Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 14. Sept. 2017 - 2 LB 14/16

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2017:0914.2LB14.16.00
bei uns veröffentlicht am14.09.2017

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für das letzte Quartal 2014 und gegen die festgesetzte Vorauszahlung der Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2015.

2

Der Kläger, der im Jahre 19.. im Alter von x Jahren den Ort A... verließ, lebt in … und ist darüber hinaus Eigentümer seines Elternhauses, eines Reihenhauses im … in B..., nachdem seine Mutter ihm dieses mit notariellem Überlassungsvertrag vom 00.00.0000 übertragen hatte. Die Vereinbarung eines Nießbrauchvorbehalts bzw. eines lebenslangen Wohnrechts enthält der Vertrag trotz notarieller Belehrung in § 6 des Vertrages nicht. Gleichwohl sollte die Mutter die Immobilie unentgeltlich und bis zu ihrem Lebensende allein bewohnen.

3

Die Mutter lebt weiterhin in dem Reihenhaus. Der Kläger übernimmt alle, auch die verbrauchsabhängigen Kosten für die Immobilie.

4

Mit Bescheid vom 28. November 2014 zog die Beklagte den Kläger zu einer Vorauszahlung auf die Zweitwohnungssteuer für das 4. Quartal 2014 in Höhe von 243,78 € heran. Den dagegen erhobenen Widerspruch, den der Kläger damit begründete, dass der Nießbrauch nur nicht vereinbart worden sei, um die Anfechtung der Schenkung durch seine Schwester zu verhindern, aber klar gewesen sei, dass die Mutter bis zu ihrem Tode im … wohnen könne, wies die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 17. Dezember 2014 zurück.

5

Mit den hier streitgegenständlichen Bescheiden jeweils vom 20. Februar 2015 veranlagte die Beklagte den Kläger für das 4. Quartal 2014 zu einer Zweitwohnungssteuer in Höhe von 243,78 € und forderte zugleich eine Vorauszahlung auf die Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2015 in Höhe von 988,14 €.

6

Der Kläger, der die geforderten Beträge an die Beklagte gezahlt hat, legte hiergegen am 23. Februar 2015 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies er darauf, dass seine Mutter und er am 1. Januar 2015 einen Nutzungsüberlassungsvertrag geschlossen hätten, in dem folgendes geregelt werde:

7

„1. Der Sohn ... lässt seine Mutter ... in dem ihm von ihr übertragenen Haus … lebenslang kostenfrei wohnen.

8

2. Das Nutzungsrecht ist nicht auf andere übertragbar.

9

3. Der Vertrag endet automatisch mit dem Tod von ... .

10

4. Der Vertrag ist unwiderruflich und nicht kündbar.

11

5. Die Vertragspartner sind sich über die Tragweite dieses Vertrages im Klaren.“

12

Mit Bescheid vom 6. März 2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die unentgeltliche tatsächliche Überlassung der Wohnung an die Mutter des Klägers seine rechtliche Verfügungsmacht und damit ein Innehaben der Wohnung nicht entfallen lasse. Der Nutzungsüberlassungsvertrag ändere hieran nichts; darin sei lediglich die unentgeltliche Überlassung der Wohnung geregelt.

13

Mit seiner hiergegen am 7. April 2015 erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft.

14

Während des erstinstanzlichen Verfahrens, und zwar mit Bescheid vom 25. Februar 2016 hat die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2015 unverändert in Höhe der Vorauszahlung von 988,14 € festgesetzt. Auch hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 4. März 2016 Widerspruch eingelegt. Gleichzeitig hat er mit Schriftsatz vom 3. März 2016 beantragt, dieses Widerspruchsverfahren sowie das Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz in das Verwaltungsgerichtsverfahren einzubeziehen. Die Beklagte hat dem Antrag des Klägers auf Aussetzung der vorläufigen Vollziehung mit Schreiben vom 9. März 2016 stattgegeben und gleichzeitig im vorausgesetzten Einverständnis des Klägers das Widerspruchsverfahren analog § 94 VwGO bis zu einer Entscheidung im gerichtlichen Verfahren ruhen lassen.

15

Ohne seinen Antrag vom 3. März 2016 weiter zu verfolgen, hat der Kläger gerichtet gegen beide Bescheide vom 20. Februar 2015 beantragt,

16

den Zweitwohnungssteuerbescheid vom 20. Februar 2015 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2015 aufzuheben.

17

Die Beklagte hat beantragt,

18

die Klage abzuweisen.

19

Sie hat zur Begründung ausgeführt, mit dem Nutzungsüberlassungsvertrag, der als Leihvertrag zu bewerten sei, habe der Kläger seine Verfügungsmacht ausgeübt, in dem er sich entschlossen habe, den Wohnraum unentgeltlich für Zwecke der persönlichen Lebensführung eines Familienangehörigen zu nutzen. Dies aber begründe die Steuerpflicht.

20

Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht - 2. Kammer, Einzelrichter - hat der Klage mit Urteil vom 15. März 2016 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger besitze trotz der im Wege der Schenkung erlangten Eigentümerstellung keine Verfügungsmacht über das Grundstück. Dies begründe sich zwar nicht aus dem Nutzungsüberlassungsvertrag, da ein solcher nicht mit einem Mietvertrag über Wohnraum vergleichbar sei. Er stelle einen Leihvertrag dar, der gerade die Verfügungsmacht des Entleihers nicht entfallen lasse. Dennoch läge die Verfügungsmacht ausschließlich bei der Mutter, die das Haus allein bewohne und auch nur allein bewohnen dürfe. Der Kläger könne die Verfügungsmacht auch nicht zurückerlangen; denn die Mutter könne ein Herausgabeverlangen des Klägers jederzeit wirksam verweigern, da sie in diesem Fall die Schenkung wegen groben Undanks gemäß § 530 Abs. 1 BGB widerrufen könne.

21

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten, mit der sie ihre bisherige Argumentation wiederholt und vertieft und ergänzend geltend macht: Der Kläger könne jederzeit die Herausgabe des Grundvermögens verlangen, weil der Nutzungsüberlassungsvertrag vom 1. Januar 2015 nur zum Schein, und zwar zur Vermeidung der Zahlung von Zweitwohnungssteuer abgeschlossen worden und damit nichtig sei. Dies folge aus dem von ihnen beabsichtigten Zweck, die Schwester von jeglichen Erbansprüchen auszuschließen. Durch den Nutzungsüberlassungsvertrag, der rechtlich einem Nießbrauch gleichkäme, könnten sie dieses Ziel indes nicht mehr erreichen, weil die Mutter des Klägers durch die Schenkung ihr Grundvermögen noch nicht aus der Erbmasse ausgegliedert hätte. Demgemäß handele es sich bei der Gebrauchsüberlassung um eine solche tatsächlicher Art, die die Zweitwohnungssteuerpflicht nicht entfallen lasse.

22

Die Beklagte beantragt,

23

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 2. Kammer, Einzelrichter – vom 15. März 2016 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Der Kläger verweist zur Begründung des Fehlens seiner Verfügungsbefugnis über die Immobilie auf das Urteil des Senats vom 22. Juli 2016 - 2 LB 12/16 -, bestätigt durch Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2017 (- 9 B 64.16 -).

Entscheidungsgründe

27

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

28

I. Die gegen den Bescheid über die Zweitwohnungssteuerveranlagung für das Jahr 2014 in Höhe von 243,78 € vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2015 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis dafür liegt vor, auch wenn der Vorauszahlungsbescheid vom 28. November 2014 bestandskräftig ist. Einwendungen gegen den Beitragsanspruch, die bereits bei Erlass des Vorauszahlungsbescheides bekannt waren, können gegenüber dem späteren Abgabenbescheid ebenso geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1974 - 4 C 26.73 -, beck-online).

29

Die gegen den Bescheid über die Zweitwohnungssteuervorauszahlung für das Jahr 2015 in Höhe von 988,14 € vom 20. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2015 gerichtete Anfechtungsklage ist ebenfalls zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis dafür liegt weiterhin vor. Das Klagebegehren hat sich nicht durch den am 25. Februar 2016 erlassenen endgültigen Bescheid über die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2015 in gleicher Höhe erledigt. Denn der endgültige, indes nicht bestandskräftige Bescheid ersetzt den Vorauszahlungsbescheid nicht.

30

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts tritt die Erledigung eines Verwaltungsaktes erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 2008 - 7 C 5.08 -, juris, Rn. 13 und vom 17. November 1998 – 4 B 11.98 -, juris, Rn. 9, jeweils m.w.N.). Das Rechtsschutzinteresse für eine Klage gegen einen Vorausleistungsbescheid entfällt, soweit dessen Regelungsteile durch einen endgültigen Heranziehungsbescheid ersetzt werden, in gleicher Weise, als wenn ein ursprünglicher Bescheid in seinen Regelungsteilen durch einen nachfolgenden Änderungsbescheid ersetzt wird. Für die maßgeblich nach dem jeweiligen Landesrecht zu beurteilende Frage, ob eine solche ersetzende Wirkung eintritt, ist zu berücksichtigen, dass der Regelungsinhalt von vorläufigen wie endgültigen Abgabenbescheiden zwei Gegenstände haben kann, nämlich zum einen die Festsetzung der Abgabe und zum anderen die Zahlungsaufforderung; die Beurteilung des Rechtsschutzinteresses hat dementsprechend gegebenenfalls beide Regelungsgegenstände in den Blick zu nehmen (BVerwG, Beschlüsse vom 19. Dezember 1997 - 8 B 244.97 - juris, Rn. 8f. und vom 31. Mai 2005 - 10 B 65.04 - juris, Rn. 5 mit Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 1997 - 8 B 244.97 -, Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 251).

31

Gemessen an diesen Grundsätzen enthält der Vorauszahlungsbescheid eine eigenständige Regelung, und zwar die auf der Grundlage von § 3 Abs. 6 Kommunalabgabengesetz des Landes Schleswig-Holstein (KAG) in der Fassung vom 10. Januar 2005 (GVOBl Schl. H. S. 27), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des KAG und der GO vom 15. Juli 2014 (GVOBl Schl.- H. S. 129) iVm. § 6 Abs. 2 Satz 2 der Satzung über die Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Stadt F... vom 16. Dezember 2010 (ZwWstS) in der Form der 1. Nachtragssatzung vom 20. Dezember 2013 ergehende Aufforderung der Gemeinde zur Vorauszahlung der Zweitwohnungssteuer, also den sogenannten Zahlungsbefehl. Wird danach eine Steuer als Jahressteuer erhoben, kann durch Satzung festgelegt werden, dass der Steuerpflichtige Vorauszahlungen auf die Steuer zu entrichten hat, die er für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden wird (§ 3 Abs. 6 KAG a. F.). Dementsprechend hat die Beklagte in § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 ZwWStS geregelt, dass die Stadt F... auf die zu erwartende Höhe der Jahressteuer, die für das vorangegangene Steuerjahr am Anfang des Folgejahres für das abgelaufene Kalenderjahr rückwirkend festgesetzt wird, Vorauszahlungen erheben kann. Die Vorauszahlungsverpflichtung ist nicht erst am Ende des Veranlagungsjahres – hier am 31. Dezember 2015 – bzw. mit dem Erlass des endgültigen Veranlagungsbescheides am 25. Februar 2016 fällig, sondern als Vorauszahlungsverpflichtung beginnend mit dem 15. März 2015 jeweils zum 15. Mai 2015, 15. August 2015 und 15. November 2015 (vgl. auch § 6 Abs. 3 ZwWStS). Insoweit schafft der Vorauszahlungsbescheid, bei dem es sich um einen sofort vollziehbaren Abgabenbescheid mit der Folge, dass die aufschiebende Wirkung eines dagegen eingelegten Widerspruchs von Gesetzes wegen entfällt (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), handelt, nicht nur die Vollstreckungsgrundlage, sondern bildet den Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung im Falle der Erfüllung der Zahlungsverpflichtung durch den Vollstreckungsschuldner bis zur Bestandskraft des endgültigen Abgabenbescheides. Das Begehren auf Erstattung des geleisteten Betrages und die damit verbundene Geltendmachung eines Zinsanspruches aus § 11 Absatz 1 KAG iVm. § 236 AO setzt damit die rechtskräftige Aufhebung des Vorauszahlungsbescheides, also den Wegfall des Rechtsgrundes, den der Kläger mit der Anfechtungsklage begehrt, voraus.

32

Demgegenüber regelt der Bescheid vom 25. Februar 2016 die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2015 zwar in Höhe der Vorauszahlungen, enthält darüber hinaus aber für das Steuerjahr 2015 keine bzw. keine weitergehende Zahlungsaufforderung gegenüber dem Steuerschuldner. In dem endgültigen Heranziehungsbescheid wird zwar gleichsam einer Verrechnung festgestellt, dass offene Forderungen aus dem Jahr 2015 gegenüber dem Steuerschuldner nicht bestehen. Als Konsequenz daraus wird der Vorauszahlungsbescheid indes nicht für gegenstandslos erklärt bzw. aufgehoben. In diesem Fall aber bleibt der Vorauszahlungsbescheid weiterhin Rechtsgrundlage für den mit ihm verlangten Teil der Abgabe und ist insoweit unabhängig vom rechtlichen Schicksal des endgültigen Bescheides. Daran wird deutlich, dass das Schleswig-Holsteinische Landesrecht die gesetzliche Möglichkeit einer Trennung zwischen der Festsetzung der Abgabe in Form der Zweitwohnungssteuerveranlagung und der Zahlungsverpflichtung als Zweitwohnungssteuervorauszahlung vorsieht mit der Konsequenz, dass beiden Bescheiden unterschiedliche Regelungsinhalte zu kommen (vgl. auch zum Beitragsbescheid, Urteil des Senats vom 27. Januar 2009 - 2 LB 43/08 -, Rn. 35 ff und zum Gebührenbescheid, Urteil des Senats vom 14. April 2016 - 2 LB 1/16 - juris, Rn. 44).

33

Der Senat setzt sich mit den vorgenannten Ausführungen nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. In den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschlüsse vom 3. Juli 1978 - 7 B 118-124.78 - Leitsatz 2; vom 19. Dezember 1997 - 8 B 244.97 -, Leitsatz 1 und vom 31. Mai 2005, aaO.) ging es um die Frage, ob ein bestandskräftiger (hervorgehoben durch den Senat) endgültiger Vorausleistungsbescheid einen vorausgegangenen vorläufigen Heranziehungsbescheid gegenstandslos macht, ihn also als Rechtsgrund verbunden mit dem dann einhergehenden Verlust des Rechtsschutzbedürfnisses ablöst. Zudem stellt das Bundesverwaltungsgericht in seinen Entscheidungen auf die nach dem jeweiligen Landesrecht in den Blick zu nehmenden unterschiedlichen Regelungsgehalte von vorläufigen und endgültigen Abgabenbescheiden ab.

34

Daran gemessen kommt, wie oben aufgezeigt, nach dem Schleswig- Holsteinischen Landesrecht sowohl dem Vorauszahlungsbescheid als auch dem Veranlagungsbescheid eine andere und damit eigenständige Regelung zu. Darüber hinaus ist der Veranlagungsbescheid vom 25. Februar 2016 nicht bestandskräftig. Im Gegenteil: Die Beklagte hat das Ruhen des Widerspruchsverfahrens gemäß § 94 VwGO analog im Hinblick auf den Ausgang des Anfechtungsverfahrens gegen den Vorauszahlungsbescheid vom 20. Februar 2015 für das Jahr 2015 angeordnet.

35

II. Die hiernach zulässige Klage ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Bescheide, jeweils vom 20. Februar 2015, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

36

Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats zutreffend angenommen, dass der Steuertatbestand grundsätzlich erfüllt ist, wenn jemand neben seiner Hauptwohnung eine weitere Wohnung nicht für sich selbst, sondern für den persönlichen Lebensbedarf von Familienangehörigen vorhält, solange er sich nicht der Verfügungsmacht über die Wohnung begibt, sondern sie nur den Familienangehörigen tatsächlich zur Nutzung überlässt (UA S. 8). Die Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer kennzeichnet das Anknüpfen an den Aufwand, der der persönlichen Lebensführung dient oder über das hinausgeht, was zur persönlichen Lebensführung erforderlich ist (1.).

37

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 7/9) hat der Kläger die Verfügungsbefugnis über die überlassene Immobilie wegen der rechtlich als Leihvertrag gemäß § 598 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu qualifizierenden vereinbarten unentgeltlichen Nutzung des Grundvermögens bis zum Tode der Mutter trotz Übertragung des Grundeigentums nicht erlangt (2.).

38

Ob der Kläger darüber hinaus – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat (UA S. 9/10) - im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum auch deshalb keine Verfügungsmacht über die Wohnung gehabt hat, weil er im Falle eines Herausgabeverlangens einem Widerrufsrecht seiner Mutter wegen groben Undanks nach § 530 Abs. 1 BGB ausgesetzt gewesen wäre, kann danach dahinstehen (3.).

39

1. Gemäß § 2 Abs. 2 ZwStS ist eine Zweitwohnung jede Wohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs oder dem persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder innehat.

40

Innehaben einer Wohnung bedeutet ein Bewohnen oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, wobei diese nicht tatsächlich verwirklicht werden muss; das Bereithalten, „Vorhalten“ der Wohnung ist ausreichend (Thiem/Böttcher, Rn. 292a zu § 3 KAG; OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016 - 2 LB 12/16 -, juris, Rn. 32). Der Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer ergibt, dass der Steuertatbestand nur erfüllt ist, wenn die Wohnung (auch) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt oder vorgehalten wird (OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016, aaO., juris, Rn. 33). Ein nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG besteuerbarer Aufwand für eine Zweitwohnung liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die weitere Wohnung innehat. Dies setzt voraus, dass er für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über deren Nutzung verfügen kann. Entscheidend ist, ob er weiterhin rechtlich gesichert die Verfügungsbefugnis und die Verfügungsmacht behalten hat (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2012 - 9 B 25.12 -, juris, Rn. 4).

