Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. März 2017 - 3 L 115/15
Gründe
I.
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Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen der "Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz" (im Folgenden: Beratende Kommission) auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) vom 5. September 2005 (BGBl I 2005, 2722), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. August 2013 (BGBl I 3154) bzw. des Informationszugangsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt (IZG LSA) vom 19. Juni 2008 (GVBl. LSA 2008, 242).
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Der Kläger war Rechtsanwalt des Herrn (P. S.), dem Sohn und Rechtsnachfolger des jüdischen Zahnarztes Dr. (H. S.), der zu Lebzeiten seit 1896 eine umfangreiche und wertvolle Plakatsammlung zusammengetragen hatte, welche ihm 1938 im Auftrag des Reichspropagandaministeriums entzogen worden war. Ende 1938 emigrierte Dr. (H. S.) wegen der nationalsozialistischen Judenverfolgung in die USA. Nach dem 2. Weltkrieg war die Sammlung zunächst verschollen. Im Jahr 1961 erhielt Dr. (H. S.) aufgrund eines in einem Verfahren nach dem Bundesrückerstattungsgesetz geschlossenen Vergleichs 225.000 DM als Wiedergutmachung für den Verlust der Sammlung. Später stellte sich heraus, dass sich Teile der Sammlung im Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin befanden. 1974 verstarb Dr. (S.) und wurde von seiner Ehefrau beerbt. Diese starb 1998, ohne nach der Wiedervereinigung Ansprüche wegen der Sammlung geltend gemacht zu haben. Herr (P. S.) ist ihr Erbe.
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Im Jahr 2005 verlangte Herr (P. S.) die Herausgabe der Plakatsammlung. Nach der Prüfung der Restitutionsunterlagen lehnte das Deutsche Historische Museum eine Rückgabe der Sammlung ab. Nachdem die Parteien keine Einigung erzielen konnten, verständigten sie sich darauf, den Fall der Beratenden Kommission vorzulegen. Hierbei handelt es sich um ein mit hochrangigen, ehrenamtlich tätigen Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Gesellschaft besetztes Gremium, das bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den heutigen Besitzern und den ehemaligen Eigentümern von Kulturgütern oder deren Erben vermitteln kann, wenn dies von beiden Seiten gewünscht wird. Im vorliegenden Fall gab die Beratende Kommission im Januar 2007 die Empfehlung, angesichts des deutlich zum Ausdruck gebrachten Willens des Sammlers Dr. (H. S.) die Sammlung im Deutschen Historischen Museum zu belassen.
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Herr (P. S.) strengte daraufhin vor dem Landgericht Berlin ein Musterverfahren gerichtet auf Herausgabe u. a. des Plakats "Die Dogge" an, das zunächst Erfolg hatte. Der hiergegen vom Deutschen Historischen Museum eingelegten Berufung gab das Kammergericht Berlin mit der Begründung statt, dem an sich gegebenen Herausgabeanspruch des Herrn (P. S.) nach § 985 BGB stünden die Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts und des Bundesrückerstattungsgesetzes entgegen. Die auf den Antrag von Herrn (P. S.) vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision hatte Erfolg; der Herausgabeanspruch des Klägers wurde vom Bundesgerichtshof durch Urteil vom 16. März 2012 (Az: V ZR 279/10 -, juris) bestätigt. Zugleich wurde die Anschlussrevision des Deutschen Historischen Museums, mit der dieses das fehlende Eigentum des Herrn (P. S.) an der Plakatsammlung festgestellt wissen wollte, im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, Herr Dr. (H. S.) sei zu Lebzeiten Eigentümer der Sammlung geblieben und dieses Eigentum im Wege der Erbfolge zunächst auf seine Ehefrau und nach deren Tod auf den Sohn, Herrn (P. S.), übergegangen.
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 beantragte der Kläger im Namen seines Mandanten, Herrn (P. S.), sowie im eigenen Namen Akteneinsicht in die Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (S.) mit der Begründung, das vor der Beratenden Kommission durchgeführte Verfahren sei abgeschlossen, so dass Geheimhaltungsinteressen im Hinblick auf ein laufendes Verfahren nicht mehr bestünden. Auch sei die Beratende Kommission Teil der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Gesetzes und den Bundesbehörden zugeordnet. Sofern es sich bei der Beratenden Kommission um eine Landeseinrichtung handele, werde nach Maßgabe des zutreffenden Landesrechts Einsicht beantragt.
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Mit Schreiben vom 23. September 2013 lehnte die Koordinierungsstelle C-Stadt, eine Einrichtung des Bundes und der Länder für Kulturgutdokumentation und Kulturgutverluste beim Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, "im Namen und im Auftrag von Frau Professor (L.)", der damaligen Vorsitzenden der Beratenden Kommission, den Antrag des Klägers auf Akteneinsicht mit der Begründung ab, das Informationsfreiheitsgesetz gelte nach dessen § 1 ausschließlich für Bundesbehörden, mithin nach § 1 Abs. 4 VwVfG für Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnähmen, bzw. für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben ausführten. Dies sei bei der Beratenden Kommission nicht der Fall, weil sie keine Verwaltungsentscheidungen treffe oder auch nur vorbereite; sie sei mithin weder eine Behörde noch ein Gericht. Vielmehr handele es sich bei der Beratenden Kommission um ein reines Beratungsgremium von ehrenamtlich tätig werdenden hochrangigen Personen aus der Wissenschaft und dem öffentlichen Leben, die unverbindliche Empfehlungen gegenüber Einrichtungen und Personen aussprächen. Diese Empfehlungen wiederum basierten auf ethischen Abwägungsentscheidungen, denen ein moralisches Raisonnement zu Grunde liege. In diesem Zusammenhang erstatteten etwa die Berichterstatter der Kommission nur mündliche Berichte aus den von den Verfahrensbeteiligten eingereichten Akten, die jeweils auch der Gegenseite zugestellt würden. Die dabei hin und wieder schriftlich vorliegenden Berichte beschränkten sich zumeist auf eine summarische Wiedergabe des Akteninhalts und gäben keine Auskunft über die - spätere - moralische Reflektion der Kommission hinsichtlich deren Empfehlung. Selbst in den Protokollen der Kommissionssitzungen fänden sich keine Auskünfte hierzu. Die Kommission habe sich bereits anlässlich ihrer Gründung im Jahr 2003 darauf verständigt, zu ihren Sitzungen ausschließlich Verlaufsprotokolle durch die Geschäftsstelle fertigen zu lassen. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass selbst Gerichte ihre vorbereitenden Voten nicht den Prozessparteien zur Verfügung stellten. Überdies bestehe auch das hohe persönliche Interesse aller Kommissionsmitglieder, dass deren Unabhängigkeit in den Beratungen nicht dadurch beeinträchtigt werde, dass deren Unterlagen - gleich welcher Art - öffentlich zugänglich gemacht würden. Die Arbeit der Kommission sei daher nur möglich, wenn deren Tätigkeit vertraulich bleibe. Sei die Beratende Kommission mithin keine behördliche oder juristische Instanz, bestehe nach deren Auffassung kein Anspruch auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz.
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Nachdem die klägerischen Bemühungen auf Akteneinsicht und Erhalt eines rechtsmittelfähigen Bescheides, zuletzt mit Schreiben der Koordinierungsstelle C-Stadt vom 16. Dezember 2013, gescheitert waren, hat der Kläger am 29. Januar 2014 gegen "die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste C-Stadt, vertreten durch den Vorsitzenden des Vorstands" Klage erhoben und vorgetragen, die Koordinierungsstelle sei als eine zur Informationserteilung verpflichtete öffentliche Behörde, die von Bund und Ländern durch den Staatsvertrag "Gemeinsame Vereinbarung über die Koordinierungsstelle C-Stadt" gegründet und vollumfänglich finanziert werde, richtige Klagegegnerin gemäß den §§ 78 Abs. 1 Nr. 2, 61 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 8 AG VwGO LSA und als solche gemäß § 7 Abs. 1 IZG LSA auskunftsverpflichtet. Durch § 1 Abs. 3 der Vereinbarung sei die Koordinierungsstelle dazu berufen, unter eigenem Namen für die beteiligten Vertragsstaaten Aufgaben eigenständig wahrzunehmen. Die Koordinierungsstelle werde auch im bundesdeutschen Interesse tätig, da sie u. a. das elektronische Verzeichnis national wertvollen Kulturguts betreue. Sollte der Koordinierungsstelle die Behördeneigenschaft abgesprochen werden und diese lediglich eine unselbständige Untergliederung des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt sein, sei jedenfalls dieses richtiger Beklagter. Dem Kläger könne jedenfalls nicht zugemutet werden, die verwaltungsorganisatorischen Verflechtungen vollständig zu durchdringen, um zu entscheiden, wo eine Information tatsächlich vorhanden sei. Deshalb seien geringe Anforderungen an die Bezeichnung des richtigen Beklagten zu stellen. Jedenfalls gegenüber dem Land Sachsen-Anhalt bestehe der klageweise geltend gemachte Anspruch auf Gewährung der Akteneinsicht.
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Am 30. April 2014 hat der Kläger seine Klage subjektiv gegen die Beklagte zu 2. erweitert, um die rechtliche Unsicherheit hinsichtlich der Zuordnung der Beratenden Kommission zu einem Rechtsträger zu berücksichtigen und sicherzustellen, dass jedenfalls der bzw. die richtige Beklagte am vorliegenden Gerichtsverfahren beteiligt seien.
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Zur Begründung seiner Klagen gegen die Beklagten zu 1. und 2. hat der Kläger im Übrigen vorgetragen, im Restitutionsverfahren sei ein intensiver Informationsaustausch zwischen dem Deutschen Historischen Museum, der Koordinierungsstelle und der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien erfolgt. Schriftverkehr des damaligen Klägers (P. S.) sei umgehend an diese Beteiligten weitergereicht worden, um ein gemeinsames Vorgehen zu entwickeln. Ferner seien Rechtsgutachten in Auftrag gegeben worden, die u. a. politische Auswirkungen des streitigen Verfahrens ausgewertet hätten. Das Ausmaß dieses Informationsaustauschs sei bislang nicht offengelegt worden. Ausschlussgründe stünden dem Informationsanspruch nicht entgegen. Es gehe um eine Grundsatzklärung, ob die Beratende Kommission und deren Geschäftsstelle im rechtsfreien Raum agierten. Unabhängig von der innerorganisatorischen Zuständigkeits- und Aufgabenverteilung müsse jedenfalls einer der Beklagten zur Gewährung von Akteneinsicht verpflichtet sein.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2013 und des Widerspruchbescheides vom 16. Dezember 2013 zu verpflichten, Akteneinsicht in alle Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (P. S.) gegen Deutsches Historisches Museum wegen Rückgabe der Plakatsammlung (S.) zu erteilen.
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Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen,
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und zur Begründung vorgetragen, die Koordinierungsstelle C-Stadt sei die falsche Beklagte, weil das Schreiben vom 24. Juni 2013 als an die Beratende Kommission gerichtet auszulegen sei. Gegenüber der Koordinierungsstelle habe der Kläger nie die geltend gemachte Information bzw. Akteneinsicht beantragt, so dass nicht einmal ein Verwaltungsverfahren hierüber vorausgegangen sei, welches Gegenstand einer Klage sein könnte. Die Koordinierungsstelle sei zur Gewährung der begehrten Akteneinsicht im Übrigen nicht befugt. Die rechtliche Verfügungsbefugnis liege allein bei der Beratenden Kommission, bei der es sich aber um keine Behörde handele, da sie vollkommen unabhängig agiere und Verwaltungsentscheidungen weder selbst treffe noch vorbereite. Die Beratende Kommission sei ein reines Beratungsgremium, das rechtlich unverbindliche Empfehlungen auf Grundlage ethischer Abwägungsentscheidungen ausspreche, so dass auch eine Berichtigung des klägerischen Antrags dahingehend, dass die Klage nunmehr gegen die Beratende Kommission gerichtet werde, nicht möglich sei. Im Übrigen habe der Kläger bis heute keinerlei Normen genannt, aus denen sich die Vertretungsbefugnis der Beratenden Kommission für die Beklagte zu 2. ergebe. Der Beklagte zu 1. sei zur Gewährung der Akteneinsicht nicht befugt. Die rechtliche Verfügungsbefugnis liege bei der Beratenden Kommission, die keine Behörde im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes sei, so dass auch kein Anspruch auf Auskunft nach diesem Gesetz bestehe. Weitere Anspruchsgrundlagen, insbesondere aus Art. 12 GG, kämen ebenfalls nicht Betracht. Die Klage gegen die Beklagte zu 2. sei unzulässig, da der Kläger die Beklagte bzw. deren Vertretung im gerichtlichen Verfahren nicht zutreffend bezeichnet.
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Mit Wirkung vom 1. Januar 2015 haben Bund, Länder und kommunale Spitzenverbände die Stiftung "Deutsches Zentrum Kulturgutverluste" in der Form einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts gegründet, die u. a. die Aufgaben der Koordinierungsstelle fortführt.
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Mit Urteil vom 21. April 2015 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Klageantrag sei dahingehend auszulegen, dass sich die Klage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 8 AG VwGO LSA gegen das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt richte. Dem Kläger stehe im Übrigen auch kein Anspruch auf Akteneinsicht in die Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (S.) zu. Der Beklagte zu 1. habe die Akteneinsicht zu Recht verweigert, weil es sich bei ihm nicht um die für diese Entscheidung zuständige Stelle handele. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA entscheide über den Antrag auf Informationszugang die Stelle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt sei. Von einer Verfügungsberechtigung sei auszugehen, wenn die Behörde kraft eigener Entscheidungsbefugnis den Zugang gewähren dürfe. Dem Beklagten zu 1. fehle die entsprechende Entscheidungsbefugnis im Hinblick auf die Unterlagen der Beratenden Kommission. Gemäß § 1 Abs. 3 Buchst. c der Gemeinsamen Vereinbarung über die Koordinierungsstelle C-Stadt 2010-2016 nehme die Koordinierungsstelle als unselbständige Arbeitsgruppe des Beklagten zu 1. die Funktion der Geschäftsstelle der Beratenden Kommission wahr. Schon aufgrund der Bezeichnung als „Geschäftsstelle“ und aufgrund des Umstandes, dass insoweit die Aufgaben der Koordinierungsstelle in der Gemeinsamen Vereinbarung nicht näher bestimmt seien, sei davon auszugehen, dass es sich bei der Koordinierungsstelle um eine Einrichtung zur Entlastung und Unterstützung der Beratenden Kommission handele, die als unregelmäßig tagendes Gremium über keinen (Verwaltungs-)Unterbau verfüge, für ihre Aufgabenerfüllung jedoch auf die Erledigung bestimmter Hilfstätigkeiten (Weiterleitung von Schreiben, Terminkoordinierung, Aktenaufbewahrung, usw.) angewiesen sei. Die Koordinierungsstelle handele insoweit entsprechend der Vorgaben der Beratenden Kommission bzw. in Absprache mit dieser und sei daher nicht befugt, Dritten eigenmächtig Einsicht in die Akten der Beratenden Kommission zu gewähren, zumal wenn diese - wie hier - der Akteneinsicht ausdrücklich widersprochen habe. Insoweit liege es hier anders als hinsichtlich der Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de (vgl. § 1 Abs. 3 Buchst. a der Gemeinsamen Vereinbarung über die Koordinierungsstelle C-Stadt 2010-2016), die ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen erfolge. Die fehlende Entscheidungszuständigkeit der Koordinierungsstelle im vorliegenden Zusammenhang komme auch in den an den Kläger gerichteten Schreiben vom 23. September 2013 und vom 16. Dezember 2013 zum Ausdruck. Darin lehne nicht die Koordinierungsstelle den Antrag auf Akteneinsicht ab, sondern teile dem Kläger die ablehnende Entscheidung der Beratenden Kommission lediglich mit.
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Auch gegenüber der Beklagten zu 2. bestehe kein Anspruch auf Einsicht in die Akten der Beratenden Kommission zum Fall (S.), weil der Anwendungsbereich des IFG nach § 1 Abs. 1 IFG nicht eröffnet sei. Der Behördenbegriff in § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG entspreche dem des § 1 Abs. 4 VwVfG. Danach sei Behörde jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Zwar sei noch von einer organisatorischen Selbständigkeit der Beratenden Kommission auszugehen. Es fehle jedoch am außenwirksamen Handeln der Beratenden Kommission. Hierunter falle die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten, zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge im eigenen Namen oder zu sonstigem, nach öffentlichem Recht zu beurteilendem (z. B. schlicht-hoheitlichem) Handeln. Die Tätigkeit der Beratenden Kommission beruhe jedoch nicht auf Rechtssätzen des öffentlichen Rechts und bemesse sich auch nicht daran; die Abwägungsentscheidungen seien der Funktion dieses Gremiums entsprechend nicht rechtlich gebunden. Bei der Beratenden Kommission handele es sich um ein reines Beratungsgremium von ehrenamtlich tätig werdenden, hochrangigen Persönlichkeiten aus der Wissenschaft und dem öffentlichen Leben, das bei Differenzen über die Rückgabe von Kulturgütern angerufen werden könne, die im Dritten Reich ihren Eigentümern, insbesondere verfolgten Bürgern, entzogen worden seien und sich heute in Museen, Bibliotheken, Archiven oder anderen öffentlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland befänden. Die Kommission übernehme eine Mediatorenrolle zwischen den Trägern der Sammlungen und den ehemaligen Eigentümern der Kulturgüter bzw. deren Erben, wenn dies von beiden Seiten gewünscht werde. Zur Beilegung der Meinungsverschiedenheiten könne sie gegenüber den Beteiligten Empfehlungen aussprechen, die auf ethischen Abwägungsentscheidungen basierten, denen moralische Erwägungen zugrunde lägen. Rechtsnormen stellten damit keine verbindliche Grundlage für die Entscheidungen der Beratenden Kommission dar. Zwar mögen Rechtsnormen oder die ihnen zugrunde liegenden Werturteile in die Abwägung einfließen. Maßgeblich sei jedoch, dass das (öffentliche) Recht die Abwägungsentscheidungen und die darauf beruhenden Empfehlungen nicht präjudiziere, sondern nur insoweit in die Abwägung einfließe, wie die Beratende Kommission dies aus ethischen Gründen für angemessen halte. Dementsprechend könnten die Empfehlungen der Beratenden Kommission nicht nach (öffentlichem) Recht beurteilt werden, sondern ausschließlich nach den ethischen Maßstäben, auf denen sie beruhten.
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Die Beratende Kommission gebe ihre Empfehlungen ab auf der Grundlage der auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust im Dezember 1998 verabschiedeten „Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (sog. Washingtoner Erklärung). Darin hätten sich die Teilnehmerstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, verpflichtet, Kunstwerke, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und rasch die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu „fairen und gerechten“ Lösungen zu gelangen. Der Beratenden Kommission komme vor allem die Aufgabe zu, dem Anspruchsteller und den über das Kulturgut Verfügenden für eine Mediation zur Verfügung zu stehen. Die Washingtoner Erklärung, die mit der Maßgabe „fairer und gerechter Lösungen“ den Fixpunkt für die ethischen Abwägungsentscheidungen der Beratenden Kommission bilde, sei allerdings nur eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, die folglich auch nicht nach Art. 59 Abs. 2 GG in Bundesrecht transformiert worden sei. Rechtlich gleichermaßen unverbindlich seien die Gemeinsame Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 9. Dezember 1999. Die Tätigkeit der Beratenden Kommission entspreche damit zwar einem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland, welches sich jedoch nicht rechtlich verfestigt habe und damit auch nicht als (öffentlich-)rechtliche Grundlage für die Empfehlungen der Beratenden Kommission anzusehen sei.
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Dass sich die Tätigkeit der Beratenden Kommission nicht nach öffentlichem Recht bemesse, zeige sich auch daran, dass ihren Empfehlungen die Rechtsverbindlichkeit und auch jegliche sonstige Rechtswirksamkeit fehle, die Kennzeichen außenwirksamen Handelns sei. Die Beratende Kommission werde nur im Einverständnis der Beteiligten im Wege der Mediation tätig; ihre Empfehlungen seien für die Beteiligten nicht verbindlich. Ob die Beteiligten den Empfehlungen der Kommission folgten, entschieden sie ausschließlich selbst. Die Empfehlungen der Beratenden Kommission seien für sich ggf. anschließende Rechtsstreitigkeiten auch nicht vorgreiflich oder sonst relevant, wie gerade der Fall des Herrn (P. S.) zeige, der seinen Rechtsanspruch auf Herausgabe der Plakatsammlung erfolgreich auf dem Rechtsweg durchgesetzt habe.
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Soweit der Kläger die Behördeneigenschaft der Beratenden Kommission aus der Finanzierung dieses Gremiums durch öffentliche Haushaltsmittel ableite, verkenne er, dass durch Haushaltsmittel auch Bereiche außerhalb der staatlichen Verwaltung finanziert werden können, z. B. durch Zuwendungen (§ 23 BHO) oder Aufwendungsersatz (§ 91 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BHO).
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Fehle es am außenwirksamen Handeln der Beratenden Kommission, komme auch ein Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 Sätze 2 oder 3 IFG nicht in Betracht, weil dieser Anspruch die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsaufgaben durch sonstige Bundesorgane und -einrichtungen voraussetze. Danach müsse auch die Tätigkeit eines sonstigen Bundesorgans oder einer sonstigen Bundeseinrichtung ihre Grundlage im öffentlichen Recht haben, woran es - wie ausgeführt - hier fehle. Es komme hinzu, dass nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängige Tätigkeiten wie die Rechtsprechung, Gesetzgebung oder geld- und währungspolitische Beratungen der Deutschen Bundesbank vom Informationszugang ausgenommen bleiben sollen (vgl. BTDrucks 15/4493, S. 8). Auch die Beratende Kommission sei in ihren Empfehlungen unabhängig und damit nach der Ratio von § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG nicht auskunftsverpflichtet.
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Vor diesem Hintergrund könne offen bleiben, ob und ggf. in welchem Umfang vorliegend der Ausschlussgrund des Schutzes der Vertraulichkeit von Verhandlungen und Beratungen von Behörden gemäß § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG einschlägig wäre.
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Zur Begründung der von dem Verwaltungsgericht zugelassenen und am 10. Juni 2015 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes funktional auszulegen seien und die Begrifflichkeit bezüglich der verpflichteten Stellen im Gesetz nur eine Abgrenzung der Exekutive gegenüber der Judikative und Legislative habe erreichen wollen, keinesfalls aber eine Eingrenzung der der Exekutive zuzuordnenden Arbeitseinheiten dahingehend bezweckt habe, sie von den Informationsfreiheitsrechten auszuschließen. Es stehe danach fest, dass das Informationsfreiheitsgesetz auch Regierungshandeln umfasse und es gerade nicht einer hoheitlichen Tätigkeit gegenüber einem außen stehenden Dritten bedürfe, um den Anwendungsbereich des Gesetzes zu eröffnen. Die Beratende Kommission sei zweifelsfrei weder Judikative noch sei sie Legislative. Sie sei aber Exekutive im Sinne des Art. 20 GG, denn es handele sich um ein von Staats wegen eingesetztes Gremium, dass auch von Staats wegen wieder aufgelöst werden könne, dessen Mitglieder auch von Staats wegen einzeln abberufen würden und das mit staatlich gewährten Mitteln ausschließlich auf einem Gebiet arbeite, welches die Regierungsstellen interessiere und auf deren Initiative behandelt werde. Nichts Anderes ergäbe sich dann, wenn man die Beratende Kommission als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Gemeinschaft im Sinne des BGB verstünde, die zufälligerweise durch die Bundesregierung ernannt und finanziert werde, ohne dadurch dem staatlichen Bereich zuzugehören. Denn ihre Aufgaben blieben auch dann weiterhin Aufgaben der öffentlichen Hand, da es um Tätigkeit im Interesse und für die Exekutive gehe. Gerade weil die Beratende Kommission auf Wunsch der Bunderegierung im politischen Raum agiere, sei sie der Exekutive im Sinne des Staatsrechts zuzuordnen und unterfiele damit dem Einsichtsrecht nach dem Informationsfreiheitsgesetz. Würde man der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen, so stünde es der öffentlichen Hand frei, Akteneinsichtsrechte dadurch entgegen der Intention des IFG unmöglich zu machen, dass Tätigkeiten des rein exekutiven Bereiches ohne Eingriffscharakter an außenstehende Dritte ausgelagert würden, so dass dieses Regierungshandeln nicht mehr nach den Prinzipien des IFG nachvollziehbar wäre. Das liefe den gesetzgeberischen Absichten für das IFG zuwider. Die Beratende Kommission sei richtigerweise der Beklagten zu 2. zuzuordnen, so dass die Klage gegen diese begründet sei; anderenfalls sei die Zuordnung der Beratenden Kommission zum Beklagten zu 1. zwingend. Soweit ein fehlendes Antragsverfahren nach IFG des Landes Sachsen-Anhalt bemängelt werde, werde darauf hingewiesen, dass die Akteneinsicht gegenüber den zuständigen Amtsträgern erbeten worden sei. Die rechtliche Bewertung der Bitte um entsprechende Akteneinsicht sei Sache der Amtsträger und Behörden und nicht der Klägerseite. Dies gelte auch, wenn dort rechtliche fehlerhafte Behandlungen vorgekommen seien. Schließlich sei vorliegend von Beklagtenseite die Akteneinsicht ausdrücklich abgelehnt worden. Etwaig für erforderlich gehaltene Widerspruchsverfahren seien vor diesem Hintergrund pure Förmelei.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 6. Kammer - vom 21. April 2015 zu ändern und die Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. September 2013 und des Widerspruchbescheides vom 16. Dezember 2013 zu verpflichten, Akteneinsicht in alle Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (P. S.) gegen Deutsches Historisches Museum wegen Rückgabe der Plakatsammlung (S.) zu erteilen.
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Die Beklagten beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Unter Wiederholung der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils führen die Beklagten im Wesentlichen zur Begründung aus, der Kläger habe den überzeugenden Argumenten des Verwaltungsgerichts nichts Substanzielles entgegengesetzt.
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Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze in beiden Rechtszügen und Bezug genommen.
II.
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Über die Berufung konnte durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat das Rechtsmittel des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden hierzu gemäß § 130a Satz 2 in Verbindung mit § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört. Eines erneuten Hinweises, dass der Senat an seiner Absicht, im beschleunigten Berufungsverfahren zu entscheiden, festhalte, bedurfte es im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 27. Februar 2017 nicht, weil diesem eine erhebliche Ergänzung und Erweiterung des Berufungsvorbringens nicht zu entnehmen ist. Vielmehr war die Frage, ob sich der Antrag des Klägers auf Akteneinsicht vom 24. Juni 2013 an die Koordinierungsstelle C-Stadt oder die Beratende Kommission richtete, ausweislich des Schriftsatzes der Beklagten zu 1. vom 20. März 2014 bereits Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens.
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Die zulässige Berufung ist unbegründet.
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A. Das Verwaltungsgericht hat die gegen den Beklagten zu 1. (nunmehr gemäß Beschluss der Landesregierung vom 24. Mai/7. Juni 2016, MBl. LSA 2016, 369, Staatskanzlei und Ministerium für Kultur des Landes Sachsen-Anhalt) erhobene Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger hat gegenüber dem Beklagten zu 1. keinen Anspruch auf Einsichtnahme in alle Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (P. S.) gegen das Deutsche Historische Museum wegen Rückgabe der Plakatsammlung (S.).
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I. Die Klage ist bereits unzulässig, da dem gegenüber dem Beklagten zu 1. geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang kein Antrag im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA zugrunde liegt; denn der Antrag des Klägers auf Akteneinsicht vom 24. Juni 2013 richtete sich ausschließlich an die Beratende Kommission und nicht an die Koordinierungsstelle C-Stadt.
