Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. März 2016 - 9 A 178/14

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2016:0302.9A178.14.0A
bei uns veröffentlicht am02.03.2016

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten nunmehr um die Frage, ob der ursprüngliche Rechtsstreit in der Hauptsache seine Erledigung gefunden hat.

2

Die Klägerin zu 1. ist als Eigentümerin von Grundstücken in G-Stadt mit dem ursprünglich streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 17.10.2013 zu Anschlussbeiträgen herangezogen worden. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (vgl. Widerspruchsbescheid vom 16.04.2014) erhob sie ebenso wie die Kläger zu 2. und 3. am 05.05.2014 Klage und suchte um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (9 B 196/14 MD) nach. Letzteren lehnte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 22.07.2014 ab; die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 13.10.2014 (4 M 121/14) zurück.

3

Mit Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA, S. 522) regelte der Gesetzgeber im Lichte des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 05.03.2013 (1 BvR 2457/08), dass Abgaben zum Vorteilsausgleich innerhalb von 10 Jahren nach Eintritt der Vorteilslage zu erheben sind (§ 13 b KAG LSA), diese Frist jedoch nicht vor dem 31.12.2015 endet (§ 18 Abs. 2 KAG LSA). Das Gesetz trat am 24.12.2014 in Kraft.

4

Nachdem die Kläger mit Schriftsatz vom 24.09.2015 die Verfassungswidrigkeit der ursprünglichen Rechtlage rügten, erklärten sie vor dem Hintergrund der zur Kenntnis gelangten Änderung des Kommunalabgabengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt den Rechtsstreit in der Hauptsache mit Schreiben vom 25.11.2015 für erledigt. Der Beklagte lehnte mit Schriftsatz vom 09.12.2015 die Abgabe einer Erledigungserklärung ab. Daraufhin vertreten die Kläger die Auffassung, dass nunmehr die Erledigung des Rechtsstreits festzustellen sei.

5

Die Kläger beantragen sinngemäß,

6

festzustellen, dass der mit Klageschrift vom 02.05.2014 eingeleitete Rechtsstreit in Hauptsache erledigt ist.

7

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

8

die Klage abzuweisen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I.

10

Über die Klage konnte im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

11

Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Kläger war als Antrag, die Erledigung der Hauptsache festzustellen, auszulegen (Schmidt in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 11. Aufl, § 113 Rn. 112 ff.).

12

Der Übergang von der Anfechtungs- zur Erledigungsfeststellungsklage ist zulässig. Ein nach Klageerhebung eingetretenes außerprozessuales Ereignis kann einem Klagebegehren die Grundlage entziehen und deshalb die Klage für den Kläger gegenstandslos werden lassen. Für diesen Fall eröffnet ihm das Prozessrecht die Möglichkeit, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Schließt sich der Beklagte der Erklärung des Klägers an, ist nach § 161 Abs. 2 VwGO über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Widerspricht der Beklagte, wird der Rechtsstreit fortgesetzt. Das Gericht hat dann grundsätzlich nur noch die Frage zu prüfen, ob sich das ursprüngliche Klagebegehren durch das nach Klageerhebung eingetretene Ereignis tatsächlich erledigt hat. Dabei ist die Umstellung vom ursprünglichen Klageantrag auf den Antrag, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache auszusprechen, von den für Klageänderungen geltenden einschränkenden Voraussetzungen des § 91 VwGO freigestellt (vgl. u. a. BVerwG, U. v. 22.01.1993 – 8 C 40/91 – sowie OVG LSA, B. v. 31.07.2014 – 2 M 36/14 – m. w. N; beide juris).

13

In der zitierten Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Kläger nicht nur dann zum Begehren auf Feststellung der Hauptsacheerledigung übergehen kann, wenn sich ein Verfahren etwa durch Untergang der in Anspruch genommenen Sache im engeren Sinne oder durch Aufhebung des Verwaltungsaktes erledigt hat, sondern auch dann, wenn das Verfahren infolge einer Rechtsänderung oder einer anderen wesentlichen Änderung eine derartige Wendung zuungunsten des Klägers genommen hat, dass eine bis dahin aussichtsreiche Klage unbegründet geworden oder ihre Erfolgsaussicht geschmälert worden ist. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet des Beitragsrechts wegen der Möglichkeit einer nachträglichen Heilung eines Heranziehungsbescheids im Verwaltungsprozess durch den (erstmaligen) Erlass einer (voll) wirksamen Beitragssatzung oder die Erfüllung sonstiger Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen. Die damit einhergehende Kostenlast kann der Kläger dann dadurch abwenden, dass er die Hauptsache für erledigt erklärt (vgl. BVerwG, U. v. 22.01.1993, a. a. O.). Gleiches gilt nach Auffassung des Gerichts auch im Falle einer solchen Rechtsänderung, die für den Rechtsstreit beachtlich ist (vgl. Neumann in: Sodan/Ziekow, VwGO, Kommentar, 2. Aufl., § 161 Rn. 139). Dies folgt aus dem Prozessrechtsverhältnis, welches ungeachtet des Ausgangs des dem zugrundeliegenden materiellen Streitgegenstandes das bei dessen Begründung in die bestehende Rechtslage gesetzte Vertrauen (hier: Unwirksamkeit von § 6 KAG LSA) schützt. Besteht zwar ansonsten kein schutzwürdiges Vertrauen in die Unwirksamkeit geltenden Rechts (vgl. BVerwG, B. v. 22.01.1986 - 8 B 123.84 –; BVerfG, B. v. 03.09.2009 – 1 BvR 2384/08 –; beide juris), so verhält sich dies beim Prozessrechtsverhältnis deshalb anders, weil die Unwirksamkeit des Rechts gerade (auch) Anlass für die Klageerhebung war.

14

2. Dies vorausgeschickt, hat der von der Klägerin zu 1. gegen den Beklagten geführte Rechtsstreit betreffend den Bescheid des Beklagten vom 17.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2014 mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften vom 17.12.2014 (GVBl. LSA, S. 522) – KAGÄndG –am 23.12.2014 seine Erledigung gefunden. Denn durch die Vorschriften der §§ 13 b und 18 Abs. 2 KAG LSA haben sich die bis dahin bestehenden Erfolgsaussichten der Klage infolge der Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes (vgl. OVG LSA, B. v. 17.02.2016 – 4 L 119/15 - ; noch unv.) zumindest geschmälert. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin zu 1. ursprünglich mit ihrer Klage auch andere rechtliche Mängel der Heranziehung gerügt hat. Dies nimmt ihr mit Blick auf eine nach Klageerhebung erfolgte Gesetzesänderung nicht die Möglichkeit, die Hauptsache für erledigt zu erklären, sondern zwingt sie allein zu der Entscheidung, ob sie den Prozess mit den anderen - in ihrer Tragfähigkeit vielleicht schwächeren - Angriffsmöglichkeiten weiterführen will (vgl. BVerwG, U. v. 28.11.1975 – IV C 45/74 –, juris).

15

Die zumindest mit der Gesetzesänderung einhergehende Schmälerung der Erfolgsaussichten liegt darin begründet, dass bis zur Herstellung einer verfassungskonformen Lage die Erhebung von Anschlussbeiträgen in Sachsen-Anhalt rechtlich gar nicht bzw. nur ausnahmsweise zulässig gewesen ist (vgl. OVG LSA, U. v. 03.12.2014 – 4 L 59/13 –, juris; so auch B. v. 17.02.2016, a.a.O.). Dies jedenfalls hätte den Erfolg der Klage begründet und zwar ungeachtet des Umstandes, dass der Gesetzgeber in der Lage war, eine verfassungskonforme Lage ggf. nach Aussetzung des Verfahrens und Vorlage beim Bundes- oder Landesverfassungsgericht zu bewirken (dazu BVerfG, B. v. 05.03.2013 – 1 BvR 2457/08 –, juris), da dieser Umstand zum Eintritt der Erledigung geführt hat. Anders gewendet: Hätte diese Möglichkeit nicht bestanden, wäre es gar nicht zur Erledigung gekommen, weil die verfassungswidrige Lage eben gerade nicht hätte geheilt werden können, die Klage dann mithin ohnehin Erfolg gehabt hätte. Die Rechtsänderung war vorliegend auch beachtlich, da sich die Regelungen der §§ 13 b und 18 Abs. 2 KAG LSA Geltung jedenfalls für die Bescheide beimessen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KAGÄndG am 24.12.2014 noch nicht in Bestandskraft erwachsen waren (vgl. OVG LSA, B. v. 17.02.2016, a. a. O.). Dem Eintritt der Erledigung steht auch nicht entgegen, dass das OVG LSA im Urteil vom 03.12.2014 (a. a. O.) die verfassungswidrige Rechtslage übergangsweise durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben mit der Folge "geheilt" hat, dass eine Beitragserhebung als zulässig angesehen wurde. Zwar ist für die Beurteilung des Eintritts der Erledigung stets eine "Vorher-Nachher-Betrachtung" anzustellen. Insofern genügt jedoch, wie oben erörtert, bereits eine Schmälerung der Erfolgsaussichten, die ohne Zweifel infolge der Gesetzesänderung im Vergleich zu der vom OVG LSA nur "ausnahmsweise" – weil das Gesetzgebungsverfahren bereits fortgeschritten war [bedenklich] – angenommenen Befugnis zur Beitragserhebung eingetreten ist.

16

3. Dagegen war für den von den Klägern zu 2. und 3. geführten Rechtsstreit der Eintritt der Erledigung deshalb nicht festzustellen, weil deren Klagen mangels eigener Rechtsbetroffenheit aus dem streitgegenständlichen Bescheid vom 17.10.2013 bereits unzulässig waren (vgl. U. v. 31.10.1990 – 4 C 7.88 –, juris). Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom 22.07.2014 (9 B 196/14 MD) verwiesen, der den Beteiligten bekannt ist.

17

Das Gericht weist ergänzend darauf hin, dass aller Voraussicht nach auch im Falle einer übereinstimmenden Erledigungserklärung dem Beklagten die – tenorierte - Kostenlast getroffen hätte. Denn dem das Kostenrecht der Verwaltungsgerichtsordnung beherrschenden Erfolgsprinzip folgend, wäre bei einer Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO darauf abzustellen gewesen, wer ohne die Änderung der Rechtslage obsiegt hätte (vgl. Schmidt in: Eyermann, a. a. O., § 161 Rn. 17 m. w. N.), was auf die Klägerin zu 1. zugetroffen wäre.

II.

18

Die Kosten des Verfahrens waren nach §§ 154 Abs. 1 und 155 Abs. 1 VwGO zu verteilen. Die Klägerin zu 1. war wegen ihres gänzlichen Obsiegens von jeglicher Kostenlast freizustellen. Aus diesem Grunde waren sowohl an den Gerichtskosten als auch an den außergerichtlichen Kosten nur die Kläger zu 2. und 3. als Gesamtschuldner sowie der Beklagte zu beteiligen. Die Kläger zu 2. und 3. haben insoweit die Kostenlast für ihr Unterliegen sowohl an den Gerichtskosten als auch hinsichtlich des Teiles der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu tragen. Die Kostenlast des Beklagten resultiert dagegen aus seinem (hälftigen) Unterliegen gegenüber der Klägerin zu 1..

