, ist in Bezug auf diese maßgebliche Anlage seit dem Entstehen der Vorteilslage nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
60 
Beschluss vom 20. März 2015
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.480,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
29 
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Beklagte hat den Kläger sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht zu einem Erschließungsbeitrag für das jetzt abgerechnete Teilstück der Badstraße herangezogen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Einzelnen:
30 
1. Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, liegt hier keine sogenannte historische Straße vor, also eine Straße, die bereits vor Inkrafttreten des Badischen Ortsstraßengesetzes vom 20.02.1868 als Ortsstraße vorhanden war. Das Vorhandensein einer historischen Ortsstraße hängt entscheidend von ihrer innerörtlichen Erschließungsfunktion ab, die durch den Baubestand repräsentiert wird, dem sie die erforderliche Zugänglichkeit vermittelt (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.02.1994 - 2 S 1287/93 - BWGZ 1994, 705 m.w. Nachw.). Im vorliegenden Fall ist in dem historischen Gemarkungsatlas (Urmessung 1866 bis 1873) zwar eine Wegefläche im Bereich der heutigen Trasse der Badstraße eingezeichnet (wohl Flst.-Nr. ...). Gebäude haben sich jedoch weder im Bereich des Wegegrundstücks noch sonst irgendwo in dessen näherer Umgebung befunden. Daher ist nicht ersichtlich, dass der weit im - nach heutigem Verständnis - Außenbereich gelegene Weg dem Anbau innerhalb einer geschlossenen Ortslage gedient haben könnte.
31 
2. Es handelt sich bei der abrechneten Anlage auch nicht um eine bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes vorhandene Straße. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann sie in bautechnischer Hinsicht die Anforderungen an eine innerörtliche Erschließungsanlage erfüllt hat. Denn es fehlt an der erforderlichen planerischen Festsetzung.
32 
Die Frage, ob eine Erschließungsanlage bei Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes bereits vorhanden war, beantwortet sich nach den vormaligen landesrechtlichen (oder ortsrechtlichen) Vorschriften (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1976 und 21.09.1979, Buchholz 406.11 § 132 BBauG Nr. 21 und Nr. 28; st. Rspr. des Senats, vgl. Urteile vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 04.08.1987 - 2 S 72/85 - BWGZ 1987, 903), im ehemals badischen Landesteil also nach dem badischen Ortsstraßengesetz vom 20.02.1868. Seit dessen Inkrafttreten konnte eine Ortsstraße im Rechtssinne, d.h. eine zum Anbau bestimmte oder dem Anbau dienende öffentliche Straße, nur auf Grund eines nach diesem Gesetz oder den späteren Aufbaugesetzen aufgestellten Ortsstraßen-, Straßen- und Baufluchten- oder Bebauungsplans entstehen, weil die Gemeinden neue Ortsstraßen nur nach den Vorschriften dieser Gesetze, d.h. nur nach Maßgabe verbindlicher Pläne, herstellten durften (vgl. Urteile des Senats vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; vom 08.11.2011 - 2 S 978/00 - BWGZ 2002, 183; vom 28.09.1999 - 2 S 2299/98 - und vom 22.03.1993 - 2 S 1575/91 -). Hier fehlt es - unstreitig - an einem derartigen Plan.
33 
3. Die sachliche Beitragspflicht für die Erschließungsanlage ist auch in der Folgezeit, also nach dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahr 1961, jedenfalls bis zum jetzt strittigen Ausbau nicht entstanden.
34 
a) Seit dem Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes im Jahre 1961 bestimmte § 125 Abs. 1 Satz 1 BBauG bzw. BauGB grundsätzlich, dass die Herstellung der öffentlichen Straßen einen Bebauungsplan voraussetzte. Gemäß § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB durften solche Anlagen ansonsten nur mit Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt werden, an der es hier fehlt. Daneben war allerdings nach § 125 Abs. 2 Satz 2 BBauG bzw. BauGB eine Erschließungsanlage auch dann vom erschließungsrechtlichen Planerfordernis freigestellt, wenn es sich um eine Anlage innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile handelte, für die die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich war. Diese Voraussetzung erfüllt eine Straße dann, wenn ihr Verlauf und ihre Ausgestaltung auf Grund der gegebenen Umstände, insbesondere infolge der vorhandenen Bebauung, derart festliegen, dass auch ein Bebauungsplan daran nichts ändern könnte. Im vorliegenden Fall zeigt jedoch bereits ein Vergleich des früheren Verlaufs der Badstraße im Bereich des Mowag-Knotens mit der heutigen Planung und Herstellung in diesem Bereich, dass hier ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Straßenführung bestanden hat und eine eindeutigen Festlegung aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse nicht gegeben war (vgl. zu einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 23.03.1990 - 2 S 2284/89 - juris m.w. Nachw.).
35 
b) Seit Inkrafttreten der Novelle des Baugesetzbuchs vom 27.08.1997 am 01.01.1998 ist eine Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nicht mehr erforderlich. Denn nach der ab dem 01.01.1998 geltenden Fassung des § 125 Abs. 2 BauGB dürfen beitragsfähige Erschließungsanlagen hergestellt werden, wenn sie den in § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen. Nach dieser Neufassung ist die Rechtmäßigkeit der Herstellung beitragsfähiger Erschließungsanlagen nicht mehr von einer Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde abhängig. Mangels einer abweichenden gesetzlichen Regelung ist davon auszugehen, dass § 125 Abs. 2 BauGB auf alle beitragsfähigen Erschließungsanlagen anzuwenden ist, für welche die Rechtmäßigkeit der Herstellung am 31.12.1997 noch nicht durch eine erteilte Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde belegt war (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 21.03.2002 - 2 S 2585/01 - BWGZ 2002, 427 m.w. Nachw.).
36 
Im Rahmen der ihr von § 125 Abs. 2 BauGB auferlegten Planungsentscheidung hat sich die Gemeinde an den planungsrechtlichen Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB zu orientieren, wobei ihr eine planerische Gestaltungsfreiheit zur Seite steht. Bei dieser Prüfung nach § 125 Abs. 2 BauGB handelt es sich nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, sodass eine entsprechende Feststellung des Gemeinderats, die Herstellung z.B. einer Anbaustraße entspreche den Anforderungen des § 1 Abs. 4 bis 7 BauGB, erforderlich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 18.12.2007 - 2 S 1657/06 - ESVGH 58, 165).
37 
Dass hier vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 eine solche Abwägungsentscheidung des Gemeinderats der Beklagten nach § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB stattgefunden haben könnte, ist nicht erkennbar. Ein entsprechender Vorgang ist nicht in den vorliegenden Akten dokumentiert. Auch sonst gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der gemeindeintern zuständige Gemeinderat eine entsprechende Feststellung getroffen haben könnte.
38 
c) Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gibt es zwar grundsätzlich eine planungsrechtliche Grundlage für die Herstellung der jetzt abgerechneten Erschließungsanlage. Der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand der Badstraße war jedoch von diesen Planungen nicht gedeckt.
39 
aa) Seit Inkrafttreten der BBauG-Novelle des Jahres 1979 am 01.08.1979 ist zwar ein planabweichender Minderausbau unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Voraussetzung ist aber in jedem Fall die Vereinbarkeit mit den Grundzügen der Planung (§§ 125 Abs. 1a BBauG, 125 Abs. 3 BauGB sowie 41 Abs. 1 KAG, der auf § 125 BauGB verweist).