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Entgegen der Auffassung des Klägers bestimmt grundsätzlich allein der Antragsteller, von welcher informationspflichtigen Stelle er welche amtliche Information begehrt. Wegen der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. § 10 VwVfG) bedarf der Antrag dabei grundsätzlich keiner bestimmten Form. Er kann schriftlich, elektronisch (§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA i. V. m. § 3a VwVfG), mündlich (auch telefonisch) oder auch durch schlüssiges Handeln gestellt werden (LT-Drucks. 5/748 S. 28). Diejenige Behörde, die Adressat des Antrags ist, muss klären, ob sie für die Entscheidung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 IZG LSA zuständig ist(vgl. Schoch, IFG, 2. Auflage 2016, § 7 Rn. 34).
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Bei der Auslegung von Anträgen sind die für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts geltenden Rechtsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Danach kommt es nicht auf den inneren Willen der erklärenden Partei, sondern darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist. Dabei tritt der Wortlaut hinter Sinn und Zweck der Erklärung zurück. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er aus der Erklärung und sonstigen Umständen für den Erklärungsempfänger erkennbar wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 -, juris Rn. 40).
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 24. Juni 2013 bei der "Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste - Beratende Kommission -" unter Bezugnahme auf die Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes sowie alle etwaig im Übrigen einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen einen Antrag auf Akteneinsicht in die Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (S.) gestellt. In diesem, das Verfahren einleitenden Schreiben wies der Kläger u. a. darauf hin, dass "die Beratende Kommission Teil der öffentlichen Verwaltung im Sinne des Gesetzes und den Bundesbehörden zugeordnet" sei. Schon der Antrag des Klägers im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA nebst der darin enthaltenen Begründung richtete sich folglich ausschließlich an die Beratende Kommission; insbesondere lassen entgegen der Auffassung des Klägers weder sein Antrag vom 24. Juni 2013 noch sein Schreiben vom 14. Oktober 2013 eine Auslegung dahingehend zu, dass "die Akteneinsicht gegenüber den zuständigen Amtsträgern erbeten worden ist". Unabhängig davon, dass ein solcher Antrag schon nicht die Anforderungen des
§ 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA erfüllen dürfte, da - wie oben bereits erläutert - der Antragsteller zu bestimmen hat, von welcher informationspflichtigen Stelle er eine Information begehrt, hat der Kläger ausdrücklich in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 29. April 2014 bestätigt, "dass sich das Akteneinsichtsbegehren vom 24.06.2013 in der Sache an die Beratende Kommission richtete".
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Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch die Koordinierungsstelle C-Stadt als Empfängerin des Schreibens von einem gegenüber der Beratenden Kommission geltend gemachten Informationsanspruch ausgegangen; denn in dem nach Einholung einer Stellungnahme der Beratenden Kommission verfassten und "im Namen und im Auftrag" der damaligen Vorsitzenden der Beratenden Kommission, Frau Professor (L.), übersandten Antwortschreiben der Koordinierungsstelle C-Stadt vom 23. September 2013, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war, heißt es: "Da die Beratende Kommission mithin keine behördliche oder juristische Instanz ist, besteht nach deren Auffassung kein Anspruch auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz". Aufgrund dieses eindeutigen Wortlauts war für den Kläger unzweifelhaft erkennbar, dass die Koordinierungsstelle C-Stadt das Antwortschreiben vom 23. September 2013 gerade nicht aufgrund einer eigenen Zuständigkeit verfasst hat.
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Sowohl der Kläger als auch die Koordinierungsstelle und die Beratende Kommission sind also auf der Grundlage des in den Akten befindlichen Schriftverkehrs davon ausgegangen, dass sich der Antrag auf Akteneinsicht ausschließlich an die Beratende Kommission und nicht, auch nicht zusätzlich, an die Koordinierungsstelle C-Stadt richtete. Letztere ist von dem Kläger vielmehr lediglich als Geschäftsstelle der Beratenden Kommission im Sinne des § 1 Abs. 3 Buchst. c) der Gemeinsamen Vereinbarung kontaktiert worden.
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Eine Antragstellung war im Übrigen auch nicht entbehrlich (LT-Drucks. 5/748, S. 28). Zwar regelt § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA nicht ausdrücklich, dass das Verfahren nur auf Antrag eingeleitet wird. Sowohl der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA als auch der in mehreren Vorschriften verwendete Begriff des "Antragstellers" (z. B. §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 2, 5 Abs. 1-3 IZG LSA) bringen allerdings klar zum Ausdruck, dass der Zugang zu amtlichen Informationen nur auf Antrag gewährt wird(vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2011 - OVG 12 M 67.10 -, juris Rn. 3; Schoch, a. a. O., § 7 Rn. 10).
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II. Die Klage ist im Übrigen auch nicht begründet.
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1. Der gegenüber dem Beklagten zu 1. geltend gemachte Anspruch auf Akteneinsicht ist zwar nicht bereits deshalb entfallen, weil die Aufgaben der Koordinierungsstelle inzwischen von einer rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts fortgeführt werden; denn dieser Wechsel hat - wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in anderem Zusammenhang entschieden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - BVerwG 1 C 13.14 -, juris Rn. 10) - keinen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beklagtenseite zur Folge. Soweit in verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch in Fällen eines behördlichen Zuständigkeitswechsels (vgl. BVerwG, Urteile vom 2. November 1973 - BVerwG 4 C 55.70 -, juris, und vom 13. Dezember 1979 - BVerwG 7 C 46.78 -, juris) oder einer sondergesetzlich angeordneten Funktionsnachfolge (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1989 - BVerwG 5 C 33.88 -, juris) ein von Amts wegen zu berücksichtigender Parteiwechsel angenommen wird, beruht dies auf der Exklusivität gesetzlich geregelter Zuständigkeitszuweisungen. Hiermit ist die Übertragung der Aufgaben der Koordinierungsstelle auf eine private Stiftung nicht vergleichbar. Sie ähnelt mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage einer gewillkürten Rechtsnachfolge, die nicht kraft Gesetzes zu einer Veränderung in der Zusammensetzung des Kreises der Prozessbeteiligten führt.
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2. Die Klage war auch nicht unmittelbar gegen die Koordinierungsstelle C-Stadt zu richten, weil diese weder eine juristische Person öffentlichen Rechts noch selbst Behörde ist (vgl. schon OVG LSA, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 3 L 84/12 -, juris). Vielmehr ist sie als Teil der Exekutive (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - BVerwG I C 13.14 -, juris Rn. 36) eine unselbständige Untergliederung des Beklagten zu 1., ähnlich einer Abteilung oder einem Referat. Das folgt aus § 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Vereinbarung über die Koordinierungsstelle C-Stadt 2010 - 2016 vom 10. November 2009, wonach die Koordinierungsstelle eine von Bund und Ländern getragene Einrichtung in Form „einer Arbeitsgruppe des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt in Magdeburg“ ist, die der Dienst- und Fachaufsicht des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt unterliegt (§ 2 Abs. 2 der Gemeinsamen Vereinbarung).
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3. Allerdings steht dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Akteneinsicht gegenüber dem Beklagten zu 1. gemäß § 1 Abs. 1 IZG LSA nicht zu.
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Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen gegenüber (Nr. 1 a) den Behörden des Landes, (Nr. 1 b) den Kommunen und Gemeindeverbänden sowie (Nr. 1 c) der der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und (Nr. 2) den sonstigen Organen und Einrichtungen des Landes, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen.
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a. Das Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt findet ohne Zweifel auf den Beklagten zu 1. als oberste Landesbehörde Anwendung. Bei den Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (S.) handelt es sich auch um amtliche Informationen im Sinne der Begriffsdefinition in § 2 Nr. 1 IZG LSA. Danach ist eine amtliche Information jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, wobei Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, nicht dazu gehören. Damit soll nach der Gesetzesbegründung (LT-Drucks. 5/748, S. 17) sichergestellt werden, dass die Begriffsbestimmung weder private Informationen noch solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen, erfasst. § 2 Nr. 1 IZG LSA dient also dazu, Aufzeichnungen, die amtlichen Zwecken dienen, von Aufzeichnungen zu privaten Zwecken zu unterscheiden(vgl. Schoch, a. a. O. § 2 Rn. 47). Dabei unterliegt der Begriff der "Amtlichkeit" einem weiten Begriffsverständnis, d. h. nur Informationen, die ausschließlich und eindeutig privaten (persönlichen) Zwecken dienen, sind vom Begriff "amtliche Informationen" ausgeschlossen (vgl. Schoch, a. a. O., § 2 Rn. 55).
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Zwar könnte streng genommen eine Amtlichkeit der Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (S.) verneint werden, weil diese im Zuge eines Mediationsverfahrens zwischen dem Deutschen Historischen Museum und Herrn (P. S.) erstellt bzw. vorgelegt worden sind (vgl. § 1 Abs. 2 der Verfahrensordnung der Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz, vom 2. November 2016, im Folgenden: Verfahrensordnung). Ausgehend von den §§ 3, 4 der Verfahrensordnung dürfte es sich dabei vorrangig um den Schriftverkehr mit den Beteiligten, Stellungnahmen der Parteien, evtl. eingeholte Fachgutachten (§ 8 der Verfahrensordnung) und die am Ende stehende Empfehlung der Beratenden Kommission handeln, die in der Koordinierungsstelle C-Stadt in einer Akte verwahrt werden.
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Allerdings liegt in der Aufgabenerfüllung der Beratenden Kommission auch ein über die Mediatorentätigkeit hinausgehender öffentlicher Zweck. Nach der veröffentlichten Absprache zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Einsetzung einer Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz (vgl. www.kulturgutverluste.de/Webs/DE/BeratendeKommission/Absprache/Index.html), und der Verfahrensordnung der Beratenden Kommission erfolgte die Einrichtung der unabhängigen Beratenden Kommission durch die Bundesregierung im Jahre 2003 zu dem Zweck, den Parteien eines Rückgabestreitverfahrens ein Mediationsverfahren an die Hand zu geben, das - zur Umsetzung der Washingtoner Erklärung sowie der Gemeinsamen Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden - vorrangig darauf ausgerichtet ist, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den heutigen Besitzern und den ehemaligen Eigentümern von Kulturgütern oder deren Erben zu vermitteln, wenn dies von beiden Seiten gewünscht wird. Die Beratende Kommission kann dabei auch eine moralisch begründete Empfehlung zur Lösung des Konflikts aussprechen. Die Anrufung kann auf Seiten des über das Kulturgut Verfügenden durch öffentliche Einrichtungen erfolgen, für die die Washingtoner Prinzipien von 1998 sowie die Gemeinsame Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu deren Umsetzung von 1999 unmittelbar gelten, sowie durch private kulturgutbewahrende Einrichtungen in Deutschland, die sich durch entsprechende Erklärung bei Antragstellung diesen Grundsätzen bindend unterwerfen. Ebenso ist eine Anrufung auf Seiten des über das Kulturgut Verfügenden durch Privatpersonen möglich, die ebenfalls eine solche verbindliche Erklärung abgeben. Die Beratende Kommission gibt ihre Empfehlungen ab auf der Grundlage der auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust im Dezember 1998 verabschiedeten „Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (sog. Washingtoner Erklärung). Darin haben sich die Teilnehmerstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, verpflichtet, Kunstwerke, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und rasch die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu „fairen und gerechten“ Lösungen zu gelangen. Ihre Mitglieder werden dazu von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Einvernehmen mit der Kultusministerkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden berufen.
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Damit ist die Tätigkeit der Beratenden Kommission im weit verstandenen Sinne Teil dieser (mangels Transformation in bundesdeutsches Recht lediglich unverbindlichen) Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland aus der Washingtoner Erklärung, so dass die im Rahmen dieser Tätigkeit erstellten oder vorgelegten Unterlagen der Beratenden Kommission, die Bestandteil der bei der Koordinierungsstelle C-Stadt geführten Verwaltungsvorgänge werden, als amtliche Informationen zu bewerten sind.
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b. Dem Beklagten zu 1. fehlt hinsichtlich der begehrten Akteneinsicht in die Unterlagen der Beratenden Kommission allerdings die Verfügungsberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA.
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Nach der als Zuständigkeitsbestimmung (vgl. LT-Drucks. 5/748, S. 28) ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA entscheidet über den Informationszugang die Stelle nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Von einer Verfügungsberechtigung ist auszugehen, wenn die Behörde kraft eigener Entscheidungsbefugnis den Zugang gewähren darf. Mit diesem Kriterium macht das Gesetz deutlich, dass die lediglich faktische Verfügungsmöglichkeit im Unterschied etwa zu § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG nicht ausreicht(vgl. zum wortgleichen § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG auch: BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 -, juris Rn. 27). Die Verfügungsberechtigung liegt aber auch nicht bereits dann vor, wenn die Information nach formalen Kriterien ordnungsgemäß Teil der Akten der grundsätzlich informationspflichtigen Behörde ist. Die ordnungsgemäße Zugehörigkeit zu den Akten ist nur notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Verfügungsberechtigung (vgl. BVerwG, a. a. O.).
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Verfügungsberechtigt über eine Information ist grundsätzlich deren Urheber (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn 28), d. h. demjenigen, der die Information im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst geschaffen hat, ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll.
- 52
Dies zugrunde gelegt ist der Beklagte zu 1., dem die Dienst- und Fachaufsicht über die Koordinierungsstelle C-Stadt als (aktenführende) Geschäftsstelle der Beratenden Kommission obliegt, zwar im Besitz der begehrten Informationen. Eine Verfügungsberechtigung des Beklagten zu 1. über die in der Geschäftsstelle geführten Unterlagen der Beratenden Kommission ist aber schon deswegen nicht gegeben, weil der Beklagte zu 1. weder federführend noch in Wahrnehmung eigener Aufgaben Urheber dieser Unterlagen oder Akten ist; insbesondere die Koordinierungsstelle C-Stadt wird nach der Verfahrensordnung ausschließlich als Geschäftsstelle der Beratenden Kommission ohne eigenen Entscheidungsbefugnisse tätig.
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Bei der Koordinierungsstelle C-Stadt handelt es sich vielmehr - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - um eine Einrichtung zur Unterstützung der Beratenden Kommission, die als unregelmäßig tagendes beratendes Gremium über keinen eigenen Verwaltungsunterbau verfügt, für ihre Aufgabenerfüllung jedoch auf die Erledigung bestimmter Hilfstätigkeiten (Entgegennahme und Weiterleitung von Schreiben, Terminkoordinierung, Aktenaufbewahrung, usw.) angewiesen ist (vgl. §§ 3, 4 der Verfahrensordnung). Die Koordinierungsstelle handelt insoweit entsprechend den Vorgaben der Beratenden Kommission bzw. in Absprache mit dieser und ist daher nicht befugt, Dritten eigenmächtig Einsicht in die Akten der Beratenden Kommission zu gewähren, zumal wenn diese - wie hier - der Akteneinsicht ausdrücklich widersprochen hat. Insoweit liegt es hier anders als hinsichtlich der Eintragung und Löschung von Meldungen zu Kulturgütern auf der Internetseite www.lostart.de (vgl. § 1 Abs. 3 Buchst. a der Gemeinsamen Vereinbarung über die Koordinierungsstelle C-Stadt 2010 - 2016), die ausschließlich nach eigenen, von der Koordinierungsstelle aufgestellten Grundsätzen erfolgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - BVerwG 1 C 13.14 -, juris Rn. 27).
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Urheberin der Unterlagen zum Fall (S.) ist allein die Beratende Kommission, die nach Anrufung des Deutschen Historischen Museums und des Herrn (P. S.) im Zusammenhang mit einem Rückgabeverlangen tätig geworden ist, so dass auch nur diese die Verfügungsberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 IZG LSA über die im Wege der Akteneinsicht erbetenen Informationen besitzt.
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B. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis auch die gegen die Beklagte zu 2. erhobene Verpflichtungsklage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2. keinen Anspruch auf Einsichtnahme in alle Unterlagen der Beratenden Kommission zum Fall (P. S.) gegen das Deutsche Historische Museum wegen Rückgabe der Plakatsammlung (S.). Die ablehnenden Entscheidungen der Beratenden Kommission vom 23. September 2013 und 16. Dezember 2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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I. Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (Satz 1). Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen (Satz 2). Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient (Satz 3).
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Dieser Regelung liegt nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung kein organisationsrechtlicher, sondern ein funktioneller Behördenbegriff zugrunde (BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 -, juris Rn. 13 unter Bezugnahme auf Urteil vom 15. November 2012 - BVerwG 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 und Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122). Eine Behörde ist demnach jede Stelle im Sinne einer eigenständigen Organisationseinheit, die öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Dies bestimmt sich ausschließlich nach materiellen Kriterien, d. h. auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes kommt es ebenso wenig an wie auf eine rechtliche Außenwirkung des Handelns. § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG, wonach sonstige Bundesorgane und -einrichtungen ebenfalls in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbezogen sind, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, hat eine rein deklaratorische Bedeutung. Es wird lediglich klargestellt, dass Institutionen, denen organisationsrechtlich keine Behördeneigenschaft zukommt, bezogen auf bestimmte Tätigkeitsfelder gleichwohl Behörden im funktionellen Sinne sein können. Eine solche, nach der jeweils wahrgenommenen Funktion differenzierende Betrachtungsweise liegt auch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zugrunde.
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Das Verwaltungsgericht hat den gegenüber der Beklagten zu 2. geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in die Akten der Beratenden Kommission zum Fall (S.) mit der fehlenden Außenwirksamkeit des Handelns der Beratenden Kommission abgelehnt. Nach dem oben Gesagten kommt es hierauf bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 IFG jedoch nicht an.
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Der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes bezieht sich vielmehr allein auf die Verwaltungstätigkeit im materiellen Sinne. Der Versuch einer positiven Umschreibung der Verwaltung führt insoweit allerdings nicht weiter. Denn damit werden nur einzelne typische Merkmale der Verwaltung hervorgehoben, ohne ihre Vielfalt abschließend zu erfassen. Das kann nur eine negative Begriffsbestimmung leisten, die den Bereich der Verwaltung im Wege der Subtraktionsmethode allein in Abgrenzung von den anderen Staatsfunktionen ermittelt (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 3.11 -, juris Rn 10). Die Abgrenzung ist dabei nicht durch staatsrechtliche Begrifflichkeiten zwingend vorgegeben. Vielmehr kommt es auf das dem Informationsfreiheitsgesetz insbesondere nach dessen Regelungszusammenhang und Entstehungsgeschichte zugrunde liegende Begriffsverständnis an. Danach umschreiben die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG genannten Staatsfunktionen(vgl. BT-Drs. 15/4493 S. 8, juris), soweit es um die ihnen zuzuordnenden spezifischen Aufgaben geht, im Wesentlichen die Tätigkeitsbereiche, auf die das Informationsfreiheitsgesetz sich nicht erstreckt (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 2015 - BVerwG 7 C 1.14 -, juris Rn. 15 m. w. N.).
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Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 8) soll nach § 1 Abs. 1 IFG nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder - z. B. in Immunitätsangelegenheiten, bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten -, parlamentarische Kontakte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen), der Rechtsprechung und sonstiger unabhängiger Tätigkeiten vom Informationszugang ausgenommen bleiben. Ausweislich der Gesetzesbegründung zählen zum Bereich sonstiger unabhängiger Tätigkeiten zum Beispiel die geld- und währungspolitischen Beratungen der Deutschen Bundesbank vor Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion.
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Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Beratende Kommission weder der Legislative noch der Judikative zuzuordnen ist. Allerdings ist die Tätigkeit der Beratenden Kommission auch nicht Teil der Exekutive im Sinne des Art. 20 GG, sondern als sonstige unabhängige Tätigkeit anzusehen, die nicht dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfällt.
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Nach den zur Verfügung stehenden Unterlagen über die Gründung und das Aufgabenfeld der Beratenden Kommission (vgl. dazu insbesondere die Absprache zwischen Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Einsetzung einer Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, sowie die Verfahrensordnung der Beratenden Kommission) wurde die Beratende Kommission im Jahre 2003 von der Bundesregierung als unabhängiges beratendes Gremium eingerichtet, das aus bis zu zehn geeigneten Persönlichkeiten mit juristischem, ethischem, kulturellem und historischem Sachverstand besteht, die kein herausgehobenes politisches Amt bekleiden. Die Kommissionsmitglieder werden zwar von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Einvernehmen mit der Kultusministerkonferenz und den kommunalen Spitzenverbänden für eine Zeitdauer von zehn Jahren berufen, sind aber ehrenamtlich tätig und ihre Empfehlungen oder Abwägungsentscheidungen sind rechtlich nicht bindend. Dass - wie der Kläger meint - eine jederzeitige Abberufung der Mitglieder "von Staats wegen" erfolgen könne, ergibt sich aus der o. g. Absprache hingegen nicht. Auch die öffentliche Finanzierung begründet keine Behördeneigenschaft der Beratenden Kommission, denn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - können durch Haushaltsmittel auch Bereiche außerhalb der staatlichen Verwaltung finanziert werden.
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Schließlich arbeitet die Beratende Kommission entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht ausschließlich auf einem Gebiet, welches die Regierungsstellen interessiert und auf deren Initiative behandelt wird.
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Vielmehr nimmt die Beratende Kommission ihre Aufgaben frei von einer behördlichen Beauftragung wahr und unterscheidet sich damit von der sog. Monopolkommission im Sinne der §§ 44 ff. GWB, die aufgrund ihrer Organisationsstruktur alle Merkmale einer Verwaltungstätigkeit und einer Bundesbehörde erfüllt (vgl. dazu Schoch, a. a. O., § 1 Rn. 161). Zwar sind gewisse Parallelen in der Organisationsstruktur erkennbar, weil auch die Beratende Kommission - wie die Monopolkommission - über eine Verfahrensordnung und Geschäftsstelle, die die Akten verwaltet, verfügt, und ihre Mitglieder der Verschwiegenheitspflicht unterliegen (§ 5 Abs. 4 und 5 der Verfahrensordnung). Entscheidend ist aber, dass die Beratende Kommission - anders als die Monopolkommission (§§ 44 ff. GWB) - nicht auf der Grundlage eines gesetzlichen Auftrags, sondern aufgrund einer Absprache des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände eingesetzt worden ist, und ihre beratende Tätigkeit nicht (nur) für die Bundesregierung ausübt, sondern im Einzelfall als Mediatorin bei Differenzen über die Rückgabe von Kulturgütern angerufen werden kann, die im Dritten Reich ihren Eigentümern, insbesondere verfolgten Bürgern, entzogen wurden und sich heute in Museen, Bibliotheken, Archiven oder anderen öffentlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland befinden.
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Einzelheiten ergeben sich insoweit aus § 1 Abs. 1 und 2 der Verfahrensordnung, wonach die Beratende Kommission bei Streitigkeiten über die Rückgabe von Kulturgütern angerufen werden kann, die während der Herrschaft des Nationalsozialismus vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 ihren Eigentümern, insbesondere jüdischen Bürgern, verfolgungsbedingt entzogen worden sind. Die Anrufung kann dabei auf Seiten des über das Kulturgut Verfügenden durch öffentliche Einrichtungen erfolgen, für die die Washingtoner Prinzipien von 1998 sowie die Gemeinsame Erklärung von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zu deren Umsetzung von 1999 unmittelbar gelten, sowie durch private kulturgutbewahrende Einrichtungen in Deutschland, die sich diesen Grundsätzen bindend unterwerfen. Ebenso ist eine Anrufung auf Seiten des über das Kulturgut Verfügenden durch Privatpersonen möglich, die ebenfalls eine solche verbindliche Erklärung abgeben. Die Kommission fungiert dabei als Mediatorin zwischen den Parteien und wirkt zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hin. Sie kann zur Beilegung des Streits Empfehlungen abgeben, die auch moralisch-ethisch begründet werden können. Rechtsnormen stellen damit - wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellt - keine verbindliche Grundlage für die Entscheidungen der Beratenden Kommission dar. Zwar mögen Rechtsnormen oder die ihnen zugrunde liegenden Werturteile in die Abwägung einfließen. Maßgeblich ist jedoch, dass das (öffentliche) Recht die Abwägungsentscheidungen und die darauf beruhenden Empfehlungen nicht präjudiziert, sondern nur insoweit in die Abwägung einfließt, wie die Beratende Kommission dies aus ethischen Gründen für angemessen hält. Dementsprechend können die Empfehlungen der Beratenden Kommission nicht nach (öffentlichem) Recht beurteilt werden, sondern ausschließlich nach den ethischen Maßstäben, auf denen sie beruhen.
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Die Beratende Kommission gibt ihre Empfehlungen ab auf der Grundlage der auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust im Dezember 1998 verabschiedeten „Grundsätze in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (sog. Washingtoner Erklärung). Darin haben sich die Teilnehmerstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, verpflichtet, Kunstwerke, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und rasch die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu „fairen und gerechten“ Lösungen zu gelangen. Im Dezember 1999 hat die Kultusministerkonferenz eine gemeinsame politische Grundsatzerklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, verabschiedet (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 9. Dezember 1999). Hier wird im Sinne der Washingtoner Erklärung erneut die Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, unter nationalsozialistischer Herrschaft enteignete oder geraubte Kulturgüter in öffentlichen Archiven, Museen und Bibliotheken zu suchen und faire Lösungen für die Rückgabe oder Entschädigung früherer Eigentümer bzw. deren Erben zu finden. In einem weiteren Schritt wurde im Dezember 2002 nach eingehenden Erörterungen mit den an der Verabschiedung der „Gemeinsamen Erklärung“ vom 9. Dezember 1999 beteiligten Ebenen (Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Kultusministerkonferenz, kommunale Spitzenverbände) beschlossen, die Beratende Kommission einzurichten, die besonders problematische Rückgabefälle beratend begleiten soll.
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Die Tätigkeit der Beratenden Kommission entspricht damit zwar einem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland, keineswegs handelt die Beratende Kommission aber auf Initiative und im ausschließlichen Interesse der Regierungsstellen, sondern in erster Linie für die sie anrufenden Parteien, die sie als Mediatorin bei Meinungsverschiedenheiten in Anspruch nehmen, um zu einer fairen und gerechten Lösung zu gelangen. Aufgrund ihrer unabhängigen und weisungsfreien Stellung und der ihr obliegenden Aufgabe als Vermittlerin zwischen den heutigen Besitzern und den ehemaligen Eigentümern von Kulturgütern oder deren Erben ist dem Verwaltungsgericht im Ergebnis darin zu folgen, dass die Beratende Kommission nicht als Teil der Exekutive im Sinne des
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§ 1 Abs. 1 IFG anzusehen ist, die der Informationspflicht unterliegt.
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II. Aber selbst wenn die Beratende Kommission als Behörde oder sonstiges Organ oder Einrichtung des Bundes im Sinne des § 1 Abs. 1 IFG anzusehen wäre, könnte die Beklagte zu 2. dem von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Informationszugang zwar nicht die Ausschlussgründe der § 3 Nr. 4 IFG (dazu 1.) und § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.), aber jedenfalls den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 Buchst. b IFG (dazu 3.) entgegenhalten.
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1. Die streitbefangenen Unterlagen unterliegen zunächst keiner durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG. Mangels entsprechender Rechtsvorschriften, zu denen auch Regelungen in einer Rechtsverordnung gehören (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Juli 2016 - BVerwG 7 C 3.15 -, juris Rn. 10), könnte sich eine Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht allenfalls aus § 5 Abs. 4 der Verfahrensordnung der Beratenden Kommission, der bestimmt, dass die Beratungen und Abstimmungen (insbes. Abstimmungsverhalten und Abstimmungsergebnisse) der Kommission nicht öffentlich erfolgen und strikt vertraulich zu behandeln sind, oder aus § 5 Abs. 5 der Verfahrensordnung ergeben, wonach die Protokollierung in Form eines Ergebnisprotokolls durch die/den Geschäftsführer/in erfolgt, die/der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
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Eine Verfahrensordnung ist allerdings keine Rechtsvorschrift im Sinne des § 3 Nr. 4 IFG; denn Regelungsgegenstand einer Verfahrensordnung ist nur die innere Organisation eines Organs und der Ablauf seiner Meinungs- und Willensbildung (vgl. zur Geschäftsordnung: BVerwG, a. a. O., juris Rn. 16). Die Verfahrensordnung unterscheidet sich mithin von anderen rechtlichen Bestimmungen dadurch, dass sie nicht das Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern lediglich organinterne Rechtsbeziehungen regelt; insbesondere bedürfen verfahrensrechtliche Bestimmungen zu ihrer Wirksamkeit nicht der an die Allgemeinheit gerichteten Verkündung, die sonst für die Entstehung förmlich gesetzter Rechtsnormen unerlässlich ist. Ebenso wie bei einer Verwaltungsvorschrift fehlt es einer Verfahrensordnung - wie auch der Geschäftsordnung - an der Außenwirkung, die für eine Rechtsvorschrift charakteristisch ist.