19

Die Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

20

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG. Im Erledigungsstreit ist der Streitwert ausschließlich nach dem Interesse des Klägers an der geänderten Klage zu bemessen; dieser entspricht den Kosten, die bis zur Erledigungserklärung entstanden sind (Neumann in: Sodan/ Ziekow, a. a. O., § 161 Rn. 193 f.) bzw. noch angefallen wären (hier: anwaltliche Verhandlungsgebühr). Denn das rechtliche Interesse der Kläger war nunmehr nicht mehr auf die Aufhebung des Beitragsbescheides, sondern darauf gerichtet, die mit einem negativen Verfahrensausgang verbundenen Kosten abzuwenden. Dieser Kostenermittlung war der Bescheidwert in Höhe von 65.157,80 € zugrunde zu legen, der jedoch zu verdoppeln war, da die Kläger – mit Ausnahme der Kläger zu 2. und 3. – keine Rechtsgemeinschaft bilden (vgl. Ziffer 1.1.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Dies insbesondere nicht deshalb, weil sie gemeinsam klagen, da dies nicht gesetzlich bedingt, sondern gewillkürt ist. Ausgehend von einem so anzunehmenden Streitwert in Höhe von 130.315,60 Euro hätten sich Gerichtskosten in Höhe von 3.798,00 Euro sowie außergerichtliche Kosten auf der Seite des Beklagten in Höhe von ca. 5.000,00 Euro ergeben. Da auf der Klägerseite zudem eine Erhöhungsgebühr wegen der Personenmehrheit anzusetzen wäre, folgen daraus Kosten in Höhe von ca. 6.193,00 Euro, insgesamt mithin ca. 14.991,00 Euro.


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Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 02. März 2016 - 9 A 178/14 zitiert 8 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 03. Dez. 2014 - 4 L 59/13

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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 31. Juli 2014 - 2 M 36/14

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Gründe 1 1. Nachdem der Antragsteller (einseitig) den Rechtsstreit für erledigt erklärt, hat sich der Streitgegenstand dergestalt geändert, dass der Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren nunmehr auf die Feststellung beschränkt ist, ob die Hauptsache

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 05. März 2013 - 1 BvR 2457/08

bei uns veröffentlicht am 05.03.2013

Tenor 1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom

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Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Gründe

1

1. Nachdem der Antragsteller (einseitig) den Rechtsstreit für erledigt erklärt, hat sich der Streitgegenstand dergestalt geändert, dass der Rechtsstreit im Beschwerdeverfahren nunmehr auf die Feststellung beschränkt ist, ob die Hauptsache erledigt ist. Die mit Schriftsatz des Antragstellers vom 01.07.2014 vorgenommene Umstellung stellt eine zulässige Antragsänderung dar; auch bestehen gegen die Zulässigkeit eines Erledigungsfeststellungsstreits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine Bedenken (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 24.04.2012 – 1 M 16/12 – juris, RdNr. 2; VGH BW, Beschl. v. 20.06.2011 – 3 S 375/11 – NVwZ-RR 2011, 932, m.w.N.; SächsOVG, Beschl. v. 23.07.2007 – 5 BS 104/07 –, SächsVBl 2007, 266).

2

2. Der Erledigungsfeststellungsantrag hat auch in der Sache Erfolg. Das einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs und einer etwa nachfolgenden Anfechtungsklage gegen den das Kalenderjahr 2012 betreffenden Umlagebescheid der Antragsgegnerin vom 20.01.2014 begehrt hat, hat sich mit dem Erlass der Satzung der Antragsgegnerin vom 15.05.2014 zur Umlage der Verbandsbeiträge der Unterhaltungsverbände „E./I.“, „N./R.“ und „S./F.“ (US 2014), die sich rückwirkende zum 01.01.2010 beimisst, in der Hauptsache erledigt.

3

Ein Kläger kann nicht nur dann zum Begehren auf Feststellung der Hauptsacheerledigung übergehen, wenn sich ein Verwaltungsakt etwa durch Untergang der in Anspruch genommenen Sache im engeren Sinne erledigt hat, sondern auch dann, wenn das Verfahren infolge einer Rechtsänderung oder einer anderen wesentlichen Änderung eine derartige Wendung zuungunsten des Klägers genommen hat, dass eine bis dahin aussichtsreiche Klage unbegründet geworden oder ihre Erfolgsaussicht entscheidend geschmälert worden ist (BVerwG, Urt. v. 22.01.1993 – 8 C 40.91 –, NVwZ 1993, 979). Insbesondere auf dem Gebiet des Abgabenrechts kann er die drohende Prozesskostenlast, die mit der Möglichkeit einer nachträglichen Heilung eines Heranziehungsbescheids im Verwaltungsprozess durch den (erstmaligen) Erlass einer (voll) wirksamen Satzung oder die Erfüllung sonstiger Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einhergeht, verlässlich dadurch abwenden, dass er die Hauptsache für erledigt erklärt. Hat der Kläger ursprünglich mit seiner Klage auch andere rechtliche Mängel der Heranziehung gerügt, nimmt ihm dies nicht die Möglichkeit, mit Blick auf z.B. eine nach Klageerhebung erfolgte Heilung eines Satzungsmangels die Hauptsache für erledigt zu erklären, sondern zwingt ihn zu der Entscheidung, ob er den Prozess mit den anderen – in ihrer Tragfähigkeit vielleicht schwächeren – Angriffsmöglichkeiten weiterführen will (vgl. zum Beitragsrecht: BVerwG, Urt. v. 22.01.1993, a.a.O.). Diese Grundsätze gelten auch für das vorläufige Rechtsschutzverfahren.

4

Gemessen daran ist im vorliegenden Fall von einer Erledigung des Rechtsstreits auszugehen. Der Antragsteller hat den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO allein damit begründet, es fE. auch nach Erlass der 3. Änderungssatzung vom 12.12.2013 an einer wirksamen satzungsmäßigen Grundlage für seine Heranziehung. § 3 Abs. 1 der Ausgangssatzung vom 13.10.2011, wonach Schuldner der Umlage derjenige ist, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Umlagebescheides Grundstückseigentümer ist, sei nicht hinreichend bestimmt, weil es die Verwaltung durch die freie Wahl des Bekanntgabezeitpunkts in der Hand habe, den Umlageschuldner willkürlich selbst zu bestimmen. Zwar habe die Antragsgegnerin mit der 3. Änderungssatzung diesen Mangel beseitigt. Dies führe aber nach einem Beschluss des Senats vom 05.12.2013 (2 L 176/12) nicht zu einer Heilung der an einer Gesamtnichtigkeit leidenden Satzung. Dem ist das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 24.03.2014 zwar nicht gefolgt; es hat aber angenommen, eine wirksame satzungsrechtliche Grundlage fE. deshalb, weil den mit der 2. Änderungssatzung festgelegten Umlagesätzen für das Jahr 2012 keine Rückwirkung bis zum Beginn des Erhebungszeitraums beigemessen worden sei.

5

Mit dem Erlass der US 2014 hat die Antragsgegnerin insbesondere die von der Antragstellerin, aber auch die vom Verwaltungsgericht beanstandeten Mängel beseitigt. Sie hat mit der US 2014 eine vollständig neue Satzung erlassen, die sich insgesamt rückwirkende zum 01.01.2010 beimisst und damit auch den streitigen Erhebungszeitraum, das Kalenderjahr 2012, vollständig erfasst.

6

Die Antragsgegnerin hält einer Erledigung des Rechtsstreits entgegen, der Antragsteller habe das Hauptsacheverfahren (9 A 181/14) nicht für erledigt erklärt. Ferner macht sie geltend, Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens sei auch die Frage gewesen, ob der Umlageschuldner ordnungsgemäß bestimmt worden sei, wenn die Satzung „vorrangig“ den Eigentümer zum Umlageschuldner bestimme. Da dies noch nicht abschließend geklärt sei, werde einer Entscheidung des Senats der Vorzug gegeben. Damit vermag die Antragsgegnerin indes nicht durchzudringen.

7

Wie oben bereits dargelegt, kann ein Kläger oder Antragsteller einen Rechtsstreit bereits dann für erledigt erklären, wenn sich die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs durch eine Satzungsänderung entscheidend geschmälert haben. Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren kommt hinzu, dass nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, der im gerichtlichen Verfahren entsprechend gilt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 80 RdNr. 157, m.w.N.), die Aussetzung bei öffentlichen Abgaben und Kosten nur dann erfolgen soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen indes nicht schon, wenn der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist; vielmehr sollen nur Einwände, die von solchem Gewicht sind, dass sie mehr als nur einfache Zweifel rechtfertigen, zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung führen können (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 21.01.2009 – 4 M 355/08 –, juris, RdNr. 5, m.w.N.). Für den Antragsteller ergaben sich nach der Begründung seines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Umlagebescheides daraus, dass § 3 Abs. 1 der zugrunde liegenden Umlagesatzung in seiner ursprünglichen Fassung für die Bestimmung des Umlageschuldners an den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Umlagebescheides anknüpfte und nach der vom Antragsteller zitierten Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 05.12.2013 – 2 L 176/12 –, juris, RdNr. 10 f.) die fE.rhafte Bestimmung des Umlageschuldners zur Gesamtnichtigkeit der Satzung führt mit der Folge, dass eine bloße Änderung der unwirksamen Satzungsregelung den Mangel nicht heilen kann. Diese Zweifel wurden durch den Erlass der US 2014 beseitigt. Der Antragsteller weist zu Recht darauf hin, dass er die Klärung weiterer Rechtsfragen dem Hauptsachenverfahren vorbehalten darf.

8

Aus Gründen der Rechtsklarheit ist es geboten, den Beschluss des Verwaltungsgerichts in entsprechender Anwendung von § 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 ZPO für unwirksam zu erklären (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1993 – 3 B 134.92 –, Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 103).

9

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

10

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 3 GKG.


Gründe

I.

1

Die Klägerin, Eigentümer eines 1.406 m2 großen, bebauten Grundstücks (FlSt. 34 und 35, Flur A der Gemarkung S.) an der Straße „Dörfchen“ im Verbandsgebiet des Beklagten wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Anschlussbeitrag. Auf dem Grundstück wurde von den 1950er Jahren bis November 2000 ein Altenpflegeheim betrieben.

2

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 zog die Stadt D. die Klägerin für das Grundstück zu einem Beitrag für die Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung in Höhe von 4.454,46 € heran. Zum 1. April 2004 übertrug dann die Stadt D. die Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten, dessen Verbandsversammlung am 14. April 2004 eine Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung beschloss.

3

Den gegen den Beitragsbescheid fristgerecht eingelegten Widerspruch, der nicht begründet worden ist, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2008 zurück. Auf die am 20. Oktober 2008 erhobene Klage der Klägerin hob der Beklagte am 25. Februar 2009 den Widerspruchsbescheid auf und die Stadt D. beschied am 20. April 2009 den Widerspruch der Klägerin. Das Verwaltungsgericht Halle hob mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 51/09 HAL -) den Beitragsbescheid auf, da die in Betracht kommenden Beitragssatzungen der Stadt D. und ihres Rechtsvorgängers, des AZV D., als rechtliche Grundlage ausschieden; einen am 30. September 2009 gestellten Antrag der Stadt D. auf Zulassung auf Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 17. November 2010 (- 4 L 212/09 -) ab.

4

Mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 zog der Beklagte die Klägerin nach seiner Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung für das Grundstück zu einem Anschlussbeitrag in Höhe von 4.822,02 € heran. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin am 4. Oktober 2011 beim Verwaltungsgericht Halle erneut Anfechtungsklage erhoben.

5

Das Gericht hat den Beitragsbescheid auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 aufgehoben.

6

Der Bescheid sei festsetzungsverjährt, da die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück mit Inkrafttreten der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten im Jahre 2004 entstanden sei. Die vorherige Beitragssatzung der Stadt D. sei unwirksam gewesen. § 171 Abs. 3a AO sei nicht einschlägig, da dessen Anwendung voraussetze, dass durch den zunächst angefochtenen Abgabenbescheid die Festsetzungsfrist für die Abgabe gewahrt worden sei, die mit dem späteren Abgabenbescheid (erneut) festgesetzt werde. Dies sei nicht der Fall. Mit dem angefochtenen Beitragsbescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 werde der im Jahre 2004 entstandene Beitrag geltend gemacht. Die im Hinblick auf diesen Beitrag mit Ablauf des Jahres 2004 begonnene Festsetzungsfrist sei durch den ursprünglich angefochtenen Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 nicht gewahrt worden. Abgesehen davon, dass der Bescheid erlassen worden sei, bevor der Beitrag auf der Grundlage der erst am 14. April 2004 beschlossenen Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung entstanden sei, habe es der Stadt D. an der sachlichen Zuständigkeit für die Festsetzung des vom Beklagten geltend gemachten Beitrags gefehlt. Die Festsetzungsfrist werde jedoch gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nur gewahrt, wenn der Abgabenbescheid von der zuständigen Behörde festgesetzt worden sei. Dies sei hier nicht der Fall, denn die Stadt D. sei nur für die Festsetzung ihrer eigenen Beitragsforderung zuständig, nicht aber für die Festsetzung der Beitragsforderung des Beklagten.