40 
Hiernach muss bei der Planunterschreitung die Abweichung mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein. Dieses Erfordernis zeigt, dass nicht jede Planunterschreitung zulässig ist. Der Bindungskern, der die Einhaltung der Grundzüge der Planung erfordert, gilt für jede Planabweichung. Entscheidend ist, dass das der Planung zu Grunde liegende Leitbild nicht verändert wird, d.h. der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren danach die Grundzüge der Planung nicht. Differenzierungskriterium ist der im Bebauungsplan zum Ausdruck kommende planerische Wille der Gemeinde. Eine Abweichung von den Festsetzungen eines Bebauungsplans ist mit den Grundzügen der Planung vereinbar, wenn die vom Plan angestrebte und in ihm zum Ausdruck gebrachte städtebauliche Ordnung nicht in beachtlicher Weise beeinträchtigt wird, d.h., wenn die Abweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plan gewollt hat oder zumindest gewollt hätte. Die Vereinbarkeit der planabweichenden Herstellung einer Erschließungsanlage mit dem Planungskonzept ist zu bejahen, soweit hinsichtlich Lage, Größe und Funktion der erstellten Anlage kein Aliud gegenüber den Festsetzungen des Bebauungsplans vorliegt. Umgekehrt ist die abweichende Erschließungsanlage dann mit den Grundzügen der Planung nicht mehr vereinbar, wenn das Konzept der geordneten städtebaulichen Entwicklung, wie es in den Festsetzungen des Bebauungsplans zum Ausdruck kommt, in wesentlichen Punkten geändert wird (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris; Ernst/Grziwotz in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, § 125 Rn. 14 ff. m.w. Nachw.).
41 
Nach diesen Grundsätzen kann zwar ein Minderausbau in einer Straßenbreite von 5,50 m bei einer festgesetzten Straßenbreite von 6,25 m bis 7,50 m noch mit den Grundzügen der Planung vereinbar sein (vgl. Senatsurteil vom 19.11.1992 - 2 S 1908/90 - juris). Wird demgegenüber eine Straße, verglichen mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes, nur in halber Breite ausgebaut, ist diese Planabweichung im Allgemeinen nicht mehr mit den Grundzügen der Planung vereinbar (vgl. vgl. Ernst/Grziwotz, aaO, Rn. 14a).
42 
bb) Angesichts des hier gegebenen erheblichen Minderausbaus in dem Straßenstück zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße liegt im vorliegenden Fall - auch wenn man die gesamte abgerechnete Strecke der Badstraße in den Blick nimmt - eine erhebliche Abweichung von den Planungen der Beklagten und damit keine Übereinstimmung mit den Grundzügen der Planung vor. Laut Bebauungsplan war durchgehend eine Straßenbreite von mindestens neun Metern insgesamt, also für Fahrbahn und Gehweg zusammen, vorgesehen. In dem Teilstück der Badstraße zwischen der Einmündung der Kaminskistraße und der Einmündung in die Feldbergstraße war jedoch tatsächlich nur eine Straßenbreite von ca. 4,50 m, also etwa der Hälfte, tatsächlich vorhanden. Daher mussten für die Errichtung der „neuen“ Straße erhebliche weitere, ehemals private, Grundstücksflächen außerhalb der vorhandenen Trasse der „alten“ Straße in Anspruch genommen werden. Die zuvor vorhandene tatsächliche Straßenbreite von nur 4,50 m unterscheidet sich aber nicht nur im Hinblick auf die nunmehr in Anspruch genommenen erheblichen weiteren, früher privaten Flächen, sondern auch im Hinblick auf ihre Verkehrsbedeutung deutlich von der geplanten und dementsprechend hergestellten Straße. Sie ließ zwar wohl gerade noch einen ausreichenden Begegnungsverkehr, nicht aber zusätzlich die jetzt realisierte Anlage eines Gehwegs auf der nördlichen Straßenseite zu. Durch die veränderte Verkehrsführung in diesem Teilstück hat sich der Charakter der Straße insgesamt verändert. Daher unterscheidet sich die objektive Verkehrsbedeutung der Erschließungsanlage insgesamt durch den geplanten Ausbau dieses Teilstücks erheblich von dem früher vorhandenen Zustand, auch wenn die veränderte Teilstrecke lediglich ca. 75 m misst. Weiter sieht der Plan auch eine andere Anbindung der Badstraße an das weiterführende Straßennetz in Richtung Osten vor. Dort ist statt der zuvor vorhandenen einfachen Einmündung in die Feldbergstraße nunmehr im Bereich des Zusammentreffens der Badstraße mit der Feldbergstraße, der Westendstraße und der Waldshuter Straße eine großflächige öffentliche Verkehrsfläche vorgesehen, auf der eine Kreisverkehrsanlage, der sog. Mowag-Knoten, errichtet worden ist. In verkehrstechnischer Hinsicht stellt die ursprünglich vorhandene Straße daher auch insgesamt ein deutliches Aliud im Vergleich zu der in dem Bebauungsplan vorgesehenen Straße dar. Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen wie ein LKW-Fahrverbot haben bei dieser planungsrechtlichen Beurteilung demgegenüber außer Betracht zu bleiben.
43 
Hierbei handelt es sich zudem nicht nur um einen untergeordneten planerischen Gesichtspunkt. Die bewusst vorgenommene Veränderung der Verkehrssituation hat bei der Aufstellung des Bebauungsplans eine nicht nur unerhebliche Rolle gespielt. Dies geht aus dessen Begründung deutlich hervor. In der Begründung des Bebauungsplans wird als erster Anlass für den Aufstellungsbeschluss des Bebauungsplans ausdrücklich die Neuplanung der Einmündung der L 157 in die L 159 (Mowag-Knoten) genannt. Dem in dem Plan zum Ausdruck kommenden Verkehrskonzept und der Bewältigung der offenbar als verbesserungsbedürftig empfundenen Verkehrssituation in diesem Bereich kommt mithin nach den Vorstellungen des Plangebers nicht nur eine gänzlich untergeordnete Rolle zu, sodass es sich bei den insoweit erfolgten Festsetzungen daher keinesfalls nur um unbedeutende Nebenaspekte der Planung handelt. Dies hat wiederum zur Folge, dass die aufgezeigten Abweichungen von diesen Festsetzungen auch die Grundzüge der Planung berühren.
44 
Schließlich ist im vorliegenden Fall zu beachten, dass dem Plangeber bei Erlass des Bebauungsplans die vorhandene Verkehrssituation bekannt gewesen ist. Diese hat er offensichtlich nicht mehr hinnehmen und bewusst durch den Ausbau des östlichen Teilstücks der Badstraße und den veränderten Anschluss an das weiterführende Straßennetz durch den sog. Mowag-Knoten verbessern wollen. Diese in der - von der tatsächlich vorgefundenen Situation abweichende - Planung zum Ausdruck kommende Konzeption verbietet es, den bei Planerlass vorhandenen Straßenzustand als im Wesentlichen noch plangemäß anzusehen, da die erkennbare Intention des Plangebers gerade darauf abgezielt hat, den bisherigen Zustand zu verändern.
45 
d) Die sachliche Beitragspflicht ist aber ungeachtet dessen durch den 2008/2009 erfolgten tatsächlichen Ausbau (noch) nicht unmittelbar entstanden. Jedenfalls seit der seit 2005 geltenden Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten (EBS 2005) gehört der Grunderwerb zu den Herstellungsmerkmalen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EBS 2005 sind Anbaustraßen u.a. dann endgültig hergestellt, wenn ihre Flächen im Eigentum der Gemeinde stehen. Da der Grunderwerb hier erst am 18.01.2012 abgeschlossen war, konnte auch erst zu diesem Zeitpunkt die sachliche Beitragspflicht entstehen. Dass dies erst nach der Beitragserhebung durch die Beklagte erfolgt ist, ist unschädlich.
46 
4. Es ist auch keine erstmalige endgültige Herstellung der abgerechneten Erschließungsanlage durch frühere Baumaßnahmen in den 1960er Jahren mit kostenbegrenzender Wirkung erfolgt. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte - wie geschehen - die Kosten der 2008/2009 durchgeführten Baumaßnahmen in voller Höhe abrechnen darf.