41

Zwar kann eine Steuerpflicht für den Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigten auch dann begründet werden, wenn er die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern sie anderen unentgeltlich zur Verfügung stellt. Wer eine Wohnung einem Angehörigen oder einem sonstigen Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlässt, betreibt selbst Aufwand. Er kann Inhaber der Wohnung sein, soweit er sie weiterhin hält und sich der Verfügungsmacht über sie nicht begibt (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 -), sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhält (BVerwG, Urteile vom 10. Oktober 1995 - 8 C 40.93 -; vom 27. Oktober 2004 - 10 C 2.04 -und vom 11. Oktober 2016 - 9 C 28.9 C 28.15 -, Rn. 14, juris).

42

Allerdings ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2016 (9 C 28.15) eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung an Familienangehörige zu Wohnzwecken dann kein zweitwohnungssteuerpflichtiger Aufwand im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, wenn die Wohnung für unbestimmte Zeit im Rahmen eines Leihverhältnisses überlassen wird, das nur nach den Bestimmungen der §§ 573 ff. BGB für ein Mietverhältnis über Wohnraum gekündigt werden kann, oder wenn der Verleiher im Einvernehmen mit dem Entleiher eine Zweckbestimmung getroffen hat und die Wohnung daher nur nach Maßgabe von § 604 Abs. 2 BGB zurückfordern kann (BVerwG, Urteil vom 11. Oktober 2016 - 9 C 28.15 -, juris, rn 17f.;BVerwG, Beschluss vom 7. März 2017 - 9 B 64.16 -, Rn. 4, juris; vorgehend OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016 - 2 LB 12/16 -). In Bezug auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung bedarf es einer umfassenden Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalls (OVG Schleswig, aaO., juris, Rn. 33f.).

43

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht Inhaber der streitgegenständlichen Wohnung, weil er durch die Schenkung des Grundvermögens keine Verfügungsbefugnis an der Sache erlangt hat. Der Steueranspruch ist damit nicht entstanden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KAG iVm § 38 AO).

44

Der Kläger hat durch die Grundstücksübertragung keine Verfügungsbefugnis zum Nachteil seiner Mutter erlangt. Denn beide waren sich bereits bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages darüber einig, dass die Mutter in dem von ihr verschenkten Grundvermögen unentgeltlich bis zum Tode wohnen könne und dies entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nur in tatsächlicher Hinsicht, sondern mit Rechtsbindungswillen. Lediglich zur Vermeidung oder Verringerung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen der Schwester des Klägers sollte dieses Nutzungsrecht etwa in Form eines Nießbrauchvorbehalts bzw. eines lebenslangen Wohnrechts nicht dinglich gesichert werden.

45

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat eine erwiesene Gefälligkeit dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, seinem Handeln solle rechtliche Geltung zu kommen (Rechtsbindungswillen), und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegengenommen hat. Dabei ist die Frage, ob ein Rechtsbindungswillen vorhanden ist, ungeachtet des wirklichen inneren Willens des Leistenden danach zu beurteilen, ob aus dessen Handeln der Leistungsempfänger unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte einen solchen Willen schließen musste. Ob nur ein Gefälligkeitsverhältnis vorliegt, ist im Einzelfall nach Anlass und Zweck der Gebrauchsüberlassung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und nach der Interessenlage der Parteien zu beurteilen. Dabei ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auch anerkannt, dass ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis über die unentgeltliche Nutzung einer Wohnung auch stillschweigend vereinbart werden kann, wenn sich dies aus den Umständen, etwa der im Anschluss daran praktizierten Nutzung, ergibt. So beruht die unentgeltliche dauerhafte Nutzung von Wohnraum auf einem gegebenenfalls konkludent geschlossenen Leihvertrag, wenn diese vermögenswerte Gebrauchsüberlassung nach den Interessen der Parteien nicht im rechtsfreien Raum vollzogen sein sollte. Der Zweck einer unentgeltlichen Wohnraumnutzung hebt eine Gebrauchsüberlassung an Familienangehörige über den Bereich der üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 -, juris, Rn. 12; Urteil vom 18. Oktober 2011 - X ZR 45/10 -, juris, Rn. 26 und vom 4. März 2015 - XII ZR 46/13 -, juris, Rn. 16). Darüber hinaus ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Abgrenzung zu der nach § 518 BGB formbedürftigen Schenkung die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohn- und Geschäftsräumen – Grenze stellt die einer Gebrauchsüberlassung nahekommende Weggabe der Substanz der Sache dar - regelmäßig auch bei langer Vertragslaufzeit der Leihe und auch dann wenn ein lebenslanges Wohnrecht zugunsten des Entleihers vereinbart worden ist, selbst dann nicht formbedürftig, wenn das Recht des Verleihers zur Eigenbedarfskündigung vertraglich ausgeschlossen ist (vgl. zuletzt BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 - XII ZR 33/15 -, juris Leitsatz 2, Rn. 17ff).

46

Gemessen an diesen Grundsätzen stellt die mündliche Abrede des Klägers und seiner Mutter einen schuldrechtlichen Vertrag in Form der Leihe im Sinne der §§ 598 ff. BGB dar und kein bloßes Gefälligkeitsverhältnis, von dem die Leihe abzugrenzen ist. Durch den Leihvertrag hat sich der Kläger als Verleiher gegenüber seiner Mutter als Entleiherin vertraglich verpflichtet, ihr den Gebrauch des Grundvermögens unentgeltlich zu gestatten (vgl. § 598 BGB). Seine Mutter konnte sich auch nach Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages darauf verlassen, dass sie die Wohnung weiterhin nutzen kann, ohne etwa willkürlichen Räumungsverlangen des Klägers ausgesetzt zu sein. Dies entspricht auch dem erkennbar erklärten Willen des Klägers und seiner Mutter sowie der Lebenswirklichkeit. Der zwischen ihnen am 1. Januar 2015 in Schriftform geschlossene Nutzungsüberlassungsvertrag stellt lediglich die schriftliche Umsetzung ihres erkennbar erklärten Willens dar.

47

Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Die Wohnsituation der Mutter des Klägers hat sich auch nach Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages nicht geändert; sie benutzt diese weiterhin, wie zuvor. Dies spricht bereits dafür, dass der Kläger und seine Mutter sich zumindest stillschweigend (konkludent) über die weitere Wohnnutzung der zu diesem Zeitpunkt bereits 70-jährigen Mutter einig waren. Zudem hat der Kläger - von der Beklagten nicht bestritten - in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt, dass er alle Kosten einschließlich der verbrauchsabhängigen für das Grundvermögen trägt. Auch insoweit praktizieren der Kläger und seine Mutter die unentgeltliche Wohnnutzung. Im Übrigen aber ist ein bloßer Gefälligkeitscharakter der Vereinbarung schon deshalb nicht anzunehmen, da der Zweck der Nutzung des Wohnraums bis zum Tod über den Bereich der üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinausgeht.

48

Der Kläger hat von Anbeginn des Verfahrens deutlich gemacht, dass für seine Mutter und ihn immer klar gewesen sei, dass diese die Immobilie bis zu ihrem Lebensende nutzen solle. So hat er bereits in seinem Widerspruch gegen den nicht streitgegenständlichen und bestandskräftigen Zweitwohnungssteuerbescheid über die Steuervorauszahlung für das Jahr 2014 vom 2. Dezember 2014 angegeben, dass er zwar seit Oktober 2014 Eigentümer des Grundvermögens sei, seine Mutter aber im … mietfrei bis zu ihrem Tode wohnen solle. Lediglich aus familieninternen Gründen, und zwar um die Anfechtungsmöglichkeiten der Schenkung seiner Schwester auszuschließen, und aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen ihm und seiner Mutter hätten sie bewusst keinen Nießbrauch vereinbart. Diese Angaben hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bestätigt. Dort hat er auf Nachfrage des erkennenden Einzelrichters zu den Gründen des Abschlusses des notariellen Überlassungsvertrages ausgeführt, dass es seiner Mutter darum gegangen sei, die in Ungnade gefallene Tochter von jeglicher Erbschaft auszuschließen. Sie seien aber dahin beraten worden, dass im Falle der Eintragung eines dinglichen Nießbrauchs an der Wohnung dieser Nießbrauch in die Erbmasse gefallen wäre. Nur aus diesen erbrechtlichen Gründen sei ein dinglicher Nießbrauch nicht eingetragen worden. Dies habe aber nichts daran geändert, dass er und seine Mutter selbstverständlich vereinbart hätten, dass sie das Haus bis zu ihrem Ableben weiter bewohnen dürfe (UA Seite 5). Dies deckt sich auch mit seinen Angaben in der Berufungsverhandlung. Dort hat der Kläger eindrucksvoll geschildert, wie es zur Übertragung der Immobilie gekommen ist. Dieser sei eine anwaltliche Beratung mit dem Ziel vorausgegangen, die rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, die Erbansprüche seiner Schwester „… (Name der Schwester) sollte wenig bekommen“, die sich im Pflegefall nicht um die Mutter kümmern würde und die deshalb nicht dieselben Erbansprüche wie der Kläger haben sollte, zu mindern bzw. auszuschließen. Die Beratung habe zu dem Ergebnis geführt, dass seine Mutter und er sich für die im Anschluss daran beurkundete Schenkung der Immobilie „ohne Wenn und Aber“ entschieden hätten. Dabei sei zwischen seiner Mutter und ihm aber von Anfang an klar gewesen, dass diese in dem Haus bis zu ihrem Lebensende wohnen dürfe.

49

Die Beklagte bestreitet die Angaben des Klägers auch nicht. Sie hat lediglich im erstinstanzlichen Verfahren die Auffassung vertreten, dass der Kläger gerade durch die tatsächliche Überlassung des Grundvermögens seine Verfügungsmacht ausgeübt habe und der am 1. Januar 2015 vereinbarte Nutzungsüberlassungsvertrag daran auch nichts ändere. Zudem vertritt sie im zweitinstanzlichen Verfahren darüber hinaus die Auffassung, dass der Kläger seiner Mutter die Immobilie nicht mit Rechtsbindungswillen zur Nutzung überlassen habe und der später aufgesetzte Nutzungsüberlassungsvertrag nur zur Vermeidung der Steuerpflicht, also zum Schein abgeschlossen worden und damit gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig sei. Zu dieser Folgerung gelangt sie, weil der Kläger und seine Mutter bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages nach Belehrung durch den Notar (§ 6 des notariellen Überlassungsvertrages) bewusst auf die Eintragung eines Nießbrauchvorbehalts bzw. lebenslangen Wohnrechts im Grundbuch zur Vermeidung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen der Schwester des Klägers verzichtet haben, diesen Zweck indes nicht erreichen könnten, wenn sie eine schuldrechtliche Verpflichtung über die lebenslange Nutzung der Immobilie eingingen.

50

Der unstreitig zwischen dem Kläger und seiner Mutter bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages verfolgte Zweck, den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Schwester des Klägers so gering wie möglich zu halten, führt indes nicht zu einem unwirksamen Scheingeschäft.

51

Zwar haben der Kläger und seine Mutter diesen Zweck, den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Schwester gering zu halten, verfehlt, indem sie sich schuldrechtlich darüber einig waren, dass die Mutter die Immobilie bis zu ihrem Tode nutzen kann. Denn die Eintragung eines Nießbrauchs bzw. eines Wohnrechts im Grundbuch hätte zur Folge gehabt, dass die Mutter die verschenkte Immobilie wirtschaftlich nicht aus ihrem Vermögen ausgegliedert hätte und diese somit bei ihrem Tode in die Erbmasse gefallen wäre. Der Lauf der in § 2325 Abs. 3 BGB normierten 10-Jahresfrist beginnt in einem solchen Fall, in welchem das Grundstück wegen der uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeit nicht aus dem Vermögen des Erblassers ausgegliedert wird, nicht (vgl. BGH, Urteil von dem 27. April 1994, - IV ZR 132 / 93 -, juris , Leitsatz 2). Diese Grundsätze gelten für die bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages getroffene mündliche schuldrechtliche Vereinbarung über die Nutzung der Immobilie gleichsam. Auch durch eine solche Vereinbarung wird das Grundstück nicht aus der Erbmasse ausgliedert und beginnt die 10-Jahresfrist des § 2325 Abs. 3 BGB nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 27. April 1994, - IV ZR 132/93 -, juris, Rn 12). Das hat zur Folge, dass die Schwester des Klägers den Pflichtteil von dem Verkehrswert des Grundvermögens beanspruchen kann.

52

Allerdings lässt sich aus der Verfehlung des Zwecks entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der rechtliche Schluss ziehen, dass der Kläger und seine Mutter den Nutzungsüberlassungsvertrag vom 1. Januar 2015 zur Vermeidung der Zahlung von Zweitwohnungssteuer nur zum Schein geschlossen und bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages lediglich eine tatsächliche Nutzung des Grundvermögens gewollt haben.

53

Voraussetzung für ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 Abs. 1 BGB ist es, dass sich der Erklärende und der Erklärungsempfänger darüber einig sind, dass das objektiv Erklärte nicht gelten solle, sie also einvernehmlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollen, ohne dass die mit dem betreffenden Rechtsgeschäft verbundene Rechtswirkung eintreten soll (BGH, Urteil vom 25. November 2009 - XI ZR 413/07 -, juris, Rn. 31). Kennzeichnend für das Scheingeschäft ist damit das Fehlen eines Rechtsbindungswillens (BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961 - V ZR 103/60 -, Rn. 30, juris). Ob dies der Fall ist, ist Tatfrage. Die Beweislast für ein Scheingeschäft trägt derjenige, der sich darauf beruft.

54

Gemessen an diesen Grundsätzen hätten der Kläger und seine Mutter bei Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrages, um eine Erklärung nur zum Schein abgeben zu können, wissen müssen, dass sie den von ihnen verfolgten Zweck - Reduzierung bzw. Vermeidung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs der Schwester – nicht erreichen, wenn sie ohne dingliche Sicherung die unentgeltliche lebenslange Nutzung der Immobilie vereinbaren. Dies aber hat die Anhörung des Klägers gerade nicht ergeben. Vielmehr hat der Kläger angegeben, dass sowohl die Rechtsanwältin als auch der Notar nicht darüber belehrt hätten, dass sie den mit dem notariellen Überlassungsvertrag verfolgten Zweck, Pflichtteilsergänzungsansprüche der Schwester so gering wie möglich zu halten, nicht erreichten, wenn sie sich auch außerhalb einer dinglichen Sicherung des Nutzungsrechts über die lebenslange unentgeltliche Nutzung der Immobilie durch die Mutter einig seien. Ebenso sei eine Belehrung über eine mögliche Zweitwohnungssteuerpflicht des Klägers mit Erwerb der Immobilie nicht erfolgt. In Kenntnis dieser Umstände hätten sie ein Nießbrauchvorbehalt bzw. Wohnrecht in dem notariellen Überlassungsvertrag vereinbart. Denn die lebenslange Nutzung der Immobilie durch die Mutter sei von Anfang an gewollt gewesen.

55

Dass der am 1. Januar 2015 abgeschlossene Nutzungsüberlassungsvertrag zum Schein, also lediglich zum Zwecke der Vermeidung der Zahlung von Zweitwohnungssteuer geschlossen sein soll, widerspricht zu dem der Lebenswirklichkeit. Zu diesem Zeitpunkt haben sich der Kläger und seine Mutter bereits anwaltlich beraten lassen. Auch das hat die Anhörung des Klägers in der Berufungsverhandlung ergeben. Danach war den beiden bereits klar, dass die Zahlung von Zweitwohnungssteuer berechnet auf die durchschnittliche Lebenserwartung der zu diesem Zeitpunkt 70-jährigen Mutter des Klägers den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Schwester nahezu aufgezehrt hätte. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass sie ihre Willenserklärungen, die zudem, wie oben dargelegt ohnehin nur die bei Abschluss des notariellen Überlassungsvertrages getroffene mündliche Abrede schriftlich umgesetzt hat, nur zum Schein abgegeben haben sollen, also das wirklich erklärte, in Wahrheit nicht gewollt haben.

56

Liegt danach ein wirksamer, nicht formbedürftiger Leihvertrag vor (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Januar 2016, aaO, juris, Rn. 24ff, Leitsatz 2 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH), durch den sich der Kläger gegenüber seiner Mutter zur unentgeltlichen und lebzeitigen Überlassung der Wohnung verpflichtet hat, kann das Leihverhältnis wegen der beschriebenen Zweckbestimmung nicht einseitig und ohne Vorliegen eines wichtigen dies rechtfertigenden Grundes beendet werden und wäre die Mutter nicht unberechtigten Räumungs- bzw. Herausgabebegehren ihres Sohnes ausgesetzt. Denn nach § 604 Abs. 2 Satz 2 BGB ist der Entleiher, wenn eine Zeit für die Leihe nicht bestimmt ist, erst verpflichtet, die Sache zurückzugeben, nachdem er den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat. Damit korrespondiert das Rückforderungsrecht des Verleihers gemäß § 604 Abs. 3 BGB. Danach kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist. Vereinbarter Zweck der Leihe ist zwischen dem Kläger und seiner Mutter aber das lebenslange Wohnrecht der Mutter. Dies hat zur Folge, dass der Kläger, die Nichtigkeit der Regelung in Nummer vier des Nutzungsüberlassungsvertrages vom 1. Januar 2015 unterstellt, nur unter den Voraussetzungen der §§ 605, 314 BGB berechtigt ist, das Leihverhältnis mit seiner Mutter zu kündigen. Insoweit ist nichts erkennbar dafür, was das Rechtsverhältnis des Klägers zu seiner Mutter von demjenigen eines Vermieters zu seiner Mieterin unterschiede (vgl. dazu OVG Schleswig, Urteil vom 22. Juli 2016, aaO, juris, Rn. 40; BVerwG, Beschluss vom 7. März 2017, aaO, juris, Rn. 8f.).