7

Auf Antrag des Beklagten hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Juli 2013 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

8

Der Beklagte macht zur Begründung geltend, § 171 Abs. 3a AO sei auch dann einschlägig, wenn zwischen dem Erlass des ursprünglichen und dann aufgehobenen Beitragsbescheides und dem Erlass eines neuen Beitragsbescheides eine andere Behörde zuständig geworden sei. Der Abgabeschuldner dürfe nicht dadurch bessergestellt werden, dass - mehr oder weniger zufällig - im Lauf der Zeit Änderungen in der Zuständigkeit der abgabenerhebenden Behörde eingetreten seien. Maßgeblich sei, dass das veranlagte Grundstück einen Vorteil der Einrichtung zur Schmutzwasserentsorgung nach wie vor habe und dass mit dem Herstellungsbeitrag dieser Vorteil abgegolten werden solle. Selbst wenn man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 (- 1 BvR 2457/08 -) zur Auslegung des § 171 Abs. 3a AO heranziehen wolle, könne dies allenfalls zur Folge haben, dass die abgabenerhebende Körperschaft zeitnah, mindestens innerhalb der gesetzlichen vierjährigen Festsetzungsverjährungsfrist einen neuen Beitragsbescheid erlassen müsse. Dies sei geschehen.

9

Daneben könne dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit durch eine Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben Rechnung getragen werden. Weder die Fallgruppe der Verwirkung noch der unzulässigen Rechtsausübung sei aber einschlägig. Die Vorteilslage für die Klägerin sei ausweislich des Bauabnahmeprotokolls für die Kanalbauarbeiten im Ortsteil S. in der Straße „Dörfchen“ im Mai 2000 entstanden. Eine zentrale Entsorgung sei dann ab dem Jahr 2004 möglich gewesen, nachdem das zentrale Kanalnetz fertiggestellt und das Schmutzwasser in die Zentralkläranlage in D. habe weitergeleitet werden können. Innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist habe die Stadt D. einen Beitragsbescheid erlassen, dessen Aufhebung durch das Verwaltungsgericht erst mit dem die Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss vom 17. Oktober 2010 rechtskräftig geworden sei. Innerhalb eines Monats danach habe er erneut einen Beitrag festgesetzt, um seiner Beitragserhebungspflicht zu entsprechen. Zuvor sei er daran wegen des Verbots der Doppelveranlagung und des zwar zur gerichtlichen Überprüfung gestellten, aber wirksamen Beitragsbescheids der Stadt D. gehindert gewesen. Nicht im Ansatz könne von einer Pflichtverletzung ausgegangen werden.

10

Der Beklagte beantragt,

11

das auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 4. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie trägt vor, die Ablaufhemmung könne nur zwischen den Beteiligten eines Klageverfahrens wirken und nicht gegenüber unbeteiligten Dritten. Mit Übernahme der Abwasserbeseitigung hätte der Beklagte prüfen müssen, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt ihm zustehende Beitragsansprüche verjähren. Der Beklagte habe nicht das zwischen ihr und der Stadt D. geführte Klageverfahren abwarten können. Außerdem habe der Beklagte seine öffentliche Einrichtung weitergehend definiert als dies in der Stadt D. der Fall gewesen sei. Das Klageverfahren gegen die Stadt D. könne daher keine verjährungshemmenden Auswirkungen haben, weil es eine andere öffentliche Einrichtung betreffe. Eine erweiternde Auslegung der Abgabenordnung sei nicht möglich, da es sich um eine Schutznorm handele.

15

Zudem sei nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 eine Verjährung des Beitragsanspruches eingetreten. Auf Grund einer danach gebotenen verfassungskonformen Auslegung des § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA entstehe die Beitragspflicht, sobald das Grundstück angeschlossen werden könne und eine (nicht zwingend rechtmäßige) Satzung bestehe. Eine mögliche Hemmungs- und Unterbrechungswirkung aus vorangegangenen Verfahren der Stadt D. wirke zum einen nicht zugunsten des Beklagten und ändere im Übrigen nichts an der Verjährung. Eine Anschlussmöglichkeit habe bereits im Jahre 1991 bestanden. Für das Objekt sei Ende 1991 ein Bauantrag gestellt worden, der hinsichtlich der Beseitigung des Abwassers die Einleitung in eine öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage im Trennsystem vorgesehen habe. Es sei beabsichtigt gewesen, einen Anbau zu dem Pflegeheim zu errichten. Unter dem 17. Dezember 1992 sei die Baugenehmigung erteilt worden. Auch der beauftragte Architekt habe für den Bereich Abwasser die Entsorgung in eine zentrale Kläranlage angegeben. Nach ihrer Erinnerung sei eine zentrale Entsorgung über die Straße „Dörfchen“ erfolgt; wohin das Leitungssystem letztendlich entsorgt habe, sei nicht bekannt. Auf einem Grundriss des Pflegeheims aus dem Jahr 1993 seien sowohl ein Schmutzwasser- als auch ein Regenwasserkanal eingezeichnet und auf der Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahr 1994 sein Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar. Ein Zeuge könne bestätigen, dass bereits 1993 ein Mischwasserkanal vorhanden gewesen sei, der über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Darüber hinaus sei 1995 einem Antrag auf Trinkwasserversorgung seitens des Wasserzweckverbandes (…) stattgegeben worden. Eine verfassungskonforme Auslegung auf der Grundlage der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014, die zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist führe, komme nicht in Betracht.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

II.

17

Der Senat entscheidet über die zulässige Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält.

18

Die Beteiligten wurden dazu angehört (§§ 130a Satz 2 i.V.m. 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Eine erneute Anhörung auf Grund der Schriftsätze der Klägerin vom 19. November 2014 musste nicht erfolgen. Die Verfahrensbeteiligten sind nur dann durch eine erneute Anhörungsmitteilung von der fortbestehenden Absicht des Gerichts in Kenntnis zu setzen, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, wenn nach der entsprechenden Ankündigung ein erheblicher Beweisantrag gestellt wurde oder sich die prozessuale Lage des Rechtsstreits nach einer Anhörungsmitteilung wesentlich ändert, etwa dadurch, dass ein Prozessbeteiligter seinen bisherigen Sachvortrag in erheblicher Weise ergänzt oder erweitert (vgl. BVerwG, Beschlüsse v. 23. Juni 2011 - 9 B 94.10 -, v. 17. August 2010 - 10 B 19/10 - und v. 15. Mai 2008 - 2 B 77/07 - jeweils zit. nach JURIS). Eine solche möglicherweise entscheidungserhebliche Änderung der Prozesssituation lag nicht vor. Insbesondere die tatsächlichen Ausführungen der Klägerin zur Anschlusssituation sind nicht geeignet, ihre Auffassung zu stützen.

19

Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage des Bescheides über einen Anschlussbeitrag ist § 6 Abs. 1 Satz 1 KAG LSA i.V.m. der Schmutzwasserbeseitigungsabgabensatzung des Beklagten vom 14. April 2004 - SBAS -, die ordnungsgemäß im Amtsblatt des Landkreises Wittenberg vom 8. Mai 2004 veröffentlicht wurde und in den hier maßgeblichen Teilen rückwirkend am 1. März 2004 in Kraft trat.

21

1. Nach welcher satzungsrechtlichen Grundlage der Beitrag zu bemessen ist, richtet sich nach dem geltenden Recht im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht. Die Beitragspflicht entsteht im Anschlussbeitragsrecht gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA in der ab 9. Oktober 1997 geltenden Fassung - KAG LSA -, sobald das Grundstück an die Einrichtung angeschlossen werden kann, frühestens jedoch mit dem Inkrafttreten der Satzung. Die in § 7 Abs. 1 SBAS getroffene Regelung, wonach die Beitragspflicht mit der betriebsfertigen Herstellung der Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung vor dem Grundstück entsteht, wird insoweit ergänzt. Nach der vorher geltenden Fassung des § 6 Abs. 6 des Kommunalabgabengesetzes entstand die sachliche Beitragspflicht mit der Beendigung der beitragsfähigen Maßnahme. Werden in satzungsloser Zeit oder unter Geltung einer formell oder materiell unwirksamen Satzung die Anschlussvoraussetzungen für Grundstücke geschaffen, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt zu beiden Gesetzesfassungen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 25. Januar 2011 - 4 L 234/09 -; Urt. v. 6. März 2003 - 1 L 318/02 -, m.w.N.; vgl. auch Beschl. v. 10. November 1999 - B 3 S 29/98 -; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rdnr. 2202, m.w.N.) die sachliche Beitragspflicht für diese Grundstücke erst mit Inkrafttreten der ersten - wirksamen - Abgabensatzung entstehen.

22

Die Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 ist für das Grundstück der Klägerin die erste wirksame Anschlussbeitragssatzung, da die vorher geltenden Beitragssatzungen der Rechtsvorgänger des Beklagten, der Stadt D. sowie des AZV D., keine taugliche Rechtsgrundlage waren. Wie das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 19. August 2009 (- 4 A 52/09 -) zur Recht festgestellt hat, verstieß die Abwasserbeseitigungsabgabensatzung der Stadt D. vom 11. Juli 2000 - auch in der Gestalt der vier Änderungssatzungen - mit der Festsetzung eines geringeren Beitragssatzes für Grundstücke, die die in der Zeit vom 15. Juni 1991 bis 4. November 1993 angeschlossen wurden oder anschließbar waren, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (so auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 17. November 2010 - 4 L 213/09 -, zit. nach JURIS). Die Entwässerungsabgabensatzung des AZV D. vom 9. April 1996 enthielt keine wirksame Bestimmung über das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht, die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA in einer Beitragssatzung vorgeschrieben ist.

23

2. Durchgreifende Bedenken an der formellen oder materiellen Rechtmäßigkeit der Satzung vom 14. April 2004 sind weder von der Klägerin geltend gemacht noch nach dem im Berufungsverfahren maßgeblichen Prüfungsmaßstab sonst ersichtlich.

24

3. Der angefochtene Bescheid vom 21. Dezember 2010 ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht in festsetzungsverjährter Zeit erlassen worden.

25

Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. den §§ 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 170 Abs. 1 AO ist eine Abgabenfestsetzung - vorbehaltlich der Feststellbarkeit des Beitragspflichtigen nach § 6 Abs. 8 KAG LSA - nicht mehr zulässig, wenn die für Kommunalabgaben maßgebliche Festsetzungsfrist von vier Jahren abgelaufen ist, wobei die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Abgabe entstanden ist.

26

Die sachliche Beitragspflicht für das Grundstück der Klägerin ist nach der zum 1. April 2004 erfolgten Übertragung der Abwasserbeseitigungspflicht auf den Beklagten und vor Ablauf des Jahres 2004 entstanden. Denn unstreitig bestand jedenfalls im Jahr 2004 eine dauerhaft gesicherte Anschlussmöglichkeit des Grundstücks an die zentrale Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten und die am 1. März 2004 in Kraft getretene Satzung des Beklagten vom 14. April 2004 war die erste wirksame Beitragssatzung. Dass die sachliche Beitragspflicht erst auf Grund der Satzungsregelungen des Beklagten entstanden ist, obwohl die Stadt D. vor der Übertragung der Aufgabe der Schmutzwasserbeseitigung auf den Beklagten schon ein Abwasserbeseitigungssystem hergestellt hatte, ist unschädlich.

27

Die Festsetzungsfrist begann daher mit Ablauf des 31. Dezember 2004 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2008. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung ist jedoch gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a AO durch die Einlegung des Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 bis zum Eintritt der Bestandskraft des nunmehr streitigen Beitragsbescheides des Beklagten gehemmt worden.

