Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 14. Apr. 2016 - 2 LB 1/16
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 4. Kammer, Einzelrichter -vom 10. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich in diesem Verfahren gegen seine Heranziehung zu Teilbeträgen auf den „Abschlag Abwasser“ für das Jahr 2010.
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Mit Bescheid vom 18.01.2010 setzte die Bürgermeisterin der Beklagten die Abwassergebühr für das Verbrauchsjahr 2009 (01.01.2009 bis 22.12.2009 sowie 23.12. bis 31.12.2009) auf 333,39 € fest. Mit der gleichen Postsendung ging ein Schreiben der Gemeindewerke ... GmbH zu, mit dem die festgesetzte Gebühr mit den bereits geleisteten Abschlagszahlungen verrechnet und für das Jahr 2010 monatliche Abschlagzahlungen festgelegt wurden, nämlich für Abwasser i.H.v. jeweils 34,00 € monatlich.
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Der Kläger legte am 23.04.2010 bei der Beklagten „Widerspruch gegen den Abwasserbescheid“ ein, der „sich nur gegen die neu festgesetzte Gebühr für Abwasser (… richten sollte…), da die neue Entwässerungssatzung der Gemeinde St... nunmehr die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in ... mit der Dorfgemeinschaft E... und die Dorfschaften D..., C..., A..., P... und K... abgaberechtlich gleichgestellt“ habe. Dieser Widerspruch wurde als „gegen den Abwassergebührenbescheid der Gemeinde St... vom 18.01.2010, Vorauszahlungen von Abwassergebühren für die Rechnungsperiode 2010“ eingelegt gesehen und mit Widerspruchsbescheid der Bürgermeisterin der Beklagten vom 02.12.2010 zurückgewiesen. Rechtsgrundlage für die Vorauszahlungen auf Abwassergebühren im Zeitraum 2010 seien die §§ 1, 2 und 6 KAG i.V.m. § 21 der Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde vom 07.12.2009 sowie die Beitrags- und Gebührensatzung vom 07.12.2009. Seit dem 01.01.2010 sei die zentrale Schmutzwasserbeseitigung in der Ortslage ... und der Dorfschaft E... durch Ableitung in das Zentralklärwerk ... und die Abwasserbeseitigung über Klärteiche in den Dorfschaften D..., C..., A..., P... und K... zu einer einheitlichen Einrichtung zusammengefasst. Diese beitragsrechtliche Zusammenfassung technisch voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme sei rechtlich zulässig; eine Vergleichbarkeit der Entwässerungssysteme nach ihrer Arbeitsweise und ihren Arbeitsergebnissen sei gegeben.
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Der Kläger hat am 23.12.2010 Klage erhoben. Die Satzung über die Erhebung von Abgaben für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung, die am 01.01.2010 in Kraft getreten sei, sei rechtswidrig. Der Zusammenfassung der Entwässerungssysteme zu einer öffentlichen Einrichtung stehe das Willkürverbot entgegen. Sowohl die Arbeitsweise wie auch die Arbeitsergebnisse der technisch selbständigen Entwässerungssysteme seien nicht vergleichbar. Auch mit dem von der Beklagten überreichten Gutachten lasse sich eine Vergleichbarkeit nicht begründen.
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Der Kläger hatte zunächst den Antrag angekündigt,
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den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 (Abrechnung 2009, Vorauszahlung für das Jahr 2010) und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 aufzuheben,
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dann in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht diesen Antrag aus der Klagschrift mit der „Maßgabe“ gestellt,
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dass in der Klammer „Abrechnung 2009“ gestrichen wird.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Zusammenfassung zu einer rechtlich einheitlichen Einrichtung sei rechtmäßig. Die Vergleichbarkeit der Reinigungsleistungen könne nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts anhand von wasserrechtlichen Erlaubnissen oder durch Gutachten belegt werden. Die Arbeitsergebnisse der zu einer Einrichtung zusammengefassten Anlagen seien in Bezug auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Erlaubnisse vergleichbar. Natürlich enthielten die wasserrechtlichen Erlaubnisse unterschiedlich hohe Reinigungsanforderungen bei den verschiedenen Entwässerungssystemen. Entscheidend sei, dass die Arbeitsergebnisse in Bezug auf die Einhaltung der wasserrechtlichen Erlaubnisse vergleichbar seien. Der Sachverständige sei zu der Feststellung gelangt, dass die Abwasserbeseitigungsanlagen den angeschlossenen Grundstückseigentümern vergleichbare Vorteile bieten.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 10.10.2012 abgewiesen. Der Kläger habe ausgehend von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nichts dargelegt, was die Annahme einer willkürlichen Organisationsentscheidung der Beklagten tragen könnte.