57

Der Senat merkt zum Einwand der Beklagten, die Regelung in Nummer vier des Nutzungsüberlassungsvertrages vom 1. Januar 2015 sei nichtig, lediglich an, dass eine Teilnichtigkeit nicht zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages führte. Denn nach § 139 BGB ist, wenn ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig ist, das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, das es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Der erkennbar erklärte Parteiwille aber war die unentgeltliche, lebzeitige Nutzungsüberlassung der Immobilie und damit der Abschluss eines Leihvertrages. Die Unwirksamkeit der den Kündigungsausschluss insgesamt betreffenden Regelung führt nicht dazu, dass die Parteien bei Kenntnis davon insgesamt Abstand vom Vertragsschluss, also von den vereinbarten Regelungen in Nr. 1 bis 3 und 5 genommen hätten. Die Unwirksamkeit dieser Regelung (Nr. 4) hätte auch nicht in rechtlicher Hinsicht eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages zur Folge. Denn Leihverträge können auch ohne Ausschluss von Kündigungsrechten geschlossen werden; die restlichen Vereinbarungen hätten weiterhin einen Sinn. Die Nichtigkeit der Regelung (Nr. 4) also unterstellt, führt das dann verbleibende Vertragswerk, wie bereits oben dargelegt, ebenso zu einer mietähnlichen Rechtsposition für die Mutter des Klägers.

58

3. Darauf, ob der Kläger darüber hinaus – wie das Verwaltungsgericht angenommen hat (UA S. 9/10) - im streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum auch deshalb keine Verfügungsmacht über die Wohnung gehabt hat, weil er im Falle eines Herausgabeverlangens einem Widerrufsrecht seiner Mutter wegen groben Undanks nach § 530 Abs. 1 BGB ausgesetzt gewesen wäre, kommt es danach nicht mehr an.

59

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

60

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 Satz 1, § 711 ZPO.

61

Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.

(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 01.02.2016 geändert.

Die Abgabenbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2009 bis 2014.

2

Sie lebt in ..., ... und ist darüber hinaus Eigentümerin eines weiteren Wohnhauses ... in ... . Dieses Haus verfügt über zwei Wohnungen, in denen seit 2001 die beiden Töchter der Klägerin mit Hauptwohnsitz leben, die Tochter ... nach Trennung von ihrem Ehemann noch mit ihren beiden Kindern ... und ..., die Tochter ... mit Ehemann und den Kindern ... und ... .

3

Auf Aufforderung der Beklagten am 11.9.2012 erklärte die Klägerin, dass das Haus ... in ... von ihr oder ihren Familienangehörigen genutzt werde. Auf die Bitte der Beklagten, den Mietvertrag mit ihrer Tochter vorzulegen, antwortete die Klägerin, sie habe keinen Mietvertrag mit ihrer Tochter ... abgeschlossen. Telefonisch gab sie an, das Objekt mietfrei zur Verfügung zu stellen.

4

Mit Bescheid vom 14.11.2013 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Haus ... für die Jahre 2009 bis 2013 in Höhe von insgesamt 11.030,58 € fest. Dabei legte sie der Berechnung die vom Finanzamt Oldenburg mitgeteilte Jahresrohmiete des gesamten Hauses von 4.584,24 € zugrunde.

5

Die Klägerin legte am 2.12.2013 Widerspruch ein und stellte am 12.12.2013 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Sie habe am 16.12.2013 mit ihrer Tochter ... den seit Ende 2000 mündlichen bestehenden Leihvertrag für das Dachgeschoss mit ca. 80 qm Gesamtwohnfläche in Schriftform aufgenommen. Dieser gelte rückwirkend seit März 2001 für 15 Jahre mit Verlängerungsoption. Die Klägerin könne deshalb nicht über die Wohnung verfügen, der Leihgegenstand könne derzeit nicht zurückgefordert werden. Zudem sei die Berechnung der Steuer nicht nachvollziehbar.

6

Die Beklagte erläuterte die Berechnung der Zweitwohnungssteuer mit Schreiben vom 20.12.2013 und 14.1.2014 und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

7

Mit weiterem Bescheid vom 13.1.2014 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2014 auf 2.393,43 € fest. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

8

Den Aussetzungsantrag lehnte die Beklagte am 20.1.2014 ab.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2014 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Der nachträglich am 16.12.2013 geschlossene Wohnraumleihvertrag für das Dachgeschoss stelle ein mietfreies Überlassen der Wohneinheit dar. Die Klägerin habe sich dadurch nicht der rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Wohnung begeben. Eine Vergleichbarkeit mit einem dinglichen Nutzungsrecht liege nicht vor. Angaben über die Nutzung des Erdgeschosses mit ca. 123 qm seien nicht gemacht worden.

10

Am 11.3.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte sei von einer falschen Jahresrohmiete ausgegangen, das Finanzamt Ostholstein habe für die Dachgeschoss-Wohnung eine Jahresrohmiete von lediglich 3.607,- DM festgestellt. Die Zweitwohnungssteuer für die Wohnung von Frau ... müsse deshalb erheblich geringer sein.

11

Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, weil nicht ersichtlich sei, für welche der beiden Wohnungen in dem Objekt ... die Steuer erhoben werde. Die Beklagte habe sich offenbar nur mit den Voraussetzungen der Steuererhebung für die Dachgeschoss-Wohnung befasst. Die Klägerin habe aber auch die 123 qm große Erdgeschoss-Wohnung an ihre Tochter ... verliehen.

12

Die Klägerin könne ihre Wohnungen nicht nutzen, weil sie diese verliehen habe und nur die Leihnehmerinnen zur Nutzung der Wohnung berechtigt seien. Ihre Tochter ... habe aus dem Leihvertrag ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an der Dachgeschosswohnung.

13

Hilfsweise sei der Wohnraumleihvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 4.5.1970 - VIII ZR 179/68) als Mietvertrag auszulegen, da die Tochter der Klägerin nach § 3 des Vertrages einen Anteil an den Betriebskosten (Grundsteuer, Straßenreinigung, Niederschlagswasser, Gebäudeversicherung sowie Wartung der Heizung und der Kanalisation) von monatlich rund 100,- € zahle. Dieser Betrag werde - wie in Familien üblich - in bar übergeben.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Zweitwohnungssteuerbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2014 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts verwiesen und ist der Auffassung, dass hier ein unentgeltliches Zurverfügungstellen von Wohnraum an Angehörige vorliege, das die Verfügungsmacht nicht beseitige. Die Zahlung der Betriebskosten in bar sei nicht überprüfbar.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen. Die Klägerin unterliege der Steuerpflicht. Dem stehe nicht entgegen, dass das im Eigentum der Klägerin stehende Haus ... in ... von den Töchtern mit ihren Familien seit 2001 als Hauptwohnsitz genutzt werde, ebensowenig der mit der Tochter ... für das Obergeschoss geschlossene „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013. Die Klägerin ist nicht nur Eigentümerin, sondern auch Inhaberin des streitbefangenen Steuerobjekts. Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter sei dann unschädlich, wenn der Verfügungsberechtigte sich der Verfügungsmacht nicht begebe.

20

Die zwischen der Klägerin und ihrer Tochter ... für das Dachgeschoss geschlossene schriftliche und der mit der Tochter ... für das Erdgeschoss angeblich mündlich geschlossene Leihe sei mit einem Mietvertrag über Wohnraum nicht vergleichbar. Der Entleiher könne sich nicht auf Kündigungsschutzbestimmungen berufen. Vielmehr könne der Verleiher nach § 604 Abs. 3 BGB die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen sei.

21

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 08.02.2016 zugestellte Urteil am 29.02.2016 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 02.05.2016 stattgegeben hat.

22

Die Klägerin trägt vor, dass ihre eigene Nutzungsmöglichkeit bezüglich der beiden Wohnungen ... aufgrund der Dauerwohnraumleihverträge mit ihren Töchtern während des Veranlagungszeitraums ausgeschlossen gewesen sei. Zudem lägen die beiden Wohnhäuser lediglich 800 m voneinander entfernt. Inzwischen habe sie die Wohnungen mit notariellem Übertragungsvertrag vom 26.04.2016 an ihre beiden Töchter übertragen.

23

Die Klägerin beantragt,

24

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 2. Kammer, Einzelrichterin – vom 01.02.2016 zu ändern und die Bescheide vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 aufzuheben

25

sowie die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin habe im Veranlagungszeitraum die Verfügungsbefugnis trotz der Leihe über die Wohnungen behalten.

29

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt Heiligenhafen ist Gegenstand der Steuer „das Innehaben einer Zweitwohnung“ im Stadtgebiet. Dieser Steuertatbestand ist vorliegend nicht erfüllt. Der Steueranspruch ist damit nicht entstanden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 38 AO).

32

„Innehaben“ einer Wohnung bedeutet ein Bewohnen oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, wobei diese nicht auch tatsächlich verwirklicht werden muss; die Wohnung muss dafür bereitgehalten, „vorgehalten“, werden (Thiem/Böttcher, Rn 292a zu § 3 KAG). Als objektives Tatbestandsmerkmal ist das Innehaben als solches unabhängig von seiner Zweckbestimmung zu sehen. Die zweitwohnungssteuerrechtliche Bedeutung erhält es erst im Zusammenhang mit dem Verwendungszweck „zum persönlichen Lebensbedarf“ als dem subjektiven Tatbestandsmerkmal. Wird eine nicht als Vermietungsobjekt betrachtete Zweitwohnung über Jahre hinweg weder von deren Inhaber noch von dessen Familienangehörigen auch nur gelegentlich bewohnt, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass sie derzeit nicht für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 297 zu § 3 KAG).

33

Aus dem Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer folgt, dass der Steuertatbestand nur erfüllt ist, wenn die Wohnung (auch) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt oder vorgehalten wird. Diese im Begriff der Aufwandssteuer angelegte Abgrenzung zur zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage bedarf einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles. Der gesamte objektive Sachverhalt muss daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt (Thiem/Böttcher, Rn 324 zu § 3 KAG).

34

Eine steuerfreie reine Kapitalanlage liegt dann vor, wenn zu der fehlenden Eigennutzung im Veranlagungszeitraum objektive Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Wohnung nicht für den persönlichen Bedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 308 zu § 3 KAG). Der Verwendungszweck der Wohnung, sei es für die rein persönliche Nutzung oder einen auch privaten Bedarf, sei es zur ausschließlichen oder nur gelegentlichen Einkommenserzielung – beruht auf der nicht überprüfbaren Vorstellung des Zweitwohnungsinhabers. Diese „innere Tatsache“ ist deshalb auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände und Merkmale zu beurteilen. Dies erfordert, soweit der Sachverhalt nicht offenkundig auf die eine oder andere Art der Nutzung hindeutet, eine umfassende Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles in Bezug auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung (Thiem/Böttcher, Rn 316 zu § 3 KAG mit zahlreichen Nachweisen). Diesem Auftrag sind weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht nachgekommen.

35

Es besteht bei den Beteiligten Einigkeit darüber, dass weder die Klägerin noch die Familien ihrer beiden Töchter die Wohnungen mit der Anschrift ... tatsächlich als Zweitwohnung bewohnen oder auch nur je bewohnt haben. Streitig ist lediglich, ob diese beiden Wohnungen der Verfügung der Klägerin derart entzogen sind, dass es ihr – tatsächlich oder aus Rechtsgründen - nicht möglich ist, diese Wohnungen einer zweitwohnungssteuerrechtlich erheblichen Nutzung zuzuführen.

36

Sowohl die Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht haben hierzu maßgeblich darauf abgestellt, dass die zwischen der Klägerin geschlossenen „Wohnraumleihverträge“ nicht geeignet seien, den Entzug einer derartigen Nutzung zu bewirken, weil die verliehene Sache gemäß § 604 Abs. 3 BGB „jederzeit“ vom Entleiher zurückgefordert werden könne. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Diese Betrachtung schöpft den Umfang der von der Rechtsprechung geforderten umfassenden Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles, zu denen auch die maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse gehören, nicht aus.

37

Bei dieser umfassenden Würdigung ergibt sich, dass die Klägerin ihren Töchtern und deren Familien im Rahmen der verwandtschaftlichen Beziehung Wohnraum verschaffen wollte. Dabei liegt die Annahme nahe, dass sich Mutter und Töchter über die rechtliche Konstruktion dieser Nutzungsüberlassung keine Gedanken gemacht hatten. Mutmaßungen, dass sich die Klägerin und ihre Töchter vom Wesen, von den tatbestandlichen Voraussetzungen oder von den rechtlichen Wirkungen eines Leihvertrages hätten leiten lassen, haben deshalb keine tatsächlichen Grundlagen. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die Nutzung seit März 2001 andauert und der schriftliche „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013 datiert. Maßgeblich für die zu fordernde Gesamtschau ist die gelebte Lebenswirklichkeit.

38

Ein nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG besteuerbarer Aufwand für eine Zweitwohnung liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die weitere Wohnung innehat. Dies setzt voraus, dass er für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über deren Nutzung verfügen kann. Die rein tatsächliche Möglichkeit der Nutzung genügt nicht (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27, juris Rn. 16). Wohnungsinhaber ist derjenige, der die alleinige oder gemeinschaftliche Verfügungsmacht und rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum besitzt. Dies kann nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.09 -, NVwZ 2009, 1172). Der Inhaberschaft steht die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter nur dann nicht entgegen, wenn der Verfügungsberechtigte (hier der Eigentümer) sich der Verfügungsmacht nicht begibt (BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 175/79 -, BVerfGE 65, 325). Entscheidend ist, ob er weiterhin rechtlich gesichert die Verfügungsbefugnis und die Verfügungsmacht behalten hat (OVG Schleswig, Urt. v. 27.3.2012 - 4 LB 1/12 -, bestätigt durch BVerwG, B. v. 20.12.2012 - 9 B 25.12 - juris).

39

Das Leihverhältnis ist ein schuldrechtlicher Vertrag und ist von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden (BGH, Urt. v. 10.10.1984 - VII ZR 152/83 -, NJW 1985, 313 = FamRZ 1985, 150). Eine erwiesene Gefälligkeit hat dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, seinem Handeln eine rechtliche Geltung zukommen zu lassen (Rechtsbindungswille) und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegengenommen hat. Unabhängig davon geht bereits der Zweck der Nutzung als Wohnraum durch die Töchter und deren Familien über den Bereich der üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinaus. Die Töchter der Klägerin konnten sich bereits vom Zeitpunkt ihres Einzugs an darauf verlassen, die ihnen angebotenen Räume auf Dauer für sich und ihre Familien als Wohnungen nutzen zu können, ohne etwa willkürlich Räumungsverlangen ihrer Mutter ausgesetzt zu sein.

40

Dieses nicht formbedürftige (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.01.2016 - XII ZR 33/15 -, juris LS 2 u. Rn. 24) Leihverhältnis war wegen der beschriebenen Zweckbestimmung nicht einseitig und ohne Vorliegen eines wichtigen dies rechtfertigenden Grundes beendbar (BGH, Urt. v. 11.12.1981 - V ZR 247/80 -, BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820). Kündigungsgründe nach § 605 Nr. 1 und 2 BGB (Eigenbedarf, vertragswidriger Gebrauch) haben nicht vorgelegen. Hinsichtlich des hier maßgeblichen Kriteriums, nämlich des Ausschlusses der Eigennutzung durch die Klägerin als Eigentümerin des Hausgrundstücks, ist nichts erkennbar, was das Rechtsverhältnis der Klägerin zu ihren Töchtern von demjenigen einer Vermieterin zu ihren Mietern unterschiede.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

42

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

43

Der Klägerin war mit Blick auf die Sach- und Rechtslage nicht zuzumuten, das Widerspruchsverfahren gegen den Steuerbescheid ohne rechtsanwaltlichen Beistand zu führen. Für einen juristischen Laien lagen die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte keineswegs auf der Hand, so dass für ihn die Inanspruchnahme rechtskundigen Beistandes naheliegend und angemessen war.

44

Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Wird durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder auf Grund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt oder eine Steuervergütung gewährt, so ist der zu erstattende oder zu vergütende Betrag vorbehaltlich des Absatzes 3 vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen. Ist der zu erstattende Betrag erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit entrichtet worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag der Zahlung.

(2) Absatz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn

1.
sich der Rechtsstreit durch Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts oder durch Erlass des beantragten Verwaltungsakts erledigt oder
2.
eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat,
a)
zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer,
b)
zur Herabsetzung der Gewerbesteuer nach Änderung des Gewerbesteuermessbetrags
führt.

(3) Ein zu erstattender oder zu vergütender Betrag wird nicht verzinst, soweit dem Beteiligten die Kosten des Rechtsbehelfs nach § 137 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung auferlegt worden sind.

(4) Zinsen nach § 233a, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, sind anzurechnen.

(5) Ein Zinsbescheid ist nicht aufzuheben oder zu ändern, wenn der Steuerbescheid nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens aufgehoben, geändert oder nach § 129 berichtigt wird.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 4. Kammer, Einzelrichter -vom 10. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich in diesem Verfahren gegen seine Heranziehung zu Teilbeträgen auf den „Abschlag Abwasser“ für das Jahr 2010.

2

Mit Bescheid vom 18.01.2010 setzte die Bürgermeisterin der Beklagten die Abwassergebühr für das Verbrauchsjahr 2009 (01.01.2009 bis 22.12.2009 sowie 23.12. bis 31.12.2009) auf 333,39 € fest. Mit der gleichen Postsendung ging ein Schreiben der Gemeindewerke ... GmbH zu, mit dem die festgesetzte Gebühr mit den bereits geleisteten Abschlagszahlungen verrechnet und für das Jahr 2010 monatliche Abschlagzahlungen festgelegt wurden, nämlich für Abwasser i.H.v. jeweils 34,00 € monatlich.