28

Wird ein Abgabenbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft gem. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist nach § 171 Abs. 3a Satz 2 AO hinsichtlich des gesamten Abgabenanspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO bestimmt, dass in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden ist, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist.

29

a) Die Regelungen des § 171 Abs. 3a AO sind anwendbar. Zwar werden in § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA lediglich die Absätze 1 bis 4 und 7 bis 14 des § 171 AO, nicht jedoch dessen Absatz 3a auf kommunale Abgaben für entsprechend anwendbar erklärt. Gleichwohl ist auch der letztgenannte Absatz von der als dynamische Verweisung anzusehenden Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA erfasst (vgl. mit näherer Begründung OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11. Oktober 2004 - 2 M 444/04 -; Beschl. v. 12. Juli 2002 - 1 M 273/01 -, jeweils zit. nach JURIS; vgl. auch Beschl. v. 26. September 2006 - 4 L 208/06 -; vgl. weiter Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 38a, m.w.N.).

30

b) Die Voraussetzungen des § 171 Abs. 3a AO sind erfüllt.

31

Bei dem Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 handelt es sich um einen Abgabenbescheid i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO, der mit einem Widerspruch angefochten und in einem Klageverfahren gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgehoben worden ist. Rechtsfolge des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist, dass die Ablaufhemmung erst endet, wenn ein nachfolgender (neuer) Abgabenbescheid unanfechtbar geworden ist bzw. über den Rechtsbehelf gegen diesen Bescheid unanfechtbar entschieden ist (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 23. Juli 2013 - OVG 9 B 64.11 -; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011 - 4 EO 39/11 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 30. August 2011 - 6 A 10475/11 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. Oktober 2010 - 14 A 1345/10 -, jeweils zit. nach JURIS, m.w.N.; Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnr. 36, m.w.N.).

32

Dass die Stadt D. den Bescheid vom 24. Februar 2004 erlassen hat, bevor die sachliche Beitragspflicht entstanden war, steht dem nicht entgegen. Es ist von vornherein unschädlich, wenn der Abgabenanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des Abgabenbescheides i.S.d. § 171 Abs. 3a Satz 1 AO noch nicht entstanden war. Der Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3a AO liegt die Konstellation zugrunde, dass die ursprüngliche Abgabenfestsetzung angefochten worden ist, und dass nunmehr die Möglichkeit einer erneuten Festsetzung der streitigen Abgabe nicht dadurch obsolet werden soll, dass zwischenzeitlich - d.h. während der Rechtsbehelf gegen die alte Festsetzung noch anhängig ist - die Festsetzungsfrist abläuft. Nur die Anfechtung eines nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 125 AO nichtigen Bescheids führt nicht zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3a AO (VGH Bayern, Urt. v. 8. März 1991 - 23 B 89.134 -; BFH, Urt. v. 19. November 2009 - IV R 89/06 -, m.w.N., jeweils zit. nach JURIS zu § 171 Abs. 3 AO a.F.; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 50).

33

Auch der Umstand, dass der Beklagte nach Erhebung des Widerspruches gegen den Bescheid vom 24. Februar 2004 für die Beitragserhebung zuständig geworden ist und somit nach Einsetzen der Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 1 AO ein Zuständigkeitswechsel stattgefunden hat, ist unschädlich (so i.E. auch OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -, zit. nach JURIS zu einem Gebührenanspruch). Die Abgabenfestsetzung nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO und damit die Festsetzungsfrist beziehen sich zwar - was sich auch aus § 171 Abs. 3a AO Satz 2 AO ergibt - auf den konkreten Abgabenanspruch i.S.d. § 37 Abs. 1 AO, d.h. auf den Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis nach § 38 AO zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner. Angesichts des Zwecks des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO sowie des Umstands, dass diese Regelung nach § 13 Satz 1 KAG LSA nur entsprechend anzuwenden ist und eine vergleichbare Zuständigkeitsverlagerung in Verfahren nach der Abgabenordnung gerade nicht stattfinden kann, ist aber eine erweiternde Auslegung für den Fall vorzunehmen, dass die Befugnis zur Beitragserhebung auf eine insoweit als Rechtsnachfolger anzusehende andere Körperschaft übergeht. Die in § 171 Abs. 3a Satz 3 AO vorgenommene Verlängerung der Hemmung soll die Durchführung des behördlichen Verfahrens sichern (vgl. BFH, Urt. v. 5. Oktober 2004 - VII R 77/03 -, zit. nach JURIS unter Hinweis auf BT-Drs VI/1982, Seite 151; OVG Thüringen, Beschl. v. 9. November 2011, a.a.O.). Ohne eine solche Regelung wären gerade in kommunalabgabenrechtlichen Verfahren, deren Rechtsgrundlage kommunale Satzungen bilden, Einbußen der abgabenerhebenden Körperschaften zu befürchten. Denn ein Verweis auf § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, wonach auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheides eine Neubescheidung erfolgen kann, fehlt im Kommunalabgabengesetz Sachsen-Anhalt. Für die Hemmungswirkung des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO ist es daher ausreichend, dass die Beitragsfestsetzung der vorher zuständigen Körperschaft auf einen nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch gerichtet war (vgl. dazu auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994 - I B 139/93 -, zit. nach JURIS), so dass einer Beitragsfestsetzung durch die während der Hemmungswirkung zuständig gewordene Körperschaft die Ausschlusswirkung des Beitragsbescheides der vorher zuständigen Körperschaft entgegenstand. Dass die Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO nach der vom Verwaltungsgericht genannten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urt. v. 13. Dezember 2001 - III R 13/00 -, zit. nach JURIS) nur gewahrt ist, wenn der Abgabenbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist den Bereich der für die Abgabenfestsetzung zuständigen Behörde verlassen hat, hat für die Auslegung des § 171 Abs. 3a AO keine Bedeutung (vgl. auch BFH, Beschl. v. 25. Januar 1994, a.a.O.). Insoweit ausreichend ist, dass der Beitragsbescheid der Stadt D. vom 24. Februar 2004 fristwahrend i.S.d. § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO ihren Bereich verlassen hat.

34

Die erhobenen Einwendungen der Klägerin sind nicht durchgreifend. Abgesehen davon, dass die maßgeblichen Regelungen der Abgabenordnung entgegen ihrer Auffassung schon nicht als Schutznorm für die Beitragspflichtigen anzusehen sind, ergibt sich die hier vorgenommene Auslegung maßgeblich aus dem nur auf eine entsprechende Anwendung gerichteten Anwendungsbefehl des Gesetzgebers des Kommunalabgabengesetzes. Ohne Erfolg macht die Klägerin auch geltend, die öffentliche Entsorgungseinrichtung des Beklagten, um deren Herstellung es gehe, sei nicht identisch mit der ehemaligen öffentlichen Entsorgungseinrichtung der Stadt D., weil die Städte A und Z-E hinzugekommen seien. Diese Städte waren zum Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht nach der maßgebenden Abwasserbeseitigungssatzung des Beklagten vom 14. April 2004 noch nicht von der Einrichtung des Beklagten erfasst. Darüber hinaus lässt eine bloße flächenmäßige Erweiterung der öffentlichen Einrichtung nicht die Einstufung des Beitragsanspruchs des Beklagten als einen - verglichen mit dem Beitragsanspruch der Stadt D. - nach den wesentlichen Merkmalen identischen Beitragsanspruch entfallen.

35

4. Eine Beitragserhebung wird durch die die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dem rechtsstaatlichen Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Anschlussbeitragsrecht nicht ausgeschlossen.

36

Dieses Gebot schütze davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden könnten. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden könnten. Die Legitimation von Beiträgen liege - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen sei. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen könne, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen müsse. Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei stehe ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss v. 5. März 2013 - 1 BvR 2457/08 -, zit. nach JURIS).

37

Danach ist eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von vorteilsausgleichenden kommunalen Abgaben mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar (so BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013 - 9 B 13.13 -; vgl. auch Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu Sanierungsbeträgen nach § 154 BauGB, jeweils zit. nach JURIS). Die in der Rechtsprechung angeführten Argumente gegen eine Anwendung der Entscheidung vom 5. März 2013 im Anschlussbeitragsrecht (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014 - 1 L 142/13 -; VG Greifswald, Urt. v. 14. November 2013 - 3 A 524/11 -; VG Schwerin, Urt. v. 11. April 2013 - 4 A 1250/12 -, jeweils zit. nach JURIS) sind angesichts der eindeutigen Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts von vornherein nicht durchgreifend. Die Überlegungen zu den Besonderheiten des beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs, zu der Komplexität der Rechtsbeziehungen im Bereich der Refinanzierung leitungsgebundener öffentlicher Einrichtungen im Hinblick auf die teilweise Gebührenfinanzierung und das Entstehen von Finanzierungslücken, zu der Sondersituation in den neuen Bundesländern, zu der Vergleichbarkeit mit dem Erschließungsbeitragsrecht sowie zu den Grundsätzen der kommunalen Selbstverwaltung (vgl. dazu umfassend OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.) richten sich unmittelbar gegen die Auslegung der Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG in der Entscheidung vom 5. März 2013. Aber auch wenn die genannten Überlegungen und noch andere Erwägungen (z.B. der durch Inflation und Zinseszinseffekte bedingte Vorteil für den Beitragspflichtigen durch eine verzögerte Heranziehung) in dieser Entscheidung nicht ausdrücklich angesprochen werden, ist die verfassungsrechtlich maßgebliche Frage i.S.d. § 31 Abs. 1 BVerfGG als geklärt anzusehen. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, durch gesetzliche Regelungen sicherzustellen, dass eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme von Beitragsschuldnern besteht, die der Rechtssicherheit genügt.

38

a) Zwar führen sowohl § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA (1) als auch § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO (2) in der bisher von der Rechtsprechung vorgenommenen Auslegung zu mit dem genannten Verfassungsgebot nicht zu vereinbarenden Ergebnissen.

39

(1) § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA ermöglicht in der bisherigen Auslegung des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entsteht, eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit von Anschlussbeiträgen. Denn gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 170 Abs. 1 AO wird damit auch die Festsetzungsverjährung hinausgeschoben. Es bleibt letztlich der beitragserhebenden Körperschaft überlassen, ob und wann sie eine Beitragssatzung erlässt, mit der wiederum erst die sachlich Beitragspflicht entsteht und die Festsetzungsverjährungsfrist zu laufen beginnt. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zulässig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 3. September 2013 - 1 BvR 1282/13 -; BVerwG, Beschl. v. 26. August 2013, a.a.O.; VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013 - 4 B 266/13 -; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, jeweils zit. nach JURIS; OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, f., m.w.N.). Der Umstand, dass auf Grund des § 6 Abs. 8 KAG LSA die sachliche und persönliche Beitragspflicht für ein Grundstück auseinanderfallen kann und dann im Einzelfall möglicherweise kein Verstoß gegen des Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit vorliegt (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.), ändert daran nichts.

40

(2) Entsprechendes gilt für § 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KAG LSA i.V.m. § 171 Abs. 3a Satz 3 AO. Danach besteht für den Erlass eines auf die Aufhebung eines angefochtenen Abgabenbescheides folgenden Bescheides, dessen Unanfechtbarkeit erst die bestehende Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist beseitigt, keine Frist (vgl. BFH, Urt. v. 23. März 1993 - VII R 38/92 - zu § 171 Abs. 3 Satz 3 AO a.F., zit. nach JURIS; Pahlke/König, AO, 2. A., § 171 Rdnr. 58). Im Falle der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung eines Abgabenbescheides hat es also die abgabenerhebende Körperschaft in der Hand, ob und wann sie einen neuen Bescheid erlässt, so dass im Ergebnis dann ebenfalls eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit des Anschlussbeitrages vorliegt.

41

b) Eine verfassungskonforme Auslegung dieser Regelungen, mit der eine zeitlich unbegrenzte Festsetzbarkeit verhindert wird, ist ausgeschlossen.