47 
a) Seit Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 30.06.1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich endgültig hergestellt, wenn sie erstens die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm (vgl. § 132 Nr. 4 BauGB) erforderlichen Teileinrichtungen, zweitens die nach dem (formlosen) Bauprogramm erforderlichen flächenmäßigen Teileinrichtungen aufweist und diese drittens dem jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogramm entsprechen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19.10.1995, KStZ 1996, 213; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -). Ist eine Anbaustraße insgesamt oder eine ihrer Teilanlagen (etwa die Straßenentwässerung) im oben beschriebenen Sinne bereits durch eine frühere Baumaßnahme endgültig hergestellt worden, ist die Gemeinde gehindert, die Anbaustraße oder die Teilanlage im Zuge eines späteren Ausbaus wieder mit erschließungsbeitragsrechtlicher Auswirkung zu ändern. Berücksichtigungsfähig sind dann vielmehr nicht die Änderungskosten eines späteren Ausbaus, sondern ausschließlich diejenigen Kosten, die durch die erstmalige, seinerzeit bereits endgültige Fertigstellung entstanden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1985, DVBl. 1986, 349; Urteil des Senats vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
48 
b) Eine endgültige Herstellung mit kostenbegrenzender Wirkung durch die bis Ende der 1960er Jahre durchgeführten Baumaßnahmen kann allerdings nicht bereits deshalb verneint werden, weil die Herstellung einer Erschließungsanlage gem. § 125 Abs. 1 BauGB einen Bebauungsplan voraussetzt und ein solcher erst seit dem Jahr 2006 existiert. Es trifft zwar zu, dass das Entstehen sachlicher Erschließungsbeitragspflichten von einer nach Maßgabe des § 125 BauGB rechtmäßigen Straßenherstellung abhängt (s.o.). Für die Beantwortung der hier interessierenden Frage, ob eine Teileinrichtung einer Erschließungsanlage mit kostenbegrenzender Wirkung bereits früher endgültig hergestellt worden ist, spielt die Rechtmäßigkeit der Straßenherstellung nach § 125 BauGB jedoch keine Rolle (vgl. Urteile des Senats vom 25.10.2001 - 2 S 730/00 - und vom 06.02.1997 - 2 S 1966/95 -).
49 
c) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum bundesrechtlichen Erschließungsbeitragsrecht (BVerwG, Urteil vom 21.10.1988 - 8 C 64.87 - NVwZ-RR 1989, 382; ebenso Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl.; § 13 Rn. 53), der sich der Senat auch in Bezug auf die nunmehr erfolgte Regelung dieser Materie in § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG anschließt, stellt sich die Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung immer im Hinblick auf eine bestimmte Erschließungsanlage. Dies zwingt dazu, bei der Frage nach der zu beurteilenden Erschließungsanlage anzusetzen, d.h. der Erschließungsanlage als solcher. Erst wenn geklärt ist, was die Erschließungsanlage ist, kann - in einem zweiten Schritt - gefragt werden, ob diese Anlage durch die Baumaßnahme, die bzw. deren Kosten Gegenstand der Betrachtung sind, erstmalig hergestellt, d.h. gleichsam neu angelegt, oder aber nach einer früheren (erstmaligen) endgültigen Herstellung lediglich verändert, erweitert oder verbessert worden ist. Werden Straßenverhältnisse umgestaltet, so erfordert die Entscheidung über das Vorliegen einer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG), den neuen Zustand mit dem alten Zustand zu vergleichen. Grundlage dieses Vergleichs hat die Erschließungsanlage zu sein. Ist die ausgebaute Anbaustraße identisch mit einer bereits früher zu irgendeinem Zeitpunkt im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Verkehrsanlage, schließt das die Annahme aus, die für die abzurechnende Baumaßnahme entstandenen Kosten seien solche einer erstmaligen Herstellung im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG. Fehlt es dagegen an einer solchen Identität, ist mithin die Erschließungsanlage, die durch die abzurechnende Baumaßnahme entstanden ist, nicht identisch mit einer bereits früher im Sinne des Erschließungsbeitragsrechts endgültig hergestellten Anlage, sondern eine - insgesamt gesehen - andere Anlage, hat das zur Folge, dass diese Erschließungsanlage insgesamt erstmalig hergestellt worden ist und die Ausbaukosten Kosten ihrer erstmaligen Herstellung (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG bzw. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBauG) sind.
50 
d) Im vorliegenden Fall liegt unter Anwendung dieser Maßstäbe ein Aliud vor. Die jetzt ausgebaute Anlage ist nicht mit der seinerzeitigen Badstraße identisch und stellt daher in erschließungsbeitragsrechtlicher Hinsicht eine neue - andere - Anlage dar. Demzufolge kann die jetzt ausgebaute Straße schon aus rechtlichen Gründen nicht zu einem früheren Zeitpunkt bereits erstmals endgültig hergestellt worden sein. Denn bei der seinerseits hergestellten Badstraße handelt es sich im erschließungsbeitragsrechtlichen Sinne nicht um die jetzt abgerechnete Anlage. Dies hat im Übrigen der Sache nach auch bereits das Verwaltungsgericht erkannt, indem es ausgeführt hat, eine Abrechnung der durch den Ausbau in den 1960er Jahren entstandenen Kosten sei ausgeschlossen, da der nunmehr erlassene Bebauungsplan jedenfalls im Bereich zwischen Kaminski- und Feldbergstraße nicht den früheren Ausbauzustand abdecke.
51 
Wie der Senat bereits unter 3.c) bb) im Einzelnen dargelegt hat, ist der vor dem jetzt strittigen Ausbau in den Jahren 2008/2009 vorhandene Ausbauzustand des jetzt abgerechneten Teilstücks der Badstraße bei einer wertenden Gesamtbetrachtung nicht mehr von den planerischen Festsetzungen des Bebauungsplans „Mittlere Breite - Spitzäcker" vom 23.05.2006 gedeckt. Zwar ist im Zusammenhang mit der hier interessierenden Frage der erstmaligen endgültigen Herstellung möglicherweise nicht (ausschließlich) auf den im Plan vorgesehenen, sondern (auch) auf den tatsächlich realisierten Ausbauzustand abzustellen. Letztlich muss dieser Frage aber nicht weiter nachgegangen werden, weil der 2008/2009 erfolgte Ausbau in Einklang mit den Festsetzungen des Plans steht. Daher kann für die Frage, ob insgesamt noch dieselbe oder eine andere Anlage vorliegt, sinngemäß auf die entsprechenden Ausführungen unter 3.c) bb) verwiesen werden. Daraus ergibt sich, dass der im östlichen Teil der Anlage grundlegend veränderte Zuschnitt der Fahrbahn- und Gehwegflächen die Anlage insgesamt als ein Aliud im Vergleich zu dem früher vorhandenen Zustand erscheinen lässt. Daher kommt es letztlich nicht auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage an, ob der frühere Ausbauzustand der Anlage in technischer Hinsicht überhaupt eine erstmalige endgültige Herstellung darstellen konnte.
52 
5. Schließlich steht auch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend: Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - BGBl I 2013, 820) der Beitragserhebung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Diese Rechtsprechung, wonach Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach der Erlangung des Vorteils erhoben werden dürfen, lässt sich wohl schon von vornherein nicht ohne Weiteres auf die hier vorliegende Konstellation übertragen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erging zu einem Rechtsstreit über die Erhebung eines Anschlussbeitrags. Anders als im Anschlussbeitragsrecht dürfte im Erschließungsbeitragsrecht vor dem Entstehen der sachlichen Beitragspflicht in der Regel aber noch keine endgültige tatsächliche Vorteilslage entstanden sein, die ein Vertrauen des Bürgers, irgendwann einmal nicht mehr mit einem Beitrag behelligt zu werden, begründen könnte. Die Situation ist insoweit nicht mit der Lage bei den Anschlussbeiträgen vergleichbar, bei denen eine dauerhafte tatsächliche Vorteilslage regelmäßig bereits mit Vornahme des Anschlusses oder sogar schon bei Bestehen der Anschlussmöglichkeit entsteht (vgl. Senatsurteil vom 10.07.2014 - 2 S 2228/13 - juris).