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Hiergegen hat der Kläger einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der damals zuständige 4. Senat mit Beschluss vom 18.04.2013 entsprochen hat.
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Der Kläger hat vorgetragen, die Begründung des angefochtenen Urteils werde der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Eine Vergleichbarkeit hinsichtlich Arbeitsweise und Arbeitsergebnis der Entwässerungssysteme sei ausgeschlossen. So werde eine chemische Reinigung in den Klärteichanlagen nicht vorgenommen. Eine solche chemische Reinigung erfolge dagegen in der Kläranlage ... . In den Klärteichanlagen werde das Abwasser biologisch gereinigt. Die Arbeitsweise der Klärteichanlagen unterscheide sich daher systematisch von der des zentralen Klärwerks in ... .
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Auch in Bezug auf das Arbeitsergebnis ergäben sich beispielsweise hinsichtlich Phosphatwert und Schadstoffanteil erhebliche Abweichungen, so dass auch insoweit von einer Vergleichbarkeit nicht mehr gesprochen werden könne.
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Das Verwaltungsgericht stelle weder fest, dass die grundsätzliche Vergleichbarkeit der Reinigungsleistung gegeben sei, noch dass diese durch wasserrechtliche Erlaubnisse belegt worden sei. Es berücksichtige auch nicht, dass in einzelnen Ortschaften ein erheblich abweichendes Arbeitsergebnis hinsichtlich der Abwasserklärung erreicht werde.
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Der Kläger hat beantragt,
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das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2010 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Zusammenfassung der technisch getrennten Anlagen zu einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne zulässig sei.
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In der mündlichen Verhandlung des Oberverwaltungsgerichts – 4. Senat – am 05.02.2015 ist bei Aufruf der Sache für den Kläger niemand erschienen. In der Verhandlungsniederschrift heißt es hierzu: „Rechtzeitigkeit der Ladung wurde festgestellt“. Mit Urteil vom gleichen Tage ist die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden.
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Die Klage sei unzulässig. Der Kläger begehre die Aufhebung des Abwassergebührenbescheides der Beklagten vom 18. Januar 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2010.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe der Kläger durch die „Maßgabe“, dass der Klammerzusatz des angekündigten Antrags „Abrechnung 2009“ gestrichen werde, sinngemäß klargestellt, dass er sich nicht gegen die Festsetzung der Schmutzwasserbeseitigungsgebühr für das Rechnungsjahr 2009 wende, sondern nur gegen die Vorauszahlung für das Jahr 2010. Dem entspreche auch sein gesamtes Vorbringen. Er halte die Zusammenfassung der technisch getrennten Anlagen zu einer öffentlichen Einrichtung im Rechtssinne und eine darauf beruhende Abgabenerhebung für rechtswidrig. Das insoweit maßgebliche Satzungsrecht sei am 1. Januar 2010 in Kraft getreten. Rechtsgrundlage der Gebührenerhebung für das Jahr 2009 sei dagegen die mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft getretene Beitrags- und Gebührensatzung der Beklagten, die noch keine einheitliche Gebühr für die Schmutzwasserbeseitigung im gesamten Entsorgungsgebiet vorgesehen habe. Schon der Widerspruch des Klägers beschränke sich nach seiner Begründung auf die „neu festgesetzte Gebühr“. Damit könnten nur Vorauszahlungen beziehungsweise Abschlagszahlungen auf die Gebühr für das Rechnungsjahr 2010 gemeint sein. Demzufolge habe die Beklagte den Widerspruch des Klägers zutreffend auch nur als Widerspruch gegen die Vorauszahlungen von Abwassergebühren für die Rechnungsperiode 2010 angesehen und diesen Widerspruch als unbegründet durch Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 2010 zurückgewiesen.
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Der Widerspruch und die auf die Vorauszahlung für das Jahr 2010 eingeschränkte Klage gingen jedoch ins Leere, weil der streitgegenständliche Abwassergebührenbescheid der Beklagten weder eine Festsetzung von Vorauszahlungen noch ein entsprechendes Leistungsgebot enthalte.