42

Das Gebot verfassungskonformer Gesetzesauslegung verlangt, von mehreren möglichen Normdeutungen, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen, diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht. Eine Norm ist daher nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Auch im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf aber der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden. Die zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich damit grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert eine verfassungskonforme Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird. Die verfassungskonforme Auslegung findet ihre Grenzen mithin dort, wo sie zum Wortlaut der Norm und zum klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde (so BVerwG, Urt. v. 20. März 2014, a.a.O., m.w.N. aus der Rechtsprechung des BVerfG).

43

(1) Die nach dem Wortlaut der Regelung allein in Betracht kommende Auslegung des ab 9. Oktober 1997 geltenden § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA dahingehend, dass eine zur Heilung eines Rechtsmangels erlassene Beitragssatzung, um wirksam zu sein, rückwirkend zu dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden muss, zu dem die ursprünglich nichtige Beitragssatzung in Kraft treten sollte (vgl. OVG Sachsen, Beschl. v. 25. April 2013 - 5 A 478/10 -, zit. nach JURIS; Storm, DWW 2013, 246, 248 Fn. 13; Martensen, LKV 2014, 446, 451; vgl. auch das von Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 5. März 2013 angeführte Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen v. 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535, 536 f.), ist mit den dargelegten Grenzen verfassungskonformer Auslegung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

44

Mit einer solchen Auslegung dürfte schon hinsichtlich des durch § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA geregelten Erlasses der für die Beitragserhebung erforderlichen Beitragssatzung die verfassungsrechtliche Vorgabe einer bestimmbaren zeitlichen Obergrenze nicht erfüllt sein. Denn dadurch wird nicht die Fallkonstellation erfasst, dass die zuständige Körperschaft von vornherein keine Beitragssatzung erlässt (vgl. zur Notwendigkeit weiterer gesetzlicher Regelungen in einem solchen Fall die Gesetzesbegründung zu der Änderung des BayKAG vom 13. Januar 2014, LT-Drs 17/370, Seite 12 f.).

45

Jedenfalls steht einer abweichenden Auslegung die Entstehungsgeschichte des Gesetzes entgegen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Neuregelung klar zum Ausdruck gebracht, dass vor dem Hintergrund der Problematik von ungültigen Zweckverbandsgründungen die sachliche Beitragspflicht bei Anschlussbeiträgen mit der ersten wirksamen Beitragssatzung entstehen sollte. Dies ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu der Regelung (LT-Drs 2/3895 vom 26. August 1997, Seite 7; vgl. weiter Begründung des Gesetzentwurfs zu der ab 1999 geltenden Neuregelung in LT-Drs 3/919 vom 28. Januar 1999, Seite 5) und entspricht dem prinzipiellen Zweck des Gesetzes (so auch VG Halle, Beschl. v. 28. November 2013, a.a.O.; VG A-Stadt, Beschl. v. 5. Februar 2014 - 9 B 16/14 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a, S. 22/27). Eine andere Auslegung würde also das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfälschen. Soweit das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dem Urteil vom 18. Mai 1999 in Bezug auf eine zu § 6 Abs. 6 Satz 2 KAG LSA inhaltsgleiche Bestimmung des KAG NW eine abweichende Auslegung vornahm (vgl. auch OVG Brandenburg, Urt. v. 8. Juni 2000 - 2 D 29/98.NE - zu § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg a.F., zit. nach JURIS; a.M.: OVG Saarland, Beschl. v. 24. August 2007 - 1 A 49/07 -; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 19. September 2002 - 2 S 976/02 -; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 13. November 2001 - 4 K 16/00 -, jeweils zit. nach JURIS zu vergleichbaren Regelungen) erfolgte dies unter ausdrücklichem Hinweis auf die im Ergebnis unterschiedliche Entstehungsgeschichte der Norm.

46

(2) Der eindeutige Wortlaut des § 171 Abs. 3a Satz 3 AO und die durch die Entstehungsgeschichte bestätigte Zielsetzung des Gesetzgebers der Abgabenordnung verhindert ebenfalls eine abweichende Auslegung des § 171 Abs. 3a AO. Auch wenn § 13 Abs. 1 KAG LSA ausdrücklich nur eine „entsprechende“ Anwendung der Regelungen der Abgabenordnung vorsieht, hat der Gesetzgeber des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt durch die vorgenommene Verweisung dieses gesetzgeberische Ziel übernommen.

47

c) Eine analoge Heranziehung von Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt bzw. des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt nicht in Betracht.

48

Jede Art der richterlichen Rechtsfortbildung (hier die Analogie) setzt eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch eine judikative Lösung ersetzen. Ob eine Gesetzeslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Gesetzgebers erfassten Fälle in den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Vorschrift nicht alle Fälle erfasst, die nach dem Sinn und Zweck der Regelung erfasst sein sollten (so BVerwG, Urt. v. 12. September 2013 - 5 C 35.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.) bzw. wenn der Anwendungsbereich der Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist (so BVerwG, Urt. v. 25. April 2013 - 6 C 5.12 -, zit. nach JURIS, m.w.N.). Eine solche Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich auf Grund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er ihn bedacht hätte (BVerwG, Urt. v. 25. April 2013, a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 30. Mai 2012 - 4 L 224/11 -, zit. nach JURIS).

49

Einer analogen Heranziehung des § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 53 Abs. 2 Satz 1 VwVfG bzw. des § 53 Abs. 2 VwVfG LSA a.F. i.V.m. § 218 BGB a.F., die für unanfechtbare Verwaltungsakte zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers eine 30jährige Verjährungsfrist vorsehen (vgl. dazu VGH Bayern, Urt. v. 14. November 2013 - 6 B 12.704 -, zit. nach JURIS; zum Erschließungsbeitragsrecht; VG Dresden, Urt. v. 14. Mai 2013 - 2 K 742.11 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 187 f.), steht schon entgegen, dass das Verwaltungsverfahrensgesetz bzw. das Verwaltungsverfahrensgesetz Sachsen-Anhalt für Verwaltungsverfahren, soweit in ihnen Rechtsvorschriften der Abgabenordnung anzuwenden sind, ausdrücklich nicht gilt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA bzw. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG LSA a.F.). Das für Beitragsansprüche im Anschlussbeitragsrecht damit speziellere Kommunalabgabengesetz verweist aber gerade auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen (Festsetzungsverjährung, Zahlungsverjährung) auf die Abgabenordnung. Im Übrigen liegt keine Regelungslücke vor, da ein versehentliches Regelungsversäumnis des Gesetzgebers nicht anzunehmen ist (vgl. Rottenwallner, KStZ 2014, 145, 147), und es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte, die den Schluss zulassen, der Gesetzgeber hätte eine dreißigjährige Verjährungsfrist anordnen wollen, wenn er - eine Gesetzeslücke unterstellt - den Sachverhalt bedacht hätte.

50

d) Die Einhaltung des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit der in Rede stehenden Regelungen kann jedoch hier ausnahmsweise durch die Anwendung des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben in Gestalt des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung sichergestellt werden. Wie alle Generalklauseln ist auch der Grundsatz von Treu und Glauben in der Ausprägung der unzulässigen Rechtsausübung Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 20. März 2014 - 4 C 11.13 - zu sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen; vgl. auch BFH, Urt. v. 3. Mai 1979 - I R 49/78 -, zit. nach JURIS zu § 146 Abs. 3 AO a.F.).

51

(1) Zwar ist es - wie das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 5. März 2013 ausdrücklich festgestellt hat - Sache des Gesetzgebers, im Ergebnis sicherzustellen, dass der Beitrag nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden kann. Dass das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der zugrundeliegenden Normen mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben darauf hingewiesen hat, dass die Beitragsschuldner der Beitragspflicht nach der Rechtsprechung der Fachgerichte im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen könnten, steht dem nicht entgegen. Es handelt sich dabei lediglich um eine im Ergebnis nicht entscheidungserhebliche Erwägung zu den Auswirkungen des Verfassungsverstoßes. Danach ist durch die Möglichkeit einer Anwendung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben weder eine verfassungskonforme Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen zur Entstehung der sachlichen Beitragspflicht und deren Verjährung ausgeschlossen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 2. Oktober 2014 - 4 L 125/13 -) noch wird den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die notwendigen gesetzlichen Anpassungen Rechnung getragen. Das Rechtsstaatsprinzip verlangt Regelungen, die sicherstellen, dass Abgaben zum Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Es muss für die Beitragsschuldner in erkennbarer Weise eine zeitliche Höchstgrenze für die Beitragserhebung festgesetzt werden. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung, dessen Eingreifen von mehreren unbestimmten Rechtsbegriffen und einer Abwägungsentscheidung abhängig ist, reicht dazu grundsätzlich nicht aus (a.M.: VG Karlsruhe, Urt. v. 11. September 2014 - 2 K 2326/13 -, zit. nach JURIS zu einem Wasserversorgungsbeitrag; Driehaus, KStZ 2014, 181, 188; Martensen, LKV 2014, 446, 450). Dementsprechend kann auch eine Lösung unter Anwendung von Billigkeitsgesichtspunkten (§§ 163, 227 AO) eine gesetzliche Regelung nicht ersetzen (so aber OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 1. April 2014, a.a.O.).

52

Allerdings ist eine zeitweilige Heranziehung des Instruments des Einwandes der unzulässigen Rechtsausübung bis zum Inkrafttreten der schon im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Ergänzung des Kommunalabgabengesetzes Sachsen-Anhalt (vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung vom 10. September 2014, LT-Drs 6/3419) vorzunehmen. Eine solche Heranziehung ist zur Sicherstellung der verfassungsrechtlichen Maßgaben dann zulässig und ausreichend, wenn eine gesetzliche Neuregelung in absehbarer Zeit erfolgen wird. Für einen derartigen Übergangszeitraum wird die grundsätzliche Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Normen in noch hinnehmbarer Weise ausgeglichen.

53

(2) Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung steht der Beitragserhebung durch den Beklagten nicht entgegen.

54

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2014 (a.a.O.), der sich der Senat insoweit anschließt, kann die Ausübung eines Rechts unzulässig sein, wenn dem Berechtigten eine Verletzung eigener Pflichten zur Last falle und die Ausübung des Rechts aufgrund dieser eigenen Pflichtenverletzung treuwidrig erscheine. Eine Abgabenerhebung sei dann treuwidrig, wenn es auf Grund der Pflichtverletzung der abgabenerhebenden Körperschaft unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht mehr zumutbar erscheine, den Beitragsschuldner mit der Abgabenerhebung zu konfrontieren. Zugrunde zu legen sei ein enger Maßstab. Unter Heranziehung der in § 53 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers, die Durchsetzbarkeit des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers auf die längste im Zivilrecht vorgesehene Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 197 BGB) zu beschränken, sei eine Abgabenerhebung generell ausgeschlossen, wenn seit dem Entstehen der Vorteilslage mehr als 30 Jahre vergangen sei. Aber auch vor Erreichen dieser zeitlichen Höchstgrenze könne die Erhebung nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls treuwidrig und deshalb als Rechtsausübung unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sei dabei eine von Amts wegen zu berücksichtigende Einwendung.

55

Nach diesen Maßgaben ist die Beitragserhebung durch den Beklagten nicht treuwidrig.

56

Eine Vorteilslage i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsteht im Anschlussbeitragsrecht nach den Darlegungen in der Entscheidung vom 5. März 2013 mit dem „Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung“, d.h. mit dem tatsächlichen Anschluss des Grundstücks an eine zentrale öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung oder mit einer rechtlich dauerhaft gesicherten Anschlussmöglichkeit (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 16. Juli 2014 - OVG 9 N 69.14 -, zit. nach JURIS; Driehaus, KStZ 2014, 181, 183; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdnr. 41a). Denn dann hat der Beitragsschuldner einen Vorteil erlangt, der durch den einmaligen Beitrag abgegolten wird.