53 
Dies kann aber letzten Endes dahinstehen. Denn auch unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grund-sätze ist hier eine etwaige absolute zeitliche Obergrenze der Beitragserhebung nicht überschritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze in seiner neueren Rechtsprechung präzisiert und dabei betont, dass durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Erhebung öffentlich-rechtlicher Abgaben sichergestellt werden kann (vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211 sowie Senatsurteil vom 27.01.2015 - 2 S 1840/14 - juris). Der Geltendmachung eines Beitrags, der den betroffenen Eigentümer in dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit verletzt, steht hiernach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb so auszulegen, dass eine Erhebung von Beiträgen, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist.
54 
a) Treuwidrig ist die Abgabenerhebung nach dieser neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum einen dann, wenn es aufgrund einer Pflichtverletzung der Gemeinde unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheint, den Bürger mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen ist dabei ein enger Maßstab.
55 
Eine solche Unzumutbarkeit kann hier nicht angenommen werden. Ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, überhaupt nicht mit einem Erschließungsbeitrag belastet zu werden, konnte bei den Grundstückseigentümern nicht entstehen, denn ihnen musste klar sein, dass die Gemeinde die Erschließung ihrer Grundstücke nicht kostenfrei erstellen konnte. Gegenteiliges lässt sich auch nicht dem an die Grundstückseigentümer gerichteten Schreiben des Bürgermeisters der Beklagten vom 22.09.2011 entnehmen. Darin wird vielmehr - auf die Argumente der Grundstückseigentümer eingehend - ausführlich begründet, weshalb die Beklagte zur Erhebung eines Erschließungsbeitrags verpflichtet und auch nicht berechtigt ist, dabei einen erhöhten gemeindlichen Eigenanteil abzusetzen. Zwar wird in dem Schreiben auch ausgeführt, dass der „Abschnitt“ zwischen der Hebelstraße und der Hermann-Simon-Straße/Kaitlestraße bereits „endgültig hergestellt“ gewesen sei. Diese Passage dient jedoch erkennbar nur als Begründung dafür, dass die Beklagte die Kosten für die Herstellung des Feinbelags auf diesem Teilstück nicht in die Beitragsbemessung einbezogen hat. Ob diese Nichteinbeziehung zu Recht erfolgt ist, kann dahinstehen, da sich dies aufwandsvermindernd und damit zugunsten der Beitragspflichtigen ausgewirkt hat.
56 
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass eine Erschließungsanlage oder eine Teilanlage nicht schon dann erstmalig hergestellt ist, wenn lediglich eine Teilstrecke den Anforderungen des Ausbauprogramms entspricht, sondern erst dann, wenn die Anlage in ihrer gesamten Länge und Breite, also in ihrer gesamten Ausdehnung diesen Anforderungen entspricht (vgl. Grziwotz in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 128 Rn. 20c). Deshalb kann es unter keinem Gesichtspunkt entscheidungserheblich sein, ob bereits vor den jetzt abgerechneten Baumaßnahmen eine Teilstrecke in technischer Hinsicht erstmals endgültig hergestellt gewesen ist.
57 
b) Darüber hinaus kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum anderen auch auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden. Zu denken ist etwa an die Regelung in § 53 Abs. 2 VwVfG, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Diese Vorschrift ist hier zwar nicht unmittelbar anwendbar. Die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken (vgl. auch BayVGH, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 - juris Rn. 22) - und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) - kann nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden.
58 
Hier ist zwar seit der in den 1960er erfolgten - zumindest provisorischen - Herstellung der „alten“ Badstraße ein sogar noch längerer Zeitraum verstrichen. Im Erschließungsbeitragsrecht kann die Frage, ob und ggf. seit wann eine Vorteilslage vorhanden war, jedoch immer nur in Bezug auf die jeweilige Erschließungsanlage beantwortet werden. Demgegenüber spielt es für die Beitragspflicht keine Rolle, ob ein Grundstück bereits durch eine andere Anlage erschlossen war oder ist. Dies zeigt sich besonders deutlich an den Fällen der Mehrfacherschließung, in denen ein Grundstück auch für mehrere Anlagen beitragspflichtig sein kann. Nachdem die „alte“ nicht mit der jetzt abgerechneten „neuen“ Erschließungsanlage identisch ist, mit anderen Worten also ein Aliud vorliegt, ist die Frage der Vorteilslage auch nur im Hinblick auf diese „neue“ - und damit zugleich andere - Erschließungsanlage zu prüfen. Da die hier abgerechnete Anlage erst im Jahr 2006 planerisch festgesetzt sowie 2008/2009 technisch hergestellt worden ist und ferner die sachliche Beitragspflicht sogar erst mit dem Abschluss des Grunderwerbs im Jahr 2012 entstehen konnte, ist in Bezug auf diese maßgebliche Anlage seit dem Entstehen der Vorteilslage nur ein relativ kurzer Zeitraum verstrichen, der noch nicht einmal annähernd die Höchstgrenze von 30 Jahren erreicht.
59 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
60 
Beschluss vom 20. März 2015
61 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.480,88 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
62 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

1. Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.

4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass die Beklagte nicht mehr dazu berechtigt ist, sie zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen heranzuziehen.
Die Klägerin ist mit einem Anteil von 639,93/1.000 Miteigentümerin des in der Gemarkung der Beklagten liegenden Grundstücks Flst.-Nr. ..., .... Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es wurde 1955 errichtet. In den 1950er Jahren wurden Wasserversorgungsleitungen zu dem Grundstück gelegt. Zwischen den Beteiligten steht im Streit, ob es von Anfang an an die Wasserversorgungseinrichtungen angeschlossen war. Jedenfalls seit 1978 ist dies der Fall.
Die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg (GPA) hatte in Prüfungsberichten vom 30.09.1993 (Haushaltsjahre 1989 bis 1991), vom 15.12.1999 (1995 bis 1998) und vom 23.05.2002 (1999 bis 2000) wiederholt moniert, dass das Satzungsrecht der Beklagten zum Abwasser- und Wasserversorgungsbeitragsrecht fehlerhaft und ihre Verwaltungspraxis zur Erhebung von Erschließungs-, Abwasser- und Wasserversorgungsbeiträgen mangelhaft sei. In einem weiteren Prüfungsbericht vom 22.03.2007 (2001 bis 2004) führte die GPA aus, sie habe schwerpunktmäßig den Bereich der Anschlussbeiträge untersucht und festgestellt, dass aufgrund der „seit Jahrzehnten in diesem Bereich unzureichenden Aktenführung und Dokumentation der Stand der Beitragserhebung nicht abschließend ermittelt werden konnte.“ Es sei aber davon auszugehen, dass die Beiträge in der Vergangenheit nicht vollständig und satzungsgemäß erhoben worden seien. In vielen Fällen seien Beiträge entgegen der satzungsrechtlichen Bestimmungen erst beim Anschluss des Anwesens an die Kanalisation bzw. Wasserversorgung erhoben worden und die diesbezüglichen Beitragsbescheide hätten wegen bereits eingetretener Festsetzungsverjährung wieder aufgehoben werden müssen. In anderen Fällen seien aufgrund der unzureichenden Dokumentation auch Grundstücke veranlagt worden, die in früheren Jahren schon einmal zum Beitrag für die Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung herangezogen worden seien. Bei einer Vielzahl von Grundstücken könne nach Aktenlage nicht geklärt werden, ob eine Beitragserhebung stattgefunden habe. Das Beitragswesen der Beklagten müsse grundsätzlich geordnet werden und sie müsse zwingend die erforderlichen satzungsrechtlichen Grundlagen schaffen.