3

Der Kläger legte am 23.04.2010 bei der Beklagten „Widerspruch gegen den Abwasserbescheid“ ein, der „sich nur gegen die neu festgesetzte Gebühr für Abwasser (… richten sollte…), da die neue Entwässerungssatzung der Gemeinde St... nunmehr die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in ... mit der Dorfgemeinschaft E... und die Dorfschaften D..., C..., A..., P... und K... abgaberechtlich gleichgestellt“ habe. Dieser Widerspruch wurde als „gegen den Abwassergebührenbescheid der Gemeinde St... vom 18.01.2010, Vorauszahlungen von Abwassergebühren für die Rechnungsperiode 2010“ eingelegt gesehen und mit Widerspruchsbescheid der Bürgermeisterin der Beklagten vom 02.12.2010 zurückgewiesen. Rechtsgrundlage für die Vorauszahlungen auf Abwassergebühren im Zeitraum 2010 seien die §§ 1, 2 und 6 KAG i.V.m. § 21 der Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde vom 07.12.2009 sowie die Beitrags- und Gebührensatzung vom 07.12.2009. Seit dem 01.01.2010 sei die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in der Ortslage ... und der Dorfschaft E... durch Ableitung in das Zentralklärwerk ... und die Abwasserbeseitigung über Klärteiche in den Dorfschaften D..., C..., A..., P... und K... zu einer einheitlichen Einrichtung zusammengefasst. Diese beitragsrechtliche Zusammenfassung technisch voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme sei rechtlich zulässig; eine Vergleichbarkeit der Entwässerungssysteme nach ihrer Arbeitsweise und ihren Arbeitsergebnissen sei gegeben.

4

Der Kläger hat am 23.12.2010 Klage erhoben. Die Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung, die am 01.01.2010 in Kraft getreten sei, sei rechtswidrig. Der Zusammenfassung der Entwässerungssysteme zu einer öffentlichen Einrichtung stehe das Willkürverbot entgegen. Sowohl die Arbeitsweise wie auch die Arbeitsergebnisse der technisch selbständigen Entwässerungssysteme seien nicht vergleichbar. Auch mit dem von der Beklagten überreichten Gutachten lasse sich eine Vergleichbarkeit nicht begründen.

5

Der Kläger hatte zunächst den Antrag angekündigt,

6

den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 (Abrechnung 2009, Vorauszahlung für das Jahr 2010) und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 aufzuheben,

7

dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht diesen Antrag aus der Klagschrift mit der „Maßgabe“ gestellt,

8

dass in der Klammer „Abrechnung 2009“ gestrichen wird.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Die Zusammenfassung zu einer rechtlich einheitlichen Einrichtung sei rechtmäßig. Die Vergleichbarkeit der Reinigungsleistungen könne nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts anhand von wasserrechtlichen Erlaubnissen oder durch Gutachten belegt werden. Die Arbeitsergebnisse der zu einer Einrichtung zusammengefassten Anlagen seien in Bezug auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Erlaubnisse vergleichbar. Natürlich enthielten die wasserrechtlichen Erlaubnisse unterschiedlich hohe Reinigungsanforderungen bei den verschiedenen Entwässerungssystemen. Entscheidend sei, dass die Arbeitsergebnisse in Bezug auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Erlaubnisse vergleichbar seien. Der Sachverständige sei zu der Feststellung gelangt, dass die Abwasserbeseitigungsanlagen den angeschlossenen Grundstückseigentümern vergleichbare Vorteile bieten.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2012 abgewiesen. Der Kläger habe ausgehend von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nichts dargelegt, was die Annahme einer willkürlichen Organisationsentscheidung der Beklagten tragen könnte.

13

Hiergegen hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der damals zuständige 4. Senat mit Beschluss vom 18.04.2013 entsprochen hat.

14

Der Kläger hat vorgetragen, die Begründung des angefochtenen Urteils werde der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Eine Vergleichbarkeit hinsichtlich Arbeitsweise und Arbeitsergebnis der Entwässerungssysteme sei ausgeschlossen. So werde eine chemische Reinigung in den Klärteichanlagen nicht vorgenommen. Eine solche chemische Reinigung erfolge dagegen in der Kläranlage ... . In den Klärteichanlagen werde das Abwasser biologisch gereinigt. Die Arbeitsweise der Klärteichanlagen unterscheide sich daher systematisch von der des zentralen Klärwerks in ... .

15

Auch in Bezug auf das Arbeitsergebnis ergäben sich beispielsweise hinsichtlich Phosphatwert und Schadstoffanteil erhebliche Abweichungen, so dass auch insoweit von einer Vergleichbarkeit nicht mehr gesprochen werden könne.

16

Das Verwaltungsgericht stelle weder fest, dass die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Reinigungsleistung gegeben sei, noch dass diese durch wasserrechtliche Erlaubnisse belegt worden sei. Es berücksichtige auch nicht, dass in einzelnen Ortschaften ein erheblich abweichendes Arbeitsergebnis hinsichtlich der Abwasserklärung erreicht werde.

17

Der Kläger hat beantragt,

18

das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 aufzuheben.

19

Die Beklagte hat beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Zusammenfassung der technisch getrennten Anlagen zu einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne zulässig sei.

22

In der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts – 4. Senat – am 05.02.2015 ist bei Aufruf der Sache für den Kläger niemand erschienen. In der Verhandlungsniederschrift heißt es hierzu: „Rechtzeitigkeit der Ladung wurde festgestellt“. Mit Urteil vom gleichen Tage ist die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden.

23

Die Klage sei unzulässig. Der Kläger begehre die Aufhebung des Abwassergebührenbescheides der Beklagten vom 18. Januar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2010.

24

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe der Kläger durch die „Maßgabe“, dass der Klammerzusatz des angekündigten Antrags „Abrechnung 2009“ gestrichen werde, sinngemäß klargestellt, dass er sich nicht gegen die Festsetzung der Schmutzwasserbeseitigungsgebühr für das Rechnungsjahr 2009 wende, sondern nur gegen die Vorauszahlung für das Jahr 2010. Dem entspreche auch sein gesamtes Vorbringen. Er halte die Zusammenfassung der technisch getrennten Anlagen zu einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne und eine darauf beruhende Abgabenerhebung für rechtswidrig. Das insoweit maßgebliche Satzungsrecht sei am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für das Jahr 2009 sei dagegen die mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft getretene Beitrags- und Gebührensatzung der Beklagten, die noch keine einheitliche Gebühr für die Schmutzwasserbeseitigung im gesamten Entsorgungsgebiet vorgesehen habe. Schon der Widerspruch des Klägers beschränke sich nach seiner Begründung auf die „neu festgesetzte Gebühr“. Damit könnten nur Vorauszahlungen beziehungsweise Abschlagszahlungen auf die Gebühr für das Rechnungsjahr 2010 gemeint sein. Demzufolge habe die Beklagte den Widerspruch des Klägers zutreffend auch nur als Widerspruch gegen die Vorauszahlungen von Abwassergebühren für die Rechnungsperiode 2010 angesehen und diesen Widerspruch als unbegründet durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2010 zurückgewiesen.

25

Der Widerspruch und die auf die Vorauszahlung für das Jahr 2010 eingeschränkte Klage gingen jedoch ins Leere, weil der streitgegenständliche Abwassergebührenbescheid der Beklagten weder eine Festsetzung von Vorauszahlungen noch ein entsprechendes Leistungsgebot enthalte.

26

Auch eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2010 komme nicht in Betracht. Dies setzte voraus, dass mit dem Widerspruchsbescheid erstmalig Vorauszahlungen auf die Schmutzwasserbeseitigungsgebühr für das Jahr 2010 festgesetzt oder Abschlagszahlungen gefordert würden. Dies sei jedoch nicht der Fall.

27

Dem Widerspruchsbescheid fehlten sämtliche Merkmale eines Festsetzungs- oder Leistungsbescheides. Abschlagzahlungen würden vom Kläger und seiner Ehefrau nicht von der Beklagten, sondern von den Gemeindewerken ... GmbH durch Rechnung vom 18. Januar 2010 gefordert. Die rechtsirrige Annahme der Beklagten im Widerspruchsbescheid, es seien Vorauszahlungen auf Benutzungsgebühren für 2010 festgesetzt worden und eine damit verbundene, allenfalls inhaltliche Bezugnahme auf die Rechnung der Gemeindewerke könnten eine förmliche Festsetzung nicht ersetzen. Des Weiteren sei zum Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides das Erhebungsjahr 2010 nahezu abgelaufen und die von den Gemeindewerken gesetzten Zahlungstermine für Abschlagszahlungen - bis auf den Dezembertermin - verstrichen gewesen. Der Widerspruchsbescheid sei als solcher auch nicht rechtswidrig. Der Widerspruch hätte vielmehr schon als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

28

Der Widerspruch des Klägers gegen die Abschlagzahlungen auf Abwasser, bemessen nach einer einheitlichen Gebühr für das gesamte Entsorgungsgebiet der Beklagten, hätten nach alledem gegenüber den Gemeindewerken als Einwand gegen deren Rechnungslegung erhoben werden müssen, weil die Gemeindewerke als privates Unternehmen keine „Abschlagzahlungen“ auf Gebühren fordern dürften. Im Streitfall wäre nicht die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern die Zivilgerichtsbarkeit zuständig gewesen.

29

Am 11.03.2015 hat der Kläger gegen das Urteil vom 05.02.2015 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, u.a. mit der Begründung, dass er zum Termin am 05.02.2015 nicht geladen gewesen sei.

30

Mit Beschluss vom 27.07.2015 hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil vom 05.02.2015 aufgehoben und den Rechtstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Ladung zur in seiner Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung am 05.02.2015 erhalten habe. Darüber hinaus liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das Gericht eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, weil es einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben habe, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten.

31

Nach Zurückverweisung der Sache hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 26.11.2015 das bisherige prozessuale und außerprozessuale Verfahren noch einmal dargestellt.

32

Der Kläger beantragt,

33

das angefochtene Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 4. Kammer, Einzelrichter - vom 10.10.2012 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02. Dezember 2010 aufzuheben mit der Maßgabe dass es um die Vorauszahlungen für 2010 geht.

34

Hilfsweise erklärt er

35

im Hinblick auf den mittlerweile ergangenen Gebührenbescheid vom 17.1.2011 für das Abrechnungsjahr 2010 das Verfahren für erledigt.

36

Weiter hilfsweise beantragt er für den Fall der Zurückweisung der Berufung,

37

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

38

Die Beklagte beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen.

40

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

41

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind in der Fassung, die durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 geschaffen worden ist, rechtmäßig und können den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzen.

42

Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Zwar hatte die Rechnung der Stadtwerke GmbH vom 18.01.2010 nicht den rechtlichen Charakter eines Verwaltungsakts, schon bereits deshalb, weil sie nicht – wie in § 106 Abs. 1 LVwG und § 118 Satz 1 AO - angesprochen – von einer Behörde erlassen worden ist, sondern von einer juristischen Person des Privatrechts, die nicht etwa i.S.d. § 24 LVwG beliehen worden ist.

43

Die Forderung und die Festlegung der Vorauszahlungen ist jedoch von der Beklagten in den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 inhaltlich aufgenommen worden und ist deshalb seitdem in der Form eines Verwaltungsaktes existent. In der Begründung wird das Rechnungsschreiben als „Bescheid vom 18.01.2010“ bezeichnet, mit dem die Vorauszahlungen „festgesetzt“ worden seien. Dementsprechend wurde der Widerspruch des Klägers auch nicht als unzulässig verworfen, sondern in der Sache erörtert und als unbegründet beschieden. Ob daraus die Folgerung, dass (zumindest fortan) ein Verwaltungsakt vorliege, zweifelsfrei zu ziehen war, mag dahinstehen. Darauf kommt es nicht an. Der Bürger als Empfänger einer nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständlichen Willensäußerung der Verwaltung darf durch etwaige Unklarheiten nicht benachteiligt werden; dies gebietet nicht zuletzt die Grundrechtsbestimmung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.1987 – 8 C 21.86 -, E 78, 3 = Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 23 = KStZ 1987, 939 = NVwZ 1988, 660).

44

Der Zulässigkeit der gegen den in dieser Form ergangenen Verwaltungsakt erhobenen Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass am 17.01.2011 für das Abrechnungsjahr 2010 von der Beklagten der endgültige Festsetzungsbescheid erlassen worden ist. Mit diesem Bescheid hat sich der den gleichen Zeitraum betreffende Vorauszahlungsbescheid weder hinsichtlich seiner Festsetzung noch hinsichtlich seines Leistungsgebotes erledigt. Der Bescheid vom 17.01.2011 ist vom Kläger angefochten worden. Auch wenn mit der Bekanntgabe gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 112 Abs. 1 Satz 1 LVwG die Wirksamkeit des Bescheides eintritt, erfolgt die endgültige Ablösung des Vorauszahlungsbescheides erst mit der Bestandskraft des endgültigen Gebührenbescheides. Dem Kläger ist deshalb weiterhin das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die von ihm erhobene Anfechtungsklage zuzusprechen (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2009 - 2 LB 43/08 - juris).

45

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide halten in der Gestalt, die durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 verschafft worden ist, in der Sache einer rechtlichen Überprüfung stand.

46

Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es der Beklagten gestattet ist, ihre technisch voneinander unabhängigen Anlagen der Abwasserbeseitigung – wie mit der Satzung vom 07.12.2009 geschehen - organisatorisch zu einer einheitlichen Anlage zu verbinden, ist für den gegebenen Sachverhalt zu bejahen.

47

Der erkennende Senat hatte in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.09.2008 – 2 LB 2/08 – (juris) zu einem vergleichbar gestalteten Sachverhalt hinsichtlich der Kalkulation eines Anschlussbeitrages ausgeführt:

48

„Die dem Ortsrecht zugrunde liegende Entscheidung des Beklagten, die technisch und funktional getrennten Entwässerungssysteme zu einer öffentlichen Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" zusammenzufassen, ist nicht zu beanstanden.

49

Eine Gemeinde ist aufgrund ihres Organisationsermessens grundsätzlich berechtigt, leitungsmäßig voneinander getrennte Entwässerungseinrichtungen als rechtlich einheitliche Einrichtung mit einheitlichen Entwässerungsabgaben zu betreiben (std. Rechtsprechung vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.11.1975 – II A 203/74 -, E 31, 252; OVG Lbg., Urteil vom 24.05.1989 – 9 L 3/89 -, Die Gemeinde 1990, 29 – NVwZ-RR 1990, 507; Senatsurteile vom 26.03.1992 – 2 L 167/91 -, Die Gemeinde 1992, 157 und vom 24.10.2001 – 2 L 29/00 -, Die Gemeinde 2002, 69 = NordÖR 2002, 239 und vom 22.01.2003 – 2 K 1/01 -, SchlHA 2003, 155).

50

Entscheidend ist insoweit nicht die technische Ausgestaltung, sondern die rechtliche Bestimmung durch die Gemeinde. Die satzungsrechtliche Zusammenfassung technisch voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme ist aus Rechtsgründen allein dann ausgeschlossen, wenn sie in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass eine Vergleichbarkeit der Anlagen schlechterdings ausgeschlossen ist (l. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschl. v. 03.07.1978 – 7 B 118 – 124.78 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 sowie Senatsurteil vom 24.10.2001 – 2 L 29/00 -). Dies ist indes nur anzunehmen, wenn das Äquivalenzprinzip oder der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1985 – 8 B 11.84 -, KStZ 1985, 129 und Urteil vom 20.12.2000 – 11 C 7.00 -, DVBl 2001, 488 zur Abfallgebühr) und eine Zusammenfassung als rechtliche Einheit mit gleichen Beitragssätzen als willkürlich erscheint. Eine Gemeinde kann danach mehrere technisch getrennte, funktionell gleichartige leitungsgebundene Ent- und Versorgungssysteme zu einer Einrichtung im Rechtssinne zusammenfassen, wenn den anzuschließenden Grundstückseigentümern vergleichbare Vorteile geboten werden (Senatsurteil vom 22.01.2003 – 2 L 170/01 -).“

51

Nach diesen Maßstäben, an denen der Senat weiterhin festhält, ist gegen die dem Satzungsrecht zugrundeliegende Organisationsentscheidung entgegen der Ansicht des Klägers nichts zu erinnern. Dabei mag es sein, dass in den Klärteichanlagen, anders als bei den dem Zentralklärwerk der Hansestadt ... aus den Ortslagen ... und E... zugeführten Abwassermengen, keine chemische Reinigung, sondern lediglich eine biologische Reinigung stattfindet und dass insoweit Abweichungen hinsichtlich des Phosphatwertes und der Schadstoffanteile auftreten. Alle verwandten Reinigungsmethoden genügen jeweils den Anforderungen der entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnisse und erfüllen deshalb die Standards einer möglichst unschädlichen Abwasserbeseitigung. Die Leistungsfähigkeit der einzelnen technischen Anlagen ist dadurch vergleichbar. Alle Anlagenteile bieten den angeschlossenen Grundstücken den Vorteil, sich nach leitungsgebundener Einleitung der Abwässer in die öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beseitigungspflicht in ordnungsgemäßer Weise entledigt zu haben. Dies wird durch das von der Beklagten in Auftrag gegebene „Gutachten zur technischen Vergleichbarkeit voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme“ des Privatinstituts für Klärtechnik GmbH vom 01.12.2010 bestätigt und vom Klägervorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt.

52

Dass durch die unterschiedliche Behandlung der unterschiedlichen Abwassermengen in gebührenrechtlicher Hinsicht eine Schlechterstellung erfolgt, wird vom ihm nicht substantiiert vorgetragen. Die Beklagte hat die Anhebung der Gebührensätze in plausibler Weise damit begründet, dass mit der Umstellung der Organisation eine umfassende Neukalkulation im Gebührenhaushalt stattgefunden hatte.