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2. Der Informationszugangsanspruch des Klägers ist auch nicht durch § 3 Nr. 7 IFG gesperrt, wonach der Anspruch bei vertraulich erhobenen oder übermittelten Informationen nicht besteht, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
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Denn § 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind. Da die Bereitschaft der Bürger zu einer solchen Kooperation von dem Vertrauen in die Verschwiegenheit der Verwaltung abhängt, muss eine vertrauliche Information geschützt werden, wobei "vertraulich" eine vertraulich (von der Behörde) erhobene oder (an die Behörde) übermittelte Information ist (vgl. dazu BT-Drucks. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, a. a. O., § 3 Rn. 186 ff.; OVG NRW, a. a. O., Rn. 73).
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Eine derartige Informationserhebung oder -übermittlung, die des Schutzes von Informanten sowie der Schutzes der Behörde selbst bedarf, liegt der Mediationstätigkeit der Beratenden Kommission nicht zugrunde, so dass vorliegend schon der Anwendungsbereich des Ausschlusstatbestands nicht eröffnet ist.
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3. Die Beklagte zu 2. könnte sich aber auf den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen, wonach der Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
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Anlehnend an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 8 Abs. 1 Nr. 2 UIG(vgl. Urteil vom 2. August 2012 - BVerwG 7 C 7.12 -, juris), mit der § 3 Nr. 3 b) IFG seinem Wortlaut nach vergleichbar ist, hat sich die inhaltliche Ausfüllung des Rechtsbegriffs der Beratung an Sinn und Zweck der Norm auszurichten. § 3 Nr. 3 b) IFG dient der Ermöglichung eines unbefangenen und freien Meinungsaustausches innerhalb der Behörde. Schutzgut ist der behördliche Entscheidungsprozess, der eine offene Meinungsbildung erfordert, um eine effektive, funktionsfähige und neutrale Entscheidungsfindung zu gewährleisten. Dementsprechend lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs (vgl. BT-Drucks 15/4493 S. 10) entnehmen, dass sich Nummer 3 auf die innerbehördliche Vertraulichkeit und damit den Beratungsvorgang an sich bezieht. Ausgenommen vom Schutzbereich der Vorschrift sind das Beratungsergebnis und vor allem der Beratungsgegenstand. Der Begriff der Beratung erfasst die Vorgänge interner behördlicher Meinungsäußerung und Willensbildung, die sich inhaltlich auf die Entscheidungsfindung beziehen. Dem Schutz der Beratung unterfallen Interessenbewertungen und Gewichtung einzelner Abwägungsfaktoren, deren Bekanntgabe Einfluss auf den behördlichen Entscheidungsprozess haben könnte. Der Schutz gilt danach vor allem dem Beratungsprozess als solchem, also der Besprechung, Beratschlagung und Abwägung, mithin dem eigentlichen Vorgang des Überlegens. Zum demgegenüber nicht geschützten Beratungsgegenstand können insbesondere Sachinformationen oder gutachterliche Stellungnahmen im Vorfeld gehören, also die Tatsachengrundlagen und Grundlagen der Willensbildung. Die amtlichen Informationen sind deshalb nur dann geschützt, wenn sie den Vorgang der behördlichen Willensbildung und Abwägung abbilden oder jedenfalls gesicherte Rückschlüsse auf die Meinungsbildung zulassen (BVerwG, a. a. O., Rn. 26).
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Mit der Formulierung "solange" wird zudem deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Vielmehr ist von der Möglichkeit auszugehen, dass die geschützten innerbehördlichen Beratungen wegen des Wissens um eine - auch nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens erfolgende - Offenlegung etwa der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess beeinträchtigt werden können (vgl. BVerwG, a. a. O., Rn 29). Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. zum Ganzen auch: OVG NRW, Urteil vom 2. Juni 2015 - 15 A 2062/12 -, juris Rn. 46 m. w. N.).
- 78
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es vorliegend nicht nur ausgeschlossen, sondern im Hinblick auf die Komplexität des Rückgabeverfahrens im Fall (S.) sogar naheliegend, dass sich unter den erbetenen Informationen auch Beratungsinterna, insbesondere im Sinne des § 5 Abs. 4 und 5 der Verfahrensordnung der Beratenden Kommission, befinden, wie z. B. vorbereitende Voten der Kommissionsmitglieder, Notizen zu abwägungsrelevanten Umständen, ethisch begründete Entscheidungsvorschläge, Ergebnisprotokolle, die der Vertraulichkeit im Sinne des § 3 Nr. 3 b) IFG unterliegen und durch deren Herausgabe die effektive Aufgabenerledigung der Beratenden Kommission künftig gestört sowie die Arbeit jedes einzelnen Kommissionsmitglieds beeinträchtigt werden könnte. Bereits ein derartiger Geschehensablauf ist geeignet, sich nachteilig auf die Beratungen der Beratenden Kommission auszuwirken.
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Das durch die Verfahrensordnung in § 5 Abs. 4 und 5 geschützte Beratungsgeheimnis, das auch das Abstimmungsverhalten und die Abstimmungsergebnisse umfasst, gewährleistet, dass die Diskussion innerhalb der Beratenden Kommission und damit auch die Äußerung jedes einzelnen Kommissionsmitglieds keinem Außenstehenden bekannt wird. Diese Absicherung nach außen verschafft der Arbeitsweise der Kommission eine große Offenheit nach innen. Jedes Kommissionsmitglied kann, da es keine Bekanntgabe von Beratungsinterna durch die Behörde oder andere Kommissionsmitglieder zu befürchten hat, sich frei, unbefangen, deutlich oder auch überspitzt äußern. Der Schutz der freien Meinungsäußerung ist gerade in einem Bereich, in dem es - wie hier - auch auf ethische und moralische Aspekte ankommen kann, zwingend erforderlich, um die Unabhängigkeit der Arbeit der Kommissionsmitglieder und damit eine sachgerechte Aufgabenerfüllung der Beratenden Kommission im öffentlichen Interesse zu gewährleisten. Es ist in keiner Weise fernliegend, sondern hinreichend wahrscheinlich, dass diese offene Beratungskultur im Falle eines Informationszugangs auch zu internen Arbeitsabläufen Schaden nehmen würde.
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Das Interesse an einer funktionsnotwendig freien und offenen Willensbildung innerhalb der Beratenden Kommission wirkt folglich auch über den Abschluss des konkreten Rückgabeverfahrens hinaus. Gerade zum Schutz zukünftiger ungezwungener und offener Beratungen der Beratenden Kommission ist es daher notwendig, den Kläger von den begehrten Informationen gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG auszuschließen.
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C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
- 82
D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 83
E. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
- 84
F. Die Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren ergibt sich aus den §§ 40, 47, 52 Abs. 2 GKG.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. März 2017 - 3 L 115/15
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Urteil einreichenOberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 24. März 2017 - 3 L 115/15 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).
Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2009 zurückgewiesen. Die weitergehende Berufung bleibt zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger ist der Sohn und Rechtsnachfolger von Dr. Hans Sachs. Dieser hatte seit 1896 eine umfangreiche und wertvolle Plakatsammlung zusam- mengetragen, welche ihm 1938 im Auftrag des Reichspropagandaministeriums weggenommen wurde. Dr. Sachs verließ Deutschland wegen der nationalsozialistischen Judenverfolgung Ende 1938 und emigrierte in die USA.
- 2
- Nach dem Krieg war die Plakatsammlung zunächst verschollen. Im Jahr 1961 erhielt Dr. Sachs aufgrund eines in einem Verfahren nach dem Bundesrückerstattungsgesetz geschlossenen Vergleichs 225.000 DM als Wiedergutmachung für den Verlust der Sammlung. Erst später erfuhr er, dass Teile der Sammlung in der DDR gefunden worden waren und sich in dem Museum für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin befanden. 1974 verstarb Dr. Sachs und wurde von seiner Ehefrau beerbt. Diese starb 1998, ohne nach der Wiedervereinigung Ansprüche wegen der Sammlung geltend gemacht zu haben. Der Kläger ist ihr Erbe.
- 3
- Die Plakatsammlung, von der zur Zeit 4.259 Plakate identifiziert sind, befindet sich heute im Besitz der Beklagten, einer Stiftung des öffentlichen Rechts. Mit der Klage hat der Kläger die Herausgabe zweier Plakate ("Dogge" und "Die blonde Venus") verlangt. Die Beklagte hat im Wege der Widerklage die Feststellung beantragt, dass der Kläger nicht Eigentümer der Plakatsammlung ist, hilfsweise, dass er nicht berechtigt ist, die Plakate heraus zu verlangen.
- 4
- Das Landgericht hat die Beklagte zur Herausgabe eines der Plakate ("Dogge") verurteilt und die weitergehende Klage sowie die Widerklage abgewiesen. Auf die von beiden Parteien eingelegte Berufung hat das Kammergericht - unter Abweisung aller übrigen Anträge - der Widerklage im Hilfsantrag stattgegeben. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte der Kläger , der den Herausgabeanspruch hinsichtlich des zweiten Plakats ("Die blonde Venus") nicht weiterverfolgt, die Verurteilung der Beklagten in dem durch das Landgericht zuerkannten Umfang sowie die vollständige Abweisung der Widerklage erreichen. Die Beklagte, die die Zurückweisung der Revision erstrebt, hat Anschlussrevision eingelegt, mit der sie sich gegen die Abweisung der Widerklage im Hauptantrag wendet. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Anschlussrevision.
Entscheidungsgründe:
I.
- 5
- Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in ZOV 2010, 87 veröffentlicht ist, meint, der Vater des Klägers habe sein Eigentum an der Plakatsammlung weder vor noch durch deren Wegnahme 1938 verloren. Ebenso wenig habe er das Eigentum im Rahmen des Wiedergutmachungsverfahrens verloren. Die Plakate seien auch nicht in das Volkseigentum der DDR übergegangen. Dem danach an sich gegebenen Herausgabeanspruch des Klägers nach § 985 BGB stünden allerdings die Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts und des Bundesrückerstattungsgesetzes entgegen. Es entspreche gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass Ansprüche wegen nationalsozialistischer Unrechtsakte nur nach Maßgabe der Rückerstattungs- und Entschädigungsgesetze geltend gemacht werden könnten. Darüber hinaus sei ein etwaiger Herausgabeanspruch des Klägers verwirkt.
- 6
- Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
II.
- 7
- Revision des Klägers
- 8
- Die Revision des Klägers ist begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Plakats "Dogge" gemäß § 985 BGB verneint und auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, dass der Kläger nicht berechtigt ist, die vormals seinem Vater gehörende Plakatsammlung von der Beklagten heraus zu verlangen.
- 9
- 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Kläger als Rechtsnachfolger (Erbeserbe) seines Vaters Eigentümer der Plakatsammlung. Das nimmt die Revision als für sie günstig hin (zur Anschlussrevision siehe unter III.).
- 10
- 2. Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB wird nicht durch die besonderen Regelungen über die Wiedergutmachung des nationalsozialistischen Unrechts verdrängt.
- 11
- a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Anspruch nicht durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen wird. Dieses findet zwar gemäß § 1 Abs. 6 VermG auch auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern Anwendung, die - wie der Vater des Klägers - in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Die - von dem Senat (Urteil vom 7. Juli 1995 - V ZR 243/94, BGHZ 130, 231, 235) bislang nur für den Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 1 Buchstabe c und Abs. 3 VermG bejahte - Frage, ob ein nach den vermögensrechtlichen Bestimmungen begründeter Anspruch einem zivilrechtlichen Anspruch vorgeht, der seinen Grund ebenfalls in dem von dem Vermögensgesetz erfassten staatlichen Unrecht hat, stellt sich hier schon deshalb nicht, weil der von dem Vater des Klägers erlittene Vermögensverlust keinen Restitutionsanspruch nach der Vorschrift in § 1 Abs. 6 VermG auslöst. Deren Anwendung setzt nämlich voraus, dass der Vermögenswert in dem Zeitpunkt der Schädigung im Beitrittsgebiet belegen war (vgl. BVerwGE 135, 272, 277 Rn. 31 mwN). Daran fehlt es hier, da die Plakatsammlung nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Berlin-Schöneberg und somit im späteren Westteil der Stadt beschlagnahmt wurde.
- 12
- b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts tritt der Herausgabeanspruch nicht hinter die Vorschriften des alliierten Rückerstattungsrechts - hier die in Berlin geltende Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin betreffend die Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände an Opfer der nationalsozialistischen Unterdrückungsmaßnahmen (vom 26. Juli 1949, VOBl. für Groß-Berlin I S. 221 - nachfolgend Rückerstattungsanordnung oder REAO) - zurück.
- 13
- aa) Allerdings hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Ansprüche, die sich aus der Unrechtmäßigkeit einer nationalsozialistischen Enteignungsmaßnahme ergeben, grundsätzlich nur nach Maßgabe der zur Wiedergutmachung erlassenen Rückerstattungs- und Entschädigungsgesetze und in dem dort vorgesehenen Verfahren verfolgt werden können (vgl. Urteile vom 11. Februar 1953 - II ZR 51/52, BGHZ 9, 34, 45; vom 8. Oktober 1953 - IV ZR 30/53, BGHZ 10, 340, 343; vom 5. Mai 1956 - VI ZR 138/54, RzW 1956, 237 sowie Beschluss vom 27. Mai 1954 - IV ZB 15/54, NJW 1954, 1368; ebenso die hM im älteren Schrifttum, vgl. Blessin/Wilden, Bundesrückerstattungsgesetz, 1958, Einl. Rn. 26; Goetze, Die Rückerstattung in Westdeutschland und Berlin, 1950, Anm. zu Art. 57 REG [AmZ]; Harmening/ Hartenstein/Osthoff, Rückerstattungsgesetz, 2. Aufl., 1952, Einl. Bl. Nr. 53 Rs.; Kubuschok/Weißstein, Rückerstattungsrecht, 1950, Art. 49 REG [BrZ] / Art. 57 REG [AmZ] Anm. 2; Muller, Rückerstattung in Deutschland, 1948, Vorbem. S. 10; Korth, SJZ 1948, 377, 383; aA van Dam, Rückerstattungs-Gesetz für die Britische Zone, 1949, Einf. S. 15; von Godin, Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände, 1950, Art. 57 REG [AmZ] Anm. 1; Dubro, NJW 1953,
706).
- 14
- Begründet wurde der Vorrang des Rückerstattungsverfahrens zum einen mit den besonderen Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, dass das geltende Recht keine ausreichende Grundlage bot, die durch die nationalsozialistischen Unrechtsmaßnahmen herbeigeführten Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen (dazu ausführlich Anton, Rechtshandbuch Kulturgüterschutz und Kunstrestitutionsrecht, Bd. 1, 2010, S. 689 ff.), und denen durch ein besonderes , die Ansprüche des Geschädigten abschließend regelndes Gesetz begegnet werden sollte. Zum anderen sollten durch die - im Vergleich zu den allgemeinen Verjährungsfristen deutlich kürzeren - Fristen, innerhalb deren ein Rückerstattungsanspruch durch den Geschädigten anzumelden war (nach Art. 50 Abs. 2 Satz 1 REAO bis zum 30. Juni 1950), das Interesse der Allgemeinheit an der baldigen Beruhigung des Wirtschaftslebens sowie das Interesse des Rückgewährpflichtigen geschützt werden, nach dem Fristablauf nicht mehr mit weiteren Ansprüchen des Geschädigten rechnen zu müssen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1953 - IV ZR 30/53, BGHZ 10, 340, 343 ff.).
- 15
- bb) Demgegenüber herrscht im neueren Schrifttum - zum Teil im Anschluss an eine Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (Beschluss vom 28. Februar 1955 - GSZ 4/54, BGHZ 16, 350) - die Auffassung vor, dass das Rückerstattungsrecht in erster Linie den Interessen des Geschädigten gedient habe. Das schließe es aus, dem Geschädigten Ansprüche zu versagen, die bereits nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen durch die Unrechtsmaßnahme begründet worden seien (vgl. Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung, 2005, S. 169; Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz, 2007, S. 94 ff.; Schulze, Kunstrechtsspiegel 2010, 8, 9; IPrax 2010, 290, 297; Weller, Kunstrechtsspiegel 2009, 32, 35 sowie 42, 43; ähnlich bereits Mosheim, BB 1949, 27: "Meistbegünstigungs-Prinzip").
- 16
- cc) Ob die zuletzt genannte Ansicht Veranlassung bietet, die bisherige Rechtsprechung in Frage zu stellen, kann dahin stehen. Den alliierten Rückerstattungsvorschriften kommt jedenfalls dann kein Vorrang gegenüber einem Herausgabeanspruch nach § 985 BGB zu, wenn der verfolgungsbedingt entzogene Vermögensgegenstand - wie hier und anders als in den bislang durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen - nach dem Krieg verschollen war und der Berechtigte erst nach Ablauf der für die Anmeldung eines Rückerstattungsanspruchs bestimmten Frist von seinem Verbleib Kenntnis erlangt hat.
- 17
- Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht Art. 51 Satz 1 REAO der Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs in einem solchen Fall nicht entgegen. Zwar können danach, soweit nichts anderes bestimmt ist, Ansprüche , die unter die Rückerstattungsanordnung fallen, nur nach deren Maßgabe und unter Einhaltung der darin geregelten Fristen geltend gemacht werden. Die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1953 - IV ZR 30/53, BGHZ 10, 340, 344 für die vergleichbaren Regelungen in der Amerikanischen und der Britischen Zone) von der Vorschrift ausgehende Sperrwirkung wird indes durch den die Anordnung beherrschenden Grundsatz der Naturalrestitution begrenzt.
- 18
- (1) Die Rückerstattungsanordnung regelt in erster Linie die Rückerstattung "feststellbarer" Vermögensgegenstände (vgl. § 1 Abs. 1 REAO). Der Begriff "feststellbar" ("identifiable") diente ursprünglich - in Entwurfsfassungen - dazu, den Anwendungsbereich der Alliierten Anordnungen auf Rechtsverluste zu begrenzen, die durch Rückgabe des entzogenen Vermögensgegenstands in natura wiedergutgemacht werden konnten (vgl. ORG Nürnberg, RzW 1959, 371, 372 r. Sp. sowie Schwarz, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 118 f.). Von ihm erfasst sind nur Gegenstände, zu deren Rückforderung sich der Berechtigte tatsächlich imstande sah, weil ihm die Person des gegenwärtigen Besitzers bekannt war (vgl. Art. 1 Abs. 2 REAO; Goetze , aaO, Art. 1 REG [AmZ] Anm. 2; i. Erg. ebenso Harmening/Hartenstein/ Osthoff, aaO, Art. 1 REG [BrZ] Anm. III. 2). Diese Voraussetzung war bei einem Gegenstand, über dessen Existenz und Verbleib - wie im Fall der dem Vater des Klägers gehörenden Plakatsammlung - in dem Zeitraum, in dem ein Verfahren nach der Rückerstattungsanordnung eingeleitet werden konnte, Unklarheit herrschte, nicht erfüllt.
- 19
- (2) Die Rückerstattungsanordnung sieht allerdings auch Ersatzansprüche des Berechtigten für den Fall vor, dass der Gegenstand bei dem Rückerstattungspflichtigen untergegangen oder diesem die Herausgabe aus sonstigen Gründen unmöglich war (Art. 26 Abs. 3 und Art. 27 Abs. 2 REAO). Bei dem Schadensausgleich in Geld handelte es sich nach der Vorstellung der Alliierten indes um eine nachrangige Form der Wiedergutmachung; in erster Linie hatte diese durch Rückgabe des entzogenen Vermögens an den Berechtigten zu erfolgen (vgl. Vorbemerkung sowie Art. 1 REAO; ebenso Art. 1 Abs. 1 REG [AmZ]; Art. 1 Abs. 1 REG [BrZ]; Art. 5 der Verordnung Nr. 120 [FrZ]; BGH, Urteil vom 5. Mai 1956 - VI ZR 138/54, RzW 1956, 237, 238; Blessin/Wilden, aaO, Einl. Rn. 15; Schwarz, aaO, S. 122 und S. 175). Dass die auf eine Ausgleichsleistung in Geld gerichteten Ansprüche aus der Rückerstattungsanordnung bei einer zunächst verschollenen, nach Ablauf der Anmeldefrist aber wieder aufgetauchten Sache dennoch als abschließende Wiedergutmachung anzusehen sein sollten, ergibt sich - ungeachtet einer in diesem Fall etwa bestehenden Pflicht, eine bereits empfangene Ausgleichszahlung zurückzuerstatten - aus der Rückerstattungsanordnung nicht (vgl. BVerwG, ZIP 1997, 1392, 1393 zu dem Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 6 VermG).
- 20
- (3) Das vorrangige Ziel der Naturalrestitution steht ferner der Annahme entgegen, ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch werde durch die alliierte Rückerstattungsanordnung auch dann verdrängt, wenn es dem Berechtigten unmöglich war, die Rückgabe des entzogenen Vermögensgegenstands in deren Rahmen zu erreichen, weil dieser - wie hier - bis zum Ablauf der Anmeldefrist des § 50 Abs. 2 REAO verschollen und damit nicht "feststellbar" war. Bliebe es in einem solchen Fall auch nach dem Wiederauffinden des Gegenstands bei der von dem Bundesgerichtshof bislang angenommenen Sperrwirkung des Art. 51 Satz 1 REAO, wären der Berechtigte und seine Rechtsnachfolger von der vorrangig angestrebten Wiedergutmachung durch Rückgabe dauerhaft ausgeschlossen, obwohl diese, wenn auch zu einem späteren Zeitpunkt, tatsächlich und - auf der Grundlage der allgemeinen Gesetze - auch rechtlich möglich ist. Die alliierten Rückerstattungsbestimmungen hätten dem Berechtigten damit jede Möglichkeit genommen, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands zu verlangen und auf diese Weise das nationalsozialistische Unrecht perpetuiert. Ein solches Ergebnis ist mit dem Sinn und Zweck dieser Best- immungen, die Interessen des Geschädigten zu schützen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 1955 - GSZ 4/54, BGHZ 16, 350, 357), nicht zu vereinbaren.
- 21
- c) Auch das Bundesrückerstattungsgesetz steht dem Herausgabeanspruch des Klägers nicht entgegen. Denn es schuf lediglich eine gesetzliche Grundlage für die Berechnung und Erfüllung der bereits nach anderen Rechtsvorschriften entstandenen, auf einen Geldbetrag oder auf Schadensersatz gerichteten Rückerstattungsansprüche gegen das Deutsche Reich (vgl. § 2 i.V.m. § 11 Nr. 1 BRüG; Biella, Das Bundesrückerstattungsgesetz, 1981, S. 83 f.; Kemper/Burkhardt, Bundesrückerstattungsgesetz, 2. Aufl., 1957, Einf. S. 16) und eröffnete insoweit die Anmeldefristen neu (vgl. § 29 BRüG). Bestimmungen , aus denen sich ergibt, dass die Rechte, die dem Berechtigten aufgrund des Eigentums an der (vermeintlich) untergegangenen Sache zustehen, mit der Erfüllung des Rückerstattungsanspruchs auf die öffentliche Hand übergehen, enthält es nicht. Ebenso wenig begründete es - von den hier nicht einschlägigen Vorschriften der §§ 12, 13 BRüG abgesehen - neue Ansprüche zugunsten der von einer nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahme Betroffenen, hinsichtlich deren sich die Frage nach dem Verhältnis zu den nach dem allgemeinen Zivilrecht gegebenen Ansprüchen stellen könnte.
- 22
- 3. Dass der Vater des Klägers - was dem Herausgabeanspruch entgegenstehen könnte - im Zusammenhang mit der ihm im Jahr 1961 gewährten Wiedergutmachung eine Erklärung abgegeben hat, in der er auf alle bestehenden Rechte wegen der Plakatsammlung verzichtet hat, ist durch das Berufungsgericht nicht festgestellt worden. Da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, wäre ein unzweideutiges Verhalten erforderlich, das von dem Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 70/93, WM 1994, 13). Diese Voraussetzung ist durch das Schreiben des Vaters des Klägers aus dem Jahr 1966, in dem dieser gegenüber einem Mitarbeiter des Museums für Deutsche Geschichte in Ost-Berlin ausgeführt hat, er sei lediglich ideell und nicht materiell an einer Zusammenarbeit interessiert und habe im Übrigen eine größere Abfindungssumme erhalten, die alle seine Ansprüche abdecke, nicht erfüllt. Die Betonung des rein ideellen Interesses an der Sammlung durch den Vater des Klägers dürfte in erster Linie dazu gedient haben, die naheliegende Befürchtung des Museumsmitarbeiters auszuräumen, er werde Rechte wegen der Sammlung geltend machen, um so einen Kontaktabbruch des Museums zu vermeiden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Vater des Klägers ein Herausgabeverlangen gegenüber einem staatlichen Museum der DDR in den Zeiten des Kalten Krieges aussichtslos erscheinen musste; denn auch dies spricht dafür, dass mit dem Hinweis auf die erhaltene Entschädigung kein endgültiger Verzicht auf Rechte an der Sammlung zum Ausdruck gebracht, sondern etwaiges Misstrauen des Museums hinsichtlich des Grundes für die Kontaktaufnahme zerstreut werden sollte.
- 23
- 4. Der Herausgabeanspruch, hinsichtlich dessen die Beklagte die Einrede der Verjährung ausdrücklich nicht erhebt, ist nicht verwirkt.
- 24
- a) Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die spätere Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (st. Rspr., vgl. Senat, Urteile vom 12. Dezember 2008 - V ZR 49/08, NJW 2009, 847, 849 Rn. 39 [insoweit in BGHZ 179, 146 nicht abgedruckt ] und vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09, NJW 2010, 1074, 1076 Rn. 19 mwN). Verwirkung kann auch bei dem Herausgabeanspruch des Eigentümers nach § 985 BGB eintreten (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1993 - V ZR 234/91, BGHZ 122, 308, 314 zu § 894 BGB). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Anspruch Kernbestandteil des Eigentums ist und seine Verneinung wirtschaftlich die Enteignung des Eigentümers bedeutet, weshalb eine Verwirkung nur in Ausnahmefällen angenommen werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 16. März 2007 - V ZR 190/06, NJW 2007, 2183, 2184 mwN).
- 25
- b) Ein Fall der Verwirkung liegt hier nicht vor.
- 26
- aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Zeit vor dem 3. Oktober 1990 für die Beurteilung, ob es sich bei der Geltendmachung des Herausgabeanspruchs durch den Kläger um eine unzulässige Rechtsausübung handelt, nicht berücksichtigt werden. Denn bis zu diesem Tag musste sich ein von dem Vater oder (nach dessen Tod im Jahr 1974) der Mutter des Klägers geäußertes Rückgabeverlangen - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - als offensichtlich aussichtslos erweisen, weil sich die Plakatsammlung auf dem Gebiet der DDR befand und daher ein privatrechtlicher Herausgabeanspruch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht hätte durchgesetzt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1964 - VI ZR 44/63, VersR 1964, 404, 405 zu dem "umgekehrten" Fall, dass der Gläubiger des Anspruchs in der DDR ansässig war; Schoen, NJW 2001, 537, 543). Soweit das Berufungsgericht die Zeit bis zur Wiedervereinigung gleichwohl unter Hinweis auf die - die Hemmung der Verjährung wegen höherer Gewalt betreffende - Vorschrift des § 206 BGB für berücksichtigungsfähig hält, übersieht es, dass sich der Regelung keine über die Verjährung hinausgehenden Grundsätze entnehmen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Oktober 1960 - III ZR 132/59, BGHZ 33, 360, 363; Erman /Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 206 Rn. 2 mwN).