Mit Schreiben vom 28.01.2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die GPA habe vor geraumer Zeit festgestellt, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Beschaffung von Haushaltsmitteln im Bereich von Anschlussbeiträgen in den letzten Jahren vernachlässigt habe. Es könne sein, dass in einer Straße einige Grundstückseigentümer bereits an den Kosten für die Errichtung von Abwasser- und Wasserversorgungseinrichtungen beteiligt worden seien, andere Eigentümer dagegen nicht. Dieser Zustand sei nicht nur ungerecht, sondern auch haushaltsrechtlich bedenklich. Die Aufsichtsbehörde könne die Genehmigung des Haushalts der Beklagten nämlich davon abhängig machen, dass diese alle noch nicht vereinnahmten Beiträge erhebe. Ohne Haushalt sei die Beklagte aber nur sehr eingeschränkt handlungsfähig. Aus diesem Grund arbeite sie schon seit einiger Zeit den Bereich Anschlussbeiträge auf. Dabei habe sich gezeigt, dass in mehreren Fällen keine Beiträge erhoben worden seien. Die Beklagte sei verpflichtet, diese noch ausstehenden Anschlussbeiträge zu erheben, dies selbst dann, wenn der Anschluss an die öffentlichen Wasserversorgungs- und Abwassereinrichtungen bereits vor vielen Jahren erfolgt sei. In den Verwaltungsakten seien keine Unterlagen über eine Beitragszahlung für das Grundstück der Klägerin gefunden worden. Nach der Rechtsprechung müsse die Beklagte deshalb davon ausgehen, dass die Klägerin für das Grundstück noch Wasserversorgungs- und Klärbeiträge bezahlen müsse, wenn sie nicht den Nachweis führe, dass sie bereits Beiträge bezahlt habe. Dafür habe sie einen Monat nach Zugang des Schreibens Zeit. Bei dem Schreiben handele es sich um ein reines Informationsschreiben und keinen Bescheid. Die Klägerin könne dagegen keinen Widerspruch einlegen.
Die Klägerin wandte sich hierauf an das Landratsamt Calw als Rechtsaufsichtsbehörde. Das Landratsamt teilte ihr mit Schreiben vom 05.04.2011 mit, die von der GPA angemahnte Aufarbeitung habe ergeben, dass die Beklagte derzeit über kein wirksames Satzungsrecht für das Anschlussbeitragswesen verfüge. Bis 1984 seien die satzungsmäßig festgelegten Beiträge nicht durch eine Globalberechnung ermittelt worden. Im Jahr 1984 sei zwar eine Globalberechnung erstellt worden. Diese habe jedoch mindestens an formellen Fehlern gelitten. Im Ergebnis sei auch nach 1984 kein wirksames Satzungsrecht geschaffen worden. Mangels Satzung habe keine Beitragspflicht entstehen und keine Verjährung oder Verwirkung eintreten können. Es sei beabsichtigt, erstmals im Jahr 2011 wirksame Satzungen zu erlassen. Es stehe außer Frage, dass die bisher nicht erhobenen und verjährten Anschlussbeiträge dann erhoben werden müssten.
Die Klägerin forderte die Beklagte nach weiterem Schriftwechsel mit Schreiben vom 13.08.2013 auf zu bestätigen, dass sie keine Bescheide mehr zu „Kommunalabgaben (Wasserversorgungsbeitrag, Kanalbeitrag, Klärbeitrag und Erschließungsbeiträge)“ erlassen werde, die sich auf Maßnahmen bezögen, die vor dem 01.01.2011 durchgeführt worden seien und bei denen der Klägerin als Eigentümerin bis zum 31.12.2000 ein Vorteil im Sinne des Kommunalabgabengesetzes entstanden sei. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
Die Klägerin hat am 07.09.2013 Klage erhoben. Sie verweist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -. Darin sei entschieden worden, dass die Erhebung von Anschlussbeiträgen nach dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit nur zeitlich begrenzt zulässig sei. Das Bundesverfassungsgericht habe bereits einen Zeitraum von zwölf Jahren als zu lang angesehen. Die Vorgehensweise der Beklagte sei daher erst recht rechtswidrig, denn sie beabsichtige, Beitragsbescheide für Maßnahmen zu erlassen, die 20 bis 50 Jahre zurücklägen. Der Klägerin habe ein berechtigtes Interesse, im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes klären zu lassen, dass dies nicht mehr möglich sei. Vorbeugender Rechtsschutz sei jedenfalls zulässig, wenn eine Verwaltung, wie hier die Beklagte, den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 ankündige, die Bescheide über zweieinhalb Jahre nicht versende, ihre Akten so schlampig führe, dass sie keinen Überblick über Beitragszahlungen in der Vergangenheit habe und dann versuche, den Grundstückseigentümern das Risiko dieses Verwaltungshandeln aufzubürden. Der Klägerin sei es nicht zuzumuten, weitere Jahre in Ungewissheit abzuwarten, zumal sie sich mir dem Gedanken trage, ihre Immobilie zu veräußern.
Die Klägerin beantragt - nachdem die Beklagte erklärt hat, die Klägerin nicht mehr zum Abwasserbeitrag für ihr Grundstück heranzuziehen, und die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben - zuletzt,
1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, einen Anschlussbeitrag gem. § 29 KAG für die Wasserversorgung zu verlangen für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen, die vor dem 31.12.2000 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer dieser Immobilie nutzbar sind,
10 
2. festzustellen, dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin für die in deren Eigentum stehende Eigentumswohnung ..., ..., 639,39/1.000-stel Miteigentumsanteil, Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden.
11 
Die Beklagte beantragt,
12 
die Klage abzuweisen.
13 
Sie meint, die Klage sei unzulässig. Es fehle an dem für die Erhebung einer vorbeugenden Feststellungsklage erforderlichen qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis. Es treffe zu, dass Sie im Begriff sei, ihre bisherige Praxis zur Beitragserhebung im Bereich des Wasserversorgungs-, Abwasser- und Erschließungsbeitragsrechts aufzuarbeiten. Sie beabsichtige, die Beitragserhebung für sämtliche Anlagen zu überprüfen, die nach dem Inkrafttreten des Kommunalabgabengesetzes am 01.04.1964 errichtet worden seien. Abgeschlossen sei bislang lediglich die Aufarbeitung für den Bereich der Abwasserbeseitigung. Hierzu sei am 25.07.2012 eine Abwassersatzung beschlossen worden. Ein Abwasserbeitragsbescheid drohe der Klägerin danach nicht, weil ihr Grundstück bereits vor dem 01.04.1964 an die Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten angeschlossen gewesen sei. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand müsse zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin möglicherweise noch zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen herangezogen werde. Sie habe sich aber zunächst dazu entschlossen, die weitere Aufarbeitung der Beitragserhebung in diesen beiden Bereichen solange auszusetzen, bis über die Erhebung der Abwasserbeiträge in den zu erwartenden Klageverfahren entschieden worden sei. Hierzu ruhten etwa 230 Widerspruchsverfahren. Es sei beabsichtigt, dazu im Herbst 2014 Musterverfahren auszuwählen und vor das Verwaltungsgericht zu bringen. „Gegenwärtig und bis auf weiteres“ drohten der Klägerin daher keine Bescheide über Wasserversorgungs- oder Erschließungsbeiträge. Sie könne abwarten, bis die voraussichtlichen Beitragsbescheide ergingen, und diese dann mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifen. Der bis dahin schwebende Zustand sei ihr zuzumuten.