53

Die vom Kläger gestellten Hilfsanträge sind ebenfalls abzulehnen. Das Vorauszahlungsverlangen hat sich nach dem oben Ausgeführten durch den Erlass des Gebührenbescheides vom 17.01.2011 für das Abrechnungsjahr nicht erledigt. Dem Antrag, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird, war ebensowenig zu entsprechen, da die Klage nach dem oben ebenfalls Ausgeführten nicht unzulässig war.

54

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

55

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

56

Die Revision war nicht zuzulassen, da das Vorliegen von Gründen hierfür i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist.

57

Beschluss

58

Der Streitwert wird auf 1.224,00 € festgesetzt.


Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.

(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 01.02.2016 geändert.

Die Abgabenbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2009 bis 2014.

2

Sie lebt in ..., ... und ist darüber hinaus Eigentümerin eines weiteren Wohnhauses ... in ... . Dieses Haus verfügt über zwei Wohnungen, in denen seit 2001 die beiden Töchter der Klägerin mit Hauptwohnsitz leben, die Tochter ... nach Trennung von ihrem Ehemann noch mit ihren beiden Kindern ... und ..., die Tochter ... mit Ehemann und den Kindern ... und ... .

3

Auf Aufforderung der Beklagten am 11.9.2012 erklärte die Klägerin, dass das Haus ... in ... von ihr oder ihren Familienangehörigen genutzt werde. Auf die Bitte der Beklagten, den Mietvertrag mit ihrer Tochter vorzulegen, antwortete die Klägerin, sie habe keinen Mietvertrag mit ihrer Tochter ... abgeschlossen. Telefonisch gab sie an, das Objekt mietfrei zur Verfügung zu stellen.

4

Mit Bescheid vom 14.11.2013 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Haus ... für die Jahre 2009 bis 2013 in Höhe von insgesamt 11.030,58 € fest. Dabei legte sie der Berechnung die vom Finanzamt Oldenburg mitgeteilte Jahresrohmiete des gesamten Hauses von 4.584,24 € zugrunde.

5

Die Klägerin legte am 2.12.2013 Widerspruch ein und stellte am 12.12.2013 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Sie habe am 16.12.2013 mit ihrer Tochter ... den seit Ende 2000 mündlichen bestehenden Leihvertrag für das Dachgeschoss mit ca. 80 qm Gesamtwohnfläche in Schriftform aufgenommen. Dieser gelte rückwirkend seit März 2001 für 15 Jahre mit Verlängerungsoption. Die Klägerin könne deshalb nicht über die Wohnung verfügen, der Leihgegenstand könne derzeit nicht zurückgefordert werden. Zudem sei die Berechnung der Steuer nicht nachvollziehbar.

6

Die Beklagte erläuterte die Berechnung der Zweitwohnungssteuer mit Schreiben vom 20.12.2013 und 14.1.2014 und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

7

Mit weiterem Bescheid vom 13.1.2014 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2014 auf 2.393,43 € fest. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

8

Den Aussetzungsantrag lehnte die Beklagte am 20.1.2014 ab.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2014 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Der nachträglich am 16.12.2013 geschlossene Wohnraumleihvertrag für das Dachgeschoss stelle ein mietfreies Überlassen der Wohneinheit dar. Die Klägerin habe sich dadurch nicht der rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Wohnung begeben. Eine Vergleichbarkeit mit einem dinglichen Nutzungsrecht liege nicht vor. Angaben über die Nutzung des Erdgeschosses mit ca. 123 qm seien nicht gemacht worden.

10

Am 11.3.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte sei von einer falschen Jahresrohmiete ausgegangen, das Finanzamt Ostholstein habe für die Dachgeschoss-Wohnung eine Jahresrohmiete von lediglich 3.607,- DM festgestellt. Die Zweitwohnungssteuer für die Wohnung von Frau ... müsse deshalb erheblich geringer sein.

11

Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, weil nicht ersichtlich sei, für welche der beiden Wohnungen in dem Objekt ... die Steuer erhoben werde. Die Beklagte habe sich offenbar nur mit den Voraussetzungen der Steuererhebung für die Dachgeschoss-Wohnung befasst. Die Klägerin habe aber auch die 123 qm große Erdgeschoss-Wohnung an ihre Tochter ... verliehen.

12

Die Klägerin könne ihre Wohnungen nicht nutzen, weil sie diese verliehen habe und nur die Leihnehmerinnen zur Nutzung der Wohnung berechtigt seien. Ihre Tochter ... habe aus dem Leihvertrag ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an der Dachgeschosswohnung.

13

Hilfsweise sei der Wohnraumleihvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 4.5.1970 - VIII ZR 179/68) als Mietvertrag auszulegen, da die Tochter der Klägerin nach § 3 des Vertrages einen Anteil an den Betriebskosten (Grundsteuer, Straßenreinigung, Niederschlagswasser, Gebäudeversicherung sowie Wartung der Heizung und der Kanalisation) von monatlich rund 100,- € zahle. Dieser Betrag werde - wie in Familien üblich - in bar übergeben.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Zweitwohnungssteuerbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2014 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts verwiesen und ist der Auffassung, dass hier ein unentgeltliches Zurverfügungstellen von Wohnraum an Angehörige vorliege, das die Verfügungsmacht nicht beseitige. Die Zahlung der Betriebskosten in bar sei nicht überprüfbar.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen. Die Klägerin unterliege der Steuerpflicht. Dem stehe nicht entgegen, dass das im Eigentum der Klägerin stehende Haus ... in ... von den Töchtern mit ihren Familien seit 2001 als Hauptwohnsitz genutzt werde, ebensowenig der mit der Tochter ... für das Obergeschoss geschlossene „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013. Die Klägerin ist nicht nur Eigentümerin, sondern auch Inhaberin des streitbefangenen Steuerobjekts. Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter sei dann unschädlich, wenn der Verfügungsberechtigte sich der Verfügungsmacht nicht begebe.

20

Die zwischen der Klägerin und ihrer Tochter ... für das Dachgeschoss geschlossene schriftliche und der mit der Tochter ... für das Erdgeschoss angeblich mündlich geschlossene Leihe sei mit einem Mietvertrag über Wohnraum nicht vergleichbar. Der Entleiher könne sich nicht auf Kündigungsschutzbestimmungen berufen. Vielmehr könne der Verleiher nach § 604 Abs. 3 BGB die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen sei.

21

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 08.02.2016 zugestellte Urteil am 29.02.2016 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 02.05.2016 stattgegeben hat.

22

Die Klägerin trägt vor, dass ihre eigene Nutzungsmöglichkeit bezüglich der beiden Wohnungen ... aufgrund der Dauerwohnraumleihverträge mit ihren Töchtern während des Veranlagungszeitraums ausgeschlossen gewesen sei. Zudem lägen die beiden Wohnhäuser lediglich 800 m voneinander entfernt. Inzwischen habe sie die Wohnungen mit notariellem Übertragungsvertrag vom 26.04.2016 an ihre beiden Töchter übertragen.

23

Die Klägerin beantragt,

24

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 2. Kammer, Einzelrichterin – vom 01.02.2016 zu ändern und die Bescheide vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 aufzuheben

25

sowie die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin habe im Veranlagungszeitraum die Verfügungsbefugnis trotz der Leihe über die Wohnungen behalten.

29

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt Heiligenhafen ist Gegenstand der Steuer „das Innehaben einer Zweitwohnung“ im Stadtgebiet. Dieser Steuertatbestand ist vorliegend nicht erfüllt. Der Steueranspruch ist damit nicht entstanden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 38 AO).

32

„Innehaben“ einer Wohnung bedeutet ein Bewohnen oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, wobei diese nicht auch tatsächlich verwirklicht werden muss; die Wohnung muss dafür bereitgehalten, „vorgehalten“, werden (Thiem/Böttcher, Rn 292a zu § 3 KAG). Als objektives Tatbestandsmerkmal ist das Innehaben als solches unabhängig von seiner Zweckbestimmung zu sehen. Die zweitwohnungssteuerrechtliche Bedeutung erhält es erst im Zusammenhang mit dem Verwendungszweck „zum persönlichen Lebensbedarf“ als dem subjektiven Tatbestandsmerkmal. Wird eine nicht als Vermietungsobjekt betrachtete Zweitwohnung über Jahre hinweg weder von deren Inhaber noch von dessen Familienangehörigen auch nur gelegentlich bewohnt, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass sie derzeit nicht für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 297 zu § 3 KAG).

33

Aus dem Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer folgt, dass der Steuertatbestand nur erfüllt ist, wenn die Wohnung (auch) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt oder vorgehalten wird. Diese im Begriff der Aufwandssteuer angelegte Abgrenzung zur zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage bedarf einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles. Der gesamte objektive Sachverhalt muss daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt (Thiem/Böttcher, Rn 324 zu § 3 KAG).

34

Eine steuerfreie reine Kapitalanlage liegt dann vor, wenn zu der fehlenden Eigennutzung im Veranlagungszeitraum objektive Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Wohnung nicht für den persönlichen Bedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 308 zu § 3 KAG). Der Verwendungszweck der Wohnung, sei es für die rein persönliche Nutzung oder einen auch privaten Bedarf, sei es zur ausschließlichen oder nur gelegentlichen Einkommenserzielung – beruht auf der nicht überprüfbaren Vorstellung des Zweitwohnungsinhabers. Diese „innere Tatsache“ ist deshalb auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände und Merkmale zu beurteilen. Dies erfordert, soweit der Sachverhalt nicht offenkundig auf die eine oder andere Art der Nutzung hindeutet, eine umfassende Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles in Bezug auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung (Thiem/Böttcher, Rn 316 zu § 3 KAG mit zahlreichen Nachweisen). Diesem Auftrag sind weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht nachgekommen.

35

Es besteht bei den Beteiligten Einigkeit darüber, dass weder die Klägerin noch die Familien ihrer beiden Töchter die Wohnungen mit der Anschrift ... tatsächlich als Zweitwohnung bewohnen oder auch nur je bewohnt haben. Streitig ist lediglich, ob diese beiden Wohnungen der Verfügung der Klägerin derart entzogen sind, dass es ihr – tatsächlich oder aus Rechtsgründen - nicht möglich ist, diese Wohnungen einer zweitwohnungssteuerrechtlich erheblichen Nutzung zuzuführen.

36

Sowohl die Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht haben hierzu maßgeblich darauf abgestellt, dass die zwischen der Klägerin geschlossenen „Wohnraumleihverträge“ nicht geeignet seien, den Entzug einer derartigen Nutzung zu bewirken, weil die verliehene Sache gemäß § 604 Abs. 3 BGB „jederzeit“ vom Entleiher zurückgefordert werden könne. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Diese Betrachtung schöpft den Umfang der von der Rechtsprechung geforderten umfassenden Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles, zu denen auch die maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse gehören, nicht aus.

37

Bei dieser umfassenden Würdigung ergibt sich, dass die Klägerin ihren Töchtern und deren Familien im Rahmen der verwandtschaftlichen Beziehung Wohnraum verschaffen wollte. Dabei liegt die Annahme nahe, dass sich Mutter und Töchter über die rechtliche Konstruktion dieser Nutzungsüberlassung keine Gedanken gemacht hatten. Mutmaßungen, dass sich die Klägerin und ihre Töchter vom Wesen, von den tatbestandlichen Voraussetzungen oder von den rechtlichen Wirkungen eines Leihvertrages hätten leiten lassen, haben deshalb keine tatsächlichen Grundlagen. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die Nutzung seit März 2001 andauert und der schriftliche „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013 datiert. Maßgeblich für die zu fordernde Gesamtschau ist die gelebte Lebenswirklichkeit.

38

Ein nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG besteuerbarer Aufwand für eine Zweitwohnung liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die weitere Wohnung innehat. Dies setzt voraus, dass er für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über deren Nutzung verfügen kann. Die rein tatsächliche Möglichkeit der Nutzung genügt nicht (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27, juris Rn. 16). Wohnungsinhaber ist derjenige, der die alleinige oder gemeinschaftliche Verfügungsmacht und rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum besitzt. Dies kann nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.09 -, NVwZ 2009, 1172). Der Inhaberschaft steht die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter nur dann nicht entgegen, wenn der Verfügungsberechtigte (hier der Eigentümer) sich der Verfügungsmacht nicht begibt (BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 175/79 -, BVerfGE 65, 325). Entscheidend ist, ob er weiterhin rechtlich gesichert die Verfügungsbefugnis und die Verfügungsmacht behalten hat (OVG Schleswig, Urt. v. 27.3.2012 - 4 LB 1/12 -, bestätigt durch BVerwG, B. v. 20.12.2012 - 9 B 25.12 - juris).

39

Das Leihverhältnis ist ein schuldrechtlicher Vertrag und ist von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden (BGH, Urt. v. 10.10.1984 - VII ZR 152/83 -, NJW 1985, 313 = FamRZ 1985, 150). Eine erwiesene Gefälligkeit hat dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, seinem Handeln eine rechtliche Geltung zukommen zu lassen (Rechtsbindungswille) und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegengenommen hat. Unabhängig davon geht bereits der Zweck der Nutzung als Wohnraum durch die Töchter und deren Familien über den Bereich der üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinaus. Die Töchter der Klägerin konnten sich bereits vom Zeitpunkt ihres Einzugs an darauf verlassen, die ihnen angebotenen Räume auf Dauer für sich und ihre Familien als Wohnungen nutzen zu können, ohne etwa willkürlich Räumungsverlangen ihrer Mutter ausgesetzt zu sein.

40

Dieses nicht formbedürftige (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.01.2016 - XII ZR 33/15 -, juris LS 2 u. Rn. 24) Leihverhältnis war wegen der beschriebenen Zweckbestimmung nicht einseitig und ohne Vorliegen eines wichtigen dies rechtfertigenden Grundes beendbar (BGH, Urt. v. 11.12.1981 - V ZR 247/80 -, BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820). Kündigungsgründe nach § 605 Nr. 1 und 2 BGB (Eigenbedarf, vertragswidriger Gebrauch) haben nicht vorgelegen. Hinsichtlich des hier maßgeblichen Kriteriums, nämlich des Ausschlusses der Eigennutzung durch die Klägerin als Eigentümerin des Hausgrundstücks, ist nichts erkennbar, was das Rechtsverhältnis der Klägerin zu ihren Töchtern von demjenigen einer Vermieterin zu ihren Mietern unterschiede.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

42

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

43

Der Klägerin war mit Blick auf die Sach- und Rechtslage nicht zuzumuten, das Widerspruchsverfahren gegen den Steuerbescheid ohne rechtsanwaltlichen Beistand zu führen. Für einen juristischen Laien lagen die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte keineswegs auf der Hand, so dass für ihn die Inanspruchnahme rechtskundigen Beistandes naheliegend und angemessen war.

44

Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

(1) Der Entleiher ist verpflichtet, die geliehene Sache nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben.

(2) Ist eine Zeit nicht bestimmt, so ist die Sache zurückzugeben, nachdem der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat. Der Verleiher kann die Sache schon vorher zurückfordern, wenn so viel Zeit verstrichen ist, dass der Entleiher den Gebrauch hätte machen können.

(3) Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen, so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern.

(4) Überlässt der Entleiher den Gebrauch der Sache einem Dritten, so kann der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von dem Dritten zurückfordern.

(5) Die Verjährung des Anspruchs auf Rückgabe der Sache beginnt mit der Beendigung der Leihe.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 2. Kammer, Einzelrichterin - vom 01.02.2016 geändert.

Die Abgabenbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2014 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2009 bis 2014.

2

Sie lebt in ..., ... und ist darüber hinaus Eigentümerin eines weiteren Wohnhauses ... in ... . Dieses Haus verfügt über zwei Wohnungen, in denen seit 2001 die beiden Töchter der Klägerin mit Hauptwohnsitz leben, die Tochter ... nach Trennung von ihrem Ehemann noch mit ihren beiden Kindern ... und ..., die Tochter ... mit Ehemann und den Kindern ... und ... .

3

Auf Aufforderung der Beklagten am 11.9.2012 erklärte die Klägerin, dass das Haus ... in ... von ihr oder ihren Familienangehörigen genutzt werde. Auf die Bitte der Beklagten, den Mietvertrag mit ihrer Tochter vorzulegen, antwortete die Klägerin, sie habe keinen Mietvertrag mit ihrer Tochter ... abgeschlossen. Telefonisch gab sie an, das Objekt mietfrei zur Verfügung zu stellen.

4

Mit Bescheid vom 14.11.2013 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Haus ... für die Jahre 2009 bis 2013 in Höhe von insgesamt 11.030,58 € fest. Dabei legte sie der Berechnung die vom Finanzamt Oldenburg mitgeteilte Jahresrohmiete des gesamten Hauses von 4.584,24 € zugrunde.

5

Die Klägerin legte am 2.12.2013 Widerspruch ein und stellte am 12.12.2013 einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. Sie habe am 16.12.2013 mit ihrer Tochter ... den seit Ende 2000 mündlichen bestehenden Leihvertrag für das Dachgeschoss mit ca. 80 qm Gesamtwohnfläche in Schriftform aufgenommen. Dieser gelte rückwirkend seit März 2001 für 15 Jahre mit Verlängerungsoption. Die Klägerin könne deshalb nicht über die Wohnung verfügen, der Leihgegenstand könne derzeit nicht zurückgefordert werden. Zudem sei die Berechnung der Steuer nicht nachvollziehbar.

6

Die Beklagte erläuterte die Berechnung der Zweitwohnungssteuer mit Schreiben vom 20.12.2013 und 14.1.2014 und lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

7

Mit weiterem Bescheid vom 13.1.2014 setzte die Beklagte die Zweitwohnungssteuer für das Jahr 2014 auf 2.393,43 € fest. Auch hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung.

8

Den Aussetzungsantrag lehnte die Beklagte am 20.1.2014 ab.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 7.2.2014 wies die Beklagte die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Der nachträglich am 16.12.2013 geschlossene Wohnraumleihvertrag für das Dachgeschoss stelle ein mietfreies Überlassen der Wohneinheit dar. Die Klägerin habe sich dadurch nicht der rechtlichen Verfügungsbefugnis über die Wohnung begeben. Eine Vergleichbarkeit mit einem dinglichen Nutzungsrecht liege nicht vor. Angaben über die Nutzung des Erdgeschosses mit ca. 123 qm seien nicht gemacht worden.