- 27
- bb) Der danach maßgebliche Zeitraum von 16 Jahren, in dem die Mutter des Klägers sowie (nach deren Tod im Jahr 1998) der Kläger selbst von der Geltendmachung eines Herausgabeanspruchs abgesehen haben, ist für sich genommen nicht ausreichend, die Verwirkung des Anspruchs zu begründen (vgl. Senat, Urteil vom 30. Oktober 2009 - V ZR 42/09, NJW 2010, 1074, 1075 Rn. 19). Zusätzliche Umstände, aus denen die Beklagte schließen durfte, ein Herausgabeanspruch wegen der Plakatsammlung werde nicht mehr geltend gemacht, sind nicht erkennbar. Der Inhalt des von dem Vater des Klägers verfassten Briefes aus dem Jahr 1966 (s.o. unter 3.) genügt für die Entstehung des für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Vertrauenstatbestands ebenso wenig wie dessen Äußerung in einem 1970/71 veröffentlichten Artikel, wonach er sicher sei, dass "West- und Ostdeutschland (…) ihre Schätze zu hüten wissen". Denn hieraus ergibt sich allenfalls, dass der zu dieser Zeit bereits hochbetagte Vater des Klägers selbst keine - zu der damaligen Zeit ohnehin nicht durchsetzbaren - Ansprüche mehr verfolgen würde, nicht aber, dass sich auch seine Erben mit einem dauerhaften Verbleib der Sammlung in einem Museum einverstanden zeigen würden. Äußerungen, die etwas Anderes nahe legen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
- 28
- cc) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht schließlich, die Beklagte habe mit Ablauf der in § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG bestimmten Frist zur Geltendmachung von Rückübertragungsansprüchen nach dem Vermögensgesetz am 30. Juni 1993 darauf vertrauen dürfen, keinem Herausgabeanspruch des Eigentümers der Plakatsammlung mehr ausgesetzt zu werden. Das Vermögensgesetz findet - wovon das Berufungsgericht an anderer Stelle selbst aus- geht - in dem hier zu entscheidenden Fall, in dem das von dem NS-Regime beschlagnahmte Vermögen erst nach seiner Entziehung in das Beitrittsgebiet verbracht wurde, keine Anwendung (vgl. BVerwGE 135, 272, 277 Rn. 31 sowie oben unter 2. a). Dass seine Anwendbarkeit bis zu der Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2009 im Schrifttum unterschiedlich beurteilt wurde, begründet kein schutzwürdiges Vertrauen des unberechtigten Besitzers.
- 29
- dd) Ob sich - wie der Kläger meint - die Beklagte als Stiftung des öffentlichen Rechts schon im Hinblick auf die im Anschluss an die Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998 abgegebene "Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz" vom 14. Dezember 1999 (jew. abgedruckt bei Anton, aaO, S. 736 f., 739 f.), wonach die Erklärenden "in den verantwortlichen Gremien der Träger einschlägiger öffentlicher Einrichtungen darauf hinwirken (werden), dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden", nicht auf den Einwand der Verwirkung des Herausgabeanspruchs berufen kann, bedarf hier keiner Entscheidung.
III.
- 30
- Anschlussrevision der Beklagten
- 31
- Die Anschlussrevision der Beklagten, mit der diese das fehlende Eigentum des Klägers an der Plakatsammlung festgestellt wissen will, ist unbegrün- det. Der Vater des Klägers ist zu Lebzeiten Eigentümer der Sammlung geblieben. Nach seinem Tod ist das Eigentum im Wege der Erbfolge zunächst auf seine Ehefrau und anschließend auf den Kläger übergegangen.
- 32
- 1. Dass die Plakatsammlung dem Vater des Klägers 1938 im Auftrag des Reichspropagandaministeriums weggenommen wurde, änderte an den bestehenden Eigentumsverhältnissen nichts. Nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts handelte es sich bei dem Zugriff um eine Wegnahme ohne förmlichen Enteignungsakt. Eine rechtliche Grundlage für die Aneignung des Besitzes an der Plakatsammlung durch das Deutsche Reich ist auch nicht in der 11. Verordnung zum Reichsbürgergesetz zu sehen, durch die u.a. der Verfall jüdischen Vermögens angeordnet wurde. Denn diese Verordnung ist wegen ihres den Grunderfordernissen jeder rechtsstaatlichen Ordnung widersprechenden Unrechtsgehalts als von vornherein nichtig anzusehen und hat daher keine Rechtswirkungen zu erzeugen vermocht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 1955 - GSZ 4/54, BGHZ 16, 350, 353 f.; BVerfGE 23, 98, 106; BVerwGE 98, 261, 263).
- 33
- 2. Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Vater des Klägers sei zu dem Zeitpunkt der Wegnahme nicht mehr Eigentümer der Plakatsammlung gewesen, weil er diese zuvor an den Bankier Dr. Lenz veräußert habe. Da sich die Sammlung bis zuletzt in seinen Händen befand, kommt nur eine Übereignung nach § 930 BGB in Betracht; sie erforderte, dass der Vater des Klägers seinen Eigenbesitz an der Sammlung aufgegeben und auf Grund eines vereinbarten Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB) dem Erwerber den Besitz vermittelt hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, diese Voraussetzungen ließen sich nicht feststellen, ist frei von Rechtsfehlern.
- 34
- a) Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Berufungsgericht die an ein Besitzkonstitut zu stellenden Anforderungen nicht verkannt. Die Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses ersetzt die in § 929 Satz 1 BGB vorgesehene Übergabe der Sache. Diese Funktion steht einem Eigentumswechsel entgegen, bei dem der Wille des Veräußerers, die in seinem (unmittelbaren) Eigenbesitz befindliche Sache künftig für einen anderen zu besitzen, nicht in irgendeiner Form, und sei es nur gegenüber dem Erwerber (vgl. BGH, Urteil vom 18. November 1963 - VIII ZR 198/62, NJW 1964, 398 f.), erkennbar zu Tage tritt. Eine dermaßen im Verborgenen bleibende Übertragung des Eigentums wäre mit dem das Sachenrecht beherrschenden - wenn auch in § 930 BGB zugunsten einer Erleichterung des Rechtsverkehrs mit beweglichen Sachen eingeschränkten (vgl. PWW/Prütting, BGB, 6. Aufl., § 930 Rn. 1) - Publizitätsgrundsatz nicht zu vereinbaren.
- 35
- b) Dafür, dass vor der Wegnahme der Plakatsammlung entweder durch die ausdrückliche Begründung eines Besitzkonstituts oder zumindest durch ein konkludentes Verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2001 - II ZR 314/99, NJW-RR 2002, 854, 855; Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 930 Rn. 8 mwN) die Änderung der vormaligen Besitzverhältnisse dokumentiert wurde, hat das Berufungsgericht nichts festzustellen vermocht. Die von der Beklagten angeführte Äußerung des Vaters des Klägers aus dem Jahr 1953, wonach die Sammlung zu dem Zeitpunkt ihrer Wegnahme bereits "förmlich übereignet" gewesen sei, lässt nicht den Schluss auf eine wirksame Eigentumsübertragung zu. Gleiches gilt für die Erklärung des Dr. Lenz aus dem Jahr 1946, nach der ihm die Sammlung "als Pfand" übereignet worden sei, um sie auf diese Weise vor der drohenden Konfiszierung zu retten. Beide Äußerungen beschränken sich letztlich auf die Mitteilung einer - mit Blick auf die Erklärung des Dr. Lenz zudem nicht eindeutigen - Rechtsauffassung. Ob diese zutrifft, kann in Ermangelung tatsächlicher Feststellungen zu dem zugrunde liegenden Geschehen nicht beurteilt werden.
- 36
- 3. Ebenfalls ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, das Eigentum an der Plakatsammlung sei dadurch, dass der Vater des Klägers diese nicht zur Rückerstattung angemeldet habe, kraft Gesetzes auf deren damaligen Besitzer übergegangen. Die Rückerstattungsanordnung hatte den Zweck, die beschleunigte Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände sicherzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 1955 - GSZ 4/54, BGHZ 16, 350, 360). Konnten die durch die Anordnung begründeten Ansprüche aufgrund des Ausschlusscharakters der Anmeldefrist für sie nicht mehr durchgesetzt werden, musste derjenige, der den Gegenstand damals im Besitz hatte, zwar nicht mehr damit rechnen, Rückerstattungsansprüchen ausgesetzt zu sein. Ein originärer Eigentumserwerb durch Rückerstattungspflichtige, die lediglich den Besitz, nicht aber das Eigentum an dem entzogenen Gegenstand erlangt hatten, war hiermit aber nicht verbunden.
- 37
- 4. Gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Vater des Klägers habe das Eigentum an der Plakatsammlung auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt eingebüßt, erhebt die Beklagte keine Einwände. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
IV.
- 38
- Das Berufungsurteil ist somit in dem durch die Revision angefochtenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
V.
Krüger Stresemann Czub
Brückner Weinland Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 10.02.2009 - 19 O 116/08 -
KG Berlin, Entscheidung vom 28.01.2010 - 8 U 56/09 -
(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden
- 1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.
(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.
(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
(1) Die Klage ist zu richten
- 1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde, - 2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.
(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Die Klage ist zu richten
- 1.
gegen den Bund, das Land oder die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat; zur Bezeichnung des Beklagten genügt die Angabe der Behörde, - 2.
sofern das Landesrecht dies bestimmt, gegen die Behörde selbst, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat.
(2) Wenn ein Widerspruchsbescheid erlassen ist, der erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2), ist Behörde im Sinne des Absatzes 1 die Widerspruchsbehörde.
(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.
(3) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen gehen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vor.
(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden
- 1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.
(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.
(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
(1) Der Bundespräsident vertritt den Bund völkerrechtlich. Er schließt im Namen des Bundes die Verträge mit auswärtigen Staaten. Er beglaubigt und empfängt die Gesandten.
(2) Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes. Für Verwaltungsabkommen gelten die Vorschriften über die Bundesverwaltung entsprechend.
Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Leistungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zur Erfüllung bestimmter Zwecke (Zuwendungen) dürfen nur veranschlagt werden, wenn der Bund an der Erfüllung durch solche Stellen ein erhebliches Interesse hat, das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.
(1) Der Bundesrechnungshof ist vorbehaltlich anderer gesetzlicher Regelung berechtigt, bei Stellen außerhalb der Bundesverwaltung zu prüfen, wenn sie
- 1.
Teile des Bundeshaushaltsplans ausführen oder vom Bund Ersatz von Aufwendungen erhalten, - 2.
Bundesmittel oder Vermögensgegenstände des Bundes verwalten, - 3.
vom Bund Zuwendungen erhalten, - 4.
als juristische Personen des privaten Rechts, an denen der Bund einschließlich seiner Sondervermögen unmittelbar oder mittelbar mit Mehrheit beteiligt ist, nicht im Wettbewerb stehen, bestimmungsgemäß ganz oder überwiegend öffentliche Aufgaben erfüllen oder diesem Zweck dienen und hierfür Haushaltsmittel oder Gewährleistungen des Bundes oder eines seiner Sondervermögen erhalten oder - 5.
Finanzierungsmittel bewirtschaften, die der Bund den Ländern zweckgebunden zur Erfüllung von Länderaufgaben zugewiesen hat.
(2) Die Prüfung erstreckt sich auf die bestimmungsmäßige und wirtschaftliche Verwaltung und Verwendung. Bei Zuwendungen kann sie sich auch auf die sonstige Haushalts- und Wirtschaftsführung des Empfängers erstrecken, soweit es der Bundesrechnungshof für seine Prüfung für notwendig hält.
(3) Bei der Gewährung von Krediten aus Haushaltsmitteln sowie bei der Übernahme von Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen durch den Bund kann der Bundesrechnungshof bei den Beteiligten prüfen, ob sie ausreichende Vorkehrungen gegen Nachteile für den Bund getroffen oder ob die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Bundes vorgelegen haben.
(4) Bei den juristischen Personen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 erstreckt sich die Prüfung auf die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung. Handelt es sich bei der juristischen Person des privaten Rechts im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 um ein Unternehmen, erfolgt die Prüfung unter Beachtung kaufmännischer Grundsätze.
(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.
(3) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen gehen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vor.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Das Oberverwaltungsgericht kann über die Berufung durch Beschluß entscheiden, wenn es sie einstimmig für begründet oder einstimmig für unbegründet hält und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. § 125 Abs. 2 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.
(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.
(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.
(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden
- 1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.
(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.
(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
Das Verwaltungsverfahren ist an bestimmte Formen nicht gebunden, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen.
(1) Dieses Gesetz gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden
- 1.
des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen,
(2) Dieses Gesetz gilt auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der in Absatz 1 Nr. 2 bezeichneten Behörden, wenn die Länder Bundesrecht, das Gegenstände der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes betrifft, als eigene Angelegenheit ausführen, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Für die Ausführung von Bundesgesetzen, die nach Inkrafttreten dieses Gesetzes erlassen werden, gilt dies nur, soweit die Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates dieses Gesetz für anwendbar erklären.
(3) Für die Ausführung von Bundesrecht durch die Länder gilt dieses Gesetz nicht, soweit die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden landesrechtlich durch ein Verwaltungsverfahrensgesetz geregelt ist.
(4) Behörde im Sinne dieses Gesetzes ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
(1) Die Übermittlung elektronischer Dokumente ist zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet.
(2) Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist. Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüsselinhabers nicht unmittelbar durch die Behörde ermöglicht, ist nicht zulässig. Die Schriftform kann auch ersetzt werden
- 1.
durch unmittelbare Abgabe der Erklärung in einem elektronischen Formular, das von der Behörde in einem Eingabegerät oder über öffentlich zugängliche Netze zur Verfügung gestellt wird; - 2.
bei Anträgen und Anzeigen durch Versendung eines elektronischen Dokuments an die Behörde mit der Versandart nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes; - 3.
bei elektronischen Verwaltungsakten oder sonstigen elektronischen Dokumenten der Behörden durch Versendung einer De-Mail-Nachricht nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes, bei der die Bestätigung des akkreditierten Diensteanbieters die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lässt; - 4.
durch sonstige sichere Verfahren, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden, welche den Datenübermittler (Absender der Daten) authentifizieren und die Integrität des elektronisch übermittelten Datensatzes sowie die Barrierefreiheit gewährleisten; der IT-Planungsrat gibt Empfehlungen zu geeigneten Verfahren ab.
(3) Ist ein der Behörde übermitteltes elektronisches Dokument für sie zur Bearbeitung nicht geeignet, teilt sie dies dem Absender unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mit. Macht ein Empfänger geltend, er könne das von der Behörde übermittelte elektronische Dokument nicht bearbeiten, hat sie es ihm erneut in einem geeigneten elektronischen Format oder als Schriftstück zu übermitteln.
Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.
Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Löschung einer Suchmeldung, welche in der vom Beklagten im Internet geführten Lost Art Datenbank eingetragen ist. Dem Beklagten ist als Arbeitsgruppe die Koordinierungsstelle A-Stadt angeschlossen, welche eine von der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern finanzierte Einrichtung darstellt, die u. a. die Aufgabe hat, „Such- und Fundmeldungen des In- und Auslands zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen bzw. in Folge des 2. Weltkriegs verbrachten Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de“ zu dokumentieren.
- 2
Unter dem 24. Juni 2005 erfolgte im Auftrag der Erbengemeinschaft nach R. und J. O. die Eintragung einer Suchmeldung in der Lost Art Datenbank hinsichtlich des hier in Rede stehenden Gemälde „Bildnis eines alten Mannes in orientalischer Tracht“, welches ursprünglich Rembrandt Harmenszoon van Rijn zugeschrieben wurde und heute Isaac Jouderville, einem Schüler Rembrandts, zugeordnet wird.
- 3
Dem liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde: Im Jahr 1912 gründete Albert L. die Margraf & Co. GmbH in C-Stadt. In den folgenden Jahren wurde diese Gesellschaft um mehrere Untergesellschaften erweitert, namentlich die Kunsthandelsgesellschaften F. & Co. GmbH, Dr. Benedict & Co. GmbH, Dr. Burchard & Co. GmbH sowie die Antiquitätenhandelsgesellschaft Altkunst & Co. GmbH. Albert L. legte die Geschäftsführung hinsichtlich dieser Unternehmensgruppe in die Hände des Kunsthändlers J. O. und dessen Ehefrau R., welche wie Albert L. beide jüdischen Glaubens waren. Vor seinem Tod im Jahr 1929 hatte Albert L. seine Lebensgefährtin R. B. als Erbin eingesetzt und die Anteile an den vorgenannten Gesellschaften als Vermächtnis den Eheleuten O. hinterlassen. Diese Rechtsnachfolge hinsichtlich der Gesellschaften wurde jedoch - nach den vorliegenden Akten - aufgrund von erbrechtlichen Auseinandersetzungen bis 1933 nicht registerrechtlich vollzogen. Am 1. April 1933 versuchten die Nationalsozialisten die Eheleute O. zu verhaften. Diese waren jedoch gewarnt worden und konnten nach Frankreich fliehen. J. O. verstarb 1941 in Nizza. R. O. wurde nach Auschwitz deportiert und dort 1943 ermordet. Die drei Kinder der Eheleute O. überlebten die Zeit des Nationalsozialismus. Die Gesellschaftsanteile der vorgenannten Unternehmensgruppe wurden nach 1933 zugunsten des Finanzamtes Berlin-Tiergarten für ausstehende Erbschaftssteuern verpfändet. Als die Steuerschulden 1937 beglichen wurden, wurden diese Gesellschaftsanteile an R. B. übertragen. Bereits unter dem 2. Dezember 1933 hatte das Landgericht Berlin J. O. untersagt, jedwede Rechtshandlungen in Bezug auf die Unternehmensgruppe vorzunehmen. Prof. Dr. Bolko Freiherr von Richthofen, nach den vorliegenden Unterlagen ein enger Freund Hermann Görings, wurde im Jahr 1933 zum Verwalter der Unternehmen bestimmt. Etwa ab dem Jahr 1935 wurden die Untergesellschaften der Unternehmensgruppe liquidiert. In einem Auktionstermin (26. und 27. April 1935), der - laut Katalog - die „Bestände der Berliner Firmen Galerie F. & Co. GmbH und Altkunst Antiquitäten GmbH“ betraf, wurde auch das streitgegenständliche Gemälde vom Auktionshaus G. in C-Stadt angeboten und für 16.000,- RM versteigert. Es soll - nach dem Vortrag der Beigeladenen - vom Bankhaus Jacquier & Securius mit Sitz in C-Stadt ersteigert worden sein. Zum Beleg verweisen die Beigeladenen auf einen Auszug aus der „Liste der national wertvollen Kunstwerke“ von 1938.
- 4
Die Beigeladenen sind Mitglieder von Erbengemeinschaften, die die (jüdischen) Gesellschafter des ehemaligen Bankhauses Jacquier & Securius beerbt haben. Hans B. ist am 1. Juli 2013 verstorben, die Erben nach ihm sind noch nicht bekannt. Unter dem 10. September 2009 erwirkten die Mitglieder der Erbengemeinschaften die Registrierung einer (weiteren) Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes bei dem Beklagten. Zur Begründung dieser Suchmeldung haben die Beigeladenen vorgetragen, dass sich das Gemälde seit Oktober 1933 im Sicherungseigentum des Bankhauses befunden habe, dieses Sicherungseigentum sei im Rahmen der Versteigerung im Jahr 1935 zu Volleigentum erstarkt und erst durch die sog. Arisierung des Bankhauses im März 1938 verfolgungsbedingt abhanden gekommen.
- 5
Im Mai 2009 gelang es der Nachtragsliquidatorin der Klägerin unter Hinweis auf die Eintragung der Suchmeldung unter anderem in der Lost Art Datenbank eine unmittelbar bevorstehende Versteigerung des streitgegenständlichen Gemäldes auf einer Auktion in Kapstadt zu verhindern. Das Bild war von dem in Windhoek/Namibia lebenden Gerhard-Peter S. angeboten worden.
- 6
Im Januar 2010 schlossen Gerhard-Peter S., die Klägerin und die Erbengemeinschaft nach den vormaligen Gesellschaftern der Galerie F. & Co. GmbH eine Vereinbarung über die Verwertung des hier in Rede stehenden Gemäldes. Es soll bei dem Auktionshaus Sotheby’s in Amsterdam versteigert und der Erlös hälftig zwischen Herrn Gerhard-Peter S. und der Erbengemeinschaft nach J. und R. O. geteilt werden. Zu dieser Versteigerung ist es noch nicht gekommen.
- 7
Der Beklagte lehnte die nachfolgend von der Klägerin geforderte Löschung der Suchmeldung mit der Begründung ab, dass eine - für plausibel erkannte - Eintragung nur mit Zustimmung des (weiteren) Melders - hier der Beigeladenen - gelöscht werden dürfe. Wenn nötig, müsse die Klägerin die Zustimmung der Beigeladenen auf dem Zivilrechtsweg erstreiten.
- 8
Am 24. Juni 2010 hatte die Klägerin Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch das Kultusministerium, dieses vertreten durch die Koordinierungsstelle A-Stadt erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Die allgemeine Leistungsklage sei die statthafte Klageart, da die Eintragung auf der Internetseite www.lostart.de ein schlichtes Verwaltungshandeln darstelle. Der Beklagte sei passiv legitimiert. Da er die Eintragung der Suchmeldung vorgenommen und zu verantworten habe, müsse er sie auch löschen können. Der Klägerin stehe ein Folgenbeseitigungsanspruch zu. Der Verbleib der Suchmeldung in der Datenbank beeinträchtige das Eigentumsrecht der Klägerin, welche als Erstgeschädigte das bessere Recht habe. Zur weiteren Begründung hatte die Klägerin u. a. auf Geschäftsunterlagen aus den Jahren 1932 und 1933, auf die im Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz getroffenen Feststellungen und auf die Empfehlungen der niederländischen Restitutionskommission bezüglich anderer Gemälde, welche nach ihrer Darstellung im Eigentum der Galerie F. standen, verwiesen.
- 9
Die Klägerin hat beantragt,
- 10
den Beklagten zu verurteilen, den (von den Beigeladenen veranlassten) Eintrag des Gemäldes „Bildnis eines alten Mannes in orientalischer Tracht“ von Rembrandt (mittlerweile Jouderville, Schüler Rembrandts, zugeschrieben) von der Liste gesuchter Raub- und Beutekunst auf der Internetseite www.lostart.de zu löschen,
- 11
hilfsweise,
- 12
den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über die Namen und Anschriften der Personen oder Institutionen zu erteilen, die den Eintrag des Gemäldes „Bildnis eines alten Mannes in orientalischer Tracht“ von Rembrandt (mittlerweile Jouderville, Schüler Rembrandts, zugeschrieben) auf der Liste gesuchter Raub- und Beutekunst auf der Internetseite www.lostart.de veranlasst haben. Sofern ein Vertreter, beispielsweise ein Rechtsanwalt die Eintragung veranlasst hat, sind auch die von ihm vertretenen Personen und Institutionen mit Namen und Anschrift zu benennen.
- 13
Der Beklagte hat beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, weil die Klägerin den Beklagten falsch bezeichnet habe. Sie habe auch kein Rechtschutzbedürfnis, weil sie mit einer Klage auf Zustimmung zur Löschung des Eintrags vor den Zivilgerichten leichter und schneller zum Ziel komme. Zudem sei die Klage unbegründet. Der Beklagte dürfe die Eintragung zugunsten der Beigeladenen nicht ohne Zustimmung der anmeldenden Personen löschen und zurücknehmen. Der Klägerin stehe ein Folgenbeseitigungsanspruch nicht zu. Der Beklagte beeinträchtige das Eigentum der Klägerin nicht. Die Eintragung bewirke kein rechtliches Verfügungsverbot. Dass die Auktionshäuser die Internetseite www.lostart.de beachten, liege in deren Verantwortungsbereich. Ohne positive Feststellung des Eigentums der Klägerin und/oder ohne Zustimmung der Beigeladenen könne der in Rede stehende Eintrag nicht gelöscht werden.
- 16
Die Beigeladenen hatten keinen Antrag gestellt. Sie haben geltend gemacht, die Klägerin behaupte zu Unrecht, Eigentümerin des in Rede stehenden Gemäldes zu sein. Das Bild könne auch einer namensgleichen Galerie in Amsterdam oder einem Dritten gehört haben. Selbst wenn die Klägerin die ursprüngliche Eigentümerin des Gemäldes gewesen wäre, hätte sie das Eigentum spätestens durch die Sicherungsübereignung an das Bankhaus Jacquier & Securius vom 13. Oktober 1933 verloren. Die Sicherungsübereignung und die spätere Verwertung seien weder rechtlich noch sittlich zu beanstanden. Mit der Sicherungsübereignung seien verfolgungsunabhängige Kredite besichert worden. Der Erbschaftsstreit, die Erbschaftssteuerschulden und die Weltwirtschaftskrise hätten die Unternehmensgruppe, zu welcher auch die F. & Co. GmbH gehört habe, stark belastet. Auch aus steuerlichen Gründen seien J. und R. O. ins Ausland gegangen bzw. im Ausland geblieben. Einen verfolgungsbedingten Kulturgutverlust habe hingegen das Bankhaus Jacquier & Securius erlitten. Im Oktober 1933 habe es Sicherungseigentum unter anderem an dem streitgegenständlichen Gemälde erworben. Im April 1935 habe das Bankhaus das Gemälde ersteigert und auf diese Weise Volleigentum erlangt. Die „Liste der national wertvollen Kunstwerke 1938“ belege den Erwerb des Gemäldes durch das Bankhaus Jacquier und Securius. Zum 1. März 1938 sei das Bankhaus „arisiert“ worden. Das sei die einzige verfolgungsbedingte Schädigung in Ansehung des hier in Rede stehenden Gemäldes.