57

Hier entstand die Vorteilslage für die Klägerin nach dem substanziierten Vorbringen des Beklagten frühestens mit der im Mai 2000 erfolgte Abnahme der Kanalbauarbeiten in der Straße, an der das klägerische Grundstück anliegt. Erst ab dann konnte das Grundstück an den Hauptsammler in dieser Straße angeschlossen werden. Ein von der Klägerin behaupteter Anschluss an eine zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung bestand vor diesem Zeitpunkt nicht; vielmehr wurde das Schmutzwasser des auf dem Grundstück befindlichen Altenpflegeheims stets über eine dezentrale Anlage entsorgt. Aus den von der Klägerin genannten Unterlagen und Bekundungen Dritter ergibt sich nichts anderes. Die Mitteilung des Wasserzweckverbandes (…) aus dem Jahr 1995 über den Anschluss des Grundstücks an die Wasserversorgung ist von vornherein ohne Belang, weil daraus nicht auf eine bestehende Schmutzwasserbeseitigung dieses Grundstücks in eine zentrale Kläranlage geschlossen werden kann. Entsprechendes gilt für die Fotodokumentation eines Wertgutachtens aus dem Jahre 1994, auf der nach Mitteilung der Klägerin „Kanaldeckel im Straßenbereich erkennbar“ seien, sowie für eine Bekundung des ehemaligen Chefs der örtlichen Melioration, wonach ein Mischwasserkanal über einen Überlauf in die Elster eingeleitet habe. Der Bauantrag vom 13. November 1991 und die dazu ergangene Baugenehmigung vom 17. Dezember 1992 sind ebenfalls nicht ausreichend. Zwar wird in dem Bauantrag zur Beseitigung des Abwassers auf eine „Öffentliche Abwasseranlage mit zentraler Kläranlage: Trennsystem“ abgestellt und ein Gemeindekanal „Schmutzwasser: DN 200 der Stadt S. im Bereich der Zufahrt“ angeführt. Damit stellte der Bauantrag aber offensichtlich auf mögliche Planungen ab. Denn nach den Bedingungen Nr. 1.3. Satz 1 in der Anlage Nr. 1 zu der Baugenehmigung sind die anfallenden Abwässer in einer abflusslosen Sammelgrube ordnungsgemäß zu sammeln und zu entsorgen. Dementsprechend wird in einem zweiten Bauantrag der Klägerin aus dem Jahre 1997 zu dem streitbefangenen Grundstück („Rekonstruktion Alten- u. Pflegeheim“) ausdrücklich angegeben, dass die Grundstücksentwässerung über eine Kleinkläranlage erfolge. Nach einer Mitteilung des Abwasserzweckverbandes D. vom 3. Februar 1998 sei ein Anschluss an die zentrale Schmutzwasserleitung voraussichtlich erst ab dem Jahr 2002 möglich. Für das beplante Grundstück sei eine Übergangsmöglichkeit bzw. Dauerlösung gemäß DIN 4261 erforderlich und zwar eine Kleinkläranlage mit Nachbehandlung. Die Untere Wasserbehörde des Landkreises Wittenberg teilte der Klägerin im April 1998 mit, das Grundstück sei an die geplante Schmutzwasserleitung anzuschließen und als Behelfslösung bis zum Anschluss an die öffentliche Schmutzwasserkanalisation sei für die Abwasserentsorgung des Grundstückes eine abflusslose dichte Sammelgrube vorgesehen. Die Klägerin stellte daraufhin auch ausdrücklich einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung einer abflusslosen Grube. Der Abwasserzweckverband erklärte in einem Schreiben vom 28. Mai 1998, die ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung sei entsprechend der von der Unteren Wasserbehörde festgelegten Lösung für die Übergangszeit gesichert. Die von der Klägerin angeführten Grundrisse des Pflegeheims aus dem Jahre 1993 mit eingezeichneten Schmutzwasser- und Regenwasserkanälen beziehen sich daher allein auf den Anschluss an die dezentrale Anlage auf dem Grundstück.

58

Die Beitragserhebung durch den Beklagten mit Bescheid vom 21. Dezember 2010 erscheint nach den Umständen des Einzelfalles nicht als unzumutbar. Auch wenn die Zeitspanne zwischen dem Entstehen der Vorteilslage - falls man von einer Anschlussmöglichkeit schon ab Mai 2000 ausgeht - und der nunmehr streitbefangenen und damit maßgeblichen Beitragserhebung etwas mehr als zehn Jahre beträgt, ist der möglicherweise eine Pflichtverletzung begründende Zeitraum einer vorwerfbaren Untätigkeit des Beklagten oder der Stadt D. als seiner Rechtsvorgängerin deutlich kürzer. Dass die Stadt D. trotz Vorliegen einer Beitragssatzung fast vier Jahre bis zum Erlass des Beitragsbescheides vom 24. Februar 2004 benötigte, ist an sich nicht zu beanstanden, da der Körperschaft vor Erlass eines Beitragsbescheids ein angemessener Zeitraum zur Bearbeitung einzuräumen ist und dieser Zeitraum durch die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist begrenzt wird. Der Zeitablauf im Übrigen ist auf die Durchführung des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens gegen diesen ersten Bescheid zurückzuführen. Denn der Beklagte hat zeitnah zu dem rechtskräftigen Abschluss des gerichtlichen Verfahrens den streitigen Beitragsbescheid erlassen. Eine verzögerte Bearbeitung eines Widerspruchsverfahrens gegen einen Beitragsbescheid ist zwar als Pflichtverletzung anzusehen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die zeitliche Verzögerung in der Bearbeitung des Widerspruches der Klägerin gegen den Bescheid der Stadt D. teilweise auf die fehlende Begründung des Widerspruches sowie die Zuständigkeitsverlagerung zurückzuführen ist. Zudem hatte die Klägerin die Möglichkeit, im Rahmen einer Untätigkeitsklage ein gerichtliches Verfahren anzustrengen. Der allenfalls wenige Jahre betragende Zeitraum einer pflichtwidrigen Untätigkeit der Stadt D., der dem Beklagten zuzurechnen ist, ist danach zu kurz, um für sich genommen eine Beitragserhebung als unzumutbar zu qualifizieren. Da auch sonst keine besonderen Umstände vorliegen, die eine Beitragserhebung als treuwidrig erscheinen lassen, ist der Gesamtzeitraum nicht ausreichend, um nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine Verletzung rechtsstaatlicher Vorgaben anzunehmen.

59

Es kann danach offen bleiben, ob die Vorteilslage nicht sogar erst im Jahr 2004 durch den vom Beklagten behaupteten Lückenschluss in der Kanalverbindung zum Klärwerk entstanden ist.

60

4. Einwände gegen die Berechnung des Beitrages sind nicht geltend gemacht; Fehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

61

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

62

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Beschlusses folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

63

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.

64

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.


Tenor

1. Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) ist mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) unvereinbar. Ersetzt der Gesetzgeber Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes nicht bis zum 1. April 2014 durch eine verfassungsgemäße Neuregelung, tritt Nichtigkeit der Vorschrift ein.

2. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 - M 10 K 06.2850 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird aufgehoben und die Sache an ihn zurückverwiesen.

3. ...

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes (BayKAG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) mit den in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Verfassungsgrundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar ist.

I.

2

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt das Entstehen einer Beitragspflicht für den Anschluss an leitungsgebundene Einrichtungen neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine insgesamt betriebsfertige Einrichtung (sogenannte Vorteilslage) zwingend das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus (vgl. BayVGH, Urteil vom 14. April 2011 - 20 BV 11.133 -, BayVBl 2012, S. 45 <46>; Urteil vom 29. April 2010 - 20 BV 09.2010 -, BayVBl 2011, S. 240; Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, juris). Eine wirksame Satzung ist somit Beitragsentstehungsvoraussetzung. Die Satzung muss nach Art. 5 Abs. 8 BayKAG nicht bereits im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage in Kraft sein. Es genügt vielmehr, wenn sie nach deren Entstehung in Kraft tritt.

3

2. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung führt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b BayKAG in Verbindung mit § 47 der Abgabenordnung (AO) zum Erlöschen der Ansprüche aus dem Abgabenschuldverhältnis. Die Festsetzungsfrist, nach deren Ablauf der Erlass eines Beitragsbescheids unzulässig ist, beträgt nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 AO einheitlich vier Jahre.

4

3. Durch das am 31. Dezember 1992 verkündete Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBI S. 775) wurde der Beginn der Festsetzungsfrist mit Wirkung zum 1. Januar 1993 neu geregelt. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc BayKAG erhielt folgende Fassung:

5

Art. 13

Anwendung von Vorschriften der Abgabenordnung (AO 1977)

(1) Soweit gesetzlich nicht anders bestimmt, sind in ihrer jeweils geltenden Fassung vorbehaltlich Absatz 6 folgende Bestimmungen der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden:

(…)

4. aus dem Vierten Teil - Durchführung der Besteuerung -

(…)

b) über das Festsetzungs- und Feststellungsverfahren:

(…)

cc) § 170 Abs. 1 mit der Maßgabe,

- dass die Festsetzungsfrist dann, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Entstehens aus tatsächlichen Gründen noch nicht berechnet werden kann, erst mit Ablauf des Kalenderjahres beginnt, in dem die Berechnung möglich ist und

- dass im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginnt, in dem die gültige Satzung bekanntgemacht worden ist, (…).

6

Die in Bezug genommene Vorschrift des § 170 Abs. 1 AO lautet:

7

Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

8

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 1 BayKAG entspricht der bis dahin geltenden Regelung des Beginns der Festsetzungsfrist gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG vom 26. März 1974 (GVBl S. 109, ber. 252) in der Fassung vom 4. Februar 1977 (GVBl S. 82). Mit dem Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 wurde Spiegelstrich 2 neu in die gesetzliche Regelung eingefügt.

9

4. Der Gesetzgeber beabsichtigte hiermit ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs eine gesetzliche Klarstellung (LTDrucks 12/8082, S. 13). Bisher sei es in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs umstritten gewesen, ob in den Fällen, in denen eine nichtige Satzung rückwirkend durch eine gültige Satzung ersetzt werde, die Festsetzungsfrist mit dem Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens der Satzung (so BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60) oder erst mit Ablauf des Jahres zu laufen beginne, in dem die rückwirkende Satzung bekanntgemacht worden sei (so BayVGH 23. Senat, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Mit der Einfügung einer weiteren Maßgabe in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b BayKAG werde die den Bedürfnissen der Praxis entgegen kommende Auffassung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gesetzlich klargestellt. Nach der gegenteiligen Ansicht könne nämlich eine rückwirkend entstandene Forderung gleichzeitig festsetzungsverjährt sein, wenn sich die Rückwirkungsfrist über die Verjährungsfrist hinaus erstrecke.

II.

10

1. Der Beschwerdeführer war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte des Ausgangsverfahrens, die Gemeinde, in der das Grundstück gelegen ist (im Folgenden: Beklagte), fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

11

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Beschwerdeführer erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

12

Während des Widerspruchsverfahrens erwies sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

13

2. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Beschwerdeführer sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

14

Der Beschwerdeführer könne hiergegen nicht mit Erfolg einwenden, diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und müsse daher, insbesondere im Fall eines zwischenzeitlichen Eigentümerwechsels, abweichend von ihrem Wortlaut einschränkend ausgelegt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bestünden gegen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Ersichtliches Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, die Gemeinden im Falle nichtigen Satzungsrechts vor Beitragsausfällen infolge Verjährungseintritts zu bewahren. Im Übrigen sei keiner der jetzigen oder ehemaligen Grundstückseigentümer in seiner Erwartung geschützt, von der Nichtigkeit früheren Satzungsrechts profitieren zu können; denn ein abgeschlossener Beitragstatbestand liege nicht vor. Welchen der Eigentümer die Beitragspflicht treffe, hänge von der Bestimmung des Zeitpunkts der Rückwirkung ab. Sei dieser - wie im vorliegenden Fall - ohne Verstoß gegen das Willkürverbot gewählt, bestehe kein Grund für eine rechtliche Beanstandung.