10

Am 11.3.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Beklagte sei von einer falschen Jahresrohmiete ausgegangen, das Finanzamt Ostholstein habe für die Dachgeschoss-Wohnung eine Jahresrohmiete von lediglich 3.607,- DM festgestellt. Die Zweitwohnungssteuer für die Wohnung von Frau ... müsse deshalb erheblich geringer sein.

11

Der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt, weil nicht ersichtlich sei, für welche der beiden Wohnungen in dem Objekt ... die Steuer erhoben werde. Die Beklagte habe sich offenbar nur mit den Voraussetzungen der Steuererhebung für die Dachgeschoss-Wohnung befasst. Die Klägerin habe aber auch die 123 qm große Erdgeschoss-Wohnung an ihre Tochter ... verliehen.

12

Die Klägerin könne ihre Wohnungen nicht nutzen, weil sie diese verliehen habe und nur die Leihnehmerinnen zur Nutzung der Wohnung berechtigt seien. Ihre Tochter ... habe aus dem Leihvertrag ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an der Dachgeschosswohnung.

13

Hilfsweise sei der Wohnraumleihvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 4.5.1970 - VIII ZR 179/68) als Mietvertrag auszulegen, da die Tochter der Klägerin nach § 3 des Vertrages einen Anteil an den Betriebskosten (Grundsteuer, Straßenreinigung, Niederschlagswasser, Gebäudeversicherung sowie Wartung der Heizung und der Kanalisation) von monatlich rund 100,- € zahle. Dieser Betrag werde - wie in Familien üblich - in bar übergeben.

14

Die Klägerin hat beantragt,

15

die Zweitwohnungssteuerbescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.1.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.2.2014 aufzuheben.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Sie hat auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichts verwiesen und ist der Auffassung, dass hier ein unentgeltliches Zurverfügungstellen von Wohnraum an Angehörige vorliege, das die Verfügungsmacht nicht beseitige. Die Zahlung der Betriebskosten in bar sei nicht überprüfbar.

19

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01.02.2016 abgewiesen. Die Klägerin unterliege der Steuerpflicht. Dem stehe nicht entgegen, dass das im Eigentum der Klägerin stehende Haus ... in ... von den Töchtern mit ihren Familien seit 2001 als Hauptwohnsitz genutzt werde, ebensowenig der mit der Tochter ... für das Obergeschoss geschlossene „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013. Die Klägerin ist nicht nur Eigentümerin, sondern auch Inhaberin des streitbefangenen Steuerobjekts. Die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter sei dann unschädlich, wenn der Verfügungsberechtigte sich der Verfügungsmacht nicht begebe.

20

Die zwischen der Klägerin und ihrer Tochter ... für das Dachgeschoss geschlossene schriftliche und der mit der Tochter ... für das Erdgeschoss angeblich mündlich geschlossene Leihe sei mit einem Mietvertrag über Wohnraum nicht vergleichbar. Der Entleiher könne sich nicht auf Kündigungsschutzbestimmungen berufen. Vielmehr könne der Verleiher nach § 604 Abs. 3 BGB die Sache jederzeit zurückfordern, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen sei.

21

Die Klägerin hat gegen dieses ihr am 08.02.2016 zugestellte Urteil am 29.02.2016 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat mit Beschluss vom 02.05.2016 stattgegeben hat.

22

Die Klägerin trägt vor, dass ihre eigene Nutzungsmöglichkeit bezüglich der beiden Wohnungen ... aufgrund der Dauerwohnraumleihverträge mit ihren Töchtern während des Veranlagungszeitraums ausgeschlossen gewesen sei. Zudem lägen die beiden Wohnhäuser lediglich 800 m voneinander entfernt. Inzwischen habe sie die Wohnungen mit notariellem Übertragungsvertrag vom 26.04.2016 an ihre beiden Töchter übertragen.

23

Die Klägerin beantragt,

24

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 2. Kammer, Einzelrichterin – vom 01.02.2016 zu ändern und die Bescheide vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 aufzuheben

25

sowie die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

26

Die Beklagte beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin habe im Veranlagungszeitraum die Verfügungsbefugnis trotz der Leihe über die Wohnungen behalten.

29

Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

30

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 14.11.2013 und vom 13.01.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 07.02.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin deshalb in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

31

Gemäß § 2 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Stadt Heiligenhafen ist Gegenstand der Steuer „das Innehaben einer Zweitwohnung“ im Stadtgebiet. Dieser Steuertatbestand ist vorliegend nicht erfüllt. Der Steueranspruch ist damit nicht entstanden (§ 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 38 AO).

32

„Innehaben“ einer Wohnung bedeutet ein Bewohnen oder jedenfalls eine entsprechende Absicht, wobei diese nicht auch tatsächlich verwirklicht werden muss; die Wohnung muss dafür bereitgehalten, „vorgehalten“, werden (Thiem/Böttcher, Rn 292a zu § 3 KAG). Als objektives Tatbestandsmerkmal ist das Innehaben als solches unabhängig von seiner Zweckbestimmung zu sehen. Die zweitwohnungssteuerrechtliche Bedeutung erhält es erst im Zusammenhang mit dem Verwendungszweck „zum persönlichen Lebensbedarf“ als dem subjektiven Tatbestandsmerkmal. Wird eine nicht als Vermietungsobjekt betrachtete Zweitwohnung über Jahre hinweg weder von deren Inhaber noch von dessen Familienangehörigen auch nur gelegentlich bewohnt, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass sie derzeit nicht für den persönlichen Lebensbedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 297 zu § 3 KAG).

33

Aus dem Charakter der Zweitwohnungssteuer als Aufwandssteuer folgt, dass der Steuertatbestand nur erfüllt ist, wenn die Wohnung (auch) für den persönlichen Lebensbedarf genutzt oder vorgehalten wird. Diese im Begriff der Aufwandssteuer angelegte Abgrenzung zur zweitwohnungssteuerfreien reinen Kapitalanlage bedarf einer umfassenden Würdigung des Einzelfalles. Der gesamte objektive Sachverhalt muss daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt (Thiem/Böttcher, Rn 324 zu § 3 KAG).

34

Eine steuerfreie reine Kapitalanlage liegt dann vor, wenn zu der fehlenden Eigennutzung im Veranlagungszeitraum objektive Umstände hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, dass die Wohnung nicht für den persönlichen Bedarf vorgehalten wird (Thiem/Böttcher, Rn 308 zu § 3 KAG). Der Verwendungszweck der Wohnung, sei es für die rein persönliche Nutzung oder einen auch privaten Bedarf, sei es zur ausschließlichen oder nur gelegentlichen Einkommenserzielung – beruht auf der nicht überprüfbaren Vorstellung des Zweitwohnungsinhabers. Diese „innere Tatsache“ ist deshalb auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände und Merkmale zu beurteilen. Dies erfordert, soweit der Sachverhalt nicht offenkundig auf die eine oder andere Art der Nutzung hindeutet, eine umfassende Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles in Bezug auf die Zweckbestimmung der Zweitwohnung (Thiem/Böttcher, Rn 316 zu § 3 KAG mit zahlreichen Nachweisen). Diesem Auftrag sind weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht nachgekommen.

35

Es besteht bei den Beteiligten Einigkeit darüber, dass weder die Klägerin noch die Familien ihrer beiden Töchter die Wohnungen mit der Anschrift ... tatsächlich als Zweitwohnung bewohnen oder auch nur je bewohnt haben. Streitig ist lediglich, ob diese beiden Wohnungen der Verfügung der Klägerin derart entzogen sind, dass es ihr – tatsächlich oder aus Rechtsgründen - nicht möglich ist, diese Wohnungen einer zweitwohnungssteuerrechtlich erheblichen Nutzung zuzuführen.

36

Sowohl die Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht haben hierzu maßgeblich darauf abgestellt, dass die zwischen der Klägerin geschlossenen „Wohnraumleihverträge“ nicht geeignet seien, den Entzug einer derartigen Nutzung zu bewirken, weil die verliehene Sache gemäß § 604 Abs. 3 BGB „jederzeit“ vom Entleiher zurückgefordert werden könne. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Diese Betrachtung schöpft den Umfang der von der Rechtsprechung geforderten umfassenden Würdigung aller Tatsachen und Gegebenheiten des Einzelfalles, zu denen auch die maßgeblichen rechtlichen Verhältnisse gehören, nicht aus.

37

Bei dieser umfassenden Würdigung ergibt sich, dass die Klägerin ihren Töchtern und deren Familien im Rahmen der verwandtschaftlichen Beziehung Wohnraum verschaffen wollte. Dabei liegt die Annahme nahe, dass sich Mutter und Töchter über die rechtliche Konstruktion dieser Nutzungsüberlassung keine Gedanken gemacht hatten. Mutmaßungen, dass sich die Klägerin und ihre Töchter vom Wesen, von den tatbestandlichen Voraussetzungen oder von den rechtlichen Wirkungen eines Leihvertrages hätten leiten lassen, haben deshalb keine tatsächlichen Grundlagen. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass die Nutzung seit März 2001 andauert und der schriftliche „Wohnraumleihvertrag“ vom 16.12.2013 datiert. Maßgeblich für die zu fordernde Gesamtschau ist die gelebte Lebenswirklichkeit.

38

Ein nach Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG besteuerbarer Aufwand für eine Zweitwohnung liegt nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige die weitere Wohnung innehat. Dies setzt voraus, dass er für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über deren Nutzung verfügen kann. Die rein tatsächliche Möglichkeit der Nutzung genügt nicht (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 27, juris Rn. 16). Wohnungsinhaber ist derjenige, der die alleinige oder gemeinschaftliche Verfügungsmacht und rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum besitzt. Dies kann nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein (BVerwG, Urt. v. 13.05.2009 - 9 C 8.09 -, NVwZ 2009, 1172). Der Inhaberschaft steht die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter nur dann nicht entgegen, wenn der Verfügungsberechtigte (hier der Eigentümer) sich der Verfügungsmacht nicht begibt (BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 175/79 -, BVerfGE 65, 325). Entscheidend ist, ob er weiterhin rechtlich gesichert die Verfügungsbefugnis und die Verfügungsmacht behalten hat (OVG Schleswig, Urt. v. 27.3.2012 - 4 LB 1/12 -, bestätigt durch BVerwG, B. v. 20.12.2012 - 9 B 25.12 - juris).

39

Das Leihverhältnis ist ein schuldrechtlicher Vertrag und ist von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis zu unterscheiden (BGH, Urt. v. 10.10.1984 - VII ZR 152/83 -, NJW 1985, 313 = FamRZ 1985, 150). Eine erwiesene Gefälligkeit hat dann rechtsgeschäftlichen Charakter, wenn der Leistende den Willen hat, seinem Handeln eine rechtliche Geltung zukommen zu lassen (Rechtsbindungswille) und der Empfänger die Leistung in diesem Sinne entgegengenommen hat. Unabhängig davon geht bereits der Zweck der Nutzung als Wohnraum durch die Töchter und deren Familien über den Bereich der üblichen Gefälligkeiten des täglichen Lebens hinaus. Die Töchter der Klägerin konnten sich bereits vom Zeitpunkt ihres Einzugs an darauf verlassen, die ihnen angebotenen Räume auf Dauer für sich und ihre Familien als Wohnungen nutzen zu können, ohne etwa willkürlich Räumungsverlangen ihrer Mutter ausgesetzt zu sein.

40

Dieses nicht formbedürftige (vgl. dazu BGH, Urt. v. 27.01.2016 - XII ZR 33/15 -, juris LS 2 u. Rn. 24) Leihverhältnis war wegen der beschriebenen Zweckbestimmung nicht einseitig und ohne Vorliegen eines wichtigen dies rechtfertigenden Grundes beendbar (BGH, Urt. v. 11.12.1981 - V ZR 247/80 -, BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820). Kündigungsgründe nach § 605 Nr. 1 und 2 BGB (Eigenbedarf, vertragswidriger Gebrauch) haben nicht vorgelegen. Hinsichtlich des hier maßgeblichen Kriteriums, nämlich des Ausschlusses der Eigennutzung durch die Klägerin als Eigentümerin des Hausgrundstücks, ist nichts erkennbar, was das Rechtsverhältnis der Klägerin zu ihren Töchtern von demjenigen einer Vermieterin zu ihren Mietern unterschiede.

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

42

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für notwendig zu erklären.

43

Der Klägerin war mit Blick auf die Sach- und Rechtslage nicht zuzumuten, das Widerspruchsverfahren gegen den Steuerbescheid ohne rechtsanwaltlichen Beistand zu führen. Für einen juristischen Laien lagen die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte keineswegs auf der Hand, so dass für ihn die Inanspruchnahme rechtskundigen Beistandes naheliegend und angemessen war.

44

Die Revision wird nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


Die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

26
b) Für den darüber hinausgehenden Zweck, die Wohnsituation dauerhaft zu verbessern und daraus dauerhaft Nutzen zu ziehen, ist zunächst zu prüfen, ob die dauerhafte Nutzung mit oder ohne Rechtsgrund erfolgte. Regelmäßig beruht die unentgeltliche dauerhafte Nutzung von Wohnraum auf einem ggf. konkludent geschlossenen Leihvertrag, weil diese vermögenswerte Gebrauchsüberlassung nach den Interessen der Parteien nicht im rechtsfreien Raum vollzogen sein sollte (vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83, NJW 1985, 313 unter I 2; vom 4. April 1990 - VIII ZR 71/89, BGHZ 111, 125, 129; vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99, NJW 2002, 436 unter A II b; jurisPK-BGB/Colling, 5. Aufl. 2010, § 598 BGB Rn. 13). Mit dem Vorliegen eines Leihverhältnisses als Rechtsgrund für die Wohnnutzung scheiden zugleich etwaige darauf bezogene Bereicherungsansprüche der Mutter des Beklagten für eine Verrechnung mit dessen Leistungen aus.
16
aa) Erbringt - wie hier - jemand nicht unerhebliche Arbeits- und Materialleistungen auf dem Hausgrundstück eines Dritten zu dem Zweck, sich dort langfristig ein Unterkommen zu sichern, und lässt der Dritte ihn in der Folgezeit dort auch unentgeltlich wohnen, legt das die Annahme nahe, dass diese Handhabung von den Parteien nicht als ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis angesehen wurde; vielmehr kann in einem solchen Fall angenommen werden , dass beide stillschweigend ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis hinsichtlich der Wohnung vereinbart haben (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99 - FamRZ 2002, 88, 89; s. auch BGH Urteile vom 18. Oktober 2011 - X ZR 45/10 - FamRZ 2012, 207 Rn. 26 mwN und vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 - FamRZ 1985, 150, 151; BGHZ 111, 125 = FamRZ 1990, 843, 844).

(1) Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung schenkweise versprochen wird, ist die notarielle Beurkundung des Versprechens erforderlich. Das Gleiche gilt, wenn ein Schuldversprechen oder ein Schuldanerkenntnis der in den §§ 780, 781 bezeichneten Art schenkweise erteilt wird, von dem Versprechen oder der Anerkennungserklärung.