- 17
Mit Urteil vom 17. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt verurteilt, den streitgegenständlichen Eintrag in der Lost Art Datenbank zu löschen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten sei eröffnet. Das zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehende Rechtsverhältnis sei dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weil das Klageziel, die Löschung des Interneteintrags, vom staatlichen Wiedergutmachungsauftrag abhänge, der in der Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland mit den Bundesländern und den kommunalen Spitzenverbänden einerseits und in den sog. Washingtoner Grundsätzen von 1998 andererseits seinen Ausdruck gefunden habe. Der Streit um Einträge auf dieser Internetseite sei - wegen des beabsichtigten Zusammenhangs mit dem staatlichen Wiedergutmachungsauftrag - eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Die Klägerin müsse sich zur Verfolgung ihres Begehrens nicht auf den Zivilrechtsweg verweisen lassen. Eine Eigentumsfeststellungsklage oder eine gegen die Beigeladenen gerichtete Leistungsklage auf Erteilung der Zustimmung zur Löschung des Eintrags auf der Internetseite würde nicht einfacher, kostengünstiger oder schneller zum angestrebten Erfolg führen, zumal (noch) nicht alle Rechtsnachfolger der Inhaber des ehemaligen Bankhauses Jacquier & Securius benannt worden seien. Eine - relevante - Falschbezeichnung des Beklagten im Sinne des § 78 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 8 AGVwGO LSA liege nicht vor. Die zulässige allgemeine Leistungsklage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Löschung der Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes, weil - was der Beklagte beachten müsse - die Klägerin Erstgeschädigte sei und - was selbstständig tragend hinzu komme - Zweckerreichung eingetreten sei. Zwar enthielten weder die Washingtoner Grundsätze von 1998 noch die „Gemeinsame Vereinbarung über die Koordinierungsstelle A-Stadt“ vom 09. Februar 2010, die die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesländer getroffen hätten, subjektive Rechte zugunsten der Klägerin. Wie die Koordinierungsstelle A-Stadt die ihr zugewiesenen Aufgaben erfülle, regele insbesondere die Gemeinsame Vereinbarung nicht. Ebenso wenig sei das Außenrecht der Koordinierungsstelle dort fixiert. Das Fehlen von Bestimmungen vertraglicher oder gesetzlicher Art bedeute aber nicht, dass die „Nutzer“, die Klägerin oder die Beigeladenen der Koordinierungsstelle A-Stadt „rechtsschutzlos ausgeliefert“ wären. Vielmehr führe das Fehlen von Vorschriften dazu, dass allgemeines Verwaltungsrecht Anwendung finde. In diesem Sinne gehörten die Internetseite www.lostart.de und die Koordinierungsstelle A-Stadt zu den öffentlichen Sachen und Einrichtungen, die dazu bestimmt seien, der Allgemeinheit im Rahmen ihres Widmungszwecks zur Verfügung zu stehen. Der Widmungsakt seien in der „Gemeinsamen Vereinbarung“ vom 09. Februar 2010 zu sehen, die festlege, dass die gemeinsame Einrichtung des Bundes und der Länder, die Koordinierungsstelle A-Stadt, ihre Arbeit fortsetze, um verfolgungsbedingte Kulturgutverluste zu dokumentieren und den Betroffenen die Chance auf eine „faire und gerechte Lösung“ zu eröffnen. In Anwendung dieser Grundsätze habe die Klägerin einen Anspruch auf Löschung der von dem Beklagten zu verantwortenden Suchmeldung, weil sich dieser Eintrag nicht mehr mit dem Auftrag der Koordinierungsstelle vereinbaren lasse. Er sei nicht mehr erforderlich, weil allen Beteiligten bekannt sei, was gesucht werde, wo es sich befinde, wer es habe und wer es suche. Der Zweck der Eintragung habe sich erfüllt. Die Aufrechterhaltung der beanstandeten Eintragung führe auch zu einer Behinderung des Rechtsverkehrs. Im Übrigen unterscheide das Wiedergutmachungsrecht zwischen dem Erst- und Zweitgeschädigten und zwinge den Beklagten, eine für „plausibel“ gehaltene Erstschädigung nicht durch die Aufnahme einer für „plausibel“ gehaltenen Zweit- oder Drittschädigung zu entwerten. Die Klägerin habe auch einen Anspruch auf Löschung der Suchmeldung, weil sie berechtigte Anmelderin im Sinne der Washingtoner Grundsätze sei. Sie habe als Erste das Eigentum an dem in Rede stehenden Gemälde verfolgungsbedingt verloren. Sie sei Eigentümerin des Gemäldes gewesen. Dies sei - die Sicherungsübereignung vom 13. Oktober 1933 einmal außer Acht gelassen - durch den Versteigerungskatalog des Auktionshauses G. und durch die eidesstattliche Versicherung eines langjährigen wissenschaftlichen Mitarbeiters der Galerie im Verfahren nach dem Bundesentschädigungsgesetz zur Überzeugung der Kammer belegt. Die Klägerin habe - aufgrund des öffentlich-rechtlichen Benutzungs- und Sachenrechts - einen Anspruch gegen den Beklagten auf Löschung der Meldung, weil in Ansehung des in Rede stehenden Gemäldes alle Meldungen obsolet geworden sind und die Klägerin Erstgeschädigte sei. Ob der Klägerin derselbe Anspruch auch aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs zustehe, könne offen bleiben.
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Mit der auf Antrag des Beklagten und der Beigeladenen mit Beschluss des Senates vom 16. Mai 2013 zugelassenen Berufung trägt der Beklagte vor: Die Klage sei unzulässig, hilfsweise unbegründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Eintrag der Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes in die Lost Art Datenbank nicht justiziabel. Es handele sich um einen justizfreien Akt. Es handele sich bei der Eintragung in die Liste um eine Tätigkeit im fachlich-informativen und deskriptiven Rahmen und mangels inhaltlicher Vorgaben um fachspezifische Tätigkeiten mit Elementen der Ausübung politischen Ermessens auf ministerieller Ebene und mithin bei der Eintragung in der Datenbank um einen justizfreien, nicht öffentlich-rechtlichen Akt. Auch unter dem Aspekt des staatlichen Informationshandelns ergebe sich keine andere Beurteilung der Rechtslage. Es sei von zentraler Bedeutung, dass die Koordinierungsstelle nur deskriptiv tätig sei und ihre nach außen gegebenen Informationen keine eigenen Wertungen enthielten. Eine tatsächliche oder rechtliche Tiefenprüfung - etwa zur Echtheit oder zur Provenienz des Objektes bzw. zur Berechtigung des Melders seitens der Koordinierungsstelle - sehe deren Mandat nicht vor. Es handele sich bei ihrer Tätigkeit um einen mediativ-dialogischen Kommunikationsprozess zur Vervollständigung der Datensammlung. Weiterhin bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage. Der Klägerin wäre eine Eigentumsfeststellungsklage oder eine gegen die Beigeladenen gerichtete zivilrechtliche Leistungsklage auf Erteilung der Zustimmung zur Löschung des Eintrages möglich und zumutbar. Ferner liege auch eine relevante Falschbezeichnung des Beklagten vor. Das Land Sachsen-Anhalt bzw. das Kultusministerium seien in dem Rechtsstreit nicht passiv legitimiert. Die Klage sei gegen die Koordinierungsstelle zu richten. Ferner sei die Klage auch unbegründet. Ein Folgenbeseitigungsanspruch bestehe nicht, weil kein rechtswidriger Eingriff in das Eigentum der Klägerin im Sinne von Art. 14 GG vorliege. Die Klägerin habe das Eigentum an dem streitgegenständlichen Gemälde nicht hinreichend dargetan. Sie treffe jedoch eine Obliegenheit zum Nachweis. Auch sei keine andere dem Grundrecht aus Art. 14 GG unterfallende Rechtsposition ersichtlich, die die Klägerin innehätte. Bloße Gewinnerwartungen seien von Art. 14 GG nicht geschützt. Es sei zudem völlig unbewiesen, dass kein Auktionshaus oder Galerie ein Werk veräußere, welches in der Lost Art Datenbank verzeichnet sei. Außerdem sei es der Beklagten nicht zurechenbar, ob die Eintragung in die Liste bestimmte, zudem lediglich faktische Wirkungen auslöse. Die Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit einer Suchmeldung liege ausschließlich beim Melder.
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Die Beigeladenen tragen zur Begründung der Berufung vor, dass es nicht nur Zweck der Lost Art Datenbank sei, festzustellen, wer das im Eintrag erwähnte Bild habe, wo es sich befinde und wer es suche. Ein weiterer Zweck des Registers bestehe vielmehr darin, Kunstverluste, die auf NS-Verfolgung zurückgehen können, zu dokumentieren. Die von der Klägerin begehrte Löschung lasse sich mit diesem Zweck nicht in Einklang bringen. Ferner liege entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Erstschädigung der Klägerin vor. Es sei keineswegs geklärt, dass der Klägerin das Bild jemals gehört habe bzw. dass sie das Bild wegen einer NS-Verfolgung verloren habe. Alle Werke, die 1935 versteigert worden seien, seien zuvor Sicherungseigentum des Bankhauses Jacquier & Securius gewesen und zwar aufgrund einer Vereinbarung aus dem Oktober 1933. Selbst wenn die Klägerin jemals Eigentümerin des Werkes geworden wäre und sie es nicht als Sicherungseigentum an das Bankhaus Jacquier & Securius verloren hätte, läge in der Versteigerung kein Eigentumsverlust wegen NS-Verfolgung vor. Insbesondere würde die Vermutung für eine Ursächlichkeit der NS-Verfolgung widerlegt werden können. Die Klägerin hätte nämlich in diesem Fall einen wenn auch möglicherweise niedrigeren „Rembrandt-Preis“ für ein Werk erhalten, das nur eine Rembrandt-Fälschung gewesen sei. Der objektive Kaufpreis sei also zu hoch gewesen. Die Klägerin habe durch den Verlust keinen Schaden genommen, sondern daraus Nutzen gezogen. Im Übrigen liege auch kein Eingriff in ein Recht bzw. Interesse der Klägerin vor. Es sei nämlich nicht jedes staatliche Informationshandeln als ein Grundrechtseingriff zu werten. An einem solchen Grundrechtseingriff fehle es schon deshalb, weil der Eintrag keine Publikumsinformation des Beklagten sei. Dies ergebe sich aus dem Inhalt des streitbefangenen Eintrages. Die Lost Art Datenbank sei nur ein Weg von vielen, um dem Markt mitzuteilen, dass jemand hinsichtlich des Werkes ein berechtigtes Wiedergutmachungsinteresse zu haben glaube. Dies werde auch daraus ersichtlich, dass die Eintragung keine Erklärung der Behörde enthalte, sondern dass die Behörde nur eine fremde private Erklärung wiedergebe. Die Beklagte führe kein Register staatlich geprüfter Fälle von Kunstrestitutionsansprüchen. Die Funktion der Lost Art Datenbank sei eher mit der des nichtamtlichen Teils eines Amtsblattes oder eines „schwarzen Brettes“ in einem Behördengebäude vergleichbar. Die Erklärung der Beigeladenen, welche die Beklagte veröffentlicht habe, führe nicht zur Verkehrsunfähigkeit des Werkes, sondern nur zu einem Wertverlust. Schon das spreche gegen die Annahme eines Eingriffs. Selbst wenn man einen Eingriff des Beklagten in ein subjektives Recht der Klägerin unterstelle, stimme es mit den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit staatlichen Informationshandelns überein, wenn der Beklagte zutreffende Informationen publiziere. Die Löschung der Eintragung würde dem Rechtsverkehr signalisieren, dass niemand mehr Wiedergutmachungsinteressen bezüglich des streitgegenständlichen Werkes verfolge. Dies wäre unzutreffend.
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Der Beklagte und die Beigeladenen beantragen,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg - 7. Kammer - vom 17. Januar 2012 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufungen zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen aus, dass die Klage entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zulässig sei. Die Aufnahme von Anträgen in die Lost Art Datenbank führe in verschiedener Hinsicht zu intensiven Eingriffen in die von der Rechtsordnung geschützten Rechte des Eigentümers und/oder Besitzers des jeweiligen Kunstgegenstandes. Der Beklagte habe selbst vorgetragen, dass die Eintragung eines Kunstwerkes in der Datenbank zur faktischen Unverkäuflichkeit eines Bildes führe. Die Tätigkeit des Beklagten sei deshalb rechtserheblich und liege nicht im rechtsfreien Raum. Entgegen der Auffassung des Beklagten könne der Klägerin auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis abgesprochen werden. Die vom Beklagten erwähnten Möglichkeiten der Eigentumsfeststellungsklage oder der Leistungsklage gegen die Beigeladenen würden weder einfacher, noch kostengünstiger oder schneller zum angestrebten Erfolg führen. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht auch zutreffend festgestellt, dass keine relevante Falschbezeichnung des Beklagten vorliege. Bei der Koordinierungsstelle A-Stadt handele es sich um eine rechtlich unselbständige Organisationseinheit des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt. Die Klage sei auch begründet. Die rechtswidrige Zweitanmeldung der Beigeladenen verletze die subjektiven Rechte der Klägerin, da sie entgegen der Auffassung der Beigeladenen weiterhin Eigentümerin des streitgegenständlichen Gemäldes sei. Bei den Tätigkeiten der Koordinierungsstelle handele es sich um ein staatliches Informationshandeln. Die Eintragungen in der Lost Art Datenbank seien informatorischer Natur und damit staatliches Informationshandeln, welches sich folglich an Verfassung und Gesetz messen lassen müsse. Mit dem staatlichen Informationshandeln der Koordinierungsstelle könnten Eingriffe in die Grundrechte und weitere subjektive Rechtspositionen des Berechtigten einhergehen. Der Beklagte habe erstinstanzlich selbst vorgetragen, dass die Eintragung eines Kunstwerkes in die Datenbank zur faktischen Unverkäuflichkeit führe. Dies entspreche auch den praktischen Erfahrungen in anderen Fällen. Damit komme der Eintragung die Wirkung eines faktischen Veräußerungsverbotes gleich. Soweit der Beklagte auf einen Fall hinweise, in dem ein Auktionshaus ein Objekt trotz seiner Eintragung im Lost Art Datenbank versteigert habe, handele es sich um einen absoluten Einzelfall, in dem anders als üblich vor der Auktion nicht geprüft worden sei, ob das Kunstwerk als vermisst gelte. Ferner liege der Sinn und Zweck der Lost Art Datenbank in der Identifizierung von Beutekunst und Berechtigten. Die Dokumentation diene dazu, verfolgungsbedingte Kulturgutverluste zu dokumentieren, um den Betroffenen die Chance auf eine faire und gerechte Lösung zu eröffnen. Zweck der Datenbank sei es nicht, zu dokumentieren, welche Kunstobjekte eine NS-Raubkunst- oder Beutekunsthistorie aufwiesen. Die Dokumentation habe einzig die Identifikation und anschließende Zusammenführen von Suchenden und Findenden zum Ziel. Dieses Ziel werde erreicht, wenn die Identitäten von Kunstobjekt, Suchenden und Findenden feststünden, so dass sich die Beteiligten untereinander den Fragen der Restitution widmen könnten. Die Koordinierungsstelle habe nicht die weitergehende Aufgabe, die Restitution zwischen interessierten Personen zu regeln oder zu begleiten. Die Koordinierungsstelle sei vielmehr nach ihren Grundsätzen verpflichtet, die Lost Art Datenbank laufend zu aktualisieren und dabei solche Eintragungen zu löschen, deren Zweck sich erfüllt habe. Das Gebot der Aktualisierung und Löschung gelte umso mehr, wenn mit der Eintragung - wie hier - Beeinträchtigungen wegen subjektiver Rechte Dritter, darunter auch die unionsrechtlich geschützte Warenverkehrsfreiheit, Hand in Hand gingen. Die Koordinierungsstelle müsse eine Eintragung daher löschen, wenn sie sich erledigt habe.
Entscheidungsgründe
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Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen sind zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verpflichtet, die Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes in der Lost Art Datenbank im Internet zu löschen.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges ist auch noch in der Berufungsinstanz zu prüfen, da die Bindungswirkung des § 17a Abs. 5 GVG nicht eintritt, wenn das erstinstanzliche Gericht das in § 17a GVG vorgesehene (Vorab-)Beschlussverfahren über den zulässigen Rechtsweg nicht beachtet hat und den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten trotz erstinstanzlicher Rüge erst im Urteil bejaht hat und der betroffene Beteiligte - wie hier der Beklagte - die Rüge der Unzuständigkeit im Berufungsrechtszug aufrechterhält (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 03.07.2001 - 12 LB 955/01 -, juris m. w. N.). Bei den in Rede stehenden von der Koordinierungsstelle A-Stadt vorgenommenen Eintragungen in die im Internet betriebene Lost Art Datenbank handelt es sich nicht, wie der Beklagte meint, um ein justizfreies staatliches Handeln, welches einer gerichtlichen Kontrolle generell und insbesondere der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte entzogen ist. Der Umstand, dass die Aufgabenerfüllung der Koordinierungsstelle nicht durch Rechtssatz geregelt ist und insbesondere das Rechtsverhältnis zwischen der Koordinierungsstelle und den Nutzern nicht gesetzlich bestimmt ist, indiziert nicht ein solches Reservat nicht gerichtlich überprüfbaren staatlichen Handelns. Ausgangspunkt ist Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG. Nach dieser Vorschrift steht dem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Diese Norm enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfG, Urt. v. 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04 -, juris m. w. N.). Der Umstand, dass die Einrichtung und der Betrieb der Datenbank ggf. nicht der Umsetzung rechtlicher bindender Verpflichtungen dient, berührt nicht die Zulässigkeit der gerichtlichen Kontrolle, sondern unter Umständen nur deren Umfang. Die Entscheidung über die Löschung von Einträgen in der Datenbank ist auch nicht im Kernbereich des Regierungshandelns in Gestalt staatsleitender Hoheitsakte angesiedelt, die sich außerhalb der rechtlich geregelten öffentlichen Lebensbereiche im Gebiet der verantwortlichen politischen Leitung vollziehen und so ihrer Struktur und besonderen politischen Funktion nach unter keinem Gesichtspunkt subjektiv öffentliche Rechte berühren können (vgl. OVG Berlin, Beschl. v. 26.03.2001 - 2 S 2.01 -, juris zum Rechtsschutz gegen eine Auslieferungsbewilligung).
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend auch eine öffentlich-rechtliche Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO angenommen. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird. Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient (vgl. BVerwG, Beschl. v. 02.05.2007 - 6 B 10.07 -, juris). Es ist allgemein anerkannt, das die Unterlassung und der Widerruf von Äußerungen, die von einer staatlichen Stelle in dienstlicher Eigenschaft abgegeben werden, im Verwaltungsrechtsweg geltend zu machen sind; durch Beziehungen bürgerlich-rechtlicher Gleichordnung geprägte Äußerungen oder persönliche Erklärungen eines Amtsträgers können hingegen nur Gegenstand zivilgerichtlicher Streitigkeiten sein (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 40 Rdnr. 28 m. w. N.; Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 40 Rdnr. 421 m. w. N.). Die Koordinierungsstelle A-Stadt ist sachlich, personell und haushaltsrechtlich dem Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt als unselbständige Organisationseinheit in Gestalt einer Arbeitsgruppe zugeordnet. Bereits aus dem Wortlaut der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom 9. Dezember 1999, welche zur Einrichtung der Lost Art Datenbank führte, ist zu entnehmen, dass die Hilfe bei der Rückführung der sog. Raubkunst entgegen der Auffassung des Beklagten nicht als bloße Wahrnehmung einer moralischen Aufgabe, sondern als staatliche Aufgabe begriffen worden ist, welche nicht durch eine privatrechtlich organisierte, sondern durch eine öffentliche Einrichtung betrieben wird, welche sich bei ihrer Tätigkeit (bis auf den Vertrieb gedruckter Publikationen) keiner zivilrechtlichen Handlungsformen bedient.
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Zwar ist der Einwand des Beklagten zutreffend, dass das beklagte Kultusministerium bzw. die ihm als Arbeitsgruppe angeschlossene Koordinierungsstelle nicht Beklagter hinsichtlich der erhobenen allgemeinen Leistungsklage sein kann, da das sog. Behördenprinzip für diese Klageart nicht gilt. Dies führt allerdings nicht zur Begründetheit der Berufung, vielmehr muss dem in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 2. Hs. VwGO durch eine Rubrumsberichtigung Rechnung getragen werden, die von Amts wegen im Rechtsmittelverfahren statthaft ist, selbst wenn die fälschlich als Beklagter bezeichnete Behörde in der Vorinstanz als Beklagte behandelt worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 03.03.1989 - 8 C 98.85 -, juris). In einer solchen Berichtigung des Passivrubrums liegt kein Austausch von Beteiligten; es wird damit nur klargestellt, dass die Behörde, die für die in Anspruch genommene Körperschaft tätig geworden ist, als deren Vertreterin am Verfahren beteiligt ist, nicht aber selbst die Rechtsstellung eines Beteiligten hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 04.07.2007 - 5 ME 131/07 -, juris m. w. N.). Dementsprechend ist die Klage gegen das Land Sachsen-Anhalt, vertreten durch den Kultusminister zu richten und das Rubrum entsprechend zu berichtigen.
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Die Klage ist entgegen der Auffassung des beklagten Landes auch nicht gegen die Koordinierungsstelle zu richten, weil die Koordinierungsstelle weder eine juristische Person öffentlichen Rechts noch eine Behörde ist. Vielmehr handelt es sich um eine unselbständige Untergliederung des Kultusministeriums. Das folgt aus § 1 Abs. 1 der Gemeinsamen Vereinbarung über die Koordinierungsstelle A-Stadt 2010 – 2016 vom 10. November 2009, wonach die Koordinierungsstelle eine von Bund und Ländern getragene Einrichtung in Form „einer Arbeitsgruppe des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt in A-Stadt“ ist.
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Der Kläger verfolgt sein Begehren auf Löschung des Interneteintrages zu Recht im Wege der allgemeinen Leistungsklage und nicht der - ein Vorverfahren voraussetzenden - Verpflichtungsklage. Der Beklagte hat die Eintragung im Wege des Realakts veranlasst, so dass auch deren Beseitigung als „actus contrarius“ lediglich einen Realakt voraussetzt.
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Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch klagebefugt. Allein der Umstand, dass die Beigeladenen nachhaltig bestreiten, dass das streitgegenständliche Gemälde jemals im Eigentum der Galerie F. stand, führt nicht zur Verneinung der Klagebefugnis. Für die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlich aber auch ausreichend ist, dass ein Kläger Tatsachen vorträgt, die es denkbar und möglich erscheinen lassen, dass er in einer eigenen rechtlichen Position beeinträchtigt ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 100.95 -, juris). Es ist in Anlegung dieses Maßstabes nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin auf eine Beeinträchtigung der Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG berufen kann. „Eigentum“ i. S. d. Art. 14 GG und Art. 1 Zusatzprotokoll zur EMRK erfasst dabei nicht nur „vorhandenes Eigentum“, sondern kann auch Forderungen umfassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.1999 - 1 BvR 995/95 u. a. -, juris; EGMR, Entscheidung v. 08.12.2011, Az. 71916/01 u. a. -, juris). Art. 2 Abs. 1 GG enthält das Grundrecht des Bürgers, nur auf Grund solcher Vorschriften bzw. solcher staatlicher Handlungen mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell verfassungsgemäß sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20.10 -, juris). Da nach der Art der geschützten Tätigkeit nicht differenziert wird, sind von Art. 2 Abs. 1 GG auch wirtschaftliche Handlungen erfasst. Geschützt werden natürliche und juristische Personen sowie Personenmehrheiten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.1967 - 2 BvL 4/65 -, juris).
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Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt der Klage auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn der Rechtsschutzsuchende sein Ziel sachgerechter - insbesondere einfacher, umfassender, schneller oder billiger - erreichen kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn ein Kläger eine rechtsschutzintensivere Rechtsschutzform wählen konnte (Ehlers in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Vorbemerkung § 40 Rdnr. 81). Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Klägerin nicht darauf verwiesen werden, zunächst in einem zivilrechtlichen Verfahren gegenüber den Beigeladenen zu klären, wer Eigentümer an dem streitgegenständlichen Gemälde ist bzw. als Berechtigter an dem Gemälde gilt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bereits nicht alle Angehörigen der Erbengemeinschaften nach den vormaligen Gesellschaftern des Bankhauses Jacquier & Securius bekannt sind, was jedenfalls eine erhebliche Erschwerung einer zivilgerichtlichen Rechtsverfolgung bedeuten würde. Hinzu kommt, dass ein solcher Rechtsstreit nicht notwendigerweise vor einem deutschen Gericht zu führen wäre. Mangels materieller Rechtsgrundlage für den Betrieb der Lost Art Datenbank sähe sich die Klägerin hierbei dem Risiko ausgesetzt, dass auch nach Klärung der Eigentumsfrage zu ihren Gunsten der Beklagte die Löschung der Suchmeldung etwa unter Hinweis auf eine fehlende Validität einer ausländischen gerichtlichen Entscheidung ablehnen könnte und gleichwohl die Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erforderlich wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die Suchmeldung zu löschen.
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Für die von der Klägerin begehrte Löschung der Suchmeldung kommt als Anspruchsgrundlage nur der gesetzlich nicht geregelte, jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannte und durch Richterrecht geprägte öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Der Folgenbeseitigungsanspruch entsteht, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist; er ist auf die Wiederherstellung des Zustands gerichtet, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand. Der Folgenbeseitigungsanspruch knüpft mithin nicht an die Rechtswidrigkeit des Eingriffsakts, sondern an die Rechtswidrigkeit des dadurch geschaffenen Zustands an. Ihm liegt die sowohl grundrechtlich als auch rechtsstaatlich motivierte Forderung zugrunde, diesen Zustand mit der rechtsnormativen Lage zur Deckung zu bringen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.05.1989 - 7 C 2.87 -, juris). Entscheidend ist dabei, ob die beeinträchtigende Einrichtung in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang steht. Ein solcher Planungs- und Funktionszusammenhang ist gegeben, wenn - wie hier - die betreffende Einrichtung der Öffentlichkeit gewidmet ist und öffentlichen Zwecken dient (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 31.03.2004 - 13 LB 11/03 -, juris m. w. N.).
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Gemessen an diesen Maßstäben hat die Klägerin im Rahmen des Folgenbeseitigungsanspruches einen Anspruch auf Löschung der Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes, da der Zweck der Eintragung der Suchmeldung in die Lost Art Datenbank mit dem Auffinden des Bildes in Südafrika im Jahr 2009 erfüllt ist, die Eigentumsprätendenten Gelegenheit hatten, die von ihnen geltend gemachten Ansprüche an dem Gemälde zu sichern und ein Fortbestand der Eintragung die Klägerin in ihren rechtlichen geschützten Interessen verletzt.
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Die Rechtmäßigkeit eines Eintrages in der Lost Art Datenbank ist nach den für den Bereich der staatlichen - nicht regelnden - Informationstätigkeit entwickelten Maßstäben zu beurteilen. Obwohl es sich bei diesem Informationshandeln - abgesehen von amtlichen Warnungen - regelmäßig nicht um eine final eingreifend tätige wirtschaftsverwaltungsrechtliche Aufsicht des Staates handelt, ist eine Grundrechtsrelevanz einer solchen Tätigkeit nicht generell zu verneinen. Eine beeinträchtigende Wirkung des Grundrechtsträgers ist nicht unmittelbar auf eine staatliche Maßnahme (z. B. ein Verkaufsverbot oder eine Geschäftsschließung), sondern nur mittelbar auf die Reaktion von Marktteilnehmern auf die staatliche Information zurückzuführen (vgl. Becker/Blackstein, NJW 2011, 490 zur staatlichen Verbraucherinformation über das Internet; Schoch, NJW 2012, 2844 zur Verbraucherinformation im Lebensmittel-, Produktsicherheits- und Sozialversicherungsrecht). Entscheidend für die Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage ist dabei, ob es sich bei staatlichen Verbraucherinformationen um Eingriffe in verfassungsrechtlich geschützte Interessen z. B. in die Berufsfreiheit, das Recht auf Eigentum oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt. Bereits der Eingriffscharakter und nicht erst die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer staatlichen Informationsmaßnahme hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts davon ab, ob die staatliche Informationstätigkeit in Erfüllung einer zugewiesenen staatlichen Aufgabe erfolgt, die Zuständigkeitsordnung eingehalten worden ist und die weitergegebenen Informationen richtig und sachlich sind (vgl. BVerfG, Beschlüsse v. 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 -, juris und - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, juris). Darüber hinaus muss das staatliche Informationshandeln ein legitimes Ziel verfolgen und sich gemessen daran als verhältnismäßig erweisen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.08.2010 - 1 BvR 2585/06 -, juris zu den Anforderungen an Stellungnahmen der Bundeszentrale für politische Bildung; OVG Münster, Urt. v. 17.09.2013 - 13 A 2541/12 -, juris zu behördlichen Warnungen vor sog. E-Zigaretten). Können Aufgaben der Regierung oder der Verwaltung mittels öffentlicher Informationen wahrgenommen werden, liegt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in der Aufgabenzuweisung grundsätzlich auch eine Ermächtigung zum Informationshandeln. Insbesondere könne die staatliche Informationstätigkeit eine Beeinträchtigung im Gewährleistungsbereich des Grundrechts sein, wenn sie in der Zielsetzung und ihren Wirkungen Ersatz für eine staatliche Maßnahme ist, die als Grundrechtseingriff zu qualifizieren wäre. Durch Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs können die besonderen Bindungen der Rechtsordnung nicht umgangen werden; vielmehr müssen die für Grundrechtseingriffe maßgebenden rechtlichen Anforderungen erfüllt sein. Ebenfalls wird der Gewährleistungsbereich beeinträchtigt, wenn eine Information sich im Nachhinein als unrichtig erweist und dennoch weiterverbreitet oder nicht korrigiert wird, obwohl sie für das Marktverhalten weiter von Belang ist. Mit der Feststellung der Beeinträchtigung des Schutzbereichs steht in solchen Fällen auch die Rechtswidrigkeit fest, da eine Rechtfertigung der Weiterverbreitung der als unrichtig erkannten Information ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschl. v. 26.06.2002 - 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91 -, a. a. O.)