- 26
Auch eine isolierte Anfechtung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2010 komme nicht in Betracht. Dies setzte voraus, dass mit dem Widerspruchsbescheid erstmalig Vorauszahlungen auf die Schmutzwasserbeseitigungsgebühr für das Jahr 2010 festgesetzt oder Abschlagszahlungen gefordert würden. Dies sei jedoch nicht der Fall.
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Dem Widerspruchsbescheid fehlten sämtliche Merkmale eines Festsetzungs- oder Leistungsbescheides. Abschlagzahlungen würden vom Kläger und seiner Ehefrau nicht von der Beklagten, sondern von den Gemeindewerken ... GmbH durch Rechnung vom 18. Januar 2010 gefordert. Die rechtsirrige Annahme der Beklagten im Widerspruchsbescheid, es seien Vorauszahlungen auf Benutzungsgebühren für 2010 festgesetzt worden und eine damit verbundene, allenfalls inhaltliche Bezugnahme auf die Rechnung der Gemeindewerke könnten eine förmliche Festsetzung nicht ersetzen. Des Weiteren sei zum Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides das Erhebungsjahr 2010 nahezu abgelaufen und die von den Gemeindewerken gesetzten Zahlungstermine für Abschlagszahlungen - bis auf den Dezembertermin - verstrichen gewesen. Der Widerspruchsbescheid sei als solcher auch nicht rechtswidrig. Der Widerspruch hätte vielmehr schon als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.
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Der Widerspruch des Klägers gegen die Abschlagzahlungen auf Abwasser, bemessen nach einer einheitlichen Gebühr für das gesamte Entsorgungsgebiet der Beklagten, hätten nach alledem gegenüber den Gemeindewerken als Einwand gegen deren Rechnungslegung erhoben werden müssen, weil die Gemeindewerke als privates Unternehmen keine „Abschlagzahlungen“ auf Gebühren fordern dürften. Im Streitfall wäre nicht die Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern die Zivilgerichtsbarkeit zuständig gewesen.
- 29
Am 11.03.2015 hat der Kläger gegen das Urteil vom 05.02.2015 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, u.a. mit der Begründung, dass er zum Termin am 05.02.2015 nicht geladen gewesen sei.
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Mit Beschluss vom 27.07.2015 hat das Bundesverwaltungsgericht das Urteil vom 05.02.2015 aufgehoben und den Rechtstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil nicht nachgewiesen sei, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Ladung zur in seiner Abwesenheit durchgeführten mündlichen Verhandlung am 05.02.2015 erhalten habe. Darüber hinaus liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das Gericht eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, weil es einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben habe, mit der alle oder einzelne Beteiligte nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchten.
- 31
Nach Zurückverweisung der Sache hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 26.11.2015 das bisherige prozessuale und außerprozessuale Verfahren noch einmal dargestellt.
- 32
Der Kläger beantragt,
- 33
das angefochtene Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 4. Kammer, Einzelrichter - vom 10.10.2012 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02. Dezember 2010 aufzuheben mit der Maßgabe dass es um die Vorauszahlungen für 2010 geht.
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Hilfsweise erklärt er
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im Hinblick auf den mittlerweile ergangenen Gebührenbescheid vom 17.1.2011 für das Abrechnungsjahr 2010 das Verfahren für erledigt.
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Weiter hilfsweise beantragt er für den Fall der Zurückweisung der Berufung,
- 37
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
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Die Beklagte beantragt,
- 39
die Berufung zurückzuweisen.
- 40
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten sind in der Fassung, die durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 geschaffen worden ist, rechtmäßig und können den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzen.
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Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Zwar hatte die Rechnung der Stadtwerke GmbH vom 18.01.2010 nicht den rechtlichen Charakter eines Verwaltungsakts, schon bereits deshalb, weil sie nicht – wie in § 106 Abs. 1 LVwG und § 118 Satz 1 AO - angesprochen – von einer Behörde erlassen worden ist, sondern von einer juristischen Person des Privatrechts, die nicht etwa i.S.d. § 24 LVwG beliehen worden ist.