(2) Der Mangel der Form wird durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 33/15 Verkündet am:
27. Januar 2016
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 138 Aa, 314, 598, 605 Nr. 1, 2039 Satz 1, 2113 Abs. 2, 2135, 2138 Abs. 2

a) Verstirbt der Kläger während des Rechtsstreits und wird er vom Beklagten und
einem Dritten als Miterben beerbt, so wird der Prozess auf Klägerseite allein
vom Dritten fortgeführt und behält der Beklagte seine prozessuale Stellung bei
(im Anschluss an BGH Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZB 99/13 - NJW
2014, 1886).

b) Die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung von Wohn- oder Geschäftsräumen
ist regelmäßig auch bei langer Vertragslaufzeit Leihe und selbst dann nicht
formbedürftig, wenn das Recht des Verleihers zur Eigenbedarfskündigung vertraglich
ausgeschlossen ist (Fortführung von BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820;
BGH Urteile vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553 und vom
10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 - NJW 1985, 313 sowie Beschluss vom
11. Juli 2007 - IV ZR 218/06 - FamRZ 2007, 1649).

c) Die langfristige Verleihung von Wohn- und Geschäftsräumen durch den Vorerben
ist schon deshalb nicht wegen Umgehung des gemäß § 2113 BGB bestehenden
Verfügungsverbots sittenwidrig, weil der Nacherbe in dieser Stellung
hierdurch nicht gebunden ist. Bereits aus diesem Grund führt der Abschluss
eines langfristigen Leihvertrags über Räume durch den Vorerben auch nicht
dazu, dass die Erbschaft im Sinne des § 2138 Abs. 2 BGB vermindert wird.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 - XII ZR 33/15 - OLG Hamm
LG Essen
ECLI:DE:BGH:2016:270116UXIIZR33.15.0

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling, Dr. Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 5. März 2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger begehrt von den beiden Beklagten, seinem Bruder und dessen Ehefrau, die Herausgabe von Wohn- und Geschäftsräumen.
2
Der Vater des Klägers und des Beklagten zu 1 verstarb im Juni 2008. Er wurde von seiner Ehefrau, deren Mutter (im Folgenden: Erblasserin), als befreiter Vorerbin beerbt. Als Nacherben zu gleichen Teilen nach dem Tod der Erblasserin waren die beiden Söhne eingesetzt. In den Nachlass fiel auch die streitgegenständliche Immobilie, in der sich mehrere Wohnungen sowie Geschäftsräume befinden.
3
Bereits im Jahre 2007 hatte die Erblasserin dem Kläger Barvermögen von rund 250.000 € sowie ein Hausanwesen geschenkt. Anfang 2011 unterzeichnete sie (damals 74jährig) zwei jeweils mit "Gebrauchsüberlassungsvereinbarung" überschriebene Schriftstücke, in denen sie sich - jeweils befristet bis zum 31. Dezember 2041 - verpflichtete, unentgeltlich dem Beklagten zu 1 drei Wohnungen und die Geschäftsräume sowie der Beklagten zu 2 drei weitere Wohnungen und ein Zimmer in der Immobile zur Verfügung zu stellen. Nach den insoweit gleich lautenden Schriftstücken sollten die Beklagten berechtigt sein, Änderungen an den ihnen jeweils überlassenen Objekten vorzunehmen, frei über sie zu verfügen und Dritten Rechte hieran einzuräumen, während die Erblasserin verpflichtet war, die Objekte angemessen zu versichern und in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten. Eine Pflicht der Beklagten, Betriebskosten zu zahlen, sollte nicht bestehen, eine Eigenbedarfskündigung der Erblasserin war ausgeschlossen. Die beiden Beklagten übernahmen die Räumlichkeiten, nutzten einen Teil der Wohnräume selbst und vereinnahmten im Übrigen Miete.
4
Anfang 2012 wurde für die Erblasserin eine Betreuerin für den Aufgabenkreis Rechts-, Vermögens- und Wohnungsangelegenheiten bestellt. Mit Anwaltsschreiben vom 13. März 2012 ließ die Erblasserin gegenüber den Beklagten die Anfechtung der Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen wegen Irrtums und Täuschung erklären, widerrief ihre Erklärungen, berief sich auf Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit und erklärte vorsorglich die fristgemäße Kündigung unter Berufung auf ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB. Mit ihrer Mitte 2012 erhobenen Klage hat die Erblasserin von den beiden Beklagten Räumung und Herausgabe der überlassenen Räume verlangt. Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. Februar 2014 in vollem Umfang stattgegeben.
5
Nachdem die Erblasserin in der Nacht vom 21. auf den 22. März 2014 verstorben war und von Kläger und Beklagtem zu 1 zu gleichen Teilen beerbt wurde, haben die Beklagten ihre Berufung gegen den Kläger gerichtet, der mit der Berufungserwiderung seinerseits die Kündigung der Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen erklärt hat. Der Kläger hat Zurückweisung der Berufung beantragt, hilfsweise mit der Maßgabe, dass die Herausgabe an die aus ihm und dem Beklagten zu 1 bestehende Erbengemeinschaft zu erfolgen habe. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung der Vorinstanz abgeändert und die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
8
Das Verfahren sei nicht durch den Tod der Erblasserin unterbrochen, weil der Kläger als derjenige Miterbe, der bislang nicht am Verfahren beteiligt gewesen sei, in die Parteistellung seiner Mutter eingetreten sei.
9
Dem Kläger stehe ein Herausgabeanspruch nicht zu. Denn die Beklagten seien zum Besitz berechtigt, weil die Gebrauchsüberlassungsverträge wirksam geschlossen und nicht erfolgreich angefochten worden seien und weder die Kündigung der Erblasserin noch die des Klägers die Vertragsverhältnisse beendet hätten. Die Vereinbarungen seien als Leihe anzusehen, weil es sich um unentgeltliche Gebrauchsüberlassung handele und es an einer das Vermögen des Überlassenden in seiner Substanz mindernden Zuwendung fehle.
10
Die Verträge seien nicht sittenwidrig. Tatsachen, die für eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB sprächen, seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Erblasserin habe für sich in Anspruch genommen, nicht pflegebedürftig zu sein. Vor diesem Hintergrund bewege sich die behauptete Drohung des Beklagten zu 1, sie in B. bzw. E. allein zurückzulassen, im Rahmen normaler zwischenmenschlicher Beziehungen. Eine Sittenwidrigkeit ergebe sich auch nicht aus § 138 Abs. 1 BGB. Sie sei zwar für die Zeit ab Eintritt des Nacherbfalls nicht fernliegend, weil die Verträge offenkundig der Umgehung der Regelung des § 2113 Abs. 2 BGB dienten, die allerdings nur Verfügungen im technischen Sinne umfasse. Denn der wirtschaftliche Wert des den Nacherben zustehenden Nachlassgegenstands werde nahezu vollständig ausgehöhlt, nachdem bei Vertragsschluss nahe gelegen habe, dass die Erblasserin das "biblische" Alter von 105 Jahren nicht erreichen werde und damit im Wesentlichen die Nacherben, insbesondere der Kläger, mit den Vertragspflichten belastet und an der Fruchtziehung gehindert sein würden. Gegen eine Sittenwidrigkeit spreche aber das Interesse der Erblasserin, mit Blick auf die dem Kläger bereits überlassenen Vermögenswerte eine Gleichbehandlung ihrer Kinder herzustellen, wobei es durch die Überlassungsverträge allerdings zu einem erheblichen Missverhältnis zu Ungunsten des Klägers komme. Dies reiche gleichwohl nicht für die Annahme einer Sittenwidrigkeit aus, denn die Befugnis der Erblasserin als befreiter Vorerbin umfasse den Abschluss der Gebrauchsüberlassungsverträge, was auch die gesetzgeberische Wertung in § 2287 BGB zeige. Für die Zeit vor Eintritt des Nacherbfalls liege es nicht anders. Selbst wenn ein Zuwendender durch eine unentgeltliche Zuwendung mittellos werde, führe dies nicht allein, sondern erst bei Hinzutreten hier nicht substanziiert vorgetragener Umstände zur sittlichen Missbilligung und Nichtigkeit der Zuwendung. Hinzu komme, dass die Erblasserin zu ihrer angeblichen Mittellosigkeit nicht hinreichend substanziiert vorgetragen habe. Das gelte ebenso für Anfechtungsgründe.
11
Die von der Erblasserin ausgesprochene Kündigung habe die Verträge nicht beendet. Die Eigenbedarfskündigung nach § 605 Nr. 1 BGB sei wirksam ausgeschlossen, so dass nur eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB in Betracht komme. Ein solcher wichtiger Grund sei aber selbst dann nicht gegeben, wenn man unterstelle, dass die Erblasserin nicht mehr über hinreichende Einkünfte zur Instandhaltung der Immobilie und Finanzierung ihres Lebensunterhalts verfüge. Zwar seien bei der Kündigung eines Gefälligkeitsverhältnisses keine hohen Anforderungen an das Vorliegen eines wichtigen Grundes zu stellen. Vielmehr genüge, dass ein vernünftiger Grund für die Beendigung spreche. Auch einen solchen habe die Erblasserin aber nicht mit Substanz vorgetragen.
12
Die Kündigung durch den Kläger habe ebenfalls nicht zur Vertragsbeendigung geführt. Das Kündigungsrecht gegenüber der Beklagten zu 2 habe der Kläger nur gemeinsam mit dem Beklagten zu 1 ausüben können. Die Erbengemeinschaft nach dem Vater bestehe unaufgelöst fort. Zwar könne eine Kündigung grundsätzlich durch Mehrheitsbeschluss herbeigeführt werden. An der nach Erbteilen zu bemessenden Mehrheit fehle es aber bei den vorliegenden hälftigen Erbanteilen. Ein Interessenwiderstreit, der zu einer Stimmenthaltungspflicht des Beklagten zu 1 führen könne, liege im Verhältnis zur Beklagten zu 2 nicht vor. Den beiden Nacherben stehe auch gemeinschaftlich kein Sonderkündigungsrecht aus §§ 2135, 1056 BGB zu, weil ein solches jedenfalls nach § 242 BGB ausgeschlossen sei. Denn die Nacherben seien mit identischen Erbanteilen sowohl Gesamtrechtsnachfolger ihrer Mutter als auch des Vaters geworden und daher als Grundstückseigentümer tatsächlich in der Lage, die sie treffende Vertragspflicht zur Gebrauchsüberlassung zu erfüllen. Schließlich habe auch der Kläger keinen wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB vorgetragen.

II.