14 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge (1 Ordner mit losem Schriftverkehr aus der Zeit vom 13.08.2013 bis 15.04.2014) verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Heranziehung der Klägerin zum Abwasserbeitrag übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in analoger Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
16 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 zulässig und teilweise begründet (dazu nachfolgend 1.), mit ihrem Klageantrag zu 2 dagegen unzulässig (dazu 2.).
17 
1. Die Klage ist mit ihrem die künftige Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag betreffenden Klageantrag zu 1 zulässig. Die Klägerin hat insbesondere das für eine vorbeugende Feststellungsklage erforderliche spezielle, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24.10.2013 - 7 C 13/12 -, juris Rn. 41; Urteil vom 23.05.1986 - 8 C 5/85 -, juris Rn. 26; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2003 - 9 S 2526/03 -, juris Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 33 m.w.N.; zum Kommunalabgabenrecht VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 -, juris Rn. 15 ff., 19). Sie kann nicht mehr in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung - den Erlass eines Wasserversorgungsbeitragsbescheides - verwiesen werden.
18 
Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes entsteht im Kommunalabgabenrecht nicht allein deshalb, weil die Behörde einem Bürger den Erlass eines Abgabenbescheids in Aussicht stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 14.01.1993 - 2 S 1040/91 - ebd.; v. Albedyll, in: Bader u.a., VwGO, 5. Aufl. 2010, § 43 Rn. 42, 44). Ein Zuwarten auf die Entscheidung der Behörde kann allerdings dann unzumutbar werden, wenn die Verwaltung den Erlass eines solchen Verwaltungsaktes einerseits ankündigt, ihn dann aber verzögert, ohne von ihrer Absicht zum Erlass abzurücken (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O, Rn 34; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 26. EL 2014, § 42 Rdnr. 167). Denn in solchen Fällen kann es sein, dass der Betroffene „aus wirtschaftlichen oder anderen Gründen wissen muss, woran er ist“ (Ule, VerwArch. 65 [1974], 291 <307 f.>; ähnlich Schenke, in: BK-GG, 116. EL 2005, Art. 19 Abs. 4 Rn. 339 m.w.N.), und zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) auf eine Klärung im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes angewiesen ist (vgl. etwa Bay. VGH, Urteil vom 22.01.1986 - 22 B 85 A.354 -, NJW 1986, 3221; VG München, Urteil vom 21.09.2011 - M 18 K 11.2918 -, juris).
19 
So liegt der Fall auch hier. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 28.01.2011 erklärt, dass sie davon ausgehe, dass die Klägerin für ihr Grundstück noch zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden müsse, falls sie nicht den Beweis führe, dass solche Beiträge in der Vergangenheit schon gezahlt worden seien. Die Klägerin ist nicht in der Lage, einen solchen Nachweis zu führen, da sie das Eigentum im Jahr 2008 als dritte Käuferin erworben hat und über keine einschlägigen Unterlagen aus dem 1950er bis 1970er Jahren verfügt. Sie muss deshalb nach den insoweit eindeutigen Ankündigungen aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.01.2011 mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen. Sie hat auch ein Interesse daran zu wissen, „woran“ sie insoweit ist, denn die Frage, ob ein - unter Umständen hoher - Wasserversorgungsbeitrag noch geltend gemacht wird, beeinflusst die wirtschaftliche Verwertbarkeit ihres Grundstücks erheblich. Dieses Interesse an einer Klärung ihrer Beitragspflicht erstarkt aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalls auch zu einem qualifizierten, zur Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes berechtigenden Interesse. Denn der Klägerin ist es nicht mehr zumutbar, den Erlass des ihr in Aussicht gestellten Bescheids abzuwarten und dann nachträglichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, da ihr die Beklagte diesen Weg durch ihr eigenes Verhalten seit Jahrzehnten verstellt hat und auf unabsehbare Zeit weiter verstellt und einen effektiven Schutz der Rechte der Klägerin dadurch untergräbt.
20 
Der vorliegende Fall zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass die Beklagte spätestens 1984 erkannt hat, welche Schritte sie zur Erhebung von Wasserversorgungsbeiträgen unternehmen müsste, und es danach dennoch und trotz mehrfacher Aufforderungen durch die GPA über inzwischen drei Jahrzehnte unterlassen hat, die Voraussetzungen für ein dem Kommunalabgabengesetz entsprechendes Beitragswesen zu schaffen. Diese Verwaltungspraxis führt dazu, dass es für Grundstückseigentümer schon aufgrund des langen Zeitablaufs zunehmend schwieriger wird zu prüfen, ob ihre Heranziehung zu Anschlussbeiträgen für Einrichtungen, die vor Jahrzehnten - teils vor weit mehr als dreißig Jahren - hergestellt wurden, berechtigt ist. Denn in Zeiträumen, die teilweise mehrere Generationen umfassen und bei denen vielfache Wechsel in den Eigentumsverhältnissen auftreten können, wird es dem schließlich in Anspruch genommenen Eigentümer oftmals nicht mehr möglich sein, beispielsweise den Zeitpunkt der Herstellung der Einrichtung, des Anschlusses seines Grundstücks oder den Umfang der umgelegten Kosten nachzuprüfen. Solche Schwierigkeiten werden zusätzlich dadurch vergrößert, dass die Beklagte ihre Verwaltung im Bereich des Beitragswesens so nachlässig geführt hat, dass der Betroffene auch durch eine Akteneinsicht bei der Gemeinde keine umfassende Sachverhaltsaufklärung mehr betreiben kann, um die Berechtigung einer gegen ihn geltenden gemachten Beitragsforderung zu überprüfen. Die Verwaltungspraxis der Beklagten hat deshalb dazu geführt, dass die Effektivität des Rechtsschutzes der Klägerin bereits erheblich beeinträchtigt wäre, wenn sie sich heute gegen einen Beitragsbescheid der Beklagten wenden müsste. Ihr ist es deshalb nicht mehr zumutbar, noch weitere Einbußen für die Inanspruchnahme effektiven Rechtsschutzes zu riskieren, die bei einem weiteren Zuwarten auf die Entscheidungsfindung der Beklagten drohen.
21 
Das gilt umso mehr, als der Zeitpunkt, in dem die Beklagte über das Ob und gegebenenfalls den Umfang einer Heranziehung der Klägerin zum Wasserversorgungsbeitrag entscheiden will, nicht absehbar ist. Die Beklagte hatte den Erlass von Beitragsbescheiden im Januar 2011 angekündigt und seit - zum Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung - über dreieinhalb Jahren der Sache nach erklärt, dass sie auf absehbare Zeit nichts Wesentliches unternehmen wird, um diesen Schwebezustand zu beenden, obwohl sie dazu in der Lage wäre. Die Beklagte hat im Dezember 2013 dargelegt, dass sie zunächst einmal Musterverfahren in dem die Klägerin nicht (mehr) betreffenden Bereich des Abwasserbeitragsrechts durchführen will. Diese Ankündigung hat die Beklagte bisher noch nicht umgesetzt. Die zum Abwasserbeitragsrecht anhängigen Widerspruchsverfahren wurden, ohne dass sie bisher der Widerspruchsbehörde vorgelegt wurden, ruhend gestellt. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, wurde dazu bislang (lediglich) eine Vorauswahl von Fällen getroffen, die aus ihrer Sicht als Musterverfahren in Betracht kommen. Die Endabstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde und der Erlass von Widerspruchsbescheiden steht demgegenüber noch aus. Auch mehr als zwei Jahre nach dem Erlass der Abwasserbeitragssatzung steht damit weiterhin nicht fest, wann Anfechtungsklagen gegen Abwasserbeitragsbescheide erhoben werden. Erst nach dem rechtskräftigen Abschluss dieser derzeit mithin nicht absehbaren Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht will die Beklagte nach ihrem schriftsätzlichen Vortrag die Aufarbeitung ihrer Akten zum Wasserversorgungsrecht vorantreiben, danach das erforderliche Satzungsrecht schaffen, um dann schließlich irgendwann Bescheide zu erlassen. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Klägerin auf einen unabsehbaren, mit Sicherheit aber mehrere Jahre umfassenden Zeitraum darüber im Unklaren gelassen wird, wann und in welcher Höhe sie zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen wird, obwohl die Beklagte diesen selbst verursachten Schwebezustand wesentlich früher beenden und der Klägerin damit eine Überprüfung durch Widerspruch und Anfechtungsklage ermöglichen könnte. In einer solchen Sonderkonstellation, in der sich die zuständige Behörde erklärtermaßen „bis auf weiteres“ weigert, die Schritte zur Beseitigung einer selbst herbeigeführten Rechtsunsicherheit zu unternehmen und dadurch den Weg zur Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zu eröffnen, ist dem potentiellen Adressaten des in Aussicht gestellten Verwaltungsakts ein weiteres Zuwarten - nach dem oben Gesagten: erst recht - nicht mehr zumutbar.