15

3. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab. Das Verwaltungsgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Beitragsanspruch zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids nicht verjährt gewesen sei. Die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei verfassungsrechtlich unbedenklich. Der Gesetzgeber habe hiermit eine Regelung getroffen, die der bis dahin ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs entsprochen habe (Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 30. März 1984 - 23 B 81 A.1967 -, BayVBl 1985, S. 656 <658>). Die Norm enthalte nach Inhalt, Zweck und Ausmaß eine klare Aussage über den Lauf der Festsetzungsfrist, gegen die durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestünden. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege schon deshalb nicht vor, weil kein abgeschlossener Beitragstatbestand gegeben sei. Denn bei leitungsgebundenen Einrichtungen setze die Entstehung einer Beitragspflicht nach ständiger Rechtsprechung das Vorhandensein einer gültigen Abgabensatzung voraus. Eine wirksame Abgabensatzung habe erstmals im Jahr 2005 vorgelegen. Soweit der Beschwerdeführer geltend mache, die rückwirkende Inkraftsetzung einer Abgabensatzung müsse wenigstens zeitlich auf die einschlägigen Verjährungsvorschriften beschränkt werden, lasse er außer Acht, dass nur eine bereits entstandene Beitragsforderung verjähren könne. Bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht müsse ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt herangezogen zu werden. Er könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

III.

16

Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Rechte aus Art. 20 Abs. 3 und Art. 103 Abs. 1 GG.

17

1. Die in den angegriffenen Entscheidungen vorgenommene uneingeschränkte Anwendung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG auf rückwirkend in Kraft gesetzte Satzungen verstoße wegen der damit verbundenen echten Rückwirkung gegen die aus Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Es sei geboten, die Rückwirkung einer Satzung durch Festsetzungsfristen zu begrenzen. Der Eintritt der Festsetzungsverjährung dürfe nicht beliebig hinausgeschoben werden. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG sei im Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens einer Satzung entweder nicht anzuwenden oder verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Verjährung rückwirkend zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Satzung beginne.

18

2. Die Ausgangsgerichte hätten Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil sie ihm nicht hinreichend rechtliches Gehör gewährt hätten. Er habe mit der verwaltungsgerichtlichen Klage geltend gemacht, dass der Beitragsanspruch wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung erloschen sei. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte beginne die Festsetzungsfrist nur zu laufen, wenn eine wirksame Beitragssatzung vorliege. Die Beklagte und die Gerichte in den angegriffenen Entscheidungen hätten sich darauf berufen, dass sämtliche Satzungen, die der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 vorausgingen, nichtig gewesen seien, was durch diverse Entscheidungen der Verwaltungsgerichte bereits geklärt worden sei. Er habe deshalb die Vorlage dieser Entscheidungen außergerichtlich und schließlich auch vor dem Verwaltungsgericht begehrt. Die maßgeblichen Entscheidungen seien ihm jedoch nicht vollständig zugänglich gemacht worden. Ihm sei es deshalb nicht möglich gewesen, zur Frage der Nichtigkeit sämtlicher Satzungen ausreichend Stellung zu nehmen.

IV.

19

Die Beklagte, die Bayerische Staatsregierung und der Deutsche Städte- und Gemeindebund haben ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht zu der Verfassungsbeschwerde Stellung genommen.

20

1. Die Beklagte ist der Auffassung, die Verfassungsbeschwerde sei unzulässig. Der Beschwerdeführer habe eine Verletzung rechtlichen Gehörs nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus sei der Rechtsweg nicht erschöpft, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge erhoben habe.

21

Die Verfassungsbeschwerde sei im Übrigen nicht begründet. Der Beschwerdeführer könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Denn ein Vertrauen darauf, dass eine als nichtig erkannte Regelung aufrechterhalten bleibe und nicht durch eine neue, rückwirkende Satzung ersetzt werde, sei nicht schützenswert. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sein Grundstück veräußert habe, bedeute nicht, dass dadurch ein für seine Beitragspflicht maßgeblicher Tatbestand abgeschlossen sei und er in der Folge nicht mehr zur Beitragszahlung herangezogen werden dürfe. Er habe vielmehr den für die Entstehung der Beitragspflicht maßgeblichen Vorteil der Möglichkeit der Anschlussnahme entgegengenommen und mit dem Grundstücksverkauf nicht verloren. Dieser Vorteil habe den Wert seines Grundstücks erhöht mit der Folge, dass er für das Grundstück einen höheren Kaufpreis habe erzielen können.

22

2. Die Bayerische Staatsregierung hält Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG für verfassungsgemäß. Die Ersetzung einer als nichtig erkannten durch eine wirksame Beitragssatzung stelle keinen Fall einer echten, sondern allenfalls einer unechten Rückwirkung dar. Es sei kein abgeschlossener Lebenssachverhalt gegeben, in den nachträglich eingegriffen worden sei. Denn die Beitragsentstehung setze das Vorliegen einer gültigen Beitragssatzung voraus. Ohne diese sei eine Berechnung des Beitrags in Ermangelung eines Beitragsmaßstabs nicht möglich.

23

Das Vertrauen des Beschwerdeführers wäre selbst bei Annahme einer echten Rückwirkung nicht schutzwürdig, weil er damit habe rechnen müssen, dass eine vorhandene, aber als nichtig erkannte Satzung durch eine gültige Satzung ersetzt werde, mit der die von Anfang an von der Gemeinde angestrebte Beitragspflicht herbeigeführt werde. Es seien keine Umstände erkennbar, die ein Vertrauen darauf rechtfertigten, dass die Gemeinde es bei einer nichtigen Beitragssatzung belassen und auf eine Beitragserhebung verzichten würde.

24

Eine zeitliche Beschränkung der Rückwirkung auf die Festsetzungsfristen sei aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht geboten. Der bayerische Gesetzgeber habe mit Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG eine Lösung gewählt, die sowohl die Gemeinden vor Beitragsausfällen aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung bewahre als auch dem Vorteilsgedanken Rechnung trage. Die Gemeinden würden nach Erlass der gültigen Satzung erstmals in die Lage versetzt, Beiträge nach den Maßstäben dieser gültigen Satzung korrekt festzusetzen und die öffentliche Einrichtung auf der Grundlage rechtsstaatlicher Regelungen zu refinanzieren. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses mit den privaten Interessen der betroffenen Beitragspflichtigen überwiege das öffentliche Interesse. Ein Grundstückseigentümer müsse damit rechnen, zu einem Beitrag herangezogen zu werden. Sein Vertrauen darauf, dass eine nichtige Satzung nicht durch eine gültige Satzung ersetzt werde, sei nicht schutzwürdig. Verjährungsvorschriften dienten der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Im vorliegenden Fall liege kein Vorgang vor, auf dessen Abschluss der Bürger sich einstellen und auf dessen Ende er vertrauen könne. Da dem Beitragspflichtigen kein schützenswertes Vertrauen zur Seite stehe, komme dem öffentlichen Interesse an der Beitragserhebung das entscheidende Gewicht zu.

25

3. Das Bundesverwaltungsgericht teilt mit, es sei mit der Frage nach dem Lauf der Festsetzungsfrist bei der rückwirkenden "Reparatur" nichtiger Abgabennormen bisher nur am Rande befasst gewesen. Nach seiner gefestigten Rechtsprechung sei es allerdings mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar, kommunale Anschluss- und Erschließungsbeitragssatzungen rückwirkend in Kraft zu setzen, um früher erlassene, auf eine nichtige Vorgängersatzung gestützte Beitragsbescheide zu heilen (Hinweis auf BVerwGE 50, 2 <7 f.>; 67, 129 <130 ff.>; BVerwG, Beschluss vom 7. Februar 1996 - BVerwG 8 B 13.96 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 36, S. 3 <4>). Werde eine ungültige durch eine gültige Satzung ersetzt, liege darin keine echte Rückwirkung, da eine Beitragspflicht frühestens mit dem Inkrafttreten der rechtswirksamen Beitragssatzung entstehen könne und diese Satzung somit nicht in einen bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreife (Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 1986 - BVerwG 8 B 123.84 -, NVwZ 1986, S. 483 <484>).

26

Die Festsetzungsverjährung sei im Abgabenrecht der Länder geregelt (Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1977 - BVerwG IV C 84-92.74 -, Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 20, S. 20<25> sowie NJW 1977, S. 1740 <1741>). Die Anknüpfung der Verjährung an die rückwirkende Entstehung der Beitragspflicht stehe mit Bundesrecht in Einklang. Die Frage der bundesrechtlichen Unbedenklichkeit einer Anknüpfung an die Verkündung der neuen Satzung sei in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht weiter problematisiert worden.

27

Gegen die in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG getroffene Regelung bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das rückwirkende Inkrafttreten der neuen Satzung habe zwar zur Folge, dass bereits zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (frühestens zum Zeitpunkt des rückwirkenden Inkrafttretens) die Beitragsvoraussetzungen erfüllt sein könnten. Es sei aber kein verfassungsrechtlicher Grundsatz ersichtlich, der dazu zwinge, die Festsetzungsverjährung in Rückwirkungsfällen an das Entstehen der Beitragsforderung anzuknüpfen. Da die Behörde erst mit der Verkündung der neuen Satzung in den Stand versetzt werde, einen rechtlich tragfähigen Beitragsbescheid zu erlassen, beziehungsweise erst mit der Verkündung ein auf die frühere nichtige Satzung gestützter Beitragsbescheid geheilt werde, sprächen Sachgründe für den im Bayerischen Kommunalabgabengesetz gewählten zeitlichen Anknüpfungspunkt der Festsetzungsverjährung. Die Regelung verstoße daher nicht gegen das Willkürverbot.

28

Mit den aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitbaren Grundsätzen der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dürfte die Regelung gleichfalls in Einklang stehen. Das Institut der Festsetzungsverjährung diene dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit (Hinweis auf BFH, Urteil vom 15. Juni 1988 - I R 68/86 -, BFH/NV 1990, S. 128). Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Verkündung der neuen Satzung führe zwar dazu, dass ein sehr langer Zeitraum zwischen dem die Beitragsforderung begründenden Sachverhalt und dem Ablauf der Verjährungsfrist liegen könne. Es sei aber zu bedenken, dass die mit der Festsetzungsverjährung verfolgten Ziele in einem Spannungsverhältnis zu dem Belang materieller Gerechtigkeit und dem fiskalischen Interesse an der Durchsetzung des Abgabenanspruchs stünden. Für die Aufgabe, zwischen den Polen in diesem Spannungsverhältnis einen verhältnismäßigen Ausgleich zu schaffen, sei dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Gehe man mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts davon aus, dass der Beitragspflichtige sich gegenüber dem rückwirkenden Inkraftsetzen einer neuen Beitragssatzung nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, und berücksichtige man zusätzlich die besondere Fehleranfälligkeit kommunaler Beitragssatzungen und das daraus resultierende gesteigerte Interesse an einer effektiven Nutzbarkeit der Heilungsmöglichkeiten, dürfte sich die Verjährungsregelung des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes innerhalb dieses Gestaltungsspielraums halten.

29

4. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund weist darauf hin, dass der rückwirkende Erlass einer Satzung, welche die "Reparatur" einer unwirksamen Satzung bezwecke, eine Ausnahme darstelle und im vorliegenden Fall verwaltungspraktische Gründe gehabt habe. Die auf der Grundlage der Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 erlassenen Bescheide wären sonst im Fall eines Eigentümerwechsels bei einem Teil der früheren Eigentümer bestandskräftig geworden und hätten bei nicht bestandskräftigen Bescheiden aufgehoben und gegenüber dem neuen Eigentümer neu erlassen werden müssen. Dadurch wäre es zu Ungleichbehandlungen gekommen. Der rückwirkende Erlass einer Satzung sei in der Praxis auch dann erforderlich, wenn andernfalls die Einbringung von Forderungen, zum Beispiel wegen Insolvenz oder Zwangsversteigerungsverfahren, gefährdet wäre. Eine Rückwirkung erstrecke sich üblicherweise nicht auf einen Zeitraum von zehn Jahren. Dieser lange Zeitraum ergebe sich im vorliegenden Fall daraus, dass die Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005 den in der Vorgängersatzung normierten Rückwirkungszeitpunkt beibehalten habe, was einen atypischen, sozusagen "verdoppelten" Rückwirkungszeitraum zur Folge gehabt habe.