13
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
14
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Rechtsstreit auf der Klägerseite nach dem Tod der ursprünglichen Klägerin al- lein vom Kläger fortgeführt wird und der Beklagte - obwohl ebenfalls Miterbe zur Hälfte nach der Mutter - seine prozessuale Stellung beibehalten hat (vgl. BGH Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZB 99/13 - NJW 2014, 1886 Rn. 9; Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 239 Rn. 13; Stöber MDR 2007, 757, 759). Aus § 2039 Satz 1 BGB folgt die Berechtigung des einzelnen Miterben, eine zum Nachlass gehörende Forderung als gesetzlicher Prozessstandschafter für die Erbengemeinschaft (BGHZ 167, 150 = NJW 2006, 1969 Rn. 7) auch gegen einen Miterben geltend zu machen (BGH Urteile vom 1. Oktober 1975 - IV ZR 161/73 - WM 1975, 1179, 1181 und vom 19. Juni 1952 - III ZR 217/50 - LM Nr. 3 zu § 249 [Fa] BGB; MünchKommBGB/Gergen 6. Aufl. § 2039 Rn. 32; Staudinger/Löhnig BGB [2016] § 2039 Rn. 20, 25; Stöber MDR 2007, 757, 759).
15
2. Die Erblasserin und die beiden Beklagten haben wirksame befristete Leihverträge über die in dem Hausanwesen befindlichen Räume geschlossen, die den Beklagten gegenüber dem Herausgabeverlangen des Klägers aus § 985 BGB ein Recht zum Besitz im Sinne des § 986 BGB vermitteln.
16
a) Das Berufungsgericht hat - was die Parteien in der Revisionsinstanz auch nicht in Zweifel ziehen - die zwischen der Erblasserin und den Beklagten geschlossenen Gebrauchsüberlassungsverträge zu Recht als Leihverträge im Sinne des § 598 BGB - und nicht als gemäß § 518 BGB formbedürftige Schenkung - angesehen.
17
aa) Wie der Bundesgerichtshof wiederholt in Fällen der Vereinbarung eines unentgeltlichen schuldrechtlichen Wohnrechts entschieden hat, liegt in der bloßen vorübergehenden Gebrauchsüberlassung einer Sache in der Regel keine das Vermögen mindernde Zuwendung, wie sie für eine Schenkung gemäß § 516 Abs. 1 BGB erforderlich wäre. Denn die Sache verbleibt im Eigentum und mithin im Vermögen des Leistenden. Auch der unmittelbare Besitz wird dann nicht endgültig, sondern nur vorübergehend aus der Hand gegeben. Allein das Merkmal der Unentgeltlichkeit macht die Zuwendung noch nicht zu einer Schenkung. Wer sich vertraglich verpflichtet, einem anderen den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten, begründet vielmehr einen formlos zulässigen Leihvertrag gemäß § 598 BGB. Da eine Leihe gerade die Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs zum Gegenstand hat, kann auch in der damit verbundenen Zuwendung des Wertes einer sonst möglich gewesenen Eigennutzung der Sache keine Schenkung gesehen werden (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820; BGH Urteile vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553 und vom 10. Oktober 1984 - VIII ZR 152/83 - NJW 1985, 313 sowie Beschluss vom 11. Juli 2007 - IV ZR 218/06 - FamRZ 2007, 1649, 1650).
18
Dass die Gebrauchsüberlassung auch über den Tod des Überlassenden hinaus andauern sollte, etwa weil eine Überlassung auf Lebenszeit des Wohnberechtigten vereinbart und ein Vorversterben des Überlassenden zu erwarten ist, macht insoweit keinen Unterschied. Auf das jeweilige Alter der Vertragsschließenden und die Wahrscheinlichkeit, dass der eine den anderen überlebt, kann für die rechtliche Behandlung derartiger Abreden nicht abgehoben werden (BGH Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553).
19
bb) Für die streitgegenständlichen Gebrauchsüberlassungsverträge gilt nichts anderes. Allerdings wird durch sie den Beklagten nicht lediglich eine Nutzung der Räume zu eigenen Wohnzwecken ermöglicht, sondern darüber hinaus auch eine Gebrauchsüberlassung an Dritte. Dies ändert jedoch nichts daran, dass das Eigentum bei der Erblasserin verblieb und es sich um eine - wenn auch lang andauernde - Gebrauchsüberlassung nur auf Zeit handelte.
20
Ob dann, wenn die Gebrauchsüberlassung der wirtschaftlichen Weggabe der Sache nahe kommt, von einer Schenkung im Sinne des § 516 BGB auszu- gehen ist (offen gelassen von BGH Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553), bedarf keiner Entscheidung. Denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Dass der Wert der streitgegenständlichen Immobilie nach Ablauf der Vertragslaufzeiten von 31 Jahren erschöpft wäre, ist nicht ersichtlich. Es wird auch weder von der Revision geltend gemacht noch ist es vom Berufungsgericht festgestellt. Soweit im Berufungsurteil ausgeführt ist, der wirtschaftliche Wert des auch dem Kläger zustehenden Nachlassgegenstands werde in Ansehung der Vertragslaufzeit nahezu vollständig ausgehöhlt, bezieht sich dies auf die (zeitliche) Nutzungsmöglichkeit durch die Nacherben, nicht aber auf den Wert der überlassenen Sache insgesamt.
21
Schließlich führt das Berufungsgericht zutreffend aus, dass die von den Vertragsparteien vereinbarten Abweichungen von der in §§ 598 ff. BGB gesetzlich vorgesehenen Ausgestaltung der Leihe nicht die Annahme rechtfertigen , es liege kein Leihvertrag vor. Dies gilt sowohl für die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte, deren Erteilung das Gesetz in § 603 Satz 2 BGB vorsieht, als auch dafür, dass sich die Erblasserin abweichend von § 601 Abs. 1 BGB zur Übernahme der gewöhnlichen Erhaltungskosten verpflichtet hat. Diese Gesetzesbestimmung ist ebenso abdingbar (jurisPK-BGB/Colling [Stand: 1. Oktober 2014] § 601 Rn. 12; Palandt/Weidenkaff BGB 75. Aufl. § 601 Rn. 3; Soergel/Heintzmann BGB 13. Aufl. § 601 Rn. 5) wie das in § 605 Nr. 1 BGB vorgesehene Recht des Entleihers zur Eigenbedarfskündigung (allgM, vgl. etwa BeckOK BGB/Wagner [Stand: 1. Februar 2015] § 605 Rn. 1; jurisPK-BGB/ Colling [Stand: 1. Oktober 2014] § 605 Rn. 11; MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 605 Rn. 6; Staudinger/Reuter BGB [2013] § 605 Rn. 1). Die von den Vertragsparteien gegenüber dem gesetzlichen Modell vorgenommenen Modifikationen ändern nichts daran, dass eine unentgeltliche Gebrauchsüberlassung und mithin eine Leihe vorliegt.
22
b) Die Gebrauchsüberlassungsverträge waren auch nicht entsprechend § 518 BGB formbedürftig.
23
aa) Verträge über die Gestattung des unentgeltlichen Gebrauchs einer Sache sind ungeachtet eines etwa hierdurch dem Eigentümer entstehenden wirtschaftlichen Nachteils generell als Leihe zu qualifizieren (§ 598 BGB). In diese Richtung weist auch das Schenkungsrecht selbst. Denn nach § 517 BGB liegt keine Schenkung vor, wenn jemand zum Vorteil eines anderen lediglich einen Vermögenserwerb unterlässt. Auf den Leihvertrag sind deshalb schenkungsrechtliche Vorschriften grundsätzlich auch dann nicht anzuwenden, wenn dem Eigentümer infolge der Gebrauchsüberlassung Vermögensvorteile entgehen , die er bei eigenem Gebrauch hätte erzielen können (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821).
24
Weil die Regelung über den Leihvertrag nicht auf nur kurzfristige Gestattungsverträge beschränkt ist (vgl. § 604 BGB), kann die Dauer des Vertragsverhältnisses für die Frage der entsprechenden Anwendung von Bestimmungen aus dem Schenkungsrecht wie etwa dem Formerfordernis des § 518 BGB keine entscheidende Bedeutung erlangen. Soweit das Gesetz nicht für bestimmte Verträge Formerfordernisse vorschreibt, wie die schriftliche Form bei für längere Zeit als ein Jahr geschlossenen Mietverträgen (§ 550 BGB mit der Folge vorzeitiger Kündbarkeit), ist ein Rechtsgeschäft nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit mit dem formlos vereinbarten Inhalt wirksam. Für den Abschluss eines Leihvertrags ist keine bestimmte Form vorgesehen. Dieser Vertrag ist mithin auch dann formlos zulässig, wenn er nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ein Risiko in sich birgt oder einen Nachteil mit sich bringen kann, wie dies mit der langfristigen Überlassung von Räumen zum unentgeltlichen Besitz und Gebrauch einhergeht. Es spielt keine Rolle, ob sich diese Gefahr nur aus der Länge der verabredeten Bindungsdauer oder erst aus der mit der Ge- brauchsgewährung verknüpften Aufgabe eines Vermögensvorteils der sonst möglichen Eigennutzung ergibt (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821).
25
bb) Eine Ausnahme von der Formfreiheit besteht im vorliegenden Fall auch nicht wegen des in den Gebrauchsüberlassungsverträgen enthaltenen - unterstellt wirksamen - Ausschlusses einer Eigenbedarfskündigung nach § 605 Nr. 1 BGB.
26
Zwar ist die Kündigungsbefugnis nach § 605 Nr. 1 BGB eine Rechtfertigung dafür, dass das Gesetz die Belange des Verleihers auch ohne Formzwang als ausreichend gewahrt ansieht (BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821). Deshalb wird teilweise vertreten, dass im Falle des Ausschlusses der Eigenbedarfskündigung die analoge Anwendung des § 518 BGB in Betracht zu ziehen sei (MünchKommBGB/Häublein 6. Aufl. § 598 Rn. 14; Nehlsen-von Stryck AcP 187, 552, 590; Grundmann AcP 198, 457, 479 f.).
27
Dem ist jedoch nicht zu folgen. Auch bei Ausschluss der Eigenbedarfskündigung stellt die Leihe ein Minus zur Schenkung dar, weil das Eigentum beim Verleiher verbleibt und der Entleiher die geliehene Sache nur als Fremdbesitzer nutzt (Staudinger/Reuter BGB [2013] § 598 Rn. 9). Darüber hinaus steht dem Verleiher bei Dauerschuldverhältnissen wie der Leihe auf Zeit jedenfalls die Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB offen, um sich bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses von diesem zu lösen (vgl. auch BGHZ 82, 354 = NJW 1982, 820, 821). Zwar ist dieses Sonderkündigungsrecht durch die vertraglichen Regelungen dahin modifiziert, dass der Eigenbedarf des Verleihers eine Unzumutbarkeit im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB - eigentlich - nicht begründen kann. Es ist jedoch in den Blick zu nehmen, dass die Leihe aufgrund ihrer Unentgeltlichkeit zu den Gefälligkeitsverträgen gehört (Staudinger/Reuter BGB [2013] Vorbem zu §§ 598 ff. Rn. 8). Dem Ent- leiher kann es daher, zumal bei Hinzutreten eines verwandtschaftlichen Näheverhältnisses zwischen den Vertragsparteien, im Einzelfall gemäß § 242 BGB verwehrt sein, sich auf den vertraglich vereinbarten Kündigungsausschluss zu berufen (vgl. zur sog. Ausübungskontrolle grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81 = FamRZ 2004, 601, 606). Im Ergebnis führt daher auch der Ausschluss der Eigenbedarfskündigung des § 605 Nr. 1 BGB nicht zu einer mit der Schenkung vergleichbaren Interessenlage, so dass die entsprechende Anwendung der schenkungsrechtlichen Formvorschriften ausscheidet (so etwa Staudinger/ Reuter BGB [2013] § 598 Rn. 9; vgl. auch Gitter Gebrauchsüberlassungsverträge S. 151 f.; Palandt/Weidenkaff BGB 75. Aufl. Einf v § 598 Rn. 4; Soergel/ Heintzmann BGB 13. Aufl. Vor § 598 Rn. 6).
28
c) Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Sittenwidrigkeit der Gebrauchsüberlassungsverträge verneint.
29
aa) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Leihverträge führten zu einer sittenwidrigen Umgehung der erbrechtlichen Regelung des § 2113 Abs. 2 BGB, nach der das Recht des Nacherben vereitelnde oder beeinträchtigende unentgeltliche Verfügungen des Vorerben unwirksam sind. Dabei bedarf es keines vertieften Eingehens auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der mit einem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck der Gesetzesumgehung zur Nichtigkeit gemäß § 138 BGB führen kann (vgl. die Darstellungen bei MünchKommBGB/Armbrüster 7. Aufl. § 138 Rn. 53 f. und bei Staudinger/Sack/ Fischinger BGB [2011] § 138 Rn. 672). Denn jedenfalls erfordert die Annahme einer den Verstoß gegen die guten Sitten begründenden Verwerflichkeit, dass mit dem Rechtsgeschäft ein Rechtszustand geschaffen werden soll, den die umgangene gesetzliche Bestimmung zu verhindern sucht. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
30
(1) Die Vorschrift des § 2113 BGB schützt den Nacherben nur gegen bestimmte Verfügungen des Vorerben über Gegenstände der Vorerbschaft, indem sie die Unwirksamkeit der Verfügung anordnet. Sie bezieht sich nach der zutreffenden allgemeinen Meinung allein auf Verfügungen im Rechtssinne, so dass ihr Verpflichtungsgeschäfte nicht unterfallen (BGHZ 52, 269 = NJW 1969, 2043, 2045; BGH Urteil vom 30. Mai 1990 - IV ZR 83/89 - FamRZ 1990, 1344, 1345 f.; BeckOK BGB/Litzenburger [Stand: 1. November 2015] § 2113 Rn. 10, 15; MünchKommBGB/Grunsky 6. Aufl. § 2113 Rn. 8, 24). Vom Gesetzgeber wurden nur die mit Verfügungen verbundenen unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigungen als so schwerwiegend eingestuft, dass es einer gesetzlichen Anordnung der Unwirksamkeit bedurfte.
31
(2) Dem sind schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäfte nicht vergleichbar , wie auch die vorliegende Fallgestaltung der Raumleihe durch den Vorerben verdeutlicht. Durch einen Leihvertrag über Räume wird dem Nachlass für den Nacherben weder das Grundstück noch sonstiges Vermögen entzogen. Bis zum Eintritt des Nacherbfalls unterbleibt lediglich die Fruchtziehung durch den Vorerben, die aber ohnedies - von den Fällen der ordnungswidrigen oder übermäßigen Fruchtziehung des § 2133 BGB abgesehen - allein diesem zusteht. Mit einem vom Vorerben abgeschlossenen Leihvertrag wird schuldrechtlich auch nicht der Nacherbe verpflichtet, weil er nicht der Rechtsnachfolger des Vorerben ist. Ein Vertragsübergang findet nur bei zur Erbschaft gehörenden Miet- oder Pachtverträgen über Grundstücke und eingetragene Schiffe aufgrund der besonderen gesetzlichen Anordnung in §§ 2135, 1056, 566 BGB statt, nicht aber bei der Leihe. Mithin kann der Nacherbe mit Eintritt des Nacherbfalls vom Entleiher die Herausgabe aus § 985 BGB verlangen. Allein der Vorerbe - oder seine Erben - haften gegebenenfalls wegen Nichterfüllung der Überlassungsverpflichtung gegenüber dem Entleiher.
32
(3) Dieser Herausgabeanspruch scheitert im zu entscheidenden Fall allein daran, dass die Nacherben zusätzlich personenidentisch mit den Erben der Vorerbin und damit deren Rechtsnachfolger sind, weshalb die beiden Entleiher ihnen gegenüber ein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB haben.
33
Als Erbengemeinschaft nach der Erblasserin sind Kläger und Beklagter zu 1 in die Stellung als Verleiher eingerückt, und zwar sowohl gegenüber der Beklagten zu 2 als auch gegenüber dem Beklagten zu 1. Dass Letztgenannter in einem der beiden Vertragsverhältnisse der Entleiher ist, führt dort nicht zur (teilweisen) Konfusion. Denn der Nachlass bildet infolge seiner gesamthänderischen Bindung ein Sondervermögen, so dass die Vereinigungswirkung von Recht und Verbindlichkeit erst eintritt, wenn aus dem Nachlass einzelne Rechte auf Miterben übertragen werden (BGH Urteil vom 8. April 2015 - IV ZR 161/14 - FamRZ 2015, 1025 Rn. 15; MünchKommBGB/Leipold 6. Aufl. § 1922 Rn. 127, 129; Palandt/Weidlich BGB 75. Aufl. § 1922 Rn. 6). Dass eine Bindung der beiden Mitglieder der Nacherbengemeinschaft über den Tod der Vorerbin hinaus an die Leihverträge besteht, berührt mithin nicht den Schutzzweck des § 2113 BGB, sondern ist ausschließlich der Erbfolge nach der Erblasserin und dem Umstand geschuldet, dass der Kläger die Erbschaft nach der Erblasserin nicht ausgeschlagen hat.
34
bb) Sonstige Gründe für eine Sittenwidrigkeit werden weder von der Revision geltend gemacht noch sind sie anderweitig ersichtlich. Insbesondere ist für eine Nichtigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nicht ausreichend, dass es sich bei den Leihverträgen - noch dazu in der hier gegebenen Ausgestaltung - um nahezu ausschließlich eine Vertragsseite begünstigende Regelungen handelt.
35
d) Die in den Gebrauchsüberlassungsvereinbarungen getroffenen Laufzeitbestimmungen sind wirksam. Das für einen über eine längere Zeit als ein Jahr abgeschlossenen Grundstücks- oder Raummietvertrag geltende Schriftformerfordernis des § 550 BGB ist nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Hauptzweck dieser Vorschrift ist es, einem Erwerber des Grundstücks die Gelegenheit zu verschaffen, sich zuverlässig über bestehende Mietverhältnisse zu unterrichten, in die er nach § 566 BGB eintreten muss. Eine § 566 BGB vergleichbare Vorschrift fehlt jedoch bei der Leihe (vgl. BGH Urteil vom 20. Juni 1984 - IVa ZR 34/83 - NJW 1985, 1553, 1554).
36
3. Die Kündigungen der Erblasserin und des Klägers haben die Vertragsverhältnisse nicht beendet.
37
a) Die Kündigung der Erblasserin ist weder gemäß § 605 Nr. 1 BGB noch nach § 314 BGB wirksam.
38
aa) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass weder die Erblasserin (als die ursprüngliche Klägerin) noch der Kläger einen Eigenbedarf der Erblasserin im Sinne des § 605 Nr. 1 BGB dargelegt haben, weil es an subsanziiertem Vortrag zur Mittellosigkeit der Erblasserin fehlt. Hiergegen erhebt die Revision keine erheblichen Einwände; insbesondere geht der Hinweis der Revision auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil ins Leere, weil das Oberlandesgericht diese nicht übernommen, sondern zur Frage der Bedürftigkeit der Erblasserin abweichende eigene Feststellungen getroffen hat. Daher kann dahinstehen, ob der vertragliche Ausschluss der Eigenbedarfskündigung jeweils durchgreift.
39
bb) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht einen für die Erblasserin streitenden wichtigen Grund im Sinne des § 314 BGB verneint hat.
40
(1) Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden kann. Dies ist im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen (BGH Urteil vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 9 mwN). Bei der Kündigung eines Gefälligkeitsverhältnisses sind an das Vorliegen eines wichtigen Grundes keine hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt vielmehr, dass ein vernünftiger Grund für die Beendigung spricht (BGH Urteil vom 7. November 1985 - III ZR 142/84 - NJW 1986, 978, 980).
41
Ob nach diesen Kriterien bestimmte Umstände als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung zu werten sind, hat in erster Linie der Tatrichter zu entscheiden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich allein darauf, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff des wichtigen Grunds richtig erfasst, ob es aufgrund vollständiger Sachverhaltsermittlung geurteilt und ob es in seine Wertung sämtliche Umstände des konkreten Falles einbezogen hat (BGH Urteile vom 11. November 2010 - III ZR 57/10 - NJW-RR 2011, 916 Rn. 10 mwN und vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09 - NJW 2010, 1874 Rn. 17 mwN).
42
(2) Einer Überprüfung anhand dieser Maßstäbe hält die Würdigung des Berufungsgerichts stand. Das Oberlandesgericht ist davon ausgegangen, dass den Gebrauchsüberlassungsverträgen ein Gefälligkeitsverhältnis zugrunde liegt. Es hat sich folgerichtig die Frage vorgelegt, ob vernünftige Gründe für die Vertragsbeendigung sprechen, dies rechtlich beanstandungsfrei jedoch schon deshalb verneint, weil die Erblasserin solche weder substanziiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt habe. Die Revision zeigt nicht auf, dass dabei Umstände unberücksichtigt geblieben sind.
43
b) Die vom Kläger ausgesprochene Kündigung hat ebenfalls nicht zur Vertragsbeendigung geführt.
44
aa) Insoweit stellt sich allerdings nicht die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob eine Kündigung im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 BGB des den Nacherben angefallenen Nachlasses erfolgen konnte. Denn diese Nacherbengemeinschaft ist nicht in die Verleiherrolle , sondern allein in die Eigentümerstellung eingerückt. Zu einer Kündigung der Vertragsverhältnisse war die an diesen nicht beteiligte Nacherbengemeinschaft nicht berechtigt. Vielmehr kommen für sie ausschließlich aus dem Eigentum folgende Rechte in Betracht.
45
bb) Ein Grund, der die Kündigung der Leihverträge durch die Erbengemeinschaft nach der Mutter als der neuen Verleiherin rechtfertigen könnte, ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
46
Der Kläger kann sich auch nicht auf ein Sonderkündigungsrecht gemäß oder analog §§ 2135, 1056 Abs. 2 Satz 1 BGB stützen. Eine direkte Anwendung der Vorschriften scheitert bereits daran, dass der Leihvertrag nicht in § 2135 BGB genannt ist. Für eine entsprechende Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Vorschrift des § 2135 BGB stellt aus Gründen des Mieter- und Pächterschutzes (Staudinger/Avenarius BGB [2013] § 2135 Rn. 1 ff.; vgl. auch Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 25/09 - NJW 2011, 61 Rn. 12) sicher, dass der Nacherbe ausnahmsweise bei bestimm- ten Miet- und Pachtverhältnissen in die Rechte und Pflichten einer vom Vorerben geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung eintritt, und gewährt dem Nacherben im Gegenzug ein Sonderkündigungsrecht. Für Leihverträge hat der Gesetzgeber ein entsprechendes Regelungsbedürfnis nicht gesehen, so dass es insoweit damit sein Bewenden hat, dass dem Nacherben aus dem vom Vorerben geschlossenen Vertrag keine Verpflichtungen entstehen. Mangels einer vertraglichen Verbindung zwischen Nacherbe und Entleiher bedarf es aber auch keines Sonderkündigungsrechts für den Nacherben.
47
4. Schließlich beruft sich der Kläger mit der Revision ohne Erfolg darauf, die Beklagten seien verpflichtet, die Räume im Wege des Schadensersatzes gemäß §§ 2138 Abs. 2, 1967, 249 Satz 1 BGB (Beklagter zu 1) bzw. §§ 826, 249 Satz 1 BGB (Beklagte zu 2) herauszugeben.
48
Der Tatbestand des § 2138 Abs. 2 BGB ist durch die von der Erblasserin abgeschlossenen Leihverträge nicht erfüllt, so dass der Beklagte zu 1 als Miterbe schon mangels Schadensersatzverpflichtung der Erblasserin nicht auf Naturalrestitution im Wege der Herausgabe haftet. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung bedeutete der Abschluss der Leihverträge keine Verminderung der Nacherbschaft, weil diese Verträge für die Nacherben als solche keine Bindung entfalten. Zu einer wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Raumnutzung durch beide Nacherben führt erst der Umstand, dass sie auch die Erblasserin beerbt haben. Insoweit wirkt sich insbesondere aus, dass der Kläger die Erbschaft nach der Erblasserin nicht ausgeschlagen hat. Denn bei Ausschlagung wäre der Beklagte zu 1 alleiniger Verleiher und dem Herausgabeanspruch der Erbengemeinschaft aus § 985 BGB stünde kein Recht zum Besitz der Beklagten gegenüber. Das mit dem Beklagten zu 1 bestehende Vertragsverhältnis wäre nämlich durch Konfusion untergegangen und der zwischen Beklagtem zu 1 als Verleiher und der Beklagten zu 2 als Entleiherin bestehende Vertrag würde die mit der Verleiherseite nicht personenidentische Nacherbengemeinschaft nicht verpflichten.
49
Aus den gleichen Gründen hat der Abschluss des Leihvertrags durch die Beklagte zu 2 nicht zu einer Schädigung der Nacherben geführt. Es bedarf daher keiner Erörterung, inwieweit der Beklagten zu 2 in der vorliegenden Fallgestaltung überhaupt eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne des § 826 BGB zum Nachteil der Nacherben zur Last fallen könnte.
Dose Klinkhammer Schilling Botur Guhling
Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 27.02.2014 - 2 O 19/13 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 05.03.2015 - I-5 U 52/14 -

Durch den Leihvertrag wird der Verleiher einer Sache verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Sache unentgeltlich zu gestatten.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Hat der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht, so kann der Pflichtteilsberechtigte als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

(2) Eine verbrauchbare Sache kommt mit dem Werte in Ansatz, den sie zur Zeit der Schenkung hatte. Ein anderer Gegenstand kommt mit dem Werte in Ansatz, den er zur Zeit des Erbfalls hat; hatte er zur Zeit der Schenkung einen geringeren Wert, so wird nur dieser in Ansatz gebracht.

(3) Die Schenkung wird innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt. Sind zehn Jahre seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Ist die Schenkung an den Ehegatten erfolgt, so beginnt die Frist nicht vor der Auflösung der Ehe.

(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

(1) Der Entleiher ist verpflichtet, die geliehene Sache nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben.

(2) Ist eine Zeit nicht bestimmt, so ist die Sache zurückzugeben, nachdem der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat. Der Verleiher kann die Sache schon vorher zurückfordern, wenn so viel Zeit verstrichen ist, dass der Entleiher den Gebrauch hätte machen können.

(3) Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen, so kann der Verleiher die Sache jederzeit zurückfordern.

(4) Überlässt der Entleiher den Gebrauch der Sache einem Dritten, so kann der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von dem Dritten zurückfordern.

(5) Die Verjährung des Anspruchs auf Rückgabe der Sache beginnt mit der Beendigung der Leihe.

Der Verleiher kann die Leihe kündigen:

1.
wenn er infolge eines nicht vorhergesehenen Umstandes der verliehenen Sache bedarf,
2.
wenn der Entleiher einen vertragswidrigen Gebrauch von der Sache macht, insbesondere unbefugt den Gebrauch einem Dritten überlässt, oder die Sache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet,
3.
wenn der Entleiher stirbt.

(1) Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

(2) Besteht der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag, ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig. Für die Entbehrlichkeit der Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und für die Entbehrlichkeit einer Abmahnung findet § 323 Absatz 2 Nummer 1 und 2 entsprechende Anwendung. Die Bestimmung einer Frist zur Abhilfe und eine Abmahnung sind auch entbehrlich, wenn besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen.

(3) Der Berechtigte kann nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat.

(4) Die Berechtigung, Schadensersatz zu verlangen, wird durch die Kündigung nicht ausgeschlossen.

Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.

(1) Eine Schenkung kann widerrufen werden, wenn sich der Beschenkte durch eine schwere Verfehlung gegen den Schenker oder einen nahen Angehörigen des Schenkers groben Undanks schuldig macht.

(2) Dem Erben des Schenkers steht das Recht des Widerrufs nur zu, wenn der Beschenkte vorsätzlich und widerrechtlich den Schenker getötet oder am Widerruf gehindert hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.