22 
Eine andere Beurteilung rechtfertigt nicht der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Erlass einer Wasserversorgungssatzung werde demnächst erfolgen und er werde der Beklagten raten, dann (doch) sogleich die Verfahren zum Wasserversorgungsbeitragsrecht weiter zu betreiben und (doch nicht) den Ausgang der Verfahren zum Abwasserbeitragsrecht abzuwarten. Gegenwärtig ist weder erkennbar, wann die angekündigte Wasserversorgungsbeitragssatzung beschlossen wird, noch ob die Beklagte dem Rat ihres Prozessbevollmächtigten - entgegen ihrer bisherigen Einlassung - folgen wird noch in welchem zeitlichen Rahmen der Erlass von Wasserversorgungsbeitragsbescheiden dann gegebenenfalls zu erwarten wäre. Bei dieser unsicheren Sachlage ist es der Klägerin nicht zumutbar, allein auf die vage Überlegung hin, die Verfahren im Wasserversorgungsbeitragsrecht vielleicht doch schneller zu betreiben, mit der Inanspruchnahme von Rechtsschutz weiter zuzuwarten. Dies gilt umso mehr, als die Beklagte schon im Abwasserbeitragsbereich erst ein Jahr nach dem Satzungsbeschluss Bescheide erlassen und mehr als zweieinhalb Jahre danach noch keine Widersprüche der Widerspruchsbehörde vorgelegt hat.
23 
Die Klage ist mit ihrem Klageantrag zu 1 teilweise begründet.
24 
Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin für ihr Grundstück zum Wasserversorgungsbeitrag für Einrichtungen und Teile von Einrichtungen heranzuziehen, die vor dem 11.09.1984 von der Beklagten hergestellt wurden und seither für den Eigentümer des Grundstücks nutzbar sind. Für den von dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 ist eine solche Feststellung allerdings nicht zu treffen.
25 
Als Rechtsgrundlage für eine künftige Heranziehung der Klägerin zu Wasserversorgungs- und Erschließungsbeiträgen kommen einzig die §§ 1 ff., 20 ff. KAG in Verbindung mit dem noch zu schaffenden Satzungsrecht der Beklagten in Betracht.
26 
Bei der Auslegung und Anwendung dieser Rechtsgrundlagen wird die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den zeitlichen Grenzen für die Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben zu beachten sein. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 - entschieden, dass das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit Regelungen verlangt, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Dem Gesetzgeber obliegt es deshalb, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an der Erhebung von Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.03.2013 - 1 BvR 2457/08 -, juris Rn. 40 ff., dem folgend BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; Sächs. OVG, Beschluss vom 25.04.2013 - 5 A 478/10, juris Rn. 7 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2013 - OVG 9 B 34.12 -, juris Rn. 58 ff.; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 37 ff.).
27 
Eine gesetzliche Regelung, die es erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen, stellt nach diesen Maßstäben keinen verfassungskonformen Ausgleich her, denn sie löst den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, dort zu Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayKAG vom 28.12.1992, GVBl S. 775). Vor diesem Hintergrund kann dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im baden-württembergischen Landesrecht nicht allein über die Vorschriften zur Festsetzungsverjährung aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG Rechnung getragen werden. Denn diese Vorschriften sind der vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten bayerischen Regelung im Wesentlichen vergleichbar (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 31.03.2014 - 2 S 2366/13 -, juris Rn. 23, dort offen gelassen), da sie bestimmen, dass im Falle der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntmachung einer neuen Satzung endet.
28 
Die Einhaltung des Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit kann aber durch eine ergänzende Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben sichergestellt werden, und mit dieser Maßgabe begegnen auch die bestehenden landesgesetzlichen Regelungen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und zum Folgenden BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, 28 ff.; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 20 ff.).
29 
Der Grundsatz von Treu und Glauben gehört zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts (BVerwG, Urteil vom 14.04.1978 - BVerwG 4 C 6.76 -, BVerwGE 55, 337 <339>; Urteil vom 16.05.2000 - BVerwG 4 C 4.99 -, BVerwGE 111, 162 <172>). Er bedarf der Konkretisierung, die anhand von Fallgruppen vorgenommen wird. Eine anerkannte Fallgruppe ist der Bereich der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 46 ff.; zum öffentlichen Recht etwa BVerwG, Urteil vom 24.02.2010 - BVerwG 9 C 1.09 -, BVerwGE 136, 126). Danach kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last fällt und die Ausübung des Rechts aufgrund dessen treuwidrig erscheint. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen. Der Begriff der Treuwidrigkeit ist deshalb zum Beispiel „so auszulegen, dass eine Erhebung sanierungsrechtlicher Ausgleichsbeträge, die dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit widerspräche, ausgeschlossen ist“ (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16, dort zu Ausgleichsbeträgen nach § 154 BauGB).
30 
Zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes kann darüber hinaus auf die Wertungen allgemeiner Verjährungsvorschriften zurückgegriffen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 33). Solche Wertungen liegen insbesondere § 53 Abs. 2 VwVfG zugrunde, wonach eine Verjährungsfrist von 30 Jahren zu laufen beginnt, wenn ein Verwaltungsakt zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers unanfechtbar wird. Auch in Bereichen, in denen diese Vorschrift - wie im vorliegenden Fall - nicht unmittelbar anwendbar ist, kann die darin zum Ausdruck kommende Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, und zwar unabhängig vom Entstehen des Anspruchs (vgl. § 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB), zur Ausfüllung des Treuwidrigkeitstatbestandes übernommen werden (BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VGH München, Urteil vom 14.11.2013 - 6 B 12.704 -, juris Rn. 22 zu Erschließungsbeiträgen; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42 zu Schmutzwasserbeiträgen).
31 
Der Erhebung von vorteilsausgleichenden Kommunalabgaben steht der Grundsatz von Treu und Glauben danach als von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung entgegen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind, wobei im jeweiligen Einzelfall auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2014 - 4 C 11/13 -, juris Rn. 16; VG Dresden, Urteil vom 14.05.2013 - 2 K 742.11 -, juris Rn. 42).