- 43
Die Forderung und die Festlegung der Vorauszahlungen ist jedoch von der Beklagten in den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 inhaltlich aufgenommen worden und ist deshalb seitdem in der Form eines Verwaltungsaktes existent. In der Begründung wird das Rechnungsschreiben als „Bescheid vom 18.01.2010“ bezeichnet, mit dem die Vorauszahlungen „festgesetzt“ worden seien. Dementsprechend wurde der Widerspruch des Klägers auch nicht als unzulässig verworfen, sondern in der Sache erörtert und als unbegründet beschieden. Ob daraus die Folgerung, dass (zumindest fortan) ein Verwaltungsakt vorliege, zweifelsfrei zu ziehen war, mag dahinstehen. Darauf kommt es nicht an. Der Bürger als Empfänger einer nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt missverständlichen Willensäußerung der Verwaltung darf durch etwaige Unklarheiten nicht benachteiligt werden; dies gebietet nicht zuletzt die Grundrechtsbestimmung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.1987 – 8 C 21.86 -, E 78, 3 = Buchholz 310 § 79 VwGO Nr. 23 = KStZ 1987, 939 = NVwZ 1988, 660).
- 44
Der Zulässigkeit der gegen den in dieser Form ergangenen Verwaltungsakt erhobenen Anfechtungsklage steht nicht entgegen, dass am 17.01.2011 für das Abrechnungsjahr 2010 von der Beklagten der endgültige Festsetzungsbescheid erlassen worden ist. Mit diesem Bescheid hat sich der den gleichen Zeitraum betreffende Vorauszahlungsbescheid weder hinsichtlich seiner Festsetzung noch hinsichtlich seines Leistungsgebotes erledigt. Der Bescheid vom 17.01.2011 ist vom Kläger angefochten worden. Auch wenn mit der Bekanntgabe gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. § 112 Abs. 1 Satz 1 LVwG die Wirksamkeit des Bescheides eintritt, erfolgt die endgültige Ablösung des Vorauszahlungsbescheides erst mit der Bestandskraft des endgültigen Gebührenbescheides. Dem Kläger ist deshalb weiterhin das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die von ihm erhobene Anfechtungsklage zuzusprechen (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2009 - 2 LB 43/08 - juris).
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Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide halten in der Gestalt, die durch den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 02.12. 2010 verschafft worden ist, in der Sache einer rechtlichen Überprüfung stand.
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Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob es der Beklagten gestattet ist, ihre technisch voneinander unabhängigen Anlagen der Abwasserbeseitigung – wie mit der Satzung vom 07.12.2009 geschehen - organisatorisch zu einer einheitlichen Anlage zu verbinden, ist für den gegebenen Sachverhalt zu bejahen.
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Der erkennende Senat hatte in seinem den Beteiligten bekannten Urteil vom 24.09.2008 – 2 LB 2/08 – (juris) zu einem vergleichbar gestalteten Sachverhalt hinsichtlich der Kalkulation eines Anschlussbeitrages ausgeführt:
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„Die dem Ortsrecht zugrunde liegende Entscheidung des Beklagten, die technisch und funktional getrennten Entwässerungssysteme zu einer öffentlichen Einrichtung "Schmutzwasserentsorgung" zusammenzufassen, ist nicht zu beanstanden.
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Eine Gemeinde ist aufgrund ihres Organisationsermessens grundsätzlich berechtigt, leitungsmäßig voneinander getrennte Entwässerungseinrichtungen als rechtlich einheitliche Einrichtung mit einheitlichen Entwässerungsabgaben zu betreiben (std. Rechtsprechung vgl. OVG Münster, Urteil vom 17.11.1975 – II A 203/74 -, E 31, 252; OVG Lbg., Urteil vom 24.05.1989 – 9 L 3/89 -, Die Gemeinde 1990, 29 – NVwZ-RR 1990, 507; Senatsurteile vom 26.03.1992 – 2 L 167/91 -, Die Gemeinde 1992, 157 und vom 24.10.2001 – 2 L 29/00 -, Die Gemeinde 2002, 69 = NordÖR 2002, 239 und vom 22.01.2003 – 2 K 1/01 -, SchlHA 2003, 155).