B.

30

Die mit der Verfassungsbeschwerde vorgebrachten Rügen sind nur teilweise zulässig.

I.

31

Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, da sie nicht hinreichend begründet wurde (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Der Beschwerdeführer hat insoweit die Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht substantiiert dargelegt (vgl. BVerfGE 7, 95 <99>; 60, 313 <318>; 86, 133 <147>).

II.

32

Soweit die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG herzuleitenden rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes betrifft, ist sie zulässig.

33

Der Beschwerdeführer war - trotz Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG - nicht gehalten, zur Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO zu erheben. Wird im fachgerichtlichen Rechtsmittelverfahren die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht und bestätigt das Rechtsmittelgericht die angefochtene Entscheidung, so muss die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts - sofern kein eigenständiger neuer Gehörsverstoß durch das Rechtsmittelgericht geltend gemacht wird - nicht mit der Anhörungsrüge angegriffen werden, um dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zu genügen (vgl. BVerfGE 107, 395 <410 f.>).

C.

34

Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Die mittelbar angegriffene Regelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775) sowie die hierauf beruhenden, unmittelbar angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen verstoßen gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit.

I.

35

1. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verletzt im vorliegenden Fall nicht die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Zulässigkeit rückwirkender Gesetze.

36

Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz begrenzt die Befugnis des Gesetzgebers, Rechtsänderungen vorzunehmen, die in einen in der Vergangenheit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt eingreifen (vgl. BVerfGE 95, 64 <86 f.>; 101, 239 <263>; 126, 369 <393>).

37

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG selbst entfaltet dem Beschwerdeführer gegenüber keine Rückwirkung. Die Vorschrift regelt den Beginn der Verjährungsfrist für die Festsetzung von Beiträgen, die auf Abgabensatzungen gestützt sind, welche eine frühere unwirksame Satzung wirksam heilen. Bei ihrem Inkrafttreten zum 1. Januar 1993 lag eine solche wirksam heilende Satzung im Fall des Beschwerdeführers noch nicht vor und wurde auch später nicht rückwirkend zum oder vor dem 1. Januar 1993 in Kraft gesetzt, so dass die Verjährungsfrist unabhängig von der Neuregelung noch nicht zu laufen begonnen hatte. Solange der Lauf der Verjährungsfrist mangels gültiger Satzung nicht begonnen hat, betrifft die gesetzliche Neuregelung des Beginns der Verjährung mit der Wirkung einer Verjährungsverlängerung jedoch noch nicht einmal einen in der Vergangenheit begonnenen und nicht abgeschlossenen Sachverhalt.

38

Die vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bereits bestehende Vorteilslage begründet für den Beschwerdeführer ebenfalls keinen bereits begonnenen Sachverhalt, in den die Neuregelung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG im Wege einer Rückwirkung eingegriffen hätte. Denn die Neuregelung beschränkt sich auf das Hinausschieben des Beginns der Verjährung. Eine solche konnte ohne wirksame Satzung aber nicht zu laufen beginnen.

39

2. Sollte der Beschwerdeführer mit Rücksicht auf die unwirksame Satzung auf den Schein eines Verjährungslaufs vertraut haben, so kann dahinstehen, ob und in welchem Zusammenhang das Vertrauen in den scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verfassungsrechtlichen Schutz verdient. Nach den Feststellungen der Ausgangsgerichte hätte die Festsetzungsfrist selbst bei Wirksamkeit der unwirksamen Satzung frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen. Das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes wurde aber bereits am 31. Dezember 1992 und damit sogar noch vor dem scheinbaren Beginn der Festsetzungsfrist verkündet.

II.

40

Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG verstößt jedoch gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gebot der Rechtssicherheit als wesentlichem Bestandteil des in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzips (vgl. BVerfGE 30, 392 <403>; 43, 242 <286>; 60, 253 <267>). Er erlaubt, Beiträge zeitlich unbegrenzt nach dem Eintritt der Vorteilslage festzusetzen. Der Gesetzgeber hat damit den Ausgleich zwischen der Erwartung der Beitragspflichtigen auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung und dem berechtigten öffentlichen Interesse an einem finanziellen Beitrag für die Erlangung individueller Vorteile aus dem Anschluss an die Entwässerungsanlage verfehlt und in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise einseitig zu Lasten der Beitragsschuldner entschieden.

41

1. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz gewährleisten im Zusammenwirken mit den Grundrechten die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als wesentliche Voraussetzung für die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug (vgl. BVerfGE 60, 253 <267 f.>; 63, 343 <357>; BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 -, DStR 2012, S. 2322 <2325>). Die Bürgerinnen und Bürger sollen die ihnen gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>; 63, 215 <223>). Dabei knüpft der Grundsatz des Vertrauensschutzes an ihr berechtigtes Vertrauen in bestimmte Regelungen an. Er besagt, dass sie sich auf die Fortwirkung bestimmter Regelungen in gewissem Umfang verlassen dürfen. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet darüber hinaus aber unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben, oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Es schützt in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit davor, dass lange zurückliegende, in tatsächlicher Hinsicht abgeschlossene Vorgänge unbegrenzt zur Anknüpfung neuer Lasten herangezogen werden können. Als Elemente des Rechtsstaatsprinzips sind Rechtssicherheit und Vertrauensschutz eng miteinander verbunden, da sie gleichermaßen die Verlässlichkeit der Rechtsordnung gewährleisten.

42

2. Für die Auferlegung einer Beitragspflicht zum Vorteilsausgleich in Anknüpfung an zurückliegende Tatbestände ist die Regelung einer Verjährung als abschließende Zeitgrenze, bis zu der Beiträge geltend gemacht werden können, verfassungsrechtlich geboten. Dem Gesetzgeber obliegt es, einen Ausgleich zu schaffen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit an Beiträgen für solche Vorteile einerseits und dem Interesse des Beitragsschuldners andererseits, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann.

43

a) Ausdruck der Gewährleistung von Rechtssicherheit sind auch Verjährungsregelungen. Sie sollen sicherstellen, dass Einzelne nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht mehr mit Forderungen überzogen werden. Die Verjährung von Geldleistungsansprüchen der öffentlichen Hand soll einen gerechten Ausgleich zwischen dem berechtigten Anliegen der Allgemeinheit an der umfassenden und vollständigen Realisierung dieser Ansprüche auf der einen Seite und dem schutzwürdigen Interesse der Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite bewirken, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Während das staatliche Interesse an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten vornehmlich von den Grundsätzen der richtigen Rechtsanwendung und der materiellen Gerechtigkeit (Belastungsgleichheit) sowie von fiskalischen Erwägungen getragen wird, steht dem auf Seiten der Bürger das Prinzip der Rechtssicherheit gegenüber.

44

Dabei ist es den Verjährungsregelungen eigen, dass sie ohne individuell nachweisbares oder typischerweise vermutetes, insbesondere ohne betätigtes Vertrauen greifen. Sie schöpfen ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit vielmehr aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit, demzufolge Einzelne auch gegenüber dem Staat die Erwartung hegen dürfen, irgendwann nicht mehr mit einer Geldforderung überzogen zu werden, wenn der berechtigte Hoheitsträger über einen längeren Zeitraum seine Befugnis nicht wahrgenommen hat.

45

b) Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

46

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.

47

3. Der Gesetzgeber hat in Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den erforderlichen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit auf der einen Seite und Rechtsrichtigkeit und Fiskalinteresse auf der anderen Seite verfehlt. Dadurch, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG den Verjährungsbeginn bei der Heilung ungültiger Abgabensatzungen ohne zeitliche Obergrenze auf den Ablauf des Kalenderjahres festlegt, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden ist, löst der Gesetzgeber den Interessenkonflikt einseitig zu Lasten des Bürgers. Zwar schließt er damit die Verjährung von Beitragsansprüchen nicht völlig aus. Indem er den Verjährungsbeginn jedoch ohne zeitliche Obergrenze nach hinten verschiebt, lässt er die berechtigte Erwartung des Bürgers darauf, geraume Zeit nach Entstehen der Vorteilslage nicht mehr mit der Festsetzung des Beitrags rechnen zu müssen, gänzlich unberücksichtigt. Die Verjährung kann so unter Umständen erst Jahrzehnte nach dem Eintritt einer beitragspflichtigen Vorteilslage beginnen.

48

Der Beitragspflicht können die Bürgerinnen und Bürger im Regelfall nicht durch den Einwand der Verwirkung entgehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. August 2011 - BVerwG 3 B 36.11 -, BeckRS 2011, 53777; Beschluss vom 12. Januar 2004 - BVerwG 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, S. 314) und des Bundesfinanzhofs (vgl. BFH, Urteil vom 8. Oktober 1986 - II R 167/84 -, BFHE 147, 409 <412>) erfordert Verwirkung nicht nur, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts längere Zeit verstrichen ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen. Diese Voraussetzung dürfte selbst in den Fällen der Beitragserhebung nach scheinbarem Ablauf der Festsetzungsfrist regelmäßig nicht erfüllt sein.

D.

I.

49

Die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Vorschrift führt in der Regel zu ihrer Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Hier kommt zunächst jedoch nur eine Unvereinbarkeitserklärung in Betracht, da dem Gesetzgeber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 130, 240 <260 f.>; stRspr).

50

Es bleibt ihm überlassen, wie er eine bestimmbare zeitliche Obergrenze für die Inanspruchnahme der Beitragsschuldner gewährleistet, die nach Maßgabe der Grundsätze dieses Beschlusses der Rechtssicherheit genügt. So könnte er etwa eine Verjährungshöchstfrist vorsehen, wonach der Beitragsanspruch nach Ablauf einer auf den Eintritt der Vorteilslage bezogenen, für den Beitragsschuldner konkret bestimmbaren Frist verjährt. Er könnte auch das Entstehen der Beitragspflicht an die Verwirklichung der Vorteilslage anknüpfen oder den Satzungsgeber verpflichten, die zur Heilung des Rechtsmangels erlassene wirksame Satzung rückwirkend auf den Zeitpunkt des vorgesehenen Inkrafttretens der ursprünglichen nichtigen Satzung in Kraft zu setzen, sofern der Lauf der Festsetzungsverjährung damit beginnt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. Mai 1999 - 15 A 2880/96 -, NVwZ-RR 2000, S. 535 <536 f.>). Er kann dies mit einer Verlängerung der Festsetzungsfrist, Regelungen der Verjährungshemmung oder der Ermächtigung zur Erhebung von Vorauszahlungen auch in Fällen unwirksamer Satzungen verbinden (zur derzeitigen Rechtslage gemäß Art. 5 Abs. 5 BayKAG vgl. BayVGH, Urteil vom 31. August 1984 - 23 B 82 A.461 -, BayVBl 1985, S. 211; Driehaus, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 128 ).

II.

51

Der angegriffene Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben. Die Sache ist an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen. Die Unvereinbarkeitserklärung führt dazu, dass Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG von Gerichten und Verwaltungsbehörden nicht mehr angewendet werden darf (vgl. BVerfGE 111, 115 <146>). Laufende Gerichts- und Verwaltungsverfahren, in denen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 BayKAG entscheidungserheblich ist, bleiben bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens aber bis zum 1. April 2014, ausgesetzt oder sind auszusetzen.

52

Die Aussetzung gibt dem Gesetzgeber Gelegenheit zu einer verfassungsgemäßen Neuregelung. Verzichtet er auf eine Sonderregelung des Beginns der Festsetzungsfrist, tritt zum 1. April 2014 Nichtigkeit ein. Dann wäre es Aufgabe der Verwaltungsgerichte, das Landesrecht entsprechend verfassungskonform auszulegen (vgl. etwa für den Fall des rückwirkenden Inkraftsetzens heilender Satzungen BayVGH 6. Senat, Urteil vom 26. März 1984 - 6 B 82 A.1075 -, BayGT 1985, S. 60).

III.

53

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.