32 
Im Rahmen des baden-württembergischen Kommunalabgabengesetzes zur Anwendung gebracht, rechtfertigen diese Grundsätze die Feststellung, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Wasserversorgungsbeiträgen für die Anschaffung, die Herstellung und den Ausbau öffentlicher Einrichtungen heranziehen kann, bei denen seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sind. Denn der Umstand, dass die Beklagte bisher keine dahingehenden Beiträge erhoben hat, ist maßgeblich auf eine langjährige Verletzung eigener Pflichten zurückzuführen. Bei dieser Sachlage erschiene es im Licht des verfassungsrechtlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit sowie der Wertung aus § 53 VwVfG, die auch im Landesrecht enthalten ist (§ 53 Abs. 2 LVwVfG), treuwidrig, wenn die Beklagte trotzdem auch nach mehr als 30 Jahren noch Beitragsforderungen gegen die Klägerin geltend machen würde. Dies bedeutet, dass die Beklagte die Klägerin nicht mehr zu Beiträgen für Einrichtungen heranziehen kann, die - gerechnet ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (11.09.2014) - vor dem 11.09.1984 hergestellt wurden und dem klägerischen Grundstück einen beitragsrechtlichen Vorteil vermittelten.
33 
Für den mit dem Klageantrag zu 1 darüber hinaus umfassten Zeitraum vom 12.09.1984 bis zum 31.12.2000 war eine dem entsprechende Feststellung dagegen nicht zu treffen. Ohne Erfolg macht die Klägerin insoweit geltend, abzustellen sei nicht auf die genannte Höchstgrenze von 30 Jahren, sondern auf die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren aus § 195 BGB, allenfalls auf die vierjährige Frist aus § 3 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c KAG, höchstens jedoch die bei Steuerhinterziehungen geltende Festsetzungsfrist von zehn Jahren aus § 169 Abs. 2 AO. Die Wertungen des Gesetzgebers, die diesen Vorschriften zugrunde liegen, sind auf eine Konstellation der vorliegenden Art nicht übertragbar. Sie betreffen Sachverhalte, bei denen eine Forderung bzw. Abgabenschuld entstanden ist und vom Gesetzgeber zu entscheiden war, ab welcher zeitlichen Grenze der Inhaber den entstandenen Anspruch unter Umständen nicht mehr durchsetzen bzw. die entstandene Abgabenschuld nicht mehr festsetzen kann. Davon unterscheidet sich der vorliegende Fall, in dem zu entscheiden ist, welche zeitliche Grenzen für Fälle gelten, in denen eine Wasserversorgungsbeitragsforderung mangels Beitragssatzung noch nicht entstehen konnte. In einem solchen Fall ist auf die Wertungen aus den Bestimmungen zur verjährungsrechtlichen Höchstgrenze von 30 Jahren abzustellen, da der Gesetzgeber nur an dieser Stelle zeitliche Grenzen „ohne Rücksicht auf die Entstehung des Anspruchs“ (§ 199 Abs. 2 und 3 Nr. 2 BGB) aufgestellt hat.
34 
2. Mit ihrem Klageantrag zu 2, der die Heranziehung der Klägerin zum Erschließungsbeitrag betrifft, ist die Klage unzulässig. Der Klägerin fehlt insoweit jedenfalls das Rechtsschutzbedürfnis.
35 
Da die Rechtsordnung immer dann, wenn sie ein materielles Recht gewährt, grundsätzlich auch ein Interesse an dessen gerichtlichem Schutz anerkennt, fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nur dann, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile erbringen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.03.2014 - 1 C 2/13 -, juris Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, Vor § 40 Rn. 37 f.; beide m.w.N.). So liegt der Fall bei dem mit dem Klageantrag zu 2 verfolgten Feststellungsbegehren.
36 
Die Beklagte verfügt im Erschließungsbeitragsrecht - anders als im Wasserversorgungsbeitragsrecht - über eine Beitragssatzung, deren Wirksamkeit zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht. Die Frage, ob die Beklagte die Klägerin noch zu Erschließungsbeiträgen heranziehen kann, richtet sich deshalb maßgeblich danach, ob und wann die sich aus §§ 33 ff. KAG i.V.m. der Erschließungsbeitragssatzung der Beklagten ergebenden Voraussetzungen für die Entstehung einer Beitragsschuld erfüllt waren, insbesondere danach, ob und gegebenenfalls wann die fragliche Erschließungsanlage „erstmalig endgültig hergestellt“ wurde (vgl. §§ 33, 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KAG). Vor diesem Hintergrund könnte eine gerichtliche Feststellung des mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Inhalts - dass die Beklagte nur berechtigt ist, von der Klägerin „Erschließungskosten im Sinne von § 35 KAG zu verlangen für Arbeiten an Erschließungsanlagen im Sinne von § 33 KAG“, die nach dem 11.09.2014 durchgeführt werden - der Klägerin keinen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil vermitteln. Denn mit einer solchen Feststellung würde die für die Heranziehung zum Erschließungsbeitrag entscheidungserhebliche Frage, nämlich diejenige nach der erstmaligen endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage, nicht beantwortet.
37 
3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Das Gericht hat die drei ursprünglich gestellten Feststellungsanträge als im Wesentlichen gleichwertig erachtet und berücksichtigt, dass die Klägerin mit dem Antrag zum Abwasserbeitragsrecht der Sache nach obsiegt hat und mit dem Klageantrag zum Erschließungsbeitragsrecht unterlegen ist. Hinsichtlich des Klageantrags zum Wasserversorgungsbeitragsrecht war für die Teilung der Kosten des Verfahrens ebenfalls von einem Obsiegen der Klägerin auszugehen. Dem steht nicht entgegen, dass sie mit ihrem diesbezüglichen Feststellungsantrag in zeitlicher Hinsicht nicht voll durchgedrungen ist. Denn die von dem Gericht getroffene Feststellung führt, auch wenn sie sich nur auf den 11.09.1984 bezieht, im Ergebnis dazu, dass die Klägerin nicht mehr zum Wasserversorgungsbeitrag herangezogen werden kann, da ihr Grundstück 1955, spätestens aber 1978 an die Wasserversorgung angeschlossen war.
38 
4. Die Berufung war gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage der Zulässigkeit vorbeugenden Rechtsschutzes bei verzögerten Beitragsbescheiden aufgrund eines vernachlässigten kommunalen Beitragswesens und die Frage nach zeitlichen Höchstgrenzen für die Heranziehung zum Wasserversorgungsbeitrag im baden-württembergischen Kommunalabgabenrecht sind bislang obergerichtlich nicht geklärt und für eine Vielzahl von Fällen allein im Zuständigkeitsbereich der Beklagten gleichermaßen von Bedeutung.
39 
Beschluss
40 
Der Streitwert wird in Abänderung der vorläufigen Streitwertfestsetzung vom 11.09.2013 gemäß §§ 52 Abs. 2, 39 Abs. 1 GKG auf 15.000,-- Euro festgesetzt.
41 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

(1) Die Sanierungssatzung ist aufzuheben, wenn

1.
die Sanierung durchgeführt ist oder
2.
die Sanierung sich als undurchführbar erweist oder
3.
die Sanierungsabsicht aus anderen Gründen aufgegeben wird oder
4.
die nach § 142 Absatz 3 Satz 3 oder 4 für die Durchführung der Sanierung festgelegte Frist abgelaufen ist.
Sind diese Voraussetzungen nur für einen Teil des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets gegeben, ist die Satzung für diesen Teil aufzuheben.

(2) Der Beschluss der Gemeinde, durch den die förmliche Festlegung des Sanierungsgebiets ganz oder teilweise aufgehoben wird, ergeht als Satzung. Die Satzung ist ortsüblich bekannt zu machen. Die Gemeinde kann auch ortsüblich bekannt machen, dass eine Satzung zur Aufhebung der förmlichen Festlegung des Sanierungsgebiets beschlossen worden ist; § 10 Absatz 3 Satz 2 bis 5 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Bekanntmachung wird die Satzung rechtsverbindlich.

(3) Die Gemeinde ersucht das Grundbuchamt, die Sanierungsvermerke zu löschen.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.