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Der Senat lässt es offen, ob gemessen an diesen Maßstäben der Betrieb der Lost Art Datenbank einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Die Aufrechterhaltung der von der Klägerin im Jahr 2005 veranlassten Suchmeldung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes ist jedenfalls deshalb rechtswidrig, da der Zweck der Eintragung in der Suchliste der Lost Art Datenbank erfüllt war.
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Entgegen der Auffassung der Beigeladenen erfüllt die Suchliste der Lost Art Datenbank nicht den Zweck, allgemein das Wiedergutmachungsinteresse natürlicher oder juristischer Personen an sog. Raubkunst zu dokumentieren, was aus Sicht der Beigeladenen bedeutet, dass eine Löschung unabhängig vom Willen der Anmelder erst erfolgen kann, wenn die eigentumsrechtliche Zuordnung eines der sog. Raubkunst zugeordneten Kunstgegenstandes geklärt ist.
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Da die Einrichtung und der Betrieb der Datenbank nicht in materiellen Rechtsvorschriften geregelt ist, können zur Bestimmung des Zweckes der in der Datenbank enthaltenen Suchliste nur die vom Träger bzw. Trägern der öffentlichen Einrichtung hierzu abgegebenen Willenserklärungen in Betracht kommen. Am 3. Dezember 1998 wurde im Anschluss an die „Washington Conference on Holocaust-Era Assets“, an der 44 Staaten, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, sowie eine Reihe nichtstaatlicher Organisationen teilnahmen, die so genannte „Washingtoner Erklärung“ mit elf Leitsätzen veröffentlicht (Materialien zur Konferenz veröffentlicht unter: fcit.usf.edu/HOLOCAUST/RESOURCE/assets/index.htm; deutsche (nichtamtliche) Übersetzung der sog. Washington Principles bei Hartung, Kunstraub in Krieg und Verfolgung, 2005, S. 105 f.). In dieser Erklärung verpflichteten sich die Konferenzteilnehmer, Kunstwerke, die während der Zeit des Nationalsozialismus beschlagnahmt wurden, ausfindig zu machen, die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben zu finden und rasch die notwendigen Schritte zu unternehmen, um zu „fairen und gerechten“ Lösungen zu gelangen. Diese Erklärung enthält weder eine rechtlich bindende Verpflichtung, noch begründet sie (neue) Individualrückgabeansprüche von Betroffenen, wie sich bereits aus dem Eingangssatz der Erklärung ergibt („In developing a consensus on non-binding principles to assist in resolving issues relating to Nazi-confiscated art, the Conference recognizes that among participating nations there are differing legal systems and that countries act within the context of their own laws“, so auch BVerwG, Urt. v. 24.11.2011 - 7 C 12.10 -, juris). Es wurde vielmehr darauf hingewiesen, dass die beteiligten Staaten Mechanismen der außergerichtlichen Streitbelegung zur Klärung von streitigen Eigentumsfragen nutzen sollten. Im Anschluss an die Washingtoner Konferenz haben die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände am 9. Dezember 1999 eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Dort heißt es unter Ziffer III.:
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„Darüber hinaus prüfen Bundesregierung, Länder und kommunale Spitzenverbände im Sinne der Washingtoner Grundsätze ein Internet-Angebot einzurichten, das folgende Bereiche umfassen sollte:
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1. Möglichkeiten der beteiligten Einrichtungen, Kulturgüter ungeklärter Herkunft zu veröffentlichen, sofern NS-verfolgungsbedingter Entzug vermutet wird.
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2. Eine Suchliste, in die jeder Berechtigte die von ihm gesuchten Kulturgüter eintragen und damit zur Nachforschung für die in Frage kommenden Einrichtungen und die interessierte Öffentlichkeit ausschreiben kann.
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3. Informationen über kriegsbedingte Verbringung NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter in das Ausland.
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4. Die Schaffung eines virtuellen Informationsforums, in dem die beteiligten öffentlichen Einrichtungen und auch Dritte ihre Erkenntnisse bei der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern eingeben können, um Parallelarbeiten zu gleichen Themen (z. B.: Bei welcher Auktion wurden jüdische Kulturgüter welcher Sammlung versteigert?) auszuschließen und im Wege der Volltextrecherche schnell zugänglich zu machen.“
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Um das Wissen über Kulturgutverluste zu dokumentieren, die Verluste der deutschen Institutionen zu erfassen und somit eine Grundlage für die Suche und Rückführung dieser Kulturgüter zu schaffen, hatten die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen bereits 1994 in Bremen die Koordinierungsstelle der Länder für die Rückführung von Kulturgütern gegründet. Seit 1998 beteiligen sich alle 16 Länder an der Koordinierungsstelle mit Sitz in A-Stadt. Im Zusammenhang mit der durch die vorgenannte Gemeinsame Erklärung eingetretenen Aufgabenerweiterung ging die bisherige Koordinierungsstelle im Januar 2001 in der Koordinierungsstelle A-Stadt als gemeinsame Einrichtung aller Länder und des Bundes auf. Finanzierung und Organisation der Koordinierungsstelle sind in einer zeitlich befristet geschlossenen Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern geregelt (Gemeinsame Vereinbarung über die Koordinierungsstelle A-Stadt 2010 - 2016). Zu den Aufgaben der Koordinierungsstelle heißt es unter § 1 Abs. 3 Buchst. a und b der Verwaltungsvereinbarung: „Die Koordinierungsstelle hat die folgenden Aufgaben: a. Dokumentation von Such- und Fundmeldungen des In- und Auslands zu NS-verfolgungsbedingt entzogenen bzw. infolge des Zweiten Weltkriegs verbrachten Kulturgütern zur Präsentation in www.lostart.de, b. Gewährleistung der Funktionsfähigkeit und kontinuierliche Überarbeitung des Angebotes von Datenbank und Website mit dem Ziel des weiteren Ausbaus zu einem Informationsportal (einschl. Forum).“ Inhaltlich orientiert sich die Koordinierungsstelle auch an der „Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999“ vom Februar 2001, überarbeitet im November 2007, welche unter Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellt worden ist. Auch wenn in dieser Handreichung hinsichtlich der Prüfung von Herausgabeverlangen auf das alliierte Rückerstattungsrecht und das Vermögensgesetz verwiesen wird, wird an mehreren Stellen ausdrücklich betont, dass es sich bei der Handreichung nicht um ein verbindliches rechtliches Regelwerk handelt, sondern lediglich um die Anregung, bei der Prüfung des Herausgabeverlangens den Leitlinien der rückerstattungsrechtlichen Praxis der Nachkriegszeit zu folgen (Seite 27 der Handreichung).
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Wie sich aus den vorgenannten Unterlagen ergibt, ist die der Lost Art Datenbank zugewiesene Funktion daher beschränkt auf die Veröffentlichung von Such- und Fundmeldungen hinsichtlich solcher unrechtmäßig den Eigentümern entzogenen Kulturgüter, welche von der Washingtoner Erklärung und der Gemeinsamen Erklärung des Bundes und der Länder von 1999 erfasst werden. In der Suchliste der Datenbank sind die Kulturgüter verzeichnet, die öffentlichen Einrichtungen oder privaten Personen und Institutionen infolge der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und des Zweiten Weltkrieges als verloren gegangen gemeldet haben und über die Internet-Datenbank zur weltweiten Suche ausgeschrieben wurden. Besitzer oder Verwalter von Kulturgütern mit unsicherer oder lückenhafter Provenienz sollen hier recherchieren können, ob diese anderenorts gesucht werden können. Diese Tätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit dem Betrieb der Lost Art Datenbank ist auch dem Bereich des staatlichen Informationshandelns zuzurechnen, da sich der Beklagte nicht nur darauf beschränkt, ohne jegliche eigene Wertung und ungeprüft Suchmeldungen Dritter im Internet zu veröffentlichen. Der Beklagte nimmt vielmehr vor der Eintragung einer Suchmeldung eine Plausibilitätsprüfung zumindest zur Frage vor, ob es sich bei dem Kulturgut um ein solches handeln kann, welches zwischen 1933 und 1945 den damaligen Eigentümern aufgrund von Verfolgungsmaßnahmen zu Unrecht entzogen worden ist („Grundsätze zur Eintragung und zur Löschung von Meldungen zu Kulturgütern in www.lostart.de“ sowie „Checkliste Plausibilitätsprüfung“, Stand Mai 2013, jeweils veröffentlicht unter www.lostart.de). Es heißt in diesen Grundsätzen ausdrücklich, dass im Rahmen dieser Plausibilitätsprüfung geprüft werde, ob die übermittelten Informationen dem Grunde nach die Berechtigung zur Eintragung nachvollziehbar darlegen und insgesamt keine offenkundigen Widersprüche erkennen lassen. Sollten die vom Melder übermittelten Angaben der Plausibilitätsprüfung nicht standhalten, behält sich der Beklagte vor, diese Meldung nicht zu veröffentlichen. Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der Eintragung dieser Such- und Fundmeldungen nicht nur um eine bloße deskriptive Tätigkeit, bei der der Beklagte ohne eigene Wertung etwa im Sinne eines Ausstellungskataloges lediglich Beschreibungen Dritter von Kunstwerken aufnimmt. Die Lost Art Datenbank unterscheidet sich daher auch von staatlichen eingerichteten bzw. finanzierten Internetportalen, auf denen in aggregierter Form Private ihre Bewertungen hinsichtlich bestimmter Lebenssachverhalte einstellen können und sich die staatlichen Stellen auf die bloße Verbreitung der subjektiven Einschätzungen privater Dritter beschränken (zum sog. kollaborativen Informationshandeln: Martini/Kühl, DÖV 2013, 573 f. hinsichtlich sog. Bewertungsportale im Bereich des Sozialversicherungs- und Lebensmittelrechts).
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Dieser Zweck der Suchliste ist mit dem Auffinden des Bildes bei dem Besitzer erfüllt. Insofern kann sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, dass die Beigeladenen einer Löschung der Suchmeldung (noch) nicht zugestimmt haben. Der Verbleib der Suchmeldung in der Datenbank hat sich allein danach zu beurteilen, ob die der öffentlichen Einrichtung zugewiesene Aufgabe noch zu erfüllen ist.
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Auch der Einwand des Beklagten, dass durch einen Disclaimer (Haftungsausschluss) auf der Homepage klargestellt sei, dass keine Verantwortung für die inhaltliche Richtigkeit der von Dritten übermittelten Daten übernommen werde und er daher nicht richtiger Adressat des Begehrens der Klägerin sei, mag im Hinblick auf eine strafrechtliche Verantwortung oder Schadensersatzansprüche von Bedeutung sein. Wie sich aus der Aufmachung der Homepage und insbesondere der vom Beklagten auf der Homepage veröffentlichten Checkliste zur Plausibilitätsprüfung ergibt, stellen die veröffentlichten Suchmeldungen jedoch keinen sog. ausschließlichen Fremdinhalt dar, der dem Beklagten als Betreiber der Homepage nicht zurechenbar wäre.
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Entgegen der Auffassung der Beigeladenen erfüllt die Datenbank auch keine weiterreichende anspruchssichernde Funktion, in dem Sinne, dass die Suchmeldung so lange aufrechtzuerhalten ist, solange die eigentumsrechtliche Berechtigung hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes nicht (etwa durch ein rechtskräftiges Urteil eines deutschen Gerichts) geklärt ist. Eine solche Funktion der Datenbank ergibt sich weder aus der Washingtoner Erklärung, der gemeinsamen Erklärung von 1999, der Verwaltungsvereinbarung des Bundes und der Länder noch der Handreichung des Beauftragten des Bundes für Kultur und Medien. Die Lost Art Datenbank erfüllt als Such- und Funddatenbank daher eine andere Funktion als etwa § 30 b VermG in der seit dem 9. Oktober 2013 geltenden Fassung (Gesetz v. 01.10.2013, BGBl. I S. 3719, 3727), wonach bei Grundstücken, für welche eine vermögensrechtliche Anmeldung vorliegt, über welche noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist, von Amts wegen ein sog. Anmeldevermerk in die Abteilung II des Grundbuches einzutragen ist. Der Beklagte weist auf seiner Internetseite selbst darauf hin, dass im Falle eines Prätendentenstreites es Aufgabe der Beteiligten sei, zur Sicherung von Ansprüchen z. B. eine Hinterlegung oder eine sonstige Sicherungsmaßnahme zu bewirken.
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Die nicht mehr vom Zweck der Suchliste umfasste Aufrechterhaltung der Eintragung des streitgegenständlichen Gemäldes führt auch zu einer Rechtsverletzung der Klägerin.
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Soweit das Verwaltungsgericht hierzu selbständig tragend ausführt, dass die Klägerin zwar das Eigentum an dem streitgegenständlichen Gemälde verfolgungsbedingt verloren habe, sie jedoch in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 2 VermG als sog. Erstgeschädigte im Hinblick auf eine vermögensrechtliche Berechtigung einen auf Löschung der Eintragung gerichteten Abwehranspruch gegenüber dem Beklagten geltend machen könne, ist zunächst darauf zu verweisen, dass es keine materiell-rechtliche Rechtsgrundlage gibt, welche hinsichtlich der Prüfung von „berechtigten“ Eintragungen in die Suchliste der Lost Art Datenbank durch den Beklagten die Regelungen des Vermögensgesetzes für anwendbar erklärt. Auch wenn formal der Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes (§ 6 VermG) nicht ausgeschlossen ist, da sowohl die F. & Co. GmbH (zeitweilig) als auch das Bankhaus Jacquier & Securius zwischen 1933 und 1945 ihren Sitz im später sowjetisch besetzten Teil von Berlin hatten, ist der Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes grundsätzlich nur (noch) hinsichtlich solcher Rückübertragungsverfahren eröffnet, welche noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Hierfür sind hinsichtlich des streitgegenständlichen Gemäldes keine Anhaltspunkte ersichtlich (zum Entschädigungsverfahren hinsichtlich des Bankhauses Jacquier & Securius: VG Berlin, Urt. v. 27.09.2012 - 29 K 269.10 -, juris). Zudem ist nicht ersichtlich, dass sich bei der Prioritätsregel in § 3 Abs. 2 VermG um einen allgemeinen Grundsatz des Rückerstattungsrechts handelt (vgl. zum Gesetzeszweck: BVerwG, Beschl. v. 29.12.2010 - 8 B 31.10 -, juris). Das Rückerstattungsrecht in der US- amerikanischen Zone und in der britischen Zone, an welches partiell auch das Vermögensgesetz in § 1 Abs. 6 VermG anknüpft, ist der Sache nach eine besondere Materie des Zivilrechts (vgl. Rudolph, Restitution von Kunstwerken aus jüdischem Besitz, 2007, S. 85 f.; Anton, Illegaler Kulturgüterverkehr, 2010, S. 687, jeweils m. w. N.), welches insbesondere keine staatlichen Entschädigungsleistungen für einen zeitlich nachrangig Geschädigten vorsah. Soweit die Klägerin davon ausgeht, dass sie das Eigentum an dem Gemälde nicht verloren habe, wäre ungeachtet der Frage, ob nach dem Ablauf der Ausschlussfristen nach dem Rückerstattungsrecht noch zivilrechtliche Herausgabeansprüche geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urt. v. 16.03.2012 - V ZR 279/10 -, juris „Plakatsammlung Sachs“), bei einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise
- da das Gemälde sich derzeit nicht in der Bundesrepublik Deutschland befindet - zur Bestimmung des anwendbaren Rechts die Anknüpfungsregeln des (deutschen) internationalen Sachenrechts zu beachten, wonach zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass nicht deutsches Sachenrecht zur Beurteilung der Eigentumsfrage heranzuziehen ist (vgl. hierzu Kiechle, NJOZ 2011, 193 m. w. N.). Insofern ist es auch nicht ausgeschlossen, dass nach zivilrechtlichen Regelungen durch gutgläubigen Erwerb, Ersitzung oder vergleichbare zivilrechtliche Erwerbstatbestände nach 1945 ein Dritter - möglicherweise rechtlich anfechtbares - Eigentum an dem streitgegenständliche Gemälde erworben hat und damit - derzeit - weder die Kläger noch die Beigeladenen sich auf das Eigentum an den Gemälde berufen können.
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Selbst wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass sie das Eigentum an dem streitgegenständlichen Gemälde nicht verloren habe, kann sie sich nicht auf eine Verletzung eines durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechts berufen. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet zwar das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen, zu nutzen, es zu verwalten und darüber zu verfügen. Eine allgemeine Wertgarantie vermögenswerter Rechtspositionen kann aus dieser Vorschrift allerdings nicht abgeleitet werden. Der Tauschwert vermögenswerter Rechte unterfällt für sich genommen nicht dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Tausch- oder Marktwertes eines Eigentumsgutes berühren daher in der Regel nicht das Eigentumsgrundrecht (vgl. BVerfG, Urt. v. 11.07.2012 - 1 BvR 3142/07, 1 BvR 1569/08 -, juris; Beschl. v. 05.02.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93 -, juris, jeweils m. w. N.) Insoweit wäre mit der von der Klägerin vorgetragenen Beeinflussung der Verkehrsfähigkeit des Gemäldes durch die Aufrechterhaltung der Suchmeldung in der Lost Art Datenbank selbst dann kein Eingriff in ein nach Art. 14 GG geschütztes Recht verbunden, wenn man die eigentumsrechtliche Stellung der Klägerin an dem Gemälde bejahen würde.
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Die Rechtswidrigkeit der weiteren Aufrechterhaltung der Registrierung der Suchmeldung führt jedoch zur Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit der Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG.
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Art. 2 Abs. 1 GG schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Sie umfasst neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch die allgemeine Handlungsfreiheit. Teil dieser umfassenden Garantie, die jede menschliche Betätigung einschließt, welche nicht den Schutz eines speziellen Grundrechts genießt, ist auch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.04.1997 - 1 BvR 48/94 -, juris). Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit wird durch Maßnahmen betroffen, die auf Beschränkung wirtschaftlicher Entfaltung sowie Gestaltung, Ordnung oder auch Lenkung des Wirtschaftslebens angelegt sind oder sich in diesem Sinne auswirken (vgl. BVerfG, Urt. v. 14.07.1998 - 1 BvR 1640/97 -, juris). Diese wirtschaftliche Handlungsfreiheit ist nur in den durch das Grundgesetz bestimmten Schranken garantiert, vor allem denen der verfassungsmäßigen Ordnung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.07.2012 - 1 BvR 2983/10 -, juris). Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit enthält die Gewährleistung, nur auf Grund solcher Vorschriften mit einem Nachteil belastet zu werden, die formal und materiell der Verfassung gemäß sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.04.2005 - 2 BvR 1027/02 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 19.07.2010 - 6 B 20.10 -, juris).
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Durch die Aufnahme der Suchmeldung in die Lost Art Datenbank wird einem Kulturgut durch den Beklagten ein bestimmtes (wertbildendes und wertbestimmendes) Attribut zugeordnet, nämlich dass bei diesem Kulturgut zumindest der Verdacht besteht, dass es sich um sog. Raubkunst handelt. Es heißt hierzu auf der Internetseite zur Datenbank ausdrücklich: „Die Lost Art Internet-Datenbank enthält Angaben zu Kulturgütern, die infolge des Nationalsozialismus bzw. des Zweiten Weltkrieges verbracht, verlagert oder insbesondere jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden oder für die auf Grund von Provenienzlücken eine solche Verlustgeschichte nicht ausgeschlossen werden kann.“ Wie sich aus dem insofern übereinstimmenden Vortrag der Klägerin und der Beigeladenen ergibt, hat eine Suchmeldung in der Lost Art Datenbank im Internet (wie auch in einer der in Großbritannien ansässigen vergleichbaren Datenbanken Art Loss Register und lootedart.com) für die Verkehrsfähigkeit eines Kunstgegenstandes insofern eine erhebliche Bedeutung, als dieses Werk mit dem „Makel“ behaftet ist, dass zumindest der Verdacht besteht, dass es sich um sog. Raubkunst handelt. Veräußerer bzw. Erwerber eines in der allgemein zugänglichen Suchliste der Lost Art Datenbank aufgeführten Kunstgegenstandes müssen in Betracht ziehen, dass hinsichtlich dieses Werkes möglicherweise nicht wirksam Eigentum erworben werden kann bzw. das Eigentum mit einem Rückübertragungsanspruch belastet ist. Auch wenn es sich bei der Suchliste der Lost Art Datenbank weltweit gesehen nicht um die einzige Informationsquelle zu sog. Raubkunst handelt und Kunsthändler bzw. Auktionshäuser rechtlich nicht verpflichtet sind, sich vor einer Veräußerung bzw. Versteigerung durch eine Recherche in der Lost Art Datenbank zu vergewissern, ob ein bestimmtes Kunstwerk dort in der Suchliste registriert ist, handelt es sich bei dieser Datenbank gleichwohl um ein wichtiges Informationsmedium zum Auffinden von sog. Raubkunst. So werden nach den Angaben des Beklagten monatlich 1,6 Millionen Zugriffe auf das Portal „lostart.de“ registriert (Spiegel-Online v. 31.01.2013 „Jäger der verlorenen Kunstschätze“). Nach Überzeugung des Senates belegen diese hohen Zugriffszahlen, dass die in der Suchliste vom Beklagten aufgenommen Informationen zur sog. Raubkunst für den nationalen und internationalen Kunsthandel von hoher Bedeutung sind. Der in der Suchliste der Lost Art Datenbank öffentlich dokumentierte Makel eines Kunstgegenstandes, dass er zumindest mit dem Verdacht behaftet ist, seinen Eigentümern aufgrund nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen zwischen 1933 und 1945 zu Unrecht entzogen worden zu sein, führt nicht nur zu einem merkantilen Minderwert, sondern kann im Einzelfall zur zeitweiligen Unveräußerlichkeit des Werkes führen, wie exemplarisch die von der Klägerin unter Hinweis auf die Eintragung des streitgegenständlichen Gemäldes in der Lost Art Datenbank (und Art Loss Register) angestrengte und erfolgreiche Intervention bei dem in Südafrika ansässigen Auktionshaus Rudd im Jahr 2009 belegt. Diese mit der Eintragung in die Lost Art Datenbank verbundene Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit ist durch die betroffenen Grundrechtsträger nur solange zu dulden, wie es der Zweck der Suchliste, nämlich die Unterstützung bei der Suche nach verschollener Raubkunst, erfordert.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
(1) Informationspflichtige Stellen sind
- 1.
die Regierung und andere Stellen der öffentlichen Verwaltung. Gremien, die diese Stellen beraten, gelten als Teil der Stelle, die deren Mitglieder beruft. Zu den informationspflichtigen Stellen gehören nicht - a)
die obersten Bundesbehörden, soweit und solange sie im Rahmen der Gesetzgebung tätig werden, und - b)
Gerichte des Bundes, soweit sie nicht Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen;
- 2.
natürliche oder juristische Personen des Privatrechts, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen oder öffentliche Dienstleistungen erbringen, die im Zusammenhang mit der Umwelt stehen, insbesondere solche der umweltbezogenen Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes oder einer unter der Aufsicht des Bundes stehenden juristischen Person des öffentlichen Rechts unterliegen.
(2) Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 liegt vor, wenn
- 1.
die Person des Privatrechts bei der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe oder bei der Erbringung der öffentlichen Dienstleistung gegenüber Dritten besonderen Pflichten unterliegt oder über besondere Rechte verfügt, insbesondere ein Kontrahierungszwang oder ein Anschluss- und Benutzungszwang besteht, oder - 2.
eine oder mehrere der in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts allein oder zusammen, unmittelbar oder mittelbar - a)
die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzen, - b)
über die Mehrheit der mit den Anteilen des Unternehmens verbundenen Stimmrechte verfügen oder - c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen können, oder
- 3.
mehrere juristische Personen des öffentlichen Rechts zusammen unmittelbar oder mittelbar über eine Mehrheit im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a bis c verfügen und der überwiegende Anteil an dieser Mehrheit den in Absatz 1 Nummer 2 genannten juristischen Personen des öffentlichen Rechts zuzuordnen ist.
(3) Umweltinformationen sind unabhängig von der Art ihrer Speicherung alle Daten über
- 1.
den Zustand von Umweltbestandteilen wie Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen; - 2.
Faktoren wie Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken; - 3.
Maßnahmen oder Tätigkeiten, die - a)
sich auf die Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder auf Faktoren im Sinne der Nummer 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder - b)
den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne der Nummer 1 bezwecken; zu den Maßnahmen gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme;
- 4.
Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts; - 5.
Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummer 3 verwendet werden, und - 6.
den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne der Nummer 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nummern 2 und 3 betroffen sind oder sein können; hierzu gehört auch die Kontamination der Lebensmittelkette.
(4) Eine informationspflichtige Stelle verfügt über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder für sie bereitgehalten werden. Ein Bereithalten liegt vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle im Sinne des Absatzes 1 aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.
(1) Über den Antrag auf Informationszugang entscheidet die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Im Fall des § 1 Abs. 1 Satz 3 ist der Antrag an die Behörde zu richten, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Betrifft der Antrag Daten Dritter im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 oder § 6, muss er begründet werden. Bei gleichförmigen Anträgen von mehr als 50 Personen gelten die §§ 17 bis 19 des Verwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend.
(2) Besteht ein Anspruch auf Informationszugang zum Teil, ist dem Antrag in dem Umfang stattzugeben, in dem der Informationszugang ohne Preisgabe der geheimhaltungsbedürftigen Informationen oder ohne unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist. Entsprechendes gilt, wenn sich der Antragsteller in den Fällen, in denen Belange Dritter berührt sind, mit einer Unkenntlichmachung der diesbezüglichen Informationen einverstanden erklärt.
(3) Auskünfte können mündlich, schriftlich oder elektronisch erteilt werden. Die Behörde ist nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der Information zu prüfen.
(4) Im Fall der Einsichtnahme in amtliche Informationen kann sich der Antragsteller Notizen machen oder Ablichtungen und Ausdrucke fertigen lassen. § 6 Satz 1 bleibt unberührt.
(5) Die Information ist dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Belange unverzüglich zugänglich zu machen. Der Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen. § 8 bleibt unberührt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.
(3) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen gehen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vor.
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient.
(2) Die Behörde kann Auskunft erteilen, Akteneinsicht gewähren oder Informationen in sonstiger Weise zur Verfügung stellen. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand.
(3) Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen gehen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vor.
Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
- 1.
wenn das Bekanntwerden der Information nachteilige Auswirkungen haben kann auf - a)
internationale Beziehungen, - b)
militärische und sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr, - c)
Belange der inneren oder äußeren Sicherheit, - d)
Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, - e)
Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle, - f)
Maßnahmen zum Schutz vor unerlaubtem Außenwirtschaftsverkehr, - g)
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitsrechtlicher oder disziplinarischer Ermittlungen,
- 2.
wenn das Bekanntwerden der Information die öffentliche Sicherheit gefährden kann, - 3.
wenn und solange - a)
die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen oder - b)
die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden,
- 4.
wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt, - 5.
hinsichtlich vorübergehend beigezogener Information einer anderen öffentlichen Stelle, die nicht Bestandteil der eigenen Vorgänge werden soll, - 6.
wenn das Bekanntwerden der Information geeignet wäre, fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr oder wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungen zu beeinträchtigen, - 7.
bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht, - 8.
gegenüber den Nachrichtendiensten sowie den Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes, soweit sie Aufgaben im Sinne des § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes wahrnehmen.