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Entscheidend ist insoweit nicht die technische Ausgestaltung, sondern die rechtliche Bestimmung durch die Gemeinde. Die satzungsrechtliche Zusammenfassung technisch voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme ist aus Rechtsgründen allein dann ausgeschlossen, wenn sie in ihrer Arbeitsweise und in ihren Arbeitsergebnissen so unterschiedlich sind, dass eine Vergleichbarkeit der Anlagen schlechterdings ausgeschlossen ist (l. hierzu Bundesverwaltungsgericht, Beschl. v. 03.07.1978 – 7 B 118 – 124.78 -, Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 40 sowie Senatsurteil vom 24.10.2001 – 2 L 29/00 -). Dies ist indes nur anzunehmen, wenn das Äquivalenzprinzip oder der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.03.1985 – 8 B 11.84 -, KStZ 1985, 129 und Urteil vom 20.12.2000 – 11 C 7.00 -, DVBl 2001, 488 zur Abfallgebühr) und eine Zusammenfassung als rechtliche Einheit mit gleichen Beitragssätzen als willkürlich erscheint. Eine Gemeinde kann danach mehrere technisch getrennte, funktionell gleichartige leitungsgebundene Ent- und Versorgungssysteme zu einer Einrichtung im Rechtssinne zusammenfassen, wenn den anzuschließenden Grundstückseigentümern vergleichbare Vorteile geboten werden (Senatsurteil vom 22.01.2003 – 2 L 170/01 -).“
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Nach diesen Maßstäben, an denen der Senat weiterhin festhält, ist gegen die dem Satzungsrecht zugrundeliegende Organisationsentscheidung entgegen der Ansicht des Klägers nichts zu erinnern. Dabei mag es sein, dass in den Klärteichanlagen, anders als bei den dem Zentralklärwerk der Hansestadt ... aus den Ortslagen ... und E... zugeführten Abwassermengen, keine chemische Reinigung, sondern lediglich eine biologische Reinigung stattfindet und dass insoweit Abweichungen hinsichtlich des Phosphatwertes und der Schadstoffanteile auftreten. Alle verwandten Reinigungsmethoden genügen jeweils den Anforderungen der entsprechenden wasserrechtlichen Erlaubnisse und erfüllen deshalb die Standards einer möglichst unschädlichen Abwasserbeseitigung. Die Leistungsfähigkeit der einzelnen technischen Anlagen ist dadurch vergleichbar. Alle Anlagenteile bieten den angeschlossenen Grundstücken den Vorteil, sich nach leitungsgebundener Einleitung der Abwässer in die öffentlich-rechtliche Abwasserbeseitigungseinrichtung der Beseitigungspflicht in ordnungsgemäßer Weise entledigt zu haben. Dies wird durch das von der Beklagten in Auftrag gegebene „Gutachten zur technischen Vergleichbarkeit voneinander unabhängiger Entwässerungssysteme“ des Privatinstituts für Klärtechnik GmbH vom 01.12.2010 bestätigt und vom Klägervorbringen nicht substantiiert in Frage gestellt.
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Dass durch die unterschiedliche Behandlung der unterschiedlichen Abwassermengen in gebührenrechtlicher Hinsicht eine Schlechterstellung erfolgt, wird vom ihm nicht substantiiert vorgetragen. Die Beklagte hat die Anhebung der Gebührensätze in plausibler Weise damit begründet, dass mit der Umstellung der Organisation eine umfassende Neukalkulation im Gebührenhaushalt stattgefunden hatte.
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Die vom Kläger gestellten Hilfsanträge sind ebenfalls abzulehnen. Das Vorauszahlungsverlangen hat sich nach dem oben Ausgeführten durch den Erlass des Gebührenbescheides vom 17.01.2011 für das Abrechnungsjahr nicht erledigt. Dem Antrag, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird, war ebensowenig zu entsprechen, da die Klage nach dem oben ebenfalls Ausgeführten nicht unzulässig war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da das Vorliegen von Gründen hierfür i.S.d. § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben ist.
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Beschluss
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Der Streitwert wird auf 1.224,00 € festgesetzt.
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Annotations
Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Gegenstand der Anfechtungsklage ist
- 1.
der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, - 2.
der Abhilfebescheid oder Widerspruchsbescheid, wenn dieser erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Der Widerspruchsbescheid kann auch dann alleiniger Gegenstand der Anfechtungsklage sein, wenn und soweit er gegenüber dem ursprünglichen Verwaltungsakt eine zusätzliche selbständige Beschwer enthält. Als eine zusätzliche Beschwer gilt auch die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift, sofern der Widerspruchsbescheid auf dieser Verletzung beruht. § 78 Abs. 2 gilt entsprechend.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.