(1) Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte auf
- 1.
die internationalen Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, - 2.
die Vertraulichkeit der Beratungen von informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1, - 3.
die Durchführung eines laufenden Gerichtsverfahrens, den Anspruch einer Person auf ein faires Verfahren oder die Durchführung strafrechtlicher, ordnungswidrigkeitenrechtlicher oder disziplinarrechtlicher Ermittlungen oder - 4.
den Zustand der Umwelt und ihrer Bestandteile im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 1 oder Schutzgüter im Sinne des § 2 Absatz 3 Nummer 6,
(2) Soweit ein Antrag
- 1.
offensichtlich missbräuchlich gestellt wurde, - 2.
sich auf interne Mitteilungen der informationspflichtigen Stellen im Sinne des § 2 Absatz 1 bezieht, - 3.
bei einer Stelle, die nicht über die Umweltinformationen verfügt, gestellt wird, sofern er nicht nach § 4 Absatz 3 weitergeleitet werden kann, - 4.
sich auf die Zugänglichmachung von Material, das gerade vervollständigt wird, noch nicht abgeschlossener Schriftstücke oder noch nicht aufbereiteter Daten bezieht oder - 5.
zu unbestimmt ist und auf Aufforderung der informationspflichtigen Stelle nach § 4 Absatz 2 nicht innerhalb einer angemessenen Frist präzisiert wird,
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes die Vorlage von Verwaltungsvorgängen im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I, S. 1048; im Folgenden: 6. FFG-Änderungsgesetz). Das 6. FFG-Änderungsgesetz nahm rückwirkend zum 1. Januar 2004 (vgl. § 73 Abs. 7 Satz 1 FFG) in § 67 FFG Bemessungsregeln für die von den Fernsehveranstaltern zu leistende Filmabgabe auf.
3Die Klägerin betreibt bundesweit Filmtheater. Sie ist eine Gesellschaft der D. -Gruppe, der neben der Klägerin elf Schwestergesellschaften angehören, die ebenfalls in Deutschland Lichtspielhäuser unterhalten.
4Am 8. September 2010 beantragte die Klägerin beim (damaligen) Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (im Folgenden: BKM) gemäß § 7 IFG, ihr sämtliche Verwaltungsvorgänge zugänglich zu machen, die der BKM im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz führt und geführt hat. Ihr besonderes Augenmerk gelte den Berechnungsmodellen und Kalkulationen, die für die Festlegung des Abgabenmaßstabs der Fernsehveranstalter gemäß § 67 FFG n. F. bestimmend gewesen seien, ferner den Berechnungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit aller Einzahlergruppen. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unkenntlich gemacht werden dürften.
5Mit Bescheid vom 15. Oktober 2010, zugegangen am 19. Oktober 2010, lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, der BKM habe bei der Vorbereitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes nicht als Behörde i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG gehandelt. Das Vorbereiten und Ausarbeiten von Gesetzentwürfen diene der Wahrnehmung des Initiativrechts der Bundesregierung. Diese Regierungstätigkeit sei kein Verwaltungshandeln. Die dem BKM vorliegenden amtlichen Informationen zu dem beantragten Thema bezögen sich ausschließlich auf die unmittelbare Erarbeitung des Regierungsentwurfs zum 6. FFG-Änderungsgesetz. Bei den Dokumenten handele es sich vorwiegend um Vermerke gegenüber der Hausleitung, Aufzeichnungen über interne Besprechungen, E-Mail-Verkehr mit Verbänden, Sendern und anderen Unternehmen, die zukünftig unter die Abgabenpflicht fallen sollten, Gesamtkalkulationen zu den finanziellen Auswirkungen der Novelle sowie um Materialien zum parlamentarischen Verfahren und zur Veröffentlichung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt. Die Prüfung der Unterlagen auf eventuell einschlägige Ausnahmetatbestände nach §§ 3 ff. IFG sei vor diesem Hintergrund nicht notwendig.
6Die Klägerin erhob am 17. November 2010 Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend: Es sei mit Blick auf das gebotene weite Begriffsverständnis unzutreffend, eine Bundesbehörde von § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG auszunehmen, wenn im konkreten Fall Regierungstätigkeit ausgeübt werde. Die Ausnahmen gemäß §§ 3 Nr. 3, 4 Abs. 1 IFG griffen nicht, weil es um einen Anspruch auf Informationszugang nach Verabschiedung des Gesetzes gehe. Eine andere Betrachtungsweise laufe dem Transparenzgedanken des Informationsfreiheitsgesetzes zuwider.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
8Die Klägerin hat am 11. März 2011 Klage erhoben.
9Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, sie habe einen Anspruch auf die begehrten Informationen aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Der BKM sei nach dem anzuwendenden funktionellen Behördenbegriff eine Behörde des Bundes, auch wenn er im konkreten Fall bei der Vorbereitung eines Gesetzentwurfs eine Regierungstätigkeit wahrgenommen habe. Die Gesetzesmaterialien zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien amtliche Informationen. Sie seien beim BKM in seiner Zuständigkeit für die Kulturförderung - namentlich für die Filmförderung durch die unter seiner Aufsicht stehende Filmförderungsanstalt - entstanden. Der eng zu interpretierende Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG sei nicht gegeben bzw. von der Beklagten nicht nachvollziehbar belegt. Der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung werde durch den begehrten Informationszugang nicht tangiert. Die Beratungen beim BKM zum 6. FFG-Änderungsgesetz seien längst abgeschlossen. Der Beratungsvorgang müsse nicht mehr geschützt werden. Ansonsten würden zahllose Informationsansprüche ins Leere laufen, da Verwaltungsvorgängen fast immer behördeninterne Beratungen vorausgingen. Einengende Vorwirkungen für zukünftige Gesetzgebungsverfahren seien nicht erkennbar. Die von der Beklagten auf S. 10 bis 13 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 aufgelisteten Unterlagen seien - nach ihrer Behauptung - Vorlagen an die Hausleitung des BKM und Kabinettsvorlagen. Die Beklagte habe den konkreten Inhalt dieser Unterlagen jedoch nicht substantiiert, so dass sich schon von daher keine Beeinträchtigung der freien und offenen Willensbildung der Regierung feststellen lasse. Überdies seien weder der Staatsminister noch das Kabinett an diese Vorlagen gebunden gewesen. Auch im Schriftsatz vom 6. Dezember 2011 habe die Beklagte die Schutzwürdigkeit der Leitungsvorlagen nicht hinreichend substantiiert dargetan. Ähnliches gelte, soweit sich die Beklagte auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 auf § 3 Nr. 7 IFG berufe. Die Informationsübermittlung zwischen Behörden sei nicht geschützt, so dass Unterlagen nicht von dem Informationsanspruch ausgenommen werden könnten, die von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder von der Filmförderungsanstalt stammten, bei der es sich um eine Bundesanstalt des öffentlichen Rechts handele. Die Beklagte habe ihre diesbezügliche Darlegungslast nicht erfüllt. Hinzu komme, dass auch§ 3 Nr. 7 IFG nicht unbefristet gelte. Worin das aktuelle Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit bestehe, sei unklar. Im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 6 Satz 2 IFG habe sie, die Klägerin, vorab erklärt, dass diese - soweit vorhanden - unkenntlich gemacht werden dürften. Allerdings beziehe sich dieser Geheimnisschutz nicht auf Personen des öffentlichen Rechts wie die Filmförderungsanstalt oder öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, auf deren Dokumente die Beklagte auf S. 20 bis 32 ihres Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 verweise. Gleiches gelte für Unterlagen, die von Verbänden stammten. Diese führten keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb.
10Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 26. Juli 2012 hat die Beklagte erklärt, im Hinblick auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. November 2011 - 7 C 3.11, 7 C 4.11 - würden die in der überreichten Tabelle in Spalte 1 („Nur Argument keine Behörde“) gelisteten Aktenbestandteile der Klägerin in Form von Kopien spätestens bis zum 14. September 2012 zu Händen ihres Prozessbevollmächtigten zugänglich gemacht.
11Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit in diesem Umfang für in der Hauptsache erledigt erklärt. Sie hat ausdrücklich anerkannt, dass die Beklagte berechtigt ist, in diesen Unterlagen etwa enthaltene personenbezogene Daten i.S.v. § 5 IFG zu schwärzen. Die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen.
12Die Klägerin hat daraufhin beantragt,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 zu verpflichten, ihr - soweit der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist - sämtliche Verwaltungsvorgänge, die der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien im Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 führt oder geführt hat, zugänglich zu machen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege vor. Auch im Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes sei ein unausforschbarer Handlungsbereich der Exekutive bei ressortinternen und ressortübergreifenden Vorbereitungen zur Erstellung eines Gesetzesvorschlags anzuerkennen. Im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung finde keine Abwägung mit dem Anspruch des Bürgers auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz statt. Diesem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung gehörten auch Leitungsvorlagen an, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, bezeichnet seien. Der Schutz des Kernbereichs der Exekutive, der die Willensbildung der Regierung umfasse, sei nicht mit dem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum 6. FFG-Änderungsgesetz entfallen oder weniger gewichtig. Dies folge auch aus den einengenden Vorwirkungen des nachträglichen Zugriffs auf Informationen auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren. Den Erörterungen im Kabinett komme eine besondere Schutzwürdigkeit zu. Die freie und offene Willensbildung der Regierung werde gefährdet, wenn eine spätere Publizität zu befürchten sei. Eine unbegrenzte Offenheit von Unterlagen zur Vorbereitung von Gesetzen würde dazu führen, dass durch das Bekanntwerden z. B. von möglichen Meinungsverschiedenheiten auf Leitungsebene die Autorität des Gesetzes ausgehöhlt würde. Es gehe auch um sensible politische Einschätzungen. Es bestehe die Gefahr einer „Flucht in die Mündlichkeit“. Im Einzelnen erfasse § 3 Nr. 3 b) IFG die Blätter 65 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 575, 576 bis 594, 822 bis 851, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 922, 1055 bis 1060, 1071 bis 1096, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1239, 1260 bis 1283 sowie 1294 bis 1320 (siehe S. 10 bis 13 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011 und S. 4 bis 7 des Schriftsatzes vom 6. Dezember 2011). Der gewisse Abstraktionsgrad dieser Ausführungen liege in der Natur der Sache, um der Geheimhaltungsbedürftigkeit der betreffenden Teile der Verwaltungsvorgänge Rechnung zu tragen. Unverhältnismäßig pauschaliert werde dabei nicht. Darüber hinaus entfalle der Informationsanspruch der Klägerin wegen § 3 Nr. 7 IFG. Bezüglich bestimmter Dokumente habe sie, die Beklagte, ausdrücklich eine vertrauliche Behandlung zugesichert. § 3 Nr. 7 IFG gelte für die Blätter 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1259 (siehe S. 14 bis 17 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Das Interesse an der vertraulichen Behandlung bestehe fort. Der Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG schließe öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder die Filmförderungsanstalt ein. Personenbezogene Daten Dritter seien gemäß § 5 IFG vom Informationszugang ausgeschlossen. Die Klägerin habe im Verwaltungsverfahren in die Schwärzung der entsprechenden Passagen eingewilligt. Einer unbeschränkten Offenlegung stehe schließlich § 6 Satz 2 IFG für folgende Abschnitte entgegen: Blätter 80 bis 83, 93 bis 98, 101 bis 109, 122 bis 143, 267 bis 268, 404 bis 408, 500 bis 503, 538 bis 539, 1014 bis 1016, 1017 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 bis 1255, 1256 bis 1258, 1259 und 1299 (siehe S. 20 bis 32 des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2011). Eine Einwilligung des jeweiligen Geheimnisträgers liege nicht vor. Die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis bestehe auch bei partiellen Schwärzungen fort.
17Mit Urteil vom 26. Juli 2012 hat das Verwaltungsgericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt. Im Übrigen hat es die Beklagte unter Abänderung des Bescheides des BKM vom 15. Oktober 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 verpflichtet, der Klägerin die bei dem BKM geführten Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz - soweit nicht für erledigt erklärt - mit Ausnahme der Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse zugänglich zu machen. Die Beklagte sei berechtigt, die Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung zu schwärzen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Anspruch der Klägerin folge aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Beklagte könne sich hinsichtlich sog. Leitungsvorlagen nicht mit Erfolg auf den Versagungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG berufen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte hinsichtlich der Stellungnahmen, bezüglich derer sie eine vertrauliche Behandlung zugesichert habe, auf den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG stützen, soweit darin nicht Geschäftsgeheimnisse enthalten seien. Diese seien über § 6 Satz 2 IFG geschützt. Da alle betroffenen Geheimnisträger auf entsprechende Nachfrage des BKM mitgeteilt hätten, sie stimmten einer Bekanntgabe an die Klägerin nicht zu, sei die Beklagte berechtigt, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor der Zugänglichmachung der Akten an die Klägerin zu schwärzen. Soweit die Verwaltungsvorgänge Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten, sei die Klage mit Blick auf § 6 Satz 2 IFG unbegründet.
18Das Verwaltungsgericht hat die Berufung zugelassen.
19Die Beklagte hat am 31. August 2012 Berufung gegen das ihr am 7. August 2012 zugestellte Urteil eingelegt.
20Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholend und vertiefend vor, von der Berufung nicht erfasst sei ihre Verpflichtung, Zugang zu denjenigen Teilen der Verwaltungsvorgänge zu gewähren, in denen die Kabinettsvorlagen lediglich den endgültig in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut wiedergäben. Hierbei handele es sich um Blatt 830 bis 846, 904 bis 922, 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis 1239. Diese Blattbereiche werde sie der Klägerin unverzüglich offenbaren. Soweit das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben habe, stehe dem Informationszugang der Schutz des Kernbereichs der Exekutive im Rahmen des § 3 Nr. 3 b) IFG entgegen. Es entspreche einem nach der Lebenserfahrung naheliegenden und wahrscheinlichen Verhalten, dass Erwägungen, deren Offenbarung zu nachteiligen Konsequenzen für die Regierung führen könne, nicht mehr schriftlich in den Akten niedergelegt würden, wenn diese Akten nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens jedem beliebigen Dritten zugänglich gemacht werden müssten. Vielmehr sei zu erwarten, dass Einschätzungen mündlich abgegeben würden und nicht mit dem gebotenen Gewicht in das Gesetzgebungsverfahren einflössen. Ein Informationszugang könne auch einengende Vorwirkungen haben, soweit es um einen nachträglichen Zugriff auf Informationen über ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren gehe. Diese Erwartung sei nicht nur mit Blick auf rechtliche, sondern auch in Bezug auf politische und taktische Einschätzungen berechtigt. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht die Anforderungen an eine substantiierte Darlegung der Geheimhaltungsgründe im gerichtlichen Hauptsacheverfahren überspannt. Auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, S. 10 bis 13, und vom 6. Dezember 2011, S. 4 bis 7, werde Bezug genommen. Es dürfe keine Substantiierung verlangt werden, die bereits zu einer Offenbarung der geheimzuhaltenden Informationen führe. Andernfalls laufe § 3 Nr. 3 b) IFG leer. Ohne ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO habe das Verwaltungsgericht nicht stattgeben dürfen. Nur äußert vorsorglich werde zu Blatt 66 bis 68, 113 bis 118, 327 bis 352, 535 bis 537, 558 bis 594, 823 bis 829, 852 bis 854, 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1106 bis 1009, 1181 bis 1187c, 1208, 1210 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1301 ergänzend vorgetragen (sieheS. 17 bis 23 der Berufungsbegründung der Beklagten vom 19. November 2012). Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische, brisante Gesetzesnovelle gewesen sei, sei für den Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG unerheblich. Hinsichtlich der Unterlagen, für welche sie, die Beklagte, eine Vertraulichkeitszusage abgegeben habe, stehe dem Informationszugang § 3 Nr. 7 IFG entgegen. Diese Unterlagen seien auf S. 14 bis 17 des Schriftsatzes vom 10. Oktober 2011 konkret bezeichnet. Auch diesbezüglich gehe das Verwaltungsgericht von überzogenen Substantiierungsanforderungen aus. Bereits die Tatsache der Kennzeichnung als vertraulich sei ein hinreichendes Indiz für eine Vertraulichkeitsvereinbarung. Dieses Indiz sei nicht erschüttert. Einer weitergehenden Substantiierung der Vertraulichkeit bedürfe es nicht. Die wegen des Abgabenmaßstabs angeschriebenen betroffenen Kreise hätten im Hinblick auf ihre jeweilige Antwort durchweg darauf bestanden, dass alle übermittelten Informationen, d. h. das gesamte Schreiben, vertraulich behandelt würden. Würde sie, die Beklagte, gleichwohl zu einem Informationszugang verpflichtet, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in Zukunft nicht mehr in dem gebotenen Umfang Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben abgegeben würden. Zudem hätte § 3 Nr. 7 IFG sonst neben § 6 Satz 2 IFG keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr.
21In der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 haben die Beteiligten klargestellt, welche Aktenbestandteile im Berufungsverfahren noch im Streit stehen. Die in den Spalten 3 und 4 der Übersicht, die erstinstanzlich dem Verwaltungsgericht überreicht worden ist, angegebenen Blattzahlen sind markiert worden, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind. Die Übersicht ist als Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung genommen worden.
22Die Beklagte beantragt,
23das angefochtene Urteil zu ändern, soweit sie darin verpflichtet worden ist, die bei ihr angefallenen Verwaltungsvorgänge betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. Gesetz zur Änderung des Filmförderungsgesetzes vom 31. Juli 2010 über Blatt 830 bis 846, Blatt 904 bis 922, Blatt 1077 bis 1096 sowie Blatt 1219 bis Blatt 1239 hinaus der Klägerin zugänglich zu machen, und insoweit die Klage abzuweisen.
24Die Klägerin beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt ergänzend vor, der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG liege nicht vor. Der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung beziehe sich regelmäßig nur auf laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen, nicht auf abgeschlossene Verfahren. Eine einengende Vorwirkung durch eine Offenlegung von Leitungsvorlagen mit rechtlichen und/oder politisch-taktischen Erwägungen sei nach der Lebenserfahrung nicht zu befürchten. Transparenz und Offenheit seien für den Fortbestand einer demokratischen Gesellschaft überlebenswichtige Faktoren. Sie erhöhten die Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bevölkerung und wirkten der Gefahr sachfremder lobbyistischer Einflussnahme entgegen. Die Leitung der Beklagten sei geradezu verpflichtet, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, jedwede rechtlichen und/oder taktisch-politischen Überlegungen zu Papier zu bringen. Sollte die Beklagte dem nicht nachkommen, dürfe der Informationszugangsanspruch darunter nicht leiden. Eine größtmögliche Transparenz stärke Sachargumente. Das Informationsfreiheitsgesetz diene auch der Qualitätsverbesserung des gesamten Entscheidungsprozesses. Das Verwaltungsgericht habe die Darlegungsanforderungen an die Beklagte nicht überspannt. Die Ausnahmetatbestände des § 3 IFG seien grundsätzlich eng auszulegen. Die Beklagte habe den von ihr in Anspruch genommenen Kernbereichsschutz nicht hinreichend substantiiert. Dies sei auch in der Berufungsbegründung der Beklagten auf deren S. 17 ff. nicht geschehen. Auch die Kabinettsvorlagen unterlägen nicht dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung. Ob das 6. FFG-Änderungsgesetz eine hochpolitische und brisante Angelegenheit gewesen sei, sei bei der Beurteilung der Ausschlussgründe erheblich. Ein Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO sei nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG seien ebenfalls nicht erfüllt. Eine schutzwürdige Vertraulichkeitsabrede habe die Beklagte auch in der Berufungsbegründung ab S. 26 nicht dargetan. Der Sache nach mache die Beklagte eine Bereichsausnahme für die Beteiligung Dritter an einem Gesetzgebungsverfahren geltend. Eine solche sehe das Informationsfreiheitsgesetz jedoch nicht vor.
27Mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden von Betreiberinnen von Filmtheatern gegen Abgabenbescheide der Filmförderungsanstalt nach dem Filmförderungsgesetz und gegen die diese als rechtmäßig bestätigenden fachgerichtlichen Urteile zurück. Zur Begründung führte das Bundesverfassungsgericht im Wesentlichen aus, die Verfassungsbeschwerden seien unbegründet. Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe der §§ 66 ff. FFG seien verfassungsgemäß. Namentlich genügten sie den finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen.
28Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
30Unter Berücksichtigung der Teilerledigungserklärungen erster Instanz, des eingeschränkten Berufungsantrags der Beklagten sowie der rechtskräftigen Klageabweisung hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht als schutzwürdig eingestuften Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und der dazu erfolgten Klarstellung durch die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2. Juni 2015 sind folgende Aktenbestandteile noch Gegenstand der Berufung: Blatt 66 bis 68, 112 bis 118, 327 bis 352, 534 bis 537, 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 (bezogen auf den Ablehnungsgrund aus § 3 Nr. 3 b) IFG) und Blatt 101 bis 109, 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1023, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 (hinsichtlich des Ausschlusstatbestands des § 3 Nr. 7 IFG).
31In diesem Umfang ist die Berufung zulässig, aber unbegründet.
32Das Verwaltungsgericht hat der Klage insofern zu Recht stattgegeben.
33Der solchermaßen noch streitige Ablehnungsbescheid der Beklagten vom15. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
34Die Klägerin hat aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG einen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass diese ihr Zugang zu den beim BKM angelegten Verwaltungsvorgängen betreffend das Gesetzgebungsverfahren zum 6. FFG-Änderungsgesetz gewährt, auch soweit dieser Zugang über die von der Berufung nicht umfassten Blattbereiche hinausgeht.
35Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG liegen vor (dazu I.). Dem noch streitgegenständlichen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten geltend gemachten Ausschlussgründe des § 3Nr. 3 b) IFG sowie des § 3 Nr. 7 IFG nicht entgegen. Dass andere Versagungstatbestände der Berufung zum Erfolg verhelfen - wie insbesondere§ 6 Satz 2 IFG -, hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich (dazu II.).
36I. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind gegeben.
37Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Darüber hinaus richtet sich der Anspruch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 IFG gegen sonstige Bundesorgane und Bundeseinrichtungen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG bestimmt weiter, dass eine amtliche Information im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung unabhängig von der Art ihrer Speicherung ist. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 Nr. 1 Satz 2 IFG).
38Behörden des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG sind alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. § 1 Abs. 1 IFG liegt ein funktionelles Verständnis zugrunde. Bei sonstigen Bundesorganen und -einrichtungen macht er die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes von der jeweils wahrgenommenen Aufgabe abhängig. Dieses aufgabenbezogene Merkmal kennzeichnet die in § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IFG genannten Anspruchsverpflichteten.
39Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. November 2012- 7 C 1.12 -, NVwZ 2013, 431 = juris Rn. 22, vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 11, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 11, jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 7.
40Der weite und umfassende funktionelle Verwaltungsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG schließt das Regierungshandeln ein. Das Informationsfreiheitsgesetz will die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger durch die Verbesserung der Informationszugangsrechte stärken. Es soll auf der Grundlage der so vermittelten Erkenntnisse der Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie dienen. Dieser Zweck würde nur unvollkommen gefördert, wenn gerade der Bereich der Vorbereitung und Durchführung grundlegender Weichenstellungen für das Gemeinwesen vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen wäre. Im Einklang mit der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass nicht nur die alltägliche, insbesondere der Anwendung der Gesetze dienende Verwaltungstätigkeit, sondern gerade auch der Bereich des Regierungshandelns grundsätzlich dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterfallen soll und sich Ausnahmen grundsätzlich nach Maßgabe der gesetzlich vorgesehenen Informationsversagungsgründe rechtfertigen lassen müssen. Nur so erklärt sich, dass die Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich einen von der Verfassung gebotenen Verweigerungsgrund für einen Teilausschnitt des Regierungshandelns - nämlich den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung - anführt. Dies wäre entbehrlich, wenn die obersten Bundesbehörden in ihrer Rolle als Träger der Regierungstätigkeit schon nicht zum Kreis der Anspruchsverpflichteten gehörten. Verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen. Der besonderen Schutzbedürftigkeit sensibler und vertraulicher Informationen aus dem Bereich der Regierung ist unter Beachtung der jeweils konkreten Umstände nach Maßgabe der im Informationsfreiheitsgesetz vorgesehenen Verweigerungsgründe Rechnung zu tragen. Dabei sind verfassungsrechtlich begründete Rechtspositionen zu berücksichtigen. Falls erforderlich sind ergänzend verfassungsunmittelbare Weigerungsgründe heranzuziehen.
41Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 20 ff., und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 20 ff., jeweils unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 6 und ‚S. 12.
42Daraus folgt, dass auch die Tätigkeit eines Bundesministeriums bzw. einer sonstigen Regierungsbehörde - wie dem BKM - bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG fällt. Lediglich der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung etc.) soll vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen bleiben.
43Vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8; sowie OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 13. November 2013- OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff., und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 19; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
44Ausgehend von diesen Maßstäben ist der BKM grundsätzlich anspruchsverpflichtete Behörde des Bundes i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Seine hinreichende organisationsrechtliche Verselbständigung ergibt sich aus dem in das erstinstanzliche Verfahren eingeführten BKM-Organisationsplan. Das Tätigwerden des BKM bei der Erarbeitung des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist Verwaltung im Verständnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Die Erstellung von Leitungs- und Kabinettsvorlagen sowie die Einholung von Stellungnahmen der von dem Gesetzesvorhaben betroffenen Kreise ist - auch als Regierungshandeln - nach dem oben Gesagten funktionell Verwaltung. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch zugestanden. Sie hat die Klägerin in dieser Hinsicht klaglos gestellt.
45II. Dem im Berufungsverfahren noch umstrittenen Informationszugangsanspruch der Klägerin stehen die von der Beklagten ins Feld geführten Ausschlussgründe des § 3 Nr. 3 b) IFG (dazu 1.) und des § 3 Nr. 7 IFG (dazu 2.) nicht entgegen. Andere Ablehnungstatbestände wie in Sonderheit § 6 Satz 2 IFG, die zur Begründetheit der Berufung führen können, sind nicht ersichtlich (dazu 3.). Um zu diesen Befunden zu gelangen, ist der Senat nicht verpflichtet, ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einzuleiten. Der darauf gerichtete Hilfsbeweisantrag der Beklagten, den diese in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellt hat, ist abzulehnen (dazu 4.).
461. Der Versagungstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit den verfassungsrechtlich verankerten Maßstäben zum Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung greift nicht zugunsten der Beklagten ein. Die Beklagte beruft sich mit Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 - sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 - auf diese Ausnahmeklausel ohne Erfolg.
47Nach § 3 Nr. 3 b) IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn und solange die Beratungen von Behörden beeinträchtigt werden.
48§ 3 Nr. 3 b) IFG schützt innerbehördlichen Beratungen, die auf eine offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind. Derartige Beratungen sollen wegen des Wissens um eine Offenlegung der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess nicht beeinträchtigt werden. Mit der Formulierung „solange“ wird deutlich gemacht, dass der Informationszugang grundsätzlich nur aufgeschoben ist. Die Dauer des Aufschubs bestimmt sich danach, ob der Schutz der Vertraulichkeit weiterhin eine Offenlegung der Beratungsinterna verbietet. Der Abschluss des laufenden Verfahrens bildet dafür keine unüberwindbare zeitliche Grenze. Der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna kann also über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen. Im Übrigen erfasst § 3 Nr. 3 b) IFG nur den eigentlichen Vorgang der behördlichen Entscheidungsfindung, d. h. die Besprechung, Beratschlagung und Abwägung - den Beratungsprozess im engeren Sinne -, nicht aber die hiervon zu unterscheidenden Tatsachengrundlagen und die Grundlagen der Willensbildung (Beratungsgegenstand) sowie das Ergebnis der Willensbildung (Beratungsergebnis).
49Vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011- 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 91.
50Der Ablehnungsgrund des § 3 Nr. 3 b) IFG bezieht sich des Weiteren nur auf die aus tragfähigen Gründen „notwendige Vertraulichkeit“ (vgl. zu diesem Begriff § 3 Nr. 3 a) IFG) behördlicher Beratungen. Er erstreckt seinen Schutz nicht auf jeglichen behördlichen Entscheidungsfindungsprozess.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 31, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 7 B 14.11 -, NVwZ 2011, 1072 = juris Rn. 5, unter Hinweis auf BT-Drs. 15/4493, S. 10; OVG NRW, Urteil vom 2. November 2010 - 8 A 475/10 -, juris Rn. 86; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. April 2015 - OVG 12 N 88.13 -, juris Rn. 8.
52Eine Beeinträchtigung der Beratung von Behörden i.S.d. § 3 Nr. 3 b) IFG erfordert zudem ebenso wie die übrigen von § 3 IFG erfassten Gefahren, Beeinträchtigungen und nachteiligen Auswirkungen, dass die konkrete Möglichkeit der Verletzung der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen besteht bzw. dass eine solche Verletzung hinreichend wahrscheinlich ist.
53Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 101.
54In die so zu verstehende einfachgesetzliche Versagungsbestimmung des § 3Nr. 3 b) IFG ist der verfassungsrechtliche Grundsatz des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung zu integrieren.
55Die ausgehend vom Gewaltenteilungsprinzip insbesondere im Parlamentsrecht entwickelte Rechtsfigur des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schließt zur Wahrung der Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich ein. Zu diesem Bereich gehört die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht. Um ein Mitregieren Dritter bei noch ausstehenden Entscheidungen der Regierung zu verhindern, erstreckt sich die Kontrollkompetenz des Parlaments daher grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen sind zur Wahrung eigenverantwortlicher Kompetenzausübung der Regierung geschützt. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, die dem Einblick Außenstehender weiterhin verschlossen bleiben müssen. Ein Informationsanspruch könnte durch seine einengenden Vorwirkungen die Regierung in der ihr zugewiesenen selbständigen Funktion beeinträchtigen. Informationen aus dem Bereich der Vorbereitung von Regierungsentscheidungen sind umso schutzwürdiger, je näher sie der gubernativen Entscheidung stehen. Den Erörterungen im Kabinett kommt eine besonders hohe Schutzwürdigkeit zu. Die vorgelagerten Beratungs- und Entscheidungsabläufe sind der parlamentarischen Kontrolle demgegenüber in einem geringeren Maße entzogen.
56Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 30, und vom 3. November 2011 - 7 C 4.11 -, DVBl. 2012, 180 = juris Rn. 35, jeweils unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 122 ff. (zur Grenze der Befugnisse parlamentarischer Untersuchungsausschüsse im Verhältnis zur Regierung); siehe dazu außerdem BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 43 ff.
57Übertragen auf das Informationsfreiheitsrecht folgt daraus, dass der nach diesen Maßstäben gewährleistete Schutz der Regierungstätigkeit sich auch gegenüber einfachgesetzlichen Auskunftsansprüchen Dritter durchsetzen muss, damit er im Verhältnis der Verfassungsorgane untereinander nicht unterlaufen wird und ins Leere geht. Um dies zu erreichen, wird der Kernbereichsschutz in der Begründung des Gesetzentwurfs des Informationsfreiheitsgesetzes als ungeschriebener Versagungsgrund angeführt. Dessen Anliegen überschneidet sich aber jedenfalls teilweise mit dem geschriebenen Versagungsgrund nach § 3 Nr. 3 b) IFG. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen sind offen für die Berücksichtigung des präventiven Schutzes der Funktionsfähigkeit der Regierung, so dass dieser Verfassungsgrundsatz in die Anwendung des § 3 Nr. 3 b) IFG zu integrieren ist. Erst wenn sich gleichwohl Schutzlücken auftun, ist auf verfassungsunmittelbare Grenzen des Informationsanspruchs zurückzugreifen.
58Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 31.
59Dass die jeweils verfahrensgegenständlichen amtlichen Informationen am Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung - und somit auch an demjenigen des § 3 Nr. 3 b) IFG - teilhaben, hat die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG in Anspruch genommene Behörde darzulegen. Die befürchteten negativen Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit der Regierung müssen anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt werden. Um diesen Anforderungen zu genügen, reicht es nicht aus, dass die Regierungsbehörde vorträgt, die Willensbildung innerhalb der Regierung nehme Schaden, weil eine nachträgliche Publizität von Unterlagen, die der Vorbereitung eines Gesetzes dienten, künftig eine sachlich förderliche Kommunikation zwischen den Beteiligten hemmen könnte, es bestehe die Gefahr, dass die Offenheit des der Regierungsentscheidung vorgelagerten Abstimmungsprozesses leide und es zu einer Versteinerung dieses Prozesses komme, weil ein Abweichen von Bewertungen dann schwierig sei. Damit wird letztlich nur geltend gemacht, dass die Beratungen im Rahmen der Gesetzesvorbereitung in jeglicher Hinsicht vertraulich bleiben müssen und deshalb auch nach Abschluss des Verfahrens der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Diese Argumentation läuft aber darauf hinaus, die gesetzesvorbereitende Tätigkeit einer Behörde im Gesetzgebungsverfahren ganz generell den Ansprüchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu entziehen. Eine solche Bereichsausnahme sieht das Informationsfreiheitsgesetz indes nicht vor.
60Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl 2012, 176 = juris Rn. 31, unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 30. März 2004 - 2 BvK 1/01 -, BVerfGE 110, 199 = NVwZ 2004, 1105 = juris Rn. 51 ff. (zu parlamentarischen Untersuchungsausschüssen); siehe zur Einzelfallbezogenheit der Prüfung mit Blick auf parlamentarische Informationsrechte außerdem BVerfG, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 2 BvE 3/07 -, BVerfGE 124, 78 = DVBl. 2009, 1107 = juris Rn. 126.
61Nach diesen Grundsätzen kann die Beklagte die Ablehnung des von der Klägerin begehrten Informationszugangs nicht auf § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stützen. Die Beklagte hat insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 10. Oktober 2011, vom 6. Dezember 2011 und vom 19. November 2012 sowie zuletzt in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 nicht anhand der Umstände des Einzelfalles nachvollziehbar belegt, dass die Vertraulichkeit der Beratung im Bereich der Regierung bzw. im Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung bei der Vorbereitung und Begleitung von Gesetzesvorhaben (künftig) konkret beeinträchtigt wird, wenn sie die von der Klägerin herausverlangten Verwaltungsvorgänge des BKM betreffend das 6. FFG-Änderungsgesetz offenlegt.
62Das 6. FFG-Änderungsgesetz ist am 31. Juli 2010 verabschiedet worden. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Verfassungsmäßigkeit mit Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12, 2 BvR 1564/12 -, BVerfGE 135, 155 = NVwZ 2014, 646 = juris, bestätigt. Es handelt sich bei den gesetzesvorbereitenden behördeninternen Beratungen zum 6. FFG-Änderungsgesetz, die der BKM in seinem Verwaltungsvorgang dokumentiert hat, daher um einen in doppelter Hinsicht rechtlich wie tatsächlich abgeschlossenen Vorgang. Dass dieser abgeschlossene Vorgang dennoch nach Maßgabe von § 3 Nr. 3 b) IFG und Aspekten des Schutzes des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung geheim gehalten werden muss, um die notwendige Vertraulichkeit der Beratungen im Bereich der Regierung zu schützen, hat die Beklagte nicht zur Überzeugung des Senats dargetan.
63Die Begründung der Beklagten, die Blattbereiche 66 bis 68 und 112 bis 118 enthielten einen mit rechtlichen und politischen Bewertungen versehenen Sprechzettel zur Vorbereitung des Staatsministers auf eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 22. April 2009 zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes bzw. auf eine Sitzung im Bundeskanzleramt am 4. Mai 2009, der sog. aktive und reaktive Gesprächspositionen des Staatsministers beschreibe und einzelne politische Handlungsoptionen und die diesbezügliche mögliche Positionierung des Staatsministers in der jeweiligen Sitzung darlege, füllt die Anforderungen des § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. mit dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung stellt, nicht aus. Es geht bei dieser Sitzungsvorbereitung des Staatsministers nicht um eine gubernative Entscheidung oder um Erörterungen im Kabinett selbst, die in besonderem Maß schützenswert sind. Vielmehr spricht die Beklagte hiermit einen vorbereitenden Beratungsprozess im Bereich des BKM an, dessen nachträgliche Offenbarung die Funktionsfähigkeit der Regierung nicht konkret zu beeinträchtigen droht. Schlösse man sich der Position der Beklagten an, würde dies darauf hinauslaufen, eine informationsfreiheitsrechtliche Bereichsausnahme für die Vorbereitung von Gesetzesvorlagen durch die Regierung anzuerkennen, die das Informationsfreiheitsgesetz de lege lata nicht vorsieht. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 3 Nr. 3 b) IFG verlangen stattdessen - jedenfalls bei, wie hier, abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - auch von der Regierung (hier in Gestalt des BKM), sich Informationszugangsansprüchen zu stellen und auch auf diese Weise Regierungsentscheidungen und -positionen jedenfalls nachträglich erklären zu müssen.
64Im Hinblick auf zukünftige Gesetzgebungsverfahren darf sich die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes nicht an der Vorstellung orientieren, dass es bei den verantwortlich handelnden Regierungsangehörigen zu einengenden Vorwirkungen („Hemmungen“) bzw. zu einer „Flucht in die Mündlichkeit“ kommt. Vielmehr entspricht es einer ordnungsgemäß agierenden Ministerialverwaltung, komplexe Entscheidungsprozesse schriftlich vorzubereiten und zu dokumentieren. Dies schließt die fortgesetzte Bereitschaft der Verantwortungsträger der Regierung sowie der Arbeitsebene ein, ihre jeweiligen Auffassungen (ab-) zu bilden, mögen diese später im Entscheidungsprozess auch wieder aufgegeben werden. Der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 hervorgehobene Umstand, dass das Filmförderungsgesetz häufig novelliert werde, ändert daran nichts. Abgesehen davon, dass nicht jede Novelle den Inhalt des 6. FFG-Änderungsgesetzes haben muss und schon deswegen einengende Vorwirkungen durch den streitigen Informationszugang nicht pauschal zu erwarten sind, gilt für jedes Gesetzesvorhaben neu, dass sich die Regierung auf die Transparenzvorgaben des Informationsfreiheitsgesetzes grundsätzlich einzustellen hat, ohne dass die Qualität ihrer Vorbereitungsarbeit darunter leiden darf.
65Die Autorität eines in Kraft getretenen Gesetzes kann durch die Form der Publizität, die das Informationsfreiheitsgesetz herstellt, nicht leiden. Ein förmliches Gesetz schöpft seine verfassungsrechtliche Legitimität aus dem Parlamentsbeschluss (Art. 77 Abs. 1 GG) und dem Gedanken der Volkssouveränität
66(Art. 20 Abs. 2 GG). Dass einem Gesetzesbeschluss ein ergebnisoffener (verfassungs-)rechtlicher und rechtspolitischer Diskurs vorausgeht, der insbesondere auch innerhalb der am Gesetzgebungsprojekt beteiligten Regierungsstellen stattfindet, versteht sich in einer offenen Gesellschaftsordnung von selbst und wird von der Öffentlichkeit nicht anders erwartet.
67Den Tatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG füllt im Anschluss daran auch nicht der Vortrag der Beklagten zu den Blättern 327 bis 352 aus, bei denen es sich um eine Vorlage an den Staatsminister handele, die handschriftliche Anmerkungen des Staatsministers und der Abteilungsleiterin im BKM enthalte, die sich auf politische Bewertungen des Staatsministers bzw. der Abteilungsleiterin bezögen. Dies gilt ebenfalls, soweit dieser Blattbereich politische und rechtliche Bewertungen einzelner auf die Gesetzesnovelle bezogener Fragen und eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf aufweist, die einen von dem schließlich in Kraft getretenen Gesetzeswortlaut verschiedenen Inhalt hat und im Übrigen aufgrund der Nachvollziehbarkeit der Änderungen im Dokument Rückschlüsse darauf zulässt, welche politische Einschätzung von welcher am Gesetzesvorhaben beteiligten Stelle vorgenommen worden ist. Nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und nach der im Tatbestand referierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Januar 2014 zur Verfassungsmäßigkeit des 6. FFG-Änderungsgesetzes ist die Vertraulichkeit dieser Beratungen aus den zuvor genannten Gründen nicht mehr gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG schutzwürdig. Diese Aktenstücke betreffen einen abgeschlossenen Vorgang und sind außerhalb des Kernbereichs der Regierung angesiedelt. Die von Beklagtenseite befürchteten einengenden Vorwirkungen dürfen nach der Grundidee des Informationsfreiheitsgesetzes - wie gesagt - nicht generalisierend in die Prüfung des § 3 Nr. 3 b) IFG eingestellt werden.
68Zum Weiteren trägt die Beklagte auch zu Blatt 534 bis 537 des Verwaltungsvorgangs des BKM lediglich vor, diese Passage beinhalte eine Vorlage des zuständigen Referats für den Staatsminister für eine Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages am 11. Juli 2009 inklusive eines Sprechzettels für diese Sitzung mit politischen Wertungen. Sie befasse sich mit der Umsetzung einzelner, politisch umstrittener Aspekte der Novelle, mithin der Sache nach mit verhandlungstaktischen Positionen, die aber nicht notwendig in das endgültige Gesetz eingegangen seien. Nach den dargestellten Grundsätzen reicht auch dies und die allgemeine Sorge der Beklagten, eine Herausgabe dieser Unterlagen könne zukünftig die Kommunikation zwischen dem Staatsminister und seinen Mitarbeitern hemmen, für den Ausschlusstatbestand des § 3 Nr. 3 b) IFG nicht aus.
69Entsprechendes ist zusammenfassend hinsichtlich der übrigen von der Beklagten als nach § 3 Nr. 3 b) IFG i.V.m. dem Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung schützenswert eingeordneten Blattbereiche 557 bis 594, 822 bis 829, 852 bis 854, 860 bis 862, 897 bis 903, 1055 bis 1060, 1072 bis 1076, 1104 bis 1114, 1181 bis 1189, 1208 bis 1218, 1260 bis 1283, 1294 bis 1320 zu sagen. Diese betreffen nach dem Vorbringen der Beklagten erneut Vorlagen des zuständigen Referats an den Staatsminister im Hinblick auf die Novellierung des Filmförderungsgesetzes und das Ergebnis der Branchenanhörung jeweils mit politischen und juristischen Einschätzungen und Wertungen, Sprechzettel für den Staatsminister für Sitzungen des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien am 2. Dezember 2009, am 27. Januar 2010 und am 19. Mai 2010, bei denen ein Sachstandsbericht zu der Novelle zu erstatten gewesen sei (mit dem entsprechenden Inhalt wie auf Blatt 65 bis 68), Kabinettsvorlagen mit einem Anschreiben des Staatsministers an den Chef des Bundeskanzleramts mit politischen Bewertungen und einer internen Handlungsanweisung für den Regierungssprecher ebenfalls mit politischen Wertungen, die der Regierungssprecher aber nicht öffentlich kommuniziert habe, sowie Ausführungen der zuständigen Stellen des BKM für den Staatsminister im Hinblick auf Unterlagen für den Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags nebst handschriftlichen Anmerkungen des Staatsministers und auf diese bezogene Vermerke.
70Was die Kabinettsvorlagen anbelangt, ist die zusätzliche Bemerkung veranlasst, dass auch diese zumindest bei abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren - wie hier - nicht dem Kernbereich der Exekutive zuzurechnen sind, der ohne weitere konkrete Beeinträchtigungen den Vertraulichkeitsschutz des § 3 Nr. 3 b) IFG genießt. Die Kabinettsvorlagen stellen keine gubernativen Entscheidungen dar und geben aus sich heraus auch keinen Aufschluss über die vertraulich zu behandelnden Beratungen im Kabinett selbst. Diesem gehört der BKM im Übrigen nach Art. 62 GG nicht an, weil er kein Bundesminister ist.
71Die von Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 angesprochenen Wertungswidersprüche der vorstehenden Betrachtungsweise zum Geheimnisschutz innerhalb des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bestehen nicht.
72§ 1 Abs. 1 IFG nimmt parlamentarische Angelegenheiten bewusst aus dem Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes heraus.
73Vgl. erneut die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 8.
74Sachlicher Grund dafür ist, dass parlamentarische Angelegenheiten, die der Rechtssetzung dienen oder anderweitig mandatsbezogen sind, ein spezifischer Bereich sind, in dem weisungsunabhängig und nach eigenen verfassungsrechtlichen Regeln gearbeitet wird.
75Vgl. wiederum OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2014 - 8 A 467/11 -, NWVBl. 2014, 267 = juris Rn. 47 ff.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. November 2013 - OVG 12 B 3.12 -, juris Rn. 34 ff.; Schoch, IFG, 2009, § 1 Rn. 94 ff.
76Dieser Bereich soll informationsfreiheitsrechtlich anders behandelt werden als die Tätigkeit der Verwaltung, die - auch und gerade in Gestalt von Regierungshandeln - durch das Informationsfreiheitsgesetz einer weitergehenden Kontrolle durch die öffentliche Meinung, die auf fundierte Informationen angewiesen ist, geöffnet werden soll.
77Vgl. auch dazu BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - 7 C 3.11 -, BVerwGE 141, 122 = DVBl. 2012, 176 = juris Rn. 23.
782. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG ist gleichfalls nicht erfüllt.
79Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter Information, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behandlung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang noch fortbesteht.
80§ 3 Nr. 7 IFG bezweckt im besonderen öffentlichen Interesse den Schutz von Informations- und Hinweisgebern u. a. auf dem Gebiet der Strafverfolgung, des Verfassungsschutzes, des Nachrichtendienstes oder des Wettbewerbsrechts. Er soll die - freiwillige - Bereitschaft der Bürger zur Kooperation mit der Verwaltung in Aufgabenbereichen fördern, in denen die Behörden in hohem Maß auf Informationen aus dem privaten Bereich angewiesen sind.
81Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drs. 15/4493, S. 11; OVG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 8. Mai 2014 - OVG 12 B 4.12 -, juris Rn. 32, und vom 5. Oktober 2010 - OVG 12 B 5.08 -, juris Rn. 31; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 186 ff.
82Neben der zwischen dem Hinweisgeber und der Behörde vereinbarten Vertraulichkeit setzt § 3 Nr. 7 IFG ein fortdauerndes schutzwürdiges Interesse des Dritten oder der Behörde an der vertraulichen Behandlung der Information voraus. Das Interesse an der Vertraulichkeit muss objektiv berechtigt sein. Andernfalls stünde der Informationszugang zur Disposition der am Informationsaustausch Beteiligten. Er könnte sowohl einseitig durch den Informationsgeber und die Behörde als auch durch eine gegenseitig vereinbarte Vertraulichkeit unterlaufen werden. Die Annahme eines derart weitreichenden Ausnahmetatbestands ist dem tendenziell restriktiven System des § 3 IFG fremd.
83Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Juni 2013 - OVG 12 B 9.12 -, juris Rn. 34 f.; Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192 (unter Hinweis auf eine Vertraulichkeitsabrede des Bundes mit Toll Collect in einem Maut-Betreibervertrag).
84Die Kennzeichnung einer Information als vertraulich ist für ihre Schutzbedürftigkeit lediglich ein Indiz, welches die Behörde konkret und nachvollziehbar erhärten muss. Die Behörde muss auch im Hinblick auf § 3 Nr. 7 IFG darlegen, dass im Fall der Verneinung der Vertraulichkeit die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährdet ist.
85Vgl. Schoch, IFG, 2009, § 3 Rn. 192.
86Dies ist der Beklagten nicht gelungen.
87Die Blätter 101 bis 109 und 1017 bis 1023 enthalten nach den Ausführungen der Beklagen Stellungnahmen zum geplanten Abgabenmaßstab der öffentlich-rechtlichen Sender zur Filmförderung mit unternehmensbezogenen Angaben zu Lizenzkosten, Kosten der Programmverbreitung, der Redaktion und des Rechteerwerbs. Allein die Abrede der Vertraulichkeit ordnet diese Informationen aber noch nicht dem Schutzbereich des § 3 Nr. 7 IFG zu. Die eher pauschal gehaltene Aussage der Beklagten, ihre Aufgabenerfüllung und diejenige der betroffenen Informationsgeber sei im Falle eines Informationszugangs gefährdet, substantiiert die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG nicht. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - auch von durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundrechtlich garantierten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten -,
88vgl. dazu BVerfG, Urteile vom 25. März 2014 - 1 BvF 1/11, 1 BvF 41 BvF 4/11 -, DVBl. 2014, 649 = juris Rn. 44, vom 11. September 2007 - 1 BvR 2270/05, 1 BvR 809/06, 1 BvR 830/06 -, BVerfGE 119, 181 = DVBl. 2007, 129 = juris Rn. 129 ff., und vom 22. Februar 1994 - 1 BvL 30/88 -, BVerfGE 90, 60 = DVBl. 1994, 465 = juris Rn. 147 ff., Beschluss vom 6. Oktober 1992 - 1 BvR 1586/89, 1 BvR 487/92 -, BVerfGE 87, 181 = DVBl. 1992, 1594 = juris Rn. 71 ff.,
89vollzieht sich spezifisch nach Maßgabe des dafür vorgesehenen § 6 Satz 2 IFG. Aus diesem Grund müssen weder die Beklagte noch im Zuge eines Gesetzgebungsverfahrens hinzugezogene private Unternehmen oder sonstige Träger von Geschäftsgeheimnissen gewärtigen, dass sensible Informationen aus ihrem Geschäftsbereich - wie exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen - an die Öffentlichkeit oder an Konkurrenten gelangen und ihre Wettbewerbsposition dadurch nachteilig beeinflusst wird.
90Vgl. zum Schutzgehalt des § 6 Satz 2 IFG BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 - 7 C 12.13 -, juris Rn. 28; OVG NRW, Urteil vom 19. März 2013 - 8 A 1172/11 -, DVBl. 2013, 981= juris Rn. 131.
91Auch wenn die gesetzesvorbereitend tätig werdende Beklagte mit Informationszugangsansprüchen konfrontiert wird, muss sie ihr dabei zugetragene Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse dieser Dritten nicht herausgeben. Dies räumt die Besorgnis der Beklagten aus, Dritte könnten zukünftig von einer Beteiligung an einem Gesetzgebungsverfahren wegen etwaiger Ansprüche nach dem Informationsfreiheitsgesetzes abgehalten werden.
92Auch bei dieser Lesart behält § 3 Nr. 7 IFG neben § 6 Satz 2 IFG einen eigenständigen Anwendungsbereich. § 3 Nr. 7 IFG stellt einen Vertraulichkeitsschutz- wie dargelegt - dort bereit, wo die Vertraulichkeit für die behördliche Aufgabenerfüllung qualitativ von herausgehobener Bedeutung ist. Dies setzt § 6 Satz 2 IFG nicht voraus. Er gewährleistet im speziellen Feld der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse den Vertraulichkeitsschutz im Übrigen.
93Soweit die betroffenen Kreise, die sich an einem Gesetzgebungsverfahren mit Stellungnahmen beteiligen, nicht nur Geschäftsdaten, sondern auch ihre - zustimmende oder ablehnende - Haltung zu dem Gesetzesvorhaben vertraulich behandelt wissen wollen, fällt dies zwar für sich genommen aus dem Schutzbereich des § 6 Satz 2 IFG heraus. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass § 3 Nr. 7 IFG insofern einen Vertraulichkeitsschutz herstellen muss. Auch Unternehmen oder Verbänden, die sich inhaltlich zu einem Gesetzesprojekt positionieren, ist im Grundsatz zuzumuten, dies retrospektiv ggf. auch öffentlich zu vertreten. Von Unternehmen und Verbänden wird generell angenommen, dass sie - auch durch Lobbyarbeit und Interessenvertretung - an öffentlichen Entscheidungsprozessen teilnehmen. Es ist im Allgemeinen weder ehrenrührig noch ihrer Geschäftstätigkeit sonstwie abträglich, falls dies im Nachhinein konkret bekannt wird. Die Befürchtung der Beklagten, die betroffenen Kreise gäben künftig bei der Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren keine Stellungnahmen mehr ab, wenn ihre Positionierung bekannt würde, teilt der Senat deshalb nicht.
94Aus entsprechenden Gründen sind die Voraussetzungen des § 3 Nr. 7 IFG bezüglich der - im Berufungsverfahren außerdem streitgegenständlich gebliebenen - Blattbereiche 122 bis 124, 135, 267, 404, 538, 1014 bis 1016, 1174 bis 1175, 1252 und 1256 bis 1257 nicht erfüllt. Abgesehen von unternehmensbezogenen und damit nach § 6 Satz 2 IFG geschützten Angaben umfassen diese Aktenteile- wie die Beklagte vorträgt - lediglich Äußerungen betroffener Kreise zum Abgabenmaßstab.
953. Weitergehende Ablehnungsgründe - in Sonderheit aus § 6 Satz 2 IFG - sind weder von der Beklagten vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dass der Schutz des § 6 Satz 2 IFG weiter reicht als von dem Verwaltungsgericht angenommen und auch die verbliebenen Aktenteile einschließt, für welche die Beklagte sich im Berufungsverfahren auf § 3 Nr. 7 IFG bezieht, legt die Beklagte nicht dar.
964. Um feststellen zu können, dass die Ausschlussgründe gemäß § 3 Nr. 3 b) IFG - aber auch nach § 3 Nr. 7 IFG - nicht einschlägig sind, muss der Senat kein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO einleiten. Dem in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2015 gestellten Hilfsbeweisantrag der Beklagten, Beweis zu erheben über ihre Behauptung, dass bei Herausgabe der auf S. 17 bis 23 der Berufungsbegründung vom 19. November 2012 bezeichneten Bestandteile der Verwaltungsvorgänge die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Regierung beeinträchtigt würden, muss der Senat nicht nachkommen.
97Auf der nach §§ 86 Abs. 1, Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu beurteilenden Ebene der informationsfreiheitsrechtlichen Sachverhaltsfeststellung und -würdigung ist zu prüfen, ob anhand des konkreten Inhalts der zur Verfügung stehenden Akten bzw. mittels der dazu gemachten behördlichen Angaben verifiziert werden kann, dass ein Ablehnungsgrund (auch) hinsichtlich der nicht zur Verfügung stehenden (Teile der) Information vorliegt.
98Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2013 - 7 A 15.10 -, NVwZ 2013, 1285 = juris Rn. 20, m.w.N.
99Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage der Behördenakten ist, folgt nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht gleichsam automatisch zur Verlagerung in das „in-camera“-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Dies gilt sowohl mit Blick auf prozedurale als auch hinsichtlich materieller Geheimhaltungsgründe. Auch für deren Feststellung muss der konkrete Akteninhalt nicht zwingend rechtserheblich sein. Das Hauptsachegericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation wird es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenverweigernde Stelle ggf. auffordern müssen, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den zurückgehaltenen Akten befindlichen Schriftstücke einschließlich der Anlagen etwa in Form eines mit (paginierten) Blattzahlen spezifizierten Inhaltsverzeichnisses zu machen. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder eines Erörterungstermins kann hinreichende Grundlage für die Feststellung sein, dass eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen entscheidungserheblich ist, weil die Angaben der Behörde - unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Erörterung der Sach- und Rechtslage - nicht ausreichen, um zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen der geltend gemachten fachgesetzlichen Ausnahmegründe vorliegen.
100Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. April 2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 = juris Rn. 8, vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233 = juris Rn. 12 f., vom 25. Juni 2010 - 20 F 1.10 -, NVwZ 2010, 1495 = juris Rn. 7.
101Gemessen daran ist ein „in-camera“-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst und der Hilfsbeweisantrag der Beklagten abzulehnen. Bereits mit Hilfe des vorliegenden Akteninhalts und des - eingehenden - Vortrags der Beklagten zu den Ausschlussgründen des § 3 Nr. 3 b) IFG - und auch des § 3 Nr. 7 IFG - lässt sich hinreichend sicher beurteilen, dass diese Versagungstatbestände nicht gegeben sind. Die Beklagte hat den Gehalt der Unterlagen, die ihrer Ansicht nach § 3 Nr. 3 b) IFG bzw. § 3 Nr. 7 IFG unterfallen sollen, genau genug umschrieben, um dem erkennenden Senat eine inhaltliche Prüfung dieser Ausnahmen von dem Informationszugangsanspruch zu ermöglichen. Diese Prüfung führt indes zu dem beschriebenen Ergebnis.
102Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
103Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
104Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor. Der vorliegende Fall gibt Anlass, Inhalt und Reichweite der Ausschlussgründe gemäߧ 3 Nr. 3 b) IFG und § 3 Nr. 7 IFG weiter auszudifferenzieren bzw. höchstrichterlich weitergehend zu klären.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.
Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet.
(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.
(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.